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Die Serien THE NEXT GENERATION, TITAN und DEEP SPACE NINE vereint! Nach der Zerstörung der ursprünglichen Raumstation DS9 baute die Sternenflotte eine größere, fortschrittlichere Sternenbasis im bajoranischen System. Jetzt möchte Captain Ro Laren eine imposante Einweihungszeremonie mit verschiedenen Würdenträgern abhalten. Unter den Gästen befinden sich auch Vertreter rivalisierender Mächte, wie der romulanische Praetor und der Gorn-Imperator. Während sich Ros Besatzung darauf vorbereitet, DS9 zu öffnen, droht unterdessen Gefahr. Eine Gruppierung hat einen erschreckenden Plan in die Wege geleitet der, sollte er Erfolg haben, den Alpha- und den Beta-Quadranten bis ins Mark erschüttern wird.
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Seitenzahl: 523
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STAR TREK™
T H E F A L L
DAVID R. GEORGE III
Based onStar Trek and Star Trek: The Next Generationcreated by Gene Roddenberry
Star Trek: Deep Space Ninecreated by Rick Berman & Michael Piller
Ins Deutsche übertragen vonRené Ulmer
Die deutsche Ausgabe von
STAR TREK – THE FALL 1: Erkenntnisse Aus Ruinen
wird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.Herausgeber: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern, Übersetzung: René Ulmer;
verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Wibke Sawatzki und Gisela Schell;Satz: Rowan Rüster/Amigo Grafik; Print-Ausgabe gedruckt von
CPI Morvia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice. Printed in the Czech Republic.
Titel der Originalausgabe:
STAR TREK – THE FALL: REVELATION AND DUST
German translation copyright © 2015 by Amigo Grafik GbR.
Original English language edition copyright © 2013 by CBS Studios Inc. All rights reserved.
™ & © 2015 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarksof CBS Studios Inc. All Rights Reserved.
This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc.,pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.
Print ISBN 978-3-86425-778-0 (September 2015) · E-Book ISBN 978-3-86425-740-7 (September 2015)
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Für Karen Ragan-George,
Licht meines Lebens, mein Herzschlag,
die mein Auge mit ihrer zeitlosen Schönheit erfreut,
mein Ohr mit dem Gesang ihres Lachens,
meinen Geist mit ihrem künstlerischen Gespür
und meinen Verstand mit ihrer tief greifenden Intelligenz.
Ich liebe dich, meine Süße, jetzt und auf ewig.
Der Großteil dieser Erzählung findet zwei Jahre nach der Zerstörung von Deep Space 9 durch abtrünnige Kräfte des Typhon-Paktes statt (in den STAR TREK – TYPHON PACT-Romanen »Heimsuchung« und »Schatten«). Der Hauptteil der Geschichte beginnt am 22. August 2385, kurz vor der Einweihung der neuen DS9, und endet am 1. September 2385.
Und wir alle segeln auf den Meeren unseres Lebens,Wir alle halten unser Ruder selbst in den Händen,Manchmal treiben wir weit in unbekannte Gefilde,Finden uns an düsteren Küsten wieder.
Wir leben, wie es uns gegeben, in diesen fremden Landen,Wie es bedarf, verbergen wir uns, oder siedeln, oder streifenumher,Reiten auf den Strömungen der Zeit, kämpfen, unsere JahreZu lenken, immer auf der Suche nach dem Weg in die Heimat.
Wenn wir schließlich den Weg finden, dem wir zu folgenwagen,Begeben wir uns auf aufgewühlte Strömungen,In alle Tiefen hinabblickend, jede Welle kreuzend,Treiben wir trotz allem zwischen Schatten.
– Akorem Laan,
Erkenntnisse und Ruinen,
»Der Pfad zur Überlegenheit«
Sie flog durch die Luft und wartete auf den Aufschlag auf das unnachgiebige Deck.
Nur Sekunden zuvor hatte Vedek Kira Nerys den Bug ihres geborgten Runabouts auf einen romulanischen Warbird gerichtet, der sich unerlaubt im Himmlischen Tempel aufhielt. Als Kira in das Wurmloch geflogen war, hatte sich der Warbird im Kampf mit einem Schiff der Sternenflotte befunden, der U.S.S. Robinson unter dem Kommando von Captain Benjamin Sisko – dem Abgesandten der Propheten. Eine große rote Wunde klaffte hinter den beiden Schiffen in der Wand des Himmlischen Tempels; ein hässlicher kreisförmiger Riss, von dem ein weiteres Wurmloch ausging. Während Kira in die zerfetzte Wunde geblickt hatte, hatte sie ein Pagh’tem’far erlebt – eine heilige Vision –, danach hatte die Vedek gewusst, was zu tun war.
