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Kirk, Spock, McCoy ... Gibt es jemanden, dem diese Namen nichts sagen? Wohl kaum, die drei Männer der Enterprise sind inzwischen geradezu ikonische Charaktere. Seit Mitte der 1960er Jahre fliegt die U.S.S. Enterprise NCC-1701 unter dem Kommando von Captain Kirk durch den Weltraum. Nach jahrtausendlangem Krieg könnten die Planeten Prastor und Distrel endlich dauerhaften Frieden erreicht haben. Doch Captain Kirk, der die Angelegenheit fur die Föderation untersucht, muss schockiert feststellen, dass es sich bei dem Friedensstifter um keinen anderen als den beruchtigten Gauner Harcourt Fenton Mudd handelt! Mudd behauptet, sich geändert zu haben, aber Kirk hat so seine Zweifel. Er ist davon uberzeugt, dass Mudd eine Art Betrug vorhaben muss. Doch was hat er vor? Kirk muss die Antwort schnell finden - bevor der Frieden unendlichem Krieg weicht.
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Seitenzahl: 386
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DER FRIEDENSSTIFTER
JERRY OLTION
Based onStar Trekcreated by Gene Roddenberry
Ins Deutsche übertragen vonBernhard Kempen
Die deutsche Ausgabe von STAR TREK: DER FRIEDENSSTIFTER
wird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.
Herausgeber: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern, Übersetzung: Bernhard Kempen;
verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Sabine Elbers und Gisela Schell;
redaktionelle Mitarbeit: Jörn Podehl; Satz: Rowan Rüster/Amigo Grafik; Cover Artwork: Martin Frei;
Print-Ausgabe gedruckt von CPI Morvia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice. Printed in the Czech Republic.
Titel der Originalausgabe: STAR TREK: MUDD IN YOUR EYE
German translation copyright © 2013 by Amigo Grafik GbR.
Original English language edition copyright © 1997 by CBS Studios Inc. All rights reserved.
™ & © 2013 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are marks of CBS Studios Inc. All rights reserved.
This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.
Print ISBN 978-3-86425-144-3 (Februar 2013) · E-Book ISBN 978-3-86425-145-0 (Februar 2013)
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Für Kathy,mit der die Ehe Spaß macht.
Ich möchte einigen Menschen danken, die mir geholfen und mich unterstützt haben, während ich dieses Buch schrieb.
John Ordover, weil er mir die Möglichkeit gab, mich mit dieser speziellen Nische des STAR TREK-Universums zu beschäftigten.
Den »Eugene Wordos« für Ermutigung, Inspiration und Brainstorming.
Und Marybeth O’Halloran für Hintergrundinformationen und Kekse.
»Liebes Brautpaar«, sagte Captain Kirk.
Im Hintergrund des Aussichtsdecks kicherte jemand, und Kirk blickte auf, um den Störenfried zum Schweigen zu bringen. Natürlich konnte er niemandem einen Vorwurf machen, denn es waren kaum zwei ungeeignetere Partner als Lieutenant Nordell und Ensign Lebrun denkbar, selbst an Bord eines Schiffes mit einer so großen Besatzung wie der Enterprise. Trotzdem hatten die beiden beschlossen zu heiraten, und als Captain des Schiffes war Kirk die zweifelhafte Ehre zugefallen, die Trauung vornehmen zu dürfen. Ganz gleich, wie er ihre Chancen als Ehepaar beurteilte, er wollte nicht, dass die Zeremonie durch irgendwelche Störungen verdorben wurde. Also musterte er die etwa dreißig Gäste – hauptsächlich Techniker und Sicherheitsleute –, die gekommen waren, um ihren Freunden alles Gute zu wünschen. Nachdem er sich überzeugt hatte, dass wieder Ruhe in der Gruppe herrschte, las er weiter den Trauungstext ab, den Ensign Lebrun verfasst hatte.
»Wir haben uns hier in dieser empfindlichen Blase des Lebens inmitten der Unermesslichkeit des Weltraums versammelt, um Zeugen zu werden, wie zwei Menschen in den heiligen Stand der Ehe treten«, trug er vor. Er war sich nicht sicher, ob ihm die Stelle mit der »empfindlichen Blase« gefiel. Das Schiff befand sich in der Tat in einer großen und größtenteils unerforschten Region des Weltraums, und der farbenfrohe Wirbel eines leuchtenden Nebels hinter den Sichtfenstern war ein schlagender Beweis für diesen Umstand, doch man konnte die Enterprise kaum als zerbrechlich bezeichnen. Kirk war jedoch gewillt, Lebrun um der Romantik willen eine gewisse poetische Freiheit zu gönnen. Sie und Nordell würden jede verfügbare Romantik benötigen, um die stürmische Zeit der Werbung auszugleichen, die sie auf dem Weg zum Altar durchgemacht hatten. Also lächelte er und las weiter, während das Licht der Sterne auf das glückliche Paar fiel.
Sie sahen tatsächlich glücklich aus. Nordell trug seine Galauniform, deren dunkelrote Jacke mit den Orden geschmückt war, die er sich während seiner drei Jahre im Dienst der Sternenflotte verdient hatte. Und falls er sich in dieser selten getragenen Kleidung unwohl fühlte, ließ er sich nichts davon anmerken – sein idiotisches Grinsen wies eher auf das Gegenteil hin. Lebrun hatte auf ihre Uniform verzichtet und ein traditionelles weißes Hochzeitskleid vorgezogen. Obwohl es für Kirk ein leichter Schock gewesen war, die normalerweise nüchtern gekleidete Sicherheitswächterin in Seide und Spitze zu sehen, musste er sich eingestehen, dass sie niemals hübscher ausgesehen hatte. Ihr kurzes braunes Haar schimmerte unter dem juwelenbesetzten Diadem, und ihre hohen Wangen und die großen grünen Augen schienen in einem eigenen Licht zu erstrahlen.
Ihre Trauzeugen, Montgomery Scott und Janice Rand, waren ebenfalls in Galauniform erschienen. Auch die Gäste im Hintergrund der Versammlung hatten sich in Schale geworfen. Kirk entdeckte viele lächelnde Gesichter. Alle schienen zu dieser Hochzeit gute Laune mitgebracht zu haben. Warum hatte er dann trotzdem das dumme Gefühl eines bevorstehenden Unheils?
Er hatte den Abschnitt »Die Ehe ist ein kostbares Gut« hinter sich gebracht und war gerade beim Satz »Falls irgendwer einen Grund nennen kann, warum diese zwei Menschen nicht in den Stand der Ehe treten sollten, so möge er jetzt sprechen oder für immer schweigen«, als das Interkomsignal ertönte und Lieutenant Uhuras Stimme über den Lautsprecher kam. »Captain, wir empfangen eine Subraumübertragung von Admiral Tyers, Priorität zwei.«
Auf dem Aussichtsdeck brachen alle Anwesenden, selbst das nervöse Brautpaar, in lautes Gelächter aus. »Habe ich etwas Komisches gesagt, Captain?«, fragte Uhura.
»So könnte man es unter Umständen ausdrücken«, erwiderte Kirk. »Ich werde es Ihnen später erklären. Sagen Sie dem Admiral, dass ich in wenigen Augenblicken zu sprechen bin.« Wenn es um eine Angelegenheit der Priorität zwei ging, konnte Tyers so lange warten, bis Kirk die Zeremonie zum Abschluss gebracht hatte. Er wandte sich wieder an die Hochzeitsgesellschaft und sagte: »Ich denke, wir können davon ausgehen, dass der Admiral wegen einer anderen Angelegenheit angerufen hat. Sind Sie, Simon Nordell, bereit, diese Frau zu Ihrer Ehefrau zu nehmen, sie zu lieben und zu ehren, ihr zu gehorchen, in Freude und in Leid, in Krankheit und in …«
»Einen Augenblick«, sagte Nordell. »Was soll das mit dem ‚gehorchen‘? Das hatten wir nicht abgemacht.«
»Doch, das haben wir«, entgegnete Lebrun.
