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Ryker will einem Freund helfen - und gerät selbst in Gefahr
Auf Imprima kontrollieren die Madraggi, riesige Wirtschaftskonzerne, den gesamten Planeten. Die Fusion zweier Madraggi steht bevor, doch jemand will das mit allen Mitteln verhindern: Ein für die Zeremonie wichtiges Siegel ist verschwunden, und Teller Conlon, der Leiter der Handelsniederlassung der Föderation, wird des Diebstahls beschuldigt. Will Riker kann nicht glauben, dass sein Freund in so ein Verbrechen verwickelt sein soll. Er setzt alles daran, Conlon zu helfen. Doch dann macht er in einem jahrhundertealten Labyrinth eine grauenvolle Entdeckung ...
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Seitenzahl: 367
Auf Imprima kontrollieren die Madraggi – riesige Wirtschaftskonzerne – den gesamten Planeten. Nun steht die Fusion zweier Madraggi bevor. Doch der Zusammenschluss soll offensichtlich verhindert werden. Ein für die traditionelle Zeremonie benötigtes Siegel ist verschwunden. Und Teller Conlon, der Leiter der Handelsniederlassung der Föderation, wird des Diebstahls beschuldigt.
Erst wenige Jahre zuvor ist es einem Starfleet-Team gelungen, Imprima für den Handel mit der Föderation zu gewinnen. Damals arbeitete Will Riker, Erster Offizier der Enterprise, eng mit seinem Freund Conlon zusammen. Nun wird er beauftragt, Licht in das Dickicht aus Verrat und Intrige zu bringen.
Riker kann es nicht glauben, dass sein ehemaliger Teamgefährte in solch ein Verbrechen verwickelt ist. Als er auf dem Planeten eintrifft, wird er rasch mit den rauen Sitten und dem traditionsbewussten, aber ausschließlich gewinnorientierten Denken der Imprimaner konfrontiert. Er setzt alles daran, die Unschuld seines Freundes zu beweisen. Doch dann macht er in einem jahrhundertealten verfallenen Labyrinth eine grauenvolle Entdeckung …
MICHAEL JAN FRIEDMAN
DAS VERSCHWUNDENE JUWEL
Star Trek™
The Next Generation
Der Erste Offizier William Riker lächelte, als er den Computer des Holodecks programmierte. Er grinste sogar.
Warum auch nicht? Er hatte lange auf diesen Augenblick gewartet.
Die Idee war ihm vor einer knappen Woche gekommen. Während der vergangenen Tage arbeitete die eine Hälfte seines Bewusstseins alle Einzelheiten aus, während sich die andere mit den routinemäßigen Aufgaben des stellvertretenden Kommandanten befasste.
In gewisser Hinsicht war mehr als nur eine Woche vergangen. Sein ganzes Leben lang hatte er sich dies erhofft.
Zumindest seit seinem siebten Sommer: Damals fiel er während einer Kletterpartie vom sogenannten Hinrichtungsfelsen und brach sich das Schlüsselbein an drei Stellen. Riker erinnerte sich daran, viele Sommertage lang ans Bett gefesselt gewesen zu sein, während seine Freunde im Fluss schwammen oder in den Bergen kletterten.
Zuerst gab er sich Bitterkeit und Ärger hin. Immerhin war er Kyle Rikers Sohn, und das bedeutete: Er musste immer der Beste sein, der Anführer – selbst im zarten Alter von sechs Jahren.
Dem Himmel sei Dank für seine Mutter. Sie nutzte die Zeit der Rekonvaleszenz, um auch andere Interessen in ihrem Sohn zu wecken, der viel zu rasch heranwuchs.
Sie machte ihn mit allen Arten von Musik vertraut, in erster Linie aber mit ihrem geliebten Jazz – ihr Vater war Posaunist in einem Ort namens New Orleans gewesen. Den größten Gefallen fand Will an fröhlichen Melodien, insbesondere während der langen, verregneten Nachmittage, wenn er den Eindruck gewann, dass die Welt für immer grau blieb.
