Starfire - Imperium - Spencer Ellsworth - E-Book

Starfire - Imperium E-Book

Spencer Ellsworth

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Beschreibung

Raumschiff-Navigatorin Jaqi schlägt sich mehr schlecht als recht durchs Leben. Halb Jorianerin, halb Mensch, gilt sie im Roten Imperium als Bürger zweiter Klasse. An den Grenzen des Sternenreiches akzeptiert sie so gut wie jeden Auftrag, der ihr angeboten wird. Legal, illegal – Hauptsache die Kohle stimmt. Als Jaqi eines Tages in den Besitz wertvoller Informationen kommt, ist nichts mehr wie es vorher war. Denn sowohl die kaiserlichen Truppen als auch der Anführer der Revolutionsbewegung sind hinter diesen Informationen her – und plötzlich liegt das Schicksal des gesamten Sternenreiches in Jaqis Händen ...

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Seitenzahl: 291

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DASBUCH,

Mit eiserner Hand herrschen die Menschen über ein gewaltiges Sternenreich, das Rote Imperium. Andere Spezies werden gnadenlos unterdrückt. So auch die Nachkommen des längst verschwundenen Volkes der Jorier, die so genannten Hybriden, die den Menschen als Kampfmaschinen dienen müssen. Als die Hybriden unter ihrem Anführer Jon Starfire jedoch eine Rebellion gegen die Menschen anzetteln, überschlagen sich mit einem Mal die Ereignisse. Als die junge Hybride Jaqi, die sich als Raumschiffnavigatorin durchs Leben schlägt, plötzlich in den Besitz wertvoller Informationen gerät, sind mit einem Mal alle hinter ihr her: sowohl die imperialen Truppen als auch die Rebellen. Nur gut, dass Jacqi mit allen Wassern gewaschen ist, denn wenn sie an der Kommandozentrale eines Raumschiffes sitzt, holt sie so schnell keiner ein …

DERAUTOR

Spencer Ellsworth schreibt, seit er als Kind schreiben gelernt hat. Seine Kurzgeschichten wurden in Science-Fiction- und Fantasy-Magazinen und Online-Portalen veröffentlicht. »Imperium« ist der Auftakt seiner »Starfire«-Trilogie. Er lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Bellingham, Washington.

SPENCER ELLSWORTH

STARFIRE

IMPERIUM

Roman

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Titel der englischen Originalausgabe

STARFIRE: A RED PEACE

Deutsche Übersetzung von Martin Gilbert

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Deutsche Erstausgabe 06/2018

Redaktion: Elisabeth Bösl

Copyright © 2017 by Spencer Ellsworth

Copyright © 2018 der deutschsprachigen Ausgabe

und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlagillustration: © by Sparth

Umschlaggestaltung: Das Illustrat GbR, München

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN 978-3-641-21381-7V001

www.diezukunft.de

Für Dad und Chrissy,

die inspiriert, angefeuert, zugehört,

Ideen geliefert und vor allem gelesen haben.

»Die blutroten Sterne, die blutende Galaxis tanzen ihren Reigen auf ihren Bahnen. Ihre Wunden sind der Kälte ausgesetzt – doch es ist diese Kälte, die die Wunden kauterisiert. Der Kriegsherr brennt die Sonnen aus, eine nach der anderen. Der Sohn der Sterne steht vor den Riesen, die mit einem Schritt ganze Welten überspannen, und gewappnet ist er mit nichts als seinem Glauben …«

– Drittes Buch von Joria

OUVERTÜRE

Der Planet Irithessa war umgeben von Erinnerungen an den Krieg. Die Wracks von Kriegsschiffen drifteten in der Umlaufbahn. Wolken toter Materie erstreckten sich wie Tentakel zwischen den Trümmern. Zerstörte Schaltkreise, Leitungen und Verkleidungen schimmerten im silbernen Sonnenlicht; ausgeweidete Leichen starrten mit leeren Augen ins gleißende Licht. Sie waren binnen eines Sekundenbruchteils von einem heißen Blitz verzehrt worden und nun in der ewigen Kälte begraben.

Der Krieg hatte zehn Jahre lang Hoffnung, Furcht und Liebe auf Zehntausenden Welten in der ganzen Galaxis erstickt.

Jetzt war er endlich vorbei.

Auf der Oberfläche des Planeten stieg Rauch über den Pyramiden der Hauptstadt auf und waberte durchs Blattwerk der berühmten Gärten. Es herrschte Totenstille: kein Kreischen von Scherbenblastern, kein Klirren von Seelenschwertern. Die Berge in der Ferne wurden von roten Blitzen angestrahlt, und Geschützdonner hallte von ihnen wider. Doch mit der Zeit wurden auch diese Geräusche immer leiser, bis das sanfte Raunen des Abendwindes sie schließlich ganz übertönte.

Die Leiche des Imperators schwang in der Brise sacht hin und her. Man hatte ihn an der Statue seines Vorgängers auf dem Großen Platz aufgehängt. Der Körper war jetzt nur noch eine graue Mumie mit leeren Augenhöhlen.

Ganz oben im Kaiserturm stand ein Mann – er hob sich dunkel vor der glühenden, wirbelnden Karte der Galaxis ab. Wie seine Soldaten war auch er in einem Tank herangezüchtet worden. Metallarme hatten ihn zur Welt gebracht, dann hatte man sein Gehirn mit Daten vollgestopft, die ihm als Erinnerungen dienen sollten, ihm eine Nummer gegeben und ihn auf ein Landungsschiff gesteckt, um ihn zu einem weiteren Toten in einem aussichtslosen Krieg zu machen. »Kanonenfutter« hatten sie ihn genannt. Hässlich, aber nützlich. Kein echter Mensch. An die Nummer, die man ihm bei seiner Geburt gegeben hatte, erinnerte sich niemand mehr. Der Name, den er sich ausgesucht hatte und der nun auf jedem Steckbrief auf tausend Welten prangte, war John Starfire – der die Hybrid-Soldaten hinter sich versammelt und eine Armee gegen das korrupte menschliche Herrscherhaus aufgestellt hatte.