»Ich habe mich niemals …«
»Du hast dich mit den traditionellen Eheschwüren einverstanden erklärt«, sagte Lebrun und schüttelte den Brautstrauß, um ihren Standpunkt zu unterstreichen. Dabei löste sich ein gelbes Gänseblümchen und schwebte zu Boden. »‚Sich lieben, ehren und gehorchen‘ ist traditionell.«
»Aber erniedrigend«, wandte Nordell ein.
Scotty bückte sich, um die Blume aufzuheben, und reichte sie Lebrun, die sie geistesabwesend in den Brautstrauß zurücksteckte. »Ich werde doch genau dasselbe schwören«, sagte sie zu ihrem künftigen Ehegatten.
»Ich werde es jedenfalls nicht tun«, erwiderte er mit entschlossener Miene.
Die versammelten Hochzeitsgäste wurden nervös. Kirk räusperte sich. »Der Admiral wartet«, sagte er. »Wollen wir diese Angelegenheit auf später verschieben?«
Nordell schüttelte den Kopf. »Nein, wir werden uns schon einigen.« Er wandte sich seiner Braut zu. »Wie wäre es mit ‚sich lieben, ehren und achten‘? Das ist auch traditionell.«
Sie runzelte die Stirn. »‚Gehorchen‘ gefällt mir besser.«
»Natürlich«, sagte Nordell. »Schließlich arbeitest du bei der Sicherheit. Aber ich kann meinen Schwur besser halten, wenn ich ‚achten‘ sage.«
Jemand lachte, und diesmal war Kirk froh über die Unterbrechung.
Nach kurzem Nachdenken nickte Lebrun. »In Ordnung. Ich denke, wir können uns achten.« Sie wandte sich wieder dem Captain zu. »Sind Sie damit einverstanden?«
Kirk breitete die Hände aus. »Was immer Sie wünschen.«
»Gut.« Sie lächelte Nordell an, und er lächelte zurück, als wäre nichts Besonderes vorgefallen. Die Schnelligkeit, mir der die beiden ihre Meinungsverschiedenheiten beilegten, war genauso erstaunlich wie die Leichtigkeit, mit der sie einen Streit begannen.
Kirk schüttelte den Kopf und trug den abgeänderten Eheschwur noch einmal für Nordell vor, der ihn ohne Zögern wiederholte, und kurz darauf hatte auch Lebrun denselben Schwur geleistet. Kirk begann bereits zu hoffen, dass der Rest der Zeremonie ohne Zwischenfälle über die Bühne gehen würde, doch diese Hoffnung verflüchtigte sich, als es Zeit war, die Ringe zu tauschen. Nordell wandte sich an Scotty, der daraufhin ein monströses, rot und grün funkelndes Juwel aus der Tasche holte, das eher in einen Warpantrieb als an die Hand einer Braut zu passen schien. Offensichtlich schien Nordell ähnliche Bedenken zu hegen, denn er blickte das Ding in Scottys Handfläche an, als würde er damit rechnen, dass es jeden Augenblick explodierte. Er öffnete und schloss abwechselnd den Mund, als wäre er ein Fisch auf dem Trockenen.
Lebrun dagegen hatte die Sprache nicht verloren. »Das kann nicht dein Ernst sein!«, sagte sie in drohendem Tonfall.
»Ich habe damit nichts zu tun!«, protestierte Nordell.
Inmitten des zunehmenden Gelächters sagte Scotty: »Nein, es war meine Idee. Hier ist das richtige Stück.« Dann brachte er einen traditionelleren Ring mit einem in Gold gefassten einzelnen Diamanten zum Vorschein, und Yeoman Rand reichte Ensign Lebrun einen schlichten Goldring, worauf sie die Zeremonie abschließen konnten.
Schließlich verkündete Kirk: »Hiermit erkläre ich Sie zu Mann und Frau.« Nordell und Lebrun küssten sich leidenschaftlich, und alle Gäste applaudierten. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen«, sagte Kirk, als das frischvermählte Paar irgendwann nach Luft schnappen musste. »Ich würde mir gerne anhören, was der Admiral von mir will.«
Er nahm den Anruf in einem Besprechungszimmer entgegen, das neben dem Aussichtsraum lag. Admiral Tyers blickte auf, als Kirk den Bildschirm aktivierte. »Schwierigkeiten, Jim?«, fragte die Frau.
Kirk grinste. »Ich hoffe nicht. Aber man kann nie wissen. Ich habe gerade zwei meiner Besatzungsmitglieder verheiratet.«
»Oh«, sagte Tyers. »Richten Sie ihnen bitte meine Glückwünsche aus.« Dann blickte sie wieder auf ihren Schreibtisch, der mit Papier übersät war. »Wir haben soeben erfahren, dass Prastor und Distrel, zwei Planeten im Nevis-System, einen Friedensvertrag geschlossen haben. Wir möchten, dass Sie die Angelegenheit näher untersuchen.«
Kirk kniff irritiert die Augen zusammen. »Sie wollen, dass wir einen Friedensvertrag unter die Lupe nehmen? Warum?«
»Ganz einfach. Weil Prastor und Distrel zwölftausend Jahre lang gegeneinander Krieg geführt haben.«
»Ein interplanetarer Krieg, der zwölf Jahrtausende andauerte?«, fragte Kirk entsetzt über die bloße Vorstellung. »Es überrascht mich, dass überhaupt noch jemand übrig ist, um Frieden schließen zu können.«
Admiral Tyers konsultierte einen der ausgedruckten Berichte. »Nach Auskunft der Erkundungsteams fanden die Kämpfe fast ausschließlich Mann gegen Mann statt.«
»Anders wäre es kaum zu erklären«, sagte Kirk. »Es sei denn, sie vermehren sich wie die Kaninchen.«
Die Frau grinste. »In dieser Hinsicht scheinen sie recht humanoid zu sein. Aber wir wissen nicht sehr viel über sie. Ihre Führer haben jedes Angebot einer diplomatischen Vermittlung durch friedliche Spezies zurückgewiesen, und das gewöhnliche Volk hat bislang jeden Kontakt mit Xenologen abgelehnt.«
»Handelt es sich um eine offene Feindseligkeit, oder verhalten sie sich einfach nur unkooperativ?«, wollte Kirk wissen.
»Das variiert von Fall zu Fall«, sagte Tyers. »Sie haben sich sehr höflich verhalten, als sie das Angebot eines Beitritts zur Föderation zurückwiesen, und sie waren auch relativ höflich, als die Klingonen und die Romulaner versuchten, sie zu einer Zusammenarbeit zu bewegen. Sie verfügen über die nötige Technik und Entschlossenheit, ihren Willen durchzusetzen, sodass die übrige Galaxis sich wieder zurückzog und ihnen widerstrebend gestattete, sich weiterhin bis zum Hitzetod des Universums zu bekriegen, sofern das ihren Absichten entspricht.« Sie zuckte mit den Schultern. »Jetzt verstehen Sie vielleicht, warum diese Friedenserklärung überall mit ziemlicher Überraschung aufgenommen wurde. Wir würden gerne wissen, was geschehen ist und warum es geschehen ist.«
Kirk nickte. Ihm waren bereits zwei gespenstische Möglichkeiten eingefallen. Die Nevisianer könnten beschlossen haben, sich zusammenzuraufen, um den Rest der Galaxis zu erobern. Oder ein noch aggressiveres Volk war auf den Plan getreten und hatte sie erobert. Andererseits war es denkbar, dass sie einfach nur des Kämpfens überdrüssig geworden waren und beschlossen hatten, das Kriegsbeil zu begraben. Doch es war gefährlich, von einer solch naiven Vermutung auszugehen.
