Stoffwechselerkrankungen im Kindes- und Jugendalter - Hansjosef Böhles - E-Book

Stoffwechselerkrankungen im Kindes- und Jugendalter E-Book

Hansjosef Böhles

0,0
59,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

<p><strong>Metabolische Probleme im Kindes- und Jugendalter richtig beurteilen und behandeln.</strong></p> <p>Mit diesem Buch haben Sie alles im Griff! Es unterstützt Sie bei der Auswahl der passenden Untersuchungsmethode, dem Verifizieren Ihrer Verdachtsdiagnose und dem Einleiten einer wirksamen Therapie. Punktgenau auf Ihren Praxisalltag abgestimmt - durch jahrzehntelange Erfahrung des Autors:</p> <ul> <li>kompakter Theorieteil zu anatomischen und chemischen Grundlagen</li> <li>prägnante Beschreibung der verschiedenen Krankheitsbilder</li> <li>Erläuterung der organbezogenen Leitzugänge mit Leitsymptomen</li> <li>praktische Tipps zur Durchführung verschiedener Untersuchungsmethoden</li> <li>Interpretationshilfen für die korrekte Diagnosestellung und Therapieeinleitung</li> <li>Hinweise zur erfolgreichen Patientenberatung.</li> </ul> <p>Didaktisch ausgeklügelt mit anschaulichen Infografiken und Algorithmen, Bildbeispielen und farbigen Hinweisboxen.<br /><br />Jederzeit zugreifen: Der Inhalt des Buches steht Ihnen ohne weitere Kosten digital in der Wissensplattform eRef zur Verfügung (Zugangscode im Buch). Mit der kostenlosen eRef App haben Sie zahlreiche Inhalte auch offline immer griffbereit.</p>

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 1126

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Stoffwechselerkrankungen im Kindes- und Jugendalter

Hansjosef Böhles

282 Abbildungen

Widmung

Für Mayyada und alle, die sich für metabolisches Denken begeistern lassen.

Vorwort

Dieses Buch erhebt nicht den Anspruch ein vollständiges Werk über die Biochemie des Stoffwechsels und seiner Störungen zu sein. Es will jedoch für alle an Stoffwechselfragen Interessierten notwendige fachliche Grundinformationen geben. Die zur Beurteilung metabolischer Probleme notwendigen Kenntnisse sind derartig vielfältig, dass z.B. ein Berufsanfänger sich häufig ratlos fragen muss, wie er den Zugang zu diesem notwendigen Wissen finden solle. Zur Zeit meines eigenen beruflichen Anfangs in den frühen 1970er Jahren war das verfügbare Wissen über Stoffwechselerkrankungen noch weitgehend übersichtlich und die Labormethoden waren einfach, überwiegend auf dem Niveau der Papier- oder Dünnschichtchromatografie; wir befanden uns bildlich gesprochen auf einem noch niedrigen Hügel des Wissens, der jedoch in den folgenden Jahren zu einem hohen Berg anwachsen sollte. Das Wachstum des Hügels ergab sich vor allem aus der zunehmenden Entwicklung und Verfeinerung der Labormethoden und natürlich durch die Einführung der Molekularbiologie. Metabolisches Wissen wurde hierdurch zu einem riesigen Berg, der für einen Anfänger nur schwer zu erklimmen ist. Mit diesem Buch möchte ich Hilfestellungen für einen Zugang zu diesem Wissen geben und die wichtigsten Informationen zugänglich machen. Für weiterführende Details verweise ich auf die reichlich vorhandene Spezialliteratur. In unserer modernen Zeit definieren sich metabolische Texte zunehmend über Abkürzungen molekulargenetischer Mutationen und das Verlassen von Eigennamen als Krankheitsbezeichnung. Mit der zunehmenden Fülle der Informationen laufen wir Gefahr, die großartigen Leistungen unserer wissenschaftlichen Vorväter zu vergessen. Es war mir daher eine Freude, dem Buch eine Darstellung der wesentlichen Schritte der historischen Entwicklung des metabolischen Denkens voranzustellen und damit mit Bescheidenheit wieder zu erkennen, dass wir mit unserem Wissen lediglich auf den Schultern von Riesen stehen.

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Hansjosef Böhles Professor emeritus der Kinder- und Jugendmedizin Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt am Main

Frankfurt am Main 2016

Abkürzungsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Widmung

Vorwort

Abkürzungsverzeichnis

Teil I Grundlagen

1 Historische Einführung: Zur Entwicklung des metabolischen Denkens

1.1 Sammlung der Grundlagen

1.1.1 Frühe Welt der Gärung, Gase, Säuren und Basen

1.1.2 Am Anfang war das Feuer

1.1.3 Inhaltsstoffe des Harns

1.1.4 Erste Farbreaktionen zur Erkennung von Säuren oder Laugen

1.2 Der lange Weg zum Verständnis der Grundnährstoffe

1.2.1 Anfänge der Kohlenhydratchemie

1.2.2 Diabetes mellitus als Quelle der Erkenntnisse zum Zuckerstoffwechsel

1.2.3 Anfänge der Fettchemie

1.2.4 Anfänge der Eiweißchemie

1.3 Verständnis des Energiestoffwechsels durch indirekte Kalorimetrie

1.4 Proteinstoffwechsel und Stickstoffbestimmung

1.5 Fortschritte im funktionellen Verständnis des Intermediärstoffwechsels am Beispiel der Ammoniakentgiftung und der Harnstoffsynthese

