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Es ist schon schwer genug, ein Teenager zu sein, auch ohne dass man zum Jedi ausgebildet wird … Der junge Obi-Wan Kenobi ärgert sich zusehends über die Ausbildungsmethoden seines Meisters Qui-Gon Jinn, der seinen Padawan mit Meditation statt Action auf die Probe stellt. Als die beiden schließlich zu ihrer ersten Mission aufbrechen sollen, ist Qui-Gon plötzlich verschwunden. Da nimmt sein junger Padawan die Sache allein in die Hand …
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Seitenzahl: 392
AUSSERDEMBEIPANINIERHÄLTLICH:
Star Wars: Die Hohe Republik – Die Bewährungsprobe
Justina Ireland – ISBN 978-3-8332-3944-1
Star Wars: Die Hohe Republik – In die Dunkelheit
Claudia Gray – ISBN 978-3-8332-3943-4
Star Wars: Poe Dameron – Freier Fall
Alex Segura – ISBN 978-3-8332-3942-7
Star Wars: Bürde der Königin
E. K. Johnston – ISBN 978-3-8332-3941-0
Star Wars: Schatten der Königin
E. K. Johnston – ISBN 978-3-8332-3636-5
Star Wars: Hoffnung der Königin
E. K. Johnston – ISBN 978-3-8332-4082-9
Star Wars: Ahsoka
E. K. Johnston – ISBN 978-3-8332-3450-7
Star Wars: Meistgesucht
Rae Carson – ISBN 978-3-8332-3637-2
Star Wars: Journey to Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers – Der Sammler
Kevin Shinick – ISBN 978-3-8332-3831-4
Star Wars: Galaxy’s Edge – Schicksalsschlag
Zoraida Córdova – ISBN 978-3-8332-3830-7
Star Wars: Leia, Prinzessin von Alderaan
Claudia Gray – ISBN 978-3-8332-3569-6
Star Wars: Blutlinie
Claudia Gray – ISBN 978-3-8332-3354-8
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ROMAN
VON KIERSTEN WHITE
Ins Deutsche übertragen von Tobias Toneguzzo
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Titel der Amerikanischen Originalausgabe: „Star Wars: Padawan“ by Kiersten White, published by Lucasfilm Press, an imprint of Buena Vista Books Inc., July 2022.
© & TM 2022 LUCASFILM LTD. All Rights Reserved.
Design by Jason Wojtowicz
Deutsche Ausgabe 2022 by Panini Verlags GmbH, Schloßstr. 76, 70176 Stuttgart. Alle Rechte vorbehalten.
Geschäftsführer: Hermann Paul
Head of Editorial: Jo Löffler
Head of Marketing: Holger Wiest (E-Mail: [email protected])
Presse & PR: Steffen Volkmer
Übersetzung: Tobias Toneguzzo
Lektorat: Felix Gass
Umschlaggestaltung: tab indivisuell, Stuttgart
Satz und E-Book: Greiner & Reichel, Köln
YDSWYA008E
ISBN 978-3-7367-9838-0
Gedruckte Ausgabe:
1. Auflage, September 2022, ISBN 978-3-8332-4257-1
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PaniniComicsDE
Für Kris – wir vermissen dich.Und für Jen, die mich einlud, ein Jedi zu sein und meine Träume wahr werden ließ.
1
Die Tentakel tauchten ohne Vorwarnung auf und schlangen sich in einem tödlichen, stachelbesetzten Griff um Obi-Wan Kenobis Handgelenk.
Er zog den Arm zurück. Eine heiße Flüssigkeit verstärkte noch seinen Schmerz und seine Verwirrung, als er ausrutschte und rückwärts auf den harten Boden fiel. Der kugelrund aufgeblasene, mit säuregrünen Stacheln gespickte Tierkörper zog seine Tentakel noch fester an. Obi-Wan griff hektisch nach dem Lichtschwert an seinem Gürtel. Er konnte spüren, wie die Stacheln tiefer eindrangen, und er wusste, dass das Gift jeden Moment seine Blutbahn erreichen würde.
Es durfte nicht hier enden. Nicht so.
„Helft mir!“ Er hielt die Augen starr auf die Kreatur gerichtet und vertraute darauf, dass die anderen Padawane zu seiner Rettung eilten.
Prie auf ihrem Platz gegenüber von Obi-Wan klatschte vor Freude in die Hände: „Ist das ein Dämonenkalmar?“, quietschte sie. „Warte, tu ihm nicht weh!“ Sie eilte um den Esstisch herum und kniete sich neben ihn, ohne sich an der vergossenen Suppe auf dem Boden zu stören, die nun ihre Hose und Obi-Wans Kutte tränkte.
„Nimm das weg!“, schrie er. „Schneid es ab!“
Prie bedachte ihn mit einem missbilligenden Blick, ihre dunklen Brauen waren tief über ihren braunen Augen zusammengezogen. Das geflochtene Haar hatte sie nach hinten gebunden, nur der kleine Padawanzopf hing lose herab. Sie strich ihn hinters Ohr und beugte sich vornüber.
„Er ist noch sehr klein. Siehst du?“ Sie strich mit einer Hand über die langen Stacheln, mit denen der pulsierende Körper des Dämonenkalmars überzogen war. Das Geschöpf erzitterte, und dann sank es vor Obi-Wans verdutztem und erleichtertem Blick langsam in sich zusammen. Schließlich zog es seine Stacheln ein und löste die Tentakel vom Handgelenk des Padawans. Prie nahm den Kalmar von seiner stark geröteten, geschwollenen Haut ab und gurrte dem Tier zu. Es schloss seine Fangarme um ihr Handgelenk, aber diesmal war es eine sanfte, zutrauliche Berührung.
Obi-Wan stand auf, nass von der Suppe, die niemals ein lebendes Raubtier hätte enthalten dürfen. Im Rest des Padawan-Speisesaals waren keine Anzeichen weiterer Gefahr zu erkennen, aber das hieß nicht, dass sie sicher waren. „Wir sollten in der Küche nachsehen. Jemand muss den Kalmar in die Suppe geschmuggelt haben. Vielleicht ein Attentäter oder …“
Die gleiche Flüssigkeit, mit der Obi-Wan besudelt war, sprühte aus Bollas Mund und tropfte an seinem schuppigen, grünen Kinn hinab, als er ungestüm losprustete. Seine Fingerspitzen hielten noch immer seine eigene Schale voll dampfender – und offensichtlich kalmarfreier – Suppe.
„Autsch!“, machte Bolla. Er versuchte, sein Abendessen nicht zu verschütten, während er sich über den Mund wischte. „Die Gewürze in dieser Suppe tun auf meiner Haut weh!“
Obi-Wans Hände ballten sich zu Fäusten. Schmerzen zuckten durch sein gerötetes, pochendes Handgelenk. „Heiße Suppe tut auch dann weh, wenn man sie sich komplett drüberschüttet! Weil ein Dämonenkalmar darin gerade seine Giftstacheln ausfährt!“
„Du hättest dein Gesicht sehen sollen! Als der erste Tentakel auftauchte, hast du ihn angeguckt, als würde er zur Suppe gehören. Gib zu, du hast überlegt, ob du ihn einfach essen sollst! Das war noch viel lustiger, als ich dachte!“
„Ich sagte: Giftstacheln!“, stieß Obi-Wan in einem verzweifelten Versuch, seine Wut im Zaum zu halten, hervor.
