Sterbenstörtchen - Beate Ferchländer - E-Book

Sterbenstörtchen E-Book

Beate Ferchländer

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  • Herausgeber: Emons Verlag
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2019
Beschreibung

Süß, köstlich, tödlich Hanna und ihre Schwestern haben eines gemein: ein schlechtes Händchen in der Wahl ihrer Ehemänner. Doch eine Trennung ist eine mühsame Prozedur. Als ihre sterbenskranke Mutter ankündigt, nur jenen Töchtern etwas zu vererben, die zum Zeitpunkt ihres Todes ohne Mann Kind, kommt Bewegung in die Sache. Während Hanna noch zögert, die Scheidung einzureichen, stirbt der erste Schwager ...

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Seitenzahl: 477

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Beate Ferchländer wurde in Scheibbs, Niederösterreich, geboren. Als Lehrerin verschlug es sie ins Weinviertel, wo sie noch heute mit ihrem Mann und dem Bio-Kater Tofu lebt. Da sich dort die spannenden Fragen ausschließlich um den Wein drehen, verstrickt sie seit einiger Zeit biedere Heldinnen in kriminelle Geschichten, aus denen sie ohne die hilfreiche Phantasie der Autorin wahrscheinlich nicht mehr herauskämen.

Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.

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© 2019 Emons Verlag GmbH

Alle Rechte vorbehalten

Umschlagmotiv: Montage aus mauritius images/Westend61/Thomas Jäger; shutterstock.com/Thaiview

Umschlaggestaltung: Nina Schäfer, nach einem Konzept von Leonardo Magrelli und Nina Schäfer

Umsetzung: Tobias Doetsch

Lektorat: Uta Rupprecht

eBook-Erstellung: CPI books GmbH, Leck

ISBN 978-3-96041-490-2

Originalausgabe

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Dieser Roman wurde vermittelt durch die Verlagsagentur Lianne Kolf, München.

Für Dorli und Lisi: best sisters ever!

Wie weit würdest du für deine Schwester gehen?

Ehe man sich’s versieht

Alle glücklichen Bräute ähneln einander, jede unglückliche Braut hingegen ist auf ihre eigene, ganz persönliche Weise unglücklich.

Am Morgen meiner Hochzeit wog ich neunundvierzig Komma fünf Kilogramm, meine BH-Größe war auf 75B geschrumpft, das Brautkleid saß wie eine zweite Haut. Ich hätte im siebten Himmel sein müssen, hatte ich es doch tatsächlich geschafft, mich auf Kleidergröße 36 hinunterzuhungern. Und dennoch entkam mir beim Blick in den Spiegel ein Schrei, laut genug, um die örtliche Feuerwehr zu alarmieren. Auf meinem Rücken hatte sich über Nacht ein rätselhafter Ausschlag gebildet, rot sprenkelte er sich in kleinen, unregelmäßigen Quaddeln vom Gesäß an aufwärts und zwischen den Schulterblättern hindurch bis knapp unter den Hals. Meine Rückseite sah aus wie eine Seekarte, auf der einige kleine Inseln eingezeichnet waren.

Mama und Gerda stürzten praktisch gleichzeitig ins Zimmer.

»Was ist passiert, um Gottes willen?«, keuchte Mama. In einer Hand hielt sie einen ihrer grünen Lockenwickler, der sich anscheinend frühzeitig gelöst hatte, mit der anderen raffte sie den Morgenmantel vor ihrem üppigen Busen zusammen.

Als sie meine entstellte Hinteransicht in voller Blüte erblickte, seufzte sie: »Du meine Güte«, und ließ den Lockenwickler fallen.

Gerda sagte zunächst gar nichts, sie glotzte mich nur ungläubig an. Erst als im Nebenzimmer ein jämmerliches Gequäke einsetzte, fand sie ihre Sprache wieder.

»Na bestens, jetzt hast du Luki geweckt.«

Seit dieses Baby auf der Welt war, hatte sie nichts anderes mehr im Sinn. Alles, was ihr einmal wichtig gewesen war, schien ihr nun egal zu sein. Dabei hatte Mama nur wenige Wochen vor Lukis Geburt unserer kleinen Schwester Paula das Leben geschenkt, und obwohl sie schon so alt war, machte sie kein solches Getue um ihr Baby.

»Der hört schon wieder auf«, herrschte Mama sie an. »Das hier ist im Moment das dringlichere Problem.«

Mamas Mitgefühl trieb mir erst recht die Tränen in die Augen. Schluchzend warf ich mich aufs Bett. Niemand außer einer Mutter hätte das Kauderwelsch verstehen können, das ich in das Kissen heulte.

»Natürlich wirst du heiraten«, tröstete sie mich. »Wir lassen uns etwas einfallen.«

»Hab ich dich nicht davor gewarnt, ein rückenfreies Kleid auszusuchen, bei deinen Hautproblemen?« Diese besserwisserische Bemerkung meiner Schwester war das Letzte, was ich jetzt brauchen konnte. Ich krallte die Finger ins Kopfkissen, packte das Teil und schleuderte es ihr ins Gesicht. Ich glaube, ich wäre ihr an die Gurgel gefahren, wenn unsere Mutter nicht dazwischengegangen wäre.

»Geh und kümmere dich um dein Balg!«, herrschte sie Gerda an. »Wir reden später.«

»Er ist kein Balg!«, schrie Gerda und knallte die Tür hinter sich zu.

Mamas Wortwahl überraschte mich trotz meines Kummers. Der Makel eines in Sünde gezeugten Kindes haftete ohnehin schmerzlich an meiner Schwester, schließlich war sie immer unsere Heiligste gewesen. Die Sonntage, an denen sie der Messe ferngeblieben war, ließen sich garantiert an einer Hand abzählen. Umso verwunderlicher war es für die Gemeinde gewesen, als ausgerechnet die fromme Gerda bei ihrer Vermählung nicht nur ein Brautbukett, sondern auch ein kleines Bäuchlein vor sich hertrug.

Gerda hatte enorm darunter gelitten, dass so manches junge Mädchen während der Zeremonie hämisch grinste und man am Stammtisch ungeniert von ihrem »Rauschkind« sprach, das sie von der Saison mitgebracht hatte. Anders konnte man es sich einfach nicht erklären, warum die schöne, stolze Hotelierstochter sich ausgerechnet von diesem dahergelaufenen Idioten von einem Masseur hatte schwängern lassen, einem Piefke, der aussah wie ein verhungerter Schiffbrüchiger. Dabei hätte sie zu Hause doch jeden haben können.

Auch wir waren aus allen Wolken gefallen, aber ich wusste, dass es nicht der Alkohol gewesen sein konnte, denn Gerda trank nicht. Sie verabscheute Betrunkene, nicht nur wegen Papa. Zu oft hatte sie in der Gaststube miterleben müssen, wie der Schnaps biedere Ehemänner in hilflos lallende oder aggressive Tiere verwandelte. Für mich gab es daher nur eine Erklärung: dass Reinhold begnadete Hände hatte.

Wahrscheinlich hatte er den katholischen Moralpanzer meiner Schwester kurzerhand wegmassiert und sie auf diese Weise rumgekriegt. Dass er sie dann heiraten musste, wurde nicht einmal diskutiert. Und so kam es, dass eineinhalb Jahre zuvor Gerdas Brautkleid den Umständen entsprechend weit weniger sexy gewesen war als meines. Diese Tatsache brachte mir in meiner Situation keine Erleichterung. Im Gegenteil – es war zum Heulen. Warum gönnte mir das Schicksal nicht, wenigstens ein einziges Mal in meinem Leben schlanker und hübscher zu sein als meine Schwester?

Mamas harte Worte hatte sie trotzdem nicht verdient. Immerhin half Gerda später tatkräftig mit, meinen Auftritt zu retten. Nachdem die beiden den Ausschlag mit Salben und Puder beruhigt hatten, machten sie sich an die Deko. Aus einer Gardine bastelten sie mir eine Stola, und die Seitenschleife, die meine – unter unmenschlichen Entbehrungen erworbene – Wespentaille hätte betonen sollen, wurde ruckzuck nach hinten versetzt.

Ich ließ alles willenlos über mich ergehen. Das lag wohl auch an der Überdosis Baldriantropfen, die Mama mir verabreicht hatte. Dennoch war ich mir des Ergebnisses vollauf bewusst: Mein verführerisches Rückendekolleté wurde mit einer Schleife zu Grabe getragen. Mit einer gigantischen Masche über dem Po und einem Vorhang um die Schultern trat ich vor den Traualtar. Die Hochzeitsgesellschaft starrte zwei Stunden lang auf ein Päckchen, das der Bräutigam demnächst auswickeln würde. Steif und verbissen umklammerte ich meinen Brautstrauß, weil die Schlaufe bei jeder kleinsten Bewegung am Ausschlag rieb und ihn erneut zum Jucken brachte. Selbst Willis Hochzeitskuss, der Augenblick, den ich monatelang herbeigesehnt hatte, brachte – im Angesicht des Herrn und vieler sensationslüsterner Hochzeitsgäste – nur kurzfristig Erleichterung.

