Sternenkrieg im Hyperraum: 8 Science Fiction Romane im Bundle - Alfred Bekker - E-Book

Sternenkrieg im Hyperraum: 8 Science Fiction Romane im Bundle E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende SF-Romane: (499) Die Verbannten (Wilfried A. Hary) Gefangen im Hyperrraum (Wilfried A. Hary) Alien-Komplett (Wilfried A. Hary) Flucht ins Ungewisse (Wilfried A. Hary) Nachrichtensperre (Margret Schwekendiek) Commander der drei Sonnen (Alfred Bekker) Commander im Sternenkrieg (Alfred Bekker) Die Welten des Prosper Merimee (Manfred Weinland) Er heißt John Willard. Er steigt aus den unmenschlichsten Slums aller Zeiten hinauf zum Licht, berufen vom HERRN DER WELTEN, um in dessen Namen die Macht zu haben. Die Macht über das Universum! Viele tausend Welten sind von Menschen besiedelt. Überlichtschnelle Flüge sind verboten, weil es sich erwiesen hat, dass diese auf Dauer das energetische Gleichgewicht des Universums und somit das Raum-Zeit-Gefüge stören, was in manchen Bereichen des Universums in der Vergangenheit zu schrecklichen Katastrophen führte. Die von Menschen besiedelten Welten haben keinen direkten Kontakt miteinander, da es keine überlichtschnellen Kommunikationsmöglichkeiten gibt. Dennoch entstand im Verlauf der Jahrhunderttausende ein funktionierendes Handelssystem: Riesige Container-Schiffe reisen im Unterlichtflug zu ihren Zielwelten, mit mannigfaltigen Waren bestückt. Sie sind teilweise Jahrtausende unterwegs, um ihr Ziel zu erreichen, aber da der Strom der Handelscontainer niemals abreißt, werden die Planeten untereinander reibungslos versorgt. Die Erde beispielsweise ist eine gigantische "Zuchtanstalt für Menschenmaterial" - dem wichtigsten Exportartikel der Erde. Die Betreffenden werden in Tiefschlaf versetzt, bevor sie auf den Weg gehen. Ein Übriges tut die Zeitdilatation, so dass sie unbeschadet den langen Flug überstehen. Dieses komplizierte Handelssystem ist natürlich hochempfindlich - und muss überwacht werden. Dafür zuständig ist der Sternenvogt - der wahre HERR DER GALAXIEN...

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Wilfried A. Hary, Alfred Bekker, Margret Schwekendiek, Manfred Weinland

Sternenkrieg im Hyperraum: 8 Science Fiction Romane im Bundle

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Inhaltsverzeichnis

Sternenkrieg im Hyperraum: 8 Science Fiction Romane im Bundle

Copyright

Die Verbannten

Gefangen im Hyperraum

Alien-Komplott

Flucht ins Ungewisse

Nachrichtensperre

Commander der drei Sonnen

Commander im Sternenkrieg

DIE WELTEN DES PROSPER MÈRIMÈ

Sternenkrieg im Hyperraum: 8 Science Fiction Romane im Bundle

Wilfried A. Hary, Alfred Bekker, Margret Schwekendiek, Manfred Weinland

Dieser Band enthält folgende SF-Romane:

Die Verbannten (Wilfried A. Hary)

Gefangen im Hyperrraum (Wilfried A. Hary)

Alien-Komplett (Wilfried A. Hary)

Flucht ins Ungewisse (Wilfried A. Hary)

Nachrichtensperre (Margret Schwekendiek)

Commander der drei Sonnen (Alfred Bekker)

Commander im Sternenkrieg (Alfred Bekker)

Die Welten des Prosper Merimee (Manfred Weinland)

Er heißt John Willard.

Er steigt aus den unmenschlichsten Slums aller Zeiten hinauf zum Licht, berufen vom HERRN DER WELTEN, um in dessen Namen die Macht zu haben.

Die Macht über das Universum!

Viele tausend Welten sind von Menschen besiedelt. Überlichtschnelle Flüge sind verboten, weil es sich erwiesen hat, dass diese auf Dauer das energetische Gleichgewicht des Universums und somit das Raum-Zeit-Gefüge stören, was in manchen Bereichen des Universums in der Vergangenheit zu schrecklichen Katastrophen führte. Die von Menschen besiedelten Welten haben keinen direkten Kontakt miteinander, da es keine überlichtschnellen Kommunikationsmöglichkeiten gibt. Dennoch entstand im Verlauf der Jahrhunderttausende ein funktionierendes Handelssystem: Riesige Container-Schiffe reisen im Unterlichtflug zu ihren Zielwelten, mit mannigfaltigen Waren bestückt. Sie sind teilweise Jahrtausende unterwegs, um ihr Ziel zu erreichen, aber da der Strom der Handelscontainer niemals abreißt, werden die Planeten untereinander reibungslos versorgt. Die Erde beispielsweise ist eine gigantische "Zuchtanstalt für Menschenmaterial" - dem wichtigsten Exportartikel der Erde. Die Betreffenden werden in Tiefschlaf versetzt, bevor sie auf den Weg gehen. Ein Übriges tut die Zeitdilatation, so dass sie unbeschadet den langen Flug überstehen.

Dieses komplizierte Handelssystem ist natürlich hochempfindlich - und muss überwacht werden. Dafür zuständig ist der Sternenvogt - der wahre HERR DER GALAXIEN...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author /COVER ALLAN J. STARK

© dieser Ausgabe 2019 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Alles rund um Belletristik!

Die Verbannten

Nach den schrecklichen Ereignissen im Sonnensystem, wobei beinahe die Erde vernichtet worden wäre, sind nicht alle Probleme gelöst, die dadurch entstanden. Zum Beispiel sind Menschen im Nirgendwo verschwunden. Sie sind die Verbannten. Für die Menschheit gelten sie als für immer Verlorene.

Doch sie leben.

Und sie teilen sich auf in zwei sich erbittert hassende Lager...

*

Niemand wußte später zu sagen, wer eigentlich angefangen hatte - ob die Gardisten-Psychonauten oder die Psychonauten. Es blieb gleich. Die beiden Parteien überschütteten sich gegenseitig mit ihren Haßgedanken.

Enyl gab seine Tarnung als aktives Mitglied der Rebellenorganisation innerhalb der Psychonauten auf. Bisher hatte er immer befürchten müssen, daß es zwischen den anderen Psychonauten Verräter gab. Als Rebell hätte man ihn in den Kerkern von LUNA gewiß einer Spezialbehandlung unterzogen.

»Tötet sie!« gellte seine Stimme.

Enyl war ein schwarzhaariger, ungeheuer muskulöser Mann mit grauen, leuchtenden Augen, die einen Menschen in ihren Bann schlagen konnten. Jetzt sprühten sie vor Haß und Vernichtungswillen. Die ausgebleichte Haut entlarvte ihn als Häftling. Er hatte mehr unter den Raumgarden zu leiden gehabt als sonst ein Gefangener hier an Bord. Deshalb war sein Haß auch am größten.

Das PSI-Potential der Gardisten prallte mit dem der Psychonauten zusammen.

Erschrocken zogen sich Captain Quendolain und ihre Leute zurück. Sie taten, wie Quendolain versprochen hatte, und verhielten sich völlig neutral.

Quendolain gab es auf, die anderen zur Vernunft zu rufen. Es hatte doch keinen Zweck.

Obwohl die Gardisten in der Übermacht waren, kam den Psychonauten zugute, daß die vorangegangene Séancenarbeit die PSI-Kräfte der Grauen geschwächt hatte.

Die Gardisten wurden zusätzlich zum Kampf motiviert, weil sie schließlich die Psychonauten vor dem Tod gerettet hatten und diese ihnen das mit Rebellion dankten.

Für sie war eindeutig, daß sich die Psychonauten in ihre Gefangenenrolle zu fügen hatten. Alles andere hatte keine Gültigkeit.

Ein Kampf der Psychonautenkräfte und nicht der Fäuste.

Sekundenlang dauerte das Unentschieden an. Energien wurden frei, die an das Chaos da draußen erinnerten. Aber es waren diesmal Energien, die von menschlichen Gehirnen produziert wurden.

In Quendolains Gesicht zuckte es, als sie ihren Blick nach draußen richtete. Sie befürchtete Auswirkungen, aber nichts dergleichen zeigte sich. Phönix erschien ruhig und friedlich. Die rote Ebene wies in einiger Entfernung kleinere Erhebungen auf. Überhaupt erschien diese Welt wesentlich größer als früher der Asteroid SMARAGD. Deshalb auch die erdähnliche Schwerkraft? Es schien, als hätte sich aus beiden Universen auf Phönix eindringende Energien in Materie verwandelt, die nunmehr ein Bestandteil von Phönix waren.

Quendolain wandte sich wieder den Vorgängen in der überfüllten Zentrale zu.

Zwei Gardisten griffen sich schreiend an die Köpfe und sanken zu Boden.

Da sprang Hauptmann Ramus vor. Er hatte Enyl als stärksten der Psychonauten erkannt und schlug auf ihn ein.

Hauptmann Ramus war ein ausgebildeter Kämpfer mit dem Körper einer Wildkatze, was Stärke und Gewandtheit betraf.

Enyl war auf diesen Angriff nicht vorbereitet und kippte rücklings zu Boden.

Sofort war Hauptmann Ramus über ihm.

Enyl setzte sich mit seinen PSI-Kräften verzweifelt zur Wehr.

Das nutzte ihm nichts mehr. Er war zu geschwächt. Hauptmann Ramus parierte den Angriff mit Leichtigkeit und schlug ein letztes Mal zu.

Die anderen Gardisten erinnerten sich ebenfalls an ihre Kampfausbildung.

Sie waren zwar allesamt Gardisten-Psychonauten und waren nie in Verlegenheit gekommen, ihre Kampfausbildung praktisch zu nutzen, aber das nutzte den Psychonauten nichts. Körperlich waren sie alle nicht mehr so recht auf der Höhe. Schließlich hatten sie die letzten Wochen in Gefangenschaft verbracht.

Die Gardisten, auch die Captains, warfen sich auf die Psychonauten. Sie brachten das Kunststück fertig, den PSI-Angriff abzublocken und gleichzeitig die Psychonauten zusammenzuschlagen.

Eine Angelegenheit von kaum einer Minute, dann war der Kampf entschieden.

Keuchend wandte sich Captain Carmen an Quendolain.

»Dies war erst der Anfang«, knurrte sie drohend. »Jetzt seid ihr an der Reihe.«

Hauptmann Ramus wagte einen Einwand: »Das Problem mit den Psychonauten ist längst nicht erledigt, Captain Carmen. Sie werden wieder zu Bewußtsein kommen. Die geben erst auf, wenn sie nicht mehr leben oder wenn man sie anders kampfunfähig gemacht hat. Wir müssen uns etwas einfallen lassen.«

Einer der Gardisten schlug vor: »Wir sollten sie töten - zumindest die körperlich Schwächsten. Alle anderen könnten wir als Arbeitskräfte erhalten, denn wir müssen uns hier auf Phönix schließlich einrichten.«

Ramus sandte ihm einen flammenden Blick.