1.6 Probleme des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts; Lehren aus Durchfallerkrankungen

1.7 Mikroskop, Elektronenmikroskop, Ultrazentrifuge und subzelluläre Strukturen

1.7.1 Mitochondrien

1.7.2 Lysosomen

1.8 Farbreaktionen und chromatografische Trennsysteme

1.9 Anfänge der Molekularbiologie und Genetik

2 Anatomische und funktionschemische Grundlagen der Stoffwechselorte

2.1 Allgemeiner Zellaufbau

2.1.1 Zytoplasmamembran

2.1.2 Exportpumpen für Schadstoffe

2.1.3 Glykokalyx

2.1.4 Membranrezeptoren

2.1.5 Zytoskelett

2.1.6 Zellorganellen

2.2 Organbezogener Zellaufbau

2.2.1 Leber

2.2.2 Niere

2.2.3 Nervengewebe und seine Zellen

2.2.4 Skelettmuskulatur

2.2.5 Herzmuskulatur

2.2.6 Erythrozyten

2.2.7 Haut

2.2.8 Haare

2.2.9 Stützgewebe

2.2.10 Bindegewebe

2.2.11 Extrazelluläre Matrix

2.2.12 Fettgewebe

2.2.13 Auge

2.2.14 Innenohr

2.3 Körperwasser

2.3.1 Gesamtkörperwassergehalt

2.3.2 Wasserstoffwechsel

2.3.3 Methoden zur Bestimmung der Flüssigkeitsräume im Körper

2.4 Körperfunktionsräume

2.4.1 Extrazellularraum

2.4.2 Intrazellularraum

2.4.3 Interstitieller Raum

2.4.4 Transzelluläre Flüssigkeit

2.4.5 Flüssigkeitsräume des sehr kleinen Frühgeborenen (<1500g)

2.5 Flüssigkeitsumsatz

2.5.1 Postnataler Gewichtsverlust

2.5.2 Perspiratio insensibilis

2.5.3 Schweißverluste

2.5.4 Renale Wasserverluste

2.5.5 Wasserverluste mit dem Stuhl

2.5.6 Oxidation als versteckte Form der Wasserzufuhr

2.5.7 Begriffe zu Konzentrationen in Körperflüssigkeiten

2.5.8 Flüssigkeitsumsatz in Abhängigkeit vom Entwicklungsalter

2.6 Liquorraum und Schrankenfunktionen – Liquorphysiologie

2.6.1 Blut-Hirn-Schranke und Blut-Liquor-Schranke

2.6.2 Transportmechanismen im Endothel und Plexusepithel

2.6.3 Liquorphysiologie

2.6.4 Liquorproteine und ihre Nachweisverfahren

2.6.5 Albuminquotient (Liquor/Serum)

2.6.6 Immunglobuline im Liquor

2.6.7 Laktat, Glukose, Aminosäuren und Neurotransmitter im Liquor

2.7 Membrantransportsysteme

2.7.1 Glukosetransporter

2.7.2 Kreatintransporter

2.7.3 Aminosäuretransporter

3 Chemische Grundlagen der Stoffwechselsubstrate

3.1 Aminosäuren

3.1.1 Klassifizierung von Aminosäuren

3.1.2 Eigenschaften ionisierter Aminosäuren

3.1.3 Gluko- und ketoplastische Aminosäuren

3.1.4 Vitamine als Koenzyme des Aminosäurestoffwechsels

3.1.5 Kurze Charakterisierung der einzelnen Aminosäuren

3.1.6 Spezialisierte Aminosäureabkömmlinge

3.1.7 Aminosäurekatabolismus und Schicksal der Aminogruppen

3.1.8 NH3-Entgiftung und Harnstoffsynthese

3.1.9 Regulation der Harnstoffsynthese

3.1.10 Alternative Wege der Ammoniakentgiftung

3.2 Organische Säuren

3.3 Proteine

3.3.1 Aufbau

3.3.2 Klassifizierung von Proteinen

3.3.3 Funktionen von Proteinen

3.3.4 Enzyme

3.3.5 Isoenzyme

3.3.6 Glutathion

3.4 Lipide

3.4.1 Fettsäuren

3.4.2 Triglyzeride

3.4.3 Eikosanoide

3.4.4 Ketonkörper

3.4.5 Cholesterin und Metabolite der Cholesterinsynthese

3.4.6 Cholesterinabkömmlinge

3.4.7 Lipidtransport mit Lipoproteinen als Verständnisgrundlage von angeborenen oder erworbenen Dyslipidämien

3.4.8 Phospholipide

3.4.9 Sphingolipide

3.5 Kohlenhydrate

3.5.1 Monosaccharide

3.5.2 Zuckeralkohole

3.5.3 Disaccharide und Oligosaccharide

3.5.4 Komplexe Kohlenhydrate (Polysaccharide)

3.6 Elektrolyte

3.6.1 Natrium

3.6.2 Kalium

3.6.3 Chlorid

3.6.4 Kalzium

3.6.5 Magnesium

3.6.6 Phosphor und Phosphat

3.7 Spurenelemente

3.7.1 Kupfer

3.7.2 Zink

3.7.3 Eisen

3.7.4 Selen

3.7.5 Jod

3.7.6 Molybdän

3.7.7 Mangan

3.7.8 Chrom

3.8 Vitamine

3.8.1 Wasserlösliche Vitamine

3.8.2 Fettlösliche Vitamine

3.9 Nukleoside und Nukleotide

3.9.1 Grundlagen des Pyrimidinstoffwechsels

3.9.2 Grundlagen des Purinstoffwechsels

4 Chemische Grundlagen der funktionalen Stoffwechselzusammenhänge

4.1 Glukoseaufnahme in das Zytosol

4.2 Glykogensynthese

4.3 Glykogenolyse

4.4 Glykolyse

4.5 Regulation der Glykolyse

4.6 Pyruvatdehydrogenase – Verbindung der Glykolyse mit dem Krebszyklus

4.7 Grundlagen zum Verständnis einer Hyperlaktatämie

4.8 Abläufe in Zyklen

4.8.1 Leerlaufzyklen

4.8.2 Cori-Zyklus

4.8.3 Glukose-Alanin-Zyklus

4.8.4 Pentosephosphat-Shunt

4.9 Glukoneogenese

4.10 Regulation des Substratflusses im Hungerstoffwechsel

4.11 Kreatinsynthese

4.12 Abläufe in den Mitochondrien und Grundlagen der Bioenergetik

4.12.1 Rolle von ATP im Energiestoffwechsel

4.12.2 Biologische Oxidation

4.12.3 Citratzyklus

4.12.4 Atmungskette

4.12.5 Carnitintransportsysteme

4.12.6 Reaktionen der β-Oxidation

4.13 Koordinierte Regulation von Fettsäuresynthese und β-Oxidation

4.14 Verknüpfungen zwischen Stoffwechselwegen

4.14.1 Verzweigungsstellen des Kohlenhydratstoffwechsels

4.14.2 Überkreuzungen zwischen Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel

4.14.3 Hormonelle Steuerung von Kohlenhydrat-, Lipid- und Proteinstoffwechsel

4.14.4 Möglichkeiten der Interkonversion energetischer Substrate

4.15 Säuren und Basen

4.15.1 Säure-Basen-Haushalt und Puffersysteme

4.15.2 Die wichtigsten biologischen Puffersysteme

5 Grundlagen bildgebender Verfahren bei metabolischen Erkrankungen

5.1 Radiologie

5.1.1 Klassische Röntgenaufnahmen

5.1.2 Computertomografie (CT)

5.1.3 Magnetresonanztomografie (MRT)

5.1.4 Positronen-Emissionstomografie

5.2 Spektroskopie

5.2.1 Magnetresonanzspektroskopie von Geweben

5.2.2 In-vitro-1H-NMR-Spektroskopie von Körperflüssigkeiten

6 Elektrophysiologische Funktionsuntersuchungen

6.1 Elektroenzephalogramm

6.1.1 Elektroenzephalogramm im Neugeborenenalter

6.1.2 Elektroenzephalogramm mit zunehmendem Alter

6.1.3 Epilepsietypische Wellen

6.2 Elektroneurografie

6.2.1 Motorische Nervenleitgeschwindigkeit

6.2.2 Sensible Nervenleitgeschwindigkeit

6.3 Elektrokardiografie

6.4 Elektromyografie

6.5 Elektroretinografie

7 Beurteilung der körperlichen Entwicklung

7.1 Auxologie des kindlichen Körpers

7.2 Röntgenaufnahme des Handskeletts zur Beurteilung des Entwicklungsalters

8 Methoden des metabolischen Labors

8.1 Gerüche und Farbreaktionen als diagnostische Hinweise

8.1.1 Geruchshinweise

8.1.2 Urinverfärbungen ohne chemische Zusätze

8.1.3 Diagnostische Farbreaktionen im Urin

8.2 Trennverfahren

8.2.1 Chromatografische Trennverfahren

8.2.2 Massenspektrometrische Trennverfahren

8.2.3 Elektrophoretische Trennverfahren

8.3 Nephelometrie und Turbidimetrie

8.3.1 Nephelometrie

8.3.2 Turbidimetrie

8.4 Immunoassays

9 Methoden der metabolischen Forschung

9.1 Pulse-Chase-Analyse

9.2 Komplementierungsanalyse

9.3 Isotopenmarkierungen

9.3.1 Radioaktive Isotope

9.3.2 Stabile Isotope

9.4 Glukose-Clamp-Technik

9.5 Kreatininausscheidung im Urin

9.6 Direkte und indirekte Kalorimetrie

9.6.1 Direkte Kalorimetrie

9.6.2 Indirekte Kalorimetrie

9.7 Bio-Impedanz-Analyse

9.8 In-vivo-Neutronenaktivierungsanalyse

9.9 Doppelröntgen-Absorptionsmessung (Dual-Energy-X-Ray-Absorption, DEXA)

9.10 Auftrennung der Zellbestandteile durch Zentrifugation

9.10.1 Fraktionierte oder Differenzialzentrifugation

9.10.2 Dichtegradientenzentrifugation

9.10.3 Trennung durch Immunabsorption

9.10.4 Analytische Ultrazentrifugation

9.11 Oxidativer Stress

9.11.1 Definition von oxidativem Stress

9.11.2 Quellen reaktiver Sauerstoffradikale

9.11.3 Nicht enzymatische oxidative Schutzmechanismen

9.11.4 Enzymatische oxidative Schutzmechanismen

9.11.5 Nachweismethoden von oxidativem Stress

9.12 Fourier-Transform-Infrarotspektrometrie (FTIR)

9.13 Röntgendiffraktometrie

9.14 Isotopenverdünnungsmethode

10 Molekulargenetik

10.1 Molekulargenetische Begriffe

10.1.1 Heterozygotenvorteil

10.1.2 Mendel’sche Formen der Vererbung

10.1.3 Nicht-Mendel-Vererbung

10.1.4 Private Mutation

10.1.5 Aufbau und Grundfunktion eines eukaryoten Gens

10.1.6 Ribonukleinsäure

10.1.7 Plasmide

10.1.8 Phagen

10.1.9 Compound-Heterozygotie

10.1.10 Klonieren

10.1.11 Primer

10.1.12 Operon

10.1.13 Operator

10.1.14 Promotor

10.1.15 Repressor

10.1.16 Rekombination

10.1.17 Restriktionsenzyme

10.1.18 Reverse Transkriptase

10.1.19 Schaukelvektor

10.1.20 Spleißen

10.1.21 Springende Gene

10.1.22 Sticky Ends

10.1.23 Contiguous Gene Syndrome

10.1.24 Terminator

10.1.25 Gründer-Effekt

10.1.26 Variable Number Tandem Repeats

10.1.27 Online Mendelian Inheritance in Man

10.1.28 Lyonisierung, Lyon-Hypothese

10.1.29 Haploinsuffizienz

10.1.30 Dominant negativer Effekt bei heterozygoten Anlageträgern

10.1.31 Kopplung

10.1.32 Kopplungsgleichgewicht

10.1.33 Kopplungsungleichgewicht

10.1.34 Kandidatengen

10.1.35 Loss of Heterozygosity

10.1.36 Transposon

10.1.37 Einzelnukleotidpolymorphismen

10.1.38 Small nuclear RNA

10.1.39 Mikrosatelliten

10.1.40 Morgan-Einheit

10.2 Gesetzliche Bestimmungen in der genetischen Diagnostik

10.3 Methoden der genetischen Erkrankungsvermeidung und Erkrankungserkennung

10.3.1 Frühzeitige Erkennung von Erkrankungsüberträgern

10.3.2 Präimplantationsdiagnostik

10.3.3 Pränataldiagnostik

10.3.4 Stoffwechselscreening

10.4 Molekulargenetische Methoden

10.4.1 Präparation genomischer Desoxyribonukleinsäure

10.4.2 Präparation von Ribonukleinsäure

10.4.3 Agarosegel-Elektrophorese

10.4.4 Polyacrylamidgel-Elektrophorese

10.4.5 Kapillarelektrophorese

10.4.6 Blot-Methoden

10.4.7 Polymerasekettenreaktion

10.4.8 Quantitative Echtzeit-Polymerasekettenreaktion

10.4.9 Restriktionsenzyme (Restriktionsendonukleasen)

10.4.10 Restriktionssegmentlängenpolymorphismus

10.4.11 Natriumdodecylsulfat-Polyacrylamidgelelektrophorese (SDS-PAGE)

10.4.12 Komplementierungsanalyse

10.4.13 Kopplungsanalyse

10.4.14 Mutationsanalyse

10.4.15 Array-based comparative genomic Hybridization (Array CGH)

10.4.16 Arrayer

10.4.17 Sequenzierung

10.4.18 Next Generation Sequencing

11 Histologische Färbemethoden bei metabolischen Fragestellungen

11.1 Grundlagen histologischer Techniken

11.1.1 Färbung mit Farbstoffen

11.1.2 Elektive Löslichkeit

11.1.3 Metallische Imprägnierung

11.1.4 Histochemische Reaktionen

11.2 Gewebe und ihre spezifischen Farbreaktionen

11.2.1 Allgemeine Struktur: Hämatoxylin und Eosin

11.2.2 Bindegewebe

11.2.3 Muskulatur

11.2.4 Nervengewebe

11.2.5 Lebergewebe

11.2.6 Kohlenhydrate und Schleimsubstanzen

11.2.7 Lipide

11.2.8 Eisen

11.2.9 Verkalkungen

11.3 Enzymhistochemie

11.3.1 Erhaltung der Enzymaktivität bei der Gewebeaufarbeitung

11.3.2 Histochemische Methodik

11.3.3 Diagnostische Anwendung histochemischer Reaktionen

12 Elektronenmikroskopie

12.1 Grundsätzlicher Aufbau und Typen von Elektronenmikroskopen

12.1.1 Transmissionselektronenmikroskopie

12.1.2 Rastertransmissionselektronenmikroskopie

12.2 Probenvorbereitung zur Elektronenmikroskopie

12.3 Charakteristische Elektronenmikroskop-Befunde bei metabolischen Erkrankungen

Teil II Metabolische Erkrankungen

13 Ethnische Gewichtung metabolischer Erkrankungen

13.1 Europa

13.2 Arabische Ethnie

13.3 Osteuropäische Ethnie der Aschkenasim-Juden

13.4 Südafrika

13.5 Asien

13.5.1 Japan

13.5.2 Indien

13.5.3 Türkei

13.6 Amerika

13.7 Australien

13.8 Ethnische Verteilung der Phenylketonurie

14 Diagnostischer Einstieg in metabolische Probleme des Kindesalters

14.1 Allgemeiner Aufbau einer metabolischen Diagnostik

14.2 Organbezogene Veränderungen als Leitsymptome metabolischer Erkrankungen

14.2.1 Auffälligkeiten am Zentralnervensystem

14.2.2 Symptome metabolischer Erkrankungen am Auge

14.2.3 Symptome metabolischer Erkrankungen an der Niere

14.2.4 Symptome metabolischer Erkrankungen am Skelett

14.2.5 Symptome metabolischer Erkrankungen an der Haut

14.2.6 Symptome metabolischer Erkrankungen an den Haaren

14.2.7 Symptome metabolischer Erkrankungen am Bindegewebe

14.2.8 Symptome metabolischer Erkrankungen am Darm

14.2.9 Symptome metabolischer Erkrankungen am Pankreas

14.2.10 Symptome metabolischer Erkrankungen an der Skelettmuskulatur

14.2.11 Symptome metabolischer Erkrankungen an der Herzmuskulatur

14.2.12 Symptome metabolischer Erkrankungen an der Lunge

14.2.13 Symptome metabolischer Erkrankungen an der Leber

14.2.14 Symptome metabolischer Erkrankungen der Lysosomen

14.2.15 Symptome metabolischer Erkrankungen des endoplasmatischen Retikulums

14.2.16 Symptome metabolischer Erkrankungen des Mitochondriums

14.2.17 Symptome metabolischer Erkrankungen der Peroxisomen

14.3 Substanzgruppen ohne eindeutigen Organbezug

14.3.1 Symptome bei Störungen des Phosphatstoffwechsels

14.3.2 Symptome bei Störungen des Stoffwechsels von Spurenelementen

14.3.3 Symptome bei Störungen des Stoffwechsels von Vitaminen

14.3.4 Symptome bei Störungen des Pyrimidinnukleotidstoffwechsels

14.3.5 Symptome bei Störungen des Purinnukleotidstoffwechsels

14.3.6 Symptome metabolischer Störungen des Lipid- und Lipoproteinstoffwechsels

14.3.7 Symptome bei Störungen des Porphyrinstoffwechsels

15 Exemplarische Symptome, ihre Verknüpfungen und sich daraus ergebende diagnostische Strategien

15.1 Sepsisartiges Krankheitsbild bei jungen Säuglingen

15.2 Auffälligkeiten der klinischen Chemie als hilfreiche diagnostische Hinweise

15.3 Hypoglykämie

15.3.1 Klinische Zeichen einer Hypoglykämie

15.3.2 Anamnese

15.3.3 Alter bei erstmaligem Auftreten einer Hypoglykämie

15.3.4 Hinweise durch die körperliche Untersuchung

15.3.5 Sinnvolle Verknüpfung von klinischen Merkmalen mit Labordiagnostik

15.4 Auffälligkeiten der Serumlipide

15.4.1 Gemischte Hyperlipidämien

15.4.2 Reine Hypercholesterinämien

15.4.3 Reine Hypertriglyzeridämien

15.5 Hyperammoniämie

15.5.1 Pathophysiologie und diagnostisches Vorgehen

15.5.2 Besondere Ursachen einer Hyperammoniämie

15.6 Ketonämie

15.6.1 Entstehung einer Ketonämie

15.6.2 Allgemeines zur Ketonämie bei Stoffwechselstörungen

15.6.3 Ketogenese-Defekte

15.6.4 Ketonkörperabbaustörungen, Ketolyse-Defekte

15.7 Störungen des Säure-Basen-Haushalts

15.7.1 Azidose

15.7.2 Alkalose

15.7.3 Störungen des Säure-Basen-Haushalts durch Veränderungen des extrazellulären Volumens

15.8 Gerinnungsstörungen

15.8.1 Verminderte Gerinnung (Blutungsneigung)

15.8.2 Vermehrte Gerinnung (Thromboseneigung)

15.9 Hepatomegalie, Hepatosplenomegalie und Splenomegalie

15.9.1 Hepato- und Hepatosplenomegalie

15.9.2 Splenomegalie ohne Hepatomegalie

15.10 Erhöhung der Lebertransaminasen und Entwicklung eines Leberversagens

15.11 Vergröberung der Gesichtszüge, Hernien und Kleinwuchs

15.12 Nierensteine

15.13 Ausscheidung einiger exemplarischer auffälliger organischer Säuren im Urin

15.13.1 3-Methylglutaconsäure

15.13.2 4-Hydroxybutyratazidurie

15.14 Pathologische Augenbefunde

15.14.1 Kirschroter Fleck der Makula

15.14.2 Optikusatrophie

15.14.3 Verfärbungen des Augapfels

15.14.4 Katarakt

15.15 Auffälligkeiten der Elektrolyte

15.15.1 Hyponatriämie

15.15.2 Hypernatriämie

15.15.3 Hyperchlorämie

15.15.4 Hypochlorämie

15.15.5 Hypokaliämie

15.15.6 Hyperkaliämie

15.15.7 Hypokalzämie

15.15.8 Hyperkalzämie

15.15.9 Hypomagnesiämie

15.15.10 Hypermagnesiämie

15.16 Rhabdomyolyse, Myoglobinurie

15.17 Hämatologische Symptome

15.17.1 Neutropenie

15.17.2 Abklärung und Differenzialdiagnose der Anämieformen

15.17.3 Hämolytische Anämien

15.17.4 Abklärung und Differenzialdiagnose der mikrozytären Anämie

15.17.5 Abklärung und Differenzialdiagnose der makrozytären Anämie

15.18 Neurologische Symptome

15.18.1 Differenzialdiagnose parkinsonartiger Bewegungsstörungen im frühen Kindesalter

15.18.2 Hypokinetisch-dystone, parkinsonartige Bewegungsstörung im späten Kindes- und Jugendalter

15.18.3 Krampfanfälle

15.18.4 Hyperekplexie

15.19 Hyperelastizität der Haut

15.20 Abklärung von Gallensteinen

15.21 Chronische Durchfälle

15.22 Diagnostische Verknüpfungen bei Hydrops fetalis

15.23 Hörstörungen

16 Grundsätze therapeutischer Strategien am Beispiel exemplarischer Erkrankungen

16.1 Ernährungsbezogene Strategien

16.1.1 Strategien mit der Elimination von Nährsubstraten

16.1.2 Glykogenosen

16.1.3 Störungen der Fettsäureoxidation

16.1.4 Supplementierung mit Vitaminen und anderen Mikronährstoffen

16.2 Exemplarische Strategien mit chemischen körpereigenen wie auch körperfremden Substanzen

16.2.1 Anaplerotische Therapie

16.2.2 Fremdstoffe mit Eingriff in den Intermediärstoffwechsel

16.3 Enzymersatztherapien

16.4 Knochenmark- und Stammzelltransplantation

Teil III Literatur

17 Literatur

Anschriften

Sachverzeichnis

Impressum

Teil I Grundlagen

1 Historische Einführung: Zur Entwicklung des metabolischen Denkens

2 Anatomische und funktionschemische Grundlagen der Stoffwechselorte

3 Chemische Grundlagen der Stoffwechselsubstrate

4 Chemische Grundlagen der funktionalen Stoffwechselzusammenhänge

5 Grundlagen bildgebender Verfahren bei metabolischen Erkrankungen

6 Elektrophysiologische Funktionsuntersuchungen

7 Beurteilung der körperlichen Entwicklung

8 Methoden des metabolischen Labors

9 Methoden der metabolischen Forschung

10 Molekulargenetik

11 Histologische Färbemethoden bei metabolischen Fragestellungen

12 Elektronenmikroskopie

1 Historische Einführung: Zur Entwicklung des metabolischen Denkens

„Der kindliche Körper lebt nämlich weit schneller, als der erwachsene Mensch, und wechselt die Bestandteile öfter, überdies braucht er die Nahrung nicht bloß zur Erhaltung.“

Christoph Wilhelm Hufeland: Makrobiotik oder die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern (1796)

1.1 Sammlung der Grundlagen

Metabolisches Denken beginnt mit der bewussten Betrachtung und Analyse von Produkten der Körperausscheidung, insbesondere von Urin und Atemluft. Die über Jahrhunderte geübte Urinschau, die besonders in der niederländischen Genremalerei des 17. Jahrhunderts dargestellt wurde, war bereits metabolisches Denken, das in der Zukunft jedoch noch durch eine klare Definition der Inhaltsstoffe spezifiziert werden musste. Um zu diesen Definitionen zu gelangen, musste ein langer Weg durchlaufen werden, der zunächst mit dem Erwerb chemischen Grundwissens begann, bevor dieses auf die Abläufe im Organismus übertragen werden konnte.

1.1.1 Frühe Welt der Gärung, Gase, Säuren und Basen

Nach Van Helmont wurde das weitere Denken stark von der sog. „iatrochemischen Schule“ geprägt, deren führender Vertreter der flämische Arzt Franciscus Sylvius de le Boë (1614–1672) war. Er versuchte, alle Körperfunktionen in Gesundheit und Krankheit durch chemische Reaktionen zu erklären. Sylvius verglich die Atmung mit der Verbrennung und sah in der Verdauung des Magens eine Form der chemischen Gärung. Er legte großen Wert auf die Unterscheidung von Säuren und Basen und bezeichnete beide als Grundprinzipien des menschlichen Körpers. Er unterschied beide durch den Geschmack; Säuren waren sauer und Basen bitter; überhaupt, in den Anfangszeiten der Chemie wurden offensichtlich alle zu prüfenden Substanzen entweder in den Mund genommen oder angezündet. 1669 überzeugte Franciscus Sylvius die Leitung der Universität Leiden davon, ein sog. „Laboratorium“ einzurichten. Dieses war das 1. chemische Labor an einer Universität, das auch zum Studentenunterricht herangezogen wurde.

Durch die Arbeiten des Arztes Johann Rudolf Glauber (1604–1670), aus Karlstadt am Main (Deutschland; in der Nähe von Würzburg), einem Zeitgenossen von van Helmont, wurden wesentliche Kenntnisse über Säuren und Salze und deren Zusammenhänge erhalten. Er mischte Kochsalz mit Schwefelsäure und produzierte damit Natriumsulfat („Glaubersalz“), das wir auch heute noch unter diesem Namen als absolut zuverlässiges Abführmittel verwenden. Die Wirkung war für die Menschen seiner Zeit so überwältigend und „wundersam“, dass Natriumsulfat auch Sal mirabile genannt wurde.