Und dann die Koch-Lektionen. Wie absurd: ein Sechsjähriger, der Kochen lernte! Aber der Lohn bestand in dem Privileg, die zubereiteten Speisen selbst zu essen, und seine Mutter verstand es, auch den einfachsten Mahlzeiten einen köstlichen Geschmack zu geben. Es kam einer einzigartigen Erfahrung gleich, als er feststellte, dass sein Nudelauflauf dem ihren in nichts nachstand.
Schließlich die Bücher. Zu Anfang hielt er es für sonderbar: Wer las noch Bücher? Es standen Info-Bänder und Datenmodule zur Verfügung, wenn man Unterhaltung wünschte oder – Gott behüte! – etwas lernen wollte. Die Bilder erschienen auf einem Monitor, und eine Stimme erläuterte sie. Ganz einfach.
In Büchern gab es fast nie Bilder. Man musste sie selbst schaffen, mit der eigenen Phantasie, und das grenzte an Arbeit.
Trotzdem begeisterte sich Will immer mehr fürs Lesen. Es stimulierte seine Vorstellungskraft, ebenso wie die Musik. Wie beim Kochen musste er etwas zusammenfügen, um ein Ergebnis zu erhalten.
Außerdem öffneten ihm Bücher ein Fenster zum Wesen seiner Mutter. Wenn sie ihm laut vorlas, sah er etwas Unglaubliches in ihr, etwas Junges, Frisches und Wunderschönes.
Das galt vor allem für jenes Buch, dem er die Idee für dieses Holodeck-Programm verdankte. Ein solches Buch hatte er nicht von ihr erwartet. Das Thema erstaunte ihn und bewies, dass seine Mutter immer für eine Überraschung gut war.
Jetzt freute sich Riker über den damaligen Schlüsselbeinbruch. Er hatte ihm völlig neue Erfahrungen ermöglicht, und damit verbanden sich angenehme Erinnerungen.
Nicht zum ersten Mal fragte er sich nun, ob seine Mutter damals zumindest geahnt hatte, dass sie früh aus seinem Leben scheiden würde. Vielleicht war es deshalb so wichtig für sie gewesen, ihm diese Geschenke zu geben. Zum Abschied.
Riker seufzte, verstaute die Reminiszenzen wie einen kostbaren Schatz und konzentrierte sich wieder aufs Hier und Jetzt.
Er gab die letzten Anweisungen ein und wartete. Einige Sekunden später bestätigte der Computer des Holodecks, dass genügend Daten gespeichert waren.
Aufgeregt betätigte der Erste Offizier die Aktivierungstaste.
Hinter der Metalltür verwandelte sich seine Imagination in Realität. Multiple Holo-Dioden schufen ein neues Ambiente. Elektromagnetische Felder bekamen Substanz und Konsistenz.
Riker spürte, wie ihn die künstliche Wirklichkeit lockte, und er trat einen Schritt darauf zu. Das Schott glitt beiseite und offenbarte ihm die Früchte seiner Arbeit.
Perfekt. Es war perfekt. Genau so hatte er es sich vorgestellt. Alles entsprach den Beschreibungen im Buch.
Dort standen sie und zogen ihre Trikots an. Jene Männer, die ganz Alaska begeistert und dann enttäuscht hatten. Legendäre Gestalten, die im Knaben namens Will einen derartigen Enthusiasmus weckten, dass er abends manchmal nicht einschlafen konnte.
Damals war er von ihnen besessen gewesen und hatte soviel wie möglich über sie in Erfahrung gebracht. Eine Zeitlang träumte er davon, zu ihnen zu gehören.
Jetzt ging dieser Traum in Erfüllung.
Spielte es eine Rolle, wenn sich der Glanz ihrer Heldenhaftigkeit nun ein wenig trübte, wenn sie zu normalen Menschen wurden?
Sie blieben die Idole seiner Kindheit, zum Leben erwacht im Buch der Mutter. Noch immer entfachten sie das Feuer der Leidenschaft in ihm.
Ein zweiter Schritt nach vorn …
»Commander Riker.«
Picards Stimme. Sie klang gleichzeitig ruhig und scharf – typisch für den Captain. Darüber hinaus hatte sie ein wenig mehr Nachdruck als sonst; allem Anschein nach ging es um etwas Wichtiges.