»Wer will den Henker denn spielen? Du vielleicht?«

Der Angesprochene erbleichte. »Es - es war ja nur so eine Redensart. Es - es tut mir leid, aber mir ist klar, daß man so nicht vorgehen kann. Weil es unmenschlich ist.«

Carmen lachte heiser: »Unmenschlich? Wir sind Gardisten, oder nicht? Wir haben einen Auftrag zu erfüllen, und es ist dabei egal, wie wir diesen Auftrag bewältigen. Wo gehobelt wird, fallen Späne. Diese verfluchten Psychonauten haben uns hinreichend bewiesen, daß sie eine ständige Gefahr darstellen. Also müssen sie vernichtet werden. Ich finde den Vorschlag angemessen.«

Captain Quendolain meldete sich zu Wort. Sie hob beschwörend die Hände.

»Warum könnt ihr nicht vernünftig werden? Captain Carmen, ich habe dir Loyalität bewiesen und biete hiermit noch einmal die friedliche Koexistenz an. Ich will Frieden für alle, nicht nur für einzelne. Und werdet doch nicht zu Mördern an euren Brüdern und Schwestern! Wir sitzen doch im gleichen Boot und müssen Einigkeit üben.«

Carmen lachte ihr ins Gesicht. »Um dich kümmere ich mich am besten persönlich, werte Captain. Du hast dein Kommando über die LUNA 10 längst abgegeben. Ich kommandiere jetzt, falls du das noch nicht bemerkt hast. Mein Befehl ist hier Gesetz - und das Gesetz befiehlt den Tod.«

Sie hatte plötzlich einen Strahler in der Hand - wie hingezaubert.

Blitzschnell wirbelte sie um die eigene Achse und richtete die Waffe auf einen der bewußtlosen Psychonauten. Es war Enyl.

»Er ist der Gefährlichste unter allen. Schade um ihn, denn wir hätten eine gute Verwendung für ihn gehabt.

»Nicht!« schrie Quendolain mit sich überschlagender Stimme. Sie sprang Carmen von hinten an und versuchte, ihr die Waffe zu entreißen.

Aber Carmen behielt recht: Sie war an Bord das Gesetz - ein Gesetz, dem sich alle unterordnen mußten, selbst Somar-Ellen, denn sie war schließlich nur Gast an Bord. Fünf Gardisten nahmen sich Quendolains an und rissen sie zurück.

Carmen lachte herablassend.

»Treibt die Veränderten zusammen. Wir werden später entscheiden, was mit ihnen geschieht.«

Wahrscheinlich war nur ihr selber klar, welches Risiko sie mit dieser Haltung einging, aber sie mußte ein Exempel statuieren, mit aller Härte, um ihre Stellung zu behaupten.

Und sie mußte die Veränderten aus der Reserve locken, damit jeder ihre Gefährlichkeit sah.

Die Gardisten würden ihr helfen - ja, helfen müssen. Dessen war sie sich gewiß.

Der zweite Kampf würde entbrennen, und wenn sie diesen siegreich bestanden, war die notwendige Disziplin wiederhergestellt.

*

Captain Quendolain durchschaute die List. Es blieb ihr dennoch nichts anderes übrig, als genauso zu handeln, wie es Captain Carmen plante. Der Zusammenschluß der Veränderten nahm nicht einmal eine Sekunde in Anspruch. Sie bildeten einen einheitlichen Block, der nicht vernichten wollte, sondern der bemüht war, das Schlimmste zu verhindern.

Nur die Veränderten wußten, welche Folgen die PSI-Kämpfe auf Phönix haben konnten.

Sie selber setzten ihre Fähigkeiten nur im Sonderfall ein.

Dieser Sonderfall war nunmehr eingetreten.

Sie mußten es wagen, obwohl sie gar nicht in der Lage waren, ihre Kräfte zu beherrschen. Alles war so neu, so fremdartig, so unbegreiflich, obwohl Captain Quendolain so tat, als wüßte sie über die neue Welt Bescheid. Das einzige, was ihr inzwischen klargeworden war, war dies:

Der Kontakt mit Hyperraum war abgerissen, nachdem sich die konträren Kräfte stabilisiert hatten.

Phönix war jetzt wirklich ein eigenes Universum - ohne Kontakt mit den anderen beiden Universen.

Die Veränderten von Phönix waren endgültig isoliert.

Sie waren zwar nicht bereit, dies so einfach hinzunehmen, aber im Moment gab es keinerlei Möglichkeiten, sich damit auseinanderzusetzen.

Der Kampf war wichtiger.

Zwischen Psychonauten und Gardisten spielten die Veränderten das Zünglein an der Waage.

Captain Carmen hob erneut ihre Strahlwaffe. Das Abstrahlfeld entstand. Es wirkte anders als gewohnt - größer, leuchtender, umgeben von wirbelnden Irrlichtern.

Quendolains Augen weiteten sich.

Das war es, was sie befürchtet hatte:

Die normalen Energiewaffen wirkten in dieser Welt anders. Es war nicht abzuschätzen, was geschah, wenn Carmen wirklich auf den Feuerknopf drückte.

Die Veränderten entrissen Carmen mit ihren geistigen Kräften die Waffe.

Wie von Geisterhand gepackt segelte der Energiestrahler quer durch die Zentrale und krachte gegen einen Bildschirm. Das Protopmaterial war stabil genug, um dem Aufprall standzuhalten. Der Strahler fiel zu Boden.

Carmen wirbelte um die eigene Achse.

Ein häßliches Grinsen verunstaltete ihre Gesichtszüge.

Es war tatsächlich das eingetroffen, was sie erwartet hatte.

Auch die Gardisten schlossen sich zusammen. Es war für sie lebensnotwendig. Jedenfalls redeten sie sich das ein.

Die Handlungsweise der Veränderten signalisierte Aggression, und dieser wollte man mit Verteidigung begegnen.

Obwohl Quendolain den Kampf nie gewollt hatte, war sie dazu gezwungen.

Die Veränderten konzentrierten ihre Geister auf die Gardisten-Psychonauten.

Sie wußten, daß sie sehr vorsichtig vorgehen mußten. Ihre Kräfte waren anders geartet als die der Gardisten-Psychonauten. Sie waren Phönix angepaßt und hatten noch nicht gelernt, sich in ihrer neuen Rolle zurechtzufinden.

Deshalb gebärdeten sie sich auch manchmal wie Kinder.

Die PSI-Kräfte der Gardisten-Psychonauten brandeten gegen sie an und drohten sie zu überrollen.

Die Veränderten flüchteten sich in eine schnell geschaffene Sphäre, die sie vor dem Angriff schützte.

Dann schlugen sie ihrerseits zu:

Sie konzentrierten sich auf die Gemeinschaft der Gardisten-Psychonauten. Es waren immerhin rund vierzig. Ihre Absicht war, die Psychonauten zu lähmen und damit handlungsunfähig zu machen.

Es blieb bei der Absicht.

Der Angriff stärkte die Gardisten-Psychonauten vielmehr und riß sie ebenfalls in die Sphäre der Veränderten hinein.

Die Wände der LUNA 10 erbebten. Ein breiter Spalt öffnete sich.

Niemand hatte noch den Helm seines Schutzanzugs geschlossen, um die Aggregate der Anzüge zu schonen. Keiner zweifelte daran, daß sie jetzt des Todes waren.

*

Erschrocken zogen die Veränderten von Phönix ihre Kräfte zurück. Das hatten sie nicht gewollt. Der Preis des Friedens sollte der Tod aller sein? Nein, das war so schrecklich, daß die Veränderten nicht mehr in der Lage waren, den Kampf fortzusetzen.

Doch der Tod kam nicht!

Sie hatten geglaubt, die kostbare Atemluft an Bord des Schiffes würde nach draußen in die Leere entweichen, ihre Lungen würden platzen und...

Ein Horrorbild, das gar nicht entstehen konnte, weil draußen dieselben Druckverhältnisse herrschten.

Unwillkürlich sogen die Gardisten die Luft ein, um zu prüfen, ob sie überhaupt noch atembar war.

Sie war! Eigenartige Gerüche wehten in die Zentrale der LUNA 10 herein.

Die Veränderten hatten die Gardisten-Psychonauten aus ihrer Sphäre entlassen, und die Sphäre selber zersprang wie eine schillernde Seifenblase. Auch Quendolain und ihre Leute blickten zu dem Spalt hinüber. Eine Art Waffenstillstand in Anbetracht dieser Gefahr.

Es war unmöglich, daß die Atmosphäre von Phönix für Menschen atembar war. Es hätte jedem Gesetz der Logik widersprochen. Im Ursprung war Phönix bzw. SMARAGD ein toter Asteroid gewesen, auf seiner ewigen Bahn durch das Sonnensystem. Die Ultimateleute hatten den Asteroiden durch einen neuartigen Großtransmitter geschickt und dabei die Katastrophe beschworen.

Das war die Vergangenheit.

Inzwischen war SMARAGD offensichtlich gewachsen. Ein Phänomen, für das Quendolain ja bereits eine Theorie entwickelt hatte. Dabei mußte sie den unglaublichen Zufall verkraften, daß die Schwereverhältnisse haargenau denen auf der Erde glichen, also durchaus dem Gewohnten entsprachen.

Und die Atmosphäre, die neu entstanden war, obwohl es auf dem ehemaligen Gesteinsbrocken überhaupt keine gegeben hatte?

»Abdichten!« befahl Captain Carmen heiser. Sie machte sich keine Gedanken um die Mysterien von Phönix, sondern dachte praktisch. Die Abdichtung brauchte noch nicht einmal hundertprozentig zu sein - wegen dem vorhandenen Druckausgleich. Sie mußten es schaffen.

Sogleich machten sich die Gardisten an die Arbeit.

Carmen schielte zu den bewußtlosen Psychonauten hinüber. Keiner rührte sich. Sie lagen dem klaffenden Spalt am nächsten. Wenn wirklich giftige Gase hereindrangen, wurden die Psychonauten als erste betroffen.

Vorsichtshalber schlossen die Gardisten ihre Helme. Alles Erreichbare stopften sie in den Spalt.

Carmen dachte bitter: Leider können wir die LUNA 10 nie mehr als Raumschiff benutzen. Sie ist und bleibt ein Wrack, obwohl ihr Inneres wohnlich blieb. Wir müssen uns später dranmachen, sie wieder so vakuumtauglich zu kriegen, wie sie einmal war. Wer weiß, ob sich die Verhältnisse draußen nicht bald wieder drastisch und sehr negativ für uns verändern. Ihr Blick wanderte zu den Veränderten zurück. Sie standen in der Gruppe und wirkten in dieser Situation verloren.

In Captain Quendolains Augen standen Tränen. Sie war zutiefst erschüttert über die Vorgänge.

Carmen sah es wie immer ganz anders. Sie glaubte, die Trauer über den verlorenen Sieg zu erkennen, und spürte Triumph. Sie war die Königin, die Captain, die Herrscherin und bestimmte, was geschah. Außerdem war es ihr gelungen, trotz allem die Situation völlig in den Griff zu bekommen, und bevor die Gardisten auf die Idee kommen konnten, sich gegen sie aufzulehnen, mußte sie ihnen bewiesen haben, daß sie in ihrer Rolle vollkommen unentbehrlich war.

