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Die fantastische Trilogie zum Jubiläum! Erstmals in der 50-jährigen Geschichte der großen Science-Fiction-Kultsaga erscheinen von deutschen Autoren verfasste Romane. Nahe der Grenze zum Klingonischen Reich ereignen sich mehrere brutale Terroranschläge, die Tausende von Toten fordern. Wer steckt hinter den Angriffen? Sind es Fanatiker aus dem fremdartigen Volk der Renao, das im benachbarten Lembatta-Cluster siedelt? Oder hat der zwielichtige Typhon-Pakt seine Finger im Spiel? Die Sternenflotte entsendet die U.S.S. Prometheus, ihr kampfstärkstes Schiff, in die Grenzregion, um das Rätsel zu lösen, bevor der nächste Krieg in der Galaxis ausbricht.
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Seitenzahl: 511
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BERND PERPLIES CHRISTIAN HUMBERG
Based onStar Trek and Star Trek: The Next Generation created by Gene Roddenberry
Star Trek: Deep Space Nine created by Rick Berman & Michael Piller
Star Trek: Voyager created by Rick Berman & Michael Piller & Jeri Taylor
STAR TREK – PROMETHEUS
1Feuer gegen Feuer
2Der Ursprung allen Zorns (August 2016)
3Ins Herz des Chaos (September 2016)
STAR TREK – PROMETHEUS 1: FEUER GEGEN FEUER von Bernd Perplies und Christian Humberg wird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg; Herausgeber: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern, verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Anika Klüver und Gisela Schell; Umschlag- und Aufklapperillustrationen: Tobias Richter, The Light Works; Satz: Rowan Rüster/Amigo Grafik; Print-Ausgabe gedruckt von CPI Moravia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice.
Copyright © 2016 by Amigo Grafik GbR
™ & © 2016 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc. All Rights Reserved.
Print ISBN 978-3-86425-851-0 (Juli 2016) · E-Book ISBN 978-3-86425-893-0 (Juli 2016)
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Für alle Fans weltweit – ohne euch würde STAR TREK dieses Jahr keinen 50. Geburtstag feiern.
Der Weltraum, unendliche Weiten. Vor fast vierzehn Milliarden Jahren aus einem einzelnen Punkt entstanden dehnte er sich heute über stellare Abgründe aus, die jenseits der Vorstellungskraft des menschlichen Geists lagen. Mehr als neunzig Milliarden Lichtjahre durchmaß das Universum gängigen Theorien zufolge. Die Milchstraße, die Heimatgalaxie der Menschheit, war nicht mehr als ein winziger heller Fleck in dieser schwarzen Leere.
Noch viel unbedeutender war der Teil ihres Alpha- und Beta-Quadranten, den die Vereinigte Föderation der Planeten, jener im Jahr 2161 auf der Erde gegründete Zusammenschluss friedliebender Völker, in den letzten hundert Jahren erforscht hatte. Doch mit jedem Tag verschoben Raumschiffbesatzungen die Grenze zum unentdeckten Raum ein klein wenig weiter. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt waren sie unterwegs, um fremde Welten zu entdecken, unbekannte Lebensformen und neue Zivilisationen.
Eines dieser Schiffe war die U.S.S. Valiant.
Die Valiant allerdings, ein Kreuzer der Constitution-Klasse, hatte die Grenze des bekannten Alls noch nicht erreicht. Zum Unwillen ihres frisch gebackenen Captains gehörte sie zu den Schiffen, die den echten Pionieren bloß nachfolgten. Während wahre Expeditionsraumer in mehrjährigen Missionen in die Tiefen des Weltraums vorstießen, bestand die Aufgabe der Valiant seit ein paar Wochen darin, zu kartografieren und zu katalogisieren, was andere entdeckt hatten.
Die Wissenschaftler des Schiffes mochten diese Mission mit Eifer verfolgen, der Captain der Valiant, Jeremy Haden, ertappte sich jedoch regelmäßig bei dem Gedanken, dass dieser Flug ganz und gar nicht dem entsprach, was er sich als ersten Auftrag nach seiner Beförderung zum Raumschiffkommandanten vorgestellt hatte. Er hoffte, dass ihnen größere Herausforderungen bevorstanden, wenn sie ihren aktuellen Kartografierungsflug in drei Wochen beendet hatten. In der Zwischenzeit genoss er jede Ablenkung, die sich ihm bot – wie die Funkbotschaft eines alten Freundes aus Akademietagen, die kurz zuvor mit dem planmäßigen Datenpaket vom Sternenflottenhauptquartier eingetroffen war …
•••
Haden schob die rote Speicherkarte, die sein Kommunikationsoffizier ihm ausgehändigt hatte, in das Terminal auf seinem Schreibtisch. Seine Schicht war soeben zu Ende gegangen, und er hatte sich gleich in sein Quartier zurückgezogen. Nun saß er dort, das Licht war gedämpft, und ein Glas saurianischer Brandy stand vor ihm auf der Schreibtischplatte. Er aktivierte die Wiedergabe, hob sein Glas, trank einen Schluck und lehnte sich erwartungsvoll auf seinem Stuhl zurück.
Der Bildschirm wurde hell, und für einen kurzen Augenblick war das Symbol der Föderation zu sehen, eine weiße Sternenkonstellation auf blauem Grund, umgeben von stilisierten Lorbeerzweigen. Dann wechselte das Bild, und ein Mann in Hadens Alter wurde sichtbar. Er trug das goldfarbene Oberteil eines Mitglieds des Kommando- und Navigationspersonals. Als er die Arme vor sich auf den Tisch legte und die Hände faltete, sah man an den Ärmeln die drei Streifen, die den Rang eines Captains anzeigten.
»James Kirk«, sagte Jeremy Haden leise, obwohl sein Gegenüber ihn nicht hören konnte.
James Tiberius Kirk, der Captain des Raumschiffs Enterprise, setzte ein Lächeln auf. Um dieses Lächeln hatte Haden ihn immer beneidet. Mal wirkte es jungenhaft unschuldig, mal schelmisch, mal weltmännisch charmant. Mit diesem Lächeln war es Jim Kirk nie schwergefallen, neue Freunde zu finden. Auch Haden hatte sich in seiner Gegenwart sofort wohlgefühlt, als sie einander vor Jahren auf einer Party am Baker Beach in San Francisco kennengelernt hatten.
Heute lag ehrliche Freude und Anerkennung in diesem Lächeln, doch in Kirks Augen, die Haden vom Bildschirm aus anfunkelten, blitzte auch der Schalk. »Ich habe gehört, man darf dir gratulieren, Jerry«, sagte der Mann, der als jüngster Captain der Sternenflotte bereits Geschichte geschrieben hatte, bevor er überhaupt zu seiner ersten großen Mission aufgebrochen war. »Captain der U.S.S. Valiant. Die Beförderung hast du dir redlich verdient.«
Die Nachricht, die sein Freund aus Akademietagen geschickt hatte, war eine Aufzeichnung. Sowohl sein eigenes Schiff, die Enterprise, als auch Hadens Valiant befanden sich zu weit draußen im All, als dass eine direkte Bildkommunikation möglich gewesen wäre. Jede Verständigung gestaltete sich schwierig, wenn man sich Tag für Tag weiter vom Herzen der Föderation fortbewegte. Umso mehr freute sich Haden darüber, dass Kirk vom neuen Mann auf dem Kommandostuhl der Valiant Wind bekommen hatte.
