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Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass ein Junggeselle, der ein beachtliches Vermögen besitzt, zu seinem Glück nur noch einer Frau bedarf.
Die fünf Bennet-Schwestern sollen standesgemäß unter die Haube gebracht werden, das ist das erklärte Ziel ihrer Mutter. Als der attraktive und vermögende Mr. Darcy in das Leben der Bennets tritt, scheint der perfekte Schwiegersohn und Ehemann für Elizabeth gefunden. Wäre er der klugen und stolzen jungen Frau aufgrund seiner blasierten Überheblichkeit nur nicht so unsympathisch – und damit als Ehemann gänzlich ungeeignet … In einer Gesellschaft, in der sich der Heiratsmarkt nach Stand und Vermögen richtet, Gefühle jedoch nie außen vor bleiben, gilt es Eitelkeiten, Vorurteile und den eigenen Stolz zu überwinden, um das wirkliche Glück zu finden!
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Seitenzahl: 537
Die fünf Bennet-Schwestern sollen standesgemäß unter die Haube gebracht werden, das ist das erklärte Ziel ihrer Mutter. Als der attraktive und vermögende Mr. Darcy in das Leben der Bennets tritt, scheint der perfekte Schwiegersohn und Ehemann für Elizabeth gefunden. Wäre er der klugen und stolzen jungen Frau aufgrund seiner blasierten Überheblichkeit nur nicht so unsympathisch — und damit als Ehemann gänzlich ungeeignet … Doch nicht nur für Elizabeth, auch für ihre Schwestern wird das Finden eines Ehemannes zu einer nicht gerade leichten Aufgabe. Denn in einer Gesellschaft, in der sich der Heiratsmarkt nach Stand und Vermögen richtet, Gefühle sich jedoch nur selten an Regeln halten, gilt es Eitelkeiten, Vorurteile und den eigenen Stolz zu überwinden, um das wirkliche Glück zu finden!
Jane Austen (1775-1817) hatte dank der umfangreichen Bibliothek des Vaters schon früh Zugang zur Literatur. 1811 erschien ihr erster Roman, Verstand und Gefühl, gefolgt von Stolz und Vorurteil (1813), Mansfield Park (1814) und Emma (1816). Bis heute ist Jane Austen eine der beliebtesten und meistgelesenen Autorinnen der Weltliteratur — was nicht zuletzt daran liegt, dass ihre Romane gleichermaßen von Gefühl, Intellekt und Witz getragen sind und auch noch 200 Jahre nach Erscheinen höchst modern sind.
Jane Austen
Stolz und Vorurteil
Roman
Aus dem Englischen von Margarete Rauchenberger
Vollständig neu bearbeitet von Ursula Gräfe
Insel Verlag
eBook Insel Verlag Berlin 2017
Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe des insel taschenbuchs 4567.© Insel Verlag Berlin 2017Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
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Umschlagabbildung: Kat Menschik, Berlin
Umschlaggestaltung: hißmann, heilmann, hamburg
eISBN 978-3-458-75140-3
www.insel-verlag.de
Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass ein Junggeselle, der ein schönes Vermögen besitzt, zu seinem Glück nur noch einer Frau bedarf.
Wie wenig man auch über die Gefühle und Ansichten eines solchen Mannes weiß, wenn er zum ersten Mal in eine Gegend kommt, ist diese Wahrheit doch so fest in den Köpfen der ansässigen Familien verankert, dass er als rechtmäßiges Eigentum der einen oder anderen ihrer Töchter betrachtet wird.
»Mein lieber Mr. Bennet«, sagte eines Tages seine Gemahlin zu selbigem, »hast du schon gehört, dass Netherfield Park endlich vermietet ist?«
Mr. Bennet erwiderte, er habe es nicht gehört.
»Aber es ist so«, sagte sie. »Mrs. Long war soeben hier und hat mir alles genau erzählt.«
Mr. Bennet gab keine Antwort.
»Willst du denn gar nicht wissen, an wen?«, rief seine Frau ungeduldig.
»Du willst es mir erzählen, und ich habe nichts dagegen, es mir anzuhören.«
Einer weiteren Aufforderung bedurfte es nicht.
»Denke dir, mein Lieber, Mrs. Long sagt, dass Netherfield von einem vermögenden jungen Mann aus dem Norden übernommen wird, dass er am Montag in einem Vierspänner vorgefahren ist, um das Anwesen zu besichtigen, und so entzückt davon war, dass er sich sofort mit Mr. Morris einig wurde. Er will noch vor Michaeli einziehen, und schon Ende nächster Woche siedelt ein Teil seiner Dienerschaft über.«
»Wie heißt er denn?«
»Bingley.«
»Ist er verheiratet oder ledig?«
»Oh, selbstverständlich ledig, mein Lieber! Ein Junggeselle mit einem ansehnlichen Vermögen: vier- oder fünftausend im Jahr. Was für ein Glück für unsere Mädchen!«
»Wieso? Was haben denn unsere Mädchen damit zu tun?«
»Mein lieber Mr. Bennet«, entgegnete seine Frau, »wie kannst du nur so schwer von Begriff sein! Natürlich wünsche ich mir, dass er eine von ihnen heiratet. Kannst du dir das nicht denken?«
»Und aus diesem Grund lässt er sich hier nieder?«
»Unsinn, was redest du! Aber es besteht doch immerhin die Möglichkeit, dass er sich in eine von ihnen verliebt, und deshalb musst du ihm deine Aufwartung machen, sobald er hier ist.«
»Dazu sehe ich keinen Anlass! Geh du doch mit den Mädchen! Oder schick sie alleine hin, was vielleicht ratsamer wäre, denn du bist ebenso hübsch wie jede von ihnen, sodass womöglich du Mr. Bingley von allen am besten gefällst.«
»Mein Lieber, du schmeichelst mir. Früher bin ich gewiss nicht ganz unansehnlich gewesen, aber ich bilde mir nicht ein, dass ich noch etwas Besonderes bin. Und wenn eine Frau fünf erwachsene Töchter hat, sollte sie den Gedanken an ihre eigene Schönheit aufgeben.«
»Wenn sie das tut, ist meist nicht mehr viel davon übrig.«
»Mein Lieber, du musst Mr. Bingley unbedingt einen Besuch abstatten, wenn er unser Nachbar wird.«
»Das ist mehr, als ich versprechen kann!«
»Denk doch an deine Töchter! Denk doch mal, was für eine gute Partie eine von ihnen machen könnte. Sir William und Lady Lucas wollen ihn auch besuchen, und nur aus diesem Grund. Denn, wie du weißt, machen die beiden im Allgemeinen keine Antrittsbesuche. Du musst hingehen! Wir können ihn unmöglich aufsuchen, wenn du es nicht tust.«
»Du nimmst es allzu genau. Ich bin überzeugt, Mr. Bingley wird sich sehr freuen, euch zu sehen, und ich will dir ein paar Zeilen an ihn mitgeben, aus denen er mein herzliches Einverständnis zur Heirat mit einer meiner Töchter seiner Wahl entnehmen mag, obwohl ich für meine kleine Lizzy gern ein besonders gutes Wort einlegen würde.«
»Das wirst du nicht tun! Lizzy ist um nichts besser als die anderen. Sie ist nicht halb so hübsch wie Jane und hat nicht halb so ein heiteres Gemüt wie Lydia. Aber sie war ja immer dein Liebling.«
»Keine von ihnen ist besonders bemerkenswert«, erwiderte Mr. Bennet. »Sie sind genauso albern und unwissend wie alle anderen jungen Mädchen auch. Aber Lizzy ist wenigstens ein bisschen aufgeweckter als ihre Schwestern.«
»Was für eine geringe Meinung du von deinen eigenen Kindern hast! Es macht dir Spaß, mich zu ärgern. Aber du hast ja noch nie Rücksicht auf meine armen Nerven genommen.«
»Du tust mir Unrecht, meine Liebe. Ich habe den größten Respekt vor deinen Nerven. Sie sind alte Freunde von mir, und seit wenigstens zwanzig Jahren lausche ich voller Anteilnahme, wenn du von ihnen sprichst.«
»Ach, du weißt nicht, was ich leide.«
»Aber ich hoffe, du wirst es verwinden und noch erleben, dass viele junge Männer mit viertausend Pfund im Jahr sich in unserer Nachbarschaft ansiedeln.«
»Es wird uns nichts nützen, selbst wenn ihrer zwanzig kämen, da du sie ja doch nicht besuchen willst.«
»Du kannst dich darauf verlassen, meine Liebe, sobald es zwanzig sind, werde ich sie alle besuchen.«
Mr. Bennets Persönlichkeit zeichnete sich durch eine Mischung aus Schlagfertigkeit, Sarkasmus, Distanz und Launenhaftigkeit aus, und seine Frau hatte ihn auch nach dreiundzwanzig Ehejahren noch nicht durchschaut. Ihr Wesen war weniger unergründlich. Sie war eine einfältige Frau mit wenig Bildung und unberechenbarem Temperament. Wenn sie schlechte Laune hatte, schob sie es auf ihre Nerven. Ihre Lebensaufgabe bestand darin, ihre Töchter unter die Haube zu bringen, und ihre einzige Freude waren Besuche, Klatsch und Tratsch.
Mr. Bennet machte Bingley als einer der Ersten seine Aufwartung. Er hatte das von Anfang an so beabsichtigt, obgleich er seine Frau bis zuletzt in dem Glauben ließ, es nicht tun zu wollen, sodass sie erst am Abend nach dem Besuch auf folgende Weise davon erfuhr. Er schaute seiner zweitältesten Tochter zu, die damit beschäftigt war, einen Hut aufzuputzen, als er plötzlich sagte: »Hoffentlich gefällt er Mr. Bingley, Lizzy.«
»Wir werden nie erfahren, was Mr. Bingley gefällt«, entgegnete ihre Mutter missmutig, »da wir ihn doch nie kennenlernen werden.«
»Aber Mama, du vergisst, dass wir ihm auf Gesellschaften begegnen werden«, meinte Elizabeth, »und Mrs. Long versprochen hat, ihn uns vorzustellen.«
»Ich glaube nicht, dass Mrs. Long etwas Derartiges tun wird. Sie hat selbst zwei Nichten und ist eine selbstsüchtige, unaufrichtige Frau. Ich habe keine hohe Meinung von ihr.«
»Ich auch nicht«, pflichtete Mr. Bennet ihr bei, »und ich freue mich, dass ihr nicht auf ihre Hilfe angewiesen seid.«
Mrs. Bennet würdigte ihren Mann keiner Antwort, aber da sie ihren Unmut nicht länger zu beherrschen vermochte, fing sie an, eine ihrer Töchter zu schelten.
»Huste doch nicht dauernd, Kitty, um Himmels willen! Nimm ein wenig Rücksicht auf meine Nerven. Du zerreißt sie ja förmlich.«
»Kitty hustet ohne jedes Taktgefühl«, sagte ihr Vater, »immer im falschen Augenblick.«
»Ich huste nicht zu meinem Vergnügen«, gab Kitty patzig zurück.
»Wann ist euer nächster Ball, Lizzy?«
»Morgen in vierzehn Tagen.«
»Ja, das stimmt«, rief die Mutter, »und da Mrs. Long erst am Tag zuvor zurückkommt, ist es ganz ausgeschlossen, dass sie uns Mr. Bingley vorstellt, denn sie kennt ihn ja selbst noch nicht.«
»Dann hast du deiner Freundin etwas voraus, meine Liebe, und kannst Mr. Bingley ihr vorstellen.«
»Ausgeschlossen, Mr. Bennet! Ausgeschlossen! Ich kenne ihn doch gar nicht, wie kannst du mich so zum Besten halten?«
»Ich bewundere deine Umsicht. Eine Bekanntschaft von vierzehn Tagen ist natürlich noch sehr oberflächlich. Nach so kurzer Zeit kann man einen Mann nicht wirklich kennen. Aber wenn wir es nicht wagen, wird es ein anderer tun. Schließlich müssen Mrs. Long und ihre Nichten auch ihr Glück versuchen. Sie wird es für einen Freundschaftsdienst halten. Aber wenn du nicht willst, kann ich das übernehmen.«
Die Mädchen sahen ihren Vater überrascht an, während Mrs. Bennet nur »Unsinn, Unsinn!« sagte.
»Was bedeutet dieser nachdrückliche Einwurf?«, fragte ihr Gatte. »Betrachtest du die Formen der Vorstellung und die ihnen beigemessene Bedeutung als Unsinn? Da kann ich dir ganz und gar nicht beipflichten. Was sagst du dazu, Mary? Du bist eine tiefsinnige junge Dame, die bedeutsame Bücher liest und daraus exzerpiert.«
Mary hätte zu gern etwas sehr Kluges gesagt, aber es fiel ihr nichts ein.
»Während Mary ihre Gedanken ordnet«, fuhr er fort, »wollen wir zu Mr. Bingley zurückkehren.«
»Ich kann den Namen nicht mehr hören«, rief seine Frau.
»Es tut mir leid, das zu erfahren! Aber warum hast du mir das nicht eher gesagt? Hätte ich das schon heute Morgen gewusst, wäre ich nie zu ihm gegangen. Das trifft sich ja nun sehr ungünstig aber da ich ihm nun einmal einen Besuch gemacht habe, können wir der Bekanntschaft nicht mehr aus dem Weg gehen.«
Die Verblüffung der Damen entsprach genau seinen Wünschen, und Mrs. Bennets Erstaunen übertraf womöglich noch das ihrer Töchter. Doch als der erste Freudentaumel sich gelegt hatte, behauptete sie, ohnehin die ganze Zeit nichts anderes erwartet zu haben.
»Wie reizend von dir, mein lieber Mr. Bennet! Aber ich wusste, ich würde dich schließlich doch überzeugen, und deine Töchter sind dir zu lieb, um ihnen eine derartige Bekanntschaft vorzuenthalten. Ach, wie mich das freut! Und welch netter Scherz, dass du heute Morgen schon bei ihm warst, ohne uns auch nur ein Wort davon zu sagen.«
»Jetzt kannst du husten, so viel du willst, Kitty.« Mit diesen Worten verließ Mr. Bennet, erschöpft von der Begeisterung seiner Frau, den Raum.
»Was habt ihr doch für einen wunderbaren Vater!«, sagte sie zu ihren Töchtern, als die Tür sich geschlossen hatte. »Ich weiß gar nicht, wie ihr ihm je für seine Güte danken könnt. Und mir ebenfalls! Glaubt mir, in unserem Alter ist es gar nicht angenehm, jeden Tag neue Bekanntschaften zu machen, aber um euretwillen würden wir alles tun. Lydia, mein Liebling, obgleich du die Jüngste bist, wird Mr. Bingley auf dem nächsten Ball sicher auch mit dir tanzen.«
»Oh, da bin ich nicht bange«, verkündete Lydia selbstsicher, »denn ich bin zwar die Jüngste, aber auch die Größte.«
Den Rest des Abends erging man sich in Vermutungen, wann Mr. Bingley den Besuch des Vaters wohl erwidern würde und wann man ihn zum Essen einladen solle.
Trotz aller Bemühungen gelang es Mrs. Bennet und ihren fünf Töchtern nicht, dem Hausherrn eine zufriedenstellende Beschreibung von Mr. Bingley zu entlocken. Sie bestürmten ihn mit unverblümten Fragen, scharfsinnigen Vermutungen und abwegigen Mutmaßungen, doch er widerstand all ihren Finessen. Schließlich mussten sie sich mit der Auskunft ihrer Nachbarin Lady Lucas begnügen, deren Bericht höchst günstig ausfiel. Sir William sei begeistert von ihm gewesen. Mr. Bingley sei jung, ausgesprochen gutaussehend, äußerst zuvorkommend und beabsichtige, als Krönung des Ganzen, mit einer größeren Gesellschaft auf dem nächsten Ball zu erscheinen. Besser konnte es gar nicht kommen! Eine Vorliebe fürs Tanzen war oft der erste Schritt zur Liebe, und so machte man sich lebhafte Hoffnungen auf Mr. Bingleys Herz.
»Könnte ich nur eine meiner Töchter glücklich in Netherfield unterbringen«, sagte Mrs. Bennet zu ihrem Gatten, »und die anderen ebenso gut verheiraten, wäre ich wunschlos glücklich.«
Einige Tage später machte Mr. Bingley seinen Gegenbesuch und verbrachte ungefähr zehn Minuten bei Mr. Bennet in der Bibliothek. Er hatte gehofft, auch den jungen Damen vorgestellt zu werden, von deren Schönheit er schon viel gehört hatte, aber zu sehen bekam er nur ihren Vater. Die Damen waren in einer etwas glücklicheren Lage, denn sie vermochten sich immerhin von einem Fenster des oberen Stockwerks aus zu vergewissern, dass er einen blauen Rock trug und einen Rappen ritt.
Kurz darauf erging eine Einladung zum Essen. Mrs. Bennet hatte bereits ein Menü zusammengestellt, das jeder Hausfrau zur Ehre gereicht hätte, als eine Antwort eintraf, die alles umstieß. Mr. Bingley musste am nächsten Tag in der Stadt sein, und daher war es ihm nicht möglich, die Ehre ihrer Einladung anzunehmen. Mrs. Bennet war verzweifelt. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, was er so kurz nach seiner Ankunft in Hertfordshire schon wieder in der Stadt zu tun haben sollte. Die Furcht stieg in ihr auf, er würde stets von einem Ort zum anderen unterwegs sein und seine Zelte nie endgültig in Netherfield aufschlagen, wie es eigentlich hätte sein sollen. Lady Lucas beruhigte sie ein wenig mit der Vermutung, er sei wahrscheinlich nach London gefahren, um eine größere Gesellschaft zum Ball einzuladen. Und in der Tat folgte bald der Bericht, dass Mr. Bingley mit zwölf Damen und sieben Herren erscheinen würde. Die Mädchen waren über die Zahl der Damen sehr betrübt, vernahmen jedoch am Tag vor dem Ball die tröstliche Nachricht, er habe nur sechs Damen aus London mitgebracht — seine fünf Schwestern und eine Cousine. Doch als die Gesellschaft dann den Ballsaal betrat, bestand sie nur aus fünf Personen — Mr. Bingley, zwei seiner Schwestern, dem Gatten der ältesten und einem weiteren jungen Mann.
Mr. Bingley war gutaussehend und ein Gentleman, hatte ein zuvorkommendes Auftreten und benahm sich gelassen und ungekünstelt.
Seine Schwestern waren schöne und ausgesprochen elegante Frauen. Sein Schwager Mr. Hurst sah aus wie jeder andere Gentleman, aber sein Freund, Mr. Darcy, zog bald die Aufmerksamkeit aller auf sich, was an seiner hochgewachsenen Gestalt, seinen ebenmäßigen Zügen, seinem vornehmen Auftreten und dem fünf Minuten nach seiner Ankunft bereits umgehenden Gemunkel lag, er verfüge über zehntausend Pfund im Jahr. Die Herren nannten ihn einen schönen Mann, die Damen fanden ihn viel besser aussehend als Mr. Bingley, und er wurde während der ersten Hälfte des Abends mit großer Bewunderung betrachtet, bis er mit seinem Benehmen solchen Anstoß erregte, dass seine Beliebtheit dahin war. Man entdeckte, dass er eingebildet war und sich über die Gesellschaft, in der er sich befand, und ihre Vergnügungen erhaben fühlte. Selbst sein ausgedehnter Besitz in Derbyshire konnte ihn nicht davor bewahren, dass man sein Auftreten als höchst unerzogen und unangenehm empfand und ihn des Vergleiches mit seinem Freund für unwürdig hielt.
Mr. Bingley hatte sich bald mit den Honoratioren im Saal bekannt gemacht. Er war lebhaft und aufgeschlossen, ließ keinen Tanz aus, und, enttäuscht über das frühzeitige Ende des Balles, sprach er sogar davon, selbst einen Ball in Netherfield geben zu wollen. Derartige Liebenswürdigkeit sprach für sich selbst. Welch himmelweiter Unterschied zwischen ihm und seinem Freund! Mr. Darcy tanzte nur einmal mit Mrs. Hurst und einmal mit Miss Bingley. Er lehnte es ab, anderen Damen vorgestellt zu werden, und verbrachte den übrigen Abend damit, im Saal umherzuwandern oder gelegentlich mit einem seiner Bekannten zu sprechen. Man hatte seinen Charakter durchschaut: Er war der arroganteste und unangenehmste Mann der Welt, und man konnte nur hoffen, er würde sich nie wieder blicken lassen. Zu seinen heftigsten Gegnerinnen zählte Mrs. Bennet, deren Abneigung gegen sein allgemeines Benehmen sich in regelrechte Feindschaft verwandelte, nachdem er eine ihrer Töchter brüskiert hatte.
Elizabeth Bennet hatte wegen des Mangels an Herren zwei Tänze auslassen müssen. Einen Teil dieser Zeit hatte Mr. Darcy so in ihrer Nähe gestanden, dass sie eine Unterhaltung zwischen ihm und Mr. Bingley mitanhören musste, als Letzterer die Tanzfläche für ein paar Minuten verließ, um seinen Freund zum Tanzen zu drängen.
»Komm, Darcy, du musst tanzen. Es gefällt mir nicht, dich so albern allein herumstehen zu sehen. Tanz doch lieber.«
»Kommt nicht infrage. Du weißt, wie ich es verabscheue, mit einer Unbekannten zu tanzen. Bälle wie dieser sind mir einfach unerträglich. Deine Schwestern sind vergeben, und im ganzen Saal gibt es keine andere Frau, mit der zu tanzen keine Strafe für mich bedeuten würde.«
»Nicht um alles in der Welt möchte ich so wählerisch sein wie du«, rief Bingley. »Ich habe noch nie so viele hübsche Mädchen auf einem Fleck gesehen wie heute Abend! Einige von ihnen sind sogar ungewöhnlich schön.«
»Du tanzt mit dem einzigen hübschen Mädchen im ganzen Saal«, entgegnete Mr. Darcy und blickte dabei die älteste Miss Bennet an.
»Ja, sie ist das schönste Geschöpf, das ich je gesehen habe! Aber unmittelbar hinter dir sitzt eine ihrer Schwestern, die hübsch und obendrein charmant ist. Komm, ich bitte meine Tänzerin, dich vorzustellen.«
»Welche meinst du?« Er drehte sich um und musterte Elizabeth einen Moment, bis ihre Augen einander begegneten, um sich sogleich kühl abzuwenden. »Sie ist ganz passabel, aber nicht hübsch genug, um mich zu reizen«, sagte er. »Außerdem bin ich nicht in der Stimmung, mich junger Damen anzunehmen, die von anderen Männern übersehen werden. Geh zu deiner Tänzerin zurück und erfreue dich an ihrem Lächeln, denn mit mir verschwendest du nur deine Zeit.«
Mr. Bingley folgte seinem Rat. Mr. Darcy schlenderte weiter, und Elizabeth blieb mit wenig herzlichen Gefühlen für ihn zurück. Sie erzählte diesen Vorfall ihren Freundinnen, denn sie hatte ein lebhaftes, heiteres Gemüt und Vergnügen an allem Lächerlichen.
Insgesamt verbrachten die Damen der Familie Bennet einen sehr angenehmen Abend. Mrs. Bennet war nicht entgangen, dass die Herrschaften aus Netherfield ihre älteste Tochter sehr bewundert hatten. Mr. Bingley hatte zweimal mit ihr getanzt, und auch seine Schwestern hatten sie mit besonderer Aufmerksamkeit bedacht. Jane war darüber ebenso erfreut wie ihre Mutter, nur zeigte sie es nicht so, aber Elizabeth spürte ihre Freude. Mary hatte gehört, wie jemand Miss Bingley erzählte, sie sei das klügste Mädchen der Gegend. Und zu ihrem Glück waren auch Catherine und Lydia nie ohne Tänzer gewesen, ihre Hauptsorge bei einem Ball. Daher kehrten sie in bester Stimmung nach Longbourn zurück, die Ortschaft, in der sie lebten und deren angesehenste Bewohner sie waren. Mr. Bennet war noch nicht zu Bett. Über seinen Büchern vergaß er häufig die Zeit, und heute war er außerdem recht neugierig auf den Verlauf des Abends, der solch hohe Erwartungen geweckt hatte. Er hatte eigentlich gehofft, die Hoffnungen seiner Frau auf den Fremden würden enttäuscht, aber er fand bald heraus, dass ihm eine andere Geschichte bevorstand.
»Oh! Mein lieber Mr. Bennet, es war ein entzückender Abend, ein wunderschöner Ball«, rief seine Gattin, als sie das Zimmer betrat. »Ich wünschte, du wärest dabei gewesen! Jane wurde so bewundert, es war unvergleichlich! Alle sagten, wie hübsch sie sei. Mr. Bingley fand sie sehr schön und tanzte zwei Mal mit ihr! Denk dir nur, mein Lieber, er tanzte wirklich zwei Mal mit ihr! Sie war die Einzige im Saal, die er zwei Mal aufforderte! Zuerst bat er Miss Lucas. Darüber habe ich mich sehr geärgert. Aber sie gefiel ihm überhaupt nicht — wie wäre es auch anders möglich gewesen? Aber als Jane durch den Saal tanzte, schien er wie vom Donner gerührt. Sofort ließ er sich vorstellen und bat um die nächsten beiden Tänze. Den dritten Tanz in der zweiten Hälfte tanzte er dann mit Miss King, den vierten mit Maria Lucas, den fünften wiederum mit Jane und den sechsten und den Boulanger mit Lizzy.«
»Wenn er nur ein wenig Mitgefühl mit mir hätte«, rief ihr Gatte ungeduldig, »hätte er nur halb so viel getanzt! Um Gottes willen erzähl mir nichts mehr von seinen Tänzerinnen! Ach, hätte er sich doch beim ersten Tanz den Fuß verstaucht!«
»Weißt du, mein Lieber«, fuhr Mrs. Bennet unbeirrt fort, »ich bin ganz entzückt von ihm. Er ist so gutaussehend! Und seine Schwestern sind reizende Damen. In meinem ganzen Leben habe ich keine elegantere Garderobe gesehen. Ich möchte sagen, die Spitzen auf Mrs. Hursts Toilette …«
Hier wurde sie wieder unterbrochen. Mr. Bennet wollte nichts über Toiletten hören. Sie musste daher nach einem neuen Thema suchen, und so berichtete sie mit großer Erbitterung und einiger Übertreibung von Mr. Darcys schockierendem und unhöflichem Benehmen.
»Ich kann dir versichern«, fügte sie hinzu, »dass Lizzy nicht viel versäumt, wenn sie seinem Geschmack nicht entspricht, denn er ist ein höchst unangenehmer, grässlicher Mann und nicht wert, dass man sich um ihn bemüht. Er gibt sich so erhaben und hochmütig, dass es einfach nicht zum Aushalten ist! Er stolzierte hierhin und dorthin und kam sich sehr großartig vor! ›Nicht hübsch genug, um mit ihr zu tanzen.‹ Ich wünschte, du wärest da gewesen, mein Lieber, um ihm eine deiner Abfuhren zu erteilen. Ich verabscheue diesen Mann.«
Als Jane mit Elizabeth allein war, gestand Erstere, die zunächst mit ihrem Lob für Mr. Bingley sehr zurückhaltend gewesen war, wie sehr er ihr gefallen hatte.
»Er ist gerade so, wie ein junger Mann sein soll: vernünftig, vergnügt und lebhaft. Ich habe noch nie so angenehme Umgangsformen erlebt. Er ist so ungezwungen und dabei doch vollkommen wohlerzogen!«
»Außerdem sieht er sehr gut aus«, erwiderte Elizabeth. »Wie es sich ja auch für einen jungen Mann gehört. Es ergänzt seinen Charakter.«
»Ich war so geschmeichelt, als er mich ein zweites Mal zum Tanz aufforderte. Eine solche Auszeichnung hätte ich nie erwartet.«
»Wirklich nicht? Aber ich. Und das ist der große Unterschied zwischen uns. Immer überraschen dich die Komplimente, die du bekommst, mich nie. Was wäre wohl natürlicher, als dich ein zweites Mal aufzufordern? Es konnte ihm einfach nicht verborgen bleiben, dass du fünfmal hübscher bist als jedes andere weibliche Wesen im Saal. Das war keine besondere Auszeichnung. Ja, er ist sehr nett, und ich gestatte dir, ihn zu mögen. Immerhin hast du schon größere Dummköpfe gemocht.«
»Aber Lizzy!«
»Doch! Du neigst viel zu sehr dazu, alle Menschen gernzuhaben. Du siehst bei niemandem einen Fehler. In deinen Augen ist die ganze Welt gut und freundlich. In meinem ganzen Leben habe ich nie gehört, dass du schlecht über jemanden gesprochen hättest.«
»Ich möchte nicht voreilig urteilen, aber ich sage immer, was ich denke.«
»Das weiß ich, und das ist ja gerade das Wunder. Dass du, mit deinem gesunden Menschenverstand, so blind für die Albernheiten und den Unsinn der anderen bist! Geheuchelte Aufrichtigkeit ist weit verbreitet — man begegnet ihr überall. Aber ohne Hintergedanken aufrichtig zu sein, in jedem Menschen nur das Gute zu sehen und es sogar noch besser zu machen und sich gegen das Schlechte zu verschließen — das findet man nur bei dir. Deshalb magst du auch seine Schwestern. Aber glaub mir, sie können ihm nicht das Wasser reichen.«
»Wenigstens nicht auf den ersten Blick. Aber wenn man sich mit ihnen unterhält, sind sie reizend. Miss Bingley wird hier bei ihrem Bruder bleiben und ihm den Haushalt führen, und ich müsste mich sehr irren, wenn wir in ihr nicht eine angenehme Nachbarin fänden.«
Elizabeth hörte schweigend, aber keineswegs überzeugt zu. Das Benehmen der beiden Damen auf dem Ball war nicht dazu angetan gewesen, allen zu gefallen. Von schnellerer Auffassungsgabe und weniger beeinflussbar als ihre Schwester, hatte Elizabeth einen klareren Blick, und ihr Urteil war auch nicht durch kleine Freundlichkeiten zu trüben, die man ihr erwies. Sie war jedenfalls nicht sonderlich begeistert von Mr. Bingleys Schwestern. Zwar waren sie durchaus wohlerzogen und auch charmant, solange alles nach ihrem Kopf ging, und besaßen die Fähigkeit, sich angenehm zu machen, wenn es ihnen beliebte, dennoch waren sie stolz und dünkelhaft. Beide waren ausgesprochen hübsch und auf einer der ersten Privatschulen Londons erzogen worden. Ihr Vermögen belief sich auf zwanzigtausend Pfund, und sie waren es gewohnt, mehr auszugeben, als sie sollten. Sie verkehrten in den ersten Kreisen und fühlten sich daher in jeder Weise berechtigt, gut von sich und gering von anderen zu denken. Sie stammten aus einer angesehenen Familie Nordenglands — ein Umstand, der sich ihnen tiefer eingeprägt hatte als jener, dass ihr Geld und das ihres Bruders durch Handel erworben worden war. Mr. Bingley hatte von seinem Vater ein Vermögen von fast einhunderttausend Pfund geerbt. Der alte Herr hatte sich für diese Summe ein Landgut kaufen wollen, war aber zuvor verstorben. Mr. Bingley verfolgte den gleichen Plan, konnte sich jedoch für keine Grafschaft entscheiden. Da er jetzt über ein ansehnliches Haus verfügte und die Vorrechte eines Grundbesitzers genoss, zweifelten diejenigen, die seine Unbekümmertheit kannten, nicht daran, dass er einfach den Rest seiner Tage in Netherfield verbringen und es der nächsten Generation überlassen würde, das Anwesen zu kaufen.
Seinen Schwestern war sehr daran gelegen, dass er ein eigenes Anwesen besitze. Doch obgleich er jetzt nur Pächter war, hatte Miss Bingley keineswegs etwas dagegen, seinem Haushalt vorzustehen, und Mrs. Hurst, die einen Mann mit mehr Geschmack als Vermögen geheiratet hatte, war nicht abgeneigt, das Haus ihres Bruders von Zeit zu Zeit als das ihre zu betrachten. Mr. Bingley war kaum zwei Jahre mündig gewesen, als er durch einen Zufall auf Netherfield aufmerksam geworden war. Er besichtigte es eine halbe Stunde lang von innen und von außen. Die Lage gefiel ihm, ebenso die wichtigsten Gesellschaftsräume, und was der Besitzer sonst noch zum Lobe des Hauses vorbrachte, sagte ihm auch zu, und er nahm es sofort.
Ihn und Darcy verband eine enge Freundschaft, obgleich sie charakterlich sehr verschieden waren. Darcy schätzte Bingley besonders wegen seiner Unbeschwertheit, Offenheit und Nachgiebigkeit, wenngleich diese Eigenschaften in keinem stärkeren Gegensatz zu seinen eigenen hätten stehen können, mit denen er jedoch auch nie unzufrieden zu sein schien. Bingley konnte sich auf Darcys Freundschaft fest verlassen und schätzte sein Urteilsvermögen sehr. Verstandesmäßig war Darcy ihm überlegen. Bingley war zwar nicht dumm, aber Darcy war klug. Überdies war er hochfahrend, zurückhaltend und wählerisch zugleich, und sein Benehmen war nicht gerade einnehmend, obwohl er gut erzogen war. In dieser Hinsicht war sein Freund ihm weit überlegen. Bingley gefiel, wohin er auch kam, während Darcy ständig Anstoß erregte.
Die Manier, in der die beiden den Ball in Meryton erörterten, war ganz typisch für sie. Bingley hatte nie angenehmere Menschen und hübschere Mädchen kennengelernt. Jedermann war freundlich und aufmerksam gewesen, es war weder förmlich noch steif zugegangen, und er hatte sich in dem Ballsaal bald wie zu Hause gefühlt. Kein Engel konnte schöner sein als Miss Bennet. Darcy hingegen hatte nur eine Ansammlung von Menschen gesehen, bei der es wenig Schönheit und gar keine Lebensart zu entdecken gab, niemand hatte ihn auch nur im Geringsten interessiert, niemand hatte ihm Aufmerksamkeit erwiesen oder ihm Freude bereitet. Er gab zu, dass Miss Bennet hübsch sei, aber er fand, sie lächle zu viel.
Mrs. Hurst und ihre Schwester stimmten dem wohl zu, aber dennoch bewunderten sie Miss Bennet, sie gefiel ihnen, und sie erklärten sie zu einem reizenden Mädchen, das sie gerne näher kennenlernen würden. Miss Bennet war also als reizendes Mädchen anerkannt, und angesichts dieser Empfehlung fühlte ihr Bruder sich berechtigt, von ihr zu halten, was er wollte.
Nur einen kurzen Spaziergang von Longbourn entfernt wohnte eine Familie, mit der die Bennets besonders eng befreundet waren. Sir William Lucas hatte als ehemaliger Geschäftsmann in Meryton ein hübsches Vermögen verdient und war dann nach seiner Amtszeit als Bürgermeister, auf eine an den König gerichtete Ergebenheitsadresse hin, in den Adelsstand erhoben worden. Diese Auszeichnung war ihm vielleicht ein wenig zu Kopf gestiegen, denn er hegte plötzlich eine Abneigung gegen seinen Beruf und die Wohnung in dem kleinen Marktflecken. So war er mit seiner Familie in ein ungefähr eine Meile vor Meryton gelegenes Anwesen übergesiedelt, das von da an Lucas Lodge genannt wurde. Hier konnte er sich dem Vergnügen seiner eigenen Wichtigkeit hingeben und sich ohne berufliche Zwänge damit beschäftigen, allen Menschen höflich zu begegnen. Die Erhebung in den Adelsstand hatte ihn nicht zum Hochmut verleitet; im Gegenteil, er war aufmerksamer denn je gegen jedermann. Von Natur aus arglos, freundlich und hilfsbereit, gab er sich seit seiner Einführung bei Hof auch noch galant.
Lady Lucas war eine gute Frau und nicht allzu klug, was sie für Mrs. Bennet zu einer sehr geeigneten Nachbarin machte. Die Lucas hatten mehrere Kinder, und die älteste Tochter, eine vernünftige und gescheite junge Dame von siebenundzwanzig Jahren, war Elizabeth' beste Freundin.
Dass die Damen Lucas und Bennet sich über den Ball unterhielten, war nur allzu natürlich, und am Morgen nach dem Fest kamen Sir Williams Töchter nach Longbourn, um Eindrücke auszutauschen.
»Für Sie hat der Abend gut angefangen, Charlotte«, wandte Mrs. Bennet sich mit höflicher Selbstbeherrschung an Miss Lucas. »Sie waren Mr. Bingleys erste Wahl.«
»Ja, aber seine zweite schien ihm besser zu gefallen.«
»Oh! Sie denken an Jane, weil er zweimal mit ihr getanzt hat. Ja, es sah wohl so aus, als gefalle sie ihm. Ich bin fast sicher, dass es so ist — ich hörte so etwas —, aber ich weiß nicht mehr genau, was. Etwas mit Mr. Robinson.«
»Vielleicht meinen Sie das Gespräch zwischen ihm und Mr. Robinson, das ich mitangehört habe? Ich hatte Ihnen doch davon erzählt. Mr. Robinson fragte ihn, ob ihm unser Ball in Meryton gefalle und ob er nicht finde, dass sehr viele hübsche Damen im Saale seien, und welche er für die Schönste halte? Worauf er antwortete: ›Oh! Die älteste Miss Bennet, ganz ohne Zweifel; in diesem Punkt sind sich wohl alle einig.‹«
»Was Sie nicht sagen! Das ist ja wirklich sehr deutlich. Es sieht so aus, als ob … aber vielleicht wird ja auch gar nichts daraus.«
»Was ich belauscht habe, war angenehmer als das, was du mitanhören musstest, Eliza«, sagte Charlotte. »Mr. Darcy zuzuhören lohnt sich weit weniger, nicht wahr? Arme Eliza! Nur ganz passabel zu sein.«
»Ich möchte Sie bitten, Lizzy nicht in den Kopf zu setzen, sich über diese Grobheit zu ärgern; er ist ein so unangenehmer Mensch, dass es geradezu ein Unglück wäre, ihm zu gefallen. Mrs. Long erzählte mir gestern Abend, er habe eine halbe Stunde neben ihr gesessen und nicht ein Wort mit ihr gesprochen.«
»Bist du dessen ganz sicher, Mutter? Irrst du dich auch nicht?«, fragte Jane. »Ich selbst habe Mr. Darcy mit ihr sprechen sehen.«
»Jawohl — weil sie ihn schließlich fragte, wie ihm Netherfield zusage, und da musste er ihr ja wohl antworten, aber sie meinte, er habe es ihr sehr übelgenommen, dass sie ihn ansprach.«
»Miss Bingley sagte«, fuhr Jane fort, »dass er nie viel spricht, es sei denn unter Freunden. Unter Freunden sei er außerordentlich charmant.«
»Davon glaube ich nicht ein Wort, meine Liebe. Wäre er wirklich so charmant, hätte er wohl mit Mrs. Long gesprochen. Aber ich kann mir den Grund denken. Alle Welt behauptet, dass sein Stolz ihn verzehrt, und er hat wohl gehört, dass Mrs. Long keinen Wagen hält und in einer Mietkutsche zum Ball gekommen ist.«
»Ich finde nichts dabei, wenn er sich nicht mit Mrs. Long unterhält«, meinte Miss Lucas, »aber er hätte mit Eliza tanzen sollen.«
»An deiner Stelle, Lizzy, würde ich nie mit ihm tanzen«, ereiferte sich Mrs. Bennet.
»Ich glaube, das kann ich dir versprechen. Ich werde auf keinen Fall mit ihm tanzen.«
»Seinen Stolz«, meinte Miss Lucas, »finde ich nicht so kränkend wie den manch anderer Leute. Es ist doch kein Wunder, dass ein so vornehmer junger Mann aus erster Familie mit Vermögen und allen Vergünstigungen eine hohe Meinung von sich hat. Er hat beinahe ein Recht darauf, stolz zu sein, wenn ich das so sagen darf.«
»Ganz recht«, erwiderte Elizabeth, »und ich würde ihm seinen Stolz ohne weiteres verzeihen, wenn er meinen nicht beleidigt hätte.«
»Stolz«, bemerkte Mary, die sich etwas auf ihre tiefschürfenden Gedanken zugutehielt, »ist eine sehr verbreitete Schwäche. Nach allem, was ich gelesen habe, bin ich überzeugt, dass die menschliche Natur besonders anfällig dafür ist und nur sehr wenige von uns keine Selbstgefälligkeit hinsichtlich tatsächlicher oder eingebildeter Vorzüge hegen. Eitelkeit und Stolz sind zwei verschiedene Dinge, obwohl man die Worte oft gleich verwendet. Ein Mensch kann stolz sein, ohne eitel zu sein. Stolz bezieht sich mehr auf unsere Meinung von uns selbst, Eitelkeit auf das, was andere von uns denken sollen.«
»Wenn ich so reich wäre wie Mr. Darcy«, rief einer der jüngeren Herren Lucas, der mit seinen Schwestern gekommen war, »wäre es mir egal, wie stolz ich wirken würde. Ich würde mir eine Meute Jagdhunde halten und tränke jeden Tag eine Flasche Wein.«
»Dann würdest du sehr viel mehr trinken, als dir gut täte«, sagte Mrs. Bennet, »und würde ich dich dabei erwischen, nähme ich dir sofort die Flasche weg.«
Der Junge erhob Einspruch, sie widersprach, sie würde es doch tun, und so fort, sodass der Zwist erst mit dem Besuch endete.
Nicht lange danach machten die Damen von Longbourn ihre Aufwartung in Netherfield, und der Besuch wurde bald in gebührender Form erwidert. Miss Bennets gewinnendes Benehmen verfehlte nicht seine Wirkung auf Mrs. Hurst und Miss Bingley, und obgleich man die Mutter für unerträglich und die jüngeren Schwestern nicht der Anrede wert hielt, drückte man den beiden älteren gegenüber den Wunsch aus, sie näher kennenzulernen. Jane nahm dieses Kompliment mit großer Freude entgegen, aber Elizabeth erkannte die Überheblichkeit, mit der diese Damen andere Menschen, ihre Schwestern nicht ausgenommen, behandelten, und mochte sie nicht, zumal ihre Freundlichkeit gegenüber Jane aller Wahrscheinlichkeit nach ihren Ursprung in der Bewunderung ihres Bruders hatte. Sooft er ihr begegnete, war offenkundig, wie sehr sie ihm gefiel, und für Elizabeth war ebenso offenkundig, dass Jane ihrer anfänglichen Sympathie für ihn nachgegeben und sich gründlich in ihn verliebt hatte. Zu ihrer Freude erfasste sie jedoch auch, dass niemand etwas davon bemerken würde, da sich mit Janes Kraft zu tiefer Empfindung ein ausgeglichenes Gemüt und eine stetige Heiterkeit verbanden, die sie vor böswilligen Verdächtigungen bewahrten. Elizabeth sprach mit ihrer Freundin Miss Lucas darüber.
»Es ist vielleicht ganz nützlich«, erwiderte Charlotte, »wenn man der Öffentlichkeit etwas vormachen kann, aber manchmal gereicht allzu viel Beherrschung auch zum Nachteil. Verbirgt eine Frau ihre Liebe mit gleichem Geschick vor deren Gegenstand, kann er ihr entgleiten. Dann ist es nur ein schwacher Trost, dass die übrige Welt ebenso im Dunkeln tappt. Zu jeder Liebesgeschichte gehören so viel Dankbarkeit oder Eitelkeit, dass es nicht ratsam ist, sie sich selbst zu überlassen. Der Beginn fällt niemandem schwer — eine gewisse Sympathie ist ganz natürlich —, aber nur sehr wenige haben den Mut, sich ohne jede Ermutigung ernsthaft zu verlieben. In neun von zehn Fällen ist es besser, eine Frau bekundet mehr Zuneigung, als sie wirklich empfindet. Bingley ist zweifellos sehr angetan von deiner Schwester, aber vielleicht wird es dabei bleiben, wenn sie ihm nicht mehr entgegenkommt.«
»Aber sie kommt ihm ja schon so weit entgegen, wie ihre Natur es ihr erlaubt. Wenn schon ich ihre Gefühle bemerke, muss er wirklich ein Einfaltspinsel sein, um nichts zu merken.«
»Aber, Eliza, du darfst auch nicht vergessen, dass er Jane nicht so gut kennt wie du.«
»Aber wenn eine Frau einem Mann zugetan ist und es nicht zu verbergen sucht, kann ihm das doch nicht entgehen.«
»Vielleicht, wenn er sie häufig genug sieht. Bingley und Jane kommen zwar oft zusammen, doch nie für mehrere Stunden, und da sie sich immer nur bei größeren Gesellschaften begegnen, können sie nicht jeden Augenblick dazu nutzen, sich zu unterhalten. Jane sollte deshalb das Beste aus jeder halben Stunde machen, in der sie seine Aufmerksamkeit hat. Ist sie seiner erst einmal sicher, kann sie sich so viel in ihn verlieben, wie sie mag.«
»Dein Plan ist gut«, erwiderte Elizabeth, »solange jemand nur auf eine gute Partie aus ist; wenn ich auf einen reichen Mann oder überhaupt einen Mann aus wäre, würde ich mir deinen Rat gewiss zunutze machen. Aber Jane empfindet anders und handelt nicht mit einer bestimmten Absicht. Bis jetzt ist sie sich nicht einmal über das Maß ihrer Zuneigung im Klaren oder ob sie vernünftig ist. Sie kennt ihn erst seit vierzehn Tagen. In Meryton hat sie viermal mit ihm getanzt, einmal ist sie ihm an einem Morgen in seinem Haus begegnet, und seitdem hat sie viermal in größerer Gesellschaft mit ihm zu Abend gegessen. Das reicht nicht aus, um einen Menschen wirklich kennenzulernen.«
»Nicht, wie du es darstellst. Wenn sie nur mit ihm zu Abend gespeist hätte, wüsste sie tatsächlich jetzt nur, ob er einen guten Appetit hat, aber vergiss nicht, dass sie auch vier Abende miteinander verbracht haben — vier Abende können allerhand ausmachen.«
»Ja, diese vier Abende gestatten ihnen die Feststellung, dass sie beide Siebzehnundvier lieber spielen als Commerce, aber andere wesentliche Eigenschaften werden sich nicht dabei enthüllt haben.«
»Ich wünsche Jane jedenfalls von ganzem Herzen Erfolg«, sagte Charlotte, »und bin überzeugt, sie würde, wenn sie Bingley morgen heiraten würde, ebenso glücklich mit ihm, als wenn sie seinen Charakter noch ein ganzes Jahr lang studieren könnte. Glück in der Ehe ist reiner Zufall. Die Parteien können ihre Neigungen vorher noch so gut kennen und noch so viele Gemeinsamkeiten haben, ihr Eheglück wird das nicht fördern. Sie werden sich immer noch genügend auseinanderentwickeln, um Unstimmigkeiten hervorzurufen; deshalb finde ich, man sollte möglichst wenig über die Unzulänglichkeiten des Menschen wissen, mit dem man sein Leben verbringen wird.«
»Du bringst mich zum Lachen, Charlotte! Du weißt genau, dass das nicht stimmt, und würdest nie danach handeln.«
Während Elizabeth damit beschäftigt war, Mr. Bingleys Verhalten gegenüber ihrer Schwester zu beobachten, fiel ihr überhaupt nicht auf, dass sie selbst zum Gegenstand eines Interesses geworden war. Mr. Darcy hatte ihr anfangs nicht einmal eine gewisse Schönheit zugestanden, sie auf dem Ball ohne jede Sympathie betrachtet und bei einer späteren Begegnung nur kritisch gemustert. Doch kaum hatte er sich und seinen Freunden erklärt, wie wenig anziehend ihr Gesicht sei, kam ihm zu Bewusstsein, dass es durch die Schönheit ihrer ausdrucksvollen dunklen Augen ungewöhnlich klug erschien. Dieser Entdeckung folgten verschiedene andere, die ihn gleichfalls beschämten. Wenn auch sein kritisches Auge mehr als eine Unregelmäßigkeit an ihrer Gestalt entdeckt hatte, musste er bekennen, dass sie leicht und beschwingt war, und obgleich er sich immer wieder vor Augen führte, dass ihr Auftreten nicht dem der vornehmen Welt entsprach, nahm ihre spielerische Anmut ihn gefangen. Von alldem hatte Elizabeth nicht die geringste Ahnung; für sie war Darcy nur der Mann, der sich überall unbeliebt machte und sie nicht schön genug gefunden hatte, um mit ihr zu tanzen.
In dem Wunsch, sie kennenzulernen, gesellte er sich hinzu, wenn sie sich mit anderen unterhielt, und suchte nach einer Gelegenheit, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Damit erregte er ihre Aufmerksamkeit bei einer großen Gesellschaft im Haus von Sir William Lucas.
»Was bezweckt Mr. Darcy wohl damit, meiner Unterhaltung mit Colonel Forster zu lauschen?«, fragte sie Charlotte.
»Das ist eine Frage, die allein Mr. Darcy beantworten kann.«
»Aber wenn er noch lange lauscht, werde ich ihm offen zu verstehen geben, dass ich seine Absicht durchschaue. Er hat einen so spöttischen Blick, und wenn ich nicht bald selbst unverschämt werde, bekomme ich Angst vor ihm.«
Als er sich ihnen kurz darauf näherte, ohne indes ein Gespräch anzubahnen, riet Miss Lucas ihrer Freundin, ihn einfach zu übersehen. Dadurch zum Gegenteil gereizt, wandte Elizabeth sich ihm zu.
»Fanden Sie nicht, dass ich mich ungewöhnlich gewandt ausdrückte, Mr. Darcy, als ich soeben Colonel Forster herausforderte, in Meryton einen Ball für uns zu geben?«
»Und mit welchem Eifer! — Aber bei diesem Thema sind ja alle Damen eifrig.«
»Sie sind sehr streng mit uns.«
»Bald ist sie an der Reihe, geneckt zu werden«, warf Miss Lucas ein. »Ich öffne jetzt den Flügel, Eliza, und du weißt, was das bedeutet.«
»Du bist wirklich eine komische Freundin! Dass ich immer vor aller Welt singen und spielen soll! Hätte ich nur den geringsten musikalischen Ehrgeiz, du wärst mit Gold nicht aufzuwiegen, aber es gefällt mir durchaus nicht, vor Menschen zu singen, die es gewohnt sind, jeden Tag die besten Darbietungen zu hören.« Doch da Charlotte auf ihrem Willen bestand, fügte sie hinzu: »Gut denn, was sein muss, muss sein.« Und mit einem ernsten Blick auf Mr. Darcy: »Es gibt eine hübsche alte Redensart, die hier jeder kennt: ›Spar dir deinen Atem, um auf deine Suppe zu pusten!‹ Ich spare mir jetzt den meinen für ein Lied.«
Sie machte ihre Sache sehr hübsch, wenn auch nicht vollendet. Nach ein paar Liedern und noch ehe sie den Bitten einiger Gäste um eine Zugabe willfahren konnte, löste ihre Schwester Mary sie beflissen ab. Als die einzige Unansehnliche in der Familie bemühte Mary sich zum Ausgleich darum, möglichst viele Fertigkeiten zu erwerben, und war stets erpicht, ihre Künste unter Beweis zu stellen. Sie besaß weder Talent noch Geschmack, und gleichwohl ihre Eitelkeit sie immer wieder zu äußerstem Fleiß antrieb, hatte sie etwas Pedantisches und Selbstgefälliges an sich, das selbst ein größeres Können beeinträchtigt hätte. Man hatte Elizabeth, die leicht und natürlich, wenn auch nur halb so gut spielte, mit weit mehr Vergnügen gelauscht, während Mary nach einem langen Konzertstück froh sein musste, mit einigen schottischen und irischen Weisen, die sie auf Wunsch ihrer jüngeren Schwestern vortrug, noch ein wenig Lob und Anerkennung zu ernten. Die beiden und die jüngeren Geschwister Lucas tanzten nämlich nach diesen Melodien in einer Ecke des Saales mit einigen Offizieren.
Mr. Darcy stand in schweigender Empörung über diesen Verlauf des Abends dabei, der jede Unterhaltung unmöglich machte. Er war so in seine Gedanken vertieft, dass er Sir William Lucas erst bemerkte, als dieser ihn ansprach.
»Was für ein reizendes Vergnügen ist so etwas doch für junge Leute, Mr. Darcy! Es geht doch nichts über ein Tänzchen. Ich halte Tanzen für eine der vornehmsten Errungenschaften der feinen Gesellschaft.«
»Gewiss, mein Herr. Allerdings erfreut es sich auch größter Beliebtheit in der weniger feinen Gesellschaft. Jeder Wilde kann tanzen.«
Sir William lächelte nur. »Ihr Freund tanzt wundervoll«, fuhr er nach einer Pause fort, als er sah, dass auch Bingley tanzte. »Und gewiss sind auch Sie ein Meister auf diesem Gebiet, Mr. Darcy.«
»Ich glaube, mein Herr, Sie sahen mich in Meryton tanzen.«
»Jawohl, das stimmt, und der Anblick bereitete mir großes Vergnügen. Tanzen Sie häufig bei Hofe in St. James?«
»Niemals!«
»Meinen Sie nicht, es wäre eine passende Ehrenbezeugung gegenüber den hohen Herrschaften?«
»Eine Ehrenbezeugung, auf die ich verzichte, wenn es sich vermeiden lässt.«
»Ich nehme an, Sie haben ein Haus in der Stadt?«
Mr. Darcy verneigte sich.
»Ich trug mich seinerzeit auch mit dem Gedanken an ein Haus in London, denn ich schätze das gesellschaftliche Leben. Aber ich war nicht sicher, ob Lady Lucas die Londoner Luft bekommen würde.«
Er hielt in der Hoffnung auf eine Antwort inne, doch Darcy machte keine Anstalten, auf ihn einzugehen. In diesem Moment näherte sich Elizabeth, und Sir William wollte sich wohl besonders ritterlich zeigen.
»Meine liebe Miss Eliza«, rief er ihr entgegen, »warum tanzen Sie nicht? — Mr. Darcy, darf ich Sie dieser jungen Dame vorstellen? Sie ist eine großartige Tänzerin! Und Sie werden angesichts von so viel Schönheit gewiss nicht ablehnen.« Er griff nach ihrer Hand und hätte sie Mr. Darcy gereicht, der, gleichwohl erstaunt, sie nur zu gern ergriffen hätte, doch Elizabeth zog sie sogleich zurück.
»Aber ich habe nicht das geringste Verlangen danach«, sagte sie ein wenig unwirsch zu Sir William. »Und glauben Sie nicht, dass ich hierherkam, um mir einen Tänzer auszubitten.«
Mr. Darcy bat sie in aller Form und mit ernsthafter Höflichkeit um die Ehre, jedoch vergeblich. Elizabeth blieb ablehnend, und auch Sir Williams' Überredungsversuche konnten ihren Entschluss nicht erschüttern.
»Sie tanzen so unübertrefflich, Miss Eliza, dass es grausam von Ihnen wäre, wenn Sie mir diesen Anblick verweigerten, und wenngleich Mr. Darcy diese Art von Vergnügen nicht sonderlich schätzt, wird er uns diesen Gefallen sicher für eine halbe Stunde tun.«
»Mr. Darcy ist die Höflichkeit selbst«, bemerkte Elizabeth lächelnd.
»Gewiss, meine liebe Miss Eliza, und sein Entgegenkommen verwundert mich nicht — denn wer würde eine Tanzpartnerin wie Sie ablehnen?«
Elizabeth wandte sich mit einem schalkhaften Lächeln ab. Ihr Widerstand hatte ihr bei dem Herrn nicht geschadet, und Mr. Darcys Blick folgte ihr wohlgefällig.
»Ich glaube, ich weiß, was Sie denken«, schreckte Miss Bingley ihn aus seinen Gedanken auf.
»Das glaube ich kaum.«
»Doch, Sie denken, wie unerträglich es wäre, mehr Abende auf diese Weise verbringen zu müssen — in solcher Gesellschaft, und ich bin ganz Ihrer Meinung. Ich habe mich selten so gelangweilt! Diese Geistlosigkeit bei all dem Lärm — diese Banalität und zugleich Selbstgefälligkeit all dieser Leute! Was gäbe ich darum, Ihren kritischen Eindruck zu hören!«
»Ihre Vermutungen sind vollkommen irrig! Mein Verstand war mit weit reizvolleren Dingen beschäftigt. Ich habe darüber nachgedacht, was ein Paar schöne Augen im Gesicht einer hübschen Frau vermögen.«
Miss Bingley heftete sofort ihre Augen auf die seinen, in dem Wunsch, die glückliche Urheberin dieser Betrachtungen zu sein.
»Ich dachte an Miss Elizabeth Bennet«, fuhr Mr. Darcy mit großer Unerschrockenheit fort.
»Miss Elizabeth Bennet?«, wiederholte Miss Bingley. »Ich bin starr vor Staunen. Seit wann genießt sie diesen Vorzug? — Darf man vielleicht schon bald gratulieren?«
»Ebendiese Frage hatte ich von Ihnen erwartet. Die Phantasie einer Dame springt in einem Augenblick von Bewunderung zu Liebe und von Liebe zu Ehe. Ich wusste, dass Sie mich beglückwünschen würden.«
»Oh, wenn es Ihnen bereits so ernst ist, dann betrachte ich die Angelegenheit als abgemacht. Sie werden eine entzückende Schwiegermutter bekommen, und sie wird natürlich immer bei Ihnen in Pemberley weilen!«
Darcy hörte vollkommen gleichgültig zu, während sie sich ausgiebig dem Thema hingab, immer lebhaftere Zukunftsbilder malte und ihren Gedanken freien Lauf ließ, da seine Gelassenheit ihr die Gewissheit gab, dass keine Gefahr bestand.
Mr. Bennets Vermögen bestand fast ausschließlich aus einem Gut, das zweitausend Pfund im Jahr einbrachte und zum Unglück seiner Töchter beim Ausbleiben eines männlichen Erben an einen entfernten Verwandten fallen würde. Das Vermögen ihrer Mutter, obgleich seinerzeit großzügig für ihren Stand, konnte die Geringfügigkeit des väterlichen kaum ausgleichen. Ihr Vater war Anwalt in Meryton gewesen und hatte ihr viertausend Pfund hinterlassen.
Ihre Schwester war mit Mr. Philips, einem früheren Bürovorsteher ihres Vaters, verheiratet, der dann dessen Kanzlei übernommen hatte, und ihr Bruder wohnte in London und betrieb ein respektables Geschäft.
Das Dorf Longbourn lag nur eine Meile von Meryton entfernt, eine sehr angenehme Strecke für die jungen Damen, die es drei- bis viermal in der Woche in die Stadt trieb, um ihre Tante und die Putzmacherin, die direkt gegenüber ihren Laden hatte, aufzusuchen. Die beiden Jüngsten der Familie, Catherine und Lydia, machten diese Besuche besonders häufig. Sie waren weniger beschäftigt als ihre Schwestern, und wenn sich nichts Besseres anbot, war ein Spaziergang nach Meryton genau das Richtige, um den Vormittag auszufüllen und Gesprächsstoff für den Abend zu sammeln, denn so wenig Neuigkeiten es im Allgemeinen auf dem Land auch gab, ihrer Tante fehlte es nie daran. Und gerade jetzt war die Ausbeute an vergnüglichen Neuigkeiten besonders groß, da kürzlich ein Freiwilligenregiment eingetroffen war, das den ganzen Winter in der Gegend bleiben sollte und Meryton zu seinem Hauptquartier erkoren hatte.
Mrs. Philips verfügte über die interessantesten Nachrichten. Jeden Tag vergrößerte sich ihr Wissen hinsichtlich der Namen und Verbindungen der Offiziere, und allmählich lernten sie auch die Offiziere selbst kennen. Mr. Philips machte allen seinen Besuch und eröffnete hierdurch seinen Nichten eine Quelle ungeahnter Freuden. Sie sprachen nur noch von Offizieren. Selbst Mr. Bingleys stattliches Vermögen, bei dessen Erwähnung ihre Mutter jedes Mal auflebte, war in ihren Augen bald weniger wert als der Rock eines Fähnrichs.
Nachdem Mr. Bennet sich einen Morgen lang ihre Schwärmereien angehört hatte, bemerkte er kühl:
»Nach allem, was ich euren Gesprächen entnehme, seid ihr die albernsten Dinger im ganzen Land. Ich hatte es längst vermutet, aber jetzt bin ich überzeugt davon.«
Catherine schwieg verlegen, aber Lydia fuhr vollkommen ungerührt fort, von Captain Carter zu schwärmen und dass sie hoffe, ihn im Laufe des Vormittags zu treffen, da er am nächsten Tag nach London fahren würde.
»Ich bin sehr erstaunt, mein Lieber«, sagte Mrs. Bennet, »wie bereitwillig du deine eigenen Kinder für albern erklärst. Wenn ich schon von jemandes Kindern abfällig denke, so sicher nicht von meinen eigenen.«
»Wenn meine Kinder albern sind, muss ich mir wenigstens dessen bewusst sein.«
»Ja, aber trotz alledem sind die unseren doch sehr klug.«
»Dies ist der einzige Punkt, so schmeichle ich mir, in dem wir nicht übereinstimmen. Ich hatte gehofft, wir wären in jeder Hinsicht einer Meinung, aber meine unterscheidet sich dergestalt von deiner, dass ich unsere beiden jüngsten Töchter für außergewöhnlich töricht halte.«
»Mein lieber Mr. Bennet, du darfst von Mädchen dieses Alters nicht die gleiche Vernunft erwarten wie von ihren Eltern. Wenn die Kinder in unser Alter kommen, werden sie wenig an Offiziere denken wie wir. Ich erinnere mich an Zeiten, in denen ich selbst einen roten Rock gern sah — und insgeheim tue ich es noch heute, und wenn ein schneidiger junger Colonel mit fünf- oder sechstausend im Jahr eine meiner Töchter haben möchte, so werde ich nicht nein sagen. Ich fand, dass Colonel Forster neulich bei Sir Williams in seiner Uniform sehr gut aussah.«
»Mama«, rief Lydia, »Tante sagt, dass Colonel Forster und Captain Carter nicht mehr so oft zu Miss Watson gehen wie im Anfang; sie sieht die beiden jetzt häufiger in Clarkes Bücherei.«
Der Eintritt des Hausdieners, der eine Nachricht aus Netherfield für Miss Bennet brachte, hinderte Mrs. Bennet an einer Erwiderung. Der Bote wartete auf Antwort. Mrs. Bennets Augen strahlten vor Freude, und während ihre Tochter las, rief sie neugierig:
»Nun Jane, wer schreibt denn? Um was handelt es sich? Was schreibt er? Jane, so beeile dich doch und sag es uns. Beeil dich, mein Liebling!«
»Der Brief ist von Miss Bingley«, sagte Jane und las vor:
Meine liebe Freundin!
Haben Sie Mitleid und speisen Sie heute mit Louisa und mir. Ansonsten besteht die Gefahr, dass wir uns für den Rest unseres Lebens hassen, denn ein ganztägiges Tête-à-Tête zwischen zwei Frauen, wird nie ohne Streit enden. Kommen Sie, sobald Sie können. Mein Bruder und die anderen Herren speisen im Casino.
Stets die IhreCaroline Bingley
»Mit den Offizieren!«, rief Lydia. »Es wundert mich, dass Tante uns das nicht erzählt hat.«
»Sie speisen auswärts«, folgerte Mrs. Bennet, »das ist sehr ungünstig.«
»Kann ich den Wagen haben?«, bat Jane.
»Nein, meine Liebe, du reitest besser, denn es sieht aus, als wollte es regnen. Und in dem Fall musst du über Nacht bleiben.«
»Das ist ein guter Plan«, warf Elizabeth ein, »aber vielleicht bietet man ihr für den Heimweg einen Wagen an!«
»Oh! Die Herren brauchen den Wagen ja, um nach Meryton zu fahren, und die Hursts haben keine eigenen Pferde.«
»Ich würde viel lieber fahren.«
»Aber mein liebes Kind, dein Vater kann die Pferde sicher nicht entbehren. Sie werden auf dem Hof gebraucht, nicht wahr, Mr. Bennet?«
»Sie werden viel öfter auf dem Hof gebraucht, als ich sie dort zur Verfügung stellen kann.«
»Aber wenn du sie heute brauchst«, sagte Elizabeth, »passt es in Mutters Pläne.«
Schließlich entrang sie ihrem Vater die Bestätigung, dass die Pferde gebraucht würden. Jane musste also reiten, und ihre Mutter begleitete sie unter zahlreichen munteren Schlechtwetterprognosen zur Tür, die sich auch bald bewahrheiteten. Jane war noch nicht weit gekommen, als ein heftiger Regen einsetzte. Ihre Schwestern waren besorgt, aber ihre Mutter war begeistert. Es regnete ununterbrochen den ganzen Abend. Jane konnte wirklich nicht zurückkommen.
»Was für eine gute Idee von mir!«, rief Mrs. Bennet mehr als einmal, als sei der Regen ihr zu verdanken. Doch sie wurde sich erst am nächsten Morgen der ganzen Tragweite ihres Glückes bewusst, als nach dem Frühstück ein Diener aus Netherfield folgenden Brief für Elizabeth brachte:
Meine liebste Lizzy!
Ich fühle mich heute Morgen gar nicht wohl, was sicher daher rührt, dass ich gestern völlig durchnässt hier ankam. Meine Freundinnen wollen mich nicht eher wieder nach Hause lassen, bis es mir wieder ganz gut geht. Sie bestehen darauf, dass ich Mr. Jones konsultiere. Sei also nicht beunruhigt, wenn Du hörst, dass er meinetwegen gerufen wurde — und außer Halsentzündung und Kopfweh nichts festgestellt hat.
Deine Jane
»Also meine Liebe«, sagte Mr. Bennet, als Elizabeth geendet hatte, »wenn deine Tochter ernstlich erkrankt ist — wenn sie sterben sollte, wäre es ein großer Trost zu wissen, dass alles Mr. Bingley zuliebe und nach deinen Anweisungen geschehen ist.«
»Oh! Darum sorge ich mich nicht! Man stirbt nicht an einer kleinen unbedeutenden Erkältung. Sie ist in guten Händen, und solange sie dort bleibt, ist alles in Ordnung. Ich werde hinfahren, um sie zu besuchen, wenn ich den Wagen bekommen kann.«
Elizabeth war so besorgt, dass sie Jane auch besuchen wollte, wenn sie den Wagen nicht haben konnte, und da sie ungern ritt, sagte sie, sie wolle sich zu Fuß auf den Weg machen.
»Wie kannst du nur so albern sein, bei diesem Schmutzwetter dergleichen zu erwägen«, rief ihre Mutter! »Man wird dich nicht empfangen, wenn du dort ankommst.«
»Jane wird mich immer empfangen — und mehr will ich nicht.«
»Ist das ein Hinweis für mich, Lizzy?«, fragte ihr Vater. »Soll ich die Pferde holen lassen?«
»Nein, durchaus nicht. Ich mache gern einen Spaziergang. Es ist nicht weit, wenn man ein Ziel hat. Es sind ja nur drei Meilen. Zum Abendessen bin ich wieder zurück.«
»Ich bewundere deine Entschlossenheit und Fürsorge«, bemerkte Mary, »aber jede Gefühlsregung sollte von Vernunft geleitet sein und das Bemühen immer in einem gewissen Verhältnis zum Erfolg stehen.«
»Wir begleiten dich bis Meryton«, sagten Catherine und Lydia. Elizabeth war einverstanden, und die drei machten sich auf den Weg.
»Wenn wir uns beeilen«, drängte Lydia unterwegs, »treffen wir vielleicht Captain Carter noch an, ehe er aufbricht.«
In Meryton trennten sie sich. Die beiden Jüngeren besuchten die Gattin eines Offiziers, und Elizabeth setzte ihren Weg allein fort. Sie überquerte schnellen Schrittes ein Feld nach dem anderen, sprang über Gatter, hüpfte in ungeduldiger Eile über Pfützen, und als das Haus endlich in Sicht kam, hatte sie schmutzige Strümpfe, ihre Fußgelenke schmerzten, und ihr Gesicht glühte von der Bewegung an der frischen Luft.
Sie wurde in den Frühstücksraum geführt, wo alle, außer Jane, versammelt waren. Ihr Erscheinen rief großes Erstaunen hervor. Mrs. Hurst und Miss Bingley konnten kaum glauben, dass sie so früh am Tage bereits drei Meilen zu Fuß gegangen war, obendrein in solch schmutzigem Wetter und mutterseelenallein. Und Elizabeth war überzeugt, dass man sie deswegen verachte. Sie wurde jedoch sehr höflich empfangen, und Mr. Bingley verriet sogar mehr als Höflichkeit. Er war guter Stimmung und sehr liebenswürdig. Mr. Darcy sagte nur wenig und Mr. Hurst überhaupt nichts. Ersterer schwankte zwischen Bewunderung für ihr strahlendes, frisches Aussehen und dem Zweifel, ob der Anlass es rechtfertige, einen so weiten Weg allein zu machen. Mr. Hurst dachte nur an sein Frühstück.
Die Antwort auf ihre Frage nach Janes Befinden fiel nicht günstig aus. Jane habe schlecht geschlafen, sei zwar nicht im Bett, aber sehr fiebrig und nicht wohl genug, um das Zimmer zu verlassen. Elizabeth war froh, dass man sie gleich zu ihr führte, und Jane, die nur die Furcht, Sorge oder Umstände zu bereiten, davon abgehalten hatte, in ihrem Brief ihre Sehnsucht nach einem solchen Besuch zu äußern, war überglücklich, als ihre Schwester eintrat. Sie war aber zu einer längeren Unterhaltung außerstande, und als Miss Bingley die Schwestern allein ließ, sprach sie nur voll Dankbarkeit von der außergewöhnlichen Güte, mit der man sie behandle. Elizabeth umsorgte sie schweigend.
Nach dem Frühstück gesellten sich die Damen wieder zu ihnen, und auch Elizabeth dachte etwas besser von ihnen, als sie sah, wie liebevoll und besorgt sie sich um Jane kümmerten. Der Apotheker kam und erklärte, nachdem er seine Patientin untersucht hatte, dass sie sich, wie vermutet, eine schwere Erkältung eingefangen habe und dass sie sich nach Kräften bemühen müssten, diese zu besiegen. Er verordnete Bettruhe und versprach, einige Tinkturen zu schicken. Beflissen folgte man seinem Rat, denn das Fieber stieg, und Jane bekam heftige Kopfschmerzen. Elizabeth verließ das Zimmer keinen Augenblick und auch die anderen Damen blieben selten fern. Allerdings hatten sie auch sonst nicht viel zu tun, da die Herren ausgegangen waren.
Als es drei Uhr schlug, musste Elizabeth an den Heimweg denken. Miss Bingley bot ihr den Wagen an, es hätte nur eines kleinen Zuspruches bedurft und Elizabeth hätte das Angebot angenommen. Aber da Jane so bekümmert über die bevorstehende Trennung war, sah Miss Bingley sich genötigt, ihr Angebot in die Einladung zu verwandeln, Elizabeth möchte fürs Erste in Netherfield bleiben. Sie nahm dankbar an, und ein Diener wurde nach Longbourn geschickt, um die Familie von ihrem Bleiben zu unterrichten und Kleidung zum Wechseln zu holen.
Gegen fünf Uhr zogen sich die beiden Damen zum Umkleiden zurück, und um halb sieben wurde Elizabeth zum Essen gerufen. Auf die liebenswürdigen Fragen, mit denen man sie bedrängte, konnte sie keine günstige Antwort geben. Zu ihrer Freude bemerkte sie, dass auch Mr. Bingley ehrlich besorgt war. Jane fühlte sich keineswegs besser. Die Schwestern vernahmen es mit wiederholten Ausrufen des Bedauerns und der Feststellung, wie schrecklich es wäre, an einer starken Erkältung zu leiden, und wie sehr es ihnen missfallen würde, selbst krank zu sein. Doch schon bald dachten sie nicht mehr daran, und ihre Gleichgültigkeit gegenüber Jane, kaum war sie ihrem Blickfeld entrückt, gestattete es Elizabeth, ihre ganze ursprüngliche Abneigung gegen die beiden wiederaufleben zu lassen.
Mr. Bingley war tatsächlich der Einzige von allen, der ihre Zustimmung fand. Seine Besorgnis um Jane war unverkennbar, und die Aufmerksamkeit, die er ihr selbst bekundete, bewahrte sie davor, sich in dem Maße als Eindringling zu fühlen, wie das Verhalten der anderen es nahelegte. Er war der Einzige, der ihr Beachtung schenkte. Miss Bingley und ihre Schwester waren ganz von Mr. Darcy in Besitz genommen, und Mr. Hurst, der neben Elizabeth saß, war ein träger Mann, der nur für Essen, Trinken und Kartenspiele lebte, und als er merkte, dass sie ein einfaches Gericht dem feineren Ragout vorzog, hatte er ihr nichts mehr zu sagen.
Nach Tisch kehrte sie zu Jane zurück, und Miss Bingley fiel über sie her, sobald sie den Raum verlassen hatte. Ihre Manieren seien schlecht, eine Mischung aus Stolz und Unverschämtheit, sie wisse sich nicht zu unterhalten, besitze weder Stil noch Geschmack oder Schönheit.
»Kurz gesagt, sie besitzt nichts, das für sie spricht«, pflichtete Mrs. Hurst ihr bei, »außer, dass sie gut zu Fuß ist. Ich werde nie vergessen, in welcher Verfassung sie heute Morgen hier auftauchte. Sie sah fast aus wie eine Wilde!«
»Ja, wirklich, Louisa! Ich konnte kaum an mich halten. Was für ein Unsinn, überhaupt zu kommen! Sich so in der Gegend herumzutreiben, nur weil ihre Schwester sich erkältet hat! Ihr Haar, so unordentlich und zerzaust!«
»Ja, und ihr Unterkleid! Hast du ihr Unterkleid gesehen? Es hat bestimmt sechs Zoll tief im Schmutz gesteckt; da konnte das Kleid auch nichts mehr verbergen, als sie es heruntergelassen hatte.«
»Deine Schilderung ist ja sehr genau, Louisa«, sagte Bingley, »aber davon ist mir nichts aufgefallen. Ich fand, Miss Elizabeth Bennet sah bewundernswert gut aus, als sie heute Morgen ins Zimmer trat. Ihr schmutziges Unterkleid habe ich nicht einmal bemerkt.«
»Aber Sie doch bestimmt, Mr. Darcy!«, rief Miss Bingley. »Und sie würden es gewiss auch nicht gerne sehen, wenn Ihre Schwester eine solche Vorstellung gäbe.«
»Gewiss nicht.«
»Überhaupt, drei, vier oder fünf Meilen, gleichgültig, wie viele es sein mögen, zu Fuß zu gehen, bis über die Knöchel im Schlamm und dann noch allein, ganz allein! Was sie wohl damit bezweckte? Wahrscheinlich wollte sie damit ihre abscheuliche aufgeblasene Unabhängigkeit beweisen, eine richtig hinterwäldlerische Gleichgültigkeit gegenüber allem Anstand.«
»Ihr Verhalten verrät eine sehr erfreuliche Zuneigung zu ihrer Schwester«, sagte Bingley.
»Ich fürchte, Mr. Darcy«, tuschelte Miss Bingley Selbigem zu, »dieses Abenteuer hat Ihrer Bewunderung für jene schönen Augen einigermaßen Abbruch getan.«
»Nicht im Geringsten«, erwiderte dieser. »Sie strahlten geradezu nach dem Spaziergang.« Es folgte eine kurze Pause, und wieder ließ Mrs. Hurst sich vernehmen.
»Ich habe die größte Achtung vor Jane Bennet. Sie ist wirklich ein sehr liebes Mädchen, und ich wünsche ihr von ganzem Herzen eine gute Partie. Aber bei den Eltern und einer derart gewöhnlichen Verwandtschaft hat sie keine großen Aussichten.«
»Sagtest du nicht, ihr Onkel sei Rechtsanwalt in Meryton?«