Kira hatte ihr Runabout, die Rubicon, augenblicklich in ein Geschoss verwandelt und auf das romulanische Raumschiff gezielt in der Absicht, sowohl den Abgesandten und seine Besatzung zu unterstützen als auch die Heimat der Propheten zu beschützen. Während sie zum Hauptbereich des Runabouts im Heck eilte, um in Deckung zu gehen, durchschlug der Bug des kleinen Schiffs den langen Hals, der den vorderen, schnabelförmigen Teil des Warbirds mit dem Rumpf verband. Während des dröhnenden Aufschlags und des unnatürlichen Klangs von berstendem Metall fiel Kira auf Hände und Knie, und ihr Kopf wurde schmerzhaft zurückgerissen. Als sie sich wieder gefangen hatte und durch die seitlichen Sichtluken der Rubicon blickte, sah sie, welchen gewaltigen Schaden das Runabout dem Warbird zugefügt hatte, indem es die vordere Sektion vom Rest des Raumschiffs abgetrennt hatte. Zur selben Zeit beobachtete sie, wie die Robinson sich aus dem Kampf löste und auf die Öffnung des Wurmlochs in Richtung des Alpha-Quadranten zuraste.
Es war kalt im Cockpit geworden, da Wärme und Atmosphäre durch einen Bruch in der Hülle des Runabouts hinausgesogen worden waren. Kira sah in Richtung Bug, um zu beurteilen, wie schwer die Rubicon beschädigt war. Stattdessen sah sie Elias Vaughn.
Oder vielleicht sah sie nur ein Scheinbild ihres ehemaligen Ersten Offiziers oder bildete sich seine Anwesenheit auf dem Runabout nur ein. Jedenfalls ähnelte die Gestalt, die sie sah – oder zu sehen glaubte –, nicht dem Mann, den sie heute in einem Hospiz auf Bajor besucht hatte. Nach einer schweren Gehirnverletzung, die er während der Borg-Invasion vor zweieinhalb Jahren erlitten hatte, hatte Vaughn das Bewusstsein nicht wiedererlangt, überlebte nur dank diverser lebenserhaltender medizinischer Geräte. Seine Tochter, Prynn Tenmei, hatte irgendwann deren Entfernung angeordnet, sodass lediglich die Nahrungs- und Flüssigkeitsschläuche geblieben waren, und während der letzten Wochen hatte sie auch diese entfernen lassen.
Als Kira Vaughn zuletzt gesehen hatte, kurz bevor sie die Rubicon entwendet hatte, hatte sein zerbrechlicher Körper gewirkt, als stünde er an der Schwelle des Todes; ein Schicksal, das sein Verstand schon vor langer Zeit erlitten hatte. Was von Vaughn übrig gewesen war, hatte nur geringe Ähnlichkeit mit dem vor Gesundheit strotzenden Mann gehabt, den Kira gekannt hatte. Der große kräftige Offizier mit grau meliertem Haar und dazu passendem Bart war einem abgemagerten, kahl werdenden Geist gewichen.
Auf der Rubicon jedoch erschien Vaughn so, wie er früher ausgesehen hatte. Er stand vor Kira, nicht länger ausgezehrt und sterbend, sondern genau so wie am Tag seiner Ankunft auf Deep Space 9 – auf der ehemaligen Terok Nor, der cardassianischen Monstrosität einer Erzaufbereitungsanlage, die von der Sternenflotte übernommen und als Raumstation genutzt worden war. Auch die Station hatte vor Kurzem ihr Ende erlebt, so wie Vaughn selbst. Zumindest hatte Kira das gedacht.
