Steinsberg - Urs W. Käser - E-Book

Steinsberg E-Book

Urs W. Käser

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Beschreibung

Eine Anwältin aus Chur wird am Fusse der Ruine Steinsberg, nahe Scuol im Unterengadin, tot aufgefunden. Was wollte sie dort? Warum hatte sie ausgerechnet jetzt ihre alte Freundin in Scuol besucht? Kriminalkommissarin Seraina Costa, ebenso tüchtig wie unzimperlich im Umgang mit der Dorfpolizei, nimmt sich des Falles an. Bald zeigt sich, dass sich die Ermordete mit ihrem Engagement für sozial Schwächere überall Feinde gemacht hat. Doch die harten Indizien zeigen in eine andere Richtung und belasten einen wegen Sexualdelikten vorbestraften Mann. Nur, hat er es wirklich getan?

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Inhaltsverzeichnis

Prolog

Samstag, 14. Juni

Sonntag, 15. Juni

Montag. 16. Juni

Dienstag, 17. Juni

Mittwoch, 18. Juni

Donnerstag, 19. Juni

Freitag, 20. Juni

Samstag, 21. Juni

Sonntag, 22. Juni

Montag, 23. Juni

Dienstag, 24. Juni

Freitag, 27. Juni

Prolog

Steil erhebt sich der Burghügel über das kleine Bergdorf Ardez im Unteren Engadin. Zuoberst auf dem Felskopf stehen die Überreste der einst imposanten Burg Steinsberg. Im Mittelalter erbaut, wurde diese Burg schon im Schwabenkrieg 1499 durch kaiserliche österreichische Truppen wieder zerstört. Man hat sie nicht mehr aufgebaut, und sie ist seither dem Zerfall durch die Kraft der Elemente preisgegeben. Doch immer noch blickt der nur wenig versehrte, viergeschossige Hauptturm unerschütterlich weit über das Tal hinweg.

Lediglich ein rutschiger, schmaler Fussweg führt auf den Burghügel. Ab und zu sieht man Einheimische oder Touristen, die zur Ruine hochsteigen, um die prächtige Aussicht auf das idyllische Dorf Ardez und die Berge des Unterengadins zu geniessen.

Aber momentan ist die Idylle des Ortes getrübt.

Am Fuss der beinahe senkrechten Felswand liegt, verborgen im Brennnesseldickicht, eine zusammengekrümmte Gestalt.

Nein, es ist kein schöner Anblick.

Aber bald wird die Polizei den Frieden des Ortes wieder hergestellt haben.

Samstag, 14. Juni

Der Tunnel kam mir heute unglaublich lang vor. Ungeduldig eilten meine Gedanken voraus ins Engadin. Ich schaute auf die Uhr. Tatsächlich waren erst vierzehn Minuten vergangen, seit der Zug in Klosters in die Finsternis eingetaucht war.

Ich rechnete nach: Der Vereina-Tunnel ist etwa neunzehn Kilometer lang, und die Züge der Rhätischen Bahn sind eher gemächlich unterwegs. Mehr als achtzig oder neunzig Stundenkilometer liegen im Tunnel bestimmt nicht drin. Demnach müsste der Zug sehr bald…

Oh, dieses Licht! Ich kniff die Augen zusammen. Vergessen waren die tiefhängenden, grauen Wolken in Zürich, vergessen der Nieselregen im tristen Klosters. Das Engadin machte seinem Ruf als Sonnenstube wieder einmal alle Ehre: Grell strahlte die Sonne vom tiefblauen Himmel herab und liess die Silhouetten der Berge flimmern. Willkommen im Urlaub, sagte ich mir ganz im Stillen.

Der Zug hielt kurz an und ruckelte dann weiter. Links und rechts prangten saftig-grüne Wiesen mit grasendem Vieh, und im Tal unten rauschten die durch die Schneeschmelze angeschwollenen Wasser des Inn. Links oben am Hang war jetzt das malerische und immer von Touristen belagerte Dorf Guarda zu sehen, doch kurz darauf verschluckte schon wieder das Schwarz einer Tunnelröhre die Sicht. Kurz nach dem Tunnel hielt der Zug in Ardez.

Ich schaute hinaus und sah die auf einem Felskopf hoch über dem Dorf thronende Ruine Steinsberg. Da will ich bald einmal hinaufsteigen, dachte ich. Wer weiss, was für seltene Pflanzen vielleicht auf diesem steilen, trockenen Hügel wachsen?

Zehn Minuten später erreichte der Zug den Endbahnhof Scuol. Endlich! Endlich am Urlaubsort, sagte ich mir. Weg vom Job, weg von allen lästigen Verpflichtungen des Alltags.

Zwei Wochen lang nur das tun, was mir wirklich Spass macht!