»Nun ist es also vorbei mit dem bequemen Leben in der zweiten Reihe«, fuhr Kirk fort. »Jetzt wirst du lernen, was es bedeutet, die Verantwortung für ein Raumschiff zu haben.« Die Miene seines Freundes wurde ernster. »Vierhundert Männer und Frauen werden Tag und Nacht genau beobachten, was du tust. Das Hauptquartier wird dich mit Papierkram überhäufen. Und du musst dich vor jedem Klingonen in Acht nehmen, dem du über den Weg läufst, denn er könnte auf den Gedanken kommen, dir sein Messer in die Brust zu rammen. Klingonen legen sich besonders gerne mit hohen Sternenflottenoffizieren an, habe ich mir sagen lassen.«
Kirks Grinsen kehrte zurück. »Aber es hat auch sein Gutes, Captain zu sein. Ab jetzt hast du Anrecht auf einen persönlichen Yeoman – und wenn du klug warst, ist sie blond und hübsch.« Mit einem Schmunzeln musste Haden an Ensign Green denken, die genau dieser Beschreibung entsprach. »Außerdem darfst du alle Landetrupps anführen«, sprach Kirk weiter, »und die drei goldenen Streifen machen in der ganzen Galaxis Eindruck.« Zur Bekräftigung hob er den linken Arm und tippte mit dem Finger der rechten Hand auf seine eigenen Rangabzeichen.
»Aber erwarte von den ersten Monaten als Captain nicht zu viel, Jerry. Die Sternenflotte schickt ihre frisch gebackenen Kommandanten zu Beginn gern auf Flüge, die Zefram Cochrane gewiss nicht im Sinn hatte, als er uns dazu aufrief, mutig dorthin vorzustoßen, wo nie ein Mensch zuvor gewesen ist.« Kirk gluckste und blickte seinen Freund schief an. »Stell dir vor: Als ich von Admiral Noguchi zum Captain der Enterprise ernannt wurde, hoffte ich noch, man würde mich zukünftig zum Rand und ins Zentrum der Galaxis schicken. Stattdessen durfte ich eine Zirkustruppe durch den Quadranten kutschieren! Die ›Warpschnelle Varietégesellschaft‹ von Amelinda Lukarian – vielleicht hast du von ihr gehört.« Er schüttelte den Kopf. »Du willst nicht wissen, wie ein Raumschiff aussieht, auf dem Artisten und Schausteller herumlaufen. Ich wünsche dir jedenfalls von Herzen, dass deine erste Mission anders ist, bedeutender und …«
Ein Pfeifton unterbrach die Nachricht.
Haden stoppte die Wiedergabe, stellte sein Glas ab und betätigte einen in die Tischplatte eingelassenen Schalter, um den Ruf über das Schiffsinterkom anzunehmen. »Haden hier. Was gibt es?«
»Captain, hier ist Edwards«, meldete sich Hadens Freund, Erster Offizier und Pilot Mark Edwards. »Du solltest auf die Brücke kommen, Jeremy. Lieutenant Nozawa hat eine eigenartige Entdeckung gemacht.«
»Ich bin unterwegs«, erwiderte Haden. Brandy und Funkbotschaft waren vergessen.
Schnellen Schrittes verließ er sein Quartier und bestieg den nächsten Turbolift, um sich zum Kommandozentrum der Valiant bringen zu lassen. Als mit leisem Zischen die Tür aufglitt, sprang Edwards vom Stuhl des Captains auf und machte Platz. Während Haden sich niederließ, löste Edwards den Ensign am Steuer ab. »Was haben wir entdeckt, Lieutenant Nozawa?«, wollte der Captain wissen und blickte seinen Wissenschaftsoffizier an.
Die zierliche Japanerin in der blauen Uniform wandte sich von ihrer Station ab und ihm zu. Ihr schmales Gesicht, das von glattem schwarzem Haar eingerahmt wurde, war vor Aufregung leicht gerötet. »Captain, ich messe in Sternsystem LC-13 direkt vor uns eine sehr eigenartige Strahlung.«
»Was heißt eigenartig?«
Nozawa schüttelte den Kopf. »Ich habe so etwas noch nie gesehen. Sie lässt sich nirgendwo im elektromagnetischen Wellenspektrum richtig einordnen. Ihre Charakteristika passen nicht zueinander. Ich könnte jetzt alle Widersprüche aufzählen, aber einfach gesagt handelt es sich um eine … fremde Energieform, die nicht zu den sonstigen physikalischen Gegebenheiten im Lembatta-Cluster passt.«
Der Lembatta-Cluster war eine etwa fünfzehn Lichtjahre große Ballung uralter Riesensterne, die von der Valiant aktuell untersucht wurde. Es handelte sich um insgesamt vierundzwanzig Himmelskörper, deren rotes Licht unheilvoll die Nebel erhellte, die zwischen den Sternen im All hingen. Haden wusste, dass dieser Ort manchen seiner Leute unheimlich war. Die rötlich glühenden Punkte, die sie vom Hauptschirm der Schiffsbrücke aus anfunkelten, wirkten auf sie wie Dämonenaugen. Außerdem wurden die Sensoren der Valiant durch die Nebel und die Strahlung der Roten Riesen immer wieder gestört, was zu geisterhaften Echos führte, so als wäre dort draußen etwas, das auf sie lauerte, sich aber beharrlich ihren Blicken entzog.
Hadens wissenschaftlicher Offizier, Linda Nozawa, schüttelte über solche irrationalen Ängste den Kopf. Ihrer Meinung zufolge war das All im Lembatta-Cluster leer. Für das nächste größere Sternenreich, die Klingonen, barg dieser Ort keinen Reiz. Und die einzige Zivilisation, die ihnen am Rand des Sternhaufens begegnet war, befand sich noch in der Prä-Warp-Ära, weswegen die Valiant – der Obersten Direktive der Föderation folgend – keinen Kontakt gesucht hatte.
Nozawa hatte diese Meinung bislang mit solcher Überzeugungskraft vorgetragen, dass auch Haden kaum zu hoffen gewagt hatte, in den nächsten Tagen mehr vorzufinden, als bloß ein weiteres Dutzend aufgeblähter, roter Himmelskörper, die von belanglosen Planetensystemen umkreist wurden.