Der Erste Offizier blickte sehnsüchtig in die von ihm geschaffene Welt, wich dann zurück und beobachtete, wie sich das Schott schloss.
Er berührte seinen Insignienkommunikator. »Hier Riker.«
»Eine vertrauliche Mitteilung ist für Sie eingetroffen, Nummer Eins. Sie stammt von Starbase Neunundachtzig.«
Will überlegte kurz. »Für mich, Sir?«
»Ja. Nur für Sie.«
Der Erste Offizier räusperte sich. »Seltsam«, murmelte er. Und etwas lauter: »Nun, ich nehme sie in meinem Quartier entgegen.«
»Wie Sie wünschen, Nummer Eins. Mr. Worf trifft bereits die notwendigen Vorbereitungen.«
Reine Angewohnheit veranlasste Riker zu einem Nicken, obwohl ihn der Captain nur hören, nicht aber sehen konnte. »Danke, Sir.«
»Keine Ursache«, erwiderte Picard.
Riker wanderte durch den Korridor zum Turbolift und fragte sich, was für eine Nachricht nur für ihn bestimmt war. Die subtile Neugier im Tonfall des Captains wies darauf hin, dass er ähnlichen Gedanken nachhing.
Wesley drehte den Kopf, als Picard aufstand.
»Mr. Data, Sie haben das Kommando«, sagte der Captain. »Falls man mich braucht – ich bin im Bereitschaftsraum.«
Mit einer knappen Bewegung strich der Captain seine hüftlange Uniformjacke glatt und durchquerte den Kontrollraum.
Wesley mochte diese Geste: das kurze Ziehen am Saum der Jacke. Selbst wenn die Brücke nur eine Frachtkammer gewesen wäre, ohne Computer, die seinen Intellekt herausforderten, ohne Kontrollen, an denen er sein Geschick beweisen konnte – die Arbeit darin hätte ihm trotzdem gefallen. Wegen dieser Gesten.
Bis vor kurzer Zeit hatte er ihnen überhaupt keine Beachtung geschenkt. Doch dann begann seine Klasse mit dem Studium der Shakespeare-Werke.
»Die ganze Welt ist eine Bühne …« Nun, vielleicht nicht die ganze Welt. Aber zweifellos die Brücke der Enterprise.
Wesley sah lange genug von der Operatorstation auf, um einen Blick durch den großen Raum schweifen zu lassen. Man konnte ihn tatsächlich für eine Bühne halten, oder? Besatzungsmitglieder traten aus dem vorderen Turbolift und verschwanden im rückwärtigen, gingen von der wissenschaftlichen Station zum Kaffee-Synthetisierer und kehrten wieder zurück. Immer geschah etwas. Immer gab es etwas zu beobachten. Sogar ein kurzes Nicken wirkte irgendwie theatralisch, zeichnete sich durch eine besondere Qualität aus, der zusätzliche Bedeutung anzuhaften schien.
Natürlich lag es nicht nur an der Brücke, sondern auch an den anwesenden Personen. »Und alle Menschen sind nur Schauspieler.«
Wesley lächelte. Schauspieler, ja. Aber nicht nur.
Zum Beispiel Worf: Bei ihm war das Wörtchen ›nur‹ völlig unangebracht. Er stand an der taktischen Konsole, wie … wie der Koloss von Rhodos. Auch bei Data fehlte alles Belanglose. Er beobachtete den großen Wandschirm, und sein Gesicht zeigte dabei eine kindliche Unschuld, die manchmal tiefsinniger anmutete als in vielen Jahrzehnten erworbene Weisheit.
Himmel, das klingt geradezu poetisch, Wes. Färbt Shakespeare auf dich ab?
Doch das größte Interesse des Jungen bezog sich auf jene Schauspieler, denen die Hauptrolle zukam, die normalerweise im jetzt leeren Kommandozentrum saßen.
Troi mit ihrer … Wie würde es ein Barde ausdrücken? Mit ihrer ruhigen, madonnenhaften Schönheit.