Ich blieb eine Weile auf dem Bahnhofplatz stehen, neben mir der grosse Koffer, hinter mir ein arbeitsreiches Frühjahr, vor mir die grosse Freiheit… Ich hatte mir vorgenommen, täglich auf Exkursion zu gehen und die Flora und Fauna des Unterengadins gründlich kennenzulernen. Wenn nur das Wetter weiterhin so gut mitmachte!

Neben dem Kiosk entdeckte ich ein riesiges Werbeplakat: Ja zum neuen Jagdgesetz!, hiess es in blutroter Schrift, und darunter war eine friedlich weidende Schafherde abgebildet. Im Hintergrund stand, auf einem Felskopf, ein Wolf mit zusammengebundener Schnauze und blickte sehnsüchtig zu den Schafen hin. Offensichtlich stand hier eine Volksabstimmung zu einem Jagdgesetz an, davon hatte ich bisher nichts gewusst.

Plötzlich fühlte ich mich unsicher. Habe ich mein Hotel wohl richtig gewählt, fragte ich mich. Lange hatte ich im Internet nach einer passenden Unterkunft in Scuol gesucht. Und da, ganz unverhofft, hatte mich dieses Cratschla angelacht. Ein kleines Hotel, offenbar erst kürzlich wieder eröffnet, mit vierzehn Zimmern und einem Restaurant, von einer Frau namens Carla Caduff geführt. Ohne zu wissen, was der Name des Hotels bedeutete, hatte ich spontan gebucht. Aber… War es doch ein Fehler gewesen, ganz ins Blaue hinein zwei volle Wochen zu buchen? Wenn ich mich nun dort nicht so wohl fühlte wie erhofft? Ach was, hör doch auf, immer gleich mit dem Schlimmsten zu rechnen, ermahnte ich mich energisch. Denk ein bisschen positiv!

Knappe zehn Minuten zu Fuss vom Bahnhof, hatte es geheissen. Ich packte meinen Rollkoffer und folgte dem Wegweiser.

Der Fussweg führte mich an der neuen Jugendherberge vorbei und dann abwärts zur Hauptstrasse. Neben dem Coop-Supermarkt starrte mich erneut ein riesengrosses Plakat an: Nein zum neuen Jagdgesetz!, hiess es diesmal. Auch hier war eine Schafherde abgebildet, diese aber wurde von zwei Hirtenhunden bewacht, und der weiter hinten zu sehende Wolf machte zähnefletschend ein enttäuschtes Gesicht. Aha, konstatierte ich, offensichtlich ist dieses Jagdgesetz höchst umstritten! Nach weiteren hundert Metern musste ich rechts talwärts auf einen ziemlich steilen, geschotterten Weg einbiegen. Und ganz plötzlich stand ich vor dem Hotel. Die Fassade wurde dominiert durch einen überdimensionierten, schräg nach rechts oben laufenden Schriftzug: Cratschla. Eine originelle Idee, sagte ich mir, eine Art von moderner Adaptation der klassischen Sgraffiti an den Engadiner Häusern. Oberhalb des Schriftzuges war eine farbige Berglandschaft gemalt, mit Bäumen, Alphütten, weidenden Rindern und Felsgipfeln. Weit über den Bäumen war ein mächtiger Vogel mit ausgebreiteten Flügeln zu sehen. Ja, den kenne ich gut, freute ich mich.

Cratschla nennt man also auf Rätoromanisch den Tannenhäher!

Ich trat durch den weit geöffneten Hoteleingang. Eine schlanke Frau, vielleicht fünfzig Jahre alt, in Jeans und weitem gelbem Pullover jugendlich-locker gekleidet, stand in der kleinen Halle und machte eine Geste des Willkommens.

«Herr Reto Widmer?», fragte sie, und ihr Lächeln erhellte wohltuend den Raum. Ich nickte, und sie drückte mir warm die Hand.

«Herzlich willkommen in meinem kleinen Hotel», sagte sie und strich sich die blonden Haare aus der Stirn. «Ich heisse Carla Caduff, und ich zeige Ihnen gleich Ihr Zimmer im zweiten Stock.» Ich packte meinen Koffer und folgte ihr zum Lift.

Es war die hinterste Tür rechts im Flur, die sie öffnete. Das Zimmer war grösser, als ich es erwartet hatte, und angenehm praktisch möbliert.

«Oh, wie schön!», rief ich spontan aus, «genau das Richtige für einen erholsamen Urlaub. Und dann diese Aussicht!»

Ich war auf den Balkon getreten und blickte mich um. Vor mir breitete sich der alte Dorfkern von Scuol mit seinen traditionellen Bauernhäusern aus. Meterdicke Mauern, schräge kleine Fensteröffnungen, breite halbrunde Eingangstore, Sgraffiti in allen Formen und Variationen. Jenseits des Dorfkerns, hinter der auf einem Felssporn thronenden Kirche mit dem markanten schlanken Turm, fiel das Gelände steil ab zum Inn hinunter, und jenseits des Flusses erhoben sich die beinahe zweitausend Meter hohen Felswände der Unterengadiner Dolomiten in den blauen Himmel. Die oberen Partien der Dreitausender zeigten noch ausgedehnte Schneereste vom vergangenen Winter.