Nun allerdings spürte er, wie Neugierde in ihm erwachte. »Wollen Sie damit sagen, dass wir hier wirklich etwas entdeckt haben? Etwas Außergewöhnliches?«
Die Wissenschaftlerin nickte. »Davon bin ich überzeugt.«
Mit einem Grinsen auf den Lippen wandte sich der Captain der Steuerkonsole vor ihm zu, an der neben Edwards der deutschstämmige Navigator Peter Schwartz saß. »Mister Schwartz, geben Sie einen Kurs nach LC-13 ein. Mister Edwards, Warp 7.«
»Aye, Captain«, bestätigte Edwards.
»Geschätzte Ankunftszeit?«, fragte Haden.
»Vierzig Minuten, Captain«, antwortete Schwartz.
»Sehr gut. Wir treten am Rand des Systems wieder aus dem Warp aus. Und halten Sie alle die Augen offen. Wer weiß, was für die Strahlung verantwortlich ist. Es könnte ein feindliches Schiff sein.«
»Das bezweifle ich«, wandte Nozawa ein. »Kein Schiffsantrieb hat eine so starke Energiesignatur, dass wir sie bei der Hintergrundstrahlung der Sterne im Lembatta-Cluster auf diese Entfernung orten könnten.«
Kein uns bekannter Schiffsantrieb, korrigierte Haden sie in Gedanken mit geradezu unvernünftiger Vorfreude, während er sich zurücklehnte und ein Bein über das andere schlug. Laut sagt er: »Wir sollten trotzdem vorsichtig sein. Man kann nie wissen, was einen erwartet.«
•••
Eine Stunde später schwenkte die Valiant in einen Standardorbit um den zweiten Planeten von System LC-13 ein, tief im Herzen des Lembatta-Clusters. LC-13-II, den Linda Nozawa als Quelle der fremden Energiestrahlung ausgemacht hatte, erwies sich als rotgrauer Planet, etwas kleiner als die Erde, aber von höherer Masse. »Das ist seltsam«, sagte Nozawa, die vornübergebeugt an der Wissenschaftskonsole stand und auf die beschirmte Anzeige ihrer Sensoren blickte.
Haden stand von seinem Kommandosessel auf und gesellte sich an ihre Seite. »Was haben Sie herausgefunden?«
Nozawa hob den Kopf und sah ihn an. »LC-13-II ist erstaunlich lebensfreundlich. Es gibt Wasser, Vegetation und eine Atmosphäre, in der selbst wir uns problemlos aufhalten könnten – zumindest für kurze Zeit. Trotzdem kann ich dort unten keinerlei höheres Leben entdecken, nicht einmal Tiere. Natürlich ist es möglich, dass sehr geringe Lebensformen in den Meeren vorkommen. Das lässt sich von hier aus nicht mit Sicherheit feststellen. Aber angesichts des Alters des Primärgestirns und der Umstände auf der Planetenoberfläche hätte ich erwartet, dass auf LC-13-II wenigstens einfache Formen einer an Land lebenden Fauna existieren.«
»Könnte die fremde Strahlung für ihr Aussterben verantwortlich sein?«, fragte Haden.
Skeptisch wiegte die Wissenschaftlerin den Kopf. »Denkbar wäre es. Aber ich halte das für unwahrscheinlich. Hätte die Strahlung biotoxische Eigenschaften, gäbe es auf der Oberfläche keine derart üppige Vegetation.«
»Richtig«, gestand der Captain. »Sehr merkwürdig.« Nachdenklich blickte er auf den Hauptschirm, auf dem die zerklüftete Küstenlinie des südlichen Kontinents von LC-13-II langsam vorbeizog. »Konnten Sie bereits die genaue Quelle der Strahlung ausmachen?«
»Noch nicht«, erwiderte Nozawa. »Sie scheint sich auf der anderen Seite des Planeten zu befinden, wird aber von Minute zu Minute stärker. Wir sollten gleich über ihr sein.«
»Vergrößern Sie das Gebiet auf dem Hauptschirm, Mister Schwartz.«
»Vergrößere das Gebiet«, gab der Navigator zurück. Die Küstenlinie sprang näher, und Einzelheiten der Landschaft wurden sichtbar. Graue Wellen brandeten gegen rotbraune Felsen. Einige Kilometer landeinwärts begann etwas, das ein Wald sein mochte. Mitten zwischen den olivgrünen Gewächsen erhoben sich steinerne Strukturen.
»Jeremy!«, rief Edwards, »sieh dir das an!«
»Vergrößern«, befahl Haden aufgeregt. »Mark, halte uns in einem geostationären Orbit.«
»Aye, Captain.«
Das Abbild der Strukturen wurde größer und klarer.
Haden wandte sich der Wissenschaftlerin zu. »Wofür halten Sie das, Lieutenant Nozawa?«
Sie machte einen Schritt nach vorne und legte die Hände auf das rote Geländer, das den mittleren Teil der Brücke einfasste. »Das sieht nach Ruinen aus«, sagte sie. »Die Überreste einer Stadt. Also hat es doch irgendwann höheres Leben auf LC-13-II gegeben, sogar eine ganze Zivilisation.« Sie drehte sich zu Haden um und blickte ihn aufgeregt an. »Sir, mit Ihrer Erlaubnis möchte ich mir das gerne näher ansehen. Das könnte ein xenoarchäologischer Fund von enormer Tragweite sein.«
»Was ist mit dieser Strahlung?«, wollte Haden wissen. »Kann sie uns gefährlich werden?«
»Die Sensoren geben keinerlei Hinweis darauf, Sir. Aber ich schlage vor, dass wir den Aufenthalt auf dem Planeten zunächst so kurz wie möglich halten und dann einen Tag abwarten, damit sich eventuelle Auswirkungen zeigen können.«
»Ein guter Vorschlag. Wir nehmen außerdem Doktor Bhahani mit – zur Sicherheit.« Haden wandte sich Edwards zu, doch bevor er auch nur ein Wort sagen konnte, stand dieser von seiner Konsole auf.
»Oh, nein, Jeremy, tu mir das nicht an.«
»Entschuldige, Mark.« Haden grinste. »Einer muss das Schiff führen, und das ist in Abwesenheit des Captains der Erste Offizier. Aber ich verspreche, dir einen hübschen Stein von der Oberfläche mitzubringen.«
Der blonde Mann verzog die Miene. »Na, vielen Dank.«
•••
Wenige Minuten später materialisierten sie zu fünft auf der Planetenoberfläche: Jeremy Haden, Linda Nozawa, Doktor Bhahani und zwei Offiziere der Sicherheit, Franco und Clarke. Der Captain und die beiden Sicherheitsleute zogen sofort ihre Phaser, Nozawa und Bhahani hoben ihre Trikorder. Während seine Chefwissenschaftlerin und der Bordarzt ihre Messungen vornahmen, sah Haden sich um.
