Sternenkrone - K.B. Wagers - E-Book

Sternenkrone E-Book

K.B. Wagers

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Beschreibung

Hail Bristol, die ehemalige Kopfgeldjägerin und neuerdings Herrscherin des Indrana-Imperiums, hat alle Hände voll zu tun. Nicht nur warten drängende Regierungsgeschäfte, die sie lieber mit dem Blaster als mit dem Datenpad erledigen würde, sondern sie muss sich auch gegen Palastintrigen und Mordanschläge behaupten. Und dann ist da noch der drohende Krieg. Aber Hail wäre nicht sie selbst, wenn sie sich davon schrecken ließe …

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Das Buch

Die Weiten der Galaxis sind besiedelt. Zwischen den verschiedenen Planetensystemen und Sternenreichen herrscht ein Friede, der zunehmend zu bröckeln beginnt. Hail Bristol, die ehemalige Kopfgeldjägerin, steht plötzlich an der Spitze des Indrana-Imperiums – nachdem man versucht hat, ihre halbe Familie zu ermorden und ihr den Anspruch auf den Thron streitig zu machen. Jetzt hat Hail, die widerwillige Prinzessin und nun Herrscherin von Indrana, alle Hände voll zu tun. Nicht nur warten drängende Regierungsgeschäfte, die sie lieber mit dem Blaster als mit dem Datenpad erledigen würde, sondern sie muss sich auch gegen Palastintrigen und Mordanschläge behaupten. Und dann ist da noch der drohende Krieg gegen das saxonische Königreich. Aber Hail wäre nicht sie selbst, wenn sie sich von ein paar Gefahren schrecken ließe …

»K. B. Wagers zieht die Leser mit Action, Hochspannung und funkelnden Figuren in ihre Indrana-Krieg-Weltraumsaga hinein.«

Publishers Weekly

DER INDRANA-KRIEG

Erster Roman: Thronräuber

Zweiter Roman: Sternenkrone

Die Autorin

K. B. Wagers wuchs in Colorado auf, studierte Russisch und wurde für ihre Sachbücher bereits zweimal mit dem Air Force Space Command Media Contest Award ausgezeichnet. Mit ihrer großen neuen Weltraum-Saga um die mutige Space-Piratin Hail Bristol hat sie sich in die Herzen ihrer Fans geschrieben. K. B. Wagers lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn am Fuße der Rocky Mountains.

Mehr über K. B. Wagers und ihre Romane erfahren Sie auf:

diezukunft.de

K. B. WAGERS

DER INDRANA-KRIEG

ROMAN

DEUTSCHE ERSTAUSGABE

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Titel der amerikanischen Originalausgabe

AFTER THE CROWN – THE INDRANAN WAR: BOOK 2

Deutsche Übersetzung von Kristof Kurz

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Deutsche Erstausgabe 09/2018

Redaktion: Ralf Dürr

Copyright © 2016 by Katy B. Wagers

Copyright © 2018 der deutschsprachigen Ausgabe byWilhelm Heyne Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Das Illustrat, München,unter Verwendung von Motiven von Algol / Shutterstock

Satz: Schaber Datentechnik, Austria

ISBN: 978-3-641-21129-5V001

www.diezukunft.de

Für Mom und Dad,

Tracy, Sara und Jeffrey –

ich liebe euch.

· 1 ·

Die Hinrichtungen wurden in einem unscheinbaren Gebäude innerhalb des Regierungsbezirks am anderen Ende der Stadt vollstreckt. Als ich den Raum mit meinen BodyGuards betrat, wurde es still. Nur eine Woche war seit dem Putschversuch vergangen, der vielen meiner BodyGuards das Leben gekostet hatte, und noch immer herrschte einige Unruhe in meinem Team. Mein Ekam und mein Dve, Emmory und Cas, waren beide an meiner Seite. Zin, Willimet und Kisah standen hinter mir.

Ich trug eine schwarze Uniform – keinen Sari, kein Trauerpulver auf meinem Gesicht. Ein bewusstes Signal an die Verräter, deren Hinrichtung ich bald beiwohnen würde: meine Cousine Ganda und mein Neffe Laabh.

»Eure Majestät.«

Jeder der Anwesenden machte einen Hofknicks oder verbeugte sich tief.

»Erhebt euch, bitte.« Während ich durch den Raum schritt, grüßte ich den Richter, die Anwälte und die anwesenden Polizeibeamten.

»Majestät.« Premierminister Eha Phanin vollführte eine perfekte Verbeugung und streckte mir zum Gruß die Handflächen entgegen. »Wir sind froh, Euch wohlauf zu sehen.«

»Ganz meinerseits, Eha. Ich bin erleichtert, dass Ihr in dem ganzen Chaos nicht zu Schaden gekommen seid.«

Phanin wedelte mit einer schlanken Hand. »Ich war in meinem Büro, als es passiert ist. Zum Glück wurde das Gebäude sofort abgeriegelt. Ich glaube nicht, dass sie es auf mich abgesehen hatten – wenn man bedenkt, wie unwichtig meine Position ist.«

Darauf fiel mir keine gute Erwiderung ein. Er war das Oberhaupt der Generalversammlung, doch diese selbst war eher repräsentativer Natur. Phanin hatte keine wirkliche Macht innerhalb der indranischen Regierung. Seine Aufgabe war es, das Volk ruhig zu halten.

Auch wenn ich dies ändern wollte, würde ich es ihm nicht auf die Nase binden.

»Eure Majestät.« Zwei Flottenoffiziere erschienen gerade rechtzeitig, um mich aus dieser unangenehmen Situation zu befreien. Phanin murmelte einen Abschiedsgruß und verschwand.

»Kommandant Timu Stravinski.« Der Befehlshaber, ein Mann mit ergrauten Schläfen und klaren grauen Augen, salutierte und nickte Emmory zu.

»Kommandant.«

Die junge Frau neben ihm war kaum achtzehn Jahre alt. Ihre Augen waren tiefblau, und sie trug ihr blondes Haar in einem eleganten Knoten über dem Kragen ihrer Marineuniform. Ich wusste, noch bevor sie ihren Namen nannte, wer sie war: Meine Cousine. Ein Familienmitglied – ebenso wie die Frau, die ich nun hinrichten lassen würde.

»Oberleutnant Jaya Naidu, Majestät.« Sie salutierte.

»Lieutenant.« Auch wenn Gandas jüngere Schwester meiner verräterischen Cousine nicht allzu ähnlich sah, erkannte ich dennoch ihre Züge in ihr wieder. Ich spürte, wie Emmory sich in Erwartung einer unangenehmen Szene anspannte.

»Ich habe mich freiwillig als Zeugin gemeldet, Eure Majestät – um meinen Eltern weitere Qualen zu ersparen. Sie haben den Namen der Verräterin aus dem Stammbaum entfernt. Ich komme nicht aus Mitleid oder um ihr den Abschied zu erleichtern. Ich bin nur hier, um zu sehen, wie der Gerechtigkeit Genüge getan wird.« Jaya verbeugte sich knapp.

»Richte deinen Eltern mein Beileid aus.« Meine Tante hatte ich einige Male bei Zusammenkünften des Matriarchinnenrats gesehen, aber nie mit ihr gesprochen. Meinen Onkel hatte ich nicht mehr zu Gesicht bekommen, seit ich meine Heimat verlassen hatte. Ich erinnerte mich an den einzigen Bruder meiner Mutter als liebenswürdigen Mann mit einem fein geschnittenen Gesicht.

»Meine Familie ist Euch treu ergeben, Majestät.«

»Selbstverständlich, ich danke dir.« Meine Stimme war tonlos, mir fiel keine bessere Antwort ein. Lieutenant Naidu nickte mir noch einmal zu und ging.

Für Laabh war niemand außer seinem Anwalt gekommen, der sich tief vor mir verbeugte. Der Vater meines Neffen war zu den Saxoniern geflohen. Seine Mutter und Schwester waren bei einem Bombenanschlag der radikalen Upjas gestorben, bei dessen Planung er geholfen hatte. Leenas Familie hatte sich längst von ihm losgesagt, um sich nicht den Unmut des Throns zuzuziehen. Ich war die einzige Familie, die ihm noch geblieben war. Und ich hatte gerade an diesem Morgen veranlasst, seinen Namen für immer aus unseren Annalen zu tilgen.

Ich sah, wie Leena Surakesh durch die Tür schlüpfte. Sie war bereits in das Weiß der Witwen gekleidet und hatte dunkle Ringe unter den Augen. Die Hände krallte sie so fest in ihren Sari, dass die Fingerknöchel sich scharf abzeichneten. Ihr großer gesellschaftlicher Coup – die Ehe mit einem Mitglied des Kaiserhauses – hatte sich in einen Albtraum verwandelt.

Ich murmelte eine an Laabhs Anwalt gerichtete Entschuldigung, lief zur Tür und umarmte Leena, bevor sie einen Hofknicks zustande brachte. Sie erstarrte vor Schreck, um sich dann einen Moment lang an mich zu klammern.

»Ich habe Taran zu Hause gelassen«, sagte sie, als sie sich von mir löste. »Ich dachte, es wäre nicht angemessen, ihn mitzubringen. Er versteht das alles noch nicht.«

»Das war eine gute Entscheidung, er gehört ja nach wie vor zur Familie. Sein Bruder trägt die alleinige Schuld. Taran werden wir nicht zur Rechenschaft ziehen.«

Wir hatten einige Daten aus Dr. Satirs smati retten können. Sie bestätigten Laabhs Aussage, dass das lokum, das Taran meiner Mutter wöchentlich als Geschenk mitgebracht hatte, mit Amanita virosa indus versetzt gewesen war. Und es war nicht ausgeschlossen, dass Dr. Satir davon gewusst hatte, doch dieses Geheimnis hatte sie mit ins Grab genommen. Jedenfalls war die Süßigkeit nicht gescannt worden, bevor Taran sie überbrachte. Und auch mein Argwohn gegenüber Mutters Ekam, der spurlos verschwunden blieb, wuchs beständig. Aber das Rätsel um Bial würde ich heute nicht lösen. Am Tag des gescheiterten Putsches war er von Pashati geflohen – nachdem er mir das Leben gerettet hatte.