«Es freut mich, dass es Ihnen gefällt», sagte die Hotelwirtin, «und ganz besonders, dass Sie gerade zwei Wochen gebucht haben. Wissen Sie, heutzutage geht der Trend zu immer spontanerem und kürzerem Urlaub. Die meisten Gäste bleiben nur zwei oder drei Nächte am selben Ort.»

Ich war wieder ins Zimmer getreten. «Ja, das hört man überall. Sieht es denn schlecht aus für die kommende Sommersaison?», fragte ich, und dabei fiel mir auf, dass Carla Caduff nur wenig kleiner war als ich, und dass sie ausser den leuchtendrot angemalten Lippen keine Schminke und keinen Schmuck trug.

«Eigentlich nicht», antwortete sie, «der Buchungsstand ist ziemlich gut. Aber die häufigen Zimmerwechsel geben eben mehr Arbeit für mich und für das Personal. Und die Zimmerpreise zu erhöhen, liegt bei der grossen Konkurrenz im Hotelsektor auch nicht drin.»

«Ja, das verstehe ich. Sind Sie denn schon lange Hotelchefin?»

Carla Caduff liess ein herzliches Lachen hören. «Oh nein, ich bin ja sozusagen noch Anfängerin! Wissen Sie, das Ganze kam so: Nach der Scheidung von meinem Ehemann Peider, das war vor bald drei Jahren, wollte ich mir um jeden Preis etwas Eigenes erarbeiten. Unsere beiden Kinder, Nadja und Jon, sind ja schon in den oberen Gymnasialklassen und recht selbstständig.

Und was das Finanzielle betrifft… Da hat sich Peider sehr grosszügig gezeigt. Allerdings war das bei seinem guten Einkommen aus der Anwaltskanzlei auch nicht weiter schmerzlich für ihn… Aber lassen wir das. Jedenfalls bezahlt Peider alle Ausgaben für die Kinder, und mir hat er einen fairen Kredit gewährt, um dieses Hotel zu kaufen und renovieren zu lassen. Sie hätten sehen sollen, in welchem Zustand die Räume vorher waren… Aber letztlich ist alles gut gekommen, und seit letztem Dezember haben wir Gäste im Haus.»

«Ja, das Haus ist sehr geschmackvoll renoviert», bestätigte ich. «Oh, da ist ja noch jemand.»

Ich war ein klein wenig zusammengezuckt. Eine pechschwarze Katze kam, ihren Schwanz senkrecht in die Höhe gestreckt, den Flur entlang getrottet. Sie strich zuerst, leise miauend, Carla Caduff um die Beine und blickte dann misstrauisch zu mir hoch. Ich wollte mich bücken, um sie zu streicheln, doch sie liess einen kleinen Faucher hören und zog sich hinter ihre Herrin zurück.

«Er ist zu Beginn etwas vorsichtig», meinte diese lächelnd, «unser Hotel-Kater Jerry. Aber nach einer Weile wird er zutraulich. Sie werden sehen, in zwei Tagen hüpft er freiwillig auf ihren Schoss und lässt sich genüsslich kraulen. Falls Sie überhaupt Katzen mögen.»

«Oh ja, wirklich… Jedenfalls lieber als Hunde. Die wären mir zu fordernd und zu wenig selbstständig.» Jerry hatte sich schon ein wenig beruhigt. Er sass jetzt aufrecht neben Carlas linkem Bein und putzte sich die Pfoten.

Carla schaute auf die Uhr. «Oh je! Entschuldigen Sie, Herr Widmer, ich muss dringend nach unten, um nach dem Rechten zu sehen. Bis später dann!»

Ich sah ihr nach, wie sie, gefolgt von ihrem Kater, leicht wippend den Flur entlang ging. Carla Caduff hatte mir Eindruck gemacht. Sie weiss genau, was sie will, und bleibt dabei doch spontan und herzlich, eine sympathische Kombination, sagte ich mir. Und was sie mir schon in den ersten zehn Minuten unserer Bekanntschaft aus ihrem Privatleben erzählt hatte, ohne mich dabei selber nach irgendetwas zu fragen! Jetzt war ich überzeugt, die richtige Wahl für meine Urlaubsunterkunft gefunden zu haben. Bester Laune begann ich, meinen Koffer auszupacken.

Viele Jahre früher

Ich erinnere mich daran, als ob es gestern gewesen wäre. Nein, das stimmt nicht. Als ob es heute wäre!