Erst an der Hochzeitstafel konnte ich das erste Mal ein wenig entspannen, da sich die Aufmerksamkeit der Versammlung nun auf das Essen und nicht auf meine heimlichen Kratzversuche an der Stuhllehne richtete. Als Papa allerdings in seiner heuchlerischen Rede vom »schönsten Tag im Leben einer jungen Frau« schwafelte, hätte ich ihm am liebsten die Sektflöte an den Kopf geworfen, Rollstuhl hin oder her. Aber wie immer schluckte ich meine Gefühle tapfer hinunter und zwang mich zu einem Lächeln. Zumindest auf den Fotos wollte ich glücklich aussehen. Wenn ich sie mir später wieder ansah, würde ich mein Unglück längst vergessen haben und der schlimmste Tag meines Lebens in die Verklärung der Vergangenheit getaucht sein.

Was für eine naive Vorstellung!

Dreißig Jahre später und ebenso viele Kilogramm schwerer hatte ich Probleme ganz anderer Natur, und mir war, als wäre mein Hochzeitstag eventuell doch einer der schönsten Tage unserer Ehe gewesen.

Während der Hautarzt den Ausschlag damals den Hormonen zugeschrieben hatte, waren meine Pickel heute vorwiegend dem Küchendunst und der Schokolade geschuldet. Darüber hinaus quollen an allen möglichen Stellen meines Körpers üppige Rollen hervor, die von keiner Schleife der Welt verdeckt werden konnten.

Das »Bing-Bong« der Schwingtür schubste mich aus meinen trübseligen Gedanken zurück in den Alltag.

»Einmal das Steakmenü, einmal das Schulterscherzerl mit Rahmspinat, aber statt der Rösti Pommes, ein Cordon bleu ohne Käse – wohlgemerkt, ohne Käse! Und ein Kinderschnitzerl für den alten Georg. Und zwar pronto, wenn’s geht.« Willi warf mir die Kassenbons an die Speisetheke. Sie in die dafür vorgesehene Klemmleiste zu stecken, das war meinem Herrn Gemahl schon wieder zu viel Aufwand. Erst letzte Woche war ein Zettel unter die Anrichte geflattert, und natürlich war dann wieder ich schuld gewesen, als der Gast sich bei ihm beschwerte, weil er so lange aufs Essen warten musste.

»Mit oder ohne Erdäpfelsalat?«

Die Antwort kannte nur der Wind, welchen die Türflügel erzeugten, durch die Willi bereits ins Gastzimmer zurückgeschwungen war. Das bedeutete für mich also: Brille hervorkramen, putzen, weil völlig verschmiert, entsprechenden Bon suchen und mühsam nachlesen. Aufpassen, dass das Steak am Grill in der Zwischenzeit nicht zu durchgebraten wurde. Zu dumm, dass meine Köchin Marie sich ausgerechnet heute krankgemeldet hatte. Mein Lehrbub, der kleine Nedzad, war zwar sehr bemüht, aber er hatte von traditioneller österreichischer Küche wenig Ahnung und lernte nur langsam. Ich war schon froh, wenn er den Salat ordentlich putzte.

Seufzend plattierte ich ein Schnitzel, belegte es mit einer Scheibe Schinken, klappte es zusammen und zog es durch Mehl, Ei und Brösel. Ob Gäste eigentlich wussten, wie viel Mehrarbeit Extrabestellungen dem Küchenpersonal machten?

Das Steak fürs Menü hatte nun auch genug geruht. Aber wo blieb Willi? Hatte er die Klingel nicht gehört, oder war er wieder einmal am Flirten? Wenn er nicht bald erschien, war das Fleisch zäh wie Leder.

»Komm ja schon. Was bist denn so nervös heute – nur weil die Verwandtschaft kommt?«

Willi schnappte sich das Steak und einen gemischten Salat.

»Die Schnitzel kannst auch gleich holen«, rief ich ihm nach, aber da hatte ihn die Schwingtür bereits wieder ins Lokal gestoßen.

Dafür segelte Lenka, das blonde Gift, mit der nächsten Bestellung herein.

»Einmal Mänie eins, Rostbraten mit frische Zwiebel, einmal Hirtenspieß und zweimal Schweinsbraten mit Knedel und Sauerkraut.« Sie steckte zwar brav die Zettel in die Leiste, wollte sich aber sogleich wieder aus dem Staub machen.

»Du kannst die Suppe fürs Menü und die beiden Schnitzel gleich mitnehmen. Nie leer gehen! Hat man dir das in der tschechischen Hotelfachschule nicht beigebracht?«

Lenka verdrehte die Augen, schnappte sich ein paar Pommes und steckte sie sich in den Mund, bevor sie die beiden Teller auf ihren linken Arm stapelte. Die Suppe nahm sie mit der Rechten.

»Tisch finf?«, fragte sie kauend.

»Steht ja auf dem Bon«, keifte ich sie an.

Fahrig warf ich ein paar Zwiebelringe zum Rösten in die Pfanne. Willi hatte schon recht gehabt: Ich war nervös, aber nicht wegen der Verwandtschaft. Es waren Mamas Andeutungen von heute Morgen, die mir die Konzentration raubten.

»Wenn deine beiden Schwestern da sind, dann kommt bitte alle drei umgehend zu mir herauf. Ich hab euch etwas Wichtiges mitzuteilen.«

Augenblicklich hatte mein Pulsschlag sich verdoppelt. Endlich! Nach jahrelangem erfolglosen Drängen würde sie mir also doch die Wirtschaft überschreiben.

Ich möchte gar nicht wissen, wie oft Daniel, der Anwalt und Freund der Familie, gebetsmühlenartig auf sie eingeredet hatte: »So ein Betrieb muss ordnungsgemäß übergeben werden, Dolores, sonst schluckt die Erbschaftssteuer einen großen Teil des Vermögens.«

Zwecklos. Mama war stur geblieben. War sie nun angesichts ihres achtzigsten Geburtstags zur Vernunft gekommen? Oder war es die Beinamputation gewesen, die ihr die Dringlichkeit der Sache endlich bewusst gemacht hatte? Wie auch immer, in einigen Stunden würde ich mehr wissen.

Gedankenverloren schaltete ich die Platte hoch. Die Zwiebelringe wollten und wollten nicht ordentlich bräunen, dabei hatte ich den Rostbraten schon auf dem Grill. In der Zwischenzeit konnte ich ja mal die beiden Schweinsbraten anrichten.

Schon beim Öffnen des Rohres begeisterte mich das herrliche Fleischaroma. Ich wusste, dass mir der Braten wieder hervorragend gelungen war. Feinster Schopf vom Bioschweinderl, liebevoll eingerieben mit Knoblauch und Kümmel, saftige Knochen bei niedriger Temperatur mitgegart. Wem wäre da nicht sofort das Wasser im Mund zusammengelaufen?

Mit einer Hand fischte ich mir ein kleines Rippchen aus dem Bräter und nagte es genüsslich ab. Qualitätsproben konnte man gar nicht oft genug nehmen. Wenigstens bezüglich meiner Kochkünste hagelte es selten Kritik, obwohl meinen Schwestern der Braten natürlich zu kalorienhaltig sein würde. Paula würde an ihrem Stück wie ein Chirurg herumsezieren und kein Fitzelchen Fett daran lassen, und Gerda würde den Braten vermutlich ohnehin ablehnen. Egal, mir schmeckte er. Zur Bestätigung nahm ich gleich noch ein Rippchen in Angriff.

»Was riecht da so komisch, Chefin?« Nedzad stand mit der Garnierung für den Spieß hinter mir.

»Scheiße!« Vor lauter Grübeln hatte ich die Zwiebeln anbrennen lassen. Das war mir schon lange nicht mehr passiert. Schnell riss ich das Fenster auf und entsorgte die verkohlten Ringe, bevor ich mir noch den Spott meines Gemahls oder dieser wasserstoffblonden Kellnerin einhandelte.

Ein Blick auf die Uhr ließ mich hoffen, dass das Mittagsgeschäft langsam abebbte. Ich wollte mich unbedingt noch ein Stündchen hinlegen, um der Mischpoche gelassen entgegentreten zu können. Abgekämpft würde ich noch früh genug aussehen.

Es sollte nicht sein. Kaum dass ich die letzte Bestellung draußen hatte, drang grässliches Gehupe an mein Ohr. Gerda samt Familie war eingetroffen. Ich hatte ja befürchtet, dass sie früher kommen würde als angekündigt, aber gleich mehr als eine volle Stunde? Seufzend legte ich die Kochmütze ab und stellte mich ihrer Ankunft.

Reinhold brachte soeben seinen laut knatternden Bulli zum Stehen. Wer Reinhold kannte, wusste, dass er kein anderes Auto als so einen Hippiebus haben konnte. Schwungvoll stieß er die Fahrertür auf. Sehr gewagt meines Erachtens, schließlich musste man doch befürchten, dass sie gleich aus den Angeln fiel. Als Erstes kamen Reinholds nackte Füße zum Vorschein, die in den unvermeidlichen Bio-Kautschuk-Flip-Flops steckten, gefolgt von einer grünen Haremshose, deren Schritt praktisch auf Knöchelhöhe hing. Dieses Beinkleid war mindestens genauso lächerlich wie die Blumendeko auf dem Auto, die wahrscheinlich in erster Linie die Rostflecken überdecken sollte. Ob der groteske Hosenschnitt auch eine tiefere Bedeutung hatte?

Mit einem flotten Sprung in eine Regenpfütze erschien mein Schwager in voller Pracht. Gut, dass es bewölkt war, sonst hätte mich sein grell gemustertes Baumwollhemd wohl geblendet. Sein dünnes Haar flatterte im Wind, das astrale Lächeln schien ihm ins Gesicht gebrannt.