Otto Tacke (1620–1690) aus Herford in Deutschland, der entsprechend den Vorlieben der Zeit seinen Namen zu Tachenius latinisierte, erkannte, dass Salze das Reaktionsprodukt einer Säure mit einer Base sind. Er veröffentlichte diese Ansicht 1666 in seinem bekanntesten Buch: „Hippocrates Chimicus“.

Die in diesem Zusammenhang wohl wichtigste Arbeit wurde von Robert Boyle (1627–1691), einem reichen Engländer dessen Begeisterung für die Wissenschaft zur Gründung der Royal Society führte, geleistet. 1662 hatte er unter Mithilfe von Robert Hooke (1635–1703) Experimente mit einer Luftpumpe ausgeführt, die zum Gesetz der Beziehung zwischen Gasdruck und Gasvolumen führte, das Boyles Namen trägt. Robert Boyle wird auch die 1. Verwendung des Begriffs „Analyse“ in unserem modernen Sinne zugeschrieben.

1.1.2 Am Anfang war das Feuer

Sanctorio (1561–1636), Professor in Padua, führte in seinem Buch: „La medicina statica“ ( ▶ Abb. 1.1) aus, dass das Gewicht der zugeführten Nahrung größer sei als das von Urin und Stuhl. Außerdem bemerkte er, dass sein Gewicht während der Verdauung abnahm und geringer wurde, als sein Anfangsgewicht plus Gewicht der aufgenommenen Nahrung waren. Ein wägbarer Stoff musste also unsichtbar den Körper verlassen haben. Sanctorio sprach von einer Emanatio insensibilis und war damit möglicherweise der Erstbeschreiber der Perspiratio insensibilis. Außer durch Wägung wurden im 17. Jahrhundert die meisten Erkenntnisse durch die Analyse von Verbrennungsvorgängen gewonnen. Es wurde schnell erkannt, dass bei der Verbrennung „etwas“ aus der Luft aufgenommen und „anderes“ in diese abgegeben wurde. Es wurde postuliert, dass alle brennbaren Substrate etwas enthalten, das die Verbrennung ermöglicht. Dieses „Etwas“ wurde „Phlogiston“ genannt.

La medicina statica

Abb. 1.1 (1612) von Santorio, 1611–1624, Professor der theoretischen Medizin in Padua. Darstellung der „metabolischen“ Körperwaage. (Foto des Autors)

Die Phlogistontheorie wurde durch Johann Joachim Becher (1635–1682) und seinen Schüler Georg Ernst Stahl (1660–1734) eingeführt (Physicae subterraneae, 1667). Verbrennung geht entsprechend dieser Theorie mit dem Verlust von „Phlogiston“ einher.

Die intensive Suche nach dem Phlogiston im 18. Jahrhundert war jedoch nicht ohne Erfolg; es wurden dabei die Gase Wasserstoff (Cavendish), Sauerstoff (Priestley, Lavoisier, Scheele) und Stickstoff (Rutherford) entdeckt.

Der Ausdruck „oxygine“ für Sauerstoff wurde von Antoine de Lavoisier (1743–1794) erstmals in einer Aufzeichnung vom 5. September 1777 verwendet, die von der Natur der Säuren handelte. Der Ausdruck wurde aus dem Griechischen abgeleitet und bedeutet „Säurebildner“. Lavoisier hatte die irrige Ansicht, dass der Säurecharakter durch die Anwesenheit von Sauerstoff gegeben ist, d.h., dass alle Säuren Sauerstoff enthalten.

Bei der Verbrennung von Wasserstoff hatte bis 1777 niemand bemerkt, dass dabei Wasser entsteht. Dies sah zuerst Pierre-Joseph Macquer (1718–1784), als er 1777 eine Porzellanschale über die Wasserstoffflamme hielt und an der Wand Wasserniederschlag zu bemerkend war. Gleiches wurde 1781 von Joseph Priestley (1733–1804) festgestellt. 1783 publizierte Henry Cavendish (1731–1810) die Ergebnisse seiner Experimente, die bewiesen, dass bei der Verbrennung von „inflammable air“ (H2) in Priestley‘s „dephlogisted air“ (O2) Wasser entsteht.

Die Zeitperiode von 1770–1800 kann mit ihren chemischen Erkenntnissen als für die Chemie revolutionär angesehen werden. In dem etwas erweiterten Zeitraum von 1750 bis ~1860 ist die Chemie zu einer eigenständigen Wissenschaft gereift und ist damit zu einem wertvollen Partner bei medizinischen Fragestellungen geworden. Lavoisier kam in dieser chemischen Revolution am Ende des 18. Jahrhunderts die zentrale Rolle zu. Leider wurde seiner Karriere als Chemiker in der französischen Revolution ein vorzeitiges Ende gesetzt; wegen seiner Nebentätigkeit als Steuereinnehmer des Königs wurde er am 8. Mai 1794 mit der Guillotine hingerichtet.

Um 1800 waren die Grundsubstrate der metabolischen Verbrennungsreaktionen des Körpers bekannt, die dann in Form der Kalorimetrie und der Berechnung des respiratorischen Quotienten (RQ), also des Verhältnisses von verbrauchtem Sauerstoff zu produziertem Kohlendioxid, wertvolles Wissen über den Energiehaushalt des Körpers und seine Verknüpfung mit der Ernährung liefern sollten. Untersuchungen zum Energiestoffwechsel, die in unseren Tagen durch die Kenntnisse zum Stoffwechsel der Mitochondrien aktualisiert sind, stellen somit bereits vor 1800 den Beginn des modernen metabolischen Denkens dar.

Die grundlegende Arbeit zur Kalorimetrieschrieb 1779 Adair Crawford (1748–1794) in England mit dem Buch: „Experiments and Observations on Animal Heat“. Er war ein Zeitgenosse von Lavoisier. Er konstruierte ein Wasserkalorimeter, mit dem er die Wärmeproduktion bei der Verbrennung von Wachs bzw. Holzkohle mit der bei einem Meerschweinchen verglich. Er folgerte, dass in moderner Diktion, beim Meerschweinchen Sauerstoff in Kohlendioxid und Wasser und bei der Verbrennung von Holzkohle nur in Kohlendioxid umgewandelt wird.

Auch Lavoisier und LaPlace haben zwischen 1779 und 1784 ein Eiskalorimeter entwickelt, mit dem die bei der Atmung und Verbrennung freigesetzte Wärme gemessen werden konnte. Ihre Entwicklung gründete auf der des 1761 von Joseph Black (1728–1799) in Schottland entwickelten „Carlorimeters“, das im Prinzip lediglich aus einem ausgehöhlten Eisblock bestand. Am Ende der von Lavoisier und LaPlace gemachten Versuche stand die Feststellung, dass „Atmung“ eine Form von „Verbrennung“ ist.

Mit dem zunehmenden Aufkommen eines Konzepts der Energiebildung in den 1840er-Jahren entstand neues Interesse bezüglich der Wärmebildung bei lebenden Tieren.

1.1.3 Inhaltsstoffe des Harns

Bereits vor dem 19. Jahrhundert wurde durch die systematische Untersuchung des Urins Harnstoff gefunden. Er war erstmals um 1773 von Herman Boerhaave (1668–1738) an der Universität Leiden isoliert worden. Durch Kristallisation wurde eine salzartige Substanz dargestellt, die sich jedoch vom „Seesalz“ (NaCl) unterschied.

Harnsäure wurde 1776 erstmals von Carl Wilhelm Scheele (1742–1786), dem deutschen Chemiker in schwedischen Diensten, aus einem Harnstein isoliert. Er wies diese Substanz auch im Urin nach und behauptete, dass alle im Harn vorhandenen Konkremente aus dieser Substanz bestünden. 1799 wurde sie von Antoine François de Fourcroy (1755–1809) und Louis-Nicolas Vauquelin (1763–1829), wie auch noch heute, als „Acide Urique“ bezeichnet. Beide analysierten Hunderte von Harnsteinen und klassifizierten sie nach ihrer chemischen Zusammensetzung. Sie unterschieden dabei Harnsäure, Ammoniumurat, Kalziumphosphat, Ammoniummagnesiumphosphat und Kalziumoxalat. Ca. ⅓ der Steine waren dabei Uratkonkremente.

Als ein Jahrhundertereignis muss in diesem Zusammenhang die Harnstoffsynthese durch Wöhler hervorgehoben werden. Der Berliner Chemielehrer Friedrich Wöhler (1800–1882) erhitzte 1828 2 anorganische Stoffe (Kaliumzyanat und Ammoniumsulfat) und erhielt Harnstoff, der bis dahin nur im Urin von Tieren und Menschen gefunden worden war. Wöhler hatte über einige Jahre Zyanverbindungen studiert. Bei dem Versuch der Synthese von Ammoniumzyanat erhielt er plötzlich Harnstoff. Er hatte Silberzyanat mit einer Ammoniumchloridlösung behandelt und weißes kristallines Material erhalten, das jedoch keinerlei Eigenschaft einer Zyanverbindung hatte. Durch die Behandlung von Bleizyanat mit Ammoniumhydroxid erhielt er nach der Abtrennung von Bleioxid weiße Kristalle ohne Verunreinigungen. Die Kristalle hatten organische Eigenschaften und Wöhler hielt sie für ein Alkaloid; jedoch die für Alkaloide typischen Reaktionen waren negativ, aber sie verhielten sich wie Harnstoff, der u.a. von Joseph Louis Proust (1754–1826) und William Prout (1785–1850) bereits beschrieben worden war. Wöhler schrieb am 22. Februar 1828 voller Freude an seinen ehemaligen Lehrer Berzelius in Schweden: „Ich muss Ihnen erzählen, dass ich Harnstoff ohne Hilfe der Niere eines Menschen oder eines Hundes herstellen kann. Ammoniumcyanat ist Harnstoff“. Diese Aussagen zeigen auch, wie diffus und wenig exakt die chemischen Vorstellungen jener Zeit waren.

1.1.4 Erste Farbreaktionen zur Erkennung von Säuren oder Laugen

Das Werk Boyles „Experimenta et considerationes de coloribus“ (1663) stellt in hervorragender Weise das chemische Wissen der Zeit dar. Seine einzigen analytischen Werkzeuge waren: Flammenfärbung, Spot-Tests, Rauch, Niederschläge, spezifisches Gewicht, die Wirkung von Lösungsmitteln und nicht zuletzt der Geschmack unbekannter Substanzen. Seine Beschreibung von Farbindikatoren wie Veilchensirup, Kornblumensaft und Lackmus führten zur Erkennung verschiedener saurer bzw. alkalischer Substanzen. Es war bereits länger bekannt, dass Säuren Veilchenextrakt rot färben, aber Boyle selbst behauptete, der Erste mit der anderen Feststellung gewesen zu sein, dass Basen Veilchenextrakt grün färben. Diese Farbreaktionen stellten die Grundlage auch quantitativer Messungen dar. 1776 verwendete der englische Arzt und Chemiker William Lewis (1708–1781) in Lackmuslösung getränktes Löschpapier, um die absoluten Gehalte an Pottasche (KOH) zu bestimmen. Lackmus ist der natürliche Farbstoff von Roccella (Lichen Roccella).