Ich bin gerade gross genug, um über das Geländer unseres winzigen Balkons zu blicken. Und du? Euer Haus auf der anderen Seite der Strasse leuchtet hell in der Sommersonne, und die rot-weiss gestreifte Markise beschattet die grosse Terrasse. Du sitzt inmitten des grossen Gartens auf der roten Schaukel, die am stärksten Ast des Apfelbaums hängt, und trällerst ein Liedchen vor dich hin. Komm, ruft deine Mutter von der Terrasse her, komm her, es gibt Kuchen und Sirup. Du rennst los, und deine Mutter nimmt dich lachend in die Arme.

Warum lebst du in einem grossen neuen Haus, und ich nur in einer so kleinen Wohnung im vierten Stock eines alten Blocks? Warum ist deine Mutter immer zuhause, nimmt dich in die Arme und macht dir den Sirup bereit? Und warum muss meine Mutter putzen gehen, und niemand ist da, wenn ich vom Kindergarten heimkomme? Und warum gibt dir dein Vater einen Kuss, immer wenn er abends von der Arbeit kommt, und mein Vater ist überhaupt nie da? Bin ich etwa weniger wert als du?

Sonntag, 15. Juni

Vanessa Manzoni drehte sich im Bett herum, legte ihren linken Arm um Peider Caduffs Schulter und drückte sich an seinen Rücken.

«Liebling, ach mein Liebling», flüsterte sie und räkelte sich hin und her.

«Was ist….?», murmelte Peider, drehte sich um und dämmerte wieder weg.

Aber Vanessa liess nicht locker. Jetzt, am frühen Morgen, war die Zeit für den besten Sex, das wusste sie aus Erfahrung.

Abends, vor dem Einschlafen, war Peider meist zu nichts mehr zu gebrauchen. Und gestern war auch sie selber spät vom Dienst heimgekehrt und müde gewesen. Aber nach einigen Stunden Schlaf, wenn es im Zimmer nach und nach heller wurde, da war der ideale Zeitpunkt gekommen. Sie richtete sich halb auf, griff hinüber und machte sich ganz sanft an seinem besten Stück zu schaffen…

Eine halbe Stunde später schienen die ersten Sonnenstrahlen durch den Vorhangspalt ins Schlafzimmer hinein.

«Vanessa, mein Liebling, war das schön!» Peider legte sich auf den Rücken und lockerte die Bettdecke. «Ach, ich könnte ewig bei dir bleiben…»

«Das wirst du hoffentlich auch!», stiess Vanessa aus, «wir gehören doch zusammen!» Sie richtete sich auf, stieg aus dem Bett und verschwand im Badezimmer.

Als sie zurückkam, war Peider schon wieder eingeschlafen.

Sie setzte sich auf die Bettkante und strich ihm über das dunkle gelockte Haar. Auf Stirn und Scheitel wies seine Haarpracht schon grössere Lücken auf. Aber das störte Vanessa nicht. Zart fuhr sie mit den Fingerspitzen über die gelichteten Stellen. Dann drückte sie mit dem Daumen seine Nase platt.

«He, mein kleiner Faulpelz, es ist Zeit!»

«Ist heute nicht Sonntag?», murmelte Peider und versuchte, sich auf die andere Seite zu drehen.

Aber Vanessa war schneller und legte sich ihm quer über den Bauch. «Eben!», sagte sie triumphierend, «Sonntag früh gehen wir immer eine Stunde laufen. Und zwar vor dem Frühstück.»

«Muss das sein?», maulte Peider, «was meinst du, wie schön jetzt ein gemütliches Sonntagsfrühstück wäre?»

«Machen wir, aber erst nach dem Laufen. Das ist wesentlich gesünder.»

«Ja, ja, das erzählst du immer. Der Steinzeitmensch musste doch auch zuerst sein Frühstück jagen gehen, ist dein ewig wiederkehrendes Argument…»

Vanessa hatte Peider unterdessen zum Sitzen hochgezogen und strich sich die gelockten dunkelblonden Haare aus dem Gesicht. «Glaube mir doch endlich, Liebling. Schliesslich bin ich Ärztin. Und es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Intervallfasten…»

Peider verdrehte die Augen. «Ja, ich weiss, sechzehn Stunden ohne Nahrung, eine Tortur…»

Vanessa kniff ihn in den Oberarm. «…dass also Intervallfasten zur Gesundheit beiträgt, weil die Körperzellen nach vierzehn Stunden Fasten sozusagen ihren eigenen Abfall zu entsorgen beginnen.»

«Also gut», lenkte Peider ein und schwang seine Beine über die Bettkante. «Es ist ja auch keine Schande, sich von einer wunderschönen und ebenso klugen Frau geschlagen zu geben.»

Vanessa lächelte und küsste ihn auf beide Augen. «Kleiner Schmeichler… Aber komm jetzt!»

«Gottseidank, ist jemand da! Ich hatte schon befürchtet, der Polizeiposten sei am Sonntag unbesetzt. Was hätte ich dann machen sollen? Die Notrufnummer einstellen?»