Gerda wiederum wirkte gereizt, dafür sah sie aus wie aus dem Ei gepellt. Dass sie in diesem eleganten hellblauen Jerseykostüm überhaupt in so ein schmuddeliges Auto gestiegen war, musste jeden verwundern, der ihre prekäre finanzielle Lage nicht kannte. Und jeder, der diese Nöte kannte, musste sich wundern, woher sie so elegante Kleidung nahm. Ich wusste allerdings aus erster Hand, dass sie das meiste aus zweiter Hand bezog. Umständlich zog sie den Rock in die richtige Position und knöpfte den Blazer zu, bevor sie auf mich zueilte, um mich zu umarmen. Ihre blondierte Dauerwelle trotzte jedem Windstoß, sie hätte in einer Taft-Werbung auftreten können. Kurz vor mir machte Gerda halt und besann sich eines Besseren, statt einer herzlichen Umarmung erhielt ich ein Küsschen links und ein Küsschen rechts.

»Du bist ein wenig früh dran«, sagte ich knapp. Gerdas missbilligender Blick auf meine Leggins und die fettfleckendekorierte Küchenschürze war mir nicht entgangen.

»Sollen wir noch eine Runde mit dem Auto drehen?«

Sie war noch keine Minute hier, und schon hatte ich es geschafft, sie zu beleidigen.

»So hab ich das doch nicht gemeint.« Ich deutete auf meine Schürze. »Ich bin noch nicht dazu gekommen, mich umzuziehen.«

Doch Gerda hörte mir schon gar nicht mehr zu, denn hinter ihr schlug die Autotür zu und Prinz Charming betrat die Bühne. Ich war schon gespannt, welche Haarfarbe es diesmal sein würde. Das letzte Mal hatte Lukas sein blondes Haupthaar noch etwas gebleicht und mit Gel in die Höhe getrimmt getragen, während die Seiten komplett ausrasiert waren. Heute erschien er rabenschwarz mit einer blauen Strähne, die ihm weit über das rechte Auge fiel. Die linke Seite war mehr oder weniger kahl geschoren, das hineinrasierte zackige Muster setzte sich in seinem Bart fort. Ich hätte nicht behaupten können, dass mir die Frisur gefiel, aber sie hatte was Künstlerisches und wurde durch seine schwarze Kluft konsequent betont. Diverse Piercings unterstützten das Styling. Gelangweilt trottete Lukas auf uns zu.

»Hallo, Tante Hanna!«, sagte er und reichte mir wohlerzogen die Hand. Wahrscheinlich wollte er verhindern, dass seine Mama »Kannst du nicht grüßen!« rief, was bei einem Dreißigjährigen wohl ein wenig peinlich gewesen wäre. Auch Reinhold zwang mir sein weiches Pfötchen auf. Unter einem Händedruck verstand ich allerdings etwas anderes. Wie ein Fisch glitt seine Handfläche über die meine und hinterließ ein ungutes Kribbeln auf meiner Haut. Vielleicht war es etwas Energetisches, für das ich nicht empfänglich war, in jedem Fall aber war es nachhaltig unangenehm. Wenigstens hatte er noch nie versucht, mich zu küssen.

»Habt ihr Hunger? Wollt ihr noch etwas essen?«, fragte ich matt. »Es gibt frischen Schweinsbraten.«

Die beiden männlichen Augenpaare strahlten, aber Gerda wollte lieber erst auf ihr Zimmer, sich salonfähig machen. Ohne ihre Männer zu fragen, ging sie zum Auto zurück, holte ihren Koffer und stelzte ins Haus.

»Komm, Luki!« Wie ein Hündchen folgte ihr der Sohn. Reinhold schulterte ebenso kommentarlos seinen Seesack und schlurfte den beiden hinterher. Kopfschüttelnd blickte ich ihnen nach. Die drei Gestalten stammten nicht nur aus verschiedenen Filmen, sie waren aus unterschiedlichen Galaxien!

»In einer Viertelstunde!«, rief ich ihnen nach.

Pünktlich auf die Minute saß Gerdas Familie am Stammtisch in der Schwemme. Die Schwemme war die alte Gaststube, die Mama so belassen hatte, wie sie immer schon gewesen war: mit der alten Eichentheke, den dazugehörigen Holzbänken und -tischen und der Wandvertäfelung. Einzig einen großen Flachbildfernseher und so eine Box fürs WLAN hatten wir nachträglich installiert. Es war, zugegeben, ein etwas düsterer Raum, aber für das arbeitende Volk, sprich: die Bauern, Mechaniker und Bauarbeiter, ideal. So konnten sie auch in der Arbeitskluft ihr Mittagsmenü und ein Bierchen genießen, ohne von den übrigen Gästen schief angeschaut zu werden, weil sie sich nicht an den Dresscode eines besseren Speiselokals hielten. Außerdem förderten die Bänke die Kommunikation zwischen den Gästen. Kam ein Neuer hinzu, wurde einfach nachgerückt. Auch Kartenspieler und dem Alkohol zugetane Gäste hatten sich früher gerne hier niedergelassen, denn ein umgeworfenes Glas richtete in der Schwemme wenig Schaden an und Tischtücher gab es hier nicht.

Heute wurde dieser Teil des Lokals kaum noch frequentiert, die Beamten und Touristen saßen auf Polsterstühlen im Speisesaal, wo es dank des Wintergartens lichtdurchflutet und viel freundlicher war. Nur ab und zu verirrten sich Raucher hierher, weil im Speisesaal natürlich strengstes Rauchverbot herrschte, oder eine Partie Männer, die heimlich einen Schnaps an der Bar kippten. Rein ökonomisch gesehen hätten wir den Platz wahrscheinlich besser nutzen können, aber aus Sentimentalität beließen wir ihn im Original, schließlich hatten wir praktisch unsere halbe Kindheit darin verbracht.

Hungrig fielen die Männer über den Schweinsbraten her; Gerda hielt sich, wie vermutet, an Knödel und Salat. Auch ich genehmigte mir noch ein schönes Stück Braten.

Ein zweites Stück ging sich dann leider nicht mehr aus, denn Mamas neue Krankenpflegerin stürmte völlig aufgelöst in die Stube.

»Die Frau ist nicht zurechnungsfähig!«, rief sie außer sich.

Ich steckte mir noch ein Stückchen Knödel in den Mund, bevor ich mein Besteck zur Seite legte.

Nach Mamas Beinamputation hatten wir eine Pflegerin engagieren müssen, die sie während der Hauptgeschäftszeiten betreute, sich um die Hygienedinge kümmerte und die Medikation übernahm. Das sollte vor allem mich entlasten. Allerdings sah Mama es nicht ein, dass fremde Personen in ihren Sachen herumwühlen durften, sie beschimpfte die Frauen mitunter wüst. Zwei Pflegerinnen hatten sich bereits geweigert, wiederzukommen, und wie es schien, würde auch die dritte bald das Handtuch werfen.

»Was hat sie denn nun schon wieder angestellt?« Ich war aufs Schlimmste gefasst.

»Den ganzen Sack mit den neuen Medikamenten hat sie im Klo entsorgt. Jede einzelne Pille aus den Blistern gedrückt, Vorrat für mehrere Wochen vernichtet!«

»Sie dürfen sie doch um Himmels willen nicht an die Medikamente ranlassen!«, rief Gerda empört.

Warum musste sich meine ältere Schwester eigentlich immer in Dinge einmischen, die sie nichts angingen? Die Lippen der armen Pflegerin bebten bereits.

Ich wischte mir die fettigen Finger an der Schürze ab und stand auf. »Es tut mir leid«, sagte ich. »Das konnten Sie nicht ahnen, Sie sind ja noch nicht so lange hier. Wissen Sie, sie hat das schon mehrere Male gemacht. Ich hätte Sie warnen müssen.«

Im Lift nach oben hörte ich mir ihre Geschichte an.

»Ich hab sie, wie verlangt, aufs Klo gebracht. Als sie ewig nicht rausgekommen ist, bin ich nervös geworden und nachschauen gegangen. Da kauert sie da so vor der Klomuschel. Ich stürze hin, glaub, sie hat sich verletzt oder was, und da seh ich die aufgerissenen Schachteln und die leeren Blister am Boden liegen. Und sie hat gegrinst. So richtig provokant. Darauf hab ich sie gefragt, warum sie das getan hat, und sie sagt, weil ihr davon schlecht wird.« Die Pflegerin schnaubte wieder gefährlich. »Und als ich sie endlich wieder im Bett hatte …«

»… hat sie sich übergeben, um Ihnen zu beweisen, wie schlecht ihr ist«, ergänzte ich.

»Woher wissen Sie das?«, fragte die Betreuerin erstaunt.

»Auch keine Premiere«, seufzte ich. »Kommen Sie, ich helfe Ihnen.« Wir waren bei Mamas Zimmer angelangt.