1792 benutzte George Fordyce (1736–1802) Veilchensaft zur Titration von Säuren. 1822 schrieb Christian Heinrich Pfaff (1773–1852) in seinem „Handbuch der analytischen Chemie“ von 11 Indikatoren, z.B. Lackmus, Fernambuk, Kurkuma und Rotkohl. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kamen die ersten synthetischen Farbstoffe auf den Markt, die sich als geeignete Säure-Base-Indikatoren erwiesen, da sich ihr Farbumschlag gegenüber jenem einer natürlichen Farbe schärfer darstellen ließ. So insbesondere das 1877 durch Emil Luck eingeführte Phenolphthalein, 1878 durch Georg Lunge (1839–1923) Methylorange sowie 1908 durch E. Rupp und R. Loose das Methylrot. 1915 schließlich entdeckte der tschechische Chemiker Josef Knop (1885–1964) das Diphenylamin, den ersten brauchbaren Redoxindikator.

Merke

Diese Farbindikatoren waren bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die einzige Möglichkeit der Endpunktbestimmung einer Titration.

1.2 Der lange Weg zum Verständnis der Grundnährstoffe

1.2.1 Anfänge der Kohlenhydratchemie

1811 beobachtete Gottlieb Sigismund Constantin Kirchhoff (1764–1833), Apotheker am Hof des Zaren in St. Petersburg, dass nach dem Erhitzen von Stärke mit Schwefelsäure ein Sirup entsteht, aus dem Glukose isoliert werden konnte. Durch die wirtschaftliche Absperrung des europäischen Festlands von Großbritannien (Kontinentalsperre) 1806 durch Napoleon wurde der „westindische“ Rohrzucker vom europäischen Markt ferngehalten und 1811 in Frankreich sogar verboten; es setzten verstärkte Anstrengungen der Rübenzuckerherstellung ein. Zucker war somit auch für die experimentierenden Chemiker von zentralem Interesse.

1819 fand Henri Braconnot (1781–1855), Professor und Direktor der botanischen Gärten in Nancy, dass auch bei der Einwirkung von Schwefelsäure auf altes Leinen (Zellulose) Glukose nachweisbar wird. Während der nächsten Jahre erhielt er bei der entsprechenden Verdauung von Leim süß schmeckende Kristalle. Er nannte diese „Glycocoll“ (Glyzin), und stellte später noch fest, dass sie Stickstoff enthielten.

Analysen von Joseph Louis Gay-Lussac (1778–1850) und Louis Jacques Thénard (1777–1857) ergaben, dass Zucker, Stärke und Zellulose Wasserstoff und Sauerstoff zu gleichen Anteilen, wie in Wasser enthielten. Diese Verbindungen wurden 1827 von William Prout (1785–1850) als „Saccharine“ zusammengefasst. Erst 1844 jedoch wurde von Carl Schmidt (1822–1894) erstmals die Bezeichnung „Kohlenhydrate“ gebraucht. Andere Verbindungen wurden entweder der „öligen“ oder der „albuminären“ Klasse zugeordnet.

Erst in den 3 letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts erhielten die Kohlenhydrate wieder verstärkte Aufmerksamkeit. Zu Beginn dieser Zeit waren die einfachen Zucker Glukose, Fruktose, Galaktose und Sorbose bekannt. Saccharose war ein kommerziell verfügbarer Zucker, der zu Fruktose und Glukose hydrolysiert werden konnte. Erst 1871 jedoch wurde seine Struktur als Disaccharid von Rudolf Fittig (1835–1910) vorgeschlagen. Gleichfalls war Laktose als Zucker der Milch geläufig und es war bekannt, dass er in Galaktose und Glukose gespalten werden konnte. 1886 gewann Friedrich Koch den Pentosezucker Xylose aus hydrolysiertem Holz. 1890 isolierten Emil Fischer und sein Doktorand Rudolf Stahel aus Buchenholzspänen ebenfalls Xylose und publizierten ihre Entdeckung 1891 in den „Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft“ unter dem Titel: „Zur Kenntnis der Xylose“. Etwa zur gleichen Zeit isolierte der französische Chemiker Maurice G. Bertrand aus Weizen- und Haferhalmen eine Art Xylitsirup.

1891, also lange bevor seine Existenz als Bestandteil der Ribonukleinsäure (RNA) bekannt war, synthetisierte Emil Fischer (1852–1919) die Riboseaus theoretischem Interesse, um seine Zuckersystematik zu komplettieren. Im Gegensatz zu den anderen 3 Pentosen (Arabinose, Lyxose und Xylose) war ihm noch keine natürliche Ribosequelle bekannt. Die Synthese gelang ihm aus Arabinose, aus der er auch den Namen Ribose ableitete, um ein Beispiel für eine mögliche Zuckernomenklatur zu geben. Erst nach langwierigen Forschungsarbeiten konnte die genaue Struktur der Zucker vor allem ab 1891 durch Fischer und seine Schüler geklärt werden.

1875 hatte Fischer Phenylhydrazin entdeckt, welches mit einfachen Zuckern reagiert und kristallisierbare Verbindungen bildet, die getrennt werden können und somit eine Darstellung unterschiedlicher Zucker möglich macht. Zwischen 1883 und 1894 hatte er die Strukturformeln der meisten Zucker dargestellt. Als er jedoch gegen Phenylhydrazin eine Überempfindlichkeit mit chronischen Ekzemen entwickelte, war er gezwungen, sich von der Zuckerchemie abzuwenden. Fortan beschäftigte er sich hauptsächlich mit der Chemie der Proteine. Seine erfolgreiche Arbeit wurde 1902 mit dem Nobelpreis für Chemie belohnt.

1.2.2 Diabetes mellitus als Quelle der Erkenntnisse zum Zuckerstoffwechsel

Die Polyurie bei Diabetes mellitus war seit ältesten Zeiten bekannt. Über die Glukosurie wurde dagegen erst im späten 17. Jahrhundert und über die Hyperglykämie im frühen 19. Jahrhundert berichtet. Bis zur Entwicklung einer verlässlichen Blutzuckerbestimmungsmethode sollte es noch bis 1915 dauern.

1776, mehr als 100 Jahre nach Thomas Willis (1621–1673), wies Matthew Dobson (1735–1784) aus Liverpool im Urin von Diabetikern Geruch und Geschmack nach „braunem Zucker“ nach. 1780 wies Francis Home (1719–1813) aus Edinburgh Zucker im Urin von Diabetikern durch Reaktion mit Hefe (Gärung) nach. Dieser Fermentationstest war zweifellos die 1. enzymatische Nachweismethode in der klinischen Chemie. Diese Hefe-Methode verwendete 1835 auch der italienische Chemiker Felice Ambrosioni (1790–1843), um damit erstmals Zucker im Blut von Diabetikern nachzuweisen.

Traubenzucker im Urin wurde vor allem mit einer alkalischen (Pottasche) Kupfersulfatlösung nachgewiesen, die 1841 von Carl August Trommer (1806–1879) entwickelt worden war. Das entstehende rote Kupferoxid (Cu2O) ist der Nachweis für Traubenzucker.

1848 etablierte Hermann von Fehling (1812–1885) eine Modifikation dieser Methode in seiner Arbeit „Quantitative Bestimmung des Zuckers im Harn“. Hierdurch konnte eine quantitative Beziehung zwischen Zucker und präzipitiertem Kupfer hergestellt werden. Diese Glukosenachweismethode wurde bis in die 1980er-Jahre im klinischen Alltag verwendet. (Clinitest®)

1846 hatte François Magendie (1783–1855) in Frankreich die Anwesenheit von Zucker im Blut von Kaninchen und Hunden nachgewiesen. Es war vor allem Claude Bernard (1813–1878), der entdeckte, dass Zucker ein normaler Inhaltsstoff des Blutes war, unabhängig davon, welche Nahrung gegeben wurde oder auch wenn keinerlei Nahrung zugeführt worden war. Claude Bernard war über Umwege zu seinem biochemischen Engagement gekommen. Als junger Mann hatte er literarische Ambitionen gehabt. Er schrieb sogar eine durchaus erfolgreiche Komödie. Im Bestreben einer literarischen Karriere ging er nach Paris und bekam dort Kontakt zu einem Literaturkritiker, der die Risiken eines Lebens als Schriftsteller kannte und ihm wegen seiner Vorbildung als Apothekerlehrling in Lyon empfahl, Medizin zu studieren. Während seines Medizinstudiums assistierte er Magendie, dem bedeutendsten experimentellen Physiologen seiner Zeit, der ihn wesentlich prägte. Von 1844–1849 arbeitete Bernard im Labor des Chemikers Théophile-Jules Pelouze (1808–1867). Als Ergebnis seiner Arbeit berichtete Claude Bernard im August 1848 der Académie des Sciences in Paris von seinem Zuckernachweis in Lebergewebe. 1855 entdeckte Bernard bei Leberperfusionsexperimenten, dass dieses Organ Nahrungseiweiß in eine „stärkeartige Substanz“ verwandelt, aus der sie Zucker machen kann. Zwei Jahre später konnte er diese Substanz in reiner Form isolieren; er nannte sie „Glykogen“, weil er darin die Quelle des Blutzuckers sah.

Ein richtiggehender Durchbruch im Intermediärstoffwechsel der Glukose erfolgte durch die Aufklärung der Glykolyse. Untersuchungen über den Abbau von Zucker gehen weit ins 19. Jahrhundert zurück und begannen ursprünglich mit der Erforschung der alkoholischen Gärung und später der Milchsäuregärung. Bei diesen Gärungen sind die Reaktionsschritte bis zur Bildung von Pyruvat identisch. Dem Abbau von Zuckern widmete sich ab 1857 auch Louis Pasteur (1822–1895) in Frankreich. Er beobachtete dabei, dass bei der durch Hefe induzierten Gärung der Verbrauch von Glukose unter anaeroben Bedingungen höher ist, als wenn den Hefen Sauerstoff zur Verfügung steht. Diese Beobachtungen bezeichnen wir heute als „Pasteur-Effekt“. Die Aufklärung der einzelnen Schritte der Glykolyse gelang ab Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem durch die Arbeiten der englischen Chemiker Arthur Harden (1865–1940) und dessen Schüler William John Young (1878–1942). Sie entdeckten, dass die Gärungsreaktionen bei Zugabe von Phosphat schneller ablaufen. Es gelang ihnen, Fruktose-1,6-bisphosphat als ein Zwischenprodukt der Glykolyse zu isolieren. Diese Verbindung trägt immer noch den Namen Harden-Young-Ester.