»Bitte nehmt ihn mir nicht weg, Majestät. Ich habe Taran lieb gewonnen.«

»Das liegt nicht in meiner Absicht, Leena. Ich habe die Bittschrift deiner Mutter erhalten, und ich stimme mit euch überein, dass der beste Platz für ihn fern der Öffentlichkeit ist. Taran wird bei dir bleiben.«

»Ich danke Euch.«

Leenas Blick wanderte über meine Schulter hinweg zu der Kammer am anderen Ende des Raumes. »Ich habe meinen Mann früher einmal geliebt. Und ich hatte mir so viel mehr von ihm erhofft.«

»Das kann dir niemand verdenken.« Ich beobachtete, wie ein Gerichtsdiener Laabh und Ganda in die Kammer eskortierte. »Du hast noch nie jemanden sterben sehen, oder?«

»Nein, ich … Nein, Majestät.«

Ich fasste sie sanft an der Schulter. »Du brauchst dich nicht zu schämen, wenn du lieber nicht zusehen möchtest. Diese Todesart ist zwar wesentlich humaner als andere, aber trotzdem wirst du Zeuge, wie ein Leben ausgelöscht wird. So etwas zu sehen lässt niemanden unberührt.«

»Ihr habt den Tod gesehen.«

Ein kaum merkliches, freudloses Lächeln umspielte meine Mundwinkel. »Öfter, als es für einen Menschen gut ist.«

»Dann werde ich stark sein wie Ihr, Majestät.«

Ich wusste nicht, wie ich ihr beibringen sollte, dass Stärke hier nicht half. Dass selbst die Stärksten nachts schweißgebadet aufwachten, weil die Erinnerungen sie heimsuchten. »Wenn sie den Raum verlassen möchte, gehe mit ihr«, befahl ich Willimet.

»Ja, Majestät.«

»Eure kaiserliche Hoheit, verehrte Anwesende.« Richterin Sita Claremont war eine hochgewachsene, schlanke Frau. Während sie sprach, wurden Ganda und Laabh in der Kammer von mehreren Bediensteten auf Liegen festgeschnallt, was aufgrund der Trennscheibe völlig geräuschlos vonstattenging. »Wir haben uns heute hier als Zeugen der Vollstreckung des Urteils versammelt, das das Imperium von Indrana gegen Ganda Rhonwen Naidu und Laabh Albin ausgesprochen hat.«

Laabh schien ruhig, aber als er mich ansah, brannte fanatischer Hass in seinen dunklen Augen. Gandas Blick dagegen irrte im Raum umher. Als der Tisch etwas nach oben geklappt wurde, damit die Anwesenden ihr Gesicht sahen, verriet das rasche Heben und Senken ihrer Brust, wie schnell sie atmete.

Richterin Claremont wandte sich den Gefangenen hinter der Glasscheibe zu. »Ihr wurdet beide aufgrund der Beweislast und Eurer Geständnisse für schuldig befunden, einen Krieg gegen das Imperium angestiftet zu haben, dazu seid Ihr des versuchten Herrschermords und des Hochverrats überführt. Das Recht auf einen Prozess wurde auf Wunsch Ihrer Majestät ausgesetzt. Es ist der Wille Ihrer Majestät, dass Ihr heute hingerichtet werdet und die Strafe der Dunklen Mutter empfangt.«

Ganda zuckte, während Laabh weiterhin wie erstarrt schien.

»Eure Majestät, ist es Euer Wunsch, die beiden Verräter zu begnadigen?«

Mit dieser Frage hatte ich gerechnet. Der Palast war mit diesbezüglichen Eingaben überschwemmt worden. Die meisten hatte ich gelesen und mit einigen der Bittsteller gesprochen. Am stärksten hatte mich ein Anruf von Amnesty Galactic ins Grübeln gebracht.

Dennoch durfte ich mich davon in meiner Entscheidung nicht beeinflussen lassen. Wir hatten von beiden schriftliche Geständnisse, und das war unabhängig von meinen persönlichen Gefühlen mehr als genug, um sie zu verurteilen.

Und ich würde nicht den Fehler begehen und meine Feinde am Leben lassen. Das hatte ich auf die harte Tour von Po-Sin, meinem ehemaligen Arbeitgeber und Anführer, lernen müssen.

»Nein.«

Richterin Claremont nickte. »Wünschen die Verurteilten noch etwas zu sagen?«

»Alles, was ich tat, geschah zum Wohle des Imperiums.« Ganda klang nicht so überzeugend wie Mutters Ekam, als er dasselbe für sich in Anspruch genommen hatte. »Die Kaiserin hat uns den Saxoniern schutzlos ausgeliefert und so das Imperium dem Untergang geweiht. Und nun setzt ihr diesen Abschaum auf den Thron. Eine Kriminelle, eine Waffenschmugglerin. Sie leugnet es ja nicht einmal. Sie verdient weder eure Treue noch euren Respekt!«

Ich verzog keine Miene, denn ich schämte mich für nichts, was ich getan hatte, nachdem ich meinem Zuhause den Rücken gekehrt hatte.

»Das hättest du leicht vermeiden können: Hättest du meine Schwestern nicht getötet, wäre ich nie zurückgekehrt. Cire hätte Kaiserin werden sollen, oder ihre Tochter, oder eben Pace. Jede von ihnen wäre eine bessere Wahl gewesen. Es war dein Verrat, der mich hierhergebracht hat.«

»Das ist nicht wahr.« Ganda schüttelte den Kopf, und Tränen liefen über ihr Gesicht. Aber ihren Worten fehlte die Überzeugungskraft.

Laabh schob hochmütig das Kinn vor, konnte aber seine Angst nicht verbergen. »Das wirst du bereuen. Du unterschätzt uns, unsere Pläne sind so viel größer als dieses mickrige Imperium. Du wirst den nächsten Lauf dieses Planeten um die Sonne nicht überleben, du Dreckstück.«

Einigen Anwesenden blieb vor Empörung die Luft weg. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und reagierte auf Laabhs Wut mit einem kalten Lächeln. »Und du wirst das Scheitern deiner Mitverschwörer nicht mehr erleben.«

Laabh schrie noch etwas, aber seine Antwort sollte niemand mehr hören, denn Richterin Claremont ließ mit einer knappen Geste die Sprachverbindung zur Kammer trennen. Die beiden Techniker setzten ihre Atemmasken auf, während die Liegen mit den Verurteilten wieder nach unten geklappt wurden.

Hinrichtungen wurden im Imperium schon seit Jahrtausenden mit Stickstoff vollzogen, der die Verurteilten schnell und schmerzlos tötete. Nichtsdestotrotz – man löschte damit ihr Leben aus.

Die Wandbeleuchtung in der Kammer flammte auf, und mit einem Nicken gab Richterin Claremont das Startsignal. Ein Techniker legte einen Hebel um, und aller Sauerstoff wurde dem Raum entzogen und durch reinen Stickstoff ersetzt.

Laabh war innerhalb einer Minute bewusstlos, bei Ganda dauerte es kaum länger. Der Stickstoff ersetzte den Sauerstoff in ihren Lungen und dann in ihrem Blut und würde in kürzester Zeit zum Hirntod führen.

Ich hatte wesentlich scheußlichere Tode erlebt und trug für mehr als einen davon die Verantwortung. Es war auch nicht das erste Mal, dass ich von der anderen Seite einer Glasscheibe aus einem Tod beiwohnte. Dennoch fröstelte es mich angesichts dieses schnellen und lautlosen Sterbens. Es fühlte sich seltsam steril an. Falsch.

Ich beobachtete, wie ihre Atemzüge zunehmend flacher wurden und sich ihre Brustkörbe immer unmerklicher hoben und senkten. Auch ihr Herzschlag wurde nach und nach schwächer, wie die Monitore über den beiden Liegen anzeigten. Als Laabhs Körper sich verkrampfte, hallte Leenas ersticktes Schluchzen durch den Raum.

»Uie Maa. Bring sie nach draußen, Will«, raunte ich, ohne meinen Blick von den Sterbenden abzuwenden.

Kurz nachdem Willimet Leena aus dem Raum geführt hatte, signalisierte eine von einem schrillen Ton begleitete Nulllinie auf dem Monitor, dass nun erst bei Laabh, dann bei Ganda kein Herzschlag mehr feststellbar war. Die Techniker mit den Atemmasken überprüften rasch und gründlich die Verurteilten und gaben das Ergebnis an Richterin Claremont weiter.

»Der Herztod wurde bestätigt«, teilte die Richterin den Anwesenden mit. »Der Hirntod wird in etwa drei Minuten eintreten.«

Der Signalton wurde abgestellt. Dann warteten alle Anwesenden schweigend auf eine letzte Bestätigung durch die Techniker in der Kammer. Schließlich drehte sich der für Laabh zuständige Bedienstete um und nickte kurz, aber ich hielt meinen Atem an, bis auch der für Ganda verantwortliche mit einem Nicken ihren endgültigen Tod anzeigte.

»Der Herztod wurde bestätigt. Die Hinrichtung erfolgte um 2253 Einheitszeit. In den Aufzeichnungen soll vermerkt werden, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wurde.«

»Eure Majestät.« Emmorys Stimme klang leicht besorgt, als ich an die Scheibe trat.