Zusammen hoben wir sie aus dem Bett und trugen sie in die Badewanne. Der Pflegerin drückte ich einen Hunderter und die leeren Schachteln in die Hand mit der Bitte, die Medikamente noch einmal zu besorgen. Der Apotheker kannte Mutters Krankengeschichte und würde sich, wenn nötig, von der Hausärztin ein weiteres Rezept holen. War ja nicht zum ersten Mal, schon mindestens drei Mal hatte Mama ihre sämtlichen Medikamente vernichtet. In der Zwischenzeit überzog ich das Bett neu und half Mama beim Ankleiden. »Mama, wenn du die Medikamente nicht verträgst, dann müssen wir eben andere ausprobieren, aber du kannst sie doch nicht einfach wegwerfen. Weißt du eigentlich, was das kostet?«

Mama tat ihre Missetat mit einer wegwerfenden Handbewegung ab. »Du kannst gut reden, Hanna. Du musst das Zeug ja nicht schlucken.«

»Sei froh, dass du das Zeug, wie du es nennst, hast. Sonst wärst du schon tot.«

Die Erwähnung ihrer Endlichkeit brachte sie zum Schweigen. Das war fies von mir, zugegeben, aber der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel. Leider weigerte sie sich trotzdem beharrlich, ihre Pillen zu schlucken.

»Komm schon, Mama. Sei lieb«, bettelte ich. »Hast du denn vergessen, dass heute die Familie kommt? Gerda ist schon da. Da willst du doch frisch und munter sein, oder?«

»Wie hätte ich das vergessen können! Wann wirst du begreifen, dass ich Diabetes hab und nicht Alzheimer!«

Langsam wurde ich zornig. Da stand ich hier in meiner Arbeitskluft, verschwitzt und mit fettigen Haaren, und Mama zickte herum wie ein Kleinkind. »Wenn du deine Pulver jetzt nicht gleich nimmst, dann lass ich dich hier bis morgen früh sitzen, das schwör ich dir.«

»Mir doch egal«, maunzte sie. »Von mir aus könnt ihr meinen Achtziger auch ohne mich feiern.«

»Gut!« Ich stand auf und wandte mich zum Gehen. »Dann werde ich jetzt dem Bürgermeister absagen und den diversen Ehrengästen. Müssen sie den Geschenkkorb mit dem Wein und dem Schnaps und allem Drum und Dran halt jemand anders geben.«

Als ich die Tür erreicht hatte, wimmerte sie: »Nimm mich mit nach unten, Hanna. Ich verrotte hier oben.«

»Hör zu, Mama«, lenkte ich ein, »ich muss mich noch frisch machen. Wenn Paula da ist, kommen wir drei wie ausgemacht zu dir. Du hast doch nicht vergessen, dass du uns was Wichtiges sagen wolltest, oder? Anschließend nehmen wir dich gerne mit hinunter, ist das in Ordnung?«

»Dann gib mir wenigstens noch etwas zu trinken, Hanna. Diese Krankenschwester hat wieder einmal alles konfisziert.«

»Erst die Tabletten!«

Wie ein trotziges Kind ließ sie sich mächtig Zeit, bis sie alle bunten Kügelchen geschluckt hatte, und machte auch ein entsprechend patziges Gesicht, als ich ihr nur kalten Früchtetee in den Schnabelbecher füllte.

»Unter Trinken versteh ich aber etwas anderes«, beschwerte sie sich.

»Ich weiß, Mama. Später vielleicht. Aber zusammen mit den Medikamenten ist das keine so gute Idee.«

»Ach was. Wer wird denn päpstlicher sein als der Papst?«

»Du bekommst dein Gläschen schon noch, versprochen!«

Weinviertler Mandeltorte

Meine liebe Freundin!

Ich darf Sie doch hoffentlich so nennen, wo wir auf der Kur doch so viele Gemeinsamkeiten festgestellt haben. Die Weinviertler habe ich schließlich schon in meiner frühesten Jugend schätzen gelernt, das habe ich Ihnen doch erzählt, nicht wahr? Damals, als ich nach dem Krieg eines Tages, vom Hunger getrieben, meinen Rucksack packte und mit der Bahn aufs Land in Richtung Laa an der Thaya fuhr. Der Rucksack füllte sich rasch mit Eßbarem, mit dem ich meine kleinen Geschwister ernähren konnte. Aber das ist nun schon eine Ewigkeit her, da waren Sie ja selbst noch ein kleines Mäderl.

Trotzdem habe ich mich gleich zu Ihnen hingezogen gefühlt. Allein, wie liebevoll Sie Ihren armen Mann behandelt haben. Das fällt jemandem, der so viel mit Pflege zu tun hat wie ich, sofort auf. Und daß Sie dann auch noch aus dem Weinviertel kommen! Ganz in der Nähe von Laa/Thaya!

Meinem Kurti geht es den Umständen entsprechend gut, wenn er nur nicht so viel rauchen täte! Mein Pflegevati macht mir noch größere Sorgen. Seit die Mutti tot ist, säuft er leider. Wenn ich die Haustür aufsperre, um ihm sein Essen zu bringen, kommt er mir immer öfter völlig betrunken entgegen.

Schrecklich!

Warum die Männer nur so dumm sein können und sich selbst schaden. Der eine hat eine Zyste auf der Lunge und raucht wie ein Schlot, der andere säuft und treibt damit seinen Zucker in die Höhe! Jetzt muß ich für zwei kochen und putzen. Der Vati braucht eine strenge Zuckerdiät, und der Kurti muß mehr essen, weil er immer weniger wird.

Aber ich will nicht jammern. Wie geht es Ihnen mit Ihrem Mann? Macht er Fortschritte? Nimmt er brav seine Medikamente? Ist Ihre Migräne besser geworden? Schreiben Sie mir doch, wie es Ihnen seit der Kur ergangen ist.

Und hier das versprochene Rezept von der Wachauer Torte, die meine Männer so gerne essen:

Schlagen Sie 3 Eidotter mit einem Eßlöffel Wasser schaumig, dann 10 dag Zucker, 1 Sackerl Vanillezucker und 7 dag weiche Schokolade untermischen. Rühren Sie so lange, bis eine cremige Masse entstanden ist. Sie haben ja sicher eine Küchenmaschine, da geht das schneller als bei mir. Ich muß immer alles mit der Hand machen.

In der Zwischenzeit können Sie das Eiweiß mit 5 dag Zucker zu Schnee aufschlagen. In einer Schüssel mischen Sie 14 dag Mehl mit ½ Packerl Backpulver, 5 dag Bröseln und 15 dag geriebenen Mandeln. Danach heben Sie das Mehlgemisch vorsichtig, unter Zugabe von 6 EL Milch, unter die Dottermasse. Jetzt kann der Teig in eine ausgebutterte Tortenform und für 35 Minuten in den Backofen (mittlere Hitze).

Für die Creme rühren Sie ⅛ Butter flaumig, dann geben Sie 15 dag Staubzucker, Vanillezucker, 1 Dotter und 10 dag erweichte Schokolade dazu.

Die erkaltete Torte wird mit der Creme gefüllt. Verzieren Sie die Wachauer Torte mit Mandelsplittern. Das sieht nicht nur sehr hübsch aus, sondern schmeckt auch hervorragend.

Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen!

Ihre Frieda S.

PS: Wenn Sie in Ihrem Lokal keine Wachauer Torte servieren wollen, weil von dort der Konkurrenzwein kommt, dann taufen Sie den Kuchen einfach auf Mandeltorte nach altem Weinviertler Rezept um. Wer kann das schon überprüfen?

Das Testament

Da standen wir nun um das Bett unserer schwer kranken Mutter und wussten nicht so recht, was wir miteinander anfangen sollten. Die Wanduhr tickte so laut, als ob sie Mamas Lebenscountdown hinunterzählen wollte.

Paula öffnete ohne zu fragen das Fenster – ein untrügliches Zeichen, dass sie von Altenpflege keine Ahnung hatte. Als ob ein bisschen Lüften den modrigen Mief vertreiben könnte, der sich über die letzten Wochen und Monate in Vorhänge, Matratze, ja sogar die Wände eingefressen hatte. Zu meiner Verwunderung protestierte Mama nicht, wo sie mir doch jedes Mal, wenn ich das Fenster nur kippte, Mordabsichten unterstellte. Jetzt winkte sie bloß ungeduldig mit ihrer zittrigen Hand, dass ich ihr die Kissen zurechtrücken sollte.

Gerda sah dem Tun ausdruckslos zu, während sie in einem fort an ihren roten Glasohrringen zupfte.

»Bring ihnen was zum Sitzen, Hanna!«, befahl Mama. »Ihr steht ja schon um mich herum wie bei einer Totenwache.«

Eigentlich sah ich nicht ein, warum ich meine Schwestern auch noch bedienen sollte. Da jedoch keine von beiden Anstalten machte, sich selbst eine Sitzgelegenheit zu besorgen, lief ich nach oben in mein Apartment und holte zwei Stühle, bevor Mama einen ihrer berüchtigten Anfälle bekam. Ich selbst nahm in Mamas Rollstuhl Platz.

Paulas Mund verzog sich. Machte sie sich über mich, die alternde Schwester im Rolli, lustig?

Mama ließ mir keine Zeit, über die Frechheit meiner kleinen Schwester nachzugrübeln. »Mädchen«, sagte sie mit belegter Stimme. Weiter kam sie nicht, denn beim »ch« erlitt sie bereits ihren ersten Hustenanfall. Keuchend spuckte sie ihr Gebiss aus und legte es zitternd in das Glas auf ihrem Nachttisch.

»Hanna!« Ihr bittender Blick wies auf die Thermosflasche.

»Mama, du weißt, was die Frau Doktor gesagt hat …«

»Du hast es versprochen!« Ihr flehender Blick ließ mich schwach werden, das dislozierte Gebiss lächelte mich statt ihrer freundlich an.