Sie standen am Rand einer Lichtung inmitten eines Waldes aus schlanken, hohen Bäumen mit dunklen, farnartigen Blätterwedeln. Vor ihnen erhoben sich die Ruinen einer aus schwarzgrauem Stein errichteten Anlage, die Haden an einen Aztekentempel erinnerte. Stufenförmig ragte das zentrale Bauwerk in den blassroten, wolkenlosen Himmel auf. Es war deutlich größer als die gedrungenen Bauten, die es umgaben.
»Sehen Sie sich das an …«, murmelte Haden. »Die Ruinen einer vergessenen Zivilisation.« Langsam schritten sie auf die Stufenpyramide zu.
»Die Strahlungsquelle liegt direkt vor uns.« Nozawa hielt ihren Trikorder in Richtung des Bauwerks.
Haden ließ den Blick über die Tempelstruktur schweifen. Fremdartige Symbole waren in die schweren Steinquader, die ihre Grundfesten bildeten, eingemeißelt worden. Eigentümlicherweise war die Pyramide frei von jedem Bewuchs – im Gegensatz zu den umliegenden Bauwerken, die im Laufe von Jahrhunderten von Ranken und einer Art violettem Efeugewächs fast komplett überwuchert worden waren.
»Ich sehe keinen Eingang«, stellte Haden fest. Er spürte einen leichten Unwillen in sich aufsteigen. »Aber es muss doch einen geben, oder?«
Nozawa nickte. »Wenn ich nicht irre, müssen wir das Bauwerk umrunden.«
»Doktor, was halten Sie von alldem?« Der Captain sah Bhahani an.
Der indische Arzt zuckte mit den Schultern. »Ich kann Ihnen nur eins sagen: Auf LC-13-II gibt es wirklich keine höheren Lebensformen. Meine Messungen zeigen lediglich verschiedene Insektenarten an, die in den Bäumen und im Dickicht leben. Doktor Denning dürfte sich sehr dafür interessieren.«
Haden nickte. »Wir informieren die xenozoologische Abteilung nach unserer Rückkehr über das Krabbelzeug. Wie sieht es mit der Strahlung aus?«
»Die überfordert meine Messgeräte, Captain. Meine Empfehlung lautet, sich ihr nicht zu lange auszusetzen.«
Unzufrieden runzelte Haden die Stirn. »Sie tragen nicht sonderlich viel zu dieser Sache bei, Doc.«
»Ich tue, was ich kann, Sir«, verteidigte sich Bhahani. »Aber wir stehen hier vor etwas völlig Neuem.«
»Wir sind Sternenflottenoffiziere! Wir stehen ständig vor etwas völlig Neuem.« Der Captain konnte es selbst nicht erklären, aber die Inkompetenz des Arztes machte ihn aus irgendeinem Grund wütend – wütender als angemessen. Ganz ruhig, ermahnte er sich. »Na gut, schauen wir uns diesen Tempel mal näher an.«
Über zerbrochene Steinplatten, die zwischen den niedrigeren Gebäuden verlegt waren, schritten sie auf die Stufenpyramide zu. Haden fragte sich, welchem Gott die Ureinwohner von LC-13-II wohl gehuldigt hatten. Oder handelte es sich um ein Grab?
»Das gefällt mir nicht, Sir«, meldete sich Franco zu Wort. Der braun gebrannte Sicherheitsmann sah sich unruhig um.
»Was meinen Sie, Franco?«, wollte Haden wissen.
»Ich habe das Gefühl, dass wir nicht allein sind. Da ist etwas in den Ruinen. Etwas, das uns beobachtet.«
»Nozawa?« Haden richtete den Blick auf seine Chefwissenschaftlerin.
Diese schwenkte ihren Trikorder hin und her und nahm dabei einige Justierungen vor. »Nichts, Sir. Die einzigen höheren Lebewesen an diesem Ort sind wir.«
»Was, wenn diese Geschöpfe nicht für unsere Trikorder zu erkennen sind?«, gab Franco zu bedenken.
»Wie kommen Sie darauf, dass hier jemand wäre?«, fragte Haden.
»Ich kann es Ihnen nicht sagen, Sir. Ich bin mir einfach sicher.«
»Ihr Bauchgefühl in allen Ehren, aber das ist Unsinn«, beharrte Nozawa. »Hier ist niemand.«
Francos Miene verdüsterte sich. »Sie vertrauen zu sehr auf Ihre Messgeräte, Lieutenant, und zu wenig auf Ihre Instinkte.«
»Wir sind keine wilden Tiere mehr, Ensign«, versetzte die Japanerin gereizt. »Die Wissenschaft hat uns dorthin geführt, wo wir heute stehen, nicht irgendwelche Bauchgefühle.«
»Es reicht!«, ging Haden dazwischen, bevor der Wortwechsel zu einem echten Streit ausarten konnte. »Nehmen Sie sich zusammen, Franco!« Der Mann war ihm schon mehrfach als hypernervös aufgefallen. Für einen Sicherheitsoffizier, der unter Druck eigentlich besonnen handeln sollte, war das nicht unbedingt die beste Charaktereigenschaft.
Franco warf ihm einen verkniffenen Blick zu. »Ja, Sir.«
Haden versuchte, seinen Ärger herunterzuschlucken. Er fragte sich, ob der rote Himmel über ihnen vielleicht aggressiv machte. Normalerweise ließ sich Nozawa nicht so leicht aus der Ruhe bringen – und das galt auch für ihn. »Halten Sie einfach die Augen offen«, sagte er in bemüht versöhnlichem Tonfall. »Aber behalten Sie irgendwelche Spekulationen über unsichtbare Feinde für sich, bis Sie etwas Konkretes bemerken.«
Der Mann in dem roten Uniformhemd nickte. »Ist gut, Sir.«
Mittlerweile hatten sie die mächtige Stufenpyramide halb umrundet und näherten sich der Nordseite des Bauwerks. Aus der Nähe konnte man erkennen, dass das Gestein nicht völlig dunkel war. Feine Adern aus glitzerndem Erz durchzogen es. »Können Sie mir sagen, worum es sich dabei handelt?«, fragte Haden Nozawa.
Die Japanerin richtete ihren Trikorder auf die Einschlüsse. »Tut mir leid, Sir. Dieses verdammte Erz ist nicht in der Datenbank verzeichnet. Aber es blockiert die Messungen meines Trikorders. Ich kann nichts im Inneren der Pyramide erkennen.« Mit gerunzelter Stirn schwenkte Nozawa das Gerät hin und her, dann senkte sie es frustriert.
Haden schüttelte den Kopf. War er eigentlich nur von Versagern umgeben? Ein ängstlicher Sicherheitsmann, eine Chefwissenschaftlerin, die keinerlei Antworten auf seine Fragen hatte … »Ich hätte alleine herkommen sollen«, brummte er leise. Er hoffte bloß, dass sich der Ausflug wenigstens lohnte. Alte Bauwerke und seltene Insekten mochten seinen Wissenschaftlern gefallen, doch Haden wollte mehr.
»Captain!«, rief Clarke, als sie um die Ecke bogen. Mit der freien Hand deutete er nach vorne.