»Wir werden uns die Sache ansehen«, versprach Kirk.
»Gut. Ich habe Ihrem Navigator bereits die Koordinaten mitgeteilt. Bei Warp sieben werden Sie nur einen Tag lang unterwegs sein. Ich erwarte in anderthalb Tagen Ihren ersten Bericht.«
Kirk nickte. »Sie werden ihn bekommen.«
Als Admiral Tyers die Verbindung unterbrach, lehnte er sich im Sitz zurück und schloss für einen Moment die Augen. Vielleicht sah er Gespenster, aber er hatte ein sehr ungutes Gefühl. Wer zwölftausend Jahre lang Krieg geführt hatte, konnte den Konflikt nicht plötzlich mir nichts, dir nichts beilegen.
Umso wichtiger war es, dass die Enterprise sich dort blicken ließ, dachte er. Wenn es Kirk und seiner Besatzung gelang, einen dauerhaften Frieden zu zementieren – und die beiden Planeten vielleicht sogar in die Föderation zu bringen –, dann wäre das eine großartige Leistung.
Er hörte einen überraschten Entrüstungsschrei vom Aussichtsdeck, gefolgt von lautem Gelächter. Als er aufstand und zur Tür ging, sah er Nordell, in dessen Gesicht die Reste einer Sahnetorte klebten und der soeben ein Stück davon auf Lebruns Mund und Wange schmierte. Unter noch lauterem Jubel begannen die beiden nun, sich gegenseitig abzulecken. Kirk seufzte. Es bestand kein Zweifel, dass das Ehepaar ein interessantes Leben führen würde.
Wissenschaftsoffizier Spock war fasziniert von den Daten, die ihm die Langstreckensensoren übermittelten. Er hatte im Verlauf seiner Reisen schon viele Mehrfachsysteme gesehen, doch im Unterschied zu den meisten Doppelsternen dieser Galaxis umkreisten sich die zwei Sonnen des Nevis-Systems auf einer fast perfekten Kreisbahn. Normalerweise verhinderten die exzentrischen Bahnen von Mehrfachsternen, dass sich bewohnbare Planeten entwickelten, doch die ungewöhnliche Stabilität der Nevis-Sonnen hatte gleich auf mehreren Leben entstehen lassen. Darunter waren zwei Planeten der Klasse M, die entweder von außen durch humanoide Lebensformen besiedelt worden waren oder auf denen sich das Leben vor langer Zeit aus eigener Kraft entwickelt hatte.
Als die Enterprise nun unter Warp ging und mit dem Annäherungsmanöver begann, staunte Spock, welches Glück die Nevisianer gehabt haben mussten. Ein einzelner bewohnter Planet mochte einige Jahrhunderte des Krieges ertragen, doch der internationale Handel ließ den Anlass für einen bewaffneten Konflikt zumeist innerhalb weniger Generationen obsolet werden. Wenn dagegen zwei Planeten, die durch mehrere Lichtjahre Weltraum voneinander getrennt waren, gegeneinander Krieg führten, gaben sie den Konflikt meistens nach einiger Zeit wegen des immensen Aufwands wieder auf. Raumschiffe mit Warpantrieb waren zu teuer, und der potenzielle Gewinn durch die Eroberung einer feindlichen Welt war zu gering, um einen ökonomischen Krieg führen zu können. Nur zwei Planeten innerhalb eines Sonnensystems konnten die nötigen Reserven und wirtschaftlichen Mittel aufbringen, um eine dauerhafte Konfliktkultur zu entwickeln.
Spock erinnerte sich an einen vergleichbaren Fall. Vendikar und Eminiar VII hatten sich fünfhundert Jahre lang bekämpft, bevor sie von der Föderation entdeckt wurden. Sie hätten immer noch nicht damit aufgehört, wenn die Enterprise nicht in die Feindseligkeiten verwickelt worden und gezwungen gewesen wäre, den Krieg zu beenden, damit die Besatzung entkommen konnte. Spock und Captain Kirk hatten die Erste Direktive verletzt, die die Einmischung in die Entwicklung einer Gesellschaft verbot, aber niemand, der die Situation verstand, hatte ihnen wegen ihrer Handlungsweise einen Vorwurf gemacht. Fünfhundert Jahre Krieg ohne Hoffnung auf ein Ende war unvorstellbar, also hätte jeder andere in dieser Situation genauso gehandelt, selbst wenn das Schiff nicht in Gefahr gewesen wäre. Aber in diesem Fall ging es um zwölf Jahrtausende des ununterbrochenen Kampfes. Beinahe hätte Spock mit Emotionen reagiert, als er daran dachte, wie viele Leben der sinnlose Kampf gekostet haben musste.
Doch nun hatten die beiden Planeten ihn ohne großes Aufheben beendet. Spock fragte sich, wodurch diese dramatische Änderung des Verhaltens ausgelöst worden war. Spekulationen waren nutzlos, da er es zweifellos herausfinden würde, sobald die Enterprise mit den Regierungen der Prastorianer und Distrellianer Kontakt aufnahm, aber er war dennoch neugierig.
»Auf den Schirm«, sagte Captain Kirk, und Spock leitete den Datenstrom der optischen Sensoren zum großen Bildschirm auf der Brücke. Dann drehte er sich herum, damit er persönlich die vergrößerte Darstellung in Augenschein nehmen konnte. Auf dem Hauptschirm vor den Konsolen für den Piloten und Navigator erstrahlten die beiden Sterne, und die Planeten verteilten sich auf einer unregelmäßigen Diagonalen zwischen den beiden Sonnen. Die Enterprise drang auf einem Kurs etwas oberhalb der Ekliptik in das System ein. Von den zwei bewohnten Planeten stand ihnen Prastor näher, obwohl der Unterschied in der Entfernung selbst bei Impulsgeschwindigkeit unbedeutend war.
»Lieutenant Uhura«, sagte Kirk und blickte sich über die Schulter zum Kommunikationsoffizier um. »Rufen Sie beide Planeten. Machen Sie kein Geheimnis aus unserem Eintreffen.«
»Ja, Captain«, bestätigte Uhura. Sie drückte auf die bereits etwas abgenutzten Tasten in ihrer Konsole, um die Standard-Grußbotschaft abzusenden, eine Übertragung auf einem breiten Frequenzband in zahlreichen Modulationen, die den Namen und die Identifikationsnummer des Schiffs enthielt. Praktisch jeder, der in den Funkäther, den Subraum oder selbst auf optischen Frequenzen horchte, würde zumindest bemerken, dass jemand zu kommunizieren versuchte. Und sobald jemand antwortete, konnte Uhura bestimmen, welche Frequenz und welche Modulation benutzt wurde. Dann war sie in der Lage, eine spezifischere Nachricht zu senden, und auf diese Weise konnten sie und die Leute, mit denen sie Verbindung aufgenommen hatte, einen Abgleich der Protokolle und der Sprache vornehmen, bis schließlich ein echter Dialog möglich wurde.
Uhura beherrschte diese Methode ausgezeichnet. Nur eine Minute nach ihrer ersten Sendung hatte sie eine bildliche Darstellung auf dem Sichtschirm und konnte dem Captain verkünden: »Der Große General von Distrel.«
Spock musterte den Nevisianer aufmerksam. Er war humanoid, doch die Abweichungen vom Phänotyp waren groß genug, um ihn unter keinen Umständen mit einem Menschen oder Vulkanier verwechseln zu können. Seine stahlblauen Augen lagen nicht so tief in den Höhlen, was ihn irgendwie froschähnlich aussehen ließ. Sein Blick wirkte starr, und das schmale Gesicht und die kleine Nase verstärkten diesen Eindruck. Sein Mund war rund statt breit, und seine Ohren, die tiefer als bei anderen Spezies ansetzten, waren komplexe Gebilde mit zahlreichen Windungen, die sich wie die Blätter einer Blüte überlappten.