Riker mit seiner unerschöpflichen Energie, die bis in alle Ecken der Brücke reichte.
Und der Captain. Vor allem der Captain. Es verblüffte Wesley immer wieder, dass Picard nur mit einem Blick Befehle erteilen konnte. Manchmal genügte eine Veränderung seiner Haltung, um die Stimmung im Kontrollraum zu beeinflussen. Es war fast unheimlich.
Man spürte seine Autorität auch dann, wenn er sich – wie jetzt – im Bereitschaftsraum befand. Selbst in der Abwesenheit blieb er präsent.
Wie Julius Cäsar, dachte Wesley und erinnerte sich an das Stück, das er gerade gelesen hatte. Nach seiner Ermordung schien Cäsar auf der Bühne zu verharren und auch weiterhin am politischen Machtkampf in Rom teilzunehmen.
Für das Verhalten des Captains gab es immer einen guten Grund. Warum hatte er ausgerechnet diesen Zeitpunkt gewählt, um sich in sein privates Sanktuarium zurückzuziehen? »Gezeiten bestimmen die Angelegenheiten von Menschen …« Warum zog sich Cäsar jetzt in sein Zelt zurück?
Zweifellos existierte ein Zusammenhang mit der Nachricht von Starbase 89, mit jener vertraulichen Botschaft, die nur für den Ersten Offizier bestimmt war und nicht, wie sonst üblich, für den Captain.
Fühlte sich Picard übergangen? Suchte er den Bereitschaftsraum auf, um sich dort Ärger und Verdruss hinzugeben?
Nein, das widersprach seinem Charakter. Cäsar – beziehungsweise Captain Picard – neigte nicht dazu, an verletztem Stolz zu leiden.
Wie lautete die Erklärung? Wartete er auf etwas? Vielleicht darauf, dass Commander Riker zu ihm kam und die Nachricht erläuterte?
Dazu war Riker natürlich nicht verpflichtet. Immerhin galt die Mitteilung einzig und allein ihm.
Allerdings: Der Captain gab seinem Stellvertreter Gelegenheit, sie mit ihm zu erörtern. Der Erste Offizier brauchte jetzt nicht mehr um ein Gespräch unter vier Augen zu bitten.
Ja, das erschien Wesley plausibel.
Andererseits musste auch in Erwägung gezogen werden, dass Riker vielleicht gar nicht über die Mitteilung sprechen wollte, dass sie allzu privater Natur war.
Aber wenn er zur Brücke kam und feststellte, dass Picard nicht in seinem Sessel saß … Bestimmt erkundigte er sich dann nach dem gegenwärtigen Aufenthaltsort des Captains. Und wenn er erfuhr, dass der Kommandant den Bereitschaftsraum aufgesucht hatte … Fühlte er sich dann nicht verpflichtet, zu ihm zu gehen?
Wesley brauchte seine ganze Selbstbeherrschung, um nicht laut zu lachen. Ein brillanter Schachzug!
Ob der Erste Offizier seine Informationen mit Picard teilen wollte oder nicht – der Captain hatte ihn in eine Position gebracht, die Riker kaum eine Wahl ließ. Wenn er mit Picard allein war … Dann blieb ihm nichts anderes übrig, als ihm den Inhalt der Nachricht zumindest in groben Zügen zu schildern, oder?
Und Picard hatte diese Situation geschaffen, indem er einfach nur die Brücke verließ. Er trat in den Hintergrund der Bühne, spielte jedoch nach wie vor eine Hauptrolle.
Wesley nickte langsam, zufrieden mit sich selbst. Dinge wie Quantenmechanik und Warptechnik fielen ihm leicht. Aber die menschliche Natur – das menschliche Drama – lernte er erst jetzt zu schätzen.
Er überlegte, wie viele andere Brückenoffiziere Picards Absicht erkannt haben mochten. Wahrscheinlich bin ich der einzige.
Jetzt kam es nur noch darauf an, wie sich Riker verhielt. Nachdem er die Mitteilung empfangen hatte – würde er sich sofort vom Turbolift zur Brücke tragen lassen, um Picards Rat in Anspruch zu nehmen? Oder wartete er, bis seine nächste Schicht begann – um dann mit der von Picard vorbereiteten Falle konfrontiert zu werden?