»Ich sehe es«, erwiderte Haden nickend.
Nicht weit entfernt, im Zentrum des mächtigen Pyramidenfundaments, befand sich ein Portal. Es musste mindestens vier Meter hoch und drei Meter breit sein, und der Eingang war, wie es aussah, durch eine Steinplatte verschlossen. Als sie herantraten, erkannte der Captain, dass auch die Platte – wie die Steinquader, die sie umgaben – von eigentümlichen Symbolen bedeckt war. In die Mitte hatte jemand etwas eingemeißelt, das wie eine Sternenballung aussah. »Ist das der Lembatta-Cluster?«, fragte Haden und deutete auf die in den Stein geschlagenen Zeichen.
Nozawa legte den Kopf schief. »Denkbar wäre es. Viele frühe Kulturen haben ihre Tempel durch Sternbilder geschmückt. Vielleicht handelt es sich um eine in diesen Breiten besonders auffällige Himmelskonstellation.«
»Nun, wie auch immer. Die Frage lautet, wie man dieses Portal öffnet. Da es unversehrt aussieht, dürfen wir wohl davon ausgehen, dass die Geheimnisse dieses Tempels auch nach all den Jahren noch in bestem Zustand sind.«
Nozawa zögerte. »Sir, ich weiß nicht, ob wir ins Innere des Bauwerks vordringen sollten.«
Unwirsch sah Haden sie an. »Wieso nicht? Haben Sie etwa Angst?«
»Nein, Captain. Aber die Strahlungswerte innerhalb dieser Mauern könnten deutlich erhöht sein.«
»Und? Spüren Sie bislang irgendwelche Auswirkungen?«
Die Japanerin blinzelte. »Nein, Sir.«
»Sie?« Haden wandte sich Bhahani zu.
Der Doktor schüttelte den Kopf. Dabei machte er ein nachdenkliches Gesicht. »Was ist mit Ihnen?«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie wirken ein wenig unbeherrscht, Captain. Ist alles in Ordnung?«
Haden wischte die Bemerkung mit einer Handbewegung beiseite. »Sie sehen Gespenster, Doktor. Es geht mir gut.« Oder hatte Bhahani recht? Benahm er sich unnormal? Ach, Unsinn, ging es Haden gleich darauf durch den Kopf. Der Quacksalber hat doch keine Ahnung!
Der Captain blickte den Sicherheitsmann an. »Und Sie, Franco? Haben Sie auch Bedenken? Ein Bauchgefühl oder so?«
Franco machte ein grimmiges Gesicht. »Da ist etwas, Captain. Etwas lauert auf uns. Etwas Gefährliches. Das spüre ich ganz deutlich.«
Haden riss die Arme in die Höhe. Seine Leute regten ihn plötzlich furchtbar auf. »Ich fasse es nicht! Was ist denn nur los mit Ihnen allen? Wo ist Ihr Pioniergeist geblieben? Wurde uns nicht an der Akademie immer wieder eingebläut, dass wir mutig dahin vorstoßen sollen, wo noch nie ein Mensch gewesen ist? Bitteschön, nichts anderes tun wir hier!« Er sah den zweiten Sicherheitsmann an. »Clarke, kann ich wenigstens auf Sie zählen?«
»Ja, Sir«, knurrte der stämmige Schotte. »Immer, Sir. Lassen Sie uns ein paar Schädel einschlagen, Sir.«
»Erstmal nur eine Steintür. Los, helfen Sie mir, dieses elende Portal zu öffnen.«
»Mit Vergnügen, Captain.«
Beide Männer steckten ihre Phaser weg, und gemeinsam machten sie sich an der Platte zu schaffen. Nach kurzem Zaudern hob auch Nozawa wieder ihren Trikorder, um nach einem Öffnungsmechanismus zu suchen. »Das verstehe ich nicht«, meinte sie und klang frustriert.
»Was?«, wollte Haden wissen.
»Dieses Portal scheint überhaupt keinen Öffnungsmechanismus zu haben. Es handelt sich einfach um eine gewaltige Steinplatte, die vor den Eingang der Pyramide gestellt wurde. Erstaunlicherweise passt sie perfekt in den Rahmen.«
»Was ist daran bitte erstaunlich?«, wollte Franco wissen. »Bei uns auf der Erde passt auch jede Tür genau in ihren Rahmen. Das muss so sein.«
Die zierliche Japanerin sah ihn spöttisch an. »Sie wissen mal wieder nicht, wovon Sie reden, Ensign.
Den Bauwerken nach zu urteilen, hat auf LC-13-II eine vergleichsweise primitive Kultur gelebt, etwa auf einer Stufe mit den Mayas oder Azteken auf der Erde. Die Bauwerke sind kunstfertig errichtet, aber eben nicht mit der technischen Genauigkeit, wie wir sie seit dem einundzwanzigsten Jahrhundert kennen. Diese Portalplatte unterscheidet sich allerdings merklich davon. Sie ist mit einer Genauigkeit von etwa einem Millimeter in den Rahmen eingepasst – und das, obwohl sie aus Stein besteht und gewiss mehrere Tonnen wiegt. Ich habe keine Ahnung, wie das den Ureinwohnern gelungen sein sollte.«
»Darüber können wir uns wirklich später Gedanken machen«, ging Haden ungeduldig dazwischen. »Jetzt will ich erst einmal wissen, was sich in der Pyramide verbirgt.«
»Und wie gedenken Sie, das Portal zu öffnen?«, wollte Nozawa wissen.
»Ganz einfach.« Haden zog seinen Phaser wieder. »Wir schießen es auf.«
Die Wissenschaftlerin riss die Augen auf. »Sind Sie wahnsinnig? Das ist ein unersetzbarer archäologischer Fund!«
»Lieutenant, Sie vergessen sich!«, fuhr der Captain ihr über den Mund. »Außerdem reden Sie Unsinn. Das ist nur eine Tür. Dahinter erwarten uns die wirklichen Schätze. Clarke.« Er nickte dem Sicherheitsmann zu, der ebenfalls erneut seine Waffe zog.
»Nein!«, rief Nozawa.
»Zurücktreten«, befahl Haden. »Feuern auf mein Kommando.« Er wollte endlich erfahren, welches Geheimnis LC-13-II barg. Er musste es einfach. Es kam ihm unglaublich wichtig vor.
»Tun Sie das nicht!« Die Japanerin ergriff seinen Arm, doch Haden schüttelte sie so heftig ab, dass sie nach hinten taumelte und zu Boden fiel.
»Captain!«, entfuhr es Bhahani aufgebracht. »Sie verletzen einen Offizier?«
»Feuer«, befahl Haden.
Flirrend tasteten die roten Strahlen ihrer Phaser über die schwere Steinplatte. Im ersten Augenblick sah es so aus, als hätten ihre Waffen keine Wirkung auf das Portal. Dann jedoch glühten die Erzadern im Stein hell auf, und in der nächsten Sekunde zerbrach die gewaltige Platte mit einem ohrenbetäubenden Krachen.