Seufzend füllte ich Mamas Schnabelbecher mit ihrem Spezialdrink, einer Mischung aus Gin, Tonic und Malventee. Sie bildete sich ein, das würde den Alkoholgehalt reduzieren.

Der Ginduft stieg nicht nur mir in die Nase. Gerda warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu. »Bist du verrückt?«, zischte sie. »Soll sie noch ein Bein verlieren?«

Sie wusste ja nicht, dass selbst die Frau Doktor angesichts der grandiosen Sturheit unserer Mutter bereits resigniert hatte. »Im Prinzip wird es nicht mehr viel ausmachen. Stirbt sie eben ein paar Tage früher, dafür aber gut gelaunt«, hatte sie gemeint.

Mich ärgerte Gerdas Kritik trotzdem. Monatelang ignorierte sie Mutters Zustand und ließ mich allein werken, und kaum war sie im Lande, wusste sie alles besser.

»Lass einer todgeweihten Frau eine kleine Freude, Gerda«, bettelte Mama. Ihre Jammerstrategie ging auf.

»So darfst du nicht reden, Mama!«, rief sie und bearbeitete wieder ihre Ohrgehänge.

»Stell dich nicht so an«, sagte Mama ungerührt. »Du weißt, genau wie alle anderen, dass ich nicht mehr lange zu leben habe. Was glaubt ihr denn, wozu ich euch zu mir gebeten habe?«

Eine spürbare Spannung machte sich im Raum breit.

Mama räusperte sich. »Jetzt, wo ich kaum mehr aus dem Bett komme, hab ich viel Zeit zum Nachdenken.« Geräuschvoll spülte sie einen aufkeimenden Hustenanfall mit einem Schluck Malventee-Gin-Tonic hinunter. »Leider kommt mir dabei auch so einiges in den Sinn, was mir gar nicht gefällt.«

»Wenn wir irgendetwas tun können, was dein Leben erleichtert, dann musst du es sagen, Mama.« Paula ergriff behutsam Mamas Hand.

»Das ist es nicht, Kind. Mir fehlt nichts, außer meinem Bein natürlich. Die zwei da zum Beispiel ärgern mich.« Mama schoss Gerda und mir jeweils einen strafenden Blick zu. Wie früher, wenn wir etwas ausgefressen hatten.

Meine Hormone sprangen an, ich spürte, wie mir langsam warm wurde. »Was hab ich denn nun schon wieder verbrochen, Mama? Kümmere ich mich zu wenig um dich? Ist es die Pflege? Worüber beklagst du dich?«

»Und was hab ich damit zu tun, bitte?« Gerda richtete sich empört auf. Ihre Haltung glich einer beleidigten Yoga-Vorturnerin.

»Mit der Pflege bekanntlich gar nichts, stimmt.« Ich konnte das einfach nicht für mich behalten. Gerda provozierte mich einfach.

»Wie auch? Von Stuttgart aus schlecht möglich«, keifte sie zurück.

»Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg! Anrufen? Schreiben? Kurzbesuch? Alles Ausreden!«

Gerda schnappte nach Luft. Bevor sie noch Kontra geben konnte, schrie Mama: »Weil ihr andauernd streitet, verdammt!« Ihr Kopf war gefährlich rot angelaufen.

Auch Gerda hatte nun einen fiebrigen Blick. »Blödsinn. Hanna und ich sind natürlich nicht immer einer Meinung, aber wir streiten doch nicht. Dafür sehen wir uns gar nicht oft genug.«

»Das kommt ja noch dazu«, rief Mama erneut. »Wenn ich mir denke, wie nahe ihr euch als Kinder gestanden seid. Es tut einer Mutter weh, wenn die Kinder sich so fremd werden.«

»Ach, Mama, das hat gar nichts zu bedeuten«, beschwichtigte Paula. »Gerda und Hanna führen halt sehr unterschiedliche Leben, außerdem wohnen sie wirklich weit auseinander. Von hier bis Stuttgart fährt man viereinhalb Stunden mit dem Auto.«

»Mindestens sechs«, verbesserte Gerda ihre kleine Schwester.

»Das kommt auf das Auto an.« Die Kleine konnte so boshaft sein.

»Gut, mit einem Mercedes bin ich natürlich noch nie gefahren.«

Mama hüstelte. »Seid ihr bald fertig?«

»Sorry!« Paula grinste, und Gerda zupfte sich ihre Kostümjacke zurecht.

»Was ich sagen wollte, Paula, die zwei da, die sind praktisch wie eineiige Zwillinge aufgewachsen, auch wenn sie zwei Jahre trennen. Das kannst du nicht wissen, meine Kleine, du warst ja noch nicht auf der Welt. Aber ich kann es nicht akzeptieren, dass die beiden es vergessen haben. So eine Schwesternliebe stirbt doch nicht mit einer räumlichen Trennung.«

Niemand rührte sich, als Mama erneut den Ginbecher ansetzte. »Weißt du, Paula, es gab keine Geheimnisse zwischen ihnen, so unterschiedlich sie auch waren. Keine hätte die andere jemals im Stich gelassen. Und jetzt? Schau sie dir an, die zwei. Wenn sie nicht gerade streiten, sind sie bestenfalls höflich zueinander. Wie Fremde.«

Vorsichtig linste ich zu Gerda hinüber. Sie war jetzt ganz blass geworden, während ich immer noch hochrot leuchtete. Wie früher, wenn keine zugeben wollte, wer zu streiten begonnen hatte.

Paula schaute erstaunt von einer zur anderen. »Und ich hab geglaubt, ihr habt euch sowieso nie besonders gut verstanden. Ich meine, noch bevor Gerda geheiratet hat und ausgezogen ist.«

Gerda rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her, ich blieb wie versteinert im Rollstuhl sitzen.

»Die Sache mit dem Ausschlag wird es ja hoffentlich nicht sein, was euch so entzweit hat«, sagte Mama. »Das wäre einfach zu lächerlich.«

»Was für ein Ausschlag?«, fragte Paula arglos.

»Mama!«, rief Gerda aufgeregt. »Musste das sein?«

Hätte ich Mamas Rollstuhl nicht zuvor sorgsam arretiert, ich hätte meine ältere Schwester wahrscheinlich über den Haufen gefahren.

»Sag bitte nicht, du hast mir damals diesen Ausschlag eingebrockt, Gerda! Das ist nicht wahr, oder?«

Trotz meiner ansehnlichen Leibesfülle sprang ich auf.

»Bleib sitzen!«, befahl Mama. »Ich dachte, du wüsstest das. Abgesehen davon, die Sache ist zig Jahre her.«

»Was redet ihr da bitte?« Paula konnte sich auf unsere emotionalen Ausbrüche wegen einer dämlichen Hautreaktion natürlich keinen Reim machen. Zur Zeit meiner Hochzeit hatte sie noch an Mamas Brust gehangen.

»Weichspüler«, erklärte Mama. »Gerda hat Hannas Bettwäsche silanisiert. Am Tag vor ihrer Hochzeit. Obwohl, oder eher, weil sie wusste, dass ihre Schwester allergisch reagieren würde. Sollte wohl ein Streich für die Hochzeitsnacht werden. Hanna hat dann tatsächlich so hässliche Pickel am Rücken bekommen. Wir hatten alle Mühe, sie vor der Hochzeitsgesellschaft zu verbergen.«

»Ich hatte ja keine Ahnung, dass es so schlimm sein würde«, hauchte Gerda.

»Aber warum? Weil ich ausnahmsweise einmal besser aussah als du? Weil du bei deiner Hochzeit schwanger warst, war es das?« Jetzt war ich heilfroh, dass Paula das Fenster geöffnet hatte. Schweiß flutete mir aus allen Poren.

»Aber was redest du da! Du warst doch immer die Hübschere. Es war nur … Du warst so glücklich, und ich, ich …« Gerda schnäuzte sich.

War das möglich? Die unnahbare, kühle, kluge, stets berechnende Gerda weinte? Dabei hätte doch ich viel eher Grund zum Heulen gehabt.

»Und was war daran so schlimm, dass ich glücklich war?« Prompt schossen auch mir Tränen in die Augen. »Eine mitfühlende Schwester hätte sich doch über das Glück der anderen gefreut!«

»Wie früher. Bis eine heulte.« Mama schüttelte den Kopf, aber ich konnte deutlich sehen, dass sie grinste. Das machte mich noch fassungsloser. Was bezweckte sie mit der Enthüllung dieses offenbar lang gehüteten Geheimnisses? Es musste ihr doch klar sein, dass dies kaum zu einer Versöhnung zwischen uns führen würde, im Gegenteil.

»Das kann es jetzt aber nicht sein, dass ihr deswegen wie Hund und Katz miteinander seid! Das ist doch Pubertätskram«, bemerkte Paula verächtlich.

Pubertätskram? Das verwöhnte Prinzesschen hatte es nötig, sie war stets von allen verhätschelt worden. Von mir, von den Gästen. Keine Reibebäumchen weit und breit – bis auf Mama vielleicht, aber die hatte selten Zeit für pädagogische Maßnahmen gehabt.

»Das verstehst du nicht«, warf Gerda ihr an den Kopf. »Bei dir haben ja immer alle nachgegeben.«

Wenn ich nicht gerade böse mit ihr gewesen wäre, hätte ich diese Aussage bestätigt.