Unwillkürlich flüsterte ich ein Gedicht. »Asche schwebt in der Luft. Sie windet sich hinauf. Wie eine Sichel ernten uns die Sonnenstrahlen. Und nur der Geschmack unserer Haut besänftigt die Dunkle Mutter.«

»Cas, lass den Wagen holen.« Emmory legte mir eine Hand auf die Schulter. »Majestät, es wird Zeit.«

Ich war nicht in der Stimmung, mit ihm darüber zu diskutieren, und wandte mich von der Glasscheibe ab. Nach einem kurzen Nicken, mit dem ich mich von den Anwesenden verabschiedete, ließ ich mich von meinen BodyGuards von diesem Ort des Todes auf dem direkten Weg zurück in den Palast bringen.

Ohne große Umwege ging ich zu dem kleinen Schränkchen mit Alkoholika neben dem Kamin, griff nach der erstbesten Flasche und schenkte mir ein. Wohltuende Wärme breitete sich in meiner Brust aus und ließ etwas von dem Eis schmelzen, das sich dort festgesetzt hatte. Ich füllte das Glas gleich noch einmal und trank es in einem Zug aus.

»Majestät …«

»Das ist nicht der richtige Augenblick, um mich zu belehren, Zin.«

»Eigentlich wäre ich gerade lieber nicht im Dienst.« Der Ehemann meines Ekam lächelte. »Seid dennoch vorsichtig damit, Ihr habt nicht besonders viel zu Abend gegessen.«

Ich war gerade dabei, mir ein drittes Mal das Glas vollzuschenken. »Seit wann gehört das zu deinen Aufgaben? Du passt auf, wie viel ich esse?«

»Schon immer. Ich erwähne es nur gerade jetzt, da Ihr nach dem dritten Glas mit kalasanischem Whiskey auf leerem Magen vermutlich demnächst stockbesoffen auf Eurem Hintern landen werdet … Eure Majestät.«

Ich prustete vor Lachen, nahm mein Glas und setzte mich auf die Couch. »Ich kann dich locker unter den Tisch trinken, Jäger.«

»Denk nicht einmal im Traum daran, Zin«, schaltete sich Emmory ein. »Erstens wirst du Ihre Majestät nicht zu einem Wetttrinken herausfordern. Zweitens würde Ihre Majestät dich vermutlich wirklich unter den Tisch trinken – du verträgst zwar einiges, aber du spielst nicht in derselben Liga wie jemand, der mit einer ganzen Truppe königlich-hyperianischer Marines gesoffen hat, bis sie allesamt im Delirium lagen.«

»Ich hielt das für ein Märchen.« Zin sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

»Zum Teil.« Ich salutierte mit dem Glas in der Hand und zwinkerte ihm verschwörerisch zu. »Zwei. Es waren nur zwei, und die Sache ging ziemlich knapp für mich aus. Aber glaubt bloß nicht, dass ich nicht merke, dass ihr mich aufheitern wollt.«

»Wer? Wir?« Zin grinste.

»Morgen muss ich das noch einmal durchstehen. Bei Shiva, das war fürchterlich.«

Meine gute Laune war verflogen. Ich starrte die goldfarbene Flüssigkeit in meinem Glas an, beobachtete, wie sie sich bei jedem Schwenk in einem kleinen Strudel drehte. Wenigstens würde die Hinrichtung meiner ehemaligen BodyGuard ohne großes öffentliches Brimborium stattfinden.

»Es ist notwendig, Eure Majestät.«

»Das macht es nicht leichter.«

»Würde es Euch leichtfallen, würde ich mir Sorgen machen.« Emmory setzte sich mir gegenüber und umschlang seine Knie mit den Händen. »Aber das ist nicht das Einzige, was Euch bedrückt, habe ich recht?«

»Sie hatten es verdient«, erwiderte ich kühl.

Er nickte.

»Sie haben meine Mutter, meine beiden Schwestern, Jet und Ramani ermordet. Und zu viele andere. Ich würde es wieder tun. Und ich schwöre, ich finde die, die für all das verantwortlich sind. Und dann werden sie dafür bezahlen.« Ich trank das Glas mit einem Zug leer. Dann stellte ich es mit den übertrieben vorsichtigen Bewegungen einer Betrunkenen auf dem Tisch ab.

»Verdammte Scheiße«, fluchte ich leise. »Ich will nichts hören.« Warnend hob ich meine Hand und sah Zin an. Dann stand ich leicht schwankend auf. »Kein einziges Wort.«

»Was ärgert Euch?«, wollte Emmory wissen. »Die Tatsache, dass Euch die Notwendigkeit des Tötens nicht kaltlässt, oder dass es Euch nicht leidtut?«

»Nächstes Mal drücke ich eigenhändig den Hebel herunter. Das ist so viel leichter, als daneben zu stehen, während jemand anderes die Dreckarbeit erledigt.«

»Beantwortet die Frage.« Sein Kommandoton wirkte.

Ich fuhr herum und schrie meinen Ekam an. »Zur Hölle mit dir! Ich weiß es nicht. Es darf mich nicht kaltlassen, oder? Ist es nicht das, was einen zivilisierten Menschen ausmacht, wenn jemand direkt vor seiner Nase stirbt? Und dann auch noch so. Festgeschnallt und hilflos. Ich hätte sie begnadigen können. Wir hatten doch alles von ihnen, was wir brauchten. Ich hatte die Macht der Vergebung in meinen Händen, hätte sie einfach für den Rest ihres Lebens einsperren lassen können. Ich habe die ganze verdammte Woche damit zugebracht, mit Leuten zu reden, die genau das von mir wollten.

Aber als ich vor ihnen stand, fiel mir ein, dass ich meinen Schwestern versprochen hatte, sie zu rächen. Und ich musste daran denken, wie Po-Sin mir einmal das Bein gebrochen hat, weil ich einen Yakuza am Leben gelassen hatte.« Die Erinnerung daran war eigenartig erheiternd. »Zuerst erschoss er den Mann. Dann sorgte er dafür, dass ich diesen Fehler nie wieder begehen würde. Ich habe nie wieder einen Feind am Leben gelassen, Emmy. Nie.«

Zin gab einen gequälten Laut von sich. Emmory blieb dagegen stumm. Er wich meinem Blick nicht aus, aber ich wusste, dass sich die beiden über den privaten Kommunikationskanal ihrer smatis unterhielten.

Der smati, fünf miteinander vernetzte Mikrochips, die an den Schlüsselbereichen des Gehirns implantiert waren, bezog seine Energie aus Neuronen und Nervenbahnen und benutzte diese gleichzeitig als Kommunikationsleitungen. Über diese ständig aktivierte Schnittstelle konnte man kommunizieren und aufzeichnen, was man hörte und sah. Der smati war mit einem großen Speicher und – wenn man es sich leisten konnte – einer Menge anderer praktischer Zusatzfunktionen ausgestattet.

Auch seine Reichweite war mit der Zeit immer weiter verbessert worden. Am Anfang hatte sie nur ein paar Meter betragen, nun waren es bei militärischen Modellen über Hundert. Für alles darüber hinaus brauchte man allerdings ein externes Kommunikationssystem.

Für Emmory und Zin, die schon jahrelang zusammenarbeiteten, waren private smati-Unterhaltungen etwas ganz Natürliches.

Ich wartete noch etwa eine Minute. »Seid ihr endlich fertig?«

»Zin hat einiges an Po-Sins Lehrmethoden auszusetzen, Majestät.«

»Da ist er nicht der Einzige.« Ich sank auf die Armlehne der rosafarbenen Couch zurück. »Hao schäumte vor Wut, und Portis hätte Po-Sin dafür am liebsten umgebracht. Die Schmerzen waren …« Ich fand keine Worte dafür. »Aber ich hatte Mist gebaut – und war deswegen beinahe draufgegangen. Es war mir eine Lehre, denn diesen Fehler habe ich nie wieder gemacht. Ich mag als götterverdammte Adelige geboren worden sein, Emmory, aber beim Wettsaufen oder in einer Kneipenschlägerei fühle ich mich eher zu Hause als in diesem Palast.«

»Ihr seid die Kaiserin von Indrana«, erwiderte er leise.

»Umso schlimmer«, gab ich postwendend zurück. »Im Moment wäre ich lieber wieder eine Waffenschmugglerin.«

»Nein, das wärt Ihr nicht.« In diesem Augenblick wurde mir klar, dass mich dieser Mann, den ich seit weniger als einem indranischen Monat kannte, völlig durchschaut hatte. Ungläubig starrte ich ihn an.

Ich hatte mich fürs Bleiben entschieden. Und was immer mich der Alkohol hier auch verkünden ließ – es änderte nichts daran. »Na schön, nein, wäre ich nicht.« Deutlicher würde ich nicht zugeben, dass er recht hatte.

Ich stand auf und kämpfte einen Moment mit der Verlockung eines weiteren Drinks, entschied mich dann aber dafür, den morgigen Tag lieber ohne Kater anzugehen. »Ich gehe ins Bett.«

»Ich werde Euch Stasia schicken, Majestät.«

»Ich brauche sie nicht.« Meine Zofe war ein herzensguter Mensch, und ich wollte sie nicht meiner vom Alkohol spitzen Zunge aussetzen. So schloss ich meine Schlafzimmertür, zog mich aus und kroch ins Bett. Sofort schlief ich ein, aber in meinen Träumen sah ich nur Tod und Schmerz, und schließlich erwachte ich in einer Lache aus Mondlicht und Schweiß.

Ich stand wieder auf, wickelte mich in meinen Morgenmantel und lehnte mich gegen die Fensterbank. Hinter dem bunten Glasfenster stand der Mond hoch am Himmel.

»Komm rein.« Das Klopfen an der Tür kam nicht unerwartet.