Ein heftiger Windhauch stieß ihnen fauchend entgegen und trieb Haden zwei Schritte zurück. Etwas, das roter Staub sein mochte, wurde aus dem Inneren aufgewirbelt und hüllte sie ein.
»Sie Irrer!«, schrie Nozawa Haden wutentbrannt an. »Was haben Sie getan? Das war die vielleicht bedeutendste Entdeckung in der Geschichte der bemannten Raumfahrt. Und Sie haben sie einfach mit ihrem Phaser zerschossen!« Sie rappelte sich wieder auf und trat drohend auf den Captain zu. In der Hand hielt sie auf einmal einen Knüppel und sie wirkte, als wollte sie Haden damit erschlagen.
»Hey, keinen Schritt näher«, dröhnte Clarke und stellte sich der Japanerin in den Weg.
Ohne zu zögern, schlug Nozawa zu.
Doch Clarke hatte die Reflexe eines geborenen Kämpfers. Er blockte den Hieb ab und verpasste der zierlichen Frau seinerseits einen heftigen Kinnhaken. Sie taumelte nach hinten, in die Arme des erschrocken dreinblickenden Doktor Bhahani.
»Sie sind wohl nicht ganz bei Trost!«, herrschte der Arzt Clarke an. »Sie können doch keine Frau niederschlagen – noch dazu eine, die halb so groß ist wie Sie!«
»Niemand greift den Captain an«, gab der Sicherheitsmann zurück, »sonst gibt’s Saures.«
»Da!«, schrie Franco und sah wild um sich. »Es kommt! Ich wusste es! Wir werden angegriffen!« Er riss den Phaser hoch und begann, wild um sich zu schießen. Clarke brüllte schmerzerfüllt auf, als er am Arm getroffen wurde.
Haden warf sich zu Boden. Was für ein Versager, hämmerte es in seinem Kopf. Er hat den Tod verdient. Grimmig hob er seinen Revolver. Revolver?, fragte er sich verwirrt, aber im nächsten Moment war es ihm schon wieder egal. Eine Waffe war eine Waffe.
Mit einem Knall entlud sich der Sechsschüsser. Der Rückstoß riss Hadens Hand nach oben. Franco wurde in den Rücken getroffen und bäumte sich auf.
Kreischend löste sich Nozawa von Bhahani und warf sich auf Haden. In ihrer Hand blitzte ein Messer. Bevor er sie abwehren konnte, hatte sie ihm die Klinge bereits in die Schulter gerammt.
Schmerzerfüllt keuchte Haden auf.
»Habt ihr denn alle den Verstand verloren?«, rief der Bordarzt mit seltsam schriller Stimme. »Hört sofort auf, sonst muss ich euch alle zu eurer eigenen Sicherheit unschädlich machen.« Mit zitternden Händen justierte er seinen Phaser, als wollte er eine bestimmte Einstellung wählen, wüsste aber nicht genau welche.
Mit einem kräftigen Hieb gegen die Schläfe betäubte Haden die auf ihm kniende Wissenschaftlerin. Knurrend schleuderte er sie von sich. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Franco und Clarke miteinander rangen. Beide hatten ihre Uniformhemden zerrissen, und ihre von Schweißperlen bedeckten Gesichter waren fiebrig gerötet.
Was geht hier vor sich?, zuckte es unvermittelt durch Hadens Geist. Ein kurzer Moment der Klarheit überkam ihn, und er merkte, wie furchtbar falsch das alles war. Sie benahmen sich, als wären sie besessen! War diese Strahlung dafür verantwortlich? Aber warum hatten ihn Bhahani und Nozawa dann nicht davor gewarnt?
Weil sie wollen, dass ich ins Verderben renne!, erkannte er. Erneut überkam ihn Zorn, glühend heißer Zorn. Die Welt versank in einem roten Nebel aus Blut und Gewalt. Er wollte sie einfach alle töten, alle umbringen, all die, die seinen Traum, ein berühmter Sternenflottencaptain zu werden, zerstört hatten. Schreiend hob er die Machete, die auf einmal in seiner Hand lag, und warf sich Bhahani entgegen.
Ein Rauschen wie von einem Orkan erhob sich am Himmel, dann zog ein gewaltiger, flammender Körper über sie hinweg. Mit weit aufgerissenen Augen hob Haden den Kopf. Auch die anderen hielten in ihren Kämpfen inne und starrten nach oben.
Es war die Valiant, die einem abstürzenden Meteoriten gleich tosend und von glühendem Dunst umwirbelt in den Untergang raste. Donnernd traf das riesige Raumschiff auf die Oberfläche und sandte Schockwellen durch die Planetenkruste, als hätte der Hammer eines wütenden Gottes die glücklose Welt getroffen. Die Erde riss auf, Bäume brachen wie Streichhölzer, und die Ruinenstadt stürzte polternd in sich zusammen.
Was haben wir getan?, durchfuhr es Captain Jeremy Haden, als er in den Staub geschleudert wurde. Gleißende Hitze verbrannte die Luft in seiner Lunge, während die schweren Steinquader der Stufenpyramide überall um die kleine Gruppe herum zu Boden krachten. Etwas traf ihn mit grauenvoller Gewalt, dann spürte er nichts mehr.
Helle Energieblitze flackerten durch die obere Atmosphäre des Gasriesen, in dessen Orbit das kleine Söldnerschiff hing. Nebelartige Schleier dampften lautlos hinaus ins All und hüllten den an einen mandibelbewehrten Insektenkopf erinnernden Rumpf ein. Das Planetensystem, zu dem der Gasriese gehörte, lag fernab aller gängingen Reiserouten und wies keinerlei Leben auf. Mit seiner kalten blauen Sonne und seinen sechs todbringenden Welten, die von einem dichten Ring aus Asteroiden umgeben waren, wirkte es nicht nur ungastlich, es war auch ein Navigationsalbtraum – und der perfekte Ort für ein heimliches Treffen.
Im Cockpit des Schiffes marschierte ein Mann unruhig hin und her. »Und? Wo sind deine ach so vertrauenswürdigen Auftraggeber? Ich sehe weit und breit niemanden!«
Rah-Ban seufzte angestrengt, hob den Blick von den Anzeigen seiner Brückenkonsole und drehte sich zu seinem Zwillingsbruder Vol-Ban um. »Weil sie im Gegensatz zu dir eben keine vollkommenen Idioten sind«, erwiderte er scharf. »Die sind hier schon irgendwo. Die zeigen sich nur erst, wenn sie es für richtig halten.«
Vol-Ban, der mit in die Hüften gestemmten Fäusten vor dem breiten Hauptmonitor stand, schnaubte. »Für richtig, pah! Haben die uns herbestellt oder wir sie?«
»Für jemanden, der vom Sold anderer Leute lebt, bist du entsetzlich ungeduldig, Bruder.« Rah-Ban hob die Hand und massierte sich – wie so oft, wenn der Frust überhandnahm – die knochige und von einem dünnen Streifen aus pechschwarzem Haar geteilte Stirn.