Und das gelang nur, wenn die Gardisten ein Feindbild behielten.

Diesem Feindbild entsprachen nicht nur die verhaßten Psychonauten, sondern im noch größeren Maße die Veränderten.

Der Gedanke wollte sich in ihr einnisten, daß sie vielleicht bald alle Veränderte waren, aber sie knüppelte den Gedanken mit brutaler Gewalt nieder. Bisher hatte sie es geschafft, sich zu behaupten und ihr freies Denken zu bewahren, und das sollte auch so bleiben. Stark genug dazu fühlte sie sich.

*

Der Spalt war abgedichtet. Captain Carmen durfte zufrieden sein mit der Arbeit ihrer Leute.

Auch Captain Somar-Ellen und Hauptmann Ramus hatten tatkräftig geholfen.

Sie sahen Carmen entgegen, und diese wußte den Blick zu deuten. Wenn ihr jetzt noch eine Gefahr drohte, dann von diesen beiden. Sie waren den Veränderten am nächsten. Das Gift von Phönix hatte bereits auf sie gewirkt.

»Analyse!« schnarrte Carmen, um sich abzulenken und weil es jetzt notwendig war.

Natürlich konnte sie niemand verstehen, weil der Helmfunk nicht funktionierte. Deshalb deutete sie auf die Kontrollanzeige am Handgelenk.

Die Gardisten waren geschulte Leute, die sofort verstanden, worauf Carmen hinauswollte.

Sie führten die Analyse der Bordatmosphäre durch. Jedenfalls war das ihre Absicht.

Es ging daneben.

Carmen wunderte sich gar nicht darüber, denn hier waren sowieso alle Naturgesetze auf den Kopf gestellt. Nichts funktionierte in gewohnter Weise - außer der Schwerkraft.

Und das war im Grunde genommen ebenfalls unnatürlich.

Die Gardisten zuckten resignierend die Achseln. Die Kontrollinstrumente zeigten immer andere Werte. Näher betrachtet, müßte die Atmosphäre an Bord tödlich sein. Doch niemand litt unter Atemnot oder zeigte sich in irgendeiner Weise beeinträchtigt.

Carmen wies Somar-Ellen und Hauptmann Ramus an, ihre Helme zu öffnen und ebenfalls die Brauchbarkeit der Bordatmosphäre zu prüfen.

Die anderen blickten die beiden erwartungsvoll an. Somar-Ellen und Ramus zögerten aus verständlichen Gründen. Sie durchschauten die Absicht von Carmen.

Sie beide waren der Captain suspekt. Wenn die Sache schiefging, war sie eine Sorge los.

Zähneknirschend, wie es die Art von Somar-Ellen war, wenn ihr etwas erheblich gegen den Strich ging, öffnete sie den Helm. Ramus tat es ihr gleich.

Prüfend schnupperte sie. Die Gerüche waren undefinierbar und fremdartig, aber nicht unangenehm. Die Luft erschien im Gegenteil sauberer und reiner, als sie es jemals zuvor erlebt hatten.

»Auch ihr seid bereits Veränderte, nur ist die Veränderung noch nicht auf euren Geist übergegangen«, murmelte jemand: Captain Quendolain.

Die ehemalige Captain lächelte ihr freundliches, beinahe verklärtes Lächeln, das nicht nur Somar-Ellen auf die Nerven ging.

Außer Somar-Ellen und Ramus hatte sie niemand verstehen können, da die Helme der anderen Gardisten noch geschlossen waren.

»Es wäre eine Erklärung«, gab Somar-Ellen zurück.

Hauptmann Ramus lachte humorlos.

»Mehr als das, meine liebe Captain: die einzige Möglichkeit überhaupt. Was wir hier atmen, ist kein Sauerstoff-Stickstoff-Gemisch, oder glaubst du das? Es ist manifestierte Energie eines dritten Universums mit eigenen Gesetzen. Wir sind zu Bestandteilen dieses Universums geworden, als SMARAGD sich hier als Phönix etablierte.

Das ist doch einleuchtend, nicht wahr? Ich möchte sogar so weit gehen zu behaupten, daß sich draußen nicht etwa das Chaos beruhigt hat, sondern daß es uns nur so erscheint, weil wir eben dazugehören. Auch die Sache mit der gewohnten Schwerkraft gehört dazu. Phönix paßte sich uns an und wir Phönix. - Wie gefällt euch das?«

Quendolain nickte ihm zu.

»Ich möchte dem zustimmen. Aber begreift ihr jetzt endlich, daß wir nicht länger gegeneinander kämpfen dürfen? Sobald wir das nämlich tun, stören wir das Gleichgewicht wieder. Teile von Phönix kämpfen gegen andere Teile von Phönix. Das kann doch gar nicht gutgehen.«

»Das müßten Sie Carmen sagen, nicht uns«, zischte Somar-Ellen. Mehr wagte sie nicht zu äußern, denn Carmen hatte inzwischen eingesehen, daß keine direkte Gefahr bestand, und löste ebenfalls ihren Helm. Außerdem gefiel es ihr nicht, daß hier Dinge gesprochen wurden, die sie nicht verstehen konnte. Das Ganze erschien ihr wie die Absprache zu gemeinsamer Rebellion.

»Um was geht es denn?« erkundigte sie sich mit falscher Freundlichkeit.

»Die Veränderten ergeben sich!« knurrte Somar-Ellen unfreundlich. »Captain Quendolain hat es eben gesagt. Sie sind erschüttert über das, was sie angerichtet haben, und möchten keinen weiteren Kampf. Sie sind hier der Chef, Carmen. Sie befehlen, und wir alle gehorchen.«

»Nett von Ihnen, Captain«, entgegnete Carmen ironisch und gab den Gardisten einen Wink. Sie lösten ebenfalls ihre Helme und klappten sie zurück.

»Aber ich traue den Veränderten nicht. Sie bleiben eine ständige Gefahr.«

»Was haben Sie vor?« erkundigte sich Ramus neutral.

»Ich will es Ihnen sagen, Hauptmann:

Alle Psychonauten und auch die Veränderten sollen das Schiff verlassen - augenblicklich. Wer nicht laufen kann, wird getragen. Wenn Sie vielleicht so freundlich wären und dies unterstützen würden?«

Die Feindschaft zwischen ihnen war jetzt nicht mehr zu übersehen, aber Ramus und Somar-Ellen taten ganz so, als würden sie es gar nicht bemerken.

Sie wollten keine Auseinandersetzung mit Carmen, denn diese hatte im Moment tatsächlich das Zepter in der Hand. Vielleicht würden sich die ehemaligen Besatzungsmitglieder der HADES für Captain Somar-Ellen entscheiden, aber dann blieben sie immer noch in der Minderheit. Außerdem durften sie sich nicht bekriegen, solange noch die Rolle der Veränderten undurchsichtig war und auch die Psychonauten eine Gefahr bildeten. Beim vorangegangenen Kampf hatte sich ja gezeigt, daß mit den ehemaligen Gefangenen nicht zu spaßen war.

Insofern war es richtig, wenn sie sich vorbehaltlos Captain Carmen unterordneten.

Carmen registrierte es mit Zufriedenheit. Sie wußte, daß dies die Stunde ihrer Bewährung war. Vor diesem Abenteuer war sie im Grunde genommen nur ein kleines Licht innerhalb der Raumgarden gewesen. Ihre Ernennung von der Gardisten-Psychonautin zur kommandierenden Captain war der Anfang einer neuen Karriere gewesen.

Carmen richtete sich stolz auf.

Sie würde beweisen, daß sie der neuen Aufgabe hundertprozentig gewachsen war. Längst glaubte sie nicht mehr, daß es jemals eine Rückkehr in das Normaluniversum geben würde, aber das spielte keine Rolle mehr, denn sie stellte hier die absolute Macht dar - Macht über Leben und Tod. Das sollte künftig so beibehalten werden.

Auch wir werden wie Phönix sein, dachte sie euphorisch. Wir werden das Beste aus unserer Situation machen und auf dieser Welt ein neues Geschlecht gründen. Und ich werde die Mutter dieses Geschlechtes bleiben - über meinen Tod hinaus.

Es wurde ihr eines nicht bewußt: Dies war weniger der Anfang einer neuen Ära, sondern eher der Anfang eines verhängnisvollen Größenwahns, denn wer konnte jetzt schon sagen, was die nahe Zukunft bringen würde - geschweige denn die ferne Zukunft?

*

Als der Psychonaut Enyl das Bewußtsein wiedererlangte, brauchte er eine Weile, um sich zurechtzufinden. Er hatte keine Ahnung, wo er sich befand.

Der Boden war sandig und rot, und der Himmel war einheitlich grün, ohne Sonne und ohne andere Gestirne.

Phönix! schoß es ihm durch den Kopf. Enyl war mit einem Mal hellwach und richtete sich auf.

Das hätte er besser vorsichtiger getan, denn er hatte im nächsten Moment das Gefühl, jemand würde ihm einen glühenden Draht durch die Wirbelsäule ziehen. Ein Schmerz, der sich bis ins Gehirn fortpflanzte und ihn aufstöhnen ließ.

Seine umnebelten Sinne klärten sich erst nach Sekunden wieder.

Die verdammten Gardisten! Was haben sie mit uns angestellt?

Es wurde ihm bewußt, daß sein Helm geöffnet war und er sich außerhalb des Raumschiffs befand. Eisiger Schrecken fuhr ihm in die Glieder.

Aber wenn es gefährlich gewesen wäre, hätte er erst gar nicht das Bewußtsein wiedererlangt.

Das beruhigte ihn wieder.

Mühsam erhob er sich vom Boden. Seine Haltung wirkte kampfbereit, als er sich nach den anderen umsah.

Die Veränderten hatten sich abgesondert und standen in einer Gruppe zusammen. Die Psychonauten kamen nach und nach zu sich.

Enyl ballte die Hände zu Fäusten. Seine Wut und sein Haß kannten keine Grenzen. Am liebsten hätte er das Gardisten-Pack, wie er es nannte, mit bloßen Fäusten zerschlagen.

Es entsprach dem Temperament von Enyl, daß er sich so verhielt. Dies war letztlich auch der Grund gewesen, warum er in den Kerkern von LUNA gelandet war.

Beim Raumschiff blieb alles ruhig.

Was für eine Teufelei hatte man mit ihnen vor?

Enyl rief zu den Veränderten hinüber: »Was ist passiert?«

Captain Quendolain sah ihn an, und in diesem Blick lag sehr viel Traurigkeit.

»Wir haben versucht, die Gardisten zur Vernunft zu bringen. Vergebens. Wir können unsere Kräfte nicht zur Geltung bringen, ehe wir gelernt haben, sie richtig zu steuern.«

Das waren Worte, die Enyls Laune in keiner Weise verbesserten. Ganz im Gegenteil. Seine eigene Ohnmacht wurde ihm noch bewußter.