Sein auffälligstes Merkmal war jedoch das rötlich-graue Haar, das mindestens zehn Zentimeter weit senkrecht vom Kopf abstand. Es war dick und grob und wuchs in alle Richtungen, selbst auf der mächtigen Stirn, sodass die Augen und die obere Gesichtshälfte im Schatten lagen, was ihm den Anschein finsterer Wachsamkeit verlieh.
Er saß in einem kunstvoll gearbeiteten Sessel an einem Esstisch, auf dem eine üppige Mahlzeit serviert worden war. Im Kragen seines weit geschnittenen, hellblauen Hemdes steckte eine Serviette. Offenbar hatte der Ruf der Enterprise ihn beim Essen überrascht. Anscheinend konnte er sich reichhaltige Mahlzeiten leisten, obwohl sein Körper schlanker und muskulöser wirkte, als Spock von einem Regierungsoberhaupt erwartet hätte, das regelmäßig auf diese Weise dinierte. Sein Körperbau war jedenfalls nicht auf höhere Schwerkraftwerte zurückzuführen, denn an der Oberfläche von Distrel herrschte etwas weniger als ein g Standardgravitation. Offensichtlich ließen ihm die Staatsgeschäfte genügend Zeit für sportliche Betätigung, was ein gutes Zeichen war. Denn das bedeutete, dass er auch Zeit hatte, sich um die neuen Probleme zu kümmern, die sich zweifellos in einer Gesellschaft entwickelten, die vor Kurzem eine so schwerwiegende Veränderung durchgemacht hatte.
»Ich bin Mesparth El Vuk Cevich Benat«, sagte der Große General. In seiner tiefen, volltönenden Stimme schwang etwas mit, das Spock als stille Belustigung identifizierte. Der Vulkanier fragte sich, ob die zahlreichen Namen etwas damit zu tun hatten. Gewiss ließ sich der General nicht bei jeder Gelegenheit auf diese Weise anreden. »Willkommen im kürzlich gegründeten Staatenbund von Nevis«, sagte er. »Falls Sie mitfeiern wollen, sind Sie etwas spät dran.«
Der Captain lächelte. »Ich bin James Kirk, Captain der Enterprise«, sagte er. »Wir wussten nicht, dass wir eingeladen sind.«
Der Große General lachte und öffnete den Mund zu einem weiten Kreis, in dem zwei Reihen scharfer Zähne sichtbar wurden. »Wir wussten, dass früher oder später jemand von der Föderation auftauchen würde. Sie hat sich schon immer sehr für die Angelegenheiten anderer Leute interessiert.«
Kirks Lächeln war jetzt nicht mehr so locker. »Wir möchten Ihnen zum Friedensvertrag gratulieren. Ich hoffe, wir haben Ihre Feierlichkeiten nicht gestört.«
»Überhaupt nicht! Ganz und gar nicht!«, sagte der Große General. »Wir haben nicht vor, sie allzu schnell abklingen zu lassen. Sie sind herzlich eingeladen mitzufeiern.«
»Das wäre uns eine große Ehre«, sagte Kirk.
»Gut. Der Padischah von Prastor ist ebenfalls hier, also können Sie sich eine Reise ersparen.«
Er drehte den Kopf zur Seite, während er offenbar jemandem zuhörte, der sich außerhalb des Blickwinkels der Kamera befand. Als er sich wieder Kirk zuwandte, sagte er: »Bringen Sie Ihren reizenden Kommunikationsoffizier mit, wenn Sie kommen. Und natürlich jeden anderen, den Sie erübrigen können. Hier im Palast ist Platz für eine ganze Armee, vor allem jetzt, nachdem wir gar keine eigene Armee mehr haben, hahaha!«
»Vielen Dank«, sagte Kirk. »Ich werde mit Lieutenant Uhura und einigen meiner Offiziere zu Ihnen kommen.«
»Wunderbar!«, rief der Große General. »Wir freuen uns schon auf Sie.« Sein Bild verschwand, und der Sichtschirm zeigte wieder das Doppelsternsystem.
Kirk drehte sich zu Uhura um. »Wie es scheint, haben Sie hier bereits ein Herz erobert«, sagte er zu ihr.
Sie hätte möglicherweise erröten sollen, aber sie war einfach nur verblüfft. »Ich wüsste nicht wie, Captain«, sagte sie. »Ich habe mich die ganze Zeit außerhalb des Erfassungsbereichs unserer Kamera befunden.«
»Vielleicht haben Sie versehentlich auf eine Totale der Brücke geschaltet«, sagte Kirk.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das habe ich ganz bestimmt nicht getan.«
Diese Frage ließ sich sehr einfach überprüfen. Spock holte das Übertragungsprotokoll aus der Datenbank des Computers und ließ sich das abgehende Signal auf einem Monitor vorspielen. Darauf waren nur der Captain und ein verschwommener Hintergrund zu erkennen. »Bestätigt, Captain«, sagte er. »Lieutenant Uhuras Bild wurde nicht nach Distrel übertragen.«
»Dann muss man dort Ihre Stimme gehört haben«, sagte Kirk.
»Nein, Captain«, erwiderte Uhura. »Ich habe die Standard-Grußtexte aus dem Computer benutzt. Wenn er auf eine Stimme reagiert hat, dann auf die des Computers.«
Kirk lachte. »Nun, dann wird er eine Überraschung erleben, wenn er Ihnen leibhaftig begegnet. Ich bin allerdings überzeugt, dass es eine angenehme Überraschung sein wird.«
Für den Captain schien die Sache damit erledigt zu sein, aber für Spock war die Angelegenheit nach wie vor äußerst ungewöhnlich. »Captain«, sagte er. »Die Anregung kam von jemandem, der sich außerhalb seines Kamerawinkels befand. Sofern sich nicht sein Kommunikationspersonal im selben Raum wie er aufgehalten hat, was ich in Anbetracht der Mahlzeit für unwahrscheinlich halte, konnten weder der Große General noch der Unbekannte die Computerstimme gehört haben. Eine plausiblere Erklärung wäre, dass irgendjemand auf Distrel den Lieutenant kennt oder zumindest von ihr gehört hat.«
»Hmm, das wäre möglich«, sagte Kirk. »Nun, dann sollten wir nach alten Bekannten Ausschau halten. Möglicherweise liegt ein Problem mit der Ersten Direktive vor. Aber wir sollten nicht vorschnell urteilen. Vielleicht gibt es dafür eine völlig logische Erklärung.«
Spock war überzeugt, dass es eine gab, doch im Gegensatz zu Kirk ließ er sich durch die Tatsache, dass die Erklärung logisch sein würde, nicht beruhigen. Er nahm sich vor, besonders umsichtig zu sein, bis er wusste, wer vor ihnen auf Distrel eingetroffen war.
Scotty zerrte an seinem Kragen und versuchte erfolglos ihn zu weiten, damit er nicht mehr juckte. An zwei aufeinanderfolgenden Tagen seine Galauniform anlegen zu müssen war eindeutig zu viel für ihn. Doch er hätte sich die gestrige Hochzeit auf keinen Fall entgehen lassen dürfen, denn Nordell war einer seiner besten Ingenieure, und trotz seines kleinen Spaßes mit dem Ehering hatte Scotty sich geehrt gefühlt, zum Trauzeugen ernannt worden zu sein. Der heutige Empfang auf Distrel bedeutete ihm nicht so viel, aber für den Captain war es wichtig, seine höheren Offiziere dabeizuhaben. Also trottete er den Korridor entlang zum Transporterraum, während er zu ignorieren versuchte, wie unwohl er sich in dieser Verkleidung fühlte.