Sein Bart wurde von silbernen Strähnen durchzogen, und die grünen Augen wurden von Fältchen umrahmt. Während er die Karte betrachtete, nahm er den Kampfhelm ab; das silberne Metall schimmerte im trüben Licht. Dann legte er die Hand auf den Knauf seines großen Seelenschwertes. Sie zuckte kurz, doch dann beruhigte sie sich.

Er hatte die Galaxis befreit. Er hatte Frieden mit der Dunklen Zone geschlossen und das alte Herrscherhaus ausgelöscht. Nun konnte er sich endlich ausruhen.

Dennoch spiegelte sich Angst in diesem verwitterten Gesicht. Er umklammerte wieder den Schwertknauf – so fest, dass alles Blut aus der Hand wich.

»Sir?«, ertönte eine Stimme vom Eingang des Raums her. »Sie sind schon sehr lange hier drin. Wir haben noch mehr imperiale Offiziere gefunden. Was … was sollen wir mit ihnen tun?«

Er drehte sich um und sah drei seiner Gardisten – und seine Frau.

»Wir haben nun schon so lange gekämpft«, sagte er mit leiser, brüchiger Stimme. »Werden wir noch so lange durchhalten, wie es nötig ist, um zu siegen?«

Die Soldaten bewegten sich unruhig. Sein Blick traf den seiner Frau, ihr bleiches, müdes Gesicht wurde vom blauen Licht der Sternenkarte angestrahlt. Er trat ein paar Schritte vor und legte ihr eine Hand auf die Schulter.

»Ich dachte, du wolltest dich endlich einmal ausschlafen«, sagte sie sanft.

»Ich denke nach. Ich glaube, dass wir es doch noch schaffen können.«

»Es schaffen?« Seine Gardisten wechselten Blicke. Sie fragten sich offensichtlich, was hier noch zu schaffen war.

»Sie kennen den Befehl.«

»Den Befehl?«, fragte einer von ihnen.

»Direktive Null.«

Sie starrten ihn ausdruckslos an.

»Es ist an der Zeit«, sagte er, »jeden Menschen in dieser Galaxis zu töten.«

1

Jaqi

Da stehe ich nun, mitten in einer Kampfgrube. Mit einem riesigen, am ganzen Leib tätowierten und mit drei Hörnern bestückten Zarra, der sich genüsslich die blutigen Hände ableckt. Es ist zwar das Blut eines Aliens, aber trotzdem Lebenssaft. Der dem Stoff in meinen Hybrid-Adern recht ähnlich ist.

Und das alles nur wegen Tomaten.

Aber ganz von vorne: Mein Name ist Jaqi, und ich bin halb Mensch, halb Jorier. Das bedeutet für mich, dass ich in der Wildnis, zwischen den unzivilisierten Welten, auf kulinarische Genüsse verzichten muss.

Das letzte Jahr habe ich damit verbracht, auf einem Cricket-Schiff dunkle Knoten abzufliegen. Es wurde für Exoskelettträger gebaut, nicht für menschliche Gliedmaßen, und es stinkt und ist eng. Aber die Crickets zahlen mir ein sehr gutes Honorar für meine Talente. Nein, das Problem bei einem monatelangen Aufenthalt in der Wildnis ist das Essen. Die frischen Vorräte sind bald aufgebraucht, und dann muss man Protein rehydrieren. Protein mit Erdnussbuttergeschmack, Protein mit Schokoladengeschmack, Protein mit Thurkuk-Drüsen-Geschmack (das tastsächlich eher nach Erdnussbutter schmeckt als Protein mit Erdnussbuttergeschmack). Und nach einem Monat möchte man nur noch kotzen, wenn man so einen kleinen braunen Würfel sieht. Ich habe in meiner Verzweiflung sogar den Speise-Lehm des Kapitäns versucht. Es ist einfach nicht fair, dass sich Cricket-Lebensmittel besser halten als die für Menschen. Ich habe mich sofort wieder erbrochen, was im Weltraum normal ist, aber die Crickets haben mich trotzdem ausgelacht – mit diesem seltsamen Geräusch, wenn die Borsten auf ihrem Rücken knisternd aneinanderschaben. Und dann haben sie mir das für den Rest des Jahres vorgehalten.

Knister, knister, knaster. Proteinwürfel, Proteinwürfel. Deshalb begab ich mich, als wir aus der Wildnis, in der wir im letzten Jahr krumme Geschäfte gemacht hatten, in den Wirklich-Echte-Leute-Raum eintauchten, sofort auf die Suche nach Wirklich-Echte-Leute-Essen. Vor allem war ich auf Tomaten scharf.

Die besten Tomaten waren natürlich die, die meine Mutter mir damals in unserer Zeit als Pachtbauern mitgebracht hatte. Meine Eltern hatten die Früchte, die aufgeplatzt waren, mit nach Hause genommen, denn die Obstbauern konnten sie wegen dieses Makels nicht mehr verkaufen. Meine Mutter schnitt dann eine auf und bestreute sie mit Salz, während sie Feldlieder sang und sich dazu in den Hüften wiegte. Dann gab sie mir die Scheibe, und jedes Mal schmeckte sie nach purem Sonnenschein.