Bolla war es inzwischen gelungen, seine Schale abzustellen, und er winkte abfällig mit seiner langfingrigen Hand. Seine Ohren zuckten noch immer vor Belustigung. „Dir wäre rein gar nichts passiert. Ich habe ein Gegengift in meiner …“ Er klopfte auf seinen Gürtel, dort, wo sich normalerweise seine Tasche befand, und er blinzelte einmal mit dem weißen Film über seinen blau schimmernden Augen. „Oh … nun, irgendwo habe ich jedenfalls das Gegengift. Dir konnte überhaupt nichts passieren.“
„Das sehe ich anders!“ Obi-Wan nahm eine Serviette vom Tisch. Zumindest waren sie allein im Speisesaal und er hatte sich nicht vor sämtlichen Padawanen zum Narren gemacht. Oder auch vor …
„Da bist du ja!“, sagte Qui-Gon Jinn, der Jedi-Ritter und Meister von Obi-Wan. Obi-Wan war sich nicht sicher, ob die Stimme amüsiert oder irritiert klang, weil er seinen Schüler in diesem besudelten Zustand vorfand.
Obi-Wans Gesicht wurde so rot wie seine verletzte Hand.
„Du könntest vorsichtiger sein“, tadelte Prie, wobei sie Obi-Wan anblickte, als wäre alles seine Schuld gewesen. „Es ist doch ein Junges! Du hättest ihm wehtun können!“
„Aber er … und was ist mit …“ Obi-Wan deutete auf Bolla. Jetzt, wo ein Jedi-Meister anwesend war, schlürfte der Junge ganz unschuldig seine Suppe, als wäre überhaupt nichts passiert.
Obi-Wan war sechzehn Jahre alt – kein Jüngling mehr, sondern ein Padawan in der Ausbildung. Trotzdem war der Wunsch, Bolla zu verpetzen, beinahe übermächtig. Und wenn er ihn schon nicht verriet, wollte er wenigstens erklären, warum er mit Suppe übergossen war und sein gerötetes Handgelenk rieb. Er wollte vor seinem Meister einen Teil seiner Würde wiederherstellen.
„Es sieht aus, als wärst du fertig mit dem Abendessen“, sagte Qui-Gon mit hochgezogener Augenbraue. „Oder vielleicht ist dein Abendessen eher fertig mit dir?“
Ja, es war eindeutig: Qui-Gon lachte innerlich, auch wenn er es nicht zeigte. Gerne hätte Obi-Wan die Sache ebenfalls mit einem Lachen abgetan, aber sein Herz raste, und er hatte sich noch nicht von dem Kampf erholt. Falls man es denn überhaupt so nennen konnte; denn der Dämonenkalmar war bei richtiger Behandlung ja offensichtlich so zahm, dass er sich inzwischen an Pries Hals schmiegte.
Sie flüsterte ihm weiter liebevollen Unsinn zu. „Wer ist ein kleiner Prachtkerl? Du! Ja, du! Wer ist ein süßer Dämonenkalmar?“
Obi-Wan wusste nicht, was ein süßer Dämonenkalmar war, aber der da war es ganz sicher nicht. Bolla hatte seine Schale vor den Mund gehoben, um seinen Gesichtsausdruck zu verstecken, aber Obi-Wan sah, dass seine Schultern vor kaum unterdrücktem Gelächter bebten.
Aber Zorn war der Pfad zur Dunklen Seite der Macht, und Obi-Wan würde diesen Weg nicht beschreiten … ganz gleich, wie sehr er Bolla seine eigene Suppe ins Gesicht kippen wollte.
Qui-Gon faltete unter seinen Ärmeln die Hände. Vielleicht spürte er Obi-Wans inneren Aufruhr, vielleicht hatte er auch einfach nur Mitleid mit ihm. In jedem Fall enthielt er sich eines weiteren Kommentars. „Ich wollte meditieren und dachte mir, du möchtest vielleicht mitkommen.“
Zu meditieren war im Moment das Letzte, was Obi-Wan wollte. Er war noch immer tropfnass und irgendwo zwischen Panik und Zorn gefangen. Aber gerade, weil er keine Lust darauf hatte, war es vermutlich eine gute Idee. Im Jedi-Orden war es mit vielen Dingen so; je weniger er etwas tun wollte, desto besser wirkte es sich für ihn aus.
Und er wollte besser werden. Mehr noch, er wollte der Beste werden: der beste Padawan, der beste Schüler, der beste Jedi. Das war er dem Orden schuldig.
„Können wir stattdessen mit dem Lichtschwert üben?“, fragte Obi-Wan hoffnungsvoll. Er war noch nicht lange Qui-Gons Lehrling, aber bislang hatte sein Meister ihm nur die grundlegendsten Kampfformen beigebracht. Obi-Wan beherrschte sie alle. Er war gut darin, und er war bereit, den nächsten Schritt zu machen. Außerdem ließen sich Wut und Frustration durch einen Übungskampf viel besser abbauen als durch Meditation. Meditation war immer schwerer als Bewegung, so paradox es auch klingen mochte.
„Mich beschäftigt etwas“, sagte Qui-Gon, ohne genauer zu erklären, was das war. „Wir werden meditieren.“
Obi-Wans Magen, der dank Bolla noch immer leer war, zog sich zusammen. War er selbst der Grund für Qui-Gons Sorgen? Es schien ihm, als würden sie den Großteil des Trainings mit Meditationen verbringen. Die anderen Padawane nahmen häufig an Missionen teil, um der Republik zu dienen und der Galaxis zu helfen. Oder, wie im Fall Bollas, um exotische Kreaturen zu finden, mit denen sie Obi-Wan foltern konnten.
War es Obi-Wans Schuld, dass er noch nicht so weit war? Dass Qui-Gon lieber hier auf Coruscant blieb und meditierte? Aber vielleicht wünschte Qui-Gon diesen Zustand gar nicht. Vielleicht hatte er nur Angst, dass sein Schüler noch nicht bereit war für die Risiken, die außerhalb des Tempels lauerten.
Obi-Wan versuchte, der beste Padawan zu sein. Er gab sich alle Mühe, aber es war einfach unmöglich, abzuschätzen, womit er den sanftmütigen, unerschütterlichen Qui-Gon Jinn beeindrucken konnte. Wie sollte er eine Prüfung bestehen, wenn er nicht einmal wusste, wie er überhaupt geprüft wurde?
Ohne sich von den anderen zu verabschieden – Prie war ohnehin mit ihrem neuen Haustier beschäftigt und Bolla tat immer noch so, als würde er nicht lachen – folgte Obi-Wan Qui-Gon aus dem Speisesaal der Padawane. Sie ließen die unteren Ebenen mit ihren weitläufigen Übungsräumen und den zahlreichen Unterkünften hinter sich und gingen nach oben zu den Gärten, die Qui-Gon so liebte. Obi-Wan gefiel es hier ebenfalls. Oder zumindest hatte es ihm früher gefallen, bevor dies der Schauplatz so vieler vermasselter Übungen geworden war. Jetzt rief selbst der frische Duft des Grüns Unbehagen in ihm wach.
In einer ruhigen Ecke des weitläufigen, üppigen Gartens, umgeben von grellorangen Blüten und dem Glucksen unsichtbaren Wassers, setzte Qui-Gon sich auf den Boden. Er überkreuzte seine Beine an den Knöcheln, legte die Hände auf die Knie und schloss die Augen. Sein Atem ging gleichmäßig. Ruhig. Zielstrebig.
Obi-Wan nahm ihm gegenüber Platz. Der steinige Boden in diesem Teil des Gartens fühlte sich ungemütlich an, und er konnte sich nicht entscheiden, welchen Knöchel er über den anderen schlagen sollte. Links über rechts schien ihm die beste Lösung, aber je länger er darüber nachdachte, desto unsicherer wurde er. Also wechselte er die Haltung … nur um es sich noch einmal anders zu überlegen. Und dann noch mal. Und noch mal. Er versuchte es mit den Händen auf den Knien, die Handflächen nach oben. Dann mit den Handflächen nach unten. Schließlich streckte er seinen Rücken durch und schloss die Augen. Doch er kniff die Lider fest zusammen, anstatt sie einfach zufallen zu lassen, „wie ein Blatt, das auf den Boden hinabsinkt“ – auf diese Weise hatte Qui-Gon es ihm einmal erklärt. Leider waren die Blätter in Obi-Wans Fall zerknüllt und zittrig.