In Deutschland waren es im Grunde 3 Arbeitsgruppen, die dann bis 1929 den Mechanismus der Glykolyse aufklären konnten. Dies war die Arbeitsgruppe um Gustav Embden (1874–1933) in Frankfurt, die um Otto Fritz Meyerhof (1884–1951) in Heidelberg und die um Jakub Karol Parnas (1884–1949) in Lviv/Polen. Der in Hamburg geborene Gustav Embden, ein Großneffe von Heinrich Heine, war ab 1904 Direktor des chemischen Laboratoriums am Städtischen Krankenhaus in Frankfurt-Sachsenhausen, aus dem 1914 das Institut für vegetative Physiologie der neugegründeten Universität hervorging. Er arbeitete vor allem über den Muskelstoffwechsel von Kohlenhydraten. Otto Fritz Meyerhof promovierte 1909 bei Franz Nissl, dem Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg und begann sich während seiner Tätigkeit als Assistent an der Medizinischen Klinik von Ludolf Krehl bei Otto Warburg für die biochemische Erforschung des Muskelstoffwechsels zu interessieren. Otto Warburg wurde später für seine Erkenntnisse zum Glukosestoffwechsel von Krebszellen berühmt. Meyerhof entwickelte die Theorie zum anaeroben Stoffwechsel der Muskulatur, zum Verhältnis von Sauerstoffverbrauch und Milchsäureoxidation. Er erhielt für seine Arbeiten 1922 den Nobelpreis für Medizin. 1924 wurde ihm die Leitung der Abteilung für Physiologie am Kaiser-Wilhelm-Institut für Biochemie in Berlin übertragen. Bald darauf stellte er den frisch in Göttingen promovierten Chemiker Karl Lohmann (1898–1978) ein.

Karl Lohmanns praktisches Geschick erwies sich als hervorragende Ergänzung zur theoretisch-philosophischen Begabung Meyerhofs. Beide Wissenschaftler erkannten, dass eine Muskelkontraktion erst durch die Abspaltung eines Phosphatrests ermöglicht wurde. Karl Lohmann isolierte 1929 den Stoff, aus dem Phosphat freigesetzt wurde. Er veröffentlichte seine Erkenntnis unter dem nüchternen Titel „Pyrophosphatfraktion im Muskel“ im August 1929 in der Zeitschrift Naturwissenschaften. Es war die Entdeckung des universellen biologischen Energieträgers Adenosintriphosphat (ATP). Das wichtige physiologische Konzept der Phosphatgruppenübertragung hat auch beim Abbau von Glukose größte Bedeutung. Otto Meyerhof und Karl Lohmann siedelten 1930 in das frisch gegründete Kaiser-Wilhelm-Institut für medizinische Forschung nach Heidelberg um. Sie konzentrierten sich mit ihrer Arbeit auf die Aufklärung der Phosphatübertragungsreaktionen im Rahmen des Zuckerabbaus. Sie entdeckten 6 der daran beteiligten 15 Enzyme und etwa ⅓ aller dabei entstehenden Zwischenprodukte.

Jakub Karol Parnas, der in Berlin und Straßburg Chemie studiert hatte, baute zunächst in Warschau das Institut für physiologische Chemie der Universität auf und war ab 1920 Direktor des Instituts für Medizinische Chemie der Universität Lviv. Dort arbeitete er mit seinem Team an biologischen Phosphorylierungsreaktionen. Er gehörte zu den ersten, die zur Klärung dieser Vorgänge radioaktiv markierten Phosphor einsetzten. Im Zweiten Weltkrieg wurde er in die Sowjetunion verbracht, wo ihm jedoch zunächst nach einem Treffen mit Stalin ein eigenes Labor eingerichtet wurde. Er wurde auch in die Akademie der Wissenschaften der UdSSR aufgenommen. Trotz seiner Leistungen und seiner Popularität wurde er im Januar 1949 verhaftet. Es wurde ihm Spionage für den Westen vorgeworfen. Er verstarb nach einem Verhör durch den KGB in dem berüchtigten Lubjanka-Gefängnis in Moskau.

Merke

Embden, Meyerhof und Parnas haben wesentlich zur Klärung der Glykolyse beigetragen. In Würdigung ihrer Arbeit wird die Glykolyse auch der Embden-Meyerhof-Parnas-Weg genannt.

Zur Klärung der metabolischen Beziehungen zwischen Glukose und Laktat haben ganz wesentlich Gerty (1896–1957) und Carl Cori (1896–1984) beigetragen. Das Ehepaar Cori stammte aus Prag. Carl Cori jedoch war in Triest aufgewachsen, wo sein Vater eine meeresbiologische Station leitete. Nach dem Ersten Weltkrieg waren beide in die USA ausgewandert, deren Staatsbürgerschaft sie 1928 erhielten. Die wesentlichen Arbeiten zum Zuckerstoffwechsel, die 1947 mit dem Nobelpreis honoriert wurden, hatten sie in St. Louis (Missouri) gemacht. Um herauszufinden, wie Glykogen wieder zu Glukose wird, arbeiteten sie mit Zellkulturen von Fröschen. Sie bewiesen, dass über einen Zwischenschritt die Bildung von Glucose-1-phosphat stattfand. Glucose-1-phosphat erhielt daher die Bezeichnung Cori-Ester.

Merke

Ihre wesentliche Leistung war, aufzuzeigen, dass zwischen der in der Muskulatur gebildeten Milchsäure und der in der Leber gebildeten Glukose ein „Kreislauf“ stattfindet (Cori-Zyklus, Kap. ▶ 4.8.2).

1.2.3 Anfänge der Fettchemie

Die ersten Anfänge gehen auf den bereits angesprochenen Otto Tachenius (vormals Tacke) zurück, der u.a. den Säureanteil in Ölen und Fetten entdeckte. Die größten Beiträge zur Chemie der Fette wurden von Michel Eugène Chevreul (1786–1889) geleistet. Er war im Labor von Louis-Nicolas Vauquelin ausgebildet worden und war dann in dessen Nachfolge 30 Jahre lang Professor am Naturhistorischen Museum des Jardin des Plantes in Paris. Seine wichtigste Publikation war 1823 das Buch: „Recherche chimique sur les corps gras d‘origine animale“. Chevreul führte den grundlegenden Nachweis, dass Fett durch Alkali in Seife und Glycerol umgewandelt wird und dass wiederum Seife durch Zugabe einer Mineralsäure in ein unlösliches „saueres Material“ umgewandelt wird. Fett musste daher nach seiner Erkenntnis aus „saurem Material“ und Glycerol bestehen. Glycerol nannte Chevreul „glycérine“. Bei seinen frühen Analysen von aus Speck hergestellten Kaliumseifen erhielt er eine saure Substanz, die perlmuttartig aussah und die er „Margaric Acid“ nannte. Aus der zurückgebliebenen Flüssigkeit isolierte er eine ölige Säure und nannte sie „Ölsäure“. Chevreul isolierte Stearin und Olein als Glyceride. Er untersuchte systematisch die Seifenbildung und die entstehenden Säuren aus verschiedenen tierischen Fetten. So isolierte er Buttersäure aus Butterfett, Capronsäure aus Ziegenfett und „Phocenic Acid“ aus dem Fett von Delfinen und Tümmlern.

Merke

Die durch diese Arbeiten gebildete Vorstellung von Fett wurde einige Jahrzehnte später durch die von Marcelin Berthelot (1827–1907) durchgeführte Triglyzeridsynthese aus Fettsäuren und Glycerol bestätigt. Chevreuls Untersuchungen waren vor allem für die Seifen- als auch für die Kerzenherstellung von Bedeutung.

1.2.4 Anfänge der Eiweißchemie

Gerardus Johannes Mulder (1802–1880), damals Professor der Chemie in Utrecht, hatte durch „Verbrennungsanalyse“ dargelegt, dass Albumin, Fibrin und Casein die gleiche Grundzusammensetzung, nämlich C40H62N10O12 haben; diese Grundeinheit nannte er „Protein“. Als Mulder 1840 seine „Proteinhypothese“ vortrug, begann sich auch Justus Liebig (1809–1873) dafür zu interessieren. In seinem Labor erfolgten dann weiterführende systematische Arbeiten, durch welche der Proteinbegriff neu gefasst und auch einige Aminosäuren erstmalig dargestellt wurden. Er entdeckte das dem tierischen Eiweiß entsprechende Protein in Pflanzen und er schloss daraus, dass der tierische Organismus präformiertes Eiweiß aus Pflanzen aufnimmt. Den Um- und Abbau des Körpereiweißes nannte Liebig „Stoffwechsel“. Er war davon überzeugt, dass man durch die Messung der Harnstoffbildung direkten Einblick in die Dynamik des Gewebestoffwechsels bekommen könnte. Liebigs theoretisches Konzept der „tierischen Chemie“ war der Beginn der Stoffwechselforschung durch Fütterungsexperimente, die in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts einen ersten Höhepunkt erlebte. Nachdem in den 1850er-Jahren von dem Engländer Rothamsted in Fütterungsversuchen gezeigt wurde, dass Eiweiße für die Ernährung eine unterschiedliche Wertigkeit besitzen, entwickelte 1860 Carl von Voit (1891–1908) das Prinzip der Stickstoffbilanz.

Die Analyse von Eiweißen führte zur Definition der Aminosäuren. Die Grundlage der Methodik war zunächst sehr uniform; Eiweiße wurden in Säuren gekocht und die daraus entstandenen Zersetzungsprodukte durch Kristallisation dargestellt. Die Beschreibung der einzelnen Aminosäuren erfolgte über den Zeitraum von 1810–1922. Vor 1900 waren 12 Aminosäuren bekannt. Cystein war dabei die 1. Aminosäure, die 1810 von William Hyde Wollaston (1766–1828) aus einem Blasenstein isoliert worden war. Der Name Cystein erschien 1832 erstmals in „Berzelius‘ Jahresbericht“ und unterstreicht die Herkunft aus der Harnblase. Methionin war die letzte Aminosäure, die 1922 von John Howard Mueller (1981–1954) an der Columbia University New York aus Casein isoliert wurde.