Unmittelbar vor der Tür traf er Chekov. Der kleine Russe grinste übers ganze Gesicht. Im Gegensatz zu Scotty schien er über die Gelegenheit glücklich zu sein, sich in Schale werfen zu dürfen.
»Sie scheinen sich ja mächtig auf die Party zu freuen, mein Junge«, sagte Scotty.
Chekov bemühte sich, in ernsthaftem Ton zu antworten. »So ist es keineswegs, Mr. Scott. Ich betrachte es als meine Pflicht, diesen Leuten das Feiern beizubringen. Nach zwölftausend Jahren Krieg haben sie mit Sicherheit vergessen, wie das geht.«
Scotty lachte. »Nun, wer könnte ihnen besser zeigen, wie man sich amüsiert, als Sie?«
Sie betraten den Transporterraum. Dr. McCoy, Lieutenant Uhura, Commander Spock und der Captain waren bereits eingetroffen. Kirk hatte entschieden, dass sechs Leute mehr als genug für den ersten Landetrupp waren. Als Scotty und Chekov hereinkamen, machte er sich sofort auf den Weg zur Transporterplattform. »Also gut«, rief er, »ich hoffe, ich kann mich darauf verlassen, dass Sie wissen, wie man sich benimmt.«
»Nun, dann werden wir uns wohl zusammenreißen müssen«, murmelte Chekov, als er im Hintergrund der Plattform Stellung bezog.
»Insbesondere Sie, Mr. Chekov«, sagte Kirk. »Aber ich weiß, dass ich keine Unmöglichkeiten von Ihnen erwarten kann.«
»Danke, Captain.« Alle bis auf Spock lachten. Scotty glaubte, dass der Vulkanier noch konzentrierter als gewöhnlich aussah, aber das mochte nur am Kontrast zwischen seinem emotionslosen Auftreten und der Fröhlichkeit der anderen liegen.
»Energie, Mr. Vagle«, befahl Kirk dem Transportertechniker. Vagle schob die Kontrollregler vor, worauf sich der Transporterraum flimmernd auflöste, um durch einen deutlich größeren Raum ersetzt zu werden, in dem es alles andere als leer war. Der Raum hatte einen steinernen Fußboden und eine hohe Decke mit freien Dachbalken, hohe Fenster in drei Wänden und große, weit geöffnete Türen mit doppelten Flügeln in der vierten Wand. Durch die Mitte zog sich ein langer Banketttisch, der immer noch mit zahlreichen Gerichten überladen war, obwohl die Mahlzeit allem Anschein nach vorbei war. Die Gäste – etwa einhundert, wie Scotty schätzte – tummelten sich in kleineren Gesprächsrunden, lachten und unterhielten sich wie überall in der Galaxis zu vergleichbaren Gelegenheiten. Wenn der Raum nicht so riesig gewesen wäre, hätte der Platz vielleicht nicht ausgereicht, um sechs weitere Gäste materialisieren zu lassen, doch Vagle hatte eine geeignete Lücke im Gewimmel gefunden, wo sie niemandem auf die Füße traten.
Die Abendsonne schien durch die Fenster in nördlicher und westlicher Richtung und tauchte den Bankettsaal in ein sanftes rötliches Licht, das kaum durch die Kristallleuchter an der Decke verstärkt wurde. Scotty drehte sich langsam um, damit er alle Eindrücke aufnehmen konnte. Das Gebäude bestand aus schwerem Holz, das jedoch sauber verarbeitet worden war. Bögen und Freiträger waren auf intelligente Weise eingesetzt worden, um die Decke über dem gewaltigen Raum zu tragen. Banner und Wandbehänge sorgten in geschickter Verteilung dafür, dass der Hall gedämpft wurde. Diese Nevisianer hatten einen guten Sinn für Einrichtungen, musste Scotty anerkennen.
Äußerlich betrachtet wiesen alle Anwesenden, Männer wie Frauen, dieselben Glupschaugen, schmalen Gesichter und zu Berge stehenden Haare auf. Die vorherrschende Haarfarbe war ein rötliches Orange oder Braun. Niemand schien im Alter kahl zu werden, doch ein paar der Anwesenden, sowohl Männer als auch Frauen, hatten ergraute Haarspitzen.
Die Frauen trugen lange bunte Kleider, die ihre Körper anmutig umspielten, wenn sie sich bewegten. Die männliche Kleidung bestand aus weiten Hemden, die an der Hüfte gerafft waren, und statt Hosen trugen sie blau-weiß gestreifte Tücher, die eine verblüffende Ähnlichkeit mit Kilts aufwiesen. Sie waren etwas zu lang im Vergleich zur Mode seiner Heimat, dachte Scotty, aber er wünschte sich plötzlich, er hätte statt der Standard-Galauniform seinen Kilt angelegt. Na gut, das ließ sich beim nächsten Mal nachholen.
Beide Geschlechter hatten sich außerdem kurze Schwerter um die Hüften geschnallt. Scotty vermutete, dass sie rein zeremoniellen Zwecken dienten, denn die Nevisianer hatten offensichtlich eine viel höhere technische Entwicklungsstufe erreicht, um wesentlich tödlichere Waffen herstellen zu können. Vor allem, da sie so lange Zeit Krieg geführt hatten, musste die Entwicklung auf diesem Gebiet einfach beschleunigt worden sein.
Die Gespräche verstummten nach und nach, als den Leuten bewusst wurde, dass soeben jemand in ihre Mitte gebeamt worden war. Scotty fühlte sich unter den prüfenden Blicken etwas unbehaglich, doch Captain Kirk lächelte nur und sagte: »Hallo, wir kommen von der Ent…«
»Captain Kirk!«, hallte eine tiefe Stimme quer durch den Saal. Die Neuankömmlinge von der Enterprise drehten sich gleichzeitig in die Richtung, aus der die Stimme kam, und sahen, wie der Große General mit zum Gruß ausgebreiteten Armen auf sie zustapfte. »Es freut mich, Sie als Gäste auf unserer Feier begrüßen zu dürfen«, sagte er. »Ich habe schon so viel von Ihnen gehört.« Er packte Kirks Arm knapp über dem Handgelenk, ungefähr nach Art eines Logenbruders, und schüttelte sie heftig auf und ab. Dann wandte er sich an Spock. »Haben die Vulkanier ebenfalls eine Delegation geschickt, oder gehören Sie zu diesen Leuten?«
»Ich bin Sternenflottenoffizier und gegenwärtig auf der Enterprise stationiert«, sagte Spock. »Insofern bin ich kein offizieller Vertreter von Vulkan, aber ich darf und möchte Ihnen die Glückwünsche meines Volkes übermitteln, dass Sie Ihren bewaffneten Konflikt beilegen konnten.«
»Ach, das!«, sagte der Große General und winkte lässig mit der rechten Hand ab. »Nun, wir hatten Hilfe. Um Ihnen die Wahrheit zu sagen, ich hätte nie damit gerechnet, dass wir so viel Spaß haben würden.«
»Wenn Sie erlauben, würde ich gerne fragen …«, begann Spock, doch der Große General war bereits vor Uhura getreten.