Schließlich hatte er eine möglichst bequeme Position gefunden, aber jetzt wurde er sich seines Körpers nur umso bewusster. Seine Kutte war an mehreren Stellen noch immer nass von der inzwischen kalten Suppe. Sein Handgelenk pochte nicht mehr im Rhythmus seines Herzschlags, sondern brannte stattdessen vor dumpfem, gleichbleibenden Schmerz.
Aber das war eigentlich gut! Zu meditieren sollte ja harte Arbeit sein, nicht wahr? Wenn es zu einfach war, machte man es nicht richtig. Früher, als kleiner Jüngling, war es ihm viel leichter gefallen, aber da hatte er es noch nicht richtig verstanden. Nicht so wie jetzt.
Er wollte Qui-Gon fragen, ob das Meditieren eine Herausforderung sein sollte oder nicht, doch als er das Auge einen Spalt weit öffnete, sah er, dass sein Meister weit, weit entfernt war. Er hätte sogar schwören können, dass er einen Hauch von Luft zwischen Qui-Gon und dem Boden wahrnehmen konnte. Er klappte das Auge wieder zu, denn er wollte nicht beim Schummeln erwischt werden.
Meditation. Obi-Wan musste den Dreh dafür unbedingt herausfinden. Er war vor seinen Prüfungen nicht schlecht darin gewesen. Doch bevor Qui-Gon sein Lehrmeister geworden war, war die Meditation nur ein kleiner Teil seiner Ausbildung gewesen. Jetzt schien er praktisch nichts anderes mehr zu tun. Und seine anderen Fähigkeiten würden Obi-Wan nicht helfen, seine Defizite in dieser Disziplin aufzuwiegen. Vielleicht hasste er das Meditieren deswegen: weil es seine Schwächen offenbarte. Es gab nichts, womit er sich davon ablenken konnte; ihm blieb nur, sich dieser Schwäche zu stellen. Und das machte ihm eine Heidenangst.
Dann kam die Angst davor, Angst zu haben, denn Furcht führte ihn auf die Dunkle Seite. Das führte dazu, dass er noch verbissener versuchte, das Meditieren zu meistern. Und dies wiederum führte dazu, dass sein Puls schneller wurde und sein Handgelenk noch stärker brannte. Schon war jede Hoffnung auf inneren Frieden dahin. So würde es ihm sicher nicht gelingen, seinen Geist auszudehnen und die Macht zu berühren.
Aber er wusste, dass er es schaffen konnte. Dass er es schaffen musste. Er suchte nach der Macht, versuchte, danach zu greifen, und Mal um Mal schlüpfte sie ihm durch die Finger. Während sein Meister in perfekter Harmonie dasaß, wand Obi-Wan sich auf seinem Platz, unglücklich, suppendurchnässt und weit von jeder Form von Ruhe oder Frieden entfernt. Seine Magen krümmte sich in der wachsenden Gewissheit, dass er wirklich die Quelle von Qui-Gons Sorgen sein musste.
Als Padawan war er ein Versager …
2
Obi-Wans Augen flogen auf, als Qui-Gon die Stille brach.
„Möchtest du darüber sprechen?“, fragte der Meister. Sein Ton war sanft und unvoreingenommen, was Obi-Wans Stimmung nur noch weiter drückte. Eigentlich sollte Qui-Gon ihn doch tadeln, ihm eine Predigt halten! Er hätte es verdient.
Obi-Wans Körper war völlig verspannt, nachdem er so lange versucht hatte, still dazusitzen und nicht Qui-Gons Aufmerksamkeit zu erregen – was offensichtlich nicht geklappt hatte.
„Nein! Was?“ Seine Stimme war ein betretenes Keuchen. Es ließ ihn jünger klingen, und das hasste er. Also räusperte er sich und versuchte es noch einmal, diesmal um einen ruhigeren, gefassteren Tonfall bemüht. Er wollte klingen, als hätte er nicht die gesamte Meditation damit verbracht, sich von seinen Ängsten im Kreis umherscheuchen zu lassen, bis er sich ihnen völlig ausgeliefert fühlte.
„Ich weiß, ich bin nicht, was du dir erhofft hast“, sagte Qui-Gon.
Obi-Wan war ziemlich sicher, dass es genau andersherum war: Er selbst war nicht das, was Qui-Gon sich von einem Padawan erhofft hatte. Gab sein Meister sich tatsächlich selbst die Schuld dafür, dass Obi-Wan sich als so furchtbarer Schüler entpuppte? Jetzt empfand er nicht mehr nur Furcht, sondern obendrein auch noch Schuldgefühle. Ganz zu schweigen davon, dass sein Handgelenk immer noch schmerzte, seine Robe sich noch immer schmutzig und steif anfühlte und seine Beine nach dem langen Sitzen auf dem Steinboden eingeschlafen waren. Falls er jetzt aufstand, würde er vermutlich sofort umkippen.
Obi-Wan wusste, dass ein Jedi ganz in der Gegenwart leben sollte, aber er hätte alles getan, um diesem Moment gerade zu entfliehen. Oder besser noch, diesem gesamten Tag.
„Nein, Meister, ich …“
Qui-Gons Komlink piepste. Er zog es von seinem Gürtel und meldete sich. „Ja?“
Eine hohe, angenehme Stimme antwortete ihm. „Ich sollte Euch doch informieren, wenn er eintrifft.“
„Ja, danke.“ Qui-Gon stand auf und strich seine Robe glatt. Obi-Wan erhob sich ebenfalls, und wie er befürchtet hatte, wäre er um ein Haar hingefallen, weil das Blut erst wieder in seine Beine fließen musste.
„Wohin gehen wir?“
„Nein.“ Qui-Gon legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Nur ich. Warum versorgst du nicht deinen Arm? Und zieh eine neue Robe an.“
Obi-Wans Stolz tat noch mehr weh als sein Handgelenk. Er war versucht, Qui-Gon zu folgen, um zu sehen, wohin er gerufen wurde, aber das wäre ein unverzeihlicher Vertrauensbruch gewesen. Also schlurfte er auf sein Zimmer. Dort war es eng und spartanisch eingerichtet, aber auf einem Regal über seinem Bett befanden sich ein paar Schätze, die er im Lauf der Jahre gesammelt hatte. Ein Stein von Ilum. Eine Blume, die Siri ihm einst im Scherz hinters Ohr gesteckt hatte. Eine Muschel, die Prie ihm geschenkt hatte; vermutlich stammte sie von einer unvorstellbar schrecklichen Kreatur, von der sie besonders fasziniert war. Der Löffel aus ihren Einführungstagen, den Bolla aus irgendeinem Grund zu seinem liebsten Besitz erklärt hatte. Sie hatten ein Spiel daraus gemacht, ihn einander zu stibitzen, aber damit aufgehört, sobald sie keine Jünglinge mehr waren. Insofern hatte Obi-Wan wohl gewonnen.
Er schlüpfte aus seiner schmutzigen Kleidung und versuchte vergeblich, Bolla nicht im Stillen zu verfluchen. Anschließend wusch er sein Handgelenk und behandelte es mit einem kühlenden Gel. Alle Jünglinge und Padawane hatten kleine Medikästchen in ihren Zimmern, denn bei Lichtschwertübungen konnte man sich schnell leichte Verbrennungen zuziehen. Obi-Wan hatte das Gel schon seit langer Zeit nicht mehr benutzen müssen. Es beruhigte seine entzündete Haut in Sekundenschnelle.