»Und dann haben sie uns nach draußen verfrachtet?«

»So ist es.«

»Auf welcher Seite stehen Sie eigentlich, Captain? Auf unserer oder auf der Seite des Gardisten-Packs?«

Quendolain zögerte ein wenig mit der Antwort. Dann sagte sie: »Wir stehen auf der Seite des Neubeginns! Aber eines Neubeginns, der nicht unter der Gewaltherrschaft von Captain Carmen steht, die entgegen jeglicher Vernunft handelt. Und ich möchte Sie im Namen aller bitten, auch zur Vernunft zurückzukehren. Krieg ist sinnlos - vor allem, wenn von vornherein feststeht, daß es keine Gewinner, sondern nur Verlierer gibt. Wer den Kampf nicht aufgibt, wird letztlich selber vernichtet. Das haben wir am eigenen Leibe erfahren, und deshalb sind wir nicht mehr gewillt, die Auseinandersetzungen fortzuführen.«

Enyl dachte daran, daß sie vorhin noch gesagt hatte, ihre Kräfte wären unberechenbar, und daß sie deshalb vorsichtig sein müßten. Er legte die Ausführungen daher auf seine Weise aus: Quendolain und ihre Leute hielten sich so lange neutral, bis sie eine Chance zum Eingreifen sahen.

Ja, das war etwas, mit dem Enyl arbeiten konnte. Es bildete das Fundament für alle weiteren Überlegungen.

Offensichtlich waren sie im Moment in der Position der Unterlegenen. Alle lebten noch - nach dem vorangegangenen Kampf. Das mußte so bleiben, sollten sie jemals ihre Chance bekommen.

Ja, dachte Enyl und wurde auf einmal ganz ruhig, wir werden ebenfalls gute Miene zum bösen Spiel machen und die Zeit für uns arbeiten lassen. Diese Captain Carmen soll zu der Ansicht kommen, daß wir keine Gefahr mehr darstellen. Wir haben einen Versuch unternommen, die Gardisten auszuschalten. Dieser erste Versuch schlug fehl - und jetzt ziehen wir die Konsequenzen.

Das Außenschott der LUNA 10 öffnete sich. Captain Carmen erschien darin. Sie hatte den Helm zurückgeschlagen. Ihr schönes Gesicht wirkte hochmütig, und so sprach sie auch: »Es ist euch künftig verboten, das Schiff zu betreten!«

Eine Kunstpause. Wahrscheinlich hatte sie Proteste erwartet, aber es kamen keine.

Captain Carmen fuhr fort: »Ihr seid Gefangene. Wir werden euch Teile des Schiffes zur Verfügung stellen, damit ihr euch Notbehausungen bauen könnt. Über euer weiteres Schicksal wird noch entschieden.«

Einer der Psychonauten schüttelte wütend die Faust und wollte etwas sagen.

»Still!« zischte Enyl. Der Psychonaut schwieg verblüfft.

»Wir haben gehört, was du uns zu sagen hast, Captain Carmen, und beugen uns dem.«

Carmen lächelte anzüglich. »Es freut mich, Enyl, daß du so denkst, aber ich traue dir nicht. Hast du nicht gehört, daß über euer Schicksal noch nicht entschieden ist? Wir werden uns besprechen. Gegenwärtig bildet ihr einen zu großen Unsicherheitsfaktor, gegen den wir etwas tun müssen.«

»Was soll das heißen?«

»Du wirst es bald erfahren.«

Ihr Blick ging zu Captain Quendolain hinüber. »Ich habe mir erlaubt, eure kurze Unterhaltung zu belauschen, und zog daraus meine Schlüsse. Captain Quendolain, ich verspreche dir, die Chance, die du dir versprichst, wird nie kommen. Dafür werden wir sorgen.«

Das Schott schloß sich langsam.

Aus und vorbei! dachte Enyl. Er sah alle seine Felle davonschwimmen. Sie wird mich töten - und die Veränderten ebenfalls. Dann ist für sie der Weg frei. Die anderen werden es nicht mehr wagen, sich gegen sie zu widersetzen, und geben willige Arbeitssklaven her.

Sein Geist schrie: Captain Quendolain, sie hat recht. Wir müssen jetzt handeln, sonst bringt sie uns um.

Ein Schrei, den nur sie vernehmen konnte, weil er sich auf sie konzentrierte.

Captain Quendolain war längst zu demselben Schluß gekommen.

Es gab im Grunde genommen nur eine einzige Gefahr, und die hieß Carmen.

Sie war der entscheidende Faktor. Alle anderen Gardisten zogen zwar mit, aber sie befahl und entschied letzten Endes. Vielleicht hätte man mit Captain Somar-Ellen oder auch mit Hauptmann Ramus eher verhandeln können. Captain Quendolain konnte sich auch nicht vorstellen, daß die beiden bereit gewesen wären zu morden.

Bei Carmen war das bereits sicher. Sie hatte nur zu ihnen gesprochen, um allen zu zeigen, wie mächtig sie bereits war.

Überlegungen, die bei Captain Quendolain nur Sekunden in Anspruch genommen hatten.

Sie schloß sich mit ihren Leuten zusammen. Ihre Gedanken bildeten eine Einheit, und Captain Quendolain erkannte, daß sie alle ihrer Meinung waren. Deshalb brauchte sie nicht mehr länger zu zögern.

Wir unterstützen dich, Enyl! sagte sie telepathisch.

Darauf hatte der schwarzhaarige Psychonauten-Rebell nur gewartet. Schon spürte er die Kräfte der Veränderten, die nicht direkt in den Kampf eingreifen würden, aber die einen schützenden Mantel um ihn legten.

Enyl wandte sich an Captain Carmen. Das Schott war zu zwei Dritteln geschlossen. Soeben wandte sich die Captain ab.

Möglich, daß Carmen das alles auch nur gesagt hatte, um sie endgültig aus der Reserve zu locken und ihren Leuten die Entscheidung zum Mord zu erleichtern. Aber das bildete keineswegs ein zusätzliches Risiko. Carmen würde die Entscheidung auch anders herbeiführen können. Die Gardisten gehorchten ihr jetzt alle, selbst wenn sie nicht ganz ihrer Meinung waren.

Enyls Geist griff aus und schleuderte Carmen seinen Haß entgegen.

Die Captain zuckte zusammen wie unter einem Peitschenhieb.

Und dann wurde deutlich, daß sie mit einem solchen Angriff gerechnet hatte. Ihre Leute bildeten längst eine Séance, die sich nicht mehr im Hintergrund hielt, sondern die ihre Captain ebenfalls schützte.

Enyls PSI-Kräfte prallten gegen ein unsichtbares Hindernis. Wütend versuchte er, das Hindernis zu beseitigen.

Die anderen Psychonauten merkten, was hier gespielt wurde.

Zwar erinnerten sie sich an die Niederlage, die sie gerade erst über sich hatten ergehen lassen müssen, aber diesmal waren die Veränderten ganz eindeutig auf ihrer Seite. Eine ganz andere Situation also, die ihre Chancen erhöhte.

Ja, es mußte eine Entscheidung stattfinden, aber keine, die im Sinne von Captain Carmen war.

Die Psychonauten unterstützten Enyl, und der Schutz der Séance zerbrach.

Captain Carmen war ihnen ausgeliefert, und die Psychonauten zögerten nicht mehr, die Captain ob ihrer Unmenschlichkeit zu töten!

*

Nicht alle Gardisten nahmen an der Séance teil. Captain Carmen hatte ihnen detaillierte Befehle gegeben. Einige beschäftigten sich mit der Technik des Schiffes. Zum größten Teil waren die Aggregate völlig ausgefallen. Das gesamte Antriebssystem war irreparabel. Doch ein Teil der mörderischen Waffensysteme funktionierte noch.

Das war der eigentliche Trumpf von Captain Carmen. Sie zeigte sich ihren Widersachern erst, als sie diesen Trumpf in der Tasche glaubte.

Und jetzt kam er zum Tragen.

Die Energieerzeuger liefen auf vollen Touren. Die LUNA 10 war ein Kampfraumer der Raumgarden, und die Besatzung war hinreichend ausgebildet. Jeder wußte, was er zu tun hatte.

Eine der Strahlkanonen richtete sich auf die Gruppe der Veränderten, denn die waren es, von denen die größte Gefahr ausging, solange sie Enyl unangreifbar machten.

Auch in dieser Beziehung waren die Befehle von Captain Carmen eindeutig. Die Gardisten hatten gehofft, daß es nicht notwendig werden würde, aber jetzt zögerten sie nicht länger. Captain Carmen würde sonst sterben müssen. Das wußte jeder von ihnen.

Und was kam dann? Würden die Psychonauten und die Veränderten alle Gardisten auslöschen, um endgültig befreit zu sein?

Damit rechneten die Gardisten fest, und weil man sie im Sinne von Elitesoldaten erzogen hatte, die sich niemals ergaben und stets auf einen Sieg im Sinne ihrer Befehlshaber hinarbeiteten, drückte der Feuerleitoffizier auf den rotmarkierten Knopf.

Das Abstrahlfeld der Strahlkanone baute sich in Sekundenbruchteilen auf.

Es war ähnlich wie bei der Handwaffe von Captain Carmen. Das Feld war verändert. Es strahlte breiter und wurde von einer Aura aus zuckenden Irrlichtern umgeben.

Die Kanone feuerte.

Die Anzeigen brachten unmögliche Werte. Ständig wandelten sie sich. Aber die Gardisten achteten gar nicht darauf.

Sie hatten sich gewissermaßen daran gewöhnt, daß hier nichts so funktionierte, wie man es gewöhnt war.

Carmen hatte ihnen eingeredet, daß man die Strahlwaffen einsetzen konnte, obwohl die vernichtende Energie nicht hundertprozentig steuerbar war. Dies schien sich zu bewahrheiten.

Ein balkenähnlicher Strahl löste sich aus der mörderischen Waffe und raste auf die Gruppe der Veränderten zu. Dieser Strahl hätte genügt, ein mittleres Raumschiff in seine atomaren Bestandteile aufzulösen. Die Veränderten hatten nicht die geringste Chance.

Zu spät erkannten sie die tödliche Bedrohung. Ein Ausweichen gab es nicht mehr.

Noch bevor sie auch nur in der Lage waren, einen Abwehrschirm aus PSI-Energien zu errichten, hatte sie der Tod erreicht.

Die Veränderten von Phönix glichen aufglühenden Magnesiumfackeln. Ein furchtbarer Schrei auf PSI-Ebene marterte die Gehirne von Psychonauten und auch von Gardisten.

Das höllische Feuer vereinte sich zu einer strahlenden Sonne, die ein Loch in den Boden brannte und ein Erdbeben verursachte, das die LUNA 10 durchschüttelte.

Der abgedichtete Spalt verbreiterte sich, und die Psychonauten verloren den Boden unter den Füßen. In ihrer unmittelbaren Nähe schien ein neuer Vulkan zu entstehen. Sie konnten nicht hinsehen, sonst hätten sie die gleißenden Strahlen für immer geblendet.

Die Sichtscheiben des Raumschiffs verdunkelten sich automatisch. Wenigstens das funktionierte wie gewünscht. Die Gardisten konnten es wagen, hinauszusehen. Eine eiskalte Faust schien nach ihren Herzen zu greifen und sie anzuhalten.

Captain Carmen war in der Schleuse niedergestürzt. Sie wollte sich aufstützen, aber ein erneutes Beben schleuderte sie wieder der Länge nach hin. Draußen entstand die Hölle, und das gleißende Licht brannte sich wie Feuer in die Augen der Captain. Carmen konnte nicht mehr klar denken, denn die entfesselten Gewalten wirkten auch auf die Geister der Menschen.