Wesley bekam die Antwort nicht sofort, und das entsprach seinen Erwartungen. Jedes gute Theaterstück brauchte Zeit, um sich richtig zu entfalten. In diesem Fall dauerte es vielleicht Stunden – wenn Riker nicht entschied, seine Freizeitperiode vorzeitig zu beenden.
Wes lenkte sich ab, indem er die Funktionen des Triebwerks überprüfte. Normalerweise saß Data an diesem Pult, und Wesley bediente die Navigationskontrollen, aber Picard wollte, dass der junge Fähnrich auch mit den anderen Brückenstationen vertraut wurde.
Das Triebwerk funktionierte einwandfrei, und daraufhin wandte er sich dem Kommunikationssystem zu, das ebenfalls keine Defekte aufwies. Die Anzeigen lieferten ihm einen interessanten Hinweis: Der Kom-Kanal zu Starbase 89 war inzwischen wieder geschlossen; Riker hatte das Gespräch beendet.
Die Minuten verstrichen langsamer als sonst. Und nichts geschah. Der Captain blieb im Bereitschaftsraum, brachte elektronische Dateien auf den neuesten Stand, verfasste Berichte oder nahm andere Routineaufgaben wahr, um sich die Zeit zu vertreiben.
Und dann, etwa eine halbe Stunde später, glitt das Schott des vorderen Turbolifts auf. Der schlanke, hochgewachsene Erste Offizier der Enterprise stand auf dem Oberdeck der Brücke. Er lächelte nicht.
Riker sah sich kurz um, bemerkte die drei leeren Sessel im Kommandozentrum und schien sofort zu begreifen, was das bedeutete. Er schritt zum Bereitschaftsraum, blieb kurz vor dem Zugang stehen.
Die Tür öffnete sich, und der Erste Offizier betrat das Zimmer.
Ein rasches Ende, aber auch ein zufriedenstellendes. Und ich hatte das Privileg, der einzige Zuschauer zu sein, fuhr es Wesley durch den Sinn.
Dann hörte er leise Stimmen an den hinteren Stationen: »Na bitte, er ist gekommen. Ich wusste, dass er es nicht versäumt, dem Captain Bericht zu erstatten.« – »Na schön. Das Essen geht auf meine Rechnung. Beim nächsten Landurlaub.«
Wesley lächelte. Nun, das Publikum hatte nicht nur aus einer Person bestanden, aber zweifellos war es privilegiert.
Er beobachtete die Tür des Bereitschaftsraums, hinter der nun ein neues Drama stattfand, wenn er Rikers Gesichtsausdruck richtig deutete. Hier wird's nie langweilig, dachte Wesley.
Captain Jean-Luc Picard blickte über den Schreibtisch und musterte den Ersten Offizier. »Nun, Nummer Eins? Möchten Sie mir von der Mitteilung erzählen?«
Riker hatte eine Zeitlang geschwiegen und durchs Fenster in den Weltraum gestarrt. Jetzt drehte er sich langsam um.
»Ja, Sir«, erwiderte er. »Natürlich.« Er holte tief Luft, ließ den Atem zischend entweichen. »Ich weiß nicht recht, wo ich beginnen soll.« Nach einigen Sekunden gab er sich einen inneren Ruck. »Habe ich Ihnen gegenüber jemals einen Mann namens Conlon erwähnt, Teller Conlon?«
Picard überlegte. »Ich glaube schon. Ein Freund von der Akademie, nicht wahr?«
»Mein bester Freund, Sir. Und nicht nur an der Akademie. Wir haben an Bord der Potemkin gearbeitet, und später gehörten wir zur Crew der Yorktown.« Riker zögerte. »Vor fünf Jahren unterbrachen wir den aktiven Dienst und schlossen uns der Gruppe an, die mit Imprima ein Handelsabkommen vereinbarte.«
»Ah, ja«, sagte der Captain. »Ich erinnere mich. Damals haben Sie ausgezeichnete Arbeit geleistet. Sie stahlen den Ferengi einen Planeten mit wichtigen Ressourcen. Das heißt: Sie gewannen ihn für die Föderation zurück, nach zwanzig Jahren der Isolation.«
Rikers Akte wies ausdrücklich darauf hin – eine Akte, mit der sich Picard gründlich befasst hatte, als er mehrere Kandidaten für den Posten des Ersten Offiziers der Enterprise prüfte. Den Ausschlag für Riker gaben unter anderem seine Verdienste, die er auf Imprima erworben hatte.