Er war ein Miradorn und achtete familiäre Bande weit mehr als Vertreter vieler anderer Spezies. Er würde für Vol-Ban durchs Feuer gehen, genau wie dieser umgekehrt für ihn, und es gab schlicht keine geschäftliche Unternehmung, die die »Zwillingssöldner« nicht zusammen angehen würden. Dennoch wünschte sich Rah-Ban an so manchen Tagen, er könnte den Partner, dessen Aussehen er teilte, einfach aus der erstbesten Luftschleuse ins All hinausschießen und fortan in Frieden weiterarbeiten.
Seit Jahren – genauer gesagt seit einem Glücksspiel in Raumsektor 221-G, dessen nicht ganz zufälligem Ausgang sie ihr Schiff verdankten – arbeiteten die beiden Brüder nun schon Seite an Seite. Sie reisten durchs All und boten ihre Waffenstärke, ihre Zeit und ihre beachtlichen Beziehungen zur Unterwelt diverser Regionen des Quadranten jedem an, der das nötige Geld mitbrachte und Dinge erledigt haben wollte, die Gesetzeshütern und Moralaposteln übel aufstoßen würden. Sie waren schnell, verschwiegen, effizient und skrupellos. Sie stellten keine Fragen. Sie standen für Qualität.
Auch den Tzenkethi wollte Rah-Ban keine Fragen stellen. Er würde sich anhören, welchen Auftrag sie für ihn und seinen Bruder hatten. Vermutlich ging es um irgendeine Schmuggelfahrt ins Föderationsgebiet, denn seit Gründung des Typhon-Paktes herrschte zwischen den hiesigen Großmächten endgültig Eiszeit. Dann würde er seine Preisvorstellung nennen, und danach würde man weitersehen. So einfach waren diese Dinge, wenn man sie nur einfach sein ließ.
»Ungeduldig?«, wiederholte Vol-Ban und bewies prompt, dass er von »einfach« genauso wenig verstand wie von »warten«. »Ich bin nicht ungeduldig. Mir gefällt nur nicht, dass uns diese orangehäutigen Kriegstreiber mitten ins Nichts bitten und dann nicht auftauchen. Zumal der Weg hierher alles andere als leicht war. So behandelt man keine Profis! Haben wir etwa nichts Besseres zu tun? Ich denke schon. Lass uns umkehren. Deren Geld will ich gar nicht mehr.«
Rah-Ban sparte sich das halbe Dutzend Erwiderungen, das ihm auf der Zunge lag. Es brachte nichts, Vol-Ban für seine schon fast sträflich oberflächliche Definition der Tzenkethi zu tadeln, die weder allesamt Kriegstreiber noch allesamt orangehäutig waren. Es half auch nicht, ihm gegenüber den Treffpunkt zu verteidigen, denn Vol-Ban selbst war derjenige gewesen, der ihr Schiff, die Vel-Tekk, höchst gekonnt bis hierher navigiert hatte.
»Wir bleiben«, sagte er daher schlicht.
Vol-Ban ließ die Fäuste sinken, dann die Schultern. »Warum?«
»Weil wir den Auftrag gut gebrauchen können.«
»Wenn es überhaupt einen Auftrag gibt!«, erwiderte sein Bruder, drehte sich vom Monitor weg und sah ihn an. »Erkennst du das denn nicht? Die haben uns vera…« Er kam nicht dazu, den Satz zu beenden, denn Rah-Bans Konsole gab plötzlich Alarm. »Ein Schiff!«, meldete er nach einem Blick auf die Anzeigen. »Es nähert sich uns. Nein, es ist schon fast da.«
»Unmöglich.« Verblüfft trat Vol-Ban zu ihm und blickte ihm über die Schulter. »War es getarnt? Die Sensoren hätten es sonst doch viel früher bemerkt. Niemand kann sich einfach so anschleichen.«
»Sie müssen die Atmosphäre des Gasriesen genutzt haben, um sich zu nähern«, entgegnete Rah-Ban und unterdrückte einen Fluch. Seine Finger flogen geradezu über die Tasten, aktivierten Scanroutinen, luden die Strahlenwaffen und Torpedos. »Bei den Interferenzen, die hier überall herrschen, kann ich ohnehin keine sicheren Werte erwarten.«
»Na, wunderbar.« Grimmig sah Vol-Ban wieder zum Monitor. »Wir sind so gut wie blind und bekommen Besuch. Vielleicht sollten wir lieber aus dem Orbit verschwinden und uns …«
Aus den Nebelschleiern vor ihnen tauchte die riesige Gestalt eines Tzenkethi-Marauders auf. Langsam glitt das tränenförmige Schiff näher, und die Farben der gelben Atmosphäre des Gasriesen spiegelten sich auf seinem silbernen Rumpf.
Vol-Ban riss die Augen auf. »Das ist vielleicht ein Brocken«, entfuhr es Rah-Bans Bruder, als der Marauder stumm und bedrohlich zu dem kleinen Raumschiff aufschloss. Natürlich hatten sie beide schon von den Tzenkethi gehört und natürlich hatten sie deren Schiffe in Holonachrichten gesehen – aber tatsächlich begegnet waren sie noch keinem.
»Genug gestaunt.« Rah-Ban drängte seine eigenen ganz ähnlichen Gefühle zurück. »Mal sehen, was sie von uns wollen.« Er berührte die Kommunikationskonsole und öffnete einen Kanal. »Hier spricht die Vel-Tekk. Wir rufen den Tzenkethi-Marauder. Wir sind hier, Sie sind hier. Also lassen Sie uns zum Geschäftlichen kommen.«
Er wartete.
Der Marauder schob sich noch etwas näher, dann verharrte er im All. Flüchtige Dunstschleier der oberen Planetenatmosphäre umwaberten ihn, und der Widerschein der Blitze in den tieferen Schichten zuckte über die glatte, schimmernde Außenhülle.
Sonst geschah nichts.
Der Miradorn zog die Augenwülste zusammen, was die Haarfalte in der Mitte seiner Stirn noch vertiefte. »Tzenkethi-Marauder, hier spricht die Vel-Tekk. Was ist los? Melden Sie sich!«
Wieder bekamen sie keine Antwort.
Auf einmal drehte sich der Marauder und richtete die spitze Hecksektion auf ihr kleines Schiff.
»Hey, wollen die uns aufspießen oder was?«, entfuhr es Vol-Ban.