«Gute Frau, jetzt beruhigen Sie sich mal.» Polizist Franz Lechner fuhr sich mit den Fingern durch seinen blonden Haarschopf. Sein Dialekt liess immer noch den gebürtigen Österreicher erkennen, obwohl er mit seiner Familie seit langem im Engadin wohnte und unterdessen Schweizer Bürger war. «Natürlich sind wir auch am Sonntag ansprechbar. Worum geht es denn?»

«Nun, ich heisse Carla Caduff, und ich muss leider eine Vermisstmeldung abgeben.»

«Oh, Sie vermissen jemanden? Moment.» Lechner setzte sich vor den Bildschirm, tippte etwas ein und suchte nach dem richtigen Formular. «Und wie heissen Sie, haben Sie gesagt?»

«Tun Sie doch nicht so, als ob Sie mich nicht kennten, Herr Polizist Lechner! Ich bin Carla Caduff und wohne seit immerhin acht Jahren hier in Scuol. Und jetzt bin ich in grosser Sorge. Letzten Mittwoch reiste Madlaina Morell, eine langjährige Freundin aus Chur, hierher, um einige Tage in meinem Hotel, dem Cratschla, zu verbringen. Gestern Abend brach sie nach dem Essen zu einem Spaziergang auf. Und seither ist sie verschwunden. Verstehen Sie? Spurlos verschwunden! Ohne jede Nachricht!»

«Ja, ja, ich habe schon verstanden», brummte der Polizist und tippte etwas in seinen Computer. «Und Sie haben überprüft, ob die Vermisste nicht vielleicht nach Hause gefahren ist?»

«Also hören Sie mal! Madlaina ist keine, die einfach abhaut.

Und wenn, dann hätte sie sich längst bei mir gemeldet.»

Lechner liess sich nicht aus der Ruhe bringen. «Können Sie mir diese Frau… Morell beschreiben? Oder haben Sie, noch besser, ein Foto von ihr?»

«Ein Foto…Moment…» Carla drückte eine Weile auf ihrem Handy herum. «Ah ja, hier bitte.»

Lechner nahm das Handy entgegen, erhob sich und ging zum Drucker hinüber. «Dann scannen wir das doch mal ein.»

Seine Miene erhellte sich. «Oh, eine durchaus hübsche Frau ist das. Ich würde sagen, um die vierzig, schlank, mittelgross, schulterlange, hellbraune Haare, braune Augen…»

Carla verbiss sich einen Kommentar und drückte ihre Wut hinunter. Was sich dieser unsensible Typ doch erlaubte!

Lechner hatte sich wieder vor seinen Bildschirm gesetzt.

«Was trug sie denn gestern Abend, als sie zu diesem Spaziergang aufbrach?»

«Helle Wanderhosen, ein rot-weiss gestreiftes T-Shirt und eine leichte hellblaue Jacke.»

«Schmuck?»

«Nur ihre Perlenohrringe, die sie immer trägt.»

«Und wohin sollte dieser… Abendspaziergang führen?»

«Madlaina sagte, sie wolle den Wanderweg nach Sent nehmen und dann mit dem Bus zurückfahren. Aber ob sie das auch so gemacht hat? Jedenfalls hat sie die Nacht nicht im Hotel verbracht, ihr Bett ist unberührt.»

«Gut», sagte Lechner, nahm seine Finger von der Tastatur und schaute missmutig auf. «Ich habe alles ins System eingegeben. Die Vermisstmeldung geht an alle Dienststellen im Land.

Geben Sie mir noch Ihre Telefonnummer, damit wir Sie wenn nötig kontaktieren können.»

Carla schrieb ihm die Nummer auf und verabschiedete sich kühl.

Ein merkwürdiger Typ, dieser Franz Lechner, dachte Carla, als sie durch die beinahe leere Dorfstrasse zurück zu ihrem Hotel ging. Am einen Tag kann er freundlich und zuvorkommend sein, am nächsten wiederum ist er bärbeissig und ungeduldig.

Aber das bestätigten alle Leute, die ihn kannten. Es stand ihr nicht zu, dies zu verurteilen, das war ihr klar. Hatte er persönliche Probleme, vielleicht ein krankes Kind oder Krach mit seiner Frau? Oder war dies einfach sein Charakter? Jedenfalls war es keine allzu gute Voraussetzung für den Polizeidienst in einem Dorf wie Scuol, sagte sie sich.