Leucin wurde 1819 von Proust als Gärungsprodukt des Käses und 1 Jahr später von Henri Braconnot (1781–1855) aus Muskelfasern und Wolle isoliert. Da die erhaltenen Kristalle auffällig weiß waren, nannte er sie nach dem griechischen Wort λευκοσ („weiß“) Leucin. Zu dieser Zeit, 1819, isolierte Braconnot, wie bereits erwähnt, Glyzin aus Gelatine, obwohl er vor allem mit der sauren Hydrolyse „zuckerhaltiger“ Substanzen befasst war. Er hatte Zucker nach saurer Hydrolyse von Holz, Baumrinde, Stroh und Hanf erhalten. Braconnot hatte Gelatine über 5 h in Schwefelsäure gekocht, danach die Säure mit Kalziumkarbonat neutralisiert, gefiltert und zu einem Sirup evaporiert. Nachdem dieser 1 Monat gestanden hatte, hatten sich an der Wand des Glasgefäßes Kristalle ausgebildet, die einen süßen Geschmack hatten. Braconnot nannte die Substanz „sucre de gélatine“.

1838 isolierte Mulder Leucin und Glyzin durch alkalische Hydrolyse aus Gelatine und Fleisch. Die korrekte Zusammensetzung von Glyzin wurde 1846 von Horsford, einem Schüler von Liebig in Gießen angegeben, der auch den Namen Glykocoll vorschlug. Da es sich trotz des süßen Geschmacks jedoch um keinen Zucker handelte, der vergoren werden konnte, schlug 1848 Berzelius den Namen „Glyzin“ vor. Seine Struktur wurde von Auguste Cahours (1813–1891) aufgeklärt, der Glyzin aus Chloressigsäure und Ammoniak und nachfolgender Behandlung mit Salpetersäure erhalten hatte. Cahours sprach 1858 davon, dass die Aminosäuren Glyzin, Alanin und Leucin in einer Beziehung zu Essigsäure, Propionsäure und Capronsäure stehen. Die verzweigte Struktur von Leucin wurde jedoch erst 1891 erkannt.

Die Namen anderer Aminosäuren wurden aus dem Namen der extrahierten Substanz abgeleitet, z.B. Asparagin (Louis-Nicolas Vauquelin und Pierre-Jean Robinet; 1806), Asparaginsäure (1827) aus Spargelsaft (asparagus), Glutaminsäure (Ritthausen; 1866) aus Gluten oder Tyrosin (1846; Justus Liebig) aus Käse (gr. τνροσ). Häufig spielte der Zufall eine Rolle, was an die Entdeckung des Penicillins erinnert, bei der eine gewisse Nachlässigkeit und eine scharfsinnige Schlussfolgerung entscheidend waren. Bei der Entdeckung der Asparaginsäure war es Spargelsaft, der bei einer Reise von Robinet im Labor vergessen und durch Verdunstung eingedickt wurde. Bei seiner Rückkehr war eine große Zahl von Kristallen einer neuartigen Substanz erkennbar, die sie „Asparagine“ nannten.

Zwei Aminosäuren wurden interessanterweise synthetisiert, bevor sie aus Eiweiß isoliert wurden: Alanin (1850; Adolf Strecker 1822–1871) und Prolin (1900; Richard Willstätter 1872–1942).

Die Geschichte des Tryptophans ist in den frühen Jahren der Proteinchemie die Geschichte einer Farbreaktion. Ein fragliches Chromogen konnte allgemein bei Eiweißzerfall gefunden werden, für das der Name Tryptophan (gr. τρυπτομαι zerbrechen und ϕαινω ans Licht bringen) vorgeschlagen wurde.

Mit Tryptophan verbindet sich eine Anekdote, die bereits in den frühen Jahren der Proteinchemie bestehende Eitelkeiten des Wissenschaftsbetriebs aufzeigt. 1825 hatten Friedrich Tiedemann (1781–1861) und Leopold Gmelin (1788–1853), die an den durch Farbreaktion erkennbaren Zerfall des Pankreas gearbeitet hatten, an einem Preisausschreiben der Französischen Akademie mit folgendem Thema teilgenommen: „Welches sind die Phänomene, die im Verlauf der Verdauung in den Verdauungsorganen ablaufen“. Keine der eingereichten Arbeiten erschien der Akademie preiswürdig; 2 Arbeiten jedoch, 1 davon die von Tiedemann und Gmelin, wurden mit einem Anerkennungsbetrag von 1500 Francs bedacht und „ehrenhaft erwähnt“. Tiedemann und Gmelin schrieben der Akademie jedoch, da ihre Arbeit nicht als preiswürdig angesehen wurde, sie weder die ehrenhafte Erwähnung noch die 1500 Francs annehmen könnten und sie ihre Arbeit umgehend einem weniger voreingenommenen Kreis der Wissenschaftswelt einreichen würden. Tryptophan wurde schließlich 1901 von Frederick Hopkins (1861–1947) und S.W. Cole aus Casein isoliert. Die Hopkins-Cole-Reaktion ist ein Nachweisverfahren für Tryptophan in Eiweißen.

Lysin wurde 1889 von Edmund Drechsel (1843–1897) entdeckt. Seine funktionelle Bedeutung und damit die von Aminosäuren ist mit der 1914 publizierten Arbeit von Thomas Burr Osborne (1859–1929) und Lafayette Benedict Mendel (1872–1935): „Amino acids in nutrition and growth“ verbunden. Sie fanden in Fütterungsversuchen von Tieren, dass Lysin ein limitierender Faktor für das Körperwachstum ist.

1902 schlug er eine neue Theorie zur Struktur von Proteinen als über Peptidbindungen verbundene Komplexe einzelner Aminosäuren vor. Um 1907 war Emil Fischer (1852–1919) in der Lage, Polypeptide zu synthetisieren, von denen das größte aus 15 Glyzin- und 3 Leucinresten bestand. Für seine Erkenntnisse zur Synthese von Zuckern und Purinverbindungen erhielt Fischer 1902 den Nobelpreis für Chemie. Es war die entscheidende Meinungsbildung durch Emil Fischer, dass die Eigenschaften eines bestimmten Proteins von der Aminosäurezusammensetzung abhängen.

Später, 1936, bestätigten Curtis Meyer und William Rose (1887–1985) die entscheidende Rolle, die 8 „essenzielle Aminosäuren“ in der Ernährung spielen. 1946 definierte Rose den täglichen Bedarf an essenziellen Aminosäuren mit der Ernährung.

1.3 Verständnis des Energiestoffwechsels durch indirekte Kalorimetrie

Und nochmals zurück zu den Anfängen: Adair Crawford (1748–1795) hatte 1779 in London das Buch: „Experiments and observations on animal heat“ publiziert und zeigte darin das Prinzip der Kalorimetrie auf. Die auch unter modernen Gesichtspunkten hochwertigen Untersuchungen zu Stoffwechselvorgängen erfolgten im Verlauf des 19. Jahrhunderts mittels indirekter Kalorimetrie.

1849 konstruierten Henri Victor Regnault (1810–1878) und J. Reiset einen Apparat zur Messung des Sauerstoffverbrauchs und der Kohlendioxidproduktion bei einem Tier und von ihnen stammt das Konzept des RQ. Sie maßen den Sauerstoffverbrauch bei Tieren verschiedener Größe und stellten fest, dass kleine Tiere pro Einheit Körpergewicht einen höheren Sauerstoffverbrauch haben als große Tiere.

1852 zeigten Friedrich von Bidder (1810–1894) und Carl Ernst Heinrich Schmidt (1822–1894) an der Universität Dorpat (jetzt Tartu Estland), dass der Wärmeverlust bei nüchternen Tieren mit der gleichen Körperoberfläche und Körpertemperatur gleich ist. Von Bidder und Schmidt beschrieben auch das Phänomen der spezifisch dynamischen Wirkung von Protein. Bei der Messung des Sauerstoffverbrauchs von Katzen bemerkten sie, dass dieser nach einer großen Fleischmenge stark anstieg und bei anderen Nahrungsmitteln dieser Anstieg nur mäßig war.

An der Universität München entstand ab 1866 ein Zentrum der Energiestoffwechselforschung. Karl von Voit (1831–1908) und Max von Pettenkofer (1818–1901) konstruierten dafür einen Apparat zur Bestimmung der Ausscheidung von CO2 und des Verbrauchs von O2. Die von ihnen publizierte Arbeit trägt den Titel: „Untersuchungen über den Sauerstoffverbrauch des normalen Menschen“. Die Untersuchungen wurden an Hunden und Menschen unter unterschiedlichster Nahrungszufuhr durchgeführt. Sie stellten den RQ von Kohlenhydraten mit 1,0, von Fetten mit 0,7 und von Protein mit 0,8 fest. Bei nüchternen Menschen maßen sie einen RQ von 0,69.

Sie hatten ein sehr aktives Forschungsprogramm. Viele ihrer Schüler gingen an andere Universitäten und gründeten dort ähnliche Arbeitsgruppen. Besonders aktiv war Max Rubner (1854–1932) in Marburg und Berlin sowie Wilbur Olin Atwater (1844–1907) in den USA. Rubner maß in einem Bombenkalorimeter die Energiefreisetzung bei der Verbrennung unterschiedlicher Nahrungsbestandteile und verglich sie mit der Wärmebildung des gleichen Nahrungsbestandteils nach Verfütterung an ein Tier und Messung in einem Kalorimeter. Er fand, dass Stärke und Fett in jedem Fall die gleiche Wärmemenge ergaben, dass aber Protein im Bombenkalorimeter im Vergleich zur Verfütterung mehr Energie ergab.

Aus diesen Untersuchungen formulierte Max Rubner sein Gesetz der „isodynamischen Wirkung“, d.h. die gegenseitige energetische Ersetzbarkeit eines Nahrungsmittels durch ein anderes. 100g Fett waren danach äquivalent mit 232g Stärke, 234g Rohrzucker oder 243g getrocknetem Fleisch. Die von ihm bestimmten Werte des Energiegehalts von Nahrungsgrundbestandteilen sind seither unverändert in Gebrauch:

Atwater ging nach seiner Promotion an der Yale Universität bei Samuel W. Johnson (1830–1909), einem früheren Mitarbeiter Liebigs, zu weiteren Studien in Deutschland nach Leipzig und Berlin. Wieder zurück in den USA erhielt er eine Förderung zur Entwicklung eines Kalorimeters zur Untersuchung des menschlichen Stoffwechsels. Sein Gerät wies eine sehr hohe Genauigkeit auf. Ab 1897 arbeitete er mit Francis G. Benedict (1870–1957), einem Chemieprofessor seiner Universität, zusammen. Benedict dehnte seine kalorimetrischen Untersuchungen auch auf kranke Personen aus. Andere Amerikaner, die nachfolgend diese Stoffwechselforschungen weitertrieben, waren Graham Lusk (1866–1932) und Eugene F. DuBois (1882–1959). Das von Lusk 1906 veröffentlichte Buch „The science of nutrition“ war ein Meilenstein der Ernährungswissenschaft.