Der Annäherungalarm auf ihrer Konsole plärrte los. »Was …?« Rah-Bans Blick zuckte zu den Anzeigen. »Was ist das? Noch ein Schiff? Nein! Drei Schiffe!«
»Das ist eine Falle!«, schrie Vol-Ban. Aus seinem Gesicht wich alle Farbe, als er ans Steuerpult eilte. »Schutzschilde auf Maximalkraft. Ich programmiere einen Fluchtkurs.«
Doch Rah-Ban hörte kaum noch hin. Einem Schiff hätte die Vel-Tekk selbst ohne verlässliche Sensoren wohl noch ausweichen können. Aber gleich dreien? »Das ist nicht fair«, flüsterte der miradornische Söldner und sah zum Hauptmonitor. »Einfach nicht fair.«
Vor ihnen glühte das Heck des Tzenkethi-Marauders hell auf. Anschließend schoss das tropfenförmige Schiff mit rasender Geschwindigkeit davon.
Keine Sekunde später stürzte sich der Feind aus einem höheren Orbit auf die Vel-Tekk. Die bleichen Schiffskörper kamen Rah-Ban vor wie eine heulende Meute dem Leben nach dem Tod entstiegener Rachegeister.
Es waren drei sehr ungleiche Geister. Die zwei länglichen verfügten über je eine Spitze, einen schmalen »Rumpf«, der – einmal nach unten, einmal nach oben gewölbt – aus Decks mit winzigen Fenstern bestand, und jeweils zwei Warpgondeln mit rot glühenden Köpfen. Geist Nummer drei verzichtete auf Rumpf und Anhang. Er war durch und durch Pfeilspitze. Auf ihm prangte auch in großen Lettern die Schiffskennung, von der Rah-Ban seinen entsetzten Blick kaum zu lösen vermochte: NX-59650.
Die Föderation!, schoss es Rah-Ban durch den Sinn.
Zwei der seltsamen Schiffe zogen an der Vel-Tekk vorbei und nahmen mit leuchtenden Impulstriebwerken die Verfolgung des fliehenden Tzenkethi-Marauders auf. Das dritte, die Pfeilspitze, schob sich vor das kleine Söldnerschiff und legte sich in eine Kurve, um Rah-Ban und seinen Bruder zu konfrontieren.
»Feuer!«, schrie Vol-Ban. »Bruder, schieß endlich!«
Zu seiner eigenen Überraschung sah Rah-Ban, wie seine Hand auf die entsprechenden Tasten drückte. Ein rötlicher Strahl erschien auf dem Hauptmonitor und schlug gegen die Schutzschilde der Pfeilspitze, ohne ihnen etwas anzuhaben.
»Torpedos!«, forderte Vol-Ban laut und riss die Vel-Tekk herum. »Ziel auf ihre Phaserbänke!«
Auf welche denn?, schoss es Rah-Ban durch den Kopf. Wieder gehorchte er eher reflexartig als willentlich. Und wieder endeten seine Mühen an den Schilden des Gegners. Einen Sekundenbruchteil später erbebte das Schiff unter dem Gegenangriff. Rah-Bans Konsole flackerte. Die Deckenlampen der kleinen Brücke fielen aus, und sein Bruder musste sich am Steuerpult festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Vol-Ban fluchte, änderte erneut den Kurs – und wieder schlugen die Waffen der Gegner gegen die Schilde der Vel-Tekk. Mit einem Mal roch Rah-Ban Rauch. Der Hauptmonitor fiel als Erstes aus. Gleich darauf verschwanden die Waffenkontrollen spurlos von seinen Anzeigen.
Er sah, dass sie gerufen wurden, und öffnete den Kanal. Wenigstens dazu war die Technik noch fähig. Vielleicht auch zu mehr? Rah-Ban versuchte es. Wenn er die Hauptenergie umleitete, ein paar der lebensnotwendigen Systeme kurz deaktivieren konnte und dann …
»Hier spricht Captain Richard Adams vom Föderationsraumschiff Prometheus«, drang eine strenge Männerstimme aus den Komm-Lautsprechern und hallte über die nur noch von den Konsolenanzeigen erhellte Brücke. »Deaktivieren Sie Ihre Schilde, die Waffen und den Antrieb. Ergeben Sie sich und halten Sie Ihre Position.«
Die Prometheus! Rah-Ban hatte von ihr gehört. Sie war ein hochmodernes Kampfschiff der Vereinigten Föderation der Planeten, enorm stark bewaffnet und dank eines Multi-Vektor-Angriffsmodus imstande, sich in drei autark kämpfende Segmente zu teilen. Deshalb sahen ihre Angreifer auch so seltsam aus: Alle drei Gegner gehörten zu einem Schiff.
»Sie können uns gar nichts!«, schrie Vol-Ban und schlug mit der Faust auf sein flackerndes Pult. Seine Versuche, den Überlichtantrieb zu aktivieren und ihrem Feind zu entkommen – ein Unterfangen, das angesichts der vielen Asteroiden in dem System an Wahnwitz grenzte –, schienen samt und sonders zu scheitern. Auch die Impulstriebwerke gehorchten ihm nicht. »Sie kennen uns nicht einmal!«
Da! Rah-Ban hätte fast gejubelt, als der Hauptmonitor wieder zum Leben erwachte. Es war das erste Resultat seiner Bemühungen zur effizienten Verteilung der Restenergie. Ob ihm das auch mit den Konsolen gelang? Etwa mit dem Überlichtantrieb und der Waffenkontrolle?
Er wollte es gerade versuchen, da erkannte er sich selbst auf dem von allerlei Schlieren und anderen Störungen verzerrten, unscharfen Bild des Monitors. Der Miradorn sah sich und seinen Bruder – auf einem Steckbrief.
»Wir wissen, dass Sie seit Monaten illegale Geschäfte machen«, erklärte die Stimme des Sternenflottencaptains dazu. Das Bild musste von der Prometheus kommen. »Waffenlieferungen nach Tullinar VI, Organhandel im Silva-Sektor, Schmuggel mit den Pakled im Antares-Gebiet und nun ein Abkommen mit den Tzenkethi … Soll ich fortfahren?«
Rah-Bans Gedanken rasten.
Auf die Hilfe ihrer Auftraggeber brauchten sie nicht zu hoffen. Die hatten sich schnellstmöglich abgesetzt. Und die Hoffnung, einen Kampf gegen die Prometheus zu gewinnen, erschien ihm ziemlich kühn.
»Schieß, Bruder!«, zischte Vol-Ban leise und streckte die geballte Faust zum Monitor empor, der nun wieder das dampfende All mit ihrem furchtbaren Gegner zeigte. »Wenn wir schon untergehen müssen, dann kämpfend!«
Rah-Bans Konsolentasten leuchteten wieder. Er hatte die Waffenkontrolle zurück, die Sensoren, die Schildanzeigen …
»Bruder!«, wiederholte Vol-Ban. »Schieß doch!«
»Wir warten nicht mehr lange, Vel-Tekk«, sagte die Stimme. »Deaktivieren Sie Ihre Waffen, und ergeben Sie sich.«
»Du bist ein ungeduldiger Idiot, Vol-Ban«, sagte Rah-Ban seufzend und gehorchte.
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