»Wie sind Sie hierhergekommen, Elias?«, fragte sie, obwohl sie ihre eigene Stimme über dem Brüllen der in den Weltraum strömenden Luft kaum hören konnte. Kira wollte noch mehr fragen – wie er wieder gesund geworden war und warum er sich auf einmal an Bord der Rubicon befand. Doch bevor sie dazu kam, trat er auf sie zu. Ohne ihre Frage zu beantworten oder überhaupt ein Wort zu sagen, packte er sie und hob sie auf die Arme, hielt sie auf eine Art, dass sie dachte, er wolle sie wegtragen. Als könnte er das Runabout einfach verlassen und sie durch den Weltraum in Sicherheit bringen, etwas, das völlig unmöglich war. Vaughn machte jedoch keinen Schritt, stattdessen ging er in die Knie, drehte sich, holte Schwung und warf Kira in die Luft.
Die Vedek segelte mit dem Gesicht nach oben durch das Runabout, die beleuchteten Schalttafeln über ihr zogen an ihren Augen vorbei. Sie erwartete, dass sie auf das Deck aufschlug, und bereitete sich, so gut sie konnte, auf den harten Aufprall vor.
Aber dann landete Kira auf dem Rücken, und obwohl ihr die Luft aus den Lungen getrieben wurde, wusste sie, dass sie nicht im Inneren der Rubicon gelandet war. Der Boden unter ihr war fest, aber nachgiebiger als das metallene Deck eines Runabouts. Darüber hinaus herrschte eine unheimliche Stille, wohingegen die Luft der Kabine vor einigen Augenblicken noch lautstark durch einen Bruch in der Hülle hinausgeströmt war.
Keuchend machte Kira sich daran, sich hochzustemmen, setzte sich auf und stützte sich mit den Händen ab. Sie versuchte, ihre Umgebung zu erkennen, aber um sie herum erstrahlte plötzlich grellweißes Licht, ohne dass es dafür eine erkennbare Quelle gab. Sie kniff die Augen zusammen, aber es wurde noch greller, blendete sie.
Kira kam in den Sinn, dass der Verlust der Atmosphäre des Runabouts vielleicht zu einer Sauerstoffunterversorgung geführt hatte und dadurch ihre Wahrnehmung beeinträchtigt wurde. Vielleicht war Vaughn an Bord der Rubicon nur eine Halluzination gewesen. Sie könnte auch das Bewusstsein verloren haben, und ihre Wahrnehmungen und Beobachtungen waren Teil ihrer Vorstellung vom Jenseits. Oder die potenziell tödlichen Umstände hatten dazu geführt, dass sie ein Nahtod-Delirium erlebte.
Oder vielleicht sterbe ich wirklich, dachte Kira. Möglicherweise bin ich bereits tot.
Der Gedanke machte ihr keine Angst; stattdessen empfand sie Bedauern für ein Leben, mit dem sie noch nicht abgeschlossen hatte. Sie hatte viel Zeit ihres Lebens – ein Vierteljahrhundert – als Gefangene unter dem brutalen Joch der cardassianischen Besatzung verbracht, täglich, Jahr für Jahr, dafür gekämpft, ihr Volk zu befreien. Nachdem es endlich so weit gewesen war, hatte sie beinahe ein Jahrzehnt auf Deep Space 9 verbracht, erst als Erster Offizier der Station und dann als ihr Befehlshaber, wobei sie energisch Bajors neu gewonnene Freiheit verteidigt hatte. Erst in den darauffolgenden fünfeinhalb Jahren war es Kira gelungen, die Gewalt, die zeit ihres Lebens ihr Denken und ihr Handeln bestimmt hatte, hinter sich zu lassen.
Nächsten Monat würde sie ihren vierzigsten Geburtstag feiern – objektiv betrachtet eine bedeutungslose Tatsache, das war ihr bewusst, eine rechnerische Belanglosigkeit, und dennoch betrachtete sie es als Meilenstein. Den Großteil ihres Lebens war Kira davon überzeugt gewesen, dass sie niemals vierzig werden würde, darum betrachtete sie es als Zeichen für ihre Entwicklung und den Frieden, den sie in sich selbst gefunden hatte. Für sie war das Datum ein Maß ihrer emotionalen und spirituellen Reifung und eine Zwischenstation auf ihrer Reise im Dienste der Frömmigkeit. Kira hatte nur drei Jahre gebraucht, um durch die Ränge der bajoranischen Geistlichen zur Position einer Vedek aufzusteigen, aber sie wusste, dass sie noch viel zu lernen hatte – über sich selbst, ihr Volk und ihren gemeinsamen Glauben. Obwohl sie auf ihrer persönlichen religiösen Reise bereits weit gekommen war, stellte sie sich vor, wie der Pfad vor ihr breiter wurde und zu noch Höherem aufstieg. Mehr als alles andere wollte sie weiter den Weg gehen, den die Propheten für sie vorgesehen hatten.