Sein Handgelenk sah gar nicht so schlimm aus, aber die Stacheln des Kalmars hatten Spuren hinterlassen. Zum Glück war Prie zur Stelle gewesen. Ihr Meister arbeitete regelmäßig mit Tieren, er war dafür sogar in der gesamten Galaxis berühmt. Wenn es auf einem Planeten Probleme mit der einheimischen Fauna gab, dann bat man ihn um Hilfe. Prie war die perfekte Schülerin für ihn. Sie hatte ein intuitives Verständnis für Lebewesen und einen unstillbaren Wissensdurst.
Ja, alle seine Freunde passten gut zu ihren Meistern. Der von Siri nahm sie auf wichtige, aufregende Missionen mit. Ihr Freund Jape war ein absolutes Genie, was Astrophysik anging, weswegen er sich perfekt mit seinem eher akademisch veranlagten Lehrer ergänzte. Sogar Bolla, der sich als Jüngling oft schwergetan hatte, schien in seinen neuen Aufgaben als Padawan vollkommen aufzugehen. Er und sein Meister verbrachten einen Großteil ihrer Zeit mit Recherchen in den Archiven, und solange Bolla ein Holocron in der Hand hielt, war er wunschlos glücklich.
Sie alle wirkten so perfekt aufeinander abgestimmt. Nur Obi-Wan schien keinerlei Verbindung mit seinem Meister aufbauen zu können. Warum hatte Qui-Gon ihn überhaupt ausgewählt?
Obwohl er noch immer hungrig war, wollte Obi-Wan nicht in den Speisesaal zurückgehen; er hätte es nicht ertragen können, Bolla noch einmal über den Weg zu laufen. Oder schlimmer noch: Siri, die heute von ihrer letzten waghalsigen Mission zurückkehren sollte. Aber auch hier in seinem Zimmer würde ihn einer von ihnen früher oder später aufsuchen.
Also ging er dorthin, wo er immer hinging, wenn er niemanden sehen wollte. Rein technisch war der Zugang zum selten benutzten Bankettsaal nicht verboten, und er hatte diesen Umstand schon öfters ausgenutzt. Es war einer der wenigen Räume im Tempel, wo Obi-Wan wirklich allein sein konnte. Wie viele Stunden er schon hier verbracht hatte! Entweder, um mit seinem Lichtschwert zu üben (ohne dass die anderen Padawane ihn dabei beobachteten) oder um zu meditieren, in der Hoffnung, dass er vielleicht allein den Dreh rausbekommen und Qui-Gon dann mit seinen Fortschritten beeindrucken könnte.
Noch war ihm der große Durchbruch nicht gelungen, aber was nicht war, konnte ja noch werden. Er musste sich nur mehr anstrengen, härter an sich arbeiten, dann würde er irgendwann bestimmt Erfolg haben.
Obi-Wan stieg mehrere Treppen nach oben und folgte dann einem schmalen Versorgungsgang, der parallel zum großen Hauptkorridor verlief. Eine Unterhaltung hinter der Ecke eines Seitengangs ließ ihn überrascht innerhalten.
„Wusstet Ihr“, fragte jemand mit tiefer, autoritärer Stimme, „dass die Banketthalle einmal die Bibliothek war? Früher, als die Jedi sich noch für echtes Wissen interessiert haben.“
Obi-Wans Stirn kräuselte sich. Er konnte die Stimme nicht einordnen, aber dass jemand die Jedi in ihrem eigenen Tempel so offen kritisierte, war unerhört. Wer würde so etwas tun? Am liebsten wäre er um die Ecke gegangen und hätte nachgesehen, aber er wollte sich auch unbemerkt in die Banketthalle schleichen, und dieser Wunsch war stärker. Er wartete, bis sich das Geräusch der Schritte entfernt hatte, dann betrat er durch eine Seitentür den großen Raum.
Die Banketthalle erinnerte mit ihrer hochgewölbten, weißen Decke an eine Eishöhle. Vor vielen Jahrhunderten hatte man liebevoll Reliefs hineingemeißelt. Vermutlich zu der Zeit, als dies noch die Bibliothek gewesen war … sofern die mysteriöse Stimme recht hatte. Vielleicht war das auch der Grund, warum es Obi-Wan hier so gefiel. Da hing immer noch ein geheimes Versprechen in der Luft, ein lautloser Klang nach Wissen.
Er schritt über den nackten, gefliesten Boden, auf dem in detaillierten Mosaiken die Geschichte großer Jedi nacherzählt wurde: Vor langer Zeit schon waren sie eins mit der Macht geworden. An der hinteren Wand ragten Säulen empor, die sich wie Bäume unter der Decke verzweigten. Hier – wo er sich leicht verstecken konnte, falls jemand hereinkam, streckte Obi-Wan sich auf dem Boden aus.
Sterne blickten auf den einsamen Padawan herab, streng richtend und stumm. Obi-Wan fiel ein, dass ihr Urteil immer gleich ausfallen müsse, denn diese Sterne waren in die Decke hineingemeißelt. Er seufzte voll Sehnsucht. Was würde er nicht geben, um bei diesen Sternen zu sein! Den echten Sternen, nicht diesen über ihm.
Andererseits … was würde er darum geben, selbst in Stein gemeißelt zu sein? Sodass sein Weg in der Macht bereits festgelegt wäre. Wenn er etwas hätte, praktisch eine Karte seines Lebens, die er studieren und benutzen könnte, um seinen Pfad zu finden? Dass er immer wüsste, was er tun sollte, und, wichtiger noch, dass er es tun konnte? Dann würde er nie wieder jemanden enttäuschen.
Vor seinem geistigen Auge sah er erneut Meister Qui-Gons besorgten Blick, und jetzt konnte er nicht mehr still liegen bleiben. Sein Plan, das Meditieren zu üben, fiel in sich zusammen wie der Dämonenkalmar. Stattdessen stand er auf und ging vor den Säulen auf und ab. Seine Augen waren auf die Muster der Sterne über ihm gerichtet.
Vor vielen Zeitaltern hatte sich jemand die Zeit genommen, um genau diese Sternbilder in die Decke zu meißeln. Nichts, was die Jedi taten, war je willkürlich oder unbedacht. Das machte Obi-Wan neugierig, und nicht nur, weil es ihm eine Ausrede verschaffte, sich vor dem Meditieren zu drücken. Oder zumindest nicht nur deswegen.
Warum diese Sterne? Warum hier? Das konnte kein Zufall sein. Obi-Wan folgte dem Verlauf des Reliefs und suchte nach vertrauten Details. Aber sein Weg endete an einer der kleineren Säulen. Wie einige andere auch war sie während des Umbaus hinzugefügt worden, um die erhöhte Plattform zu stützen. Sie bot den Platz, wo bei förmlichen Anlässen der Hohe Rat saß.
Die Säule war also nicht Teil des ursprünglichen Saals gewesen. Es gab eine schmale Lücke zwischen der Säule und der Wand, und Obi-Wan war beweglich genug (das Wort war ihm lieber als die Beschreibungen, die die anderen benutzten: drahtig, schlaksig, dürr wie ein Wookiee-Haar), um sich mit eingezogenem Bauch hindurchzuzwängen.
Auf der anderen Seite der Säule empfing ihn Dunkelheit. Er musste niesen. Dunkelheit und Staub. Damit hatte er nicht gerechnet. Jeder Quadratzentimeter des Tempels war auf Hochglanz poliert. Wie viel Zeit war wohl vergangen, seit jemand daran gedacht hatte, in dieser schmalen Lücke hinter der angebauten Plattform zu fegen?