»Und Sie müssen der reizende Lieutenant sein. Ich stelle fest, dass Sie in der Tat genauso hübsch sind, wie man sagt.«
Uhura verneigte sich leicht. »Vielen Dank«, erwiderte sie. »Aber woher haben Sie von mir gehört? Ich bin mir sicher, dass ich noch nie zuvor hier war.«
»Wir können erst jetzt ermessen, was uns entgangen ist«, sagte der Große General, »aber wir hoffen, dass wir uns etwas besser kennenlernen, nachdem Sie nun gekommen sind. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Vielleicht einen saurianischen Brandy?«
»Saurianischen Brandy?«, sagte Scotty, dem erst bewusst wurde, dass er laut gesprochen hatte, als der Große General in seine Richtung blickte. Sei’s drum, wenn der General auf ihn aufmerksam geworden war, konnte er genauso gut weiterreden. »Wie sind Sie an saurianischen Brandy gekommen?«, fragte er. »Wir hatten den Eindruck, dass Sie keinen Handel mit dem Rest der Galaxis treiben.«
»Völlig richtig«, sagte der Große General. »Aber nachdem wir Frieden geschlossen hatten, erschien es uns als gute Idee, einige Ihrer bemerkenswerteren Exportgüter zu probieren. Und ich muss zugeben, dass unsere bisherigen Entdeckungen sehr zufriedenstellend waren. Sie müssen unbedingt den i’danianischen Gewürzpudding probieren, falls noch welcher da ist.« Er bedeutete der Enterprise-Besatzung, näher an den schwer beladenen Banketttisch zu treten. »Kommen Sie, kommen Sie! Nehmen Sie sich etwas!«, sagte er. »Erst sollten Sie essen und trinken. Später ist noch genügend Zeit, all Ihre Fragen zu beantworten. Und Sie müssen unbedingt den Padischah von Prastor kennenlernen. Arnitas!«, rief er. »Wohin ist Arnitas verschwunden?« Dann wandte er sich wieder an Kirk und sagte leise: »Es kommt uns immer noch etwas ungewohnt vor, unseren alten Feinden freien Zugang zum Palast zu gewähren, aber da wir jetzt in Frieden leben, wäre es wohl recht ungastlich, es ihnen zu verweigern.«
Schon möglich, dachte Scotty, aber wahrscheinlich wäre es klüger gewesen, zumindest bis sie sicher sein konnten, dass der Waffenstillstand von Dauer war. Da die Nevisianer noch nie zuvor Frieden geschlossen hatten, war ihnen offenbar gar nicht bewusst, dass dieser Zustand wesentlich instabiler als der Krieg war. Doch er war nicht gekommen, um ihnen den Spaß zu verderben, also sagte er nichts. Er trat an den Tisch und musterte die Nahrung, während er sich fragte, ob der Geschmack wohl ungewöhnlich sein mochte. Es gab vier oder fünf unterschiedliche Sorten Fleisch, Dutzende von gebackenen Broten, Kuchen und Keksen, Tabletts mit vermutlich süßem Naschwerk und Schalen voller Obst. Scotty wählte eine hübsche runde Frucht aus, die etwa so groß wie ein Apfel und durch rote und weiße Streifen wie die Stücke einer Orange unterteilt war. Die Schale fühlte sich hart an, gab jedoch ein wenig nach, wenn er mit den Fingern zudrückte. Er überlegte, wie man sie wohl essen sollte.
Ringsum hatte man die Gespräche wieder aufgenommen, doch viele der Nevisianer in ihrer Nähe starrten immer noch die Neuankömmlinge an. Scotty dachte daran, jemanden bezüglich der Frucht um Rat zu fragen – eine der besten Methoden, um in solchen Situationen das Eis zu brechen, wie er festgestellt hatte –, doch dann sah er, dass Dr. McCoy ebenfalls an den Tisch getreten war und die Nahrung mit einem medizinischen Scanner untersuchte. Offenbar wollte er überprüfen, ob die Lebensmittel für sie giftig oder gefährlich waren, sodass Scotty ihm die Frucht hinstreckte, damit er auch sie scannte. Er hätte sie beinahe fallenlassen, als das Instrument plötzlich piepte und ein rotes Lämpchen aufglühte. Doch kurz danach hörte das Piepen auf, und die Lampe schaltete auf Grün um. Über den winzigen Monitor des Geräts wanderten molekulare Strukturformeln.
Verblüfft scannte McCoy die Frucht ein zweites Mal. Dann nahm er sie Scotty aus der Hand, um sie ein drittes Mal zu untersuchen, indem er langsam einen Streifen nach dem anderen vor dem Sensor des Geräts vorbeiwandern ließ. Es piepte und verstummte abwechselnd und schaltete von Rot zu Grün und zurück, während McCoy die Streifen der Frucht untersuchte.
Der Große General war auf den Arzt aufmerksam geworden. »Ah, wie ich sehe, haben Sie unsere Palko entdeckt«, sagte er.
»So heißt diese Frucht bei Ihnen?« McCoy blickte sich zu seinen Kollegen um. »Es ist unglaublich. Laut meinen Anzeigen enthält dieses kleine Ding eines der gefährlichsten Nervengifte, die mir jemals untergekommen sind.«
»Nervengift?«, fragte Scotty, während seine Hände plötzlich schweißfeucht wurden. Er wischte sich die Hand, mit der er die Palko angefasst hatte, am Hosenbein ab. Zum Teufel mit dem guten Benehmen!
»Es ist ein binäres Toxin«, erklärte McCoy. »Es besteht aus zwei nichttoxischen Komponenten, die jeweils nur in einem der farblich markierten Abschnitte vorkommen. Allein ist keins von beiden gefährlich, aber wenn man sie vermischt, ist man tot, bevor man ein zweites Mal abbeißen kann.« Er richtete seinen Trikorder auf den Großen General und sagte: »Das gilt auch für Sie, aber ich vermute, dass Ihnen das längst bekannt ist.«
Scotty konnte sich nicht zurückhalten. »Gütiger Himmel!«, sagte er zum Großen General. »Und so etwas servieren Sie auf einem Bankett?«
»Natürlich.« Der General nahm sich eine andere Palko-Frucht aus einer Schale, warf sie in die Luft und fing sie wieder auf. »Es ist eine Delikatesse.«
»Heißt das, dass Sie diese Dinger tatsächlich essen?«, fragte Scotty fassungslos.
»Aber ja.«
»Und wie?«
Der Große General lächelte. »Komisch, dass ausgerechnet Sie das fragen.« Er schlug die Palko kräftig gegen den Tisch, worauf die Frucht auseinanderbrach und wie bei einer sich öffnenden Blüte die roten und weißen Stücke freigelegt wurden. »Also«, sagte er, während er ein Stück von jeder Farbe heraussuchte, »wenn Sie ein Distrellianer wären, würden Sie die roten Stücke essen. Und wenn Sie ein Prastorianer wären, würden Sie …?« Er schaute die Besatzungsmitglieder der Enterprise an, als wäre er ein Lehrer in der Schule, der von seinen Schülern die Antwort auf eine besonders leichte Frage erwartete.
»Die weißen essen?«, riet Chekov.
»Falsch!«, sagte der Große General. Die Leute in der Nähe lachten, und er schmunzelte Chekov zu, um seine schroffe Erwiderung wettzumachen. Aber er meinte es offenbar völlig ernst, als er weitersprach. »Die Prastorianer essen ebenfalls die roten Stücke. Was bedeutet, dass die Hälfte der Frucht im Abfall landet. Es ist wirklich unerhört! Wir haben immer wieder versucht, sie von dieser Gewohnheit abzubringen, aber ohne Erfolg. Die Prastorianer sind ein sehr störrisches Volk.«
»Aber Sie nicht, wie?«, fragte eine neue Stimme. Daraufhin drehten sich alle zu dem Nevisianer um, der soeben durch die weit geöffneten Doppeltüren des Bankettsaals trat. Er war kleiner als der Große General von Distrel und ein paar Jahre jünger, und von Kopf bis Fuß in Rot gekleidet. Selbst die Handschuhe, die in einer hinteren Tasche seines Gewands steckten, waren rot. Er lächelte freundlich, während er näher kam. »Sie müssen unsere Gäste von der Föderation sein«, sagte er schließlich. »Es ist mir eine Freude, Ihre Bekanntschaft zu machen. Mein Name ist Fareen Berg Gren Orondo Arnitas. Ich bin der Padischah von Prastor.«
»Ich bin James Kirk, der Captain der Enterprise«, sagte Kirk, »und das sind einige meiner Besatzungsmitglieder.« Scotty bemerkte, dass Kirk den Anfangsbuchstaben seines zweiten Vornamens ausgelassen hatte, obwohl er ihn bei offiziellen Anlässen häufig verwendete. Offensichtlich wollte er nicht den Eindruck erwecken, mit diesen Leuten hinsichtlich der Länge des Namens in einen Wettstreit zu treten. Er hätte ihn ohnehin verloren.