Die Propheten, dachte Kira. Sie blinzelte in das gleißende Licht, versuchte, Details auszumachen, konnte aber nichts erkennen. Ihr Atem hatte sich beinahe normalisiert, und sie war wieder voller Tatendrang, konnte jedoch nach wie vor nichts von ihrer Umgebung ausmachen.
Es ist unwichtig, beschloss sie, rang ihre Niedergeschlagenheit nieder und wandte sich ihrem Glauben als Kraftquelle zu. Ich war im Himmlischen Tempel, rief sie sich in Erinnerung, und auch, dass sie mit der Rubicon in das Wurmloch geflogen war. Ich muss mich noch in seinem Inneren befinden.
Das helle Licht weckte Erinnerungen an die beiden Male, zu denen sie bisher mit den Propheten gesprochen hatte. Während sie sich von den schrecklichen Verletzungen erholt hatte, die Taran’atar ihr zugefügt hatte, war ihr Bewusstsein in den Himmlischen Tempel emporgestiegen. Dort hatten die Propheten sie zu Ihrer Hand ernannt und ihr erklärt – auf Ihre verworrene Weise –, dass sie in Ihrem Namen hinsichtlich der Eav’oq und der Aszendenten handeln musste. Später hatten Sie die Botschaft bekräftigt, als Kira zusammen mit der cardassianischen Spionin Iliana Ghemor und deren Gegenstück aus dem Paralleluniversum in das Wurmloch gestürzt war und sie zu dritt ohne Schiff oder Raumanzug durch das All getrieben waren.
Schließlich hatte sie gehandelt, obwohl es ihr so schien, als hätten andere – Benjamin, der Eav’oq namens Itu, die Aszendentin Raiq und sogar Taran’atar – so viel mehr als sie erreicht. Seit diesen Ereignissen hatte sich Kira mehr als einmal gefragt, ob sie die Rolle, die die Propheten für sie vorgesehen hatten, wirklich erfüllte. Der Gedanke, dass sie Sie vielleicht enttäuscht hatte, hatte ihr Kummer bereitet, aber sie hatte sich mit dem Wissen getröstet, dass sie wirklich ihr Bestes versucht hatte. In Anbetracht dessen, wie sich die Situation der Aszendenten schließlich entwickelt hatte, hatte sie vielleicht genau das erreicht, was Sie von ihr erwartet hatten. Doch ungeachtet dessen, wie viel ihre Taten dazu beigetragen hatten, hatte Kira niemals auch nur im Geringsten an den Propheten gezweifelt.
Aufgrund des Lichts um sie herum konnte Kira noch immer nichts erkennen. Also schloss sie die Augen und konzentrierte sich auf ihre Position innerhalb des Himmlischen Tempels. Sie vertraute den Propheten voll und ganz und sie würde bereitwillig jeden Pfad annehmen, den Sie für sie vorgesehen hatten.
Ruhe erfasste Kira, und beinahe als würden ihre Emotionen es kontrollieren, wurde das Licht um sie herum schwächer. Sie wartete ein paar Sekunden, wollte sichergehen, dass es nicht wieder heller wurde, bevor sie schließlich die Augen öffnete.
So weit Kira sehen konnte, erstreckte sich über ihr ein nächtlicher Himmel, den sie noch nie gesehen hatte. Ein Baldachin aus Sternen spannte sich dort, fast so dicht wie die Sandkörner an einem Strand. Sie hatte selbst auf dem Land, fernab vom Lichtsmog der Städte, sogar im Weltraum ohne Atmosphäre, die das Licht schluckte, noch nie so viele Sterne auf einmal gesehen.
Während Kira zu dem atemberaubenden Sternenmeer hinaufschaute, bemerkte sie unter ihren Händen etwas Raues und Kaltes. Sie sah hinunter und erkannte, dass sie auf einem Flecken einfacher Erde saß, den sie im schwach scheinenden Sternenlicht gerade erahnen konnte. Sie grub die Finger in den Boden und hob die Hand, an der Erde klebte, vor die Augen.