»So? Ihr habt also immer nachgegeben? Ist mir neu.«

»Kein Wunder, so ichbezogen, wie du schon als Kind warst.« Gerdas Pfeile hatten wie immer eine hohe Trefferquote.

»Es hat euch ja keiner befohlen, mich zu verwöhnen. Das könnt ihr mir wirklich nicht vorwerfen!«, schnappte Paula zurück.

»Hört ihr jetzt bitte zu streiten auf? Dafür hab ich euch nicht hergebeten.« Mama hüstelte verdächtig.

»Entschuldige bitte.« Klar war ich wieder einmal die Erste, die um Verzeihung bat. Nervös fächelte ich mir Luft in den Pullover, die Hitzewelle war kaum abgeebbt. Leider sollte sie bald erneut einen Höhenflug antreten. Dafür sorgte Mama mit ihrer nächsten Bemerkung.

»Wie gesagt, habe ich über euer Zerwürfnis viel nachgedacht und bin zu dem einzig logischen Schluss gekommen: dass es eure Männer sind«, sagte sie. »Die haben euch auf dem Gewissen.« Trotz ihrer gichtigen Finger umklammerte sie den Ginbecher so energisch, als ob sie ihn stellvertretend für unsere Angetrauten zerquetschen wollte.

»Mama!«, warf ich entrüstet ein. »Wie kannst du so etwas behaupten!«

»Weil ich die Männer kenne, mein Kind. Ihr seid so in euren kaputten Ehen gefangen, dass ihr füreinander den Blick verloren habt. Jede geifert gegen die andere, dabei hat es keine von euch leicht.«

»Du kennst die Männer also, wie?« Gerda triefte der Sarkasmus nur so aus dem Mund.

»Da brauchst du kein Psychologe zu sein, um zu sehen, dass eure eine Katastrophe sind.« Mama lachte. »Hannas Willi ist ein Hurenbock und dein Reinhold schlicht und einfach ein Idiot.«

Während mich Mamas Bemerkung mundtot machte, explodierte Gerda nun endgültig. Ich bekam schon Angst, sie würde noch vor Mama das Zeitliche segnen, so hysterisch schnappte sie nach Luft.

»Und genau diese deine Arroganz hat mich aus dem Haus getrieben. Reinhold war dir vom ersten Tag an zu minder. Wie soll daraus eine glückliche Ehe entstehen, wenn die eigene Mutter kein Hehl daraus macht, wie sehr sie den Schwiegersohn verachtet?« Gerda wollte wohl schreien, aber es kamen nur krächzende Laute.

»Die eigene Mutter hat diese Ehe verhindern wollen«, konterte Mama trocken. »Aber du bist mindestens so stur wie dein Vater!«

»Mein Mann schlägt mich wenigstens nicht«, brummte Gerda trotzig.

Das Ticken der Wanduhr wurde unerträglich laut. Selbst Paula war erstarrt. Ich hatte keine Ahnung, ob sie wusste, dass Papa öfters die Hand gegen Mama erhoben hatte. Von mir hatte sie nichts erfahren, und zu Gerda hatte sie ja kaum Kontakt gehabt. Mir gerann jedenfalls das Blut in den Adern, wenn ich nur an die Geräuschkulisse dachte, die diese elterlichen Kämpfe begleitet hatte. Oft genug war ich in Gerdas Bett geschlüpft, wenn die Eltern sich in den Haaren lagen.

»Dafür ist er auch dort gelandet, wo er hingehört«, bemerkte Mama zufrieden. »Auf dem Friedhof. Euer Vater stört mich nicht mehr. Nun sind es eure Männer, die weggehören. Und genau das ist der Grund, warum ihr hier seid.«

»Worauf willst du hinaus, Mama?«, fragte Paula, der offenbar schon langweilig wurde. Schließlich drehte es sich nicht um sie. »Du hast uns sicher nicht zu dir gerufen, um uns zu sagen, was du von deinen Schwiegersöhnen hältst.«

»Dein Mann ist übrigens um keinen Deut besser«, herrschte Mama sie an.

»Alex?«, rief Paula überrascht.

»Ja, Alex. Er ist doch dein Mann, oder?« Mama konnte so furchtbar ätzend sein.

»Was ist mit ihm?« Völlig perplex schüttelte Paula den Kopf. Sie wirkte nervös.

»Tu nicht so verwundert, Paula. Charmant ist Alex, keine Frage, aber seine Arroganz ist himmelschreiend. Bildet sich ein, dass er etwas Besseres ist, nur weil er Geld hat. Zu viel Macht in jungen Jahren verdirbt den Charakter. Sechzig Jahre Wirtshaus sind eine gute Lehre. Ich kenn diesen gewissen Blick bei einem Mann, glaub mir das. Sobald so ein Macho Widerstand spürt, wird er aggressiv. Hüte dich vor ihm, Paula! Schau, dass du ihn rechtzeitig loswirst!«

Paula schnappte nach Luft. Noch bevor sie etwas erwidern konnte, sagte Mama: »Er hat dich schon geschlagen, stimmt’s? Ich hab’s befürchtet!«

Erschrocken warf ich Paula einen Blick zu, dem sie gekonnt auswich.

Ihr Alex war mir persönlich auch nie sonderlich sympathisch gewesen. Irgendwie aalglatt war er, aber ich schrieb diese Seite seinem Geschäftssinn zu. Als Mercedes-Händler musst du halt selbstbewusst auftreten, wenn du Eindruck bei deinen Kunden machen willst. Ich hatte eher wohlwollend bemerkt, dass er Paula auf Händen trug. Sie bekam teuren Schmuck, ihre Kleider waren eindeutig aus der Boutique und nicht aus dem Katalog, so wie meine. Die Fotobücher ihrer Urlaube ließen mich vor Neid erblassen. Freilich waren das nur Äußerlichkeiten, und Mamas Erfahrung mit randalierenden Männern war unbestritten. Aber meine kleine Schwester hätte sich mir doch anvertraut, wenn ihr Mann tätlich gegen sie geworden wäre, oder?

Mama setzte erneut den Gin an, trotz des Schnabelhäferls rann ihr ein dünner Strahl über das Kinn. Ganz automatisch tupfte ich sie trocken, aber sie stieß mich gereizt von sich.

»Alle drei habt ihr euch zielsicher dem Falschen an den Hals geworfen.« Sie schnappte sich Paulas Hand. »Ich weiß aus eigener schmerzlicher Erfahrung, wie schwer es ist, sich selbst einzugestehen, dass die Ehe nicht funktioniert. Aber wenn man einmal so weit ist, dann muss man sich aus dieser Beziehung lösen, koste es, was es wolle. Sonst geht man dabei kaputt! Manchmal muss man halt auch als Frau ein Dreckskerl sein.«

Erneut tastete sie nach dem Ginbecher, während Paula vergeblich versuchte, sich aus ihrem festen Griff zu befreien.

»Und wie hast du dir das vorgestellt?«, fragte sie schließlich. Ihre rechte Augenbraue zuckte. »Sollen wir unseren Männern erklären, wir verlangen alle die Scheidung, weil unsere Mutter das so will? Das ist doch nicht dein Ernst!«

Endlich ließ Mama sie los, um sich wieder zur Gänze ihrem Gin zuzuwenden.

»Blödsinn. Darum, weil ihr das so wollt. Ihr seid erwachsen, und ich hab mich nie in eure Angelegenheiten gemischt – was vielleicht ein Fehler war. Ich will, dass ihr einfach darüber nachdenkt, was euch eure Ehe oder vielmehr eure Kerle wert sind.«

Aus dem Schnabelbecher kam nur noch knatternde Luft. Mama stellte ihn irritiert neben ihre Zähne.

»Ich hab als Entscheidungshilfe ein Testament gemacht.« Ungelenk versuchte sie, sich aufzusetzen. »Hanna!«, krächzte sie.

Paula half mir, Mamas Kissen aufzuschütteln und sie wieder in eine bequeme Sitzposition zu bringen. Dabei streifte mich ihr fragender Blick. Aber auch ich konnte mir keinen Reim auf Mamas eigenartige Ankündigung machen. All meine Hoffnungen bezüglich einer Überschreibung waren verpufft. Ich hatte keine Ahnung, was sie im Schilde führte.

»Mein Besitz darf nach meinem Tod weder aufgeteilt noch verkauft werden«, sagte sie schließlich. »Das ist die Grundbedingung. Das heißt, das Hotel, die Grundstücke und verpachteten Felder sowie die zwei Mietshäuser müssen zusammenbleiben und als ein gemeinsamer Betrieb weitergeführt werden. Ein Großbesitz sollte auch ein solcher bleiben.«

»Aber Mama! Wie soll denn eine von uns die anderen beiden jemals auszahlen können?« Kein Wunder, dass ausgerechnet Gerda die Contenance verlor. Sie verfügte ja über keinerlei eigenes Vermögen. Ihre kleine Wellnesswelt in Stuttgart bestand aus einem klitzekleinen Fußpflegesalon und einem Massageraum im Keller des Hauses, das sie auf Kredit erworben hatten. Diese Kreditzahlungen würden sie bis an ihr Lebensende begleiten, wenn sie nicht an ihr Erbe käme. Reinhold trug nur unerheblich zum Familieneinkommen bei, und Lukas hatte noch keinen müden Cent selbst verdient.

»Ich bin noch nicht fertig, Gerda!« Mamas Ton erinnerte an die Tage, als sie noch das Sagen im Hotel hatte, und Gerda verstummte auch prompt.