Carlas Gedanken wanderten wieder zu Madlaina, und sie rief sich die vergangenen Tage in Erinnerung. Sie hatte etliche Stunden zusammen mit ihrer alten Freundin verbracht. Hatte irgendetwas auf Madlainas bevorstehendes Verschwinden hingedeutet? War etwas Ungewöhnliches vorgefallen, hatte sie etwas Spezielles erwähnt? Nein, das nicht, sagte sich Carla, und trotzdem war Madlaina irgendwie anders gewesen als sonst. Es war schwierig, diesen Zustand in Worte zu fassen. War sie ernst gewesen, nachdenklich? Oder eher unruhig? Angespannt? Ja, das traf es am besten. Sie hatte angespannt gewirkt, so als ob sie etwas Schwieriges vor sich hätte.

Was könnte das wohl gewesen sein? Und hing es überhaupt mit ihrem Verschwinden zusammen? Nichts als offene Fragen! Carla merkte, wie ihr erneut die Tränen in die Augen schossen. Hätte sie doch früher gemerkt, dass mit Madlaina etwas nicht stimmte, und sie darauf angesprochen! Dann wäre vielleicht das Ganze nicht passiert! Es war einfach unmöglich, dass Madlaina ohne jede Nachricht abgereist war!

Carla spürte, wie sich ihr Herz schmerzhaft zusammenzog.

Und wenn wirklich etwas Schlimmes passiert war?

«Wann beginnt dein Dienst?», fragte Peider Caduff und belegte schon seine dritte Scheibe Brot mit Schinken.

Vanessa Manzoni sah ihn tadelnd an. «Liebling! Also einmal Schinken wäre genug gewesen. Magst du nicht noch etwas Joghurt? Oder eine Avocado?»

«Doch, doch, das hat dann auch noch Platz», erwiderte Peider kauend, «ich habe ja heute schon einen ganzen Berg von Kalorien verbrannt bei unserem Dauerlauf.»

Vanessa schenkte ihm ein Lächeln. «Ach ja, mein Dienst, hast du gefragt. Ab zwölf Uhr, bis neun Uhr abends, oder noch etwas länger, wenn viel los ist. Aber ich glaube, es wird heute ein ruhiger Sonntag. Momentan sind recht viele Betten in der Inneren Medizin unbesetzt. Gestern Abend kam allerdings noch eine Lungenembolie als Notfall herein, deshalb war ich erst gegen elf zuhause. Hast du mich überhaupt noch gehört?»

«Ich war schon eingeschlafen, aber ich erinnere mich schwach daran, wie du deine eiskalten Füsse an meinen Beinen wärmen wolltest.»

«Frechdachs!» rief Vanessa und hob drohend ihre Hand. Aber gleich darauf beugte sie sich vor und küsste ihn auf die Lippen.

Peider lächelte, griff sich eine Avocado, halbierte sie und begann sie auszulöffeln. «Sag mal ehrlich», fragte er schliesslich vorsichtig, «wird es dir nicht bald zu langweilig hier im kleinen Regionalspital in Scuol? Wirst du anderswohin wechseln müssen, um deinen beruflichen Ehrgeiz zu befriedigen?»

Vanessa führte genüsslich einen Löffel Joghurt mit frischen Himbeeren zum Mund. «Eine berechtigte Frage», antwortete sie schliesslich. «Längerfristig werde ich wohl in eine grössere Klinik wechseln müssen. Aber im Moment habe ich schon das Gefühl, hier in Scuol als Oberärztin in der Inneren Medizin noch viel lernen und bewirken zu können.»

Peider nickte betont langsam. «So, so, ein Wechsel steht irgendwann an. Und ich? Muss ich dir dann wohl nachziehen?»

Vanessa strich unwirsch einige Krümel von ihrem hellblauen Jupe weg. «Aber Peider! Jetzt wirst du doch bald Kantonsrichter, und in diesem hohen Amt kannst du sowieso nicht hier im hintersten Tal wohnen bleiben!»

«Meinst du? Also ich könnte mir das gut vorstellen.»

«Nein, das ginge auf keinen Fall. Als höchster Richter müsstest du natürlich in der Kantonshauptstadt Chur wohnen.» Vanessa zwirbelte mit beiden Händen an ihren dunkelblonden Locken herum. «Und weisst du, was wunderbar zu diesem ehrwürdigen Amt passen würde?» Sie wartete keine Antwort ab, sondern stand auf, stellte sich vor den Wandspiegel, drehte sich kokett um ihre Achse und zupfte an ihrer rosaroten Bluse herum. «Hier würde es stehen, genau hier.» Sie zeigte auf eine Stelle knapp oberhalb ihres linken Busens. «Dr. Vanessa Manzoni, Chefärztin Innere Medizin, Kantonsspital Chur.»

«Oh, eine tolle Vorstellung!», lachte Peider auf. «Na, wir werden ja sehen. Eine Karriere kann man nie in allen Details planen. Da spielen immer Zufälle eine Rolle.»