Kira stemmte sich hoch. Als sie stand, bemerkte sie, dass sie sich offenbar nahe einem Abhang befand. Sie ging ein paar Schritte, und der Horizont näherte sich schnell. Sie hatte erwartet, in ein Tal oder eine Schlucht hinabzublicken, stattdessen stand sie am Abgrund zum Weltraum. Die Sterne erstreckten sich so weit, wie sie an der Kante hinabsehen konnte.
Die Aussicht machte Kira schwindelig. Sie zog sich hastig zwei Schritte zurück und wartete darauf, dass das Gefühl nachließ. Dann ging sie auf alle viere und kroch vorwärts, bis sie direkt an der Kante hinuntersehen konnte. Der Boden fiel in gefurchten Schichten aus Erde vertikal ab, und darunter leuchteten noch mehr Sterne zu ihr herauf. Kira stellte fest, dass sie sich nicht auf einem Planeten befand, sondern vielmehr auf einem Stück Oberfläche, die irgendwie losgelöst worden war und im All trieb – aber trotzdem über eine Atmosphäre und Schwerkraft verfügte.
Kira zog sich vom Abgrund zurück, stand auf und drehte sich um, damit sie den Rest ihrer Umgebung in Augenschein nehmen konnte. Vor ihr erstreckte sich eine grobe, felsige Ebene, die von steilen Klippen eingefasst wurde. Über ihr verschwand das glitzernde Sternenmeer hinter einer dichten grauen Wolkendecke. Blitze erhellten die Szenerie.
Einige Hundert Schritte entfernt teilte ein breiter Abgrund das Land, der sich von einer zerklüfteten Felswand zur anderen erstreckte. Aber anders als bei dem Abgrund in den Weltraum hinter sich konnte Kira jenseits der Schlucht mehr Land erkennen. Und dieses Land auf der anderen Seite stellte das völlige Gegenteil ihrer derzeitigen Umgebung dar.
Hinter der Schlucht sah sie statt der dichten Wolken klaren, blauen Himmel. Die ausgedehnte, sonnenbeschienene Grasebene erinnerte Kira an Alavanu Green, den größten Park in Bajors Hauptstadt Ashalla. Bäume in allen möglichen Größen und Formen waren über die Landschaft verstreut, dazwischen standen niedrige Büsche. Blumen in bunten Farben sorgten vor dem grünen Hintergrund für Farbtupfer.
Kira betrachtete die zwiespältige Aussicht, versuchte ihre Bedeutung zu verstehen. Sie glaubte nicht unumstößlich an die physische Realität dessen, was sie sah, aber sie vermutete, selbst wenn es nur in ihrem Verstand existierte, musste sie sich irgendwie damit auseinandersetzen. Sie wusste nur nicht, wie.
Wieder als hätten ihre Gedanken dafür gesorgt, veränderte sich die Szenerie vor ihr. Am anderen Ende der Schlucht erschien die strahlende Form einer Sanduhr. Sie schwebte knapp über dem Gras, drehte sich langsam um die eigene Achse und glühte grünweiß, wie aus einer anderen Welt. Die Vedek erkannte es augenblicklich als einen Drehkörper der Propheten.
Der Anblick des geheiligten Objekts freute Kira. Sie fragte sich, was für einer es war und ob er zu den neun gehörte, die dem bajoranischen Volk bekannt waren. Sogar die Möglichkeit, dass es sich um einen neuen Drehkörper handeln könnte, begeisterte die Vedek.
Ich muss zu ihm, dachte Kira. Ich muss erfahren, was er mir zu sagen hat.
Kurz bevor sie Bajor mit der Rubicon verlassen hatte, hatte sie den Drehkörper des Schicksals im Vanadwan-Kloster konsultiert. Sie hatte die Erfahrung nicht ganz verstanden – das tat niemand –, aber sie hatte ihr neue Erkenntnis und das Wissen vermittelt, was sie als Nächstes zu tun hatte. Es war nur logisch, sich dem vor ihr erschienenen Drehkörper zu nähern, um zu erfahren, was er ihr an neuen Informationen und Eingebungen bieten konnte.
Kira ging los. Sie wusste nicht, wie sie die Schlucht überqueren sollte, die sie von der Parklandschaft und dem dort schwebenden, rotierenden Drehkörper trennte, aber sie ging weiter. Sie war davon überzeugt, wenn die Propheten für sie vorgesehen hatten, den Drehkörper zu erreichen, würde sie einen Weg finden.
