Straßburg abseits der Pfade - Emily Walton - E-Book

Straßburg abseits der Pfade E-Book

Emily Walton

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Beschreibung

Begleiten Sie Reisejournalistin Emily Walton in Straßburg abseits der Pfade auf ihren Spaziergängen und Radtouren zu verborgenen Plätzen, lauschen Sie ihren Gesprächen mit Einheimischen und entdecken Sie kulinarische Köstlichkeiten. Ihre Wege führen durch enge Gassen ins Anatomische Theater im alten Bürgerspital, in dem schon Johann Wolfgang von Goethe Leichen sezierte, in den Seitentrakt der Bains Municipaux, wo die Straßburger einst sich und ihre Hunde wuschen, oder auf den Turm der Kirche Ste. Aurélie, in dem die älteste Glocke Straßburgs hängt. Spätestens wenn Sie zu Fuß über die "Brücke der zwei Ufer" gehen, um von der deutschen Seite aus einen Blick auf Straßburg zu werfen, wird Ihnen klar: Frankreich kennt man - das Elsass liebt man.

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Seitenzahl: 158

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Emily Walton

Straßburg abseits der Pfade

EMILY WALTON

Straßburg

ABSEITS DER PFADE

Eine etwas andere Reise durchdie Hauptstadt des Elsass

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie – detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

1. Auflage 2015© 2015 by Braumüller GmbHServitengasse 5, A-1090 Wienwww.braumueller.at

Fotos: © Emily WaltonAndere Bezugsquellen:S. 55, 70: © Hélène Hilaire – Agence JouinManku; S. 89: genevieveboutry.frCoverfoto: © Markus Trienke | flickr.com (CC BY-SA 2.0)Karten S. 6–7: wikicommons | basierend auf: © Rudloff.Carte des quartiers de Strasbourg (CC BY-SA 3.0)ISBN Printausgabe: 978-3-99100-140-9

ISBN E-Book: 978-3-99100-141-6

Inhalt

Erste Annäherung

Zum Lust-Bekommen

Waschen, zeichnen und Zigarren rollen:Ein Streifzug durch die Krutenau

Die Stadt in der Stadt:Rund um das historische Spital

Ein Abstecher zum Münster.Sehen, was die anderen nicht sehen

Versteckte Perlen im Bahnhofsviertel

Ein Spaziergang durch das Quartier Allemand

Neben dem EU-Parlament ist immer Frühling

Mit dem Rad nach Robertsau

Von Frankreich nach Deutschland:Ein Besuch in Kehl

Straßburg auf einen Blick

Route: Krutenau

A

Bains Municipaux

B

St. Guillaume

C

Restaurant Coccinelle

Route: Spital

D

La Brasserie Les Haras

E

Cave Historique des Hospices de Strasbourg

F

Pont du Corbeau

Route: Münster

G

Gruft der Zukunft

H

Ungerer-Sammlung im Musée des Arts Décoratifs

I

Münsterbauhütte

Route: Bahnhof

J

Ste. Aurélie

K

Voodoo-Museum im Wasserturm

L

Des Kaisers Warteräume, Bahnhof Straßburg

Route: Quartier Allemand

M

Synagoge de la Paix

N

Justizpalast

O

Dernières Nouvelles d'Alsace

Route: EU

P

Villa Herrenschmidt

Q

S' Wacke Hiesel

R

Berliner Mauer in Straßburg

Route: Robertsau

S

Cité Spach

T

Hommage an Lydia

U

Schloss Pourtalès

Route: Kehl

V

Passerelle des Deux Rives

W

Kehl Bahnhof

X

Weißtannenturm

Erste Annäherung

Ich erinnere mich gut an meinen ersten Besuch in Straßburg vor einigen Jahren: Wenn ich die Augen schließe, kann ich den Teig meiner ersten Brezel schmecken, die ich in einer kleinen Bäckerei am Place Kléber kaufte. Kann das Geräusch hören, das die zwei bunten Kougelhopf-Formen machten, als sie in meiner Tragetasche aneinanderschlugen. Ich hatte sie in einer Töpferei hinter dem Place de la Cathédrale gekauft. Kann noch spüren, wie meine Oberschenkelmuskeln zuckten, nachdem ich über 300 Stufen hinauf auf den Münsterturm gestiegen war.

Bereits damals stellte ich fest: Straßburg ist verführerisch, ansprechend und überschaubar. Wenn man sich ausschließlich in der Touristenzone aufhält, kann Straßburg auch recht kitschig sein. Das ist in Ordnung so. Niemand möchte auf seinem Städtetrip in einer charakterlosen, uncharmanten Betonwüste landen.

Ich mochte Straßburg auf Anhieb. Der Beweis dafür ist, dass ich kurz nach diesem ersten Besuch den nächsten plante. Viele weitere folgten. Nachdem ich einige Male Hotels in der Stadt gebucht hatte, wurde mir klar: In Straßburg funktioniert die Hotellerie nicht so wie in anderen Städten. Mal sind die Preise mit anderen beliebten europäischen Destinationen vergleichbar. Mal sind sie aber horrend hoch. Mehr als einmal habe ich Hotelrezeptionisten mit meinem Nachhaken geplagt, in der Hoffnung, sie hätten nur einen Fehler gemacht, den Preis falsch übersetzt.