»Ich weiß, dass ihr das nicht könnt, und deshalb soll der Betrieb auch an eine Stiftung gehen. Sachwalter wird die österreichische Diabetesgesellschaft sein.«

Ich schloss die Augen. Dreißig Jahre Küchendunst. Dreißig Jahre ohne richtigen Urlaub. Fast dreißig Jahre Aufrechterhaltung einer maroden Ehe für den Betrieb. Alles für die Katz? Ich war zwar eine Meisterin der Gefühlsunterdrückung, aber mit dieser Aussicht hatte Mama mich in die Knie gezwungen.

»Es sei denn …« Jetzt blickte Mama doch tatsächlich belustigt in die Runde.

Ich verstand die Welt nicht mehr. Ich kannte ihren Sarkasmus. Mit ihren bösen Bemerkungen traf sie zielsicher die wundesten Punkte von Menschen, die sie nicht mochte. Aber sie würde sich doch nie am Unglück ihrer Töchter weiden. Sie liebte uns doch – auf ihre Weise zumindest.

»Es sei denn«, fuhr sie ungerührt fort, »eine von euch ist zum Zeitpunkt meines Todes ohne Ehemann, also geschieden und getrennt lebend oder verwitwet. Dann tritt automatisch eine Schenkung an die nunmehr wieder ledige Tochter in Kraft. Die Papiere liegen schon unterzeichnet beim Notar. Der wird gegebenenfalls überprüfen, ob die Voraussetzungen einer etwaigen Trennung definitiv erfüllt sind – das heißt, ob auch keine von euch eine ›Scheinscheidung‹ vortäuscht.«

Hätte diese dämliche Uhr nicht wie ein Perpetuum mobile weitergetickt, dann wäre es tatsächlich grabesstill gewesen.

Schließlich stand Paula kopfschüttelnd auf und schloss das Fenster. Für sie war die Eröffnung freilich am wenigsten folgenschwer. Ihr Mercedes-Händler hatte genug Geld auf der hohen Kante, sie war auf das Erbe nicht angewiesen. Aber weder Gerda noch ich konnten darauf verzichten. So wie das Hotel meine Existenzgrundlage war, brauchte Gerda das Geld, um ihre Schulden loszuwerden.

»Das heißt also, die anderen beiden gehen in diesem Fall leer aus?« Ich wollte sicher sein, dass ich alles richtig verstanden hatte.

»Das ist in höchstem Maße ungerecht!«, rief Gerda.

»Wer hindert dich daran, deinen Idioten abzustoßen? Die Ausgangslage ist für alle gleich«, verteidigte sich Mama. »Am besten wäre es ohnehin, wenn jede von euch schaut, dass sie ihren Mann noch zu meinen Lebzeiten loswird. Wenn ihr alle drei Singles wärt, könntet ihr den Betrieb auch zu dritt führen – wohlgemerkt aber nicht verkaufen. Keine bräuchte mehr auf die andere zu eifern, ihr könntet harmonisch zusammenleben.«

»Aber Mama, ich versteh das nicht!« Es war einfach lächerlich. Was sollte daran besser sein, mich von Gerda herumkommandieren zu lassen als von ihr oder Willi?

»Was gibt es da nicht zu verstehen? Was ich in jedem Fall verhindern will, ist, dass nach meinem Tod einer von euren Kerlen über den Betrieb bestimmt. Ich habe mich nicht ein Leben lang abgerackert, damit sich so ein dahergelaufener Nutznießer alles unter den Nagel reißt. Denkt nach, aber nicht zu lange. Wer weiß, wie viel Zeit euch noch bleibt.«

Wie um ihr Ablaufdatum zu betonen, bekam sie erneut einen Hustenanfall. Ich war mir sicher, dass man das Rasseln ihrer Lunge noch bis in die Gaststube hören konnte.

Als sie endlich die Stimme wiedergefunden hatte, sagte sie zu unser aller Erstaunen: »Und jetzt würde ich gerne die restliche Bagage begrüßen!«

Appetitanreger

Meine liebe Freundin!

Das sind ja ganz wunderbare Nachrichten!

Die Migräne ist eine Schwangerschaft, wer hätte das gedacht! Aber nicht daß Sie glauben, ich spiele auf Ihr Alter an. Eine Frau um die fünfundvierzig gehört noch nicht zum alten Eisen. Die Männer können ja angeblich ewig, was auch nicht immer ein Vorteil ist – wenn Sie wissen, was ich meine.

Lassen Sie sich die Freude nicht verderben, nur weil die Leute reden. Sie sollen sich ruhig das Maul darüber zerreißen, die sind ja bloß neidisch. Auch, daß Ihre Tochter heiraten »muß«. Das hat es immer schon gegeben, und wenn der Kerl sie nimmt, hat ja alles wieder seine Ordnung. Und Sie werden Ihr Enkelkind liebhaben wie Ihr eigenes Baby, da bin ich mir sicher, auch wenn der Vater ein Deutscher ist.

Der Vati wohnt jetzt übrigens bei uns in der Wohnung, das ist für mich viel leichter. Ich bin auch auf etwas draufgekommen, was für alle von Vorteil ist, aber Sie dürfen mich dafür nicht schelten. Ich gebe meinem Kurti neben seinem Prednisolon und dem Paracodein auch ein wenig von diesem Euglucon ins Essen, das ist das Diabetesmittel, das ich dem Vati geben muß. Seitdem hat auch der Kurti einen großen Appetit, ich komm mit dem Kochen kaum nach.

Vielleicht sollten Sie das bei Ihrem Mann auch probieren, damit er wieder mehr ißt und zu Kräften kommt. Gleichzeitig wird er auch ruhiger, Sie werden schon sehen. Ein richtiges Wundermittel!

Aber geben Sie ihm nicht zu viel davon, das könnte leicht ins Gegenteil umschlagen. Wenn der Kurti zu gierig ist und zum Beispiel gleich drei Stück von einem Kuchen verdrückt, wo ich das Zeug eingearbeitet habe, kriegt er manchmal so einen schlimmen Durchfall. Danach ist er dann tagelang ziemlich schwach auf der Brust und hustet nur noch.

Bitte erzählen Sie mir doch, wie die Hochzeit war, und natürlich möchte ich gerne wissen, ob es jeweils ein Bub oder ein Mäderl geworden ist.

Herzliche Grüße!

Ihre Frieda S.

Die Bagage

Die »restliche Bagage«, wie Mama die Familie so hübsch bezeichnete, hatte es sich in der Schwemme gemütlich gemacht. Reinhold saß im Schneidersitz auf der Eckbank und malte ein Baum-Mandala. Lukas las ein fürchterlich dickes Fantasybuch. Sein Kopf wiegte sich im Rhythmus der Musik aus seinem Smartphone, gelegentlich drang ein Wummern aus seinen Ohrstöpseln.

»Wo sind Willi und Alex?«, fragte ich.

»Auto bestaunen«, sagte Lukas knapp. Ich wunderte mich, dass ich überhaupt zu ihm durchgedrungen war.

»Mercedes-AMG Project One«, flüsterte Paula. »Praktisch Formel 1!«

»Und der hat wirklich über tausend PS?« Willi hielt Alex ehrfürchtig die Tür auf.

»Hundertzwanzig Kilowatt allein auf die Vorderräder«, sagte Alex stolz. »Von null auf zweihundert in weniger als sechs Sekunden und ein Spitzentempo jenseits von dreihundertfünfzig Kilometern pro Stunde!«

»Ich scheiß mich an! Was kostet denn so ein Gefährt?« Willi war hin und weg.

»Ha, ha!«, sagte Alex. »So ein Auto kannst du dir im Leben nicht leisten. Ich bin mir gar nicht sicher, was sie im Einzelhandel dafür wollen. So circa drei Mille angeblich. Kostet mich schon über die Firma einen schönen Batzen Leasing, allein die Versicherung, ein Wahnsinn!«

Ich verdrehte innerlich die Augen. Dass Alex aus werbetechnischen Gründen einen tollen Wagen fahren musste, war einsichtig; ob das allerdings den Preis eines Mehrfamilienhauses für ein fahrbares Prestigeobjekt rechtfertigte? Ganz generell war es mir ein Rätsel, was Männer an Autos so geil fanden. Überhaupt diese kniehohen Boliden. Ich würde ja ohne Kran gar nicht mehr aus so einer Flunder rauskommen. Für mich kam nur ein höhergestelltes Auto in Frage, mit Navi, geräumigem Kofferraum und Einparkhilfe. Alles andere war entbehrlicher Luxus. Freilich behielt ich das lieber für mich, Frauen verstanden ja nichts von Autos.

Gerdas naturtrüber Gatte verfügte leider nicht über mein diplomatisches Geschick. Er erklärte, zum Glücklichsein brauche er keine Statussymbole. Mit dem Argument konnte ich gut mit, weniger hingegen mit seiner Begründung, er habe seine innere Ruhe im Geist der Bäume gefunden.

»War es das letzte Mal nicht dieses Orgon-Dings?«, sagte Willi. Ich zog die Luft ein und sah ihn böse an.

»Akkumulator«, sagte Gerda mit unbewegtem Gesichtsausdruck.