Die Wolken über ihr flackerten vor Blitzen und übergossen den felsigen Boden und die steilen Klippen mit einem silbrigen, gespenstischen Leuchten. Unter ihren Füßen bebte der Boden. Sie ging schneller.
Plötzlich rissen im Boden zu ihrer Linken zerklüftete Spalten auf. Aus den Sprüngen brach grelles, weißes Licht hervor und strahlte in den tobenden Himmel hinauf. Die Vedek wich nach rechts aus, dann brach auch dort der Boden auf. Noch mehr blendende Lichtstrahlen suchten sich den Weg nach oben. Kira passte ihren Pfad an, hoffte, einen sicheren Durchgang zwischen den frisch entstandenen Spalten zu finden, bis sie sich vor ihr trafen. Hastig drehte sie sich um, wollte denselben Weg zurückgehen und das zerklüftete Terrain umrunden, aber sie war eingeschlossen.
Kira drehte sich erneut um, wieder in Richtung des Abgrunds. Sie dachte darüber nach, zu versuchen, über die Risse und durch das Licht zu springen, doch bevor sie dazu kam, bebte die Erde und riss sie von den Füßen. Ein weiteres Mal lag sie auf dem Rücken. Die Spalten um Kira herum wurden breiter und länger, die Ausbrüche weißen Lichts gingen ineinander über und umgaben sie mit ihrem gefühllosen Glanz.
Erst schien es, als würde ihr Körper schweben, aber dann verlor sie jegliches Gefühl für ihre Position, ihren Standort und sogar ihre Ausrichtung. Nach und nach wurde sich Kira ihres Herzschlags bewusst, ruhig und regelmäßig, wie das rhythmische Schlagen einer Trommel. Sie lauschte ihm, konzentrierte sich darauf, hob dann eine Hand und bedeckte ihre Augen. Während dieses Ansturms auf ihre Sinne bewegte sie die Finger und versuchte zu beurteilen, was sie wirklich spürte.
Plötzlich raste eine Reihe von Bildern durch ihren Kopf: eine liegende Frau, eine Gestalt, die einen Ball mit einem Lederhandschuh auffing, noch eine Frau mit rotem Kopfschmuck und ein Borg. Kira benötigte einen Augenblick, bevor ihre Gedanken mit den Eindrücken mithalten konnten, aber dann verstand sie, dass sie alle Gesichter kannte, die sie gesehen hatte. Gleichzeitig begriff sie, dass die gezeigten Leute noch etwas anderes darstellten: die Propheten. Kira öffnete den Mund, um mit Ihnen zu sprechen, aber bevor sie überhaupt etwas sagen konnte, hörte sie, wie jemand eine Frage stellte, scheinbar ganz in der Nähe.
»Wer bist du?«
Kira erkannte, dass diese Frage nicht ihr gestellt worden war. Dennoch erschien einer Antwort gleich ein weiteres Quartett von Gesichtern vor ihrem inneren Auge: ein Mann, der eine Frau küsste; ein neugeborenes Baby, ein Junge im Teenageralter und dann eine weitere Frau. Kira konnte noch immer das Schlagen ihres eigenen Herzens hören.
»Wer bist du?«, fragte die Stimme noch einmal, lauter und drängender.
Kira nahm die Hand herunter und sah, dass das alles umgebende Licht verschwunden war. Zu ihrer Überraschung lag sie nicht länger auf einem zersplitterten Stück Land; stattdessen stand sie an einem sonnigen Strand mit goldfarbenem Sand, an den die Wellen eines dunkelblauen Ozeans heranrollten. Eine Frau – die erste Person, deren Bild in Kiras Geist erschienen war – lag auf einer Decke und sah zu einem stehenden Mann auf. Ihn erkannte die Vedek sofort.
Es war Benjamin Sisko.
Ungeduldig wartete Captain Ro Laren auf einer Klippe, von der aus sie den gesamten darunterliegenden Park sehen konnte. Sie betrachtete die satte grüne Aussicht mit ihren Wegen, die sich auf- und abschlängelten, den Baumgruppen und Ansammlungen farbenprächtiger Blumen hinab. Eine angenehme Brise wehte vorbei und brachte frische Gerüche mit sich, darunter auch den klaren Duft von Wasser.