»Eure Majestät?« Wie immer war es Zin, der nach mir sah. Ohne den Blick vom Mond abzuwenden, bedeutete ich ihm einzutreten.

»Geht es Euch gut?«

»Es war nur ein Albtraum. So langsam gewöhne ich mich daran.« Eine Lüge.

»Das ist nicht gut. Dr. Ganjen könnte Euch sicher ein Schlafmittel geben.«

»Ich komme schon klar.« Mit einem Lächeln drehte ich mich zu ihm um.

»Soll Stasia Euch etwas zu trinken bringen?«

»Ich würde gerne wissen, was Laabh meinte, als er von ›unseren Plänen‹ sprach.« Ich griff nach dem Schürhaken, stocherte damit in der Asche und legte einen Scheit nach. Dann setzte ich mich und beobachtete, wie die Flammen am Holz nagten und dank der neuen Nahrung wuchsen. »Es ist noch nicht vorbei. Vielleicht wird es das nie sein.«

»Uns ist allen bewusst, dass das eine schwierige und langwierige Angelegenheit wird. Macht Euch darüber keine Sorgen, Majestät.«

Ich lachte, wandte mein Blick aber nicht von den Flammen ab. »Um dich oder Emmory mache ich mir keine Sorgen. Auch nicht um irgendeinen der anderen BodyGuards.« Beim Gedanken an Jet und meine anderen toten Leibwächter wurde mir das Herz schwer. Ich ballte meine Hand zu einer Faust. »Ich weiß nicht, wem ich vertrauen kann, Zin. Wenn der Verrat so tief reicht, wie Laabh behauptet hat – auf wen können wir dann noch zählen?«

»Ich weiß es nicht, Majestät. Wir werden alles gründlich untersuchen, das verspreche ich. Jedes Gespräch, jedes Treffen, jegliche Kommunikation, jede einzelne Person, die sich ihm auf mehr als zwei Meter genähert hat …« Zin kniete neben meinem Stuhl nieder. »Wenn es diesen Plan wirklich gibt, dann werden sie ihn weiterverfolgen. Und wir werden gewappnet sein.«

»Ich muss etwas tun.«

»Jetzt? Wie wäre es mit Schlafen, Majestät? Ihr müsst ausgeruht sein.« Er stand wieder auf und reichte mir die Hand.

»Dhatt. Du bist genauso eine Nervensäge wie Emmory«, seufzte ich. Aber ich nahm seine Hand und legte mich wieder schlafen.

»Gute Nacht, Majestät.«

· 2 ·

»Eure Majestät, das größte Problem ist die Entfernung. Bei einem Auftrag von dieser Dringlichkeit musste mein Agent natürlich …«

»Caspel, wenn Ihr nicht umgehend zur Sache kommt, werde ich Euch auf der Stelle erschießen«, warnte ich ihn.

Aber Caspel Ganej, Leiter der Imperialen Sicherheitsbehörde, ließ sich nicht von mir beeindrucken. Stattdessen formte sich unter seiner Hakennase ein trockenes Lächeln. »Ich bitte um Vergebung, Eure Majestät, aber Ihr seid nicht bewaffnet.«

»Ich bin mir sicher, dass Emmory mir seine Waffe gerne zur Verfügung stellt«, antwortete ich ebenso trocken. »Nicht wahr, Emmory?«

»Selbstverständlich, Majestät.«

Caspel grinste mich an. »Eure Majestät, das Gebiet ist nicht sicher, und wir können Admiral Shul nicht vertrauen. Gouverneurin Ashwari konnte entkommen, mehr weiß ich im Moment nicht. Ich vertraue darauf, dass mein Agent sie so schnell wie möglich herbringt.«

»Danke, Caspel, das war doch nicht so schwer.«

»Nein, Majestät.«

»Ich möchte sofort unterrichtet werden, sobald Ihr von Eurem Mann hört.«

»Selbstverständlich, Majestät.« Caspel nickte und stand auf. »Majestät, ich muss unter vier Augen mit Euch über Admiral Shul sprechen.« Kein Zögern verriet ihn, während er in Richtung Tür schritt. Ich musste mich beherrschen, nicht unwillkürlich in seine Richtung zu starren.

»Am üblichen Treffpunkt?«, antwortete ich über unsere private smati-Leitung.

»Ja, Majestät.«

»Wer ist der Nächste, Alba?« Ich griff nach meiner Tasse. »Morgen als Allererstes. Und Ihr schuldet mir einen Gefallen, wenn ich schon so früh aufstehen muss.«

»Majestät, ich würde Euch nicht darum bitten, wenn es nicht so wichtig wäre. Und Ihr schlaft zurzeit sowieso nicht viel.«

Ich fragte lieber nicht, woher er das wusste.

»Wir haben noch eine halbe Stunde, bevor Ihr ins Shivan’s müsst. Die Unterredung mit Matriarchin Desai sollte nicht mehr als fünf Minuten in Anspruch nehmen. Die Matriarchinnen Gohil und Khatri haben ebenfalls um eine kurze Audienz gebeten, wenn Ihr es einrichten könnt.«

»Wirklich?« Mit der Tasse an den Lippen hielt ich kurz inne und dachte nach. »Das ist ja interessant. Schiebe sie doch in der nächsten Viertelstunde dazwischen, ich hoffe, sie sind in der Nähe. Und schicke mir bitte Clara herein.« Ich nahm noch einen Schluck von dem blauen Chai und tauschte einen Blick mit Emmory aus.

»Ich habe keine Ahnung, Majestät«, antwortete er auf meine unausgesprochene Frage.

Als Kind hatte ich immer Angst vor Matriarchin Clara Desai gehabt. Sie war neben meinem Vater einer der wenigen Menschen gewesen, bei denen ich mich zusammenriss und mich anständig benahm. Jetzt war sie eine meiner engsten Verbündeten im Palast.

Als sie eintrat, folgte ihr eine Frau von meiner Größe. Die Familienähnlichkeit mit der Matriarchin war offensichtlich. Clara machte einen Hofknicks, während die Frau in der grauen Uniform hinter ihr sich tief verbeugte.

»Guten Abend, Majestät. Darf ich Euch meine Tochter Majorin Gita Desai vorstellen?«

»Majestät.« Die Frau verbeugte sich noch einmal.

»Sehr angenehm, Majorin. Ihr seid bei den Bodenstreitkräften?«

»Zurzeit ja, Majestät.«

Ich musterte Claras Tochter genau. »Darf ich fragen, was Ihr damit meint, Majorin?«

Majorin Desai fiel auf die Knie. »Eure kaiserliche Majestät, ich weiß, dass Ihr BodyGuards braucht. Ich biete Euch meine Treue und mein Leben, wenn Ihr dies annehmen wollt.«

Matriarchin Desais Gesichtsausdruck verriet nichts über ihre Gefühle in Bezug auf das Ansinnen ihrer Tochter. Ich warf Emmory einen Blick zu, den er mit einem Schulterzucken beantwortete.

»Euer Angebot ehrt Euch, Majorin Desai.« Ich erhob mich, ergriff ihre Schultern und zog sie auf die Beine, genauso wie ich es damals mit Jet gemacht hatte. Einen Moment lang raubte mir die Erinnerung den Atem. Ich schloss meine Augen, um mich zu sammeln. »Ich möchte dein Angebot gerne annehmen. Allerdings hat mein Ekam das letzte Wort in diesen Dingen.«

»Selbstverständlich, Majestät.«

»Majorin«, wandte sich nun Emmory an sie, »Alba wird dich zu Cas bringen. Er wird alles Weitere mit dir besprechen. Weiß deine Kommandantin Bescheid?«

»Ja, Ekam. Sie unterstützt meinen Wunsch.«

Ich beobachtete Matriarchin Desai, wie sie ihrer Tochter nachsah. Einen Moment lang lag Trauer in ihrem Blick, und ich legte ihr meine Hand auf den Arm. »Clara, ich könnte Emmory befehlen …«

»Bitte tut das nicht, Majestät. Sie ist bei den Streitkräften nicht sicherer als an Eurer Seite. Und wenn ich sie davon abhalte, nur um sie zu beschützen, würde sie mir das nie verzeihen. Es wäre eine Katastrophe für sie.«

»In der Tat«, dachte ich laut. »Ich habe zwanzig Jahre gebraucht, um meiner Mutter zu vergeben.«

Matriarchin Desai machte einen Hofknicks. »Wenn Ihr gestattet, Majestät. Ich weiß, dass Alice und Zaran Euch dringend sprechen möchten – und Eure Zeit ist knapp.«

Nachdem ich sie verabschiedet hatte, stand ich auf und wickelte mich in meinen schweren weißen Sari. Ich hatte heute Morgen bei Nals Hinrichtung wieder meine übliche Uniform getragen, danach aber etwas Wärmeres angezogen. Vor der großen Fensterfront meines Audienzzimmers stehend, dachte ich an meine Mutter. Nun verstand ich ihr Dilemma etwas besser. Sie hatte gewusst, dass ich unbedingt zum Militär wollte, und gleichzeitig hatte sie – besonders nach dem Tod meines Vaters – verzweifelt versucht, mich zu beschützen.

Die Sonne ging bereits über der Balhimbucht unter und sandte ihre goldenen Strahlen über das Meer, das sich mit seinen tiefblauen Wogen und leuchtend weißen Gischtkronen in einem Bogen nach Süden bis Krishan ausbreitete. Der Frost bildete Eisblumen auf den Fensterscheiben. Magh war ein kalter Monat, und die Tage wurden erst jetzt nach Pratimas allmählich wieder länger.