Und dann puffte die strahlende Sonne empor, raste als Feuerball in den grünen Himmel und riß ihn auf.

Die Gardisten in der Zentrale sahen es als einzige. In der Himmelsöffnung nistete Furcht und Vernichtung und ergossen sich über Phönix in der Gestalt ungezählter und skurriler Geschöpfe, die herabregneten. Einige dieser Wesen stürzten sich zu Tode. Der Höhenunterschied war zu groß. Aber die meisten wurden von unbegreiflichen Energien belebt und rafften sich wieder auf.

Dies waren Geschöpfe der wahren Hölle. Keiner der Gardisten zweifelte daran.

Und doch gab es etwas, was ihre Blicke von den Monstren ablenkte. Es war etwas, was fantastischer, noch unmöglicher erschien und das Grauen in ihnen steigerte: Die Veränderten von Phönix! Sie lagen am Boden - dort, wo sie vordem gestanden hatten - und rührten sich nicht. Ihre Körper erschienen heil. Um sie herum befand sich ein verbrannter Kreis aus glasierter Substanz. Das einheitliche Rot hatte sich an dieser Stelle zu einem Schwarz verändert.

Wieder ein Blick zum Himmel. Er hatte sich geschlossen, aber die Monstren waren geblieben.

Kaum eines ähnelte dem anderen. Da waren skurrile Drachen, Insekten von der Größe eines Hundes, Flugsaurier mit glühenden Augen und nadelspitzen Zähnen, Echsen in allen Größen und Schattierungen und schwarze Flecke von unterschiedlicher Konsistenz, in denen sich Augen befanden und die hin und her taumelten.

Sie hatten nur eines gemeinsam: Alle wandten sich in Richtung der LUNA 10 und auch in Richtung der Psychonauten.

Um die Veränderten kümmerten sie sich vorerst nicht. Die Gardisten sahen das als Beweis dafür, daß Captain Quendolain und ihre Leute nicht mehr am Leben waren. Die Flut des Grauens rollte heran.

*

Enyl wagte es als erster, den Kopf zu heben. Da sah er die tödliche Gefahr.

Er war Psychonaut. Es war ganz normal, daß er sofort versuchte, mit seinen PSI-Kräften die Monstren zu bekämpfen - zumal er die Erfahrung gemacht hatte, daß es ihm seit seines Aufenthaltes auf Phönix wesentlich leichter fiel, die Psychonautenkräfte einzusetzen.

Die anderen reagierten ebenso.

Die Angreifer waren heran. Die erste Reihe stürzte sich kreischend und heulend auf die Psychonauten.

Es war schlimmer als im schlimmsten Alptraum - und es gab kein Erwachen daraus.

Keiner der Betroffenen war in der Lage, sich Gedanken über die Herkunft der grauenvollen Geschöpfe zu machen. Wichtig war für sie zunächst deren Aggressivität. Sie brachten Tod und Verderben mit.

Enyl schleuderte einem grünen Drachen mit zwei Köpfen tödliche Energien entgegen. Ein normales Wesen wäre davon zerfetzt worden, aber der Drache wurde nur ein Stückchen zurückgeschleudert. Dann griff er erneut an. Erschrocken sah Enyl, daß das Wesen die PSI-Energien einfach geschluckt hatte und dabei noch größer und stärker wurde. Er versuchte es ein zweites Mal.

Derselbe Effekt. Jetzt war der Drache auf die doppelte Größe angewachsen, und auch seine Wildheit und Mordlust hatten sich verstärkt.

Enyl blieb nichts anderes übrig, als sich mit bloßen Fäusten gegen den monströsen Gegner zu wehren. Er sprang den Drachen mit einem wütenden Gebrüll an und schlug auf die beiden Köpfe ein. Etwas Besseres kam ihm nicht in den Sinn.

Der Drache verhielt überrascht. Enyl bewies seine artistische Behendigkeit, indem er sich auf den Rücken des Ungetüms schwang.

Der Drache bewegte sich schwerfällig. Während sich Enyl daran machte, den einen Kopf zurückzubiegen, drehte sich der andere Kopf und musterte den Psychonauten.

Enyl wußte diesen Blick nur so zu deuten: der Blick des Bösen! Er wußte selber, wie verrückt das klang, aber diese Geschöpfe waren für ihn Geschöpfe des Bösen.

Er zweifelte nicht mehr daran.

Als das Genick des Drachen brach, schnappte der zweite Kopf zu.

Enyl wich im letzten Moment aus. Er bewegte sich geschmeidig wie eine Raubkatze und griff nach dem zweiten Kopf.

Der Drache wiederholte seinen Fehler nicht und schüttelte Enyl ab wie ein lästiges Insekt.

Und dann stand das Ungetüm über dem Psychonauten und hob eines der säulenartigen Beine, um ihn zu zerstampfen.

Enyl rollte beiseite. Der Boden erdröhnte unter dem stampfenden Tritt. Enyl sprang auf und wollte sich erneut auf den Rücken des Drachen schwingen. In diesem Augenblick hörte er Flügelschlagen und wandte kurz den Kopf.

Eine Art Insekt, so grün wie der Drache, aber unbeschreiblich feingliedrig und mit hauchzarten Flügeln versehen. Schön war es dennoch nicht. Vor allem störte Enyl der rote Stachel, der wie eine Lanze auf ihn zielte, um ihn zu durchbohren.

Enyl entging dem Tod ein weiteres Mal um Haaresbreite. Der Stachel verfehlte ihn und bohrte sich stattdessen in den runzeligen und hornigen Leib des Drachen.

Damit waren die beiden Angreifer ausgeschaltet, denn der Drache wehrte sich und vernichtete das Insekt, bevor ihn selber der Tod durch das Gift des Stachels ereilte.

Eine helle Stimme erscholl über den Platz vor dem Raumschiff. Es war die Stimme von Quendolain!

Quendolain lebte!

»Haltet ein, Psychonauten! Ergebt euch! Dann hören die Monstren auf, euch zu bekämpfen.«

Enyl blickte sich um. Sein Atem ging keuchend. Er sah Blut und sterbende Gefährten. Und sie sollten sich einfach ergeben, sollten sich nicht wehren?

Der reinste Irrwitz!

Enyl wunderte sich nicht darüber, daß Quendolain überlebt hatte. Ihn konnte nichts mehr erschüttern. Vor allem auch deshalb nicht, weil ihn ein drittes Geschöpf aufs Korn nahm. Es handelte sich um einen der Flecke. Näher betrachtet erinnerte es an eine schwarze Qualle. Es hatte allerdings drei Augen und ein Pseudogesicht. Wie sich das Ding in der Luft halten konnte, ohne Flügel zu besitzen, blieb Enyl schleierhaft. Er dachte an PSI und trat mitten in das Pseudogesicht hinein.

Das Ding gluckste seltsam, aber das war auch die einzige Reaktion. Wo Enyl es berührt hatte, breitete sich Kälte aus.

Das Wesen war so schwarz, weil es alle Energie aufsaugte wie ein Schwamm das Wasser, und kein Licht reflektierte!

Das totgeglaubte Insekt erholte sich auf einmal wieder und versuchte vergeblich, seinen Stachel aus dem regungslosen Drachen zu ziehen.

Die Qualle raste auf Enyl zu, dem nichts anderes übrigblieb, als das Weite zu suchen. Er schlug einen Haken und rannte um die beiden Horrorgeschöpfe herum. Die Qualle verrechnete sich und kollidierte mit dem Insekt. Das bekam dem zarten Wesen überhaupt nicht. Es zirpte verängstigt, und als die Qualle von ihm abließ, fehlte die Hälfte von dem Insekt.

Enyl stiegen unwillkürlich die Haare zu Berg. Er schielte zum Raumschiff.

Dort tat sich etwas. Enyl sah ein paar der Horrorgeschöpfe, die durch die Schiffswandungen drangen, als wären sie nur ein Nebelschleier. Es waren fast ausnahmslos Quallenwesen. Die anderen Angreifer hatten Schwierigkeiten einzudringen. Einige schafften es überhaupt nicht.

»Ergebt euch!« schrie Quendolain mit sich überschlagender Stimme. Jetzt fielen auch die anderen Veränderten ein. Sie riefen den Psychonauten zu: »Es sind eure eigenen Gedanken, die sich materialisierten! Es sind Materie gewordene Haßgedanken!«

Enyl stutzte. Was er da hörte, klang zwar irrsinnig, aber was war eigentlich auf Phönix normal?

Er drehte sich um und sah der Qualle entgegen, die sich wieder neu orientiert hatte und sich ihm mit tödlicher Sicherheit zuwandte.

Es fiel Enyl unendlich schwer, aber er hatte praktisch keine andere Möglichkeit. Die Horrorgeschöpfe würden sie ausrotten. Auf die Dauer konnten sie gegen diese Übermacht nicht bestehen.

Also handelte Enyl genauso, wie es Quendolain und ihre Leute empfahlen.

Schließlich wurden die Veränderten von dem Angriff überhaupt nicht betroffen.

Er stand da mit hängenden Schultern und blickte dem Ding entgegen. Es erreichte ihn. Enyl spürte die eisige Kälte des Todes und schloß die Augen. Sein Inneres war leer und ohne Gedanken. Er war als Psychonaut gewohnt, auch in Streßsituationen einen tranceähnlichen Zustand einzunehmen. Nur so überlebte er. Sein Atem ging ruhig, und die Kälte wich. Vorsichtig öffnete Enyl die Augen. Er lebte und war unversehrt. Die Qualle torkelte davon. Ein paar Meter weiter konnte sie sich plötzlich nicht mehr halten und fiel zu Boden. Dort zuckte sie verendend.

Einige der Gefährten hatten es mit angesehen, und sie taten es Enyl gleich.

Enyl drehte sich träge um sich selbst und ließ seinen Blick über das blutige Schlachtfeld streifen. Er sah die Toten und sah die Schwerverletzten. Nur wenige hatten es geschafft, sich bis jetzt zu halten.

Das Raumschiff. Kreischend bewegte sich die Kuppel eines Strahlengeschützes. Das Abstrahlfeld war instabil, und die Kuppel hatte wahrscheinlich bei der Bruchlandung etwas abbekommen.

Wimmernd löste sich der Energiestrahl und knallte in die Reihen der Grauenwesen.

Die Gardisten waren diesmal vorsichtiger als beim ersten Mal. Sie schossen mit wohldosierter Energie. Enyl fragte sich, wie sie das mit durchdrehenden Kontrollanzeigen überhaupt schafften.

Die Vorsicht nutzte ihnen wenig. Zwar traf der Schuß ins Schwarze, aber die Wirkung war verheerend. Ein Feuermeer breitete sich aus, und aus diesem Feuermeer wuchsen die betroffenen Monstren erneuert hervor, mehrfach vergrößert. Die Flammen leckten so lange an ihnen empor, bis sie von den Wesen alle aufgesogen und einverleibt worden waren.

Haßgedanken! dachte Enyl bestürzt. Materie gewordenes Böses. Ich habe es geahnt. Zunächst war zu vermuten, daß es sich um Wesen aus Hyperraum handelte, aber dem ist nicht so. Quendolain hat recht. Dieses Teufelsweib. Wieso hat sie den Energieschuß überlebt?