Obi-Wan verfolgte die Reihen der Sterne an der Decke, dann blieb er stehen, seinen Finger auf etwas Neues gerichtet, hoch droben an der Wand. Einen Planeten.
Seltsam, dass der Künstler zahllose Sterne, aber nur einen einzigen Planeten in den Stein gehauen hatte. Und es war ein Planet, daran bestand kein Zweifel. Er war groß und rund, hatte keine Strahlen wie die Sterne, und er war von kleinen Kreisen umringt. Aber welchen Planeten sollte das darstellen, und warum hatte ausgerechnet er einen Platz an der Wand verdient? Oder gab es vielleicht noch andere Welten, die er übersehen hatte?
Noch seltsamer war aber, dass unterhalb dieses Planeten zwei Namen im Stein prangten: Orla Jareni und Cohmac Vitus. Obi-Wan hatte sie noch nie gehört, aber die ungelenk wirkenden Schriftzeichen und ihre Platzierung führten ihn zu der Annahme, dass die Namen nicht das Werk des ursprünglichen Künstlers waren. Wer immer Orla und Cohmac auch sein mochten, sie hatten sich hierhergeschlichen und ihre Namen in die Tempelwand geritzt.
Obi-Wan war gleichermaßen empört, den Tempel so verschandelt zu wissen, und neidisch, denn die beiden hatten sich hier im wahrsten Sinne des Wortes verewigt. Wer waren sie wohl gewesen?
Er ging zurück, quetschte sich durch die Lücke und spürte unter seiner schlichten Jedi-Kutte, wie die Wand gegen seine Hüfte schabte. Obi-Wan hatte nicht viele Ersatzkutten, und eine war schon verschmutzt. Er musste vorsichtiger sein. Orla und Cohmac … Die Neugier brannte in ihm. Er wollte wissen, wer sie gewesen waren, warum sie ihre Namen unter dem Planeten in den Stein geritzt hatten. Und er war sicher, dass er es herausfinden konnte.
Hastigen Schrittes marschierte er zu den Archiven. Die Entdeckung kam ihm wie ein Rätsel vor, neu und aufregend. Außerdem war hier ein perfekter Vorwand, um die anderen Padawane zu meiden und nicht länger darüber nachzudenken, was für eine Enttäuschung er für Qui-Gon Jinn sein musste.
Als er sein Ziel erreicht hatte, folgte er der Außenwand des gewaltigen Raumes. Er hoffte, dass Jocasta Nu und die anderen Bibliothekare ihn nicht bemerkten. Sie würden ihm sicher bereitwillig ihre Hilfe anbieten, aber er wollte es allein schaffen. Und erst recht wollte er Bolla nicht über den Weg laufen.
Zum Glück konnte er den Padawan nirgends entdecken, und die meisten Bibliothekare wurden gerade von einer Gruppe Jünglinge auf Trab gehalten. Die Kinder sahen fasziniert zu, während Jocasta Nu ihnen erklärte, wie das Labyrinth der Regale organisiert war. Obi-Wan beneidete sie um ihr naives Staunen. Als er in ihrem Alter gewesen war, wirkte alles noch einfach. Jocasta hielt ein Holocron in die Höhe. Darauf war das Umfeld des Planeten Ilum zu sehen, des Eisplaneten mit den berühmten Kyberhöhlen.
Es war einer der wenigen Planeten, die Obi-Wan persönlich besucht hatte, und auch das nur, um dort den Kyberkristall für sein Lichtschwert zu finden.
Seine Hand fuhr an den Schwertgriff an seiner Seite. Die Prüfung auf Ilum war schwer gewesen, sogar noch schwerer als die Prüfung am Ende seiner Jünglingstage. Die Höhlen hatten ihm Dinge offenbart, ihm grausige Worte ins Ohr geflüstert … Er schüttelte sich: Sein Körper reagierte, um die Furcht und das Unbehagen zu verscheuchen, die er seit jenem Tag mit sich herumtrug. Eigentlich sollte er diese Emotionen hinter sich lassen, schließlich hatte er den Kristall gefunden und sein Schwert zusammengesetzt. Er hatte die Prüfung bestanden! Und wie stolz war er gewesen, als er schließlich seine blau glühende Waffe in der Hand gehalten hatte. Er war sich so sicher, dass er seinen Platz unter den Jedi gefunden hatte, und so überzeugt von der Unerschütterlichkeit seiner Verbindung mit der Macht und seiner strahlenden Zukunft in der Galaxis.
Aber was war mit dieser Verbindung geschehen? Wohin war diese Überzeugung verschwunden? Warum fühlte er sich jetzt, wo er endlich ein Padawan war, so viel kleiner und verlorener als je zuvor?
Orla Jareni. Mit angehaltenem Atem gab er ihren Namen in ein Terminal ein. Die Suche ergab ein Ergebnis. Und was für ein Ergebnis. Sie war eine Jedi gewesen.
Er überflog die Informationen über ihre diversen Missionen, ihre Aufgaben und ihren Einsatz während der Großen Hyperraumkatastrophe. Besonders faszinierte ihn, dass sie den Pfad einer Wegsuchenden gewählt hatte.
Gab es so etwas wie Wegsuchende noch im Jedi-Orden? Obi-Wan glaubte nicht, dass das heutzutage noch möglich war. Dass ein Jedi seinem eigenen Weg folgte, ganz ohne Aufsicht oder offizielle Missionen, erschien Obi-Wan wie ein Affront gegen den Rat. Aber gäbe es heute noch Wegsuchende, wäre Qui-Gon Jinn vermutlich einer von ihnen.
Da waren mehr Informationen, als er auf die Schnelle in sich aufnehmen konnte. Die Suche nach Cohmac war ebenso kurz und lehrreich, aber er kehrte schon bald wieder zu Orla zurück. Er fühlte sich auf seltsame Weise mit ihr verbunden, mit dieser Jedi, die so lange vor ihm gelebt hatte. Er vermutete, dass sie ihren Namen als Jüngling oder Padawan in die Wand geritzt hatte, und er fragte sich, ob sie wohl ebenfalls Probleme gehabt hatte, ihren Platz zu finden. Ob sie sich wohl auch gewünscht hatte, ihr Schicksal wäre in Stein gemeißelt?
Eine Anmerkung in der Akte war als Prioritätsinformation gekennzeichnet. Obi-Wan überflog die Metadaten und stellte fest, dass seit Ewigkeiten niemand mehr diese Datei aufgerufen hatte. Genauer gesagt, nicht mehr, seit sie angelegt worden war. Vielleicht lag es an dem Chaos und den Unruhen, die der Großen Hyperraumkatastrophe gefolgt waren.
Obi-Wan tippte den Verweis an und entdeckte Kursangaben, die zu einem Planeten führten. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Er rief eine Sternenkarte auf und stellte fest, dass sich die Koordinaten in den entlegensten Winkeln des Äußeren Randes befanden. Der mysteriöse Planet hatte keinen Namen und nicht mal eine Kennziffer. Das bedeutete, dass es in den Archiven auch keine offizielle Datei darüber gab. Obi-Wan kehrte zu Orlas Fluginformationen zurück, und ihm fiel auf, wie schwierig der Anflug war. Man musste ein verdammt guter Pilot sein, um sicher durch diesen Teil des Alls zu gelangen.
Nun wandte er sich dem Rest des Textes zu.
Orla Jareni hatte den Planeten als Ort von potenziellem Interesse vermerkt und den Rat darüber informiert, dass sie dorthinreisen wollte. Das war alles. Keine weiteren Angaben darüber, ob sie ihr Ziel je erreicht oder was sie dort gefunden hatte.