Aber nichts hätte besser zu meiner Stimmung passen können. Obwohl ich erst seit knapp vier Wochen wieder zu Hause war, war ich hier öfter mit dem Tod konfrontiert worden als während meiner gesamten Zeit als Waffenschmugglerin. Und das sollte etwas heißen, denn Waffenschmuggler sind nicht gerade zimperlich.

Ich hörte, wie sich die Tür hinter mir öffnete und Emmory leise grüßte, drehte mich aber nicht sofort um, obwohl ich neugierig auf die Matriarchinnen war. Worum es auch immer ging, es war den beiden wichtig genug, um auf ein Treffen mit mir im Palast zu warten.

Nach einer angemessenen Pause wandte ich mich ihnen zu. Die Matriarchinnen machten tiefe Hofknickse. »Eure Majestät.«

Alice Gohil war nach Clara eine der ersten Matriarchinnen gewesen, die meiner Krönung zugestimmt und mir ihre Unterstützung zugesagt hatte. Ihre Begleiterin war die neu eingesetzte Matriarchin Zaran Khatri, deren Aussage wohl ihre eigene Mutter in Abwesenheit des Hochverrats überführen würde.

»Alice. Zaran.« Ich nickte den Matriarchinnen zu und hieß sie aufstehen. Mir fiel auf, dass beide einen salwar kamiz trugen. Anscheinend hatte ich einen Modetrend ausgelöst, eine Vorstellung, die mich erheiterte, was ich mir aber nicht anmerken ließ. Diese Variante meines einfachen Kleidungsstils war wohl die für Adlige gerade noch akzeptable Version.

»Majestät.« Da ich nichts weiter gesagt hatte, sprach Zaran mich mit einer leicht angedeuteten Neigung des Kopfes noch einmal an. »Danke, dass Ihr Zeit für eine Unterredung gefunden habt.« Die Blondine war gut einen Kopf größer als ihre dunkelhäutige Begleiterin. Und sie schien auch die Wortführerin zu sein, denn Alice blieb stumm. »Ich höre, Ihr wollt Euch mit Abraham Suda treffen. Es steht mir selbstverständlich nicht zu, Euch um einen Gefallen zu bitten, aber …«

»Woher habt Ihr das denn?« Als ich sie erblassen sah, beeilte ich mich, den scharfen Ton meiner Frage durch ein Lächeln etwas abzumildern. »Ich meine nicht die Information über dieses Treffen, sondern die Vorstellung, dass ich Euch einen Gefallen verweigern könnte. Schließlich habt Ihr nicht nur dabei geholfen, aufzudecken, wer an der Verschwörung und an der Ermordung meiner Angehörigen beteiligt war, sondern auch dazu beigetragen, weitere Todesfälle zu verhindern. Wir stehen in Eurer Schuld.«

»Ja, Majestät, dessen bin ich mir bewusst, allerdings ist meine Mutter …« Sie brach mitten im Satz ab und straffte ihre Haltung. Dann lag plötzlich eine unvermutete Stärke in ihrem Blick. »Eine Verräterin, Majestät.«

»Aber Ihr nicht.«

»Stimmt, das bin ich nicht. Ich liebe Indrana, bin Euch und dem Thron treu ergeben, und ich möchte dazu beitragen, das Imperium zu einem besseren Ort zu machen.«

»Ihr wollt dabei sein, wenn ich mich mit Abraham und den Upjas treffe. In Ordnung.« Als ich ihren schockierten Gesichtsausdruck sah, musste ich grinsen.

»Majestät, ich …«

»Zaran, hattet Ihr erwartet, dies diskutieren zu müssen? Ich weiß, dass Ihr Kontakt zu denUpjas habt. Den hatte ich früher auch, was aber schon eine Weile her ist. Ich gehe also davon aus, dass Ihr über ihre aktuellen Pläne besser informiert seid als ich, und es wäre sehr hilfreich, Euch dabeizuhaben. Alice, Eure Anwesenheit wäre ebenfalls von Nutzen – auch wenn ich annehme, dass Ihr nur hier seid, um Zaran moralisch zu unterstützen.«

Eine Idee nahm in meinem Kopf Gestalt an. Ich lächelte den beiden Matriarchinnen zu und wedelte mit der Hand. »Alba wird Euch beiden morgen mitteilen, wann und wo das Treffen stattfindet. Gute Nacht.«

»Gute Nacht, Majestät.«

Als ich aufstehen wollte, schien sich plötzlich der ganze Raum zu drehen, und ich musste mich an der Couch festhalten. Emmory war sofort an meiner Seite und schlang seinen Arm um meine Taille.

»Mir geht’s gut. Mir ist nur etwas schwindlig.« Ich presste meine Hand gegen die Stirn.

»Ihr seid erschöpft. Wir sollten das Abendessen absagen.«

»Das geht nicht, ich muss Taran sehen. Und ich könnte so oder so nicht schlafen.« Ich lehnte mich an ihn und sank dann fluchend auf die Couch. »Es geht schon, ich muss mich nur kurz etwas ausruhen.« Für einen Moment schloss ich die Augen, und als ich sie wieder öffnete, saß Emmory neben mir.

Er hielt mir seine behandschuhte Hand hin, und ich atmete den aus ihr aufsteigenden Nebel tief ein.

Als das Phrine zu wirken begann, war die Benommenheit wie weggeblasen, und ich nahm alles um mich herum mit glasklarer Schärfe wahr.

»Besser?«, fragte Emmory.

Ich nickte und lächelte ihn beruhigend an. Phrine ist eine Droge auf Adrenalinbasis und wird zum Beispiel im Krieg, bei Geiselbefreiungsaktionen und dergleichen eingesetzt. Bei einem Konsum über längere Zeit muss man jedoch mit schweren Gesundheitsschäden bis hin zum Herzstillstand rechnen. Emmory wusste genauso gut wie ich, dass ich nicht ständig darauf zurückgreifen durfte. Andererseits hatte ich einfach zu viel um die Ohren und kaum eine Nacht mehr geschlafen.

»Gibt es weitere junge Adlige, die Umgang mit den Upjas haben?«

Mein Ekam dachte einen Moment lang nach. »Vermutlich, Majestät. Darf ich fragen, warum Ihr Euch dafür interessiert?«

»Hauptsächlich aus Neugier. Aber es ist ja auch völlig klar, dass ich bei einem Treffen mit Abraham nicht mehr tun kann, als ein paar Höflichkeitsfloskeln auszutauschen. Wenn sich wirklich etwas bewegen soll, muss dies quasi hinter unserem Rücken passieren.«

»Ihr sprecht von echten Verhandlungen?«

»Ja.« Gedankenverloren tippte ich mit dem Finger gegen die Fensterscheibe. »Alice ist keine Anhängerin der Upjas. Ihre kritische Distanz wäre eine gute Ergänzung zu Zarans jugendlichem Idealismus.«

»Das ist sicher sinnvoll, Majestät«, schaltete sich Alba in unsere Überlegungen ein, während sie mir meinen Chai reichte. »Und Ihr habt sicher auch keine Zeit, die Verhandlungen persönlich zu beaufsichtigen. Außerdem gilt diese Gruppierung offiziell weiterhin als terroristisch.« Der Chai war noch sehr heiß. Ich trank ihn in kleinen Schlucken, während Emmory über meine Idee nachdachte.

»Ich hätte da ein paar Kandidaten für Euch, Majestät«, sagte er schließlich.

»Fantastisch. Benachrichtige Abraham und sag ihm, dass er zu mir in den Palast kommen soll.« Ich strahlte meinen irritierten BodyGuard an und reichte Alba die leere Tasse. »Wir müssen los, sonst macht sich Leena noch Sorgen.«

Kurze Zeit später ging ich, eskortiert von meinen vertrauten BodyGuards, die Treppe zum Shivan’s hinauf. Momentan versuchte ich, mich so wenig wie möglich außerhalb des Palastes zu bewegen, da bislang nur wenige neue BodyGuards Gnade vor Emmorys Augen gefunden hatten und diese auch noch nicht in der Öffentlichkeit auftreten sollten.

Seltsam. Du tust so, als ob du ständig hier ein und aus gehst. Dabei war ich seit meiner Rückkehr nur ein einziges Mal im Shivan’s gewesen. Da hatte Jet noch gelebt. Ein nervöser Rama hatte mich an den lärmenden Medienvertretern vorbeigelotst, Adail hatte mit stoischem Gesichtsausdruck an der Tür auf uns gewartet. Jetzt waren sie beide ebenfalls tot. Adail hatte sich als Verräter herausgestellt und Rama erschossen. Emmory hatte ihn im Gegenzug getötet.

»Anderthalb Wochen, aber es fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Wie kann das sein?«

»Trauer lässt die Zeit lang werden, Majestät.« Kummer lag in Zins graugrünen Augen, als er mir die Tür öffnete. Wir alle hatten bei dem Putschversuch Freunde verloren. Ich vermisste jeden einzelnen, aber ich wusste, dass Zin Jets Tod besonders schmerzte. Während ihrer kurzen gemeinsamen Zeit waren ihm die BodyGuards, die später am Garuda-Platz ihr Leben für mich lassen sollten, ans Herz gewachsen. Ich hatte überlebt und meinen Anspruch auf den Thron behauptet – aber in diesem Moment hatte ich nicht das Gefühl, dass es das wert war.

Mit einem halbherzigen Lächeln betrat ich das graue Backsteingebäude, und der Straßenlärm wich der Stille.