»Die Imprimaner wollten nur einen Handelspartner – entweder die Ferengi oder die Föderation.« Der Erste Offizier brummte leise. »Um ganz ehrlich zu sein: Wir verdanken es vor allem Teller, dass sie sich für uns entschieden. Er verstand die imprimanische Denkweise besser als sonst jemand. Jene Welt schien ihn zu … faszinieren. So sehr, dass er sich freiwillig meldete, als die Föderation dort eine permanente Handelsniederlassung gründete.«
»Und er bekam den Job«, vermutete Picard.
»Ja. Lieber Himmel, ich wollte ihn nicht. Außerdem genoss Teller die volle Unterstützung der Madraggi – das sind politisch-ökonomische Entitäten, das imprimanische Äquivalent einer Regierung.«
»Ihr Freund blieb also auf dem Planeten«, sagte der Captain. »Und Sie kehrten ins All zurück.«
Riker zuckte mit den Schultern, aber die Geste wirkte keineswegs lässig. Der Uniformpulli schien ihm plötzlich zwei Nummern zu klein zu sein. Hatte sein Unbehagen etwas mit der Nachricht von Starbase 89 zu tun? Wahrscheinlich.
Picard wartete, um sich auch den Rest der Geschichte anzuhören. Er konnte sich Zeit lassen, denn es gab keine wichtigen Dinge, die seine Aufmerksamkeit verlangten.
»Ja, ich verließ Imprima«, bestätigte Riker. »Kurz darauf wurde ich Erster Offizier der Hood, und unsere Einsätze fanden auf der anderen Seite des Föderationsterritoriums statt. Irgendwann verlor ich den Kontakt zu Teller. Manchmal schickte er mir Briefe, per Subraum-Kommunikation oder mit Hilfe eines gemeinsamen Freundes, aber ich kam nicht dazu, sie zu beantworten.«
Der Captain lächelte so verständnisvoll, wie es ihm möglich war. Er wusste, dass es seinen eher strengen Zügen sehr schwer fiel, Nachsichtigkeit zum Ausdruck zu bringen. »So etwas erleben wir alle, Nummer Eins. In Starfleet ist es nicht leicht, alte Freundschaften zu pflegen. Man verliert sich aus den Augen.«
Der Erste Offizier schien ihn gar nicht zu hören und fuhr fort: »Bald bekam ich keine Mitteilungen mehr. Trotzdem wusste ich, dass Conlon mit seiner Arbeit gut vorankam, denn ich sah Dolazit-Container, die Imprima als Ursprungsort angaben. Alles deutete darauf hin, dass er große Erfolge erzielte.«
An dieser Stelle schien ein ›Aber‹ nötig zu sein, und Picard sprach es aus: »Aber?«
Riker seufzte. »Die Starfleet-Nachricht für mich … Sie lässt den Schluss zu, dass mein Freund ein Dieb ist. Schlimmer noch: ein Verräter.«
Der Captain lehnte sich zurück. »Das sind sehr ernste Vorwürfe. Auf welcher Grundlage werden sie erhoben?«
»Criathis und Terrin planen einen Zusammenschluss.«
»Criathis und Terrin?«, wiederholte Picard.
»Entschuldigen Sie. Zwei Madraggi. Criathis hat sich in den vergangenen Jahren als zuverlässigster Verbündeter der Föderation erwiesen. Auch Terrin befürwortet die Beziehungen zur Föderation, wenn auch etwas zurückhaltender.