Eine Wegsuchende aus der alten Zeit hatte also vermutet, dass diese Welt etwas Wichtiges barg, und seitdem hatte niemand mehr Nachforschungen angestellt? Das war einen genaueren Blick wert. Und vor allem war es genau die Art von ungelösten Rätseln, die Meister Qui-Gon aus dem Tempel locken könnte. Er war fasziniert von den Jedi vergangener Zeiten und den Aufzeichnungen, die sie hinterlassen hatten. Oder – wie in diesem Fall – dem Fehlen von Aufzeichnungen, da niemand sich je wieder mit der Sache beschäftigt zu haben schien.
Falls Obi-Wan die Sache richtig anfing, hätte er ausnahmsweise vielleicht mal eine spannende Geschichte, die er den anderen Padawanen erzählen konnte. Eine, die sich nicht um den Kampf mit einem Dämonenkalmar am Esstisch drehte, sondern um eine Expedition weit draußen in der Galaxis. Um eine wichtige, eine sinnvolle Mission. Von denen hatte er bislang noch nicht viele bestritten.
Ein dunkler Anflug von Furcht stieg in Obi-Wan hoch und wisperte ihm zu, dass er sich in Wirklichkeit aus einem anderen Grund für diese Sache interessierte. Er wollte endlich das Gefühl haben, dass er seinen Platz in den Reihen des Ordens verdient hatte. Dass er der Ausbildung durch einen so erhabenen Jedi-Ritter würdig war. Deswegen wollte er dort hinausfliegen und etwas leisten.
Vielleicht ging es ihm auch so wie Orla und Cohmac. Vielleicht wollte er etwas Bleibendes hinterlassen, hier in diesem Tempel, der ihn selbst so geprägt hatte. Aber ganz gleich, was ihn antrieb, er war entschlossen, dem Rätsel auf den Grund zu gehen.
Wann war ein Leuchtfeuer kein richtiges Leuchtfeuer?
Dann, wenn es eine Boje war, die im All umhertrieb und die Umgebung nach Bewegungen absuchte, weithin sichtbar und doch verborgen, hoffend auf einen, der sie mitnähme.
Die Bojen leuchteten wie kleine Sterne auf einem Bildschirm, Punkte verzweifelter Hoffnung und langen Wartens, die in die Dunkelheit starrten. Stecknadelkopfgroße Stellvertreter der hilflosen Qualen, an denen er nun schon seit Jahren litt.
Sein Geldgeber verlangte Ergebnisse und drohte, ihm die Finanzierung zu streichen. Aber was kümmerten ihn solche Drohungen? Er hatte bereits alles verloren, was man ihm nehmen konnte. Dinge, die unendlich viel wichtiger waren als Kredite.
Falls er seinen Geldgeber verlor, würde er etwas anderes finden. Und danach noch etwas, wenn es sein musste. Und immer so weiter, bis er sein Ziel erreichte.
Das Ziel war das Einzige, was zählte. Das, was er hatte zurücklassen müssen. Dorthin zu gehen.
Er seufzte, korrigierte die Einstellungen der neuesten Boje und steuerte sie durch einen endlosen Bereich leerer Weltraumschwärze. Aber er wusste, irgendwo dort draußen war ein unschätzbar wertvolles, blau glühendes Juwel. Und irgendwo dort draußen war auch jemand, der wusste, wie man dorthin gelangte. Wenn er diesen Jemand erst gefunden hatte, würde er sich ihm nicht lange verweigern können.
Er musste nur dazu bereit sein.
„Sie trafen sich zwischen den Sternen, sie hofften auf Freude und Glück“, sang er vor sich hin, und er ließ sich von seinem Zukunftstraum durch die Finsternis tragen.
3
Obi-Wan ging vor Qui-Gons Jinn Quartier auf und ab, während er sich seine Worte zurechtlegte. Qui-Gon hatte heute Abend eine Besprechung mit dem Rat, was bedeutete, dass er später nachdenklich und abgelenkt sein würde. Obi-Wan konnte seinen Meister noch nicht wirklich verstehen, aber er hatte ein Talent dafür, Muster zu erkennen (deswegen beherrschte er seine Lichtschwert-Kampfschritte auch so gut), und dies war eines von Qui-Gons voraussehbarsten Mustern.
Er musste seinen Vorschlag also unterbreiten, bevor sein Meister zu der Besprechung ging. Die Chancen, dass er ihn danach noch für die Sache begeistern konnte, standen schlecht; da war es wahrscheinlicher, dass Qui-Gon ihnen beiden eine Woche stiller Meditation verordnen würde. Ja, er würde das Zwiegespräch mit der Macht suchen, und Obi-Wan würde versuchen, dasselbe zu tun … und erbärmlich daran scheitern.
Manchmal versank Qui-Gon so tief in seiner Meditation, dass er kaum noch zu atmen schien. Obi-Wan hingegen? Das letzte Mal, als er versuchte hatte, so lange wie Qui-Gon zu meditieren, war er eingeschlafen und hatte einen schrecklichen Albtraum gehabt, in dem er allein und unbewaffnet war, unfähig, auf die Macht zuzugreifen, während grässliche Monster Jagd auf ihn machten, um ihn zu fressen.
Qui-Gons Tür öffnete sich. „Oh, hallo“, sagte er in überraschtem Ton. Kein Wunder: Obi-Wan war mitten in der Bewegung erstarrt, als wäre er bei etwas Verbotenem erwischt worden.
„Meister! Ich … habe etwas entdeckt. Wisst Ihr, wer Orla Jareni war?“ Er war dabei, alles zu vermasseln. Die sorgsam zurechtgelegten Worte waren mit einem Mal vergessen.
Doch zu seiner Überraschung wurde Qui-Gons abwesender, besorgter Blick klar. „Orla Jareni? Woher hast du?“
Obi-Wan versuchte, dieselbe ruhige Konzentration an den Tag zu legen, die seinen Meister auszeichnete. Er wollte Zuversicht und Gelassenheit ausstrahlen – das exakte Gegenteil seiner eigentlichen Gefühle. „Etwas hat mich zu ihr geführt.“
Das war nicht wirklich eine Lüge. Obi-Wan hätte Qui-Gon nie direkt anlügen können. Er war lediglich ein wenig kreativ mit der Wahrheit. Er wusste, wie sehr sein Meister von den spirituellen Facetten der Macht fasziniert war, sich auf ihre Führung verließ. Obi-Wan fehlte dieses Vertrauen – und er war auch nicht sicher, inwiefern die Macht ihm vertraute –, aber in dieser Situation hielt er es für vertretbar, an Qui-Gons Interessen zu appellieren.
„Ich habe meditiert.“ Das war nun wirklich gelogen. Qui-Gon zog skeptisch eine Augenbraue hoch, also sprach Obi-Wan hastig weiter. „Im großen Bankettsaal.“
„Wieso dort?“
„Es … fühlte sich richtig an.“ Der Saal war der richtige Ort, wenn man allein sein wollte. Das machte ihn zum richtigen Ort für Obi-Wan. „Etwas lenkte meine Aufmerksamkeit zu dem Relief an der Decke. Wusstet Ihr, dass sich dort früher die Bibliothek befand?“
Qui-Gon nickte. Natürlich wusste er es. Trotzdem war Obi-Wan ein wenig enttäuscht, dass er seinen Meister nicht mit dieser Information beeindrucken konnte.