»Majestät.« Avan Shivan nahm meine Hand und küsste mich auf die Wangen. Der rundliche Besitzer des Shivan’s war ein treuer Freund, daran hatte auch meine zwanzigjährige Abwesenheit nichts geändert. In den Tagen nach dem Tod meines Vaters hatte ich mich oft stundenlang in der Küche des Restaurants versteckt. Und auch jetzt war das Shivan’s für mich ein Zufluchtsort, an dem mir Avan die Medien und überhaupt jeden, der mir lästig werden konnte, vom Leib hielt. »Euer Neffe und Eure Schwägerin erwarten Euch.«

»Danke, heute Abend ist ja viel los hier.«

»Wir haben eine sechsmonatige Warteliste, Majestät.« Er lächelte. »Jeder möchte hier essen – in der Hoffnung, Euch zu begegnen.«

Ich musste lachen. »Freut mich, dass ich dein Geschäft ankurble!«

»Aufzug, Majestät?«

»Du meinst, ich darf es mir aussuchen, Ekam?«

Ich scherzte. Als wir das letzte Mal im Shivan’s gewesen waren, hatte Emmory in seiner Paranoia darauf bestanden, die Treppen zu nehmen. Zugegebenermaßen hatten mir zu diesem Zeitpunkt eine Menge Menschen nach dem Leben getrachtet. Seine Sorge war also nicht unbegründet gewesen. Trotzdem – ich hasste Treppen und beeilte mich, in den Aufzug zu kommen, bevor Emmory am Ende doch noch seine Meinung änderte.

Ich wusste nicht, was mich erwartete. Taran hatte seinen Bruder abgöttisch geliebt, und so sehr Leena auch versuchte, ihn von allem fernzuhalten: Er war alt genug, um zu verstehen, was vor sich ging.

Ich hatte befohlen, Stillschweigen darüber zu wahren, dass Tarans wöchentliche Besuche den Verrätern ermöglicht hatten, meine Mutter zu vergiften. Und wir hatten alle möglichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen, um sicherzugehen, dass dies ein Geheimnis blieb. Es gab Dinge, die ein achtjähriger Junge nicht wissen musste, und wenn ich ihn davor bewahren konnte, dann war mir das ein paar Lügen wert.

»Nervös, Majestät?«

Ich warf Zin einen Seitenblick zu. »Von Kindern habe ich keine Ahnung. Was soll ich sagen?«

»Meine Tanten haben immer angefangen mit ›Hallo, schön, dich zu sehen‹.«

Spielerisch boxte ich ihm gegen die Schulter, als wir den Aufzug verließen. »Blödmann!«

»Natürlich, Majestät.« Er nickte Indula und Willimet zu. Willimet öffnete mir mit einem Lächeln die Tür. Wie auch immer er es geschafft hatte, Indula hatte Emmory anscheinend überreden können, ihn zu diesem öffentlichen Termin mitzunehmen. Er war der einzige der neuen Rekruten, den ich bislang außerhalb des Palastes gesehen hatte. Vielleicht spielte die Tatsache, dass er der BodyGuard meiner Mutter gewesen war und uns Bial ausgeliefert hatte, dabei eine Rolle.

Wie ich während des letztens Monats hier auf Pashati gelernt hatte, hatte Zin in solchen Dingen meistens recht: Wie sich herausstellte, hatte ich mir ganz umsonst Sorgen um Taran gemacht.

»Tante Hail!« Mein Neffe wollte auf mich zustürmen, wurde aber abrupt von Leena gestoppt, die ihn am Kragen festhielt. »Eure Majestät.« Er warf Leena einen kurzen Blick über die Schulter zu und verbeugte sich dann ungelenk.

Die Matriarchinnen Desai und Surakesh hatten darauf gedrängt, ihn seines Status als Prinzen zu entheben und es der Familie Surakesh zu erlauben, ihn zu adoptieren. Offiziell war er zwar noch von Adel, aber kein Mitglied der kaiserlichen Familie mehr.

»Bitte keine Förmlichkeiten, wir sind hier doch ganz unter uns«, sagte ich mit einem Lächeln.

Leena lächelte verhalten zurück. »Ich versuche, ihm Respekt vor dem Thron beizubringen, Majestät. Nach allem, was passiert ist, halte ich das für sehr wichtig.«

»Das stimmt.« Ich ging in die Hocke und hielt meinem Neffen die ausgestreckten Arme entgegen. »Aber wir sind eine Familie, und das ist auch wichtig.«

Ich schmiegte meine Wange an Tarans Lockenkopf, als er mich umarmte. Er war alles, was mir von meiner Familie geblieben war, der einzige leibliche Nachkomme meiner Mutter – abgesehen von mir selbst. Die wahre Tragödie bestand darin, dass es den Verrätern letzten Endes doch gelungen war, die Blutlinie meiner Mutter auszulöschen. Es blieben ein paar Großcousinen, Nachkommen der Geschwister meiner Großmutter und von deren Kindern. Aber Taran würde den Thron niemals besteigen. Und ich konnte keine Kinder bekommen.

Dieses Geheimnis hatte ich für mich behalten. Ein Hinterhalt auf einem verschlafenen Planeten hatte die Hoffnung, dass ich eine Thronerbin gebären würde, für immer zerstört. Aber der Einzige, der davon gewusst hatte, war tot, und ich hatte nicht vor, diesen Umstand an die große Glocke zu hängen, nachdem ich gerade knapp einen von meiner Cousine und meinem Neffen angezettelten Putschversuch überlebt hatte.

Dazu kam, dass sich Indrana am Rande eines Krieges mit der Saxonischen Allianz befand, und ich saß nach wie vor nicht besonders fest auf meinem Thron. All das waren weitere gute Gründe, dies für mich zu behalten.

»Herr Joshi sagt, ich hätte ein großes Talent für Quantenmechanik.« Während er mich losließ und sich setzte, plapperte Taran begeistert drauflos. Ich schüttelte mein Unbehagen ab und zwang mich, mich darauf zu konzentrieren, was er mir erzählte. Die Zeit verging wie im Flug, und dann war das Abendessen auch schon vorbei.

Zin trat an Tarans Seite. »So, junger Mann, ich zeige dir mal ein Rätsel. Wenn du es lösen kannst, schließe ich mich sofort der hohen Meinung an, die dein Lehrer von dir hat.« Zin bedeutete dem Jungen, ihm zu folgen, damit Leena und ich uns unter vier Augen unterhalten konnten.

»Hattest du Erfolg?«

»Nein, Majestät.« Leena warf Taran, der fröhlich auf Zin einredete, einen kurzen Blick über die Schulter zu. »Ich habe mir Laabhs Nachrichtenverkehr angesehen. Alles, was ich finden konnte. Aber er war klug genug, nichts über unsere Server zu Hause laufen zu lassen.«

Ich hätte mir in den Hintern beißen können dafür, dass ich dem Rat gefolgt war, Laabhs Privatsphäre zu respektieren und mir nicht gewaltsam Zugang zu den Daten seines smati zu verschaffen, bevor er alles gelöscht hatte. Nach seinem Tod hatten wir dort nur noch wenige Informationen finden können, und alles, was wir auf Gandas Computer entdeckt hatten, belegte, dass sie von Laabhs und Wilsons Plänen nichts gewusst hatte.

»Ich werde weitersuchen, Majestät. Wir haben ein paar Hinweise auf mehrere regelmäßige Besucher gefunden, denen mein Sicherheitspersonal gerade nachgeht.«

»Tu das, Leena. Was immer da auf uns zukommt, ich möchte nicht davon überrumpelt werden.«

»Selbstverständlich, Majestät.«

Wir verabschiedeten uns. Taran war zu sehr mit Zins Rätsel beschäftigt, als dass er die Besorgnis der Erwachsenen um ihn herum bemerkt hätte.

Hinter einem Sichtschutz bestieg ich meinen Schwebewagen, während meine BodyGuards in identisch aussehenden Wagen, die zur Ablenkung mitfuhren, Platz nahmen. Emmory bestand aus Sicherheitsgründen auf dieses Vorgehen. Da die erste Ekam meiner Mutter bei einem Schwebewagenunfall gestorben war, war seine Vorsicht nur zu verständlich.

»Schade, dass wir uns nicht gleich mit Caspel treffen können«, murmelte ich, während ich aus dem Fenster in den Nachthimmel schaute. »Es würde mich nicht überraschen, wenn man ihn herbeirufen könnte, indem man seinen Namen dreimal laut ausspricht.«

Mein Ekam schüttelte mit dem Kopf und brach in Gelächter aus. »Er ist weder ein Dämon noch ein Zauberer, Majestät.«

»Das sind unsere Feinde auch nicht, und dennoch scheinen sie sich in Luft aufgelöst zu haben.« Ich nestelte an einer Rocknaht herum und sah dann Emmory an. »Manchmal kommt es mir so vor, als ob wir das hier schon ein Leben lang machen.«

Das war natürlich nicht der Fall. Vor etwas mehr als einem Monat war Emmory noch ein Jäger gewesen, den meine ältere Schwester damit beauftragt hatte, mich nach Hause zu holen. Ich dagegen war entschlossen gewesen, den größtmöglichen Abstand zu Indrana zu halten. Der Gedanke, in die Enge des Palastes zurückzukehren, war mir unerträglich gewesen. Aber der Tod meiner Schwestern und der geistige Verfall meiner Mutter, den wir fälschlicherweise einer Shakti-Demenz zugeschrieben hatten, hatten mir keine Wahl gelassen.

»Manchmal scheint es so.«

Ich war mir nicht sicher, ob seine Zustimmung ein gutes Zeichen war, also sah ich wieder aus dem Fenster und behielt meine Gedanken für mich.