»Ich war gerade dabei«, sagte der Große General, »unseren Gästen das Wesen unseres Konflikts zu erklären.« Er hielt immer noch die Stücke der Palko-Frucht in der Hand, von denen er sich jetzt eins in den Mund steckte, um es mit unübersehbarem Genuss zu verspeisen. »Hier«, sagte er, während er geschickt die übrigen roten Stücke aus dem Haufen zupfte und sie herumreichte. »Versuchen Sie davon. Es schmeckt wirklich sehr gut.«
Kirk griff zögernd nach einem Stück der Frucht. Er blickte sich zu Pille um, der nur mit den Schultern zuckte und sich selbst eins nahm. »Achte nur darauf, mindestens eine Woche lang keine weißen Stücke zu essen«, riet ihm der Arzt. »Dann dürfte dir nichts passieren.«
Kirk steckte sich das Stück in den Mund und biss hinein. Beißend saurer Saft kam heraus, als seine Zähne die knackige Schale aufrissen. Dann musste er nach Luft schnappen, als sich ein ungewohnter Geschmack auf seiner Zunge ausbreitete und ihm das kühle, pfefferminzähnliche Aroma in die Nasenhöhlen stieg. Der Geschmack erinnerte an einen frischen Apfel, obwohl er süßer war und einen wesentlich intensiveren Nachgeschmack hinterließ. Kirk verstand, warum die Frucht als Delikatesse gehandelt wurde. Sie schmeckte köstlich, aber das Erlebnis war zu intensiv, um mehr als ein Stück auf einmal essen zu wollen.
Und sie enthielt die Hälfte eines binären Nervengiftes. Kirk hätte diese Leute als wahnsinnig eingestuft, wenn er nicht bereits ähnliche Dinge auf der Erde gesehen und sogar selbst gegessen hätte. Es war wie mit Fugu, dem japanischen Gericht, das aus einem giftigen Kugelfisch zubereitet wurde und nach wie vor zwei bis drei Menschen pro Jahr das Leben kostete.
»Dafür lohnt es sich zu kämpfen, nicht wahr?«, fragte der Padischah.
Ein unangenehmer Verdacht hatte sich in Kirks Hinterkopf festgesetzt, seit der Große General seine Bemerkung über »das Wesen unseres Konflikts« fallengelassen hatte. Jetzt erhielt er neue Nahrung.
»Sie meinen, das hier … die Frage, welche Hälfte einer Palko man essen sollte, ist der Grund, warum Sie sich all die lange Zeit bekriegt haben?«
»Ja«, antworteten die Oberhäupter beider Planeten gleichzeitig, bis der Padischah allein weitersprach. »Es ging ums Prinzip. Die weißen Stücke sind nicht ganz so schmackhaft, verstehen Sie. Deshalb wollten wir Prastorianer auf keinen Fall unsere Gewohnheiten ändern, wenn die Distrellianer es nicht ebenfalls taten.«
»Was das Problem natürlich auch nicht gelöst hätte!«, rief der Große General. »Damit hätten wir nur erreicht, dass wir alle die nicht so schmackhaften Stücke gegessen hätten.«
Kirk bemühte sich gar nicht, seine Stimme frei von Sarkasmus zu halten, als er sagte: »Also haben Sie darum gekämpft, wer die weißen Stücke essen soll. Ist Ihnen niemals in den Sinn gekommen, es mit einer Art Rotationsprinzip zu versuchen? Oder Ihre Bevölkerungen in rote und weiße Regionen aufzuteilen?«
»Wir sind keineswegs dumm, Captain«, sagte der Padischah. »Jede denkbare Alternative wurde bereits vor Jahrtausenden ausprobiert und wieder verworfen. Nach unseren ältesten Aufzeichnungen versuchten unsere Vorfahren sogar, den Palko-Strauch auszurotten, aber natürlich behielt jede Seite insgeheim einen Vorrat von Saatgut zurück, sodass er doch wieder angepflanzt wurde und der Konflikt von Neuem entstand.«
Kirk konnte nur mit dem Kopf schütteln. Diese Geschichte erschien ihm so sinnlos, aber dann fragte er sich, ob dieser Umstand ihren Krieg noch verheerender wirken ließ. Hatte es überhaupt jemals einen sinnvollen Krieg gegeben? In allen Konflikten ging es letztlich um ähnlich nichtige Anlässe. Welchen Gott man anbetete oder wie man ein und denselben Gott anbetete. Ob ein Herrscher durch die Erbfolge oder durch Wahlen bestimmt wurde. Oder weil die Beteiligten einfach gerne kämpften, wie im Fall der Klingonen.
Chekov unterbrach seine Gedanken. »Und was hat Sie veranlasst, diesen Streit beizulegen?«, erkundigte er sich.
»Wir haben ein Angebot erhalten, das einfach zu gut war, um ihm widerstehen zu können«, sagte der Große General.
»Von wem?«, fragte Kirk.
»Von einem guten Freund von Ihnen«, sagte der Große General. »Von einem Meister der Diplomatie. Er scheint Ihre Vorliebe zu teilen, ohne Umwege auf den wesentlichen Punkt einer Sache zu kommen. Ich habe ihn zu meinem politischen Berater ernannt.«
»Wo ist er überhaupt?«, fragte der Padischah. »Ich habe ihn schon seit einiger Zeit nicht mehr gesehen.«
»Er war noch vor wenigen Minuten hier, als der Captain das erste Mal anrief. Er sagte, er müsse sich die Krawatte richten, glaube ich. Aber Sie wissen ja, wie er ist. Die Pünktlichkeit zählt nicht gerade zu seinen Tugenden.«
Der Padischah lachte. »Ha! Das ist wohl wahr.« Er beugte sich zu Kirk hinüber, als wolle er ihm ein großes Geheimnis anvertrauen. »Er scheint außerdem eine Vorliebe für nevisianische Frauen zu haben. Er ist immer wieder stundenlang verschwunden. Ich würde mir Sorgen um den guten Ruf dieser Frauen machen, aber seine Anstandsdame behält ihn ständig im Auge. Das heißt, solange der Große General sie nicht beansprucht … ihre Zeit beansprucht, meine ich.«
Der Große General lief rot an. »Ich gebe mir lediglich Mühe«, sagte er, »dafür zu sorgen, dass sie einen angenehmen Aufenthalt hat.«
»Davon bin ich überzeugt«, erwiderte der Padischah.
»Meine Herren«, unterbrach Kirk die beiden. »Hat Ihr geheimnisvoller Freund auch einen Namen?«
»Nun ja, sicher hat er einen«, sagte der Große General. »Sogar drei an der Zahl. Demnächst werden es vier sein, aber bitte verraten Sie es ihm noch nicht. Ich möchte ihn damit überraschen. Und aus diesem Grund kann ich Ihnen seinen Namen im Augenblick noch nicht nennen. Er sagte, er wolle unbedingt Ihr Gesicht sehen, wenn Sie ihm begegnen, und dieses Vergnügen möchte ich ihm auf keinen Fall nehmen.« Er wandte sich an eine der Frauen, die in der Nähe standen. »Mistrae, meine Liebe, könntest du mir einen kleinen Gefallen tun und nach dem Berater suchen? Sag ihm, dass unsere Gäste eingetroffen sind.«
»Gewiss, General«, sagte die Frau. Sie verließ den Bankettsaal durch die große Tür am Ende des Raumes, während sich ihr weites Kleid wie eine Wolke aufblähte.