Inzwischen weiß ich: Wenn die Hotels das Dreifache des üblichen Preises kosten, dann liegt es vermutlich daran, dass gerade Parlamentswoche ist. Einmal im Monat tagen die 751 EU-Abgeordneten in Straßburg statt in Brüssel. Für den Tross aus Politikern, Mitarbeitern, Journalisten und Kisten gefüllt mit Unterlagen wird sogar ein eigener Zug gemietet. Die begehrten Hotels sind lange im Voraus ausgebucht. Vier Tage lang bevölkern die Eurokraten die Stadt: Die Restaurants sind voller, die Zahl der Anzugträger ist höher. Nach der Abreise der Parlamentarier (immer donnerstags) fallen die Hotelpreise auf ein normales Niveau. Damit ist Straßburg als Wochenendziel bestens geeignet.

Um ein erstes Gefühl für die Stadt zu bekommen, reichen zwei, drei Tage. Aber wie gesagt, das reicht nur, um zu „schnuppern“ und um die touristischen Sehenswürdigkeiten abzudecken. Nimmt man sich Straßburg mitten in der Hochsaison vor (vor Weihnachten während des Christkindlmarkts sowie in den Sommermonaten), so wird man nach 72 Stunden vermutlich auch genug von der UNESCO gelisteten GrandeÎle haben. Ein Spaziergang durch das verwinkelte, idyllische Petite France kann an einem heißen Tag Nerven kosten: Ständiges Stop-and-Go beeinträchtigt das Gehen: Entweder man hält an, um nicht vor eine Kamera zu laufen, oder wird angehalten, um eine Gruppe aufgeregter Touristen zu fotografieren.

Die Sehnsucht nach Luft, Raum und günstigeren Hotelpreisen führte dazu, dass ich mich auf die Suche nach dem authentischen, modernen und interkulturell geprägten Straßburg machte. Mal buchte ich ein Hotel im Wohnviertel Montagne Verte, mal im Gewerbegebiet La Meinau, ein anderes Mal ein Chambre d’Hôtes, eine Frühstückspension, in der Randlage Robertsau. Dort also, wo sich der Alltag abspielt. Wo man bepackten Kindern begegnet, die zum Baggersee fahren, und müden Büroangestellten, die in der Tram von ihrem Lieblingsfußballclub, etwa dem deutschen FC Kaiserslautern, schwärmen. (Kaiserslautern liegt keine zwei Autostunden entfernt.) Ich traf die „normalen“ Straßburger, die nicht jeden Tag Sauerkraut und Schweinefleisch essen und nicht die Zeit haben, jede Woche Kougelhopf zu backen. Die meisten von ihnen wissen weder, wann die Kathedrale nachts beleuchtet wird, noch, wann die Museen geöffnet sind. Auch nicht, ob gerade Parlamentswoche ist.

Ob es notwendig ist, dass das EU-Parlament seinen Sitz in Straßburg hat und einmal im Monat eine Pendlerwelle von Brüssel gen Süden rollt, darüber kann sich jeder selbst eine Meinung bilden. Fakt ist, dass die Ansiedlung auch dazu beigetragen hat, dass sich die Stadt deutlich größer anfühlt, als andere mit gut 270.000 Einwohnern. Das mag auch daran liegen, dass viele Deutsche, die auf der anderen Seite der Grenze wohnen, nur wenige Autominuten entfernt, in die Hauptstadt des Elsass kommen – für ein Konzert, ein Abendessen, einen Stadtbummel. Lebendigkeit bringen auch die rund 45.000 Studenten, die hier forschen, lernen und ganz nebenbei der Stadt einen modernen Anstrich geben, z. B. mit Lesebühnen, Impro-Theater und Pop-up-Märkten. Zugegeben, in einem recht kleinen Umfang: Straßburg ist nicht so trendy wie London, nicht so hip wie Berlin und nicht so nachtaktiv wie Barcelona. „Lieblich“ kommt einem eher in den Sinn, sinniert man bei einem Glas Wein hinter karierten Vorhängen in einer Winstub. Wer allerdings die versteckten Seiten, das wahre Straßburg, entdeckt, wird sehen, dass diese Stadt lebenswert, leistbar und überhaupt nicht langweilig ist.

Straßburg hat mehr zu bieten als die typischen Fachwerkhäuser.

Zum Lust-Bekommen

Was gibt es zu sehen?

Nehmen Sie Zettel und Stift zur Hand und machen Sie ein kurzes Brainstorming. Was fällt Ihnen zu Straßburg ein? Fachwerkhäuser, Kathedrale, Brezeln, Wein, Touristenmassen, Kougelhopf-Formen, vielleicht auch Störche?

Es ist höchst unwahrscheinlich, dass auf Ihrem Zettel „Jugendstil-Schwimmbad“, „Schrebergartenkunst“, „ehemaliges Nationalgestüt“ oder „historische Geburtenzangen-Sammlung“ stehen. (Und wenn, dann haben Sie vermutlich geschummelt – und das Buch schon gelesen!)