· 3 ·

»Eure Majestät?«

Ich wandte mich vom Fenster meines Schlafzimmers zu Emmory um und wischte mir mit dem Handrücken Tränen der Wut von den Wangen. »Wir sollten gehen. Caspel wird immer nervös, wenn wir uns verspäten.«

»Ihr habt nicht geschlafen.«

»Ich habe geschlafen.«

»Lügnerin.« Mein Ekam bedachte mich mit einem seltenen Lächeln. »Ihr habt nur etwas gedöst, genau wie in der ganzen letzten Woche. Ihr werdet den Träumen nicht ewig entfliehen können, Majestät. Es ist nicht gut für Euch, genauso wenig wie das Phrine.«

»Das sind die Albträume auch nicht.« Ich ging zum Kleiderschrank. Emmory war glatt imstande, mir hier die ganze Nacht lang Vorträge zu halten. Aber wir mussten los. Ich schob die Kleidung beiseite und gab den Code für den Geheimgang ein. Dann sah ich Emmory kurz über die Schulter hinweg an. »Ich bin müde, aber es war viel schlimmer, Portis sterben zu sehen. Oder wie Jet in die Luft gejagt wurde. Auf etwas Schlaf zu verzichten ist gar nichts dagegen.«

Emmory erwiderte nichts darauf, aber ich spürte, wie sich sein missbilligender Blick in meinen Rücken bohrte.

Zum Glück ließ er das Thema fallen, als wir den Palast durch den engen Tunnel kriechend verließen. Ich konnte mich mit meiner Klaustrophobie auseinandersetzen oder mit meinem BodyGuard – aber nicht mit beidem gleichzeitig.

»Ach du Scheiße.« Die Kälte fiel mich an wie ein Tier. Ich verkroch mich tief in meinen dunklen Kapuzenmantel und zog meinen SColt .45. Dann half ich Emmory hoch, der mir kurz zunickte und seinen Arm um meine Schultern legte. Wir betraten die enge Gasse.

Am dunklen Himmel funkelten die Sterne hinter einem dünnen Wolkenschleier. Die kalte Nachtluft brannte in meiner Lunge und nahm mir beinahe den Atem. Die Straßen waren leer bis auf eine einsame Gestalt, die ohne uns zu bemerken in einiger Entfernung ihrem Ziel entgegeneilte.

Eine halbe Stunde später erreichten wir den Hafen. Das Klatschen der Wellen hallte durch die Morgenluft, und der Frost kroch noch tiefer in unsere Kleidung.

Emmory trat vor mich, als sich vor uns ein Schatten von einem Gebäude löste.

»Ich bin’s nur, Ekam«, sagte Caspel mit erhobenen Händen.

»Es ist so was von lächerlich, dass ich mich heimlich aus dem Palast schleichen muss, um mich mit dem Chef meiner eigenen Sicherheitsbehörde zu treffen. Wir könnten stattdessen in meinen Gemächern sitzen. Da ist es viel gemütlicher. Und wärmer.«

»Ich bitte um Verzeihung, Majestät. Das liegt in der Natur der Sache. Bitte folgt mir, um die Ecke steht ein Ofen.«

Tatsächlich stand dort in einer Nische ein Heizofen, in dem blaue Flammen loderten. Ich wärmte meine Hände daran, während Emmory uns den Rücken zukehrte und in die Dunkelheit spähte.

»Was ist so verdammt wichtig? Sprecht, bevor ich hier jämmerlich erfriere.«

»Ich konnte endlich Kontakt zu einem Agenten an Bord von Admiral Shuls Schiff aufnehmen«, sagte Caspel mit grimmiger Miene. Mein Magen krampfte sich zusammen.

»Wie schlimm ist es?« Ich schlang meine Arme um mich und versuchte, nicht zu zittern.

»Schlimm, Majestät. Der Admiral hält eine Fassade der Normalität aufrecht. Allerdings haben die meisten Mitglieder der Schiffsführung und ein großer Teil der Besatzung ihren Unmut über Eure Thronbesteigung geäußert.«

»Das ist mir bereits bekannt …«

»Ich weiß«, antwortete Caspel ohne einen Anflug von Ironie. »An Bord von Admiral Shuls Schiff sowie in der gesamten zweiten Flotte sind mehr männliche Besatzungsmitglieder als im Flottendurchschnitt. Dazu kommt, dass sich Major Bristol vermutlich noch an Bord befindet – auch wenn wir das noch nicht zweifelsfrei bestätigen konnten.«

»Diesen Namen verdient er nicht. Er trägt ihn nur, weil er meine Schwester geheiratet hat.«

»Verzeiht, Majestät. Macht der Gewohnheit.«

Mir war viel zu kalt, um das auszudiskutieren. Aber ich hatte an dem Tag, als ich Laabh formal aus unserer Familie verstoßen hatte, auch Albin Maxwell Bristol offiziell seines Ranges enthoben und ihm meinen Namen entzogen. »Können wir das zweifelsfrei bestätigen, ohne unsere Agenten in Gefahr zu bringen?«

Caspel wedelte mit einer behandschuhten Hand. »Schon möglich. In dieser Situation gehe ich davon aus, dass meine Agenten einen Fluchtplan für sich selbst und so viele loyale Untertanen wie möglich zurechtgelegt haben, falls …«

»… die sprichwörtliche Kacke am Dampfen ist.« Ich erwiderte Caspels zustimmendes Nicken. »Ich muss in Erfahrung bringen, wie loyal meine Flotte ist. Shul sollen so wenig Schiffe wie möglich in die Hände fallen.«

»Selbstverständlich, Majestät.«

»Wir verschwinden. Ich erfriere, und Emmory wird langsam nervös.«

»Natürlich, Majestät. Ich melde mich, wenn ich mehr weiß.«

»Das nächste Treffen findet dann an einem wärmeren Ort statt.«

»Selbstredend, Majestät.« Caspel verbeugte sich und verschwand wieder in den Schatten wie ein Geist.

Ich hakte mich bei meinem BodyGuard unter, und wir machten uns auf den Rückweg. »Was hältst du davon?«, fragte ich über unsere smati-Verbindung. »Können wir ihm trauen?«

»So wie jedem anderen, Majestät.«

»Keine sehr beruhigende Antwort.«

»Euch zu beruhigen gehört nicht zu meinen Aufgaben, Majestät.«

Plötzlich sah ich Jet vor mir, wie er mich darauf hinwies, dass es nicht seine Aufgabe war, mich glücklich zu machen. Ich erinnerte mich auch daran, wie ich ihm befohlen hatte, nicht zu sterben. Und an seine Antwort, dass genau das wiederum sehr wohl seine Aufgabe sei.

»Majestät?« Emmory hielt abrupt an. Seine behandschuhte Hand umfasste mein Handgelenk. Ich hatte wohl hörbar scharf eingeatmet.

»Alte Erinnerungen.« Ich zwang mich zu einem Lächeln. »Keine Sorge, ich werde hier sicher nicht anfangen zu weinen, Emmy. Mir würde das Gesicht erfrieren.«

Am nächsten Morgen hatte ich verquollene Augen, und meine Nerven lagen blank. Das legte sich auch nicht bei der täglichen Lagebesprechung im von mir so verabscheuten Büro meiner Mutter. Ihr missbilligender Blick verfolgte mich vom Gemälde an der gegenüberliegenden Wand. Ich gehörte nicht hierher.

»Majestät?«

Ich schaute auf und blinzelte Clara an. Sie zog eine Augenbraue hoch und sah dann auf meine Finger herab, mit denen ich auf den Schreibtisch trommelte. Ich nahm die Hand vom Tisch. »Entschuldigung, was?«

»Wir sind immer noch dabei, die Trümmer des Hauptquartiers der Imperialen Spezialkräfte wegzuräumen. Im Moment arbeiten Generalin Vandi und die anderen Überlebenden der ISK-Führung in den Büros, die uns Matriarchin Tobin freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Aber auf lange Sicht müssen wir das Gebäude wiederaufbauen.«

»Was das kostet«, murmelte Phanin. »Verzeiht, Majestät, aber unser Budget ist begrenzt.«

Ich nickte. Die Finanzberichte hatte ich mir angesehen, und auch wenn ich sie kaum verstand –, dass die dicke rote Zahl am Ende auf einen wachsenden Schuldenberg hindeutete, begriff ich sehr wohl.

Das Imperium war reich an Ressourcen, aber arm an flüssigen Finanzmitteln. Ein altbekanntes Problem.

»Gibt es einen vernünftigen Grund, warum sie nicht in den Büros bleiben können? Mir wäre es lieber, den Wiederaufbau nicht zu übereilen. Da passieren nur Fehler.«

»Es spricht eigentlich nichts dagegen«, antwortete Admiralin Hassan mit einem Schulterzucken.

Clara nickte. »Matriarchin Tobin sagte uns, dass die ISK willkommen sind und so lange kostenlos ihre Büros nutzen können, bis die neuen Gebäude stehen. Wir sollten aber überlegen, sie trotzdem dafür zu entschädigen, sollte es länger als ein Jahr dauern.«

»Setzt jemanden an die Pläne für den Wiederaufbau, und informiert mich über die Fortschritte. Ich muss es dann nicht noch einmal extra genehmigen – ihr werdet dafür schon jemand Passendes finden.«

Clara lächelte kurz und fuhr mit einem Finger durch die Luft, um zum nächsten Punkt auf der Liste auf ihrem smati zu scrollen. »Ihr trefft Euch heute Nachmittag mit den Upjas, Majestät.«

»Ich weiß. Abraham und Tazerion kommen in den Palast. Alice und Zaran werden auch dabei sein.« Ich zog eine Augenbraue hoch, als ich die schlecht kaschierte Missbilligung in Phanins Gesicht sah. »Premierminister, möchtet Ihr dazu etwas sagen?«

»Bitte verzeiht, Majestät, aber ich halte das für keine gute Idee.«

»Das habt Ihr bereits wiederholt deutlich gemacht. Ich verstehe das, aber es ist nicht Eure Entscheidung.«

Phanin deutete eine Verbeugung an. »Bitte verzeiht …«

»Wenn Ihr das noch einmal sagt, gehe ich Euch an die Gurgel.«

Phanin erbleichte, und Clara sah mich ungläubig an. Alle anderen im Raum erstarrten. Ich hatte meine Stimme nicht erhoben, aber das musste ich auch nicht. Mein Ruf eilte mir voraus. Ich fragte mich, ob ich in zwanzig Jahren noch mit derselben Reaktion rechnen konnte oder ob ich ab und zu wirklich jemanden erwürgen sollte, nur um sicherzugehen.