«Du sagst es. Aber man kann schon viel dafür tun, diese Zufälle für sich arbeiten zu lassen. Nur…» Vanessas Miene kippte plötzlich. «Sag mal, Peider: Wäre ich überhaupt gut genug für so einen Posten? Hätte ich die notwendige Führungskompetenz? Den Biss, mich überhaupt zu bewerben, mich gegen zahllose männliche Konkurrenten durchzusetzen? Was meinst du? Ich weiss es ehrlich nicht. Aber ich werde hart daran arbeiten!»

«Daran zweifle ich keinen Moment», bekräftigte Peider.

«Und ich sehe dich als absolut geeignet für so einen Posten.»

Vanessas Lächeln war wieder da. Aber es verschwand erneut, als Peider plötzlich ein grimmiges Gesicht aufsetzte.

«Ehrlich gesagt», brummte er, «was mich zurzeit stärker beschäftigt, ist meine anstehende Wahl zum Kantonsrichter. Ich fürchte, das wird nicht klappen. Also wenn diese leidige alte Geschichte, die damals in Chur passiert ist, jetzt an die Öffentlichkeit gelangt, dann wird mich der Kantonsrat niemals in diese Funktion wählen! Vielleicht verliere ich sogar mein Amt als Bezirksrichter hier im Unterengadin. Und wenn ich auf diese verdammte Erpressung eingehe, was ist dann? Habe ich dann endgültig Ruhe, oder wird es nie mehr aufhören mit immer neuen Forderungen? Und falls darauf diese alte Sache trotzdem irgendwann bekannt würde, hätte ich ganz vergeblich bezahlt?»

«Sei doch nicht so pessimistisch, Liebling.» Vanessa streichelte seinen Handrücken. «Ich glaube fest daran, dass alles gut wird. Hast du denn eigentlich vor, zu zahlen?»

Peider zuckte resigniert mit den Schultern. «Was bleibt mir denn anderes übrig?» Er knirschte hörbar mit den Zähnen.

«Diese verdammte Erpresserin!»

Das Frühstücksbuffet im Cratschla hatte keine Wünsche offengelassen. Frisch gestärkt war ich gegen halb zehn aufgebrochen, mit der Luftseilbahn nach Motta Naluns hochgefahren und hatte von dort den Höhenweg zur Alp Clünas unter die Füsse genommen. Jetzt, Mitte Juni, waren noch nicht sehr viele Wanderer unterwegs. Dafür leuchtete die Flora in einer einmaligen, farbenfrohen Pracht und Üppigkeit! Wie ich mir es vorgenommen hatte, legte ich keine Eile an den Tag, sondern blieb immer wieder stehen, bewunderte die auf der anderen Talseite in den blauen Himmel ragenden, wild gezackten Dolomit-Felswände, hielt mit meinem Fernglas Ausschau nach Vögeln oder Hirschen und notierte mir die Namen der Pflanzen, die am Wegrand wuchsen.

Als ich mich gegen ein Uhr zu einer Rast auf einen flachen Stein setzte, war meine Pflanzenliste auf beinahe hundert Arten angewachsen. Darunter waren auch einige seltenere Arten wie das fleischrote Läusekraut, der Schweizer Mannsschild und das Kärntner Felsenblümchen. An Vögeln hatte ich viele Steinschmätzer, einige Bergpieper und einen Steinadler beobachten können.

Und jetzt! Was segelt dort oben, vor jener Felswand?

Ich packe mein Fernglas und versuche, den weit entfernten Vogel scharf zu stellen. Tatsächlich: Es ist ein Bartgeier, der dort oben, jenseits des Tales, seine Kreise zieht, langsam und majestätisch, auf der Suche nach verendeten Tieren, um seinen Hunger zu stillen und vielleicht sein Junges zu füttern.

Plötzlich begann ich zu frösteln. Wie so oft bei sommerlichen Schönwetterlagen, türmten sich nachmittags den Bergen entlang mächtige Quellwolken in die Höhe. Sie verdeckten bereits die Sonne, und ein kühler Wind war aufgekommen. Zeit für den Weitermarsch! Der höchste Punkt der Wanderung lag hinter mir, und es ging nun stetig bergab bis zur Alp Laret.

Die Sonne war unterdessen wieder hervorgekommen, und ich genehmigte mir auf der Terrasse des Alprestaurants einen Kaffee. Meine Route führte mich dann, immer leicht abfallend, bis zur Alp Valmala und danach auf der anderen Talseite zurück in Richtung des Dorfes Ardez. Der Weg zog sich mächtig in die Länge. Hatte ich mich überfordert? Meine Beine wurden schwerer und schwerer, mein Durst grösser und grösser. Als ich einen kleinen, munter talwärts sprudelnden Bergbach erreichte, überwand ich meine Bedenken, ging auf die Knie, tauchte den Mund in den Bach und sog gierig das kalte Wasser ein. Noch selten hatte ich mich so herrlich erfrischt gefühlt! Munter ging ich weiter auf dem Pfad, und nach einer Stunde kam endlich das Dorf in Sicht. Und mit ihm auch der felsige Burghügel mit der Ruine Steinsberg, die das Dorf im Osten um beinahe hundert Meter überragt.