Heute würde ich mich schon mit halb reifen Tomaten aus einem Orbital-Treibhaus mit Hefeflocken begnügen. Und vielleicht mit einem hübschen Jungen, der für einen »One-Day-Stand« zu haben ist. Oder einem Mädchen. Oder irgendwas dazwischen, solange sie nicht klammern. Ich bin da nicht so wählerisch.

Die Orbitale Ökosphäre 912 ist ein netter Ort – für einen ungezieferverseuchten galaktischen Schweinestall. Nicht meine Wortwahl: Die Bewohner haben ihm tatsächlich den Spitznamen »Schweinestall« verpasst. Die Umweltkontrollsysteme sind seit Jahren kaputt und stehen auf »Sumpf«. Sie lassen sich nicht mehr umstellen, sodass der Ort einer Waschküche mit einer Luftfeuchtigkeit von hundertzehn Prozent gleicht. Es riecht nach verfaulendem Essen, das man in der zum Schneiden dicken Luft fast kauen kann. Eben ein versiffter, schmieriger Schweinestall.

Ich habe gerade meinen Vertrag mit den Crickets beendet und noch etwa vier Stunden Freizeit, bevor ich mir neue Arbeit suchen muss. Also will ich diese Zeit optimal nutzen.

Die Leuchtschilder blinken mich an, als wir von Bord gehen – ist wahrscheinlich wichtig. Aber ich kann nicht lesen. Was soll’s. Meine Mutter wollte es mir beibringen, aber sie war auch nicht gerade vom Fach. Sie verschwand, als ich acht war, und danach gab es für mich nur noch Arbeit, egal was, auf jedem Schiff, das mich nehmen wollte. Ich kann Navigationskarten lesen, die mit den Zahlen und Linien, aber bei Buchstabenreihen wird mir immer schwindlig. Es wäre schön, wenn ich mir die lange Zeit in der Wildnis mit Lesen vertreiben könnte, aber es gelingt mir auch so irgendwie, nicht den Verstand zu verlieren.

Eines Tages werde ich es lernen. Wenn ich mich wieder in die Mitte der Galaxis wagen kann.

Auf dem Hauptplatz des Schweinestalls wird immer Markt abgehalten, und es herrscht normalerweise viel Betrieb. Es gibt auch reichlich Lebensmittel. Doch jetzt … nur ein paar Stände, die Tuch verkaufen, das so aussieht, als ob es erst einmal gebügelt und mit Fleckenentferner behandelt werden müsste. Es gibt zwar auch einen Lebensmittelstand, aber das Sortiment besteht hauptsächlich aus hochwertigem Protein. Abgesehen davon ist nicht viel los, und die Auswahl an anderen Produkten ist bescheiden. Die meisten Stände sind einfach verschwunden.

Das ist mein ganz persönlicher Albtraum.

Leute eilen vorbei, aber sie haben die Köpfe gesenkt und starren auf ihre huschenden Füße. Da ist ein großer Fleck – Blut? – in der Mitte des Platzes. Jeder scheint diesen Ort so schnell wie möglich wieder verlassen zu wollen. Vor langer Zeit war diese Ökosphäre zu zehn Prozent Handelsposten und zu neunzig Prozent Park. Doch nun hat der Park sich in eine unwegsame Wildnis verwandelt, die unzählige Verstecke bietet. Und es hat den Anschein, als ob jeder sich verstecken wollte.

Die einzige Person, die sich nicht von der allgemeinen Hektik hat anstecken lassen, ist der tätowierte Necro-Priester mit dem totenkopfartigen Gesicht. Er fuchtelt mit seinem Stab in der Luft herum und ruft mit krächzender Stimme: »Tod!« Diese Typen kennen nur dieses eine Wort und rufen es ständig. Das macht sie wohl glücklich.

»Hey«, sage ich zu einer der Gestalten, die an mir vorbeirennen. »Hey, was ist hier los? Wo ist das Essen?«

Er legt noch einen Zahn zu.

»Skrit«, rufe ich einem mir unbekannten empfindungsfähigen Käfer zu. Ich hoffe, dass ich mit der Cricket-Sprache – zumindest mit der menschlichen Pidgin-Version und ohne die knisternden Rückenborsten – zu dem Wesen durchdringe. »Skrit secca nee?«

Das Geschöpf rennt weiter, ohne mich eines Blickes zu würdigen.

»Suchst du nach Antworten?«

Der Typ hat sich von hinten angeschlichen. Seltsamer Kerl. Ich trage ein Tanktop und Shorts und wünschte, ich könnte in der Hitze des Schweinestalls ganz nackt herumlaufen. Doch er trägt einen schwarzen Trenchcoat und einen Hut mit breiter Krempe über einem bärtigen Gesicht. Es gelingt ihm tatsächlich, mich unter diesem Hut heraus anzusehen, ohne mir seine Augen zu zeigen.

Ein Betrüger. Ein verdammter Betrüger.

»Salutes. Ja, suche ich. Aber Antworten ohne ein Preisschild.«

Er lacht. »Du gefällst mir. Wieso liest du denn nicht die Lauftexte auf den Bildschirmen?«

Eine peinliche Situation. »Schlechte Augen.«

Das ist eine triftige Begründung.

»Der Widerstand hat gesiegt. Irithessa ist gefallen.«

»Oh.«

Ich brauche eine Minute, um das sacken zu lassen.