Er hob den Blick und sah den zweiten Spalt im Himmel über Phönix. Ein weiteres Heer von Horrorgestalten regnete hernieder.

Warum das alles? fragte er sich verzweifelt. Wieso wird die Energie der Strahlschüsse auf solche Weise umgewandelt?

Es gab nur eine Antwort: Phönix hatte seine eigenen Gesetze, deren innere Logik man noch nicht begriff.

Dafür war auch viel zu wenig Zeit vergangen.

Enyl wurde von den Horrorgeschöpfen nicht mehr angegriffen. Sie taumelten umher, wenn sie in seine Nähe kamen, erschienen ratlos und völlig desorientiert.

Die anderen Psychonauten wurden ebensowenig attackiert.

Der Rest des Grauensheeres wandte sich gegen die LUNA 10.

Die wenigen, die nicht eindringen konnten, kletterten wie gefräßige Spinnen darauf herum.

Quendolain rief: »Captain Carmen! Du mußt sterben, wenn du dich nicht von deinen Machtgelüsten lossagst!«

Als würde sie darauf hören, dachte Enyl erbittert. Sie geht eher in den Tod.

Zu weiteren Energieschüssen kam es nicht mehr. Sie nutzten ohnedies nichts. Gewiß war der Schütze auch mit anderen Dingen beschäftigt, denn in der Zentrale mußte es von den Haßgeschöpfen nur so wimmeln.

*

Die Gedanken der Gardisten locken sie an, dachte Captain Quendolain voller Trauer. Warum wollen sie nicht begreifen?

Der Mensch ist ein Produkt seiner Erziehung, die gemäß seiner natürlichen Veranlagung moduliert und auf seine individuellen Bedürfnisse abgestimmt wurde! Ein Satz, der ihr gerade jetzt einfiel.

Er paßte gut zu dieser Situation. Captain Quendolain barg das Gesicht in den Händen. Sie erinnerte sich an den Energietreffer und an die Hölle, die er in ihrem Innern entfacht hatte. Sie war die ganze Zeit bei vollem Bewußtsein geblieben. Die technisch erzeugten Energien des Schiffes waren hier auf Phönix Fremdkörper und konnten einem Veränderten letztlich nichts anhaben. Sie peinigten ihn nur so lange, bis die Natur von Phönix sie umgewandelt hatten.

Vorher wären die Haßwesen nicht entstanden. Es bedurfte der besonderen Umstände.

Die Haßwesen waren Produkte der entarteten und umgewandelten Natur, die jede Fremdenergie umwandelte, weil es auf Phönix nicht Fremdes geben durfte. Die aggressive Energie der Strahlkanonen materialisierte sich in Gestalt der Haßgedanken der Psychonauten. Phönix veränderte alles, aber er bediente sich dazu offenbar der Muster, die er in den Gehirnen der Menschen fand. Das war genau auch die Hoffnung von Quendolain. Die Gardisten würden sich mit der Zeit ebenfalls verändern, damit sie in diese Natur hineinpaßten.

Durch die grauenvollen Vorgänge war alles schneller gegangen.

Sie nahm die Hände wieder herunter.

Bei den Psychonauten hatte es Tote gegeben. Die Verletzten waren bewußtlos. Dadurch hatten die Angreifer von ihnen abgelassen.

Opfer, die nicht notwendig gewesen waren.

Quendolain wandte sich dem Schiff zu. Was im Innern vorging, konnte sie nur ahnen. Aber da rutschten die ersten Fabelgeschöpfe von der Außenwand ab und blieben zuckend am Boden liegen.

Die Gardisten hörten endlich auf den Rat von Captain Quendolain und ihren Leuten!

Sie flüchteten in Passivität und unterdrückten jegliche Aggression.

Auch sie waren letztlich Psychonauten, weshalb es ihnen möglich war, sich sehr schnell umzustellen und ihre Gedanken zu zügeln.

Einige der Fabelwesen torkelten davon, brachen aber wenige Meter weiter schon zusammen.

Quendolain beobachtete, daß sie sich langsam auflösten. Sie wurden endgültig zu Bestandteilen von Phönix. Ihre Rolle als Todesengel war lediglich ein Zwischenstadium gewesen, gesteuert und initiiert von den negativen Gedanken der Menschen,

Das Schott öffnete sich wieder. Diesmal erschien nicht Captain Carmen, sondern Captain Somar-Ellen.

Quendolain schickte ihr einen forschenden Gedanken entgegen.

Das Denken von Somar-Ellen war erfüllt von Friedlichkeit.

*

Die ganze Zeit über waren die Psychonauten gelassen, ja, apathisch gewesen. Jetzt erwachten sie wieder zu neuem Tatendrang. Zunächst achteten sie überhaupt nicht auf Somar-Ellen, die auf den Boden sprang und auf Quendolain zusteuerte. Andere Gardisten folgten ihr. Quendolain sah auch Hauptmann Ramus.

Die Psychonauten kümmerten sich um ihre Toten und Verletzten. Zwei Männer starben ihnen unter den Händen. Die anderen brauchten medizinische Versorgung.

»He, Hauptmann!« rief Enyl und meinte Ramus. »Wie ist das, funktioniert der Medocomputer?«

Ramus schüttelte ernst den Kopf.

»Wir haben leider nur wenige Verletzte. Die meisten sind tot. Der Medoroboter reagiert nicht wie gewünscht. Es wäre gefährlich, sich ihm anzuvertrauen. Ihr müßt euch selber um die Verletzten kümmern. Bringt sie an Bord. Die Medikamente stehen euch zur Verfügung.«

Enyl bedankte sich nicht. Er half seinen Leuten, die Verletzten zum offenen Schott zu tragen.

Fünf Gardisten blieben vor Captain Quendolain stehen, unter ihnen Somar-Ellen und Ramus.

Somar-Ellen führte das Wort: »Du hattest recht, Quendolain, und hast unser Leben gerettet. Captain Carmen ist tot. Sie wurde am schlimmsten betroffen. Ein schrecklicher Anblick. Die meisten ihrer Anhänger gingen denselben Weg. Wir waren fast vierzig und sind nur noch ein Dutzend. Hinzu kommen die Verletzten.«

Quendolain nickte.

»Wie viele?«

»Acht!«

»Dann gibt es von den beiden Räumschiffen HADES und LUNA 10 nur noch ungefähr fünfzig Überlebende. Aber ich sehe, daß ihr euch entschieden habt.«

»Ja, Quendolain, denn wir haben die Notwendigkeit einer guten Zusammenarbeit eingesehen. Glaubst du, daß sich Enyl dem anschließt?«

»Das wird er nur, wenn man ihm Freiheit versprechen kann - für ihn und seine Leute und auch für den Fall, wenn es uns gelingen sollte, Phönix jemals wieder zu verlassen.«

Captain Somar-Ellen lächelte und blickte nach ihren Leuten. Die vier nickten zustimmend.

»Unser Wort hat er jedenfalls. Dasselbe gilt auch für euch. Wir schließen einen Pakt und dieser Pakt soll gelten, solange wir leben.«

Sie reichte Quendolain die Hand.

Die ehemalige Captain ergriff sie bewegt. Die Erkenntnis, daß sie und ihre Leute längst den Kontakt mit Hyperraum verloren hatten, hatte ihr arg zugesetzt, aber jetzt sah sie, daß Phönix zu einer neuen Heimat geworden war.

Sie spürte keine Trauer mehr.

*

Die Zeit verrann und war nicht meßbar. Keiner der Veränderten von Phönix konnte sagen, wie lange sie schon hier waren.

In der ersten Zeit rang man um das Leben der Verletzten. Für einige war es zu wenig.

Captain Somar-Ellen führte ein Tagebuch - nach der uralten Methode mit Bleistift und Plastikfolie anstelle von Papier. Computeraufzeichnungen brachten wirre Ergebnisse, denn die Elektronik der Geräte versagte.

Die Captain schrieb: »Wir sind jetzt nur noch vierzig. Ich glaube, daß die Leute, die ihren Verletzungen erlagen, sich einfach nicht genügend an Phönix anpassen konnten. Bei uns ist die Anpassung erfolgt. Wir haben uns verändert - nicht nur seelisch, sondern sogar körperlich. Trotzdem: Die Veränderung ging nicht so schnell vonstatten, daß wir uns nicht hätten daran gewöhnen können.

Es gibt kein Gestern, kein Heute, kein Morgen, sondern nur rote Wüste mit sanften Hügeln in der Ferne und einen grünen Himmel. Das einzige, was uns anfangs etwas Halt gab, war das Wrack der LUNA 10 und die Überreste meines ehemaligen Schiffes HADES. Wie ein Mahnmal wirkt es.

Aber auch die LUNA 10 ist anders geworden. Die Computer funktionieren nicht mehr, und das Metall färbte sich so rot wie die langweilige Wüste. Das Raumschiff wurde zu einem Bestandteil von Phönix - wie wir selbst.

Soll ich das bedauern? Nein, im Gegenteil: Ich fühle mich wohl in meiner Rolle.

Hauptmann Ramus geht mir übrigens aus dem Weg. Die versprochene Auseinandersetzung findet wohl nie statt. Wir waren damals beide in einer besonderen Streßsituation, die ich heute nicht mehr begreifen kann. Ihm ergeht es gewiß nicht anders. Daraus resultiert auch seine Unsicherheit, wenn er mir begegnet. Ich bin froh, daß er sich nicht um mich kümmert. Ich empfinde etwas für ihn, was mich erschreckt, weil ich es nicht kenne. Schließlich bin ich in erster Linie eine Captain und hatte kaum Gelegenheit in meinem Leben, mich als Frau zu fühlen.

Und Ramus ist in erster Linie ein Hauptmann und erst in zweiter Hinsicht ein Mann!

Ich weiß nicht, was daraus noch wird, will es auch nicht wissen. Wie gesagt: Ich fühle mich im Moment sehr wohl in meiner Rolle.

Noch etwas: Die Nahrungsmittelvorräte der LUNA 10 wurden bislang nicht in Anspruch genommen. Keiner verspürt Hunger oder Durst. Ein Phänomen, das nur auf die Veränderung zurückzuführen sein kann. Phönix hat uns als seine Bestandteile anerkannt und versorgt uns mit allem.

Wir ernähren uns von seinen Energien!

Vorhin fand eine Lagebesprechung statt. Zum ersten Mal seit all der Zeit saß ich neben Hauptmann Ramus. Er rückte von mir ab. Absichtlich oder unbewußt? Ich rückte jedenfalls nach, und er blieb sitzen.

Wir sprachen alle über unsere Situation. Die Besprechung fand in den Notunterkünften statt, denn niemand fühlt sich noch an Bord des verwandelten Schiffes wohl. Kein Schalter läßt sich mehr bewegen. Die Energieaggregate rühren sich nicht, wenn man sie anwerfen will, und sehen aus wie Attrappen. Zu mehr taugen sie auch nicht mehr.