»Die Upjas sind nicht das Problem. Der Thron wird sich anhören, was sie zu sagen haben, und dann werden wir eine Lösung finden. Indrana hat schon genug Feinde, ich möchte lieber ein paar Verbündete gewinnen. Und wer wäre besser geeignet als unsere eigenen Leute?

Meinetwegen gefällt Euch das nicht, Phanin, aber ich möchte nichts mehr davon hören. Das betrifft auch jegliche Kommunikation mit den Medien. Ist das klar?«

»Völlig klar.« Er senkte sein grauhaariges Haupt.

»Ach, scheiße, Leute, jetzt brauch ich einen Drink.« Ich ging zur Bar und goss mir einen Whiskey ein, während alle verlegen wegschauten. Ich trank ihn in einem Zug aus und setzte mich wieder.

Nach etwa einer Minute räusperte sich Admiralin Hassan schließlich. »Wenn es sonst nichts mehr zu besprechen gibt, Eure Majestät, dann treffen wir uns in einer halben Stunde mit den anderen Mitgliedern des Raksha. Ich würde vorher gerne die neuesten Nachrichten von Canafey besprechen.«

»Nein, wir sind hier fertig. Clara?« Als ich aufstand, erhoben sich auch die anderen.

»Das war alles, Majestät.« Clara knickste. »Mit Eurer Erlaubnis.«

»Bis später.« Ich beobachtete, wie Phanin den Raum verließ, und kämpfte mit meiner Wut. Von Anfang an hatte ich ihn nicht ausstehen können, wusste aber nicht recht, warum.

»Politiker hinterlassen bei mir auch immer ein ungutes Gefühl, Majestät«, sagte Admiralin Hassan, als wir allein waren. »Aber sie sind nützlich, und Phanin ist sehr beliebt. Eure Schwester hat auf seinen Rat gehört.«

Beim besten Willen konnte ich mir nicht vorstellen, warum Cire sich von ihm hatte beraten lassen, denn dieser Mann brachte mich jedes Mal zur Weißglut. Aber sie war auch immer die Geduldigere von uns beiden gewesen.

»Ich habe seinen Rat ja ebenfalls angehört, aber ich bin eben anderer Meinung.« Ich rieb mir die Stirn und atmete scharf aus. »Und ich bin gerade extrem reizbar, Inana. Ich versuche ja, nicht so sehr …« Ich suchte nach den passenden Worten.

»Ihr selbst zu sein, Majestät?«

Ich warf ihr einen finsteren Blick zu. »Ha. Aber wahrscheinlich habt Ihr recht. Wir sollten die Karte anschauen, bevor die anderen kommen.«

»Majestät, die Upjas sind hier.«

Mit einem Stöhnen erwachte ich aus meinem traumlosen Halbschlaf und bedachte Alba mit einem giftigen Blick, den sie natürlich nicht verdiente. Meine Kammerfrau ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen – einer der Gründe, warum ich sie überhaupt eingestellt hatte.

Sie reichte mir eine Metallröhre, aus der parfümiertes kaltes Wasser in einer leuchtend orangefarbenen Explosion auf meine Nase spritzte und sich auf meinem Gesicht verteilte. Es half ein bisschen, aber trotzdem sah ich Emmory flehentlich an.

Mein Ekam bedachte mich mit einem vielsagenden Blick. »Ihr solltet lieber einmal richtig ausschlafen, Majestät.«

»Bis dahin muss es eben so gehen. Ich könnte mir das Phrine auch einfach selbst besorgen. Es ist doch gut, wenn ich dich darum bitte und du mitbekommst, wie viel ich nehme.«

An seinem Blick konnte ich ablesen, dass er sich nicht sicher war, was das heißen sollte. Und um ehrlich zu sein, wusste ich das selbst nicht so genau. Was ich aber sicher wusste, war, dass ich nicht ohne einen klaren Kopf zu der Besprechung gehen konnte.

Ich riss mich zusammen und lächelte ihn an. »Bitte?«

Emmory seufzte kaum hörbar und streckte seine behandschuhte Hand aus. Ich inhalierte, und im Handumdrehen waren mein Kopf und mein Blick wieder klar.

Mit Albas Hilfe strich ich die Falten aus meiner schwarzen Hose und rückte das weiße Seidenoberteil mit dem dunkelroten Blumenmuster auf den Ärmeln zurecht. Dann verließen wir meine Gemächer und gingen in das kleine Besprechungszimmer, das normalerweise für Treffen mit anderen Staatsoberhäuptern verwendet wurde. Um es zu erreichen, mussten Abraham und Taz durch den Thronsaal gehen, aber eine kleine Erinnerung daran, mit wem sie es hier zu tun hatten, konnte nicht schaden.

Während der letzten drei Tage war ich lautstark in den Medien angegriffen worden, weil ich die Upjas für das erste offizielle Treffen in den Palast gebeten hatte. Viele hielten das für dumm oder verrückt. Aber es war der einfachste Weg gewesen, Emmorys Zustimmung zu dem Treffen zu erhalten.

»Eure Majestät.« Alice begrüßte uns mit einem Hofknicks. »Es sind bereits alle da.«

Im Besprechungszimmer würde niemand Waffen tragen, auch meine BodyGuards nicht. Nur so hatte ich Abraham – ungeachtet meiner Zusicherung, sie zu begnadigen – zu einem Treffen im Palast bewegen können. Emmory war dagegen gewesen, bis ich ihm erlaubt hatte, im Raum nebenan einen ganzen Trupp Marines zu postieren.

»Wie ist die Stimmung?«

»Nervös, Majestät«, antwortete Alice ohne Zögern. »Abraham kann es besser verbergen als Zaran. Tazerion wirkt dagegen entspannt.«

Auch wenn sich mein Magen zusammenkrampfte, ich würde nicht zugeben, dass ich ebenfalls nervös war. Hinter der Tür wartete Tazerion Benton Shivan, mein bester Freund aus Kindheitstagen. Ich hatte nicht mehr mit ihm gesprochen, seit ich meinen Heimatplaneten verlassen hatte.

Cas und Zin gingen hinter mir her. Ich tauschte einen Blick mit Emmory aus, bevor ich Alice mit einem Nicken bedeutete, die Tür zu öffnen.

»Ihre kaiserliche Majestät, Hailimi Mercedes Jaya Bristol.« Alba war durchaus in der Lage, sich Gehör zu verschaffen, wenn sie wollte – diesbezüglich wurde sie angesichts ihrer sonst so sanften Stimme oft unterschätzt.

Abraham und Taz verbeugten sich.

»Ich danke Euch für Euer Kommen.« Ich musste mich dazu zwingen, nicht in Tazerions braune Augen zu blicken, sondern Abraham anzusehen, als ich ihm mit einem Lächeln meine Hand entgegenstreckte. »Wir freuen uns auf dieses Gespräch und hoffen, dass es das erste von vielen sein wird. Wir wollen einen neuen Weg für Indrana einschlagen.«

»Kaiserliche Hoheit. Wir danken Euch dafür, dass Ihr uns empfangt.« Sein Lächeln, als er meine Hand nahm, war zurückhaltend, und er trat schneller als nötig zur Seite, um Tazerion Platz zu machen.

»Eure Majestät«, begrüßte mich Taz mit einem neckenden Unterton, auf den Emmory zu meiner Überraschung nicht reagierte.

Wir legten die Handflächen aufeinander. Er schien noch gewachsen zu sein, denn er überragte mich – bei meiner Größe eine seltene Erfahrung.

Überwältigt von widersprüchlichen Gefühlen, lächelte ich unbeholfen und wartete mit meiner Antwort, bis ich mir sicher war, mich so weit im Griff zu haben, dass meine Stimme nicht zitterte.

»Schön, dich wiederzusehen.«

»Ich hätte nicht gedacht, dass die Dunkle Mutter so gnädig sein könnte.« Taz lächelte.

»Das ist sie selten.«

»Wir sind dankbar für diese Gelegenheit, mit Euch zu sprechen.«

»Ich weiß, dass es Euch einige Überwindung gekostet hat, einem Treffen an diesem Ort und ohne Waffen zuzustimmen«, erwiderte ich.

»Ich vermute, dass Ihr im Zweifelsfall dennoch die Oberhand behalten würdet, Majestät.«

»Mir wurde gesagt, dass Faustkämpfe bei Verhandlungen nicht gerne gesehen werden.«

Tazerion lachte, woraufhin ihn alle anstarrten, und ich versteckte mein Lächeln schnell hinter einer vor den Mund gehaltenen Hand.

Abraham ließ sich davon nicht anstecken, sondern begann ein Gespräch mit meiner Kammerfrau. Taz faltete die Hände und verbeugte sich noch einmal. »Dürfen wir Platz nehmen, Majestät?«

»Aber gerne.« Ich setzte mich und deutete auf den Stuhl neben mir – dabei fühlte ich mich wieder seltsam dumm und ungeschickt. »Abraham unterhält sich lieber mit Alice und Zaran?«

Taz nickte und sah dann über die Schulter zu Abraham, wobei sein schwarzes Haar über den Hals strich. Es war so lang, dass es den Kragen seines Hemdes berührte. »Das hier ist der einfache Teil. Schwierig wird es anschließend.«

»Hängt der Haussegen schief?«