»Oh!«

Es hatte schon seinen Grund, weshalb wir Pachtbauern waren. Meine Eltern waren beide künstliche Züchtungen der gängigsten Kreuzung – siebzig Prozent menschliche DNS, dreißig Prozent jorische –, und bei beiden wurde ein Gendefekt diagnostiziert. Sie sollten eigentlich wieder in den Zuchttank zurück und dort ausgeschlachtet werden, aber sie entkamen. Sie schlossen sich allerdings nicht dem Widerstand an wie andere Hybriden, sondern tauchten unter, und ich tat später das Gleiche. Aber wir setzten unsere Hoffnungen dennoch in die Rebellion. Jeder sympathisiert mit dem Widerstand: Menschen, Crickets, Hybriden, Gasbeutel – einfach alle. Ich habe ein Bild ihres Anführers John Starfire gesehen. Er ist der größte Seelenschwertkämpfer der Galaxis und ein stattlicher Mann obendrein. Versetzt mein weibliches Blut in Wallung. Alle außer den Blaublütern wollen, dass der Krieg endlich aufhört, dass es ein Ende mit den knappen Rationen und den Reisebeschränkungen hat; ganz zu schweigen von den imperialen Hybriden, die massenweise gezüchtet wurden, nur um dann in der Dunklen Zone verheizt zu werden.

Sie wollen das nicht. Sie müssen.

Die Galaxis ist frei.

Jetzt kann ich lesen lernen.

Ich kann zur Schule gehen. Ich kann heiraten und Kinder bekommen. Ich kann Alkohol kaufen!

Der Betrüger scheint meinen perplexen Gesichtsausdruck ziemlich gut zu deuten. »Du bist ein Hybrid?«

»Nein«, antworte ich, sofort vorsichtig geworden. »Ein reiner Mensch.«

»Das ist zu schade. Wirklich eine verdammte Schande. Ich könnte gerade jetzt einen Hybriden gebrauchen, der sich etwas Geld verdienen will. Seit dem Fall von Irithessa funktionieren die imperialen Knoten nicht mehr. Es kommen kaum noch Nachschublieferungen, die Vorräte sind so gut wie aufgebraucht. Aber ich könnte da ein Lager kennen, voll mit dem guten Stoff.«

Es muss die Euphorie sein. Oder der Hunger. Meine Instinkte sagen mir, dass dieser Typ genauso zuverlässig ist wie ein defekter Knoten. Aber ich ignoriere die innere Stimme. Ich Idiot.

»Vielleicht habe ich ja doch etwas jorisches Blut in mir. Für ein wenig von dem guten Stoff.«

»Eine warme Mahlzeit. Du musst sie dir nur noch verdienen.« Er wendet sich mit flatterndem Trenchcoat zum Gehen. Selbst das wirkt irgendwie unecht. Zumindest hätte ich das normalerweise in diesem Moment gedacht.

»Ich mache es.«

Und so verschlägt es mich schließlich in die Kampfgrube.

Zuerst befiehlt er zwei großen Rorgs, mir meine Messer abzunehmen und mich in einen Käfig zu sperren. Und nicht nur in irgendeinen Käfig – man hatte ihn mit einem Teppich aus Tausendfüßlern ausgelegt. Große Tausendfüßler. Es gibt unzählige Arten von Tausendfüßlern in der Galaxis, und bei allen läuft es mir eiskalt den Rücken herunter.

»Hey! Was soll das?«, protestiere ich, als ich mich an den Käfigstäben hochziehe.

»Damit verdienst du dir die warme Mahlzeit«, antwortet er spöttisch. »Mein Name ist Cade. Du erledigst das für mich, dann werde ich dich dafür belohnen.«

»Was glaubst du eigentlich …« Ich verrenke mich und versuche, mit beiden Beinen die Oberseite des Käfigs zu umklammern. Einer der Rorgs schlägt mir mit einem Stock aufs Bein. »Ich bringe dich um!«

»Lass dich von ihnen beißen«, befiehlt Cade. »Diese Tausendfüßler werden extra für die Gruben gezüchtet. Das Gift macht dich schneller. Und stärker.«

»Ich werde dir deine …« Ich belege ihn mit jedem Fluch in der Sprache der Menschen, der Crickets und im Händler-Slang, den ich kenne. Er setzt ein fieses Lächeln unter diesem albernen Hut auf und schließt die Luke. Nun bin ich allein in der Dunkelheit mit den Tausendfüßlern, die sich als wimmelnde und glitzernde Masse unter mir ausbreiten.

Tausendfüßler, verdammt. Ich könnte schwören, dass sie alle direkt aus der Dunklen Zone kommen. Auch die empfindungsfähigen.

Von den Tausendfüßlern werde ich erst abgelenkt, als die Tür neben mir sich öffnet und den Blick auf eine große Grube freigibt, die aus ausgehöhlten Wurzeln eines halben Dutzends riesiger Bäume gebildet wird. Ein zwei Meter großer Zarra, am ganzen Körper tätowiert und mit großen Hörnern bestückt, kämpft gerade gegen einen kleineren, mit Schuppen besetzten Sska. Das Wesen rennt Haken schlagend um ihn herum und zischt den Zarra an, doch der ist nicht im Geringsten davon beeindruckt. Dann greift er an, stürzt sich in den brennenden Speichel, wobei er sich Brandblasen zuzieht, packt den Sska an der Schulter und reißt ihn mitten durch. Reißt ihn einfach auseinander, als ob er ein Stück Fleisch tranchieren würde.

Und in diesem Moment wird mein Käfig in die Grube geschoben und umgekippt. Die Seite, die eben noch oben war, fliegt auf, und ich krieche noch vor den Tausendfüßlern heraus.

Der Boden ist aufgewühlt und schlammig. Blutschlamm, schießt es mir durch den Kopf. Die Grube war ursprünglich eine natürliche Senke inmitten eines Kreises aus großen alten Bäumen. Die starken Wurzeln bilden eine Art Tribüne, von der aus schmierige Gestalten uns beobachten. Um den Rand der Grube zieht sich eine billige Plastikbarriere, und alle Schweine des Schweinestalls hocken oberhalb oder auf dieser Barriere.