Ja, Quendolain hat zu uns allen gesprochen. Es sieht so aus, als würde sie manchmal darunter leiden, daß die ehemalige Besatzung der LUNA 10 ihre Verbindung zu Hyperraum verloren hat. Oder irre ich mich? Jedenfalls hat sie schon wieder davon geredet. Sie sagte, daß wir alle Kinder von Phönix geworden sind und daß wir das keine Sekunde lang bedauern sollten. Auch sprach sie an, daß sich bisher bei keinem von uns so etwas wie Heimweh entwickelt hätte. Dies sei ebenfalls als normal zu betrachten.

Und dann ließ sie gewissermaßen die Katze aus dem Sack: Phönix bildet ein eigenes Universum, aber wir wissen alle, daß er durch den Außerirdischen Soschnyz-Baschraz-Som aus dem irdischen Sonnensystem verbannt wurde. Quendolain vertritt die Theorie, daß Phönix in Hyperraum weilt, und zwar immer noch. Daß er sich von Hyperraum nur durch ein Energiefeld abkapselt. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, daß Phönix als ein Fremdkörper von Hyperraum betrachtet wird und als solcher vielleicht wieder nach Weltraum I abgestoßen werden könnte. Wenn er eine Wanderung zwischen den Universen beginnt, kann das Folgen haben, die wir uns nicht vorstellen können. Vielleicht merken wir überhaupt nichts davon - oder wir werden von den Auswirkungen vernichtet.

Dies ist die gegenwärtige Situation. Sie wurde reichlich ausdiskutiert.

Captain Quendolain mischte sich ein und unterbreitete einen Vorschlag: Sie will sich gemeinsam mit ihren Leuten zu einer Séance zusammenschließen und versuchen, Kontakt mit dem Außerirdischen Soschnyz-Baschraz-Som aufzunehmen. Der ist der einzige, der es schaffen könnte, auf Phönix zu landen, um endlich Klarheit zu schaffen. Falls es nicht klappen sollte, bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als die Entwicklung der Zukunft abzuwarten. Als nächstes würden wir dann eine Erforschung von Phönix in Angriff nehmen. Bisher hat sich jeder davor gedrückt, eine Expedition durch die rote Wüste zu unternehmen. Obwohl ich mir persönlich kaum vorstellen kann, daß es an anderer Stelle nicht ebenso aussehen sollte wie hier.

Anmerkung: Nach der Besprechung hat mich Hauptmann Ramus geküßt! Das heißt, er drückte flüchtig seinen Mund auf meinen.

Es war unbeschreiblich für mich. Zuerst erschrak ich, weil ich nicht damit rechnete, und dann...

Ich erinnere mich unwillkürlich an Quendolain und ihre Leute ganz am Anfang. Sie benahmen sich zuweilen wie Kinder. Jetzt nicht mehr. Oder wird es mir nur nicht mehr bewußt, weil ich genauso geworden bin?

Ich weiß, daß meine Konditionierung wie die aller anderen Gardisten aufgehoben worden ist. Es muß an der Veränderung liegen, die auf Phönix mit uns geschieht. Ramus glaubt, daß die Gehirnwäsche ihre Wirkung auf uns Gardisten verliert, sobald unser Geist sich vom Körper löst, was hier mehrfach passiert sein dürfte.

Ich bin ein Kind, ja, und keine erwachsene Captain mehr. Aber ich weiß, daß ich irgendwann erwachsen werde. Ich werde mich vollkommen in die Rolle einer Veränderten einleben.

Das ist Zukunft. Ich denke an die Gegenwart und an Hauptmann Ramus - und bin glücklich.

Soeben kommt er. Er ist ganz verlegen, wie ein kleiner Junge, der sich zum ersten Mal verliebt hat.

Aber wir sind nun alle Kinder - Kinder von Phönix...«

*

Sie bildeten die Séance an Bord der ehemaligen LUNA 10. Das gesamte Metall war jetzt glutrot.

Keiner der neun störte sich daran. Sie saßen da und gaben sich die Hände. Quendolain hatte ihnen genaue Anweisungen gegeben. Sie war die stärkste unter ihnen und würde ihre Geister gemeinsam von der Oberfläche von Phönix hinwegführen.

Es war nicht schwer, die Séance zusammenzuführen und auch zu halten. Ihre Gemeinsamkeit strebte durch die festen Wände des Schiffes hindurch nach draußen. Sie sahen Hauptmann Ramus und Captain Somar-Ellen. Die Captain hatte ihre Aufzeichnungen weggelegt und unterhielt sich angeregt mit dem Hauptmann.

Die Séance spürte, daß sich bei den beiden tiefe Zuneigung entwickelte.

Quendolain dachte: Das ist der Beweis, daß das Geschlecht der Veränderten nicht auf Phönix aussterben muß - wenn Phönix nur stabil und uns erhalten bleibt.

Flüchtig dachte sie auch an die vergangenen Kämpfe und furchtbaren Erlebnisse. Sie lagen jetzt wie hinter einem dicken Nebel. Das Jetzt erschien ihnen so, als wäre es schon immer so gewesen.

Alle nahmen an ihren Gedanken teil und störten sie nicht. Die Gemeinschaft wartete, bis sich Quendolain erneut konzentrierte und sie endlich zum grünen Himmel führte.

Sie strebten hinauf und spürten die Anwesenheit ungeheurer Energien.

Hatte Quendolain recht mit ihrer Theorie, daß eine Energieglocke Phönix umgab, in der sich die konträren Kräfte zwischen ihrer Welt und Hyperraum die Waage hielten?

Die Séance rief die Erinnerung an das wach, was von ihnen noch in den Tiefen von Hyperraum weilte. Als Veränderte hatten sie Phönix betreten, denn seit dem Transmitterunfall und dem damit verbundenen Aufenthalt in Hyperraum waren sie keine Menschen mehr. Bei ihrem Aufenthalt auf PHÖNIX hatte es eine zweite Veränderung gegeben.

Sie riefen nach ihren Äquivalenten in Hyperraum und stießen gegen das Hindernis der Energieglocke.

Die Energien drohten, die Verbindung zu zerreißen. Sie brauchten sehr viel Kraft, um sich zu halten, und wollten weiter.

Das war ihnen unmöglich. Aber da spürten sie einen flüchtigen Kontakt.

Sie hatten sich geirrt! Noch immer waren sie auch Bestandteile von Hyperraum und nicht vollkommen getrennt von ihm. Nur wurde die Verbindung durch die Energieglocke gestört, und diese schleuderte sie zur Oberfläche von Phönix zurück.

Erschöpft erwachten sie aus der Trance und fanden sich an Bord der LUNA 10 wieder.

Somar-Ellen, Hauptmann Ramus, Enyl und auch andere Psychonauten standen im offenen Schott. Sie wirkten sehr besorgt.

Enyl sagte: »Tut es nie wieder, Quendolain, ich bitte dich darum! Der grüne Himmel wurde plötzlich von einem wandernden Netzwerk überzogen. Blitze entluden sich und zauberten irre Lichterspiele, und wir alle spürten eine Bedrohung. Ihr dürft es nicht wieder wagen, denn sonst besteht die Gefahr, daß sich vielleicht die Sphäre um unsere Welt auflöst und die Kräfte von Hyperraum hereinläßt. Es könnte alles vernichten.«

Quendolain begegnete ernst seinem Blick.

»Du hast recht, aber wir haben keine Chance, durch die Sphäre zu dringen. Dazu müßtet ihr uns helfen. Die Gefahr schreckt allerdings auch uns. Wir werden einen zweiten Versuch unternehmen, aber unter anderen Vorzeichen. Es muß uns gelingen, Kontakt mit Soschnyz-Baschraz-Som herzustellen. Wir haben es euch versprochen und werden dieses Versprechen auch halten.«

»Tut es nicht!« bat Enyl erneut. Quendolain hörte nicht auf ihn und gab ihren Leuten ein Zeichen. Sie hatten sich sehr schnell wieder erholt und konnten ihren zweiten Versuch wagen.

Quendolains Gedanken flüsterten den anderen zu: »Denkt an Soschnyz-Baschraz-Som, an seine grüne Erscheinung mit dem Flaum auf der glatten Haut und an sein rotes Auge, das mitten auf der Stirn plaziert ist. Er stammt von Zyzschniy, einer Welt, deren Standort kein Mensch kennt und den er nicht preisgibt. Denkt an ihn, damit wir ihn gemeinsam rufen können.«

Sie hatten nichts einzuwenden.

*

Hauptmann Claudette machte den Anfang: »Soschnyz-Baschraz-Som!« hörten sie ihre helle und klare Stimme, obwohl sie nicht einmal den Mund aufmachte.

Die Psychonauten standen nach wie vor im Eingang und beobachteten sie besorgt.

Hauptmann Ramus trat vor, aber Captain Somar-Ellen hielt ihn am Arm auf und schüttelte den Kopf.

»Sie hat recht«, sagte Enyl leise, als hätte er Angst, die Séance bei ihrer Arbeit zu stören. »Lassen wir sie. Quendolain hört doch nicht auf uns. Immer wieder sondern sie sich von uns ab. Ich habe den Eindruck, als würden sie eigene Ziele verfolgen.«

»Ich nicht«, widersprach Hauptmann Ramus. »Quendolain hat uns alle gerettet, vergessen wir das nicht. Ihr verdanken wir unser Leben. Und sie hat es nicht nur einmal getan, sondern gleich mehrmals, während wir wie blinde Hühner dieser Captain Carmen nachliefen. Zeigt das nicht deutlich genug, daß sie auf unserer Seite steht?«

»Gewiß.« Der Psychonautenrebell nickte. »Aber in ihnen lebt noch immer das Hirngespinst, daß sie einen Teil von sich in Hyperraum zurückgelassen haben - noch bevor die ganze Geschichte hier entstand.«

»Es ist ihre Sache. Unsere Sache ist es, sofort einzugreifen, wenn es negative Erscheinungen gibt. Wir dürfen kein Risiko eingehen.«

»Du wolltest die Séance nicht unterbrechen?« mischte sich Somar-Ellen ein.

»Natürlich nicht, Liebes, sondern ich wollte nur bereit sein, falls ein Eingreifen vonnöten ist.«

Enyl hörte »Liebes« und blickte erstaunt auf. Dann lächelte er.

Eine Liebesgeschichte auf Phönix!

Enyl amüsierte sich nicht darüber, sondern freute sich, denn für ihn war es das untrügliche Zeichen, daß die Veränderten trotz allem eines mit Gewißheit geblieben waren: Menschen!

Wenn sie auch auf Phönix eine neue Heimat gefunden hatten und sich dabei sogar wohlfühlten.

War diese schrecklich fremde Welt nicht schöner und menschlicher als die Erde des Weltrats?

Sein Blick irrte zur Séance hinüber. Auf einmal wurden ihre Ausstrahlungen spürbar.

In unmittelbarer Nähe der Séance war der mächtige Ruf auf PSI-Ebene zu vernehmen, der die Sphäre um Phönix durchdringen und hinaus in den Hyperraum strahlen sollte: »Soschnyz-Baschraz-Som, wir rufen nach dir! Soschnyz-Baschraz-Som, SMARAGD existiert noch und wurde inzwischen zu Phönix. Soschnyz-Baschraz-Som, melde dich, wenn du uns hörst.«

Er blickte hinaus und zum grünen Himmel. Das Grün glich der eintönigen Oberfläche eines stillen Wassers. Jetzt schienen sich Wellen zu kräuseln - genau über der LUNA 10. Das war das einzige Phänomen, das auftrat. Kein Grund zur Sorge, aber man sollte es im Auge behalten.