Wegweisend für die Pädiatrie sind in dieser Hinsicht die weiterführenden kalorimetrischen Untersuchungen, die in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts von Max Rubner (1854–1932) und Otto Heubner (1843–1926) in Berlin durchgeführt wurden.

1.4 Proteinstoffwechsel und Stickstoffbestimmung

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren die chemischen Kenntnisse so weit entwickelt, dass bereits Aussagen zu den chemisch-physiologischen Abläufen des Körpers gemacht werden konnten. Eine neue Periode der Stoffwechselforschung begann mit Justus von Liebig (1803–1873). Er begründete in seinem Labor an der Universität Gießen die „Elementaranalyse“ organischer Verbindungen und teilte Nährstoffe in Eiweiße, Kohlenhydrate und Fette ein. Er zeigte außerdem, dass alle Nährstoffe einem oxidativen Abbau unterliegen und machte damit grundlegende Aussagen zur Energiegewinnung des Körpers. Justus von Liebig verteidigte aber über ~30 Jahre die irrige Meinung, dass die Energie für Muskelarbeit aus dem Abbau von Muskelprotein während der Bewegung stamme.

Erst 1865 konnten 2 Professoren der Universität Zürich, Adolf Fick (1829–1901) und Johannes Wislicenus (1835–1902), durch ihren Aufstieg auf das Faulhorn im Berner Oberland und die nachfolgende Analyse ihres eigenen Urins nachweisen, dass der Muskelabbau nicht die Grundlage für die Bewegungsenergie sein konnte. Von Voit zeigte ebenfalls, dass durch Muskelarbeit der Proteinverbrauch nicht gesteigert wird.

Voraussetzung für diese metabolischen Untersuchungen waren geeignete Labormethoden zur Stickstoffbestimmung. Die meisten Chemiker nach Lavoisier versuchten Stickstoff zusammen mit Kohlen- und Wasserstoff in Verbrennungsanalysen zu bestimmen. Jean Baptiste Dumas (1800–1884) war der erste, dem 1826 eine verlässliche N-Bestimmung gelang. Die Methode beruhte darauf, eine organische Probe bei ca. 900°C zu verbrennen. Dabei kam es zur Freisetzung von CO2, Wasser und N2. Die Gase wurden über spezielle Säulen geleitet, die CO2 und Wasser absorbierten. Am Ende der Reihe stand eine Messung der Wärmeleitfähigkeit, die zur N-Bestimmung herangezogen wurde. 1841 wurde von 2 ehemaligen Schülern Liebigs, Franz Varrentrapp (1815–1877) und Heinrich Will (1812–1890) eine alternative N-Bestimmungsmethode eingeführt, bei der Stickstoff zunächst in Ammoniak umgewandelt wurde. Erst 18 Jahre später (1883) jedoch wurde eine problemlos praktikable und genaue Methode der Stickstoffbestimmung durch Johan Kjeldahl (1849–1900) in Dänemark entwickelt. Kjeldahl war Chemiker und leitete das Labor der Carlsberg-Brauerei in Kopenhagen. Er arbeitete an Fragen zur Eiweißumbildung bei der Keimung von Pflanzensamen im Rahmen des Brauvorgangs und hatte den Auftrag, den Eiweißgehalt von Getreiden zu bestimmen. Für den Menschen wies Carl von Voit (1831–1908) nach, dass N ausschließlich über die Nahrung in den Körper gelangt und fast vollständig über den Urin ausgeschieden wird. Die N-Ausscheidung über den Stuhl wurde dabei als unerheblich erkannt. Hans Vogt publizierte 1909 in der Monatsschrift für Kinderheilkunde eine Arbeit zu den N-haltigen Bestandteilen des kindlichen Urins unter dem Titel: „Zur Kenntnis der Stickstoffverteilung im Säuglingsharn“.

1.5 Fortschritte im funktionellen Verständnis des Intermediärstoffwechsels am Beispiel der Ammoniakentgiftung und der Harnstoffsynthese

Iwan Petrowitsch Pawlow (1849–1936) und Mitarbeiter in Sankt Petersburg arbeiteten am Ende des 19. Jahrhunderts an der wissenschaftlichen Erklärung des Leberkomas. In einem 1893 publizierten Tierexperiment lösten sie ein Leberkoma aus, indem der Blutzustrom in die Leber über die Pfortader unterbrochen wurde (Eck‘sche Fistel) und gleichzeitig große Eiweißmengen gefüttert wurden. Es war das 1. Mal, dass eine neuropsychiatrische Auffälligkeit auf eine Ammoniakerhöhung zurückgeführt werden konnte.

Entscheidende Fortschritte im Verständnis des Stoffwechsels von Geweben sind mit dem Namen Otto Warburg (1883–1970) in Berlin verbunden, der u.a. nachgewiesen hatte, dass der Energiestoffwechsel von Tumorgeweben auf Glukoseverbrennung beruht. In den Jahren von 1926–1930 wurde in Warburgs Labor am Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie in Berlin ein junger Arzt und Biochemiker ausgebildet, dessen Name zwischenzeitlich jedem Medizinstudenten bekannt ist: Hans Krebs (1898–1945), der sowohl den Zitronensäurezyklus als auch den Zyklus der Harnstoffsynthese aufklären sollte. Beide Zyklen wurden nach ihm benannt. Krebs benutzte Warburgs Untersuchungstechnik an Gewebeschnitten, um den Prozess der Harnstoffsynthese in der Leber aufzuklären. Zunächst musste er jedoch eine verlässliche Nachweismethode für Harnstoff entwickeln. Er adaptierte die Ureasemethode von E.K. Marshall aus dem Jahr 1913. Mit dieser Methode konnten über 10 Messungen innerhalb 1h durchgeführt werden. Mit dem Prinzip der Ureasemethode hatte Marshall 1913 erstmals eine enzymatische Analysemethode eingeführt. Hans Krebs begann dann in Leberschnitten die Harnstoffsyntheserate in Abhängigkeit unterschiedlicher Präkursoren zu messen. Dabei zeigte es sich, dass die Harnstoffsynthese bei Zugabe von Ammoniumsalzen und verschiedenen Aminosäuren massiv zunahm. Bei dieser Arbeit wurde er von einem Medizinstudenten unterstützt, der im Rahmen seiner Promotionsarbeit experimentell wissenschaftlich tätig sein wollte. Sein Name war Kurt Henseleit (1907–1973). Er stellte sich schnell als fähiger und geschickter Mitarbeiter heraus. Die Befunde zeigten, dass die höchsten Harnstoffsyntheseraten zu erzielen waren, wenn sowohl Ornithin als auch Ammoniumionen zugegeben wurden. Krebs‘ Schlussfolgerung war, dass der Ornithineffekt zur Anwesenheit des Leberenzyms Arginase in Beziehung stehen konnte, welches Arginin in Ornithin und Harnstoff spaltet. Diese Reaktion war seit der Arbeit über die Arginese von A. Kossel und H.D. Dakin in Hoppe Seylers Zeitschrift für Physiologische Chemie aus dem Jahr 1904 bekannt.

Das nachfolgende Arbeiten war durch die Suche nach notwendigen Intermediärprodukten bestimmt, die neben Ornithin und Arginin eine Rolle spielen konnten. Durch papierchromatografische Auftrennungen wurde vermutet, dass Citrullin in diesem Zusammenhang bedeutsam sein konnte. M. Wada isolierte Citrullin 1930 aus Wassermelonen (Citrullus vulgaris) und D. Ackermann erkannte Citrullin 1931 als ein Produkt des bakteriellen Abbaus von Arginin. Die Reaktionsfolge im Ablauf der Harnstoffsynthese war im Prinzip richtig, jedoch nicht so einfach wie postuliert. Erst 1954 zeigte Sarah Ratner (1903–1999), damals Biochemikerin an der New York University, dass die NH3-Gruppe bei der Bildung von Argininobernsteinsäure von Asparaginsäure beigetragen wurde.

Merke

Der Ablauf der Harnstoffsynthese als Zyklus ist jedem Studenten unter dem Namen Krebs-Henseleit-Zyklus bekannt. Er wurde 1932 publiziert ▶ [1] und zeigte eine vollkommen neue Organisationsform metabolischer Abläufe auf. Die Störungen der Harnstoffsynthese wurden erst 30 Jahre später zwischen 1962 und 1999 beschrieben.

1.6 Probleme des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts; Lehren aus Durchfallerkrankungen

Durchfallerkrankungen, insbesondere im Säuglings- und Kleinkindalter und ihre Komplikationen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts, waren von frühesten Zeiten an ein Dauerproblem der klinischen Kinderheilkunde und führten zu einer Vielzahl unterschiedlichster therapeutischer Ansätze. Höchstes therapeutisches Ansehen genoss z.B. im 17. Jahrhundert das Purgieren, also die künstliche Verstärkung eines Durchfalls zur Darmentleerung. In diesem Zusammenhang war die Erforschung von „Salzen“ ein vorherrschendes Thema der naturwissenschaftlichen Forschung. Unter Anwendung des zunehmenden chemischen Wissens der Zeit kam es zu einem zunehmenden Verständnis für Säuren. Justus von Liebig studierte die Zusammensetzung organischer Säuren und definierte Säuren als Substanzen, deren Wasserstoffgehalt durch Metall ersetzt werden kann und der Engländer Henry Bence Jones (1813–1878) stellte fest, dass die Säuerung des Urins von der Zusammensetzung der Nahrung abhängt und wiederum war es Justus Liebig, der konstatierte, dass Pflanzenfresser einen alkalischen Urin ausscheiden.

Die Cholera mit ihrem massiven Verlust alkalischer Darmsekrete und einer extremen Perfusionsstörung der peripheren Körpergewebe war eine der gefürchtetsten Durchfallerkrankungen. Bei ihr wurde 1832 erstmals eine Azidose