Der Zarra leckt sich das Sska-Blut von den Händen und sieht mich an.

Cade gibt von einem starken Ast aus theatralisch den Ringsprecher: »Die Sensation der Stunde! Sie ist ein echtes jorisches Halbblut, ein Killer, eine von denen, die heute die Galaxis erobert haben, meine Freunde! Doch kann sie auch Zaragathora den Fleischfresser besiegen?«

»Zaragathora?«, frage ich und sehe den Zarra an. »Echt jetzt?«

Er knurrt. Ein gutes Knurren. Tief aus der Kehle, sodass die Lunge vibriert. Der Typ hat Übung.

»Ich glaube, das kann sie!«, fährt Cade fort.

Bei allen Dunklen Sternen! Er glaubt, ich sei ein Kampf-Hybrid! Ich habe kein Seelenschwert, ich habe auch noch nie gegen Drachen gekämpft oder Planeten in die Sonne geschleudert. Alles, was ich dank meiner jorischen DNS kann, ist, ein Schiff zu fliegen. Genauer gesagt, ich kann ohne einen Knoten-Code aus eigener Kraft in den Überlicht-, den reinen Raum eintauchen. Ich bin ein Navigator.

»Sie kann allein mit ihren Gedanken töten«, redet Cade weiter, »und deswegen machen wir das Ganze noch etwas interessanter. Kreaturen aller Welten, wilde wie zivilisierte – die NecroWasp!«

»Die was?«

Dem Zarra gegenüber, direkt rechts neben mir, öffnet sich eine Tür.

Das Ding, das zum Vorschein kommt, ist der skurrilste Hybrid, den ich je gesehen habe. Ein Insektenkopf mit mahlenden Mandibeln. Ein großer, bleicher, stämmiger humanoider Körper mit einem Exoskelett, das unter der dünnen Haut durchscheint. Ein großer Stachel ragt ihm aus dem Bauch. Es riecht, als ob alle toten Kreaturen des Universums sich getroffen hätten und eine Party feiern.

Man hört ja immer wieder Geschichten über diese Kampfgruben, aber man geht natürlich nicht selbst hin. Denn jeder, der noch bei Verstand ist, hält sich davon fern! Es sei denn, man ist zu dumm, um Angst zu haben.

»Tod!« Ich schaue auf und sehe, wie der Necro-Priester diesem Ding zujubelt. Das erklärt natürlich alles. Der Wasp besteht aus Körperteilen von Lebewesen, die von den Necros zum Spaß zusammengenäht und wieder zum Leben erweckt wurden. Diese Kreatur ist zweifellos sein Haustier.

»Tod!«, brüllt die Menge.

Tomaten.

Der NecroWasp nimmt sich das größere Ziel vor, Zaraga … – ach, nennen wir ihn einfach Z –, und ich mache mich vom Acker. Ich erreiche mit einem Sprung die Plastikbarriere, halte mich am Rand fest und will gerade drüberklettern, als Cade ein abgesägtes Gewehr hervorholt und auf meinen Kopf zielt. »Vergiss es!«

Also zurück in die Grube.

Der NecroWasp greift Z an, und Z wirkt leicht verwirrt. Die Erkenntnis, dass er dieses Ding nicht mit dem üblichen Frontalangriff und Abreißen von Gliedmaßen bekämpfen kann, muss er erst einmal verarbeiten. Er duckt sich weg und rennt auf mich zu, und ich ducke mich meinerseits weg und weiche den beiden aus. Ducken, ausweichen, ducken, ausweichen – bis ich mich direkt in die Plastikbarriere ducke und ausweiche.

Unsere Laufübungen werden mit vielen Buhrufen quittiert, was den alten Z so richtig in Rage bringt. Er beschließt, den NecroWasp anzugreifen, der seinen Stachel ausfährt und seinerseits versucht, Z aufzuspießen. Der ändert seine Meinung und duckt sich wieder weg. Der Wasp schlägt ihm eine Klaue ins Fleisch, direkt auf den Schädel; diesmal ist es sein eigenes Blut, das Z ins Gesicht läuft.

»Unserem Hybriden fehlt es an Kampfgeist, Leute. Sollen wir ihr ein bisschen Beine machen?«

Und dann schießt Cade doch tatsächlich auf mich! Mit Scherben aus seinem Gewehr. Die Geschosse pflügen den Boden vor meinen Füßen um, Schlamm spritzt mir ins Gesicht, und rote Flammen züngeln über den Schmutz. Er will mich zum Tanzen bringen. Aber ich lasse mich davon nicht irritieren. Kein Promoter erschießt seinen Champion.

Cade sieht so aus, als ob er etwas sagen wollte. Es muss etwas Unflätiges sein, denn es bleibt ihm im Hals stecken. Und dann scheint es sein Gehirn zu blockieren, denn seine Stirn pulsiert auf einmal.

Nein, völlig falsch – irgendjemand hat ihn abgestochen! Eine schwarze Klinge ragt vorne aus seinem Hemd, doch es ist kein Blut zu sehen, und dann ist die Klinge auch schon wieder weg. Ein grauer Schemen rennt davon.

Und dann – also, dann muss ich NecroWasp und Zarra ausweichen, die auf mich zustürmen. Ich renne an der Barriere entlang, doch der NecroWasp erwischt mich mit einer Mandibel am Bein und schleudert mich durch die Luft. Schließlich lande ich im Schlamm. Dann werde ich schwer am Kopf getroffen – vielleicht von einem Stein oder auch von einem Zarra-Fuß.

Ich werde sterben, kaum dass ich die Freiheit gewonnen habe.