Soweit ich weiß, hat Terrin nicht so sehr von dem Handelsabkommen profitiert, wie man es sich dort erhoffte. Die meisten Vorteile ergaben sich für Criathis. Terrin bietet enorme Ressourcen und erheblichen politischen Einfluss an, während sich Criathis durch ein hohes Wachstumspotenzial auszeichnet. Der Zusammenschluss ist also für beide Seiten nützlich.
Etwas anderes kommt hinzu: Madraga Terrin – die größere der beiden Madraggi – hätte das Recht, ihren Ersten Beamten zum Oberhaupt der neuen Entität zu ernennen. In diesem Fall wäre das jemand namens Larrak, der in dem Ruf steht, der beste Geschäftsmann des Planeten zu sein. Mit den neuen Möglichkeiten könnte er dafür sorgen, dass Terrin-Criathis zum wichtigsten Machtfaktor auf Imprima wird.
Es erübrigt sich der Hinweis, dass die übrigen Madraggi nicht sehr begeistert sind. Der Zusammenschluss schadet den politischen Gegnern von Criathis und Terrin, insbesondere einer Madraga namens Rhurig.
Doch weder Rhurig noch sonst jemand kann ihn verhindern – solange Criathis und Terrin dabei die Tradition achten.«
Picard nickte. »Die Imprimaner sind Traditionalisten, nicht wahr?«
»Ja. Auf solche Dinge legen sie großen Wert. Was Criathis und Terrin betrifft, bedeutet das folgendes: Es muss eine offizielle Zusammenschluss-Zeremonie stattfinden. Dabei verwendet man spezielle, mit Edelsteinen geschmückte Siegel.«
»Siegel«, murmelte Picard. »Vergleichbar mit jenen Objekten, die man vor vielen Jahrhunderten auf der Erde bei Dokumenten benutzte?«
»Ja, Sir. Doch die imprimanischen Siegel sind von unschätzbarem Wert – ganz abgesehen von ihrer historischen Bedeutung. Allein die Edelsteine würden genügen, um jemandem ein sorgenfreies Leben irgendwo in der Galaxis zu ermöglichen.«
Der Captain verstand allmählich. »Und man glaubt, dass Ihr Freund Conlon ein solches Siegel gestohlen hat, um sich damit ein völlig sorgenfreies Leben zu kaufen?«
»So heißt es jedenfalls«, sagte Riker. »Eins der beiden Siegel, die bei der bevorstehenden Zeremonie gebraucht werden, ist verschwunden – und Teller mit ihm. Natürlich hat man zwei und zwei zusammengezählt. Nach den Indizien zu urteilen, wurde das Siegel von Conlon entwendet, und mit Glückslicht …«
»Glückslicht?«
»So heißt das Siegel. Sie alle haben Namen. Wie dem auch sei: Wenn es verschwunden bleibt, kann der Zusammenschluss nicht stattfinden. Beide Madraggi gerieten in einen großen Skandal, und eine der Konsequenzen bestünde darin, dass wir nicht mehr auf die Unterstützung unserer beiden wichtigsten Verbündeten auf Imprima zählen können. Außerdem: Wenn die anderen Madraggi von Tellers Verrat erfahren, müssen wir damit rechnen, dass man alle Föderationsrepräsentanten von dem Planeten verbannt.«
»Unerfreulich«, kommentierte Picard. »Sehr unerfreulich. Aber was hat das alles mit Ihnen zu tun?«
In den Wangen des Ersten Offiziers mahlte es. Er beugte sich vor. »Starfleet möchte, dass ich nach Imprima fliege und dort meinen Freund finde. Und auch das Siegel. Vor der Zusammenschluss-Zeremonie.«
Picard dachte darüber nach. »Ich verstehe. Das ergibt natürlich einen Sinn. Sie kennen Imprima. Und was noch wichtiger ist: Sie kennen Teller Conlon.« Er musterte den jüngeren Mann. »Haben Sie den Auftrag übernommen?«
»Ich hatte keine Wahl. Priorität Eins.«
Der Captain nickte langsam. »Dann dauert es sicher nicht mehr lange, bis auch ich eine Mitteilung bekomme. Bestimmt gibt man mir die Anweisung, in der Nähe von Imprima zu bleiben – falls Sie Hilfe brauchen.« Picard brummte. »Ist Ihr Freund so gefährlich, Commander?«
Riker straffte die Schultern. »Ich bin sicher, ihn trifft keine Schuld, Sir.«
»Ach? Sie glauben also, dass die Beweise gegen ihn nicht stichhaltig sind?«
»Ich glaube, dass überhaupt nicht von Beweisen die Rede sein kann. Teller war wie ein Bruder für mich. Ich kenne ihn besser als sonst jemand, und ich weiß, dass er zu so etwas gar nicht fähig ist. Jemand hat ihn hereingelegt, ihm die Sache angehängt. Wenn ich feststellen kann, wo man das Siegel versteckt hat … Bestimmt finde ich dann auch Teller.«
Picard stellte die Intuition des Ersten Offiziers nicht in Frage: Er wusste um seine gute Menschenkenntnis. Aber die Umstände legten nahe, dass Conlon keine reine Weste hatte.
»Sind Sie sicher, dass Sie sich bei dieser Einschätzung nicht von einem schlechten Gewissen leiten lassen, Nummer Eins?«, fragte der Captain.
Riker runzelte die Stirn. »Wie meinen Sie das?«
»Vielleicht fühlen Sie sich schuldig, weil Sie es zuließen, dass Ihr Freund auf die schiefe Bahn geriet. Vielleicht glauben Sie, es wäre Ihre Pflicht gewesen, so etwas zu verhindern.«
»Meines Bruders Hüter?«, erwiderte der Erste Offizier.
»In gewisser Weise, ja.«
Der jüngere Mann schüttelte den Kopf. »Nein. Teller ist unschuldig, und ich werde es beweisen.«
»Na schön«, sagte Picard sanft. »Versuchen Sie's. Aber zuerst müssen wir Sie nach Imprima bringen.« Er hob den Kopf, wie immer, wenn er sich an den Interkom-Computer des Schiffes wandte. Eine unnötige Geste – doch viele Starfleet-Angehörige neigten zu einer derartigen Verhaltensweise.
»Mr. Data, nehmen Sie Kurs auf den Planeten Imprima im … System Dante Maxima?« Er warf dem Ersten Offizier einen fragenden Blick zu, und Riker nickte. Picard sah erneut auf. »Geschwindigkeit Warp acht, Commander.«
»Aye, Sir«, antwortete der Androide. »Kurs berechnet und programmiert.«
»Leiten Sie den Transfer ein«, sagte der Captain.
Riker erhob sich, als die Enterprise beschleunigte. Er murmelte etwas von Vorbereitungen auf die Mission, aber Picard wusste, dass der Erste Offizier nur allein sein wollte.
»Viel Glück, Nummer Eins. Ich hoffe, die Fakten werden Ihren Hoffnungen gerecht.«
Riker blieb kurz stehen. »Ja, Sir. Ich weiß, dass Sie so empfinden.«
Die Tür des Bereitschaftsraums schloss sich fast lautlos hinter ihm.
Data hatte die Brücke nicht mit der Absicht verlassen, das Holodeck aufzusuchen, doch als er nun am Zugang vorbeischritt, weckte etwas seine Neugier.
Es handelte sich um zwei verschiedene Aspekte, um zwei Informationen auf dem Monitor des Kontrollcomputers. Die erste Anzeige wies auf eine im Echtzeit-Modus aktive Programmierung des Holodecks hin, und der zweiten war zu entnehmen, dass sich jenseits des Schotts niemand aufhielt.
Dafür gab es mehrere mögliche Erklärungen. Wahrscheinlich hatte ein Benutzer vergessen, das Programm zu beenden, bevor er die Projektionskammer verließ oder er hatte nach der Aktivierung aus irgendeinem Grund keine Gelegenheit bekommen, das Holodeck zu betreten. Data dachte auch an eine Fehlfunktion. Dazu kam es nur sehr selten, aber so etwas war nicht völlig ausgeschlossen. Die vierte Möglichkeit: Jemand befand sich im Innern der Kammer, ohne dass die Sensoren des Computers auf ihn reagierten.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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