„Nun, die Steingravuren sahen aus wie eine Sternenkarte, und ich hatte das Gefühl, dass ich den Sternen folgen sollte.“ Dieser Teil war nicht gelogen. „Hinter dem neuen Anbau für die Ratsplattform entdeckte ich einen Planeten. Die Sterne führen zu ihm hin. Und darunter sind zwei Namen in die Wand geritzt. Einer von ihnen lautet Orla Jareni. Also habe ich in den Archiven nach ihr gesucht. Sie hat den Planeten in der Datenbank markiert und einen komplizierten Pfad dorthin abgespeichert. Niemand hat seitdem weitere Nachforschungen angestellt. Ich weiß also nicht, ob Orla es dorthin geschafft hat. Die Geschichte dieser Wegsuchenden endete abrupt, und niemand sonst scheint von ihrem namenlosen Planeten zu wissen.“
„Sie war eine Wegsuchende?“ Wie erwartet leuchteten Qui-Gons Augen vor Neugier auf. „Und in den Archiven steht nicht, ob sie dorthin gereist ist?“
„In den Aufzeichnungen steht nichts weiter. Ich hatte den Eindruck, dass niemand ihren Eintrag über den Planeten auch nur bemerkt hat.“
Obi-Wan folgte seinem Meister in dessen Quartier, und Qui-Gon setzte sich auf das schlichte, graue Kissen, das er anstelle einer bequemeren Sitzgelegenheit benutzte. Für Besucher gab es keine zusätzlichen Möbel, weswegen Obi-Wan sich immer ein wenig wie ein Eindringling fühlte, wenn er hier war. So, als gäbe es in Qui-Gons Leben buchstäblich keinen Platz für ihn. Er wusste, dass Siris Meister in seinem Quartier einen Tisch mit zwei Stühlen hatte, und dass sie dort oft gemeinsam aßen. Und Pries Meister hatte ihr ein Zimmer direkt neben dem seinen zugewiesen, um ihr den Weg zu verkürzen, wenn sie gemeinsam Texte studierten.
„Interessant“, murmelte Qui-Gon. „Vielleicht bist du auf Informationen gestoßen, die über Generationen hinweg keinem anderen Jedi bekannt waren. Ich glaube daher, dass die Macht dich dorthin geleitet hat.“
Es kostete Obi-Wan große Mühe, seine Emotionen unter Kontrolle zu halten und Qui-Gon nicht zu zeigen, wie stolz er gerade war. „Interessant“, wiederholte er mit einem Nicken. „Ich weiß, dass es mir als Padawan nicht zusteht, Missionen vorzuschlagen, aber vielleicht sollten wir dem Pfad folgen, auf den die Macht mich geführt hat. Finden wir heraus, warum dieser namenlose Planet Orla der Wegsuchenden so wichtig war.“
Bitte, dachte er. Bitte, bitte, sagt Ja.
Es war falsch, sich diese Sache zu wünschen. Falsch, dass er Qui-Gon manipulierte, um sich seine Zustimmung zu sichern. Obi-Wan sollte auf das vertrauen, was die Macht wollte, und dankbar sein, ganz gleich, welchen Pfad sie ihm aufzeigte. Er sollte geduldig sein und darauf bauen, dass ihm sein Meister zu gegebener Zeit alles vermitteln würde, was er brauchte.
Aber Obi-Wan wollte endlich ein Jedi-Ritter werden. Er wollte in die Galaxis hinausziehen und ein Diener des Guten, der Ordnung und des Lichts sein. Und wie sollte er diesem Ziel näherkommen, wenn er die ganze Zeit hier im Tempel saß?
Sicher, er beherrschte die grundlegenden Kampfformen mit dem Lichtschwert im Schlaf und er konnte die Macht einsetzen, um Dinge zu verschieben und um zu springen. Seine körperlichen Fähigkeiten waren mehr als passabel. Nur wurde er das Gefühl nicht los, dass ihm mental das Zeug zum Jedi-Ritter fehlte. Diese ständige Sorge erfüllte ihn gleichermaßen mit Gewissensbissen und mit Furcht. Es war ein schrecklicher Kreislauf, aus dem er einfach nicht ausbrechen konnte, und er war sicher, dass er sich dadurch selbst im Weg stand, sowohl bei seiner Verbindung mit der Macht als auch bei seinen eigenen Möglichkeiten.
Vielleicht, wenn er den Tempel verließ und zu einer richtigen Jedi-Mission in den Sternen aufbrach, dann könnte er die führende Hand der Macht wohl eher spüren. Vielleicht hätte er dann endlich das Gefühl, dass er es verdiente, ein Padawan zu sein.
Obi-Wans Herz platzte fast vor Freude und Erleichterung – und ein wenig schlechtes Gewissen war auch dabei –, als ihm sein Meister stolz zulächelte. Es war nicht so, dass Qui-Gon distanziert oder ungeduldig war; falls überhaupt, war er eher zu geduldig. Er schien felsenfest davon überzeugt, dass sein Schüler früher oder später ein Jedi-Ritter werden würde. Obi-Wan hingegen konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, einmal dort zu sein, wo Qui-Gon jetzt war.
Sein Meister erhob sich. „Mach einen Flugplan und fordere ein Schiff an. Ein T-5-Shuttle sollte reichen. Und denk daran …“ Ein Schatten der Sorge huschte über Qui-Gons Gesicht, und er zögerte. „Denk immer daran: In der Macht können kleine Dinge genauso wichtig sein wie große.“
Obi-Wan war sich nicht sicher, was diese Warnung zu bedeuten hatte. Normalerweise würde er sich darüber den Kopf zerbrechen, aber zum Glück waren seine Gedanken gerade anderweitig beschäftigt. Er würde Coruscant verlassen, auf einer Mission, die er selbst angestoßen hatte! Er fühlte sich so beschwingt, dass er am liebsten Rückwärtssaltos von den Spitzen der vier Tempeltürme gemacht hätte … aber das wäre natürlich ein Sakrileg gewesen und eine Verschwendung der Fähigkeiten, die die Macht ihm geschenkt hatte, obendrein.
Qui-Gon seufzte, und die Sorgenfalten zogen seine grau melierten Brauen zusammen. „Ich muss jetzt zum Rat.“
„Werdet Ihr ihnen von unserer Mission erzählen?“ Erst jetzt kam Obi-Wan der Gedanke, dass sie eine Erlaubnis brauchten. Was, wenn Meister Yoda in seiner grenzenlosen Weisheit erkannte, dass die Macht nicht das Geringste mit Obi-Wans Entdeckung zu tun hatte? Oder, falls einer der anderen Meister Qui-Gon informierte, dass der rätselhafte Planet schon Jahrhunderte zuvor erforscht und für unbedeutend erklärt worden war? Dass er für die Macht und die Galaxis irrelevant war?
Seine Kehle schnürte sich zusammen. Beide Möglichkeiten würden beweisen, dass Obi-Wans Instinkt falsch gewesen war. Er konnte nicht behaupten, dass ihn die Macht auf Orla Jareni und den rätselhaften Planeten gestoßen hatte – es war seine Neugier gewesen. Trotzdem wollte er diesem Mysterium unbedingt auf den Grund gehen.
Die Falten auf Qui-Gons Stirn wurden noch tiefer, und Obi-Wan hielt den Atem an. Doch zu seiner Überraschung sagte Qui-Gon: „Der Rat muss nicht alles wissen, auch wenn er vielleicht annimmt, dass er alles weiß.“
Anstelle von Erleichterung empfand Obi-Wan ein nervöses Kribbeln, als er solche rebellischen Worte aus dem Mund seines Meisters hörte. Sein erster Impuls war, Qui-Gon zur Vorsicht anzuhalten, ihn vielleicht sogar zu tadeln, aber er schluckte die Worte, die ihm auf der Zunge lagen, hinunter. Es stand ihm nicht zu, Qui-Gon zu sagen, wie er sich dem Jedi-Rat gegenüber zu verhalten hatte. Außerdem wollte er Qui-Gon nicht erzürnen. Nichts durfte seine Mission in die Weiten des Alls gefährden. Er brauchte diese Mission auf eine Weise, die er sich selbst nicht ganz erklären konnte, und erst recht nicht seinem Meister.
Obi-Wan verabschiedete sich mit einer Verbeugung, dann eilte er zum Hangar, wo er für den nächsten Morgen ein Shuttle reservierte und Ausrüstung und Vorräte bestellte. Es war erstaunlich, wie viele Wesen nötig waren, um dafür zu sorgen, dass im Tempel und im Orden alles reibungslos lief. Ein Beweis dafür, wie wichtig die Jedi für die Galaxis waren. Und Obi-Wan wollte sich all dieser Mühen und all dieser Arbeit als würdig erweisen.
Er war gerade auf dem Rückweg zu Qui-Gons Quartier und nickte im Vorbeigehen ein paar bekannten Gesichtern zu, als er Bolla auf sich zukommen sah. Hastig duckte er sich in einen Seitengang, wo er den Rücken gegen die Wand presste und wartete, bis der andere Padawan vorbeigegangen war; er wollte nicht mit ihm sprechen. Da hörte er plötzlich einen kurzen Aufschrei.
„Vorsichtig, junger Padawan“, sagte ein Mann mit tiefer Stimme – derselben Stimme, die vor ein paar Stunden erklärt hatte, dass der Bankettsaal einst die Bibliothek gewesen war.
„Verzeiht, Meister … Count … Sir“, stammelte Bolla. Offenbar war er mit dem älteren Mann zusammengestoßen.
Jetzt wünschte Obi-Wan sich beinahe, er hätte sich nicht versteckt; nur zu gern hätte er gesehen, wie Bolla sich zum Narren machte. Er linste um die Ecke und sah gerade noch eine hochgewachsene Gestalt im schwarzen Umhang und elegantem, silbernen Haar, bevor sie durch eine Tür verschwand.
Wer immer der Mann war, er schien sich mit der Geschichte des Tempels auszukennen. Vielleicht war es ein Senator. Politiker waren zwar kein alltäglicher Anblick im Tempel, aber sie besuchten die Jedi dennoch regelmäßig. Da Qui-Gon sich nicht für Politik interessierte, hatte Obi-Wan noch nie Kontakt mit einem dieser Besucher gehabt.
Um die Wahrheit zu sagen, hatte er kaum je mit etwas Kontakt gehabt. Manchmal wunderte er sich, warum Qui-Gon überhaupt einen Schüler genommen hatte. Es war nicht so, dass alle Jedi-Ritter einen Padawan ausbilden mussten. Wenn sie einen auswählten, dann, weil die Macht sie zu diesem Entschluss geführt hatte. Was aber hatte Qui-Gon wohl zu Obi-Wan geführt? Seine Freunde und deren Meister schienen jedenfalls alle wie füreinander geschaffen. Sie teilten gleiche Interessen und ergänzten sich. Im Vergleich dazu schienen er und Qui-Gon fast nichts gemein zu haben.
Qui-Gon war ein Jedi-Ritter, und Obi-Wan wusste, dass er nicht an ihm zweifeln sollte, aber er hatte einfach nicht das Gefühl, dass er gefordert wurde. Er hatte kaum etwas Neues gelernt, seit er ein Padawan geworden war.
Das Einzige, worauf Qui-Gon Wert zu legen schien, war das Meditieren. Aber es gab zahllose Wege zum Ritterstand, die nur wenig mit Geistesübungen zu tun hatten. Warum hatte der Jedi, der die Meditation mehr als alle anderen liebte, ausgerechnet Obi-Wan zu seinem Schüler gewählt?
Und das war ein weiterer Vorteil ihrer Mission: Das Shuttle war zu klein, als dass zwei Personen bequem an Bord meditieren konnten. Und Obi-Wan würde darauf bestehen, dass sie den Systemen des Schiffs nicht blind vertrauen könnten und einer von ihnen – nämlich er selbst – den Kurs im Auge behalten müsse.
Zurück in seinem Zimmer, packte er leise alles Nötige zusammen. Er überlegte kurz, ob er auch Qui-Gons Sachen herauslegen sollte. Aber sein Meister hatte ihn nicht darum gebeten, und er wollte nicht übereifrig wirken, indem er einfach so die Initiative ergriff. Außerdem war es nicht so, als müssten die beiden lange packen. Jedi hatten nur wenige persönliche Besitztümer. Obi-Wan für seinen Teil nahm nur das Lichtschwert und eine Ersatzrobe mit – die letzte saubere, die er nach dem Zwischenfall mit der Suppe noch hatte. Wenigstens war es die mit den zusätzlichen Taschen am Gürtel. Das könnte sich vielleicht als nützlich erweisen.
Nachdem alle Vorbereitungen getroffen waren, fiel Obi-Wan auf, dass er noch immer nicht gegessen hatte, und er beschloss, den Padawan-Speisesaal aufzusuchen. Auf dem Korridor mochte er Bolla aus dem Weg gegangen sein, aber er sah keinen Grund, sich vor dem Abendessen zu drücken. Im Gegenteil, er freute sich darauf, seine Freunde zu sehen und sich ausnahmsweise mal nicht ausgeschlossen zu fühlen. Denn jetzt brach endlich auch er zu einer Mission auf! Nicht einmal Bolla und hundert Dämonenkalmare hätten seine Vorfreude dämpfen können.
4
Fröhlich betrat Obi-Wan den Speisesaal der Padawane. Wenn Jedi-Schüler nicht gerade irgendwelchen Aufgaben nachgingen, fand man sie meistens beim Essen. Und tatsächlich, an einem Tisch entdeckte er Bolla, Prie und einige andere Padawane, die er bereits sein ganzes Leben lang kannte und mit denen er schon oft trainiert hatte. Doch anstatt zu essen, lauschten sie alle gebannt Siri Tachi.
Obi-Wan hatte Mühe, sich ein Lächeln zu verkneifen, als er sich neben Prie setzte.
„Oh, du bist auch da“, sagte Siri, und ihr Gesichtsausdruck verwandelte sich in ein besorgtes Stirnrunzeln.
„Da freut sich aber jemand, mich zu sehen“, kommentierte Obi-Wan mit einem Lachen.
„Hast du mit Meister Qui-Gon gesprochen?“, fragte sie.
„Warum, hat er unsere Mission abgesagt?“ Dann wären all seine Hoffnungen zerschellt, so wie die Eisblöcke, die sie einmal heimlich vom Dach des Tempels geworfen hatten. Sie zerbarsten in der ewigen Dunkelheit der unteren Ebenen von Coruscant.
„Was? Welche Mission?“
„Wir haben eine Mission! Die Suche nach … Aber warte mal! Wovon redest du denn?“
Prie wand sich unbehaglich auf ihrem Stuhl. Von ihrem neuen Haustier fehlte jede Spur – sehr zu Obi-Wans Erleichterung. „Er hat sich wieder mit dem Rat gestritten“, sagte sie. „Mein Meister hat mir davon erzählt.“
„Schon wieder?“, fragte Obi-Wan. Das war nicht gut. Zum einen, weil er nicht wollte, dass Qui-Gon Streit mit dem Rat hatte, und zum anderen, weil es seine Stimmung während ihrer Mission beeinträchtigen konnte.
„Ich hörte, er will sich den Verlorenen anschließen“, fügte Bolla mit zuckenden Fühlern an.
„Will er nicht!“ Obi-Wan wünschte, sie wären im Trainingsraum. Dort könnte er die Woge des Zorns, die in ihm hochkochte, wenigstens durch ein paar Übungen abbauen.