Aber nein – ich kann wieder klar sehen! Ich versuche zu atmen und sauge schlammiges Wasser in die Lunge. Ich zwinge mich, die Arme zu bewegen, krieche über den Boden und richte mich mühsam auf. Und dann sehe ich Cade, der direkt vor mir tot in der Grube liegt.

Ich komme mühsam wieder auf die Beine und reiße Cade das Gewehr aus der starren Hand. Dann drehe ich mich um und schieße auf den Erstbesten, den ich sehe – den NecroWasp, wie sich herausstellt. Die Scherben reißen ihm das halbe Insektengesicht weg. Was ihn nicht aufhält. Ich muss ihm noch zehnmal ins Gesicht schießen, das ganze Magazin, und selbst dann dauert es noch einmal eine halbe Ewigkeit, bis er umfällt – und als er endlich fällt, schlägt er mit der Wucht einer abstürzenden Enterkapsel auf dem Boden auf. Er erzeugt eine so große Schlammwelle, dass ich schon befürchte, ich würde in den Strudel hineingezogen.

Das Publikum ergreift die Flucht. Z wirft mir einen langen bösen Blick zu. Dann fällt sein Blick auf Cades Leiche, und er fragt mit bellender Stimme: »Wo ist mein Geld?« Das sind die ersten Worte, die ich bisher von ihm gehört habe.

Anstatt ihm zu antworten, studiere ich Cade. Rote Augen, grau verfärbte Haut, und trotz dieser tiefen Stichwunde kein einziger Tropfen Blut. Ich würde die verlorene Erde darauf verwetten, dass ihm niemand auch nur eine Träne nachweinen wird.

Natürlich hatte dieser Mann Feinde. Doch warum sollte ausgerechnet heute ein blöder menschlicher Betrüger heimtückisch mit einem jorischen Seelenschwert erstochen werden?

2

Araskar

Einen Krieg zu gewinnen ist nicht das beste Gefühl meines Lebens, aber es liegt ziemlich weit oben auf der Skala. Mir klingeln noch immer die Ohren, sodass ich nicht viel von der Rede mitbekomme. Nach der Landung auf dem Planeten und nachdem direkt neben mir eine Pyramide explodiert ist, befürchte ich, dass dieses Klingeln nie mehr aufhören wird. Aber die Hauptsache ist, dass ich ihn sehe. John Starfire, der Auserwählte der ganzen verdammten Galaxis, steht im Eingang des Kaiserlichen Senats und ruft etwas. Ich verstehe nicht, was er sagt, aber ich kann es spüren, als ob eine Welle durchs Universum laufen würde.

Es ist vorbei.

Ich schwitze und blute und spüre jeden einzelnen Muskel im Leib. Doch die Luft von Irithessa entschädigt mich dafür: Sie schmeckt wie Nektar und Ambrosia. Selbst der Rauch schmeckt noch göttlich.

Ich recke mein Seelenschwert in die Höhe und jubele, was die Stimme hergibt. Die synthetischen Fasern meiner rekonstruierten Zunge dehnen sich, und die Stränge meiner rekonstruierten Muskeln strecken sich – nur unter meiner Haut sind die Verletzungen noch spürbar.

Jubelrufe für die Freiheit und diesen ganzen verrückten Scheiß. Vor allem juble ich meinen Freunden zu, den unglücklichen Bastarden, die den heutigen Tag nicht mehr erleben dürfen. Dafür bin ich hier. Ich feiere für euch mit.

Tausend erschöpfte Arme stoßen tausend blutige Seelenschwerter in die verqualmte Luft von Imperial City. John Starfire führt sein Seelenschwert an den Arm und ritzt sich eine feine Linie in die Haut. Das Blut rinnt durch die Rillen in der Schwertklinge und fängt Feuer – eine gleißend weiße Korona überwölbt die Menge und wirft ihre Lichtreflexe auf das schwarz-weiße Banner hinter ihm. Er senkt das Schwert, und die Menge fängt an zu tuscheln.

»Haben Sie das verstanden, Sir?«, fragt Rashiya mich, als ich mich umdrehe. Ihr Gesicht ist mit Ruß verschmiert, und die Platine in ihrer Schläfe flackert. Die Synthohaut im Schläfenbereich ist verschmort. Die künstliche Haut hat sie der gleichen Schlacht zu verdanken, in der ich meine Zunge, ein Stück des Beins und ein paar Finger verloren habe. Wir können von Glück sagen, dass wir so glimpflich davongekommen sind.

»Nein«, nuschele ich. »Lass mich raten: Ein glorreicher Sieg. Zurück an die Front.«

»Nicht ganz.« Sie lächelt und kann nicht anders – sie berührt meinen Arm, und ihre ausdrucksvollen grünen Augen leuchten dabei. Ihr rotes Haar ist schweißnass, aber das steht ihr verdammt gut.

Ja, sie ist meine Untergebene, und wir hätten uns nicht miteinander einlassen dürfen, doch selbst ein Hybrid aus dem Brutkasten braucht manchmal interpersonale Wärme. Aber was muss ich mich überhaupt rechtfertigen? Ich bin schließlich ein gottverdammter Kriegsheld! »Er sagte: Sucht euch einen Platz zum Schlafen. Plünderer werden erschossen. Essen für alle.«

»Erschossen. Alles klar.«

»Ich muss nachsehen, ob es Helthizor gut geht. Der Junge hat einen schlimmen Treffer ins Bein bekommen.« Sie streicht mir übers Haar. »Du musst dich etwas ausruhen. Ich wusste gar nicht, dass du so was draufhast.«

»Was denn?«

»Du hast in nicht mal einer Stunde zwei Schützenstellungen ausgehoben. Hast du das etwa schon vergessen?«

»Bis gerade eben schon.«

Unter Missachtung der Etikette und sämtlicher Vorschriften schmiegt sie sich an mich, umarmt mich und flüstert mir ins Ohr: »Nun ruhen die Toten endlich in Frieden.«

Sie ist einfach unwiderstehlich. Ich streiche ihr durchs Haar und drücke sie an mich.