»Soschnyz-Baschraz-Som!« Das war kein Ruf mehr, sondern ein Jubelschrei.

War der Kontakt etwa gelungen? Hatte die Séance das schier Unmögliche vollbracht?

*

Soschnyz-Baschraz-Som war nicht menschlich. Grünlicher Flaum schützte eine äußerst strapazierfähige und elastische Haut. Es gab an ihm keine sichtbaren Geschlechtsmerkmale.

Soschnyz-Baschraz-Som war nackt, wenn er nicht gerade einen Raumanzug anhatte, was relativ selten geschah, weil er eine Abneigung gegen Kleidungsstücke besaß.

Seine Heimatwelt Zyzschniy wurde von teilgeschlechtlichen Einzelindividuen bewohnt. Die Art der Fortpflanzung und auch der Fortpflanzungstrieb entwickelten sich erst nach erfolgter Partnerwahl. Kaum ein Lebewesen ähnelte dem anderen, was eine Folge der variablen Grund-DNS war, nach der praktisch alle Lebewesen mit jedem anderen, auch der unterschiedlichsten Art, zur Kopulationsfähigkeit reifen konnten. Dadurch wäre es theoretisch sogar möglich, daß Soschnyz-Baschraz-Som mit einem menschlichen Partner einen Nachkommen zeugte.

Ein Umstand, den Soschnyz-Baschraz-Som zur Zeit wenig ins Auge faßte.

Er hatte andere Sorgen - Sorgen, die der Menschheit galten.

Damals, auf Erde 17, traf er zum ersten Mal auf die menschliche Rasse. Für ihn waren diese Wesen und ihre Verhaltensweise unverständlich, unlogisch und sogar abstoßend. Sein Ziel war es, die Menschen von der Verderblichkeit der Ultimatecraft zu überzeugen.

Dadurch war Derryl Reed sein Hauptgegner!

Durch seine psychische Verbindung mit Karel Krystan, einem Psychonauten-Rebellen, der bei späteren Kämpfen ums Leben kam, lernte er die Menschen besser kennen. Soschnyz-Baschraz-Som paßte sich an, denn das war die einzige Möglichkeit für ihn, seine Aufgabe zu erfüllen. Durch Krystan lernte er nicht nur die menschliche Sprache, sondern auch menschliches Denken.

Soschnyz-Baschraz-Som wirkte seitdem selber sehr menschlich. Ja, hatte sich schon gefragt, ob er mit seiner Anpassung nicht ein wenig zu weit gegangen war.

Wer ihn zum ersten Mal sah, hielt ihn für monströs, abnorm, aber nicht für abstoßend. Einer der Psychonauten hatte ihn einmal mit dem karikierten Positivbild eines Frosches verglichen. Ein Vergleich, der keineswegs beleidigend sein sollte, aber doch sehr konstruiert wirkte.

Soschnyz-Baschraz-Som war mit einem lebenden Wesen der Erde nicht vergleichbar. Dafür sprachen allein schon seine körperlichen Besonderheiten: vielgliedriger, zu sehr differenzierten Bewegungen fähiger Körper. Außenliegende, ausgeprägte Muskulatur, knochenähnliche Versteifungen von ungeheurer Stabilität. Dabei war der ganze Körper trainingsaktiv, was bedeutete, daß nicht nur die Muskulatur - wie beim Menschen -, sondern zusätzlich Knochen und Sehnen sich steigernden Strapazen anzupassen vermochten. Daraus resultierte eine deutliche körperliche Überlegenheit gegenüber einem Menschen.

Von seiner Gesamtkonsistenz her, seelisch und körperlich, war Soschnyz-Baschraz-Som ungeheuer anpassungsfähig. Inzwischen war er durch seine Erfahrungen mit den Menschen so menschlich geworden, daß er für seine Begleiter fast als das Sinnbild positiver menschlicher Verhaltensweise überhaupt gelten konnte.

Trotzdem blieb er ein Zyzschniyer, der niemals seinen eigentlichen Auftrag vergaß.

Mit einem auf Erde 17 erbeuteten Raumschiff der Raumgarden hatte er das Sonnensystem verlassen, nachdem er SMARAGD nach Hyperraum befördert hatte und die Propaganda Derryl Reeds gegen ihn auf Hochtouren lief.

Soschnyz-Baschraz-Som galt offiziell als der Menschenfeind Nummer eins, obwohl er das genaue Gegenteil war. Er wurde von den Raumgarden im ganzen bekannten Universum gejagt. Die Psychonauten an Bord des Schiffes, die er vor dem Zugriff der Gardisten gerettet hatte, suchten mit ihm nach einem bestimmten Mann, der innerhalb der Psychonauten-Rebellen als der eigentliche Führer galt: Rolf »Adder« Gerlach!

Soschnyz-Baschraz-Som lehnte sich zurück und gab sich seinen Gedanken hin.

Auf der Suche nach Adder, wie man ihn gemeinhin nur noch nannte, hatte er mit seinem eigenen Raumschiff, das stets als stummer und unsichtbarer Begleiter des Gardisten-Raumers fungierte, Gardenschiffe angeflogen, um auf PSI-Ebene Informationen zu erhalten. Beim ersten Mal hatte es eine Panne gegeben, denn er hatte die Einflüsse des Ultimatecrafttriebwerks unterschätzt. Daraus hatte Soschnyz-Baschraz-Som gelernt.

Er mußte mal wieder an SMARAGD denken. Zwar gelang es ihm, SMARAGD nach Hyperraum zu verbannen, aber später war er zu der Überzeugung gelangt, daß damit das Problem längst nicht beseitigt war. Dabei interessierte weniger, wie es den Besatzungen der beiden gestrandeten Raumschiffe weiterhin ergangen war, sondern vielmehr, ob SMARAGD nicht einen Unsicherheitsfaktor in Hyperraum darstellte.

Es gab mehrere Möglichkeiten: Vielleicht gelang es SMARAGD, zu einem neutralen Objekt zu werden, das keinerlei Störungen verursachte, als wäre es gar nicht mehr vorhanden. Das wäre zu begrüßen. Wahrscheinlicher aber erschien Soschnyz-Baschraz-Som, daß es immer wieder zu Auseinandersetzungen der Energien von Hyperraum und der Kräfte auf SMARAGD gab, denn diese Kräfte resultierten letztendlich aus einer Synthese beider Universen.

SMARAGD war und blieb ein Unsicherheitsfaktor, der »Sosch« vor allem deshalb beschäftigte, weil der Außerirdische die Spur des Asteroiden vollkommen verloren hatte.

Er mußte danach suchen, um letzte Gewißheit zu erlangen oder, falls erforderlich, erneut einzugreifen.

Einmal besprach er das mit den Psychonauten an Bord. Vor allem Roter Hedger - er wurde wegen der äußerst seltenen roten Haare so genannt und neigte zu Temperamentsausbrüchen - vertrat die Meinung, daß das Thema SMARAGD endgültig gestrichen werden könnte und man jetzt ganz andere Probleme habe. Die meisten schlossen sich dem an. Seitdem behielt Soschnyz-Baschraz-Som die diesbezüglichen Sorgen bei sich.

Die Menschen hatten anscheinend noch immer nicht begriffen, welche komplexen Zusammenhänge es zwischen Hyperraum und dem Normaluniversum gab und daß man diese stets berücksichtigen mußte, um keine Katastrophe heraufzubeschwören.

Die Menschen waren aufgrund ihrer eigenen Probleme nicht in der Lage, universell zu denken. Sie hielten sich mit Kleinigkeiten auf, während die wichtigen Ereignisse gern als schicksalhaft und unabänderlich betrachtet wurden.

Eine Haltung, die Soschnyz-Baschraz-Som immer wieder schockierte, die er aber in seine Pläne einkalkulieren mußte.

Vor allem nutzte es keinem Menschen, wenn er sich eine solch universelle Denkweise aneignete. Er stempelte sich damit innerhalb der menschlichen Gemeinschaft nur als Außenseiter ab, der zumindest Repressalien befürchten mußte.

Falls man ihn nicht im Wahn beseitigte!

Beispiele dafür besaß die menschliche Geschichte genügend.

Für einen Menschen war es gefährlich, in unüblichen Bahnen zu denken!

Soschnyz-Baschraz-Som trug dem Rechnung und paßte sich zumindest in seiner Verhaltensweise an. Seine Gedanken blieben sein eigenes Eigentum, und er konnte es sich leisten, eigene Ziele zu verfolgen, ohne mit menschlichen Belangen zu kollidieren.

Die Zeit brannte ihm dabei unter den Nägeln, hätte ein Terraner gesagt. Soschnyz-Baschraz-Som dachte an diesen Vergleich und amüsierte sich darüber, da er überhaupt keine Nägel besaß. Aber dann wurde er wieder ernst.

Es war längst überfällig, daß er sich zurück nach Zyzschniy begab, um endlich Bericht zu erstatten. Wie hatten sich die Dinge außerhalb des irdischen Machtbereiches inzwischen entwickelt?

Soschnyz-Baschraz-Som wußte von Meldungen, daß Raumschiffe von Außerirdischen entdeckt worden waren. Diese Außerirdischen beteiligten sich nicht an den Vorgängen - anders als Soschnyz-Baschraz-Som -, sondern beschränkten sich allein auf das Beobachten. Auch reagierten sie nicht auf Anrufe:

Soschnyz-Baschraz-Som sah darin ein schlechtes Zeichen.

Aber er wollte nicht zurückfliegen, ohne auch positive Dinge berichten zu können. Deshalb war er bestrebt, mit Adder und den führenden Psychonauten-Rebellen zusammenzutreffen. Dabei mußte er sich davon überzeugen, ob die Ziele der Psychonauten-Rebellen wirklich die Erneuerung nach Gesetzen der Vernunft waren oder ob sie lediglich eine Terrorgruppe bildeten, die um die Erhaltung der Psychonauten-Privilegien kämpfte, wie es gern vom Weltrat und den Raumgarden dargestellt wurde.

Adder, du ahnst gar nicht, wie wichtig deine Haltung zur Sache ist, dachte Soschnyz-Baschraz-Som traurig. Verfolgst du Ziele, die ich nicht verantworten kann, bringe ich nur schlechte Nachrichten nach Hause. Dann kann ich mein Volk und auch die anderen Völker des Universums nicht mehr davon abbringen, in das Geschehen einzugreifen. Schlimmes geschieht dabei mit der Menschheit. Da sie eine Gefahr für alle anderen Völker darstellt - allein schon aufgrund des rücksichtslosen Expansionstriebs und des Machthungers ihrer Führer -, wird man sie eliminieren wollen.

Aber die Menschheit ist mir ans Herz gewachsen - um einen menschlichen Begriff zu gebrauchen.

Ich würde es zutiefst bedauern, obwohl es mir nicht möglich sein würde, meine Auftraggeber zu belügen. Sie werden meine Gedanken sondieren und die Wahrheit erfahren.

Und wenn ich einfach ausbleibe und nicht zurückkehre?