Der Fussweg führte nur wenige Meter neben den beinahe senkrechten Felsen des Burghügels vorbei. Wie immer schweifte mein Blick ganz automatisch über die Vegetation am Wegrand hinweg. Man wusste ja nie, wo sich vielleicht noch eine botanische Kostbarkeit verbergen könnte. Und tatsächlich! Dort, in einer Felsritze, sah ich kleine weisse Blüten, die ich auf den ersten Blick nicht erkannte. Wahrscheinlich ein Felsenblümchen, dachte ich, aber welche Art ist es? Dichtes Gestrüpp von Brennnesseln wucherte zwischen dem Strässchen und der Felswand. Mutig überstieg ich den niedrigen Lattenzaun, trat in das Dickicht hinein und passte auf, mit meinen nackten Unterarmen keine Brennnesseln zu streifen. Aha, sah ich jetzt, das Pflänzchen in der Felsritze hatte schon kleine grüne Schötchen gebildet. Sehr gut, damit sollte die genaue Bestimmung gelingen! Zu diesem Zweck zog ich mein Handy aus der hinteren Hosentasche und wollte nähertreten.

Mist!, stiess ich aus, als ich plötzlich ins Stolpern geriet. Aber das ist ja… Mein Herzschlag setzte aus: Es war kein Stein, über den ich beinahe hingefallen wäre. Nein, es war ein menschlicher Körper! Da lag, komplett versteckt im Gestrüpp, eine reglose Frau! Ich berührte mit den Fingerspitzen ihren Arm und zuckte zurück. Die Haut war eiskalt. Vergessen war das Felsenblümchen! Ich stakste zurück auf das Strässchen und tippte mit zitternden Fingern die Notrufnummer ein.

Das Warten kam mir lang vor. Ich wagte es nicht, zum Dorfbrunnen zu gehen, um meinen Durst zu stillen. Dabei war der Gedanke, jemand könnte in meiner Abwesenheit über die Leiche stolpern, reichlich unwahrscheinlich. Ich trat von einem Bein aufs andere und schaute umher, um mich abzulenken.

Hier in Ardez herrscht wirklich die ländliche Idylle pur, stellte ich zufrieden fest. Mir gegenüber stand ein altes Bauernhaus mit einem riesigen Garten. Im unteren Teil liefen bestimmt hundert Hühner der verschiedensten Rassen sowie einige Pfauen umher und pickten eifrig Würmer und Samen vom Boden auf.

Im oberen Teil hatten es sich etwa zwei Dutzend Ziegen auf der Wiese bequem gemacht und waren gemächlich am Wiederkäuen. Etwas weiter weg war ein wuchtiges, modernes Stallgebäude zu sehen, vor dem etliche, beinahe schwarze Rinder herumstanden, und links davon stand das Dorfschulhaus. Merkwürdig, dass sich kein Mensch auf der Strasse zeigt, dachte ich.

Das Dorf wirkte an diesem Sonntagnachmittag wie ausgestorben. Wenn nur die Polizei bald einträfe! Aber jetzt tat sich doch etwas. Die halbrunde Tür des klassischen Engadinerhauses zu meiner Linken öffnete sich, und eine alte Frau schlurfte, auf einen Stock gestützt, in meine Richtung. Ich grüsste sie mit einem hier üblichen Allegra!, sie nickte mir freundlich zu und verschwand im nächsten Gässchen. Zum Glück hatte sie die tote Frau nicht bemerkt!

Endlich war Motorengeräusch zu hören, ein Auto der Bündner Kantonspolizei fuhr heran, und zwei Männer stiegen aus.

«Guten Tag», sagte ich und wies mit einem Arm auf das Gestrüpp hinter mir. «Ich habe Sie angerufen wegen dieser… toten Frau.»

«Dario Clalüna, Leiter Polizeiposten Scuol», stellte sich der ältere vor, «und das ist mein Assistent Franz Lechner. Und Sie müssten demnach Herr Widmer sein.»

Ich nickte bloss.

«Dann wollen wir mal», sagte Clalüna, stieg über den Zaun, stakste ins Gestrüpp hinein und beugte sich über den zusammengekrümmten Körper. «Oh, das sieht übel aus», rief er, «Franz, wir brauchen auf jeden Fall einen Arzt und den Spurensicherungsdienst. Und die Leiche muss danach so schnell wie möglich nach Chur in die Pathologie.»

Clalüna kam zurück, während Lechner schon am Telefon hing. «Und von Ihnen brauchen wir die Personalien, damit alles seinen korrekten Gang geht.»

Zum Glück hatte ich noch einige Visitenkarten in meinem Geldbeutel und überreichte dem Polizisten eine davon. «Und übrigens, ich logiere in Scuol im Cratschla