Ro blickte kurz auf den kleinen See zu ihrer Rechten und sah dann in die entgegengesetzte Richtung. Am höchsten erkennbaren Punkt trat Lieutenant Prynn Tenmei an die Kante eines Felsvorsprungs. Sie trug nicht ihre Sternenflottenuniform, sondern einen lavendelfarbenen Fliegeranzug, der sich deutlich von ihrer porzellanfarbenen Haut abhob. Ihr rabenschwarzes Haar – das, obwohl es kurz war, normalerweise in wilden Zotteln von ihrem Kopf abstand – war in einem kleinen Knoten zurückgebunden.
Ro wurde nervös, während sie Tenmei beobachtete. Der Lieutenant stand stocksteif mit hinter dem Rücken verschränkten Armen da. Plötzlich machte Tenmei in einer flinken Bewegung einen weiteren Schritt auf die steinige Kante der Felszunge zu und warf sich in die Luft.
Sie fiel in einem eleganten Winkel, aber deutlich langsamer, als es normalerweise der Fall gewesen wäre. Dennoch verlor sie schnell genug an Höhe, um sich beim Aufschlag auf den Boden zu verletzen – schwer, möglicherweise sogar tödlich. Ro wusste, dass das nicht passieren konnte, dass die Sensoren vor Ort einen drohenden Unfall bemerken und einen automatischen Transport in Sicherheit auslösen würden. Trotzdem versteifte sie sich bei dem Anblick, wie Tenmei in den Park hinabstürzte.
Die Sekunden schienen sich hinzuziehen, und der Captain musste sich bewusst davon abhalten, die Hände zu Fäusten zu ballen, während Tenmei dem Boden unangenehm nahe kam. Als sich der Lieutenant vielleicht noch zehn Meter über dem Boden befand – bestimmt nahe genug, um die Sicherheitsschwelle der Sensoren zu unterschreiten – erwartete Ro, Tenmei in einem verschwommenen Flecken weißen Transporterlichts verschwinden zu sehen. In dem Augenblick jedoch streckte Tenmei die Arme aus und ruderte damit abwärts. Bauschend füllten sich die hauchdünnen Flügel ihres Anzugs mit Luft. Ihre Fallgeschwindigkeit verringerte sich, und nachdem sie ein, zwei Mal mit den Armen geschlagen hatte, gewann sie sogar wieder an Höhe. Sie lehnte sich zur Seite und beschrieb eine flüssige Kurve, flatterte mit den Flügeln, um noch mehr aufzusteigen.
Das Rauschen von entferntem Applaus wehte zu Ro hinauf. Überzeugt, dass Tenmei ihren Flug im Griff hatte, löste der Captain den Blick von der Hauptpilotin der Defiant und sah auf den Park hinaus. Um die mit Bäumen gesäumte Basis der kuppelförmigen Eingrenzung herum und an den sich über die Hügel auf- und abwindenden Fußwegen entlang hatten sich Hunderte Mitglieder ihrer Mannschaft versammelt. Obwohl es noch fünf Tage bis zur offiziellen Einweihung der Station und ihrem Wechsel zum aktiven Status waren, hatte Ro beschlossen, eine kleine vorgezogene Feier abzuhalten, ausschließlich für die Besatzung der neuen Deep Space 9.
Als großartige Verschmelzung von Ingenieurkunst und Natur, von Technologie und Schönheit, nahm der Park ein kreisförmiges Segment innerhalb der Hauptsektion der Station ein, der zentralen Sphäre. Zusätzlich zu seiner Funktion als Erholungsort für die Mannschaft war er Bestandteil der Lebenserhaltungssysteme von DS9. Von Bajor waren Erde, Steine und Pflanzen hergebracht worden, um die wogenden, grasbedeckten Hügel mit felsigen Anhöhen zu errichten, die bis zu einem Viertel der Höhe der Kugel hinaufragten. Darüber krönte ein simulierter blauer Himmel die Region. Im Verlauf des internen Sechsundzwanzig-Stunden-Tags verblassten der holografische Morgen und der darauffolgende Nachmittag, und durch die transparente Hülle wurden die dahinter liegenden Sterne sichtbar. Der Park war absichtlich abseits der drei sich überschneidenden Ringe positioniert worden, die die Hauptsphäre von DS9 umgaben, damit abendliche Gäste einen ungestörten Blick auf den Nachthimmel genießen konnten.
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