Dieser sogenannte Orgonakkumulator hatte zu Weihnachten, als wir das letzte Mal in familiärer Runde zusammensaßen, empfindlich den Frieden gestört. Reinhold hatte Bilder von dieser »Energietankstelle« herumgezeigt. Dabei handelte es sich um eine Ein-Mann-Kabine aus schichtverleimtem Holz und Stahl, die aussah wie eine Mischung aus winziger Heimsauna und Plumpsklo. Innen war sie mit Alu ausgekleidet, damit die Orgonenergie auch nicht nach draußen entweichen konnte. Wie sie in den Kasten hineinkam, konnte uns Reinhold nicht schlüssig erklären. Laut Hersteller wurde sie jedenfalls in einer Box unter dem Sitzbrett gespeichert und mittels eines Plastikschlauches und eines Trichters in die Kabine entlassen.

»Stell dir vor, Hanna, der Wahnsinnige hat dreitausendsechshundert Euro für dieses Unding bezahlt! Davon hätten wir gut zwei Monate leben können!« Gerda hätte sich wohl gerne die Haare gerauft, wenn die Dauerwelle das erlaubt hätte.

»Und was machst du da drinnen?«, hatte Willi gefragt.

»Nichts. Geht alles von alleine. Ich setz mich hinein und schließ die Tür. Dann kann ich innerhalb einer halben Stunde meine orgastische Potenz zurückgewinnen.«

Bei dieser Erklärung hatte Willi einen Lachkrampf bekommen und geprahlt, dass er seine orgastische Energie ganz ohne Hilfsmittel auf- und entladen würde. Alle lachten natürlich.

Bis auf Mama. »Interessant!«, sagte sie. »Und wozu brauchst du dann diese blauen Pillen?«

Willi lief rot an. Soweit ich zurückdenken konnte, war es das einzige Mal, dass ich ihn peinlich berührt sah. Und ich dämliche Kuh musste auch noch nachfragen, welche Tabletten das denn seien. Im selben Moment kapierte ich, worum es sich handelte, aber auch, dass mein Mann sie nicht wegen mir nahm. Alle weiteren Fragen hatten dann unausgesprochen und unbeantwortet im Raum geschwirrt und die Energieharmonie erheblich beim Zirkulieren behindert.

Exakt jene »weihnachtliche« Stimmung wurde nun durch Willis dämliche Bemerkung wieder schmerzlich heraufbeschworen. Es heißt zwar, dass man sich Gerüche am längsten merkt, aber bei mir sind es definitiv Gefühle.

»Das steht alles im Einklang mit dem Kosmos«, erklärte uns Reinhold. »Das Orgon manifestiert sich ja wie alles Feinstoffliche auch im Geist der Bäume.«

»Aha«, sagte Paula.

»Na dann!«, meinte Alex.

»Hab ich’s nicht gesagt?«, sagte Mama mit triumphierendem Blick. Natürlich spielte sie auf Reinholds Spatzen-IQ an und nicht auf alternative Energieformen.

Gerda reagierte nicht auf Mamas Spott, sie saß da wie versteinert. Was hätte sie auch erwidern sollen? Stattdessen schnappte sie sich ihr iPad und vertiefte sich in ein Tetrisspiel. Eine Marotte, die mich wahnsinnig machen würde, müsste ich mit meiner Schwester zusammenleben. Ständig klopfte und wischte sie auf diesem Bildschirm herum, als ob sie damit den Frust von ihrer Seele wegputzen könnte.

Reinhold bekam von den vielsagenden Blicken um ihn herum anscheinend nichts mit. Er verschwand bald darauf nach draußen, um sich energetisch aufzuladen, wie er betonte.

Eine halbe Stunde später tauchte er wieder auf. Seine Pupillen waren erweitert, er torkelte und grinste blöd, als Willi und Alex ihn an die Bar einluden. Gerda stapelte indes immer noch verbissen virtuelle Bauklötzchen aufeinander. Nach meinen Schätzungen musste sie allein an diesem Abend mehrere Quadratkilometer Mauerfläche zusammengesetzt haben.

Wenig später hätte ich ihr das Gerät am liebsten aus der Hand gerissen, um selbst seine beruhigende Wirkung zu testen. Allerdings trug an meiner Frustration ausnahmsweise nicht Mama die Schuld. Die hatte sich Lukas und Paula gekrallt, damit sie mit ihr eine Partie Uno spielten. Mamas ungeliebte Schwiegersöhne standen einträchtig an der Bar und kosteten ein Sortiment verschiedener Grüner Veltliner. So konnte ich mich der Serviettenfaltung widmen und gleichzeitig in Gedanken alles durchgehen, was ich am morgigen Tag noch erledigen musste.

Die Arbeit ging mir schnell von der Hand, aber meine Gedanken wanderten immer wieder zu Mamas seltsamer Testamentsklausel. Was konkret warf sie ihren Schwiegersöhnen eigentlich vor, dass sie zu solch einer drastischen Maßnahme griff und dabei in Kauf nahm, auch ihren Töchtern zu schaden? War es nur, weil ihr die Kerle nicht passten?

Auch diese Stiftungssache sah ihr einfach nicht ähnlich. Spenden waren ihr immer zuwider gewesen, Geld sollte es ihrer Ansicht nach nur fürs Arbeiten geben. Warum durften Willi und ich den Betrieb nicht weiterführen wie bisher? Dass er mich betrog, war eine Sache, aber er hatte all die Jahre fleißig gearbeitet und war aus der Gastwirtschaft einfach nicht mehr wegzudenken. Mama hatte ihn vor dreißig Jahren selbst angestellt und wusste über seine Qualitäten Bescheid.

»Bin ich fertig mit Friehstickaufdecken, Frau Chef«, sagte Lenka, die mit kräftigem Hüftschwung in die Stube geflogen kam. Dabei verrutschte ihr Topträgerchen und entblößte ein sexy Tattoo. »Ich geh Zimmerstunde.« Sie schüttelte selbstverliebt ihren Peroxidschopf und zwinkerte ihrem Chef kokett zu. Willi leerte sein Glas in einem Zug, sprang von seinem Barhocker und folgte ihr bei Fuß.

Autsch! Auch wenn ich schon so einiges von ihm gewohnt war, diese Schamlosigkeit war wie ein Schlag ins Gesicht. Mir kam es auf einmal vor, als wäre ich in einem filmischen Standbild gefangen. Alle Tätigkeiten im Raum waren wie eingefroren, selbst Gerda hatte zu wischen aufgehört, und vom Kartentisch drang kein Laut herüber. Sämtliche Blicke waren auf mich gerichtet, und plötzlich war ich mir nicht mehr so sicher, ob dieses Wirtshaus nicht doch ohne seinen geilen Oberkellner weiterlaufen könnte.

»Uno«, rief Mama schließlich und drückte damit wieder auf den Play-Button, die Welt lief weiter.

In diesem Moment hasste ich meinen Mann. Dass ich ihm im Bett nicht genügte, wusste ich ja schon lange. Wenn du täglich um sechs Uhr aufstehen musst, stundenlang in der Küche stehst und erst um zehn Uhr abends endlich einmal die Beine hochlegen kannst, dann willst du sie nachts nicht auch noch breit machen. Willi schlief morgens bis elf Uhr; wenn er um Mitternacht den Laden dichtmachte, hatte ich meine Abendlektüre längst zugeklappt.

Auch dass ich für ihn nicht mehr attraktiv war, konnte ich nachvollziehen, ich mied ja selbst jeden Spiegel. Dabei war Willi seinerseits kein Adonis mehr. Sein Gössermuskel war genauso unübersehbar wie meine Fettrollen, seine grauen Schläfen entlarvten sein Alter genauso wie mein strähniges Haar. Während mir allerdings kein Hahn mehr nachkrähte, stießen sich die jungen Frauen nicht an Willis Altersmakeln, sein Sex-Appeal schien ungebrochen.

All das konnte ich hinnehmen. Dass er mich allerdings vor meiner ganzen Familie bloßstellte, war schlichtweg unverzeihlich.

Während Mama geräuschvoll Karten austeilte, braute ich mir einen Kaffee und nahm mir ein Stück Sachertorte aus der Vitrine.

»Du solltest nicht so viel Süßes essen«, schalt Mama. »Oder willst du auch ein Bein verlieren, so wie ich?«

»Mama! Du kannst einem aber wirklich jeglichen Appetit verderben!« Trotzig sprühte ich mir noch eine riesige Spirale Schlagobers auf die Torte. Paula nahm sich solidarisch auch ein Stück Kuchen, was ihr wiederum einen schiefen Blick des Gatten eintrug. Wenn du so weitermachst, siehst du bald so aus wie deine fette Schwester, sagte dessen Miene. Was erlaubte sich der Kerl eigentlich? Paula hatte eine perfekte Figur, sie konnte essen, was sie wollte. Und meine Statur ging ihn erst recht nichts an. Am meisten kränkte mich allerdings, dass Paula das Schlagobers ablehnte, das ich ihr daraufhin anbot. Gerda baute und drehte derweilen beständig an ihrem Turm-Kunstwerk weiter.

Eine Stunde später stieß Willi frisch geduscht wieder zu uns. Sein Teint hatte einen rosa Schimmer, er wirkte ausgepowert wie nach einem Krafttraining im Fitnessstudio. »Jemand Lust auf Sauna?«, fragte er.

Die Männer waren Feuer und Flamme. Nur Lukas meinte, er würde lieber zu Bett gehen, die Hitze täte ihm nicht gut. Gerda nickte erleichtert.