»Du ruhst dich jetzt auch aus«, sagt sie.

»Auf gar keinen Fall. Fester Schritt und blanke Klinge – ran an den Feind!«

»Aye, Sir.«

Und dann gehe ich – weg von den vielen Soldaten, die sich hier tummeln, weg von dem Ort, an dem die Bodentruppen nach den Luftkämpfen abgesetzt worden waren, vorbei an den zerstörten Kristallpyramiden und den Trassen der Grav-Bahn in die dunklen Straßenschluchten der Stadt.

Das heißt, ich begebe mich auf ein Terrain, das jeder kluge Soldat eigentlich meiden sollte, weil es vor ein paar Stunden noch ein Schlachtfeld war.

Also knie ich, eine halbe Stunde nachdem ich den glorreichen Sieg für den Widerstand errungen habe, in einer schmutzigen Gasse zwischen zwei Kurguls. Sie halten mir eine Waffe an den Kopf, weil ich ihnen ihre Drogen stehlen wollte.

»Ihr wisst schon, dass ich ein Kriegsheld bin, oder?«

Sie antworten nicht. Sie verziehen nur ihre kleinen, mit Tentakeln besetzten Münder und schlagen mit den rudimentären Flügeln unter den hässlichen Panzern. Sie warten nur noch auf den Befehl ihrer lokalen Nestkönigin. Eines dieser Wesen stößt eine Abfolge von Grunzlauten aus. Doch der andere äußert sich für mich verständlich – was bedeutet, dass ich es hören soll. »Niemand wird einen weiteren jorischen Hybriden vermissen.«

»Das stimmt«, pflichte ich ihm bei. »Ich weiß auch nicht, weshalb ihr noch auf eine Erlaubnis wartet. Euer Nest ist höchstwahrscheinlich zerstört.«

Der zur Linken drückt mir seine Waffe an den Hinterkopf. »Wirf das Seelenschwert weg, und du wirst einen schnellen Tod sterben.«

Kurguls. Ein Haufen abergläubischer Bastarde. Sie haben keine Hemmungen, einen Jorier zu erschießen, aber wir sollen vorher vorsichtshalber unsere Waffen ablegen. Seelenschwerter haben eine hohe symbolische Bedeutung für die Religiösen. »Trotz des Namens nehmen diese Dinger euch nur die Erinnerungen, Kollegen. Sie haben eine Neuronencodierung. Wenn ich wirklich Seelen stehlen könnte, würde ich mir eine schöne Trophäensammlung anlegen.«

Ich ziehe das Schwert. Die Kurguls umklammern ihre Waffen, bereit, mich bei der kleinsten falschen Bewegung mit Scherben zu spicken.

Ich werfe das Seelenschwert auf die Straße und gehe auf die Knie.

»Na, macht schon. Gebt mir ein paar Drogen oder tötet mich.« Ihre Scherbenblaster glühen schon vor. Ich schließe die Augen und verspüre endlich die Erleichterung, auf die ich seit einer Ewigkeit warte. Ich kann die Gesichter meiner Freunde sehen. Aber nicht wie beim letzten Mal, als ihre Gesichter nur noch Fleischfetzen waren, vom Schädelknochen abgerissen und im ganzen Gang verstreut. Nein, meine Freunde lächeln nun, und sie sind noch am Leben.

Die Kurguls schreien auf, und Scherben zischen in einem heißen Luftzug an meinem Ohr vorbei. Ich öffne die Augen.

Da steht Rashiya. Und sie hat auch einen Scherbenblaster in der Hand. Die Kurguls haben beide buchstäblich den Kopf verloren. Aber sie achtet nicht auf die Leichen, sondern sie sieht mich an. Ihre Augen sind zusammengekniffen und gerötet.

Ich stehe auf. Bin immer noch nicht tot. »Fester Schritt und blanke Klinge!« Ich setze ein schiefes Lächeln auf.

Dann erscheint noch jemand hinter ihr. Ich falle sofort wieder auf die Knie.

»Erhebe dich, Araskar«, sagt John Starfire höchstpersönlich. »Meine Tochter hat mir von dir berichtet. Der Krieg ist noch nicht vorbei.«

»Du hast eine imperiale Minute, um dich zu erklären«, zischt Rashiya.

»Sie haben mir nichts zu befehlen, Lieutenant.« Ich wusste wohl, dass das Glück mich eines Tages verlassen würde. Aber ich hätte erwartet, dass mir eine Scherbe den Kopf abreißen würde – und nicht, dass meine Freundin und Liebhaberin sich als die Tochter – die Tochter! – des Auserwählten höchstpersönlich erweisen würde. Wenn Sie wüssten, was ich mit dieser Frau alles angestellt habe. Wenn ihr Vater das wüsste!

»Du wirst heute Nacht außerhalb einer Luftschleuse schlafen, wenn du dich nicht erklärst.«

Ich sitze eine Weile da und versuche, mir einen Reim auf ihre Worte zu machen. Ich glaube nicht, dass sie gehört hat, wie ich über die Drogen sprach. Gut. »Wir haben gewonnen«, sage ich. »Damit gibt es nichts mehr für mich.«

»Ich bin also nichts.«

»Verdammt, du weißt doch, wie ich das meine. Halt, ich korrigiere mich – du weißt es nicht«, schicke ich gleich hinterher, weil ich dabei bin, am Tag unseres Sieges den Krieg gegen die Idiotie zu verlieren.