Kirk blickte ihr nach und fragte sich, welche Art von Problem Mistrae in Kürze durch diese Tür hereinführen würde. Mittlerweile glaubte er nicht mehr daran, dass es sich dabei um eine angenehme Überraschung handelte. Kein Mitschüler aus der Akademie, der ihm freundschaftlich auf den Rücken schlug, kein leidenschaftliches »Hallo, James!« von einer früheren Geliebten, nicht einmal ein hochmütiges »Ätsch!« von einem selbstgerechten Botschafter, der mit der Enterprise auf seine erste Mission gegangen war. Nein, die Umstände sprachen eine ganz andere Sprache.
Er beugte sich zu Spock hinüber und sagte leise: »Irgendwie habe ich ein ungutes Gefühl.«
Spock nickte ernst. »Wenn ich Gefühle hätte, würden sie zweifellos in dieselbe Richtung wie Ihre gehen.«
Doch keiner von ihnen war auf das vorbereitet, was tatsächlich durch die weit geöffnete Doppeltür hereintrat. Zuerst kam die Frau, die einigermaßen amüsiert wirkte. Dann folgten acht junge Männer, die lange, schlanke Trompeten trugen. Sie bezogen in zwei Reihen seitlich der Türflügel Stellung, und als sie die Trompeten anhoben, entfalteten sich rote und weiße Fahnen, die an den Instrumenten befestigt waren. Dann bliesen die Männer eine kunstvolle Fanfare, bis sie die Trompeten zackig absetzten und Haltung annahmen.
Daraufhin kam ein großer, übergewichtiger, nahezu kahlköpfiger Mann hereinspaziert. Er trug ein weites grünes Hemd und ebenso weite graue Hosen, die an den Waden in hohen schwarzen Stiefeln verschwanden. Sein breites, pausbäckiges Gesicht zierte ein noch breiterer Schnauzbart. Er hatte die Daumen in seinen Gürtel gesteckt und stolzierte wie ein König bei der Krönungszeremonie.
Kirk erkannte ihn sofort – nicht nur am Aussehen, sondern auch an der Art des Auftritts. »Harry Mudd!«, rief er.
Denn um ebenjenen handelte es sich. Um denselben Harry Mudd, der mit schönen Frauen gehandelt – »Frauen für Siedler« war seine Wortwahl gewesen – und der bei dieser Gelegenheit beinahe die Enterprise zerstört hatte. Es war derselbe Harry Mudd, der später auf einen Planeten voller Androiden geraten war und die Besatzung der Enterprise beinahe zu Sklaven dieser Androiden gemacht hätte. Oh ja, Kirk kannte diesen Mann, obwohl er sich innig wünschte, ihn niemals kennengelernt zu haben.
Doch Mudd ließ sich nichts anmerken, falls er irgendwelche feindseligen Empfindungen hegte. Er begrüßte Kirk mit einem breiten Lächeln und rief mit seiner vollen, überschwänglichen Stimme: »Harcourt, bitte! Harry klingt irgendwie … unzivilisiert.«
»Wohl wahr«, murmelte Chekov.
»Ach, Mr. Chekov«, sagte Mudd. »Immer noch dasselbe kluge Kerlchen wie immer. Und die liebreizende Lieutenant Uhura. Zweifelsohne der erfreulichste Aspekt meiner beiden Aufenthalte an Bord der Enterprise. Vielen Dank, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind.« Er verbeugte sich tief vor ihr, und während er sich wieder aufrichtete, fing er ihre Hand ab, um mit den Lippen einen Kuss darauf zu hauchen.
Uhura lächelte spöttisch. »Hallo, Harry«, sagte sie. »Schön, Sie wiederzusehen. Glaube ich zumindest.«
Mudd kicherte. »Ah, die Wärme und Zuneigung alter Freunde tut so gut. Ich bin aufrichtig gerührt.« Dann wandte er sich an McCoy, und während er sich eine Hand auf die Brust legte, sagte er: »Bleiben Sie in meiner Nähe, Doktor. Vielleicht brauche ich Ihre Hilfe, wenn ich von dieser gefühlvollen Szene zu sehr überwältigt werde. Und Mr. Scott. Ihre Maschinen scheinen immer noch wie geschmiert zu laufen.« Zuletzt wandte Mudd sich Spock zu. »Ich weiß natürlich, dass ich von Ihnen keine überschwängliche Begrüßung erwarten kann. Also werde ich mich doppelt anstrengen müssen, um unserer Begrüßung die angemessene Sentimentalität zu verleihen.« Er ergriff Spocks rechte Hand und schüttelte sie ausgelassen – etwa eine Sekunde lang, bis Spock seine Muskeln anspannte und sein Arm so unbeweglich wie ein Stahlträger wurde. Mudd schüttelte noch einen Moment weiter, sodass sein ganzer Körper unter der Anstrengung erbebte, bis er aufgab und Spock losließ. »Sie sind wie immer ein unerschütterlicher Fels der Freundschaft, Mr. Spock.«
Die Nevisianer – und Dr. McCoy – lachten über Mudds Eskapaden, doch Spocks Erwiderung war sachlich und ohne Umschweife. »Wie sind Sie vom Androidenplaneten entkommen?«
Als Bestrafung für seine Rolle bei der Festsetzung der Enterprise, hatten Kirk und seine Besatzung Mudd zurückgelassen, nachdem ihnen die Flucht gelungen war – zusammen mit fünfhundert Androidenkopien seiner nörglerischen Gattin Stella, um sicherzustellen, dass er in Zukunft kein sorgenfreies Leben genießen konnte.
»Nun«, sagte Mudd, während er sich zu Kirk umdrehte, »die Bedingungen meines dortigen Aufenthalts sahen vor, dass ich gehen könnte, wenn ich nicht länger ein … ‚Ärgernis‘ wäre, wie Sie sich meiner Erinnerung zufolge ausdrückten. Da ich jedoch zu keiner Zeit ein Ärgernis darstellte, war es einfach, die Vorkehrungen für meinen Abflug zu treffen, nachdem ich mich entschlossen hatte, diesen Ort zu verlassen.«
Kirk wusste, wie Mudds Aussagen zu interpretieren waren. »Vorkehrungen für den Abflug …«, sagte er. »Sie meinen, Sie haben wieder ein Schiff gestohlen.«
»Nichts dergleichen!«, protestierte Mudd entrüstet. »Die Androiden haben mir unverzüglich eins zur Verfügung gestellt, als ich darum bat.«
»Und welchen Schandtaten haben Sie sich seitdem gewidmet?«
Mudd blickte sich zum Großen General um. »Ständig zu Scherzen aufgelegt. Verstehen Sie jetzt, warum ich diese Leute so sehr liebe? Nun, Kirk, mein Guter, ich bedaure es, Sie enttäuschen zu müssen, aber dieses System war mein erstes Reiseziel. Als ich von den schrecklichen Missverständnissen dieser Völker hörte, bin ich unverzüglich herbeigeeilt, um ihnen meine Dienste anzubieten.«
Kirk wagte es beinahe nicht, seine nächste Frage zu stellen, aber seine Neugier war inzwischen unbezwingbar geworden. »Was für Dienste?«
»Nun, die exklusiven Vertriebsrechte der Palko-Frucht für den Rest der Galaxis. Natürlich nur die weißen Hälften, aber dieses Geschäft wirft nichtsdestotrotz einen beträchtlichen Gewinn ab, an dem die Nevisianer mit fairen fünfzig Prozent beteiligt sind.«
McCoy meldete sich zu Wort. »Sie verkaufen die Hälfte eines Nervengifts an ahnungslose Kunden? Das ist gegen alle …«