Straßburg ist eine Stadt der verborgenen Schätze, die zum Glück verborgen bleiben, weil der Großteil der Besucher auf die Top-Sehenswürdigkeiten fokussiert ist: auf die beinahe 1.000 Jahre alte Kathedrale, auf das mittelalterliche Maison Kammerzell, das verwinkelte und daher immer überfüllte Viertel Petite France, die Gedeckten Brücken Ponts Couverts und im Winter auf den Christkindlmarkt. Während die Touristentrauben sich durch enge Gassen schieben, ist ein Spaziergang jenseits der Grande-Île inspirierend, befreiend – und erholsam. Nicht nur einmal bin ich, sogar in der Hochsaison, ganz alleine durch eine Gasse geschlendert. Und das nur einige Hundert Meter Luftlinie von der Kathedrale entfernt.

„Hommage an Lydia“: Das Schrebergartenhaus aus Bronze ist ein Ort der Ruhe.

Die Reste der alten Stadtmauer in der Rue du Fossé des Orphelins musste ich bei meinem letzten Besuch nur mit einem knutschenden Teenagerpärchen teilen, das alte Kriegstor im Bahnhofsviertel bestaunte ich bloß im Beisein einer Otterfamilie, und die kleine Bank vor dem Kunstwerk „Hommage an Lydia“ im Stadtteil Robertsau hatte ich schon mehrmals nur für mich.

Obwohl man Straßburg mit mittelalterlichen Fachwerkhäusern in Verbindung bringt, hat die Stadt viel mehr zu bieten: Natur, Kunst und Architektur, die nichts mit den klassischen Holzbalken und kleinen Fenstern zu tun hat. Abseits der üblichen Pfade spaziert man vorbei an Gründerzeitvillen, gotischen Kirchtürmen, romanischen Arkadengängen und Palästen im neohellenistischen Stil. Es lohnt sich, mit dem Blick nach oben gerichtet durch die Straßen zu gehen. So wird man nicht nur wunderschöne Giebel und Zinnen sehen, sondern auch so manches versteckte Rokokofenster oder das verschmitzte Gesicht der einen oder anderen Steinfigur entdecken.

Unten auf dem Gehsteig ist Straßburg nicht weniger bunt. Als Sitz des Europäischen Parlaments und Zentrum des Elsass ist es ein Zuhause für verschiedene Nationalitäten und Religionsgruppen, die der Stadt ihren vielschichtigen Charakter verleihen: Spätestens nachdem man morgens in einer koscheren Bäckerei im Quartier Allemand Frühstück gekauft und nachmittags Opfergaben der westafrikanischen Voodoo-Glaubensgemeinschaft im einstigen Wasserturm bestaunt hat, wird man diese faszinierende Stadt zu schätzen wissen.

Einzigartig: das Voodoo-Museum in Straßburg

Wie entdecke ich die Stadt?

Um die Innenstadt, die Grande-Île, zu erkunden, haben Sie nur eine Möglichkeit: Sie müssen die engen Straßen rund um das Münster zu Fuß erkunden, denn Autos sind nur für Lieferungen zugelassen. Gut so, denn der majestätische Place Kléber oder der Place de la Cathédrale hätten fürwahr eine ganz andere Stimmung, würden hier ungeduldige Autofahrer hupen und den Motor aufheulen lassen.

Alles, was jenseits der Grande-Île liegt, ist mit der Tram zu erreichen. Mit dem Auto steht man höchstens im Stau, Busse fahren nur außerhalb des Zentrums. Zunächst waren die Trams in Straßburg für mich gewöhnungsbedürftig. Mit ihren großen Glasfenstern und den spitz zulaufenden Enden wirken sie futuristisch und anfangs schienen sie mir zu modern für diese mittelalterlich geprägte Stadt.

Inzwischen aber ist die Tram für mich zu einem Symbol für Straßburg geworden, zu einem Beweis, dass man hier die Vergangenheit mit der Gegenwart verbindet und sich für die Zukunft rüstet. Dies wird besonders ersichtlich am zentral gelegenen Place Broglie, wo die hypermoderne Tram an den historischen Gebäuden, etwa der Banque de France und dem Theater, vorbeizieht. Besser: vorbeigleitet. Lautes Rattern oder Gebimmel ist selten, selbst die breiten Türen schieben sich fast geräuschlos auf.

Die Haltestelle „Homme de Fer“ ist Drehscheibe im Zentrum.

Zunächst war ich wenig erfreut, auf die Tram angewiesen zu sein. In anderen Städten bin ich zu oft in einer Tram gesessen, die hinter einem Auto stecken geblieben ist. In Straßburg hat man das Leben auf die Straßenbahnen ausgerichtet: Die Intervalle sind kurz, selbst an Wochenenden und Feiertagen kommt man mühelos voran.

Die Tram ist damit das wichtigste Verkehrsmittel der Stadt. Zumindest bei Schlechtwetter. Bei Schönwetter sind die Straßburger ein fahrradfahrendes Volk. Mit über 400 Kilometern an Radwegen verfügt Straßburg über