Das ist das Schicksal eines Hybriden. Man hat keine richtige Familie. Es sei denn, man ist einer von diesen Sonderfällen wie Rashiya, deren Eltern es geschafft haben, sich fortzupflanzen. Doch für einen wie mich ist die Zuchtbottich-Charge die Familie. Und meine Chargen-Kameraden, mein Bataillon, meine besten Freunde, sind gestorben, als wir unser erstes imperiales Schiff enterten – durch Scherbenfeuer förmlich in Stücke gerissen. Ich überlebte nur, weil ich die Enterkapsel, die sich in die Schiffshülle gebohrt hatte, als Letzter verließ.

Und dann tötete ich die Hälfte der Besatzung dieses Schiffs mit meinen eigenen synthetischen Händen. Bekam dafür die höchste Auszeichnung des Widerstandes. Ironie ist schon eine kaltschnäuzige Schlampe, was?

»Der Krieg ist vorbei, Rashiya. Jetzt hat ihr Tod keinen Sinn mehr – und mein Leben auch nicht.«

Sie dreht sich zur Tür um. »Das war’s? Mehr hast du nicht dazu zu sagen?«

Doch, ich hätte schon noch etwas sagen können: dass ich mir nämlich so viele Drogen reingezogen hatte, dass ich allein dafür, das überlebt zu haben, noch eine Auszeichnung verdient hätte. »Du kommst nicht aus einer Charge, Rash. Du weißt nicht, wie das ist.«

Sie dreht sich wieder zu mir um – mit versteinertem Gesicht. »Mein Vater will dich sprechen. Deshalb werde ich dich jetzt nicht töten. Ich habe Ihnen heute Ihr verdammtes Leben gerettet, Sir. Also erwarte ich, wenn wir uns das nächste Mal sehen, etwas mehr Dankbarkeit.« Sie öffnet die Tür und lässt mich in meiner Zelle zurück. Ich lege mich hin und starre an die Decke.

Dann tritt ihr Vater ein.

Bis vor Kurzem hatte ich den Mann nur in den Newsvideos gesehen. In natura wirkt er älter, und das Haar und der Bart sind eher weiß als schwarz. Er ist ein großer und starker Mann. Jeder Zoll ein Held. Aber er öffnet und schließt rhythmisch die Hand, die er um den Knauf seines Seelenschwerts gelegt hat. Wenn man so viel Zeit mit Kämpfen verbracht hat, bleibt so etwas wohl nicht aus.

Er setzt sich auf das Bett. Direkt neben mich. Dann legt er mir die Hand – die andere, die nicht den Schwertknauf umklammert – aufs Bein.

»Das hat ordentlich was abbekommen«, sagt er. Dann krempelt er den Ärmel hoch. Er trägt nur ein einfaches schwarzes Hemd – eine schlichte Garderobe für einen John Starfire, keine Garde-Uniform. Sein Arm besteht fast nur noch aus Narbengewebe mit einem Drahtgeflecht darunter. »Ich habe den Arm auf Daruthal verloren. Und fast das ganze Bein. Das Gesicht ist aber unversehrt geblieben. Zur Erleichterung von Aranella, meiner Frau.«

»Ich weiß.« Meine Güte, höre ich mich blöd an. Man sollte meinen, ich könnte für den Helden der Galaxis dieses Nuscheln unterdrücken. »Ich habe es gelesen.« Komm schon, Araskar, sprich wie ein Mann, bevor dieser Kerl dich mit seinem Seelenschwert entmannt.

»Was hast du denn sonst noch so über mich gelesen?« Er zwinkert mir zu wie ein gütiger Großvater. »Das interessiert mich wirklich.«

Ich überlege angestrengt. Das Denken fällt mir schwer, denn ich bin so erleichtert, dass er mir noch nicht befohlen hat, mich in mein Schwert zu stürzen. »In den News heißt es, Sie hätten den alten Imperator Turka in einem Schwertkampf Mann gegen Mann besiegt.«

»Ich wünschte, das wäre so gewesen. Ich hatte die Garde angewiesen, uns zusammen in einen Raum zu stecken, wie er es verlangt hatte. Dieser blaublütige Bastard ist dann aber vor mir geflohen. Schließlich habe ich es aufgegeben, ihn zum Kampf von Angesicht zu Angesicht zu stellen, und habe ihm mit dem Schwert den Rücken vom Nacken bis zum Arschloch aufgeschlitzt.«

Er lacht. Ich lache auch, denn ich glaube, er will mich damit beruhigen. Was aber noch beängstigender als die Alternative ist.

»Araskar, ich bin mir noch nicht sicher, ob ich dich wegen Insubordination bestrafen oder als Freier meiner Tochter ansehen soll.«

Was soll ein richtiger Mann darauf sagen? »Ich habe so oder so die Arschkarte gezogen, Sir.«

Sein Gesichtsausdruck wird ernst. »Hast du das Dritte Buch gelesen?«

Das ist die Schrift, die die Ankunft von John Starfire prophezeite. Wie ich schon sagte, ich habe die Arschkarte gezogen – also sage ich die Wahrheit: »Ich bin in den letzten Jahren kaum zum Lesen gekommen.« Obwohl ich immer gern gelesen habe. Hatte eine komplette Sammlung des »Scurf Silvershot« als echte Papierausgabe. Aber die Comichefte sind irgendwo jenseits der Umlaufbahn von Brathaag verbrannt, zusammen mit unseren gesamten Vorräten für den Larthe’ea-Feldzug. Meine Gitarre habe ich damals ebenfalls verloren.

»Glaubst du an die Prophezeiung?«

Schon wieder so eine Fangfrage. »Wir sind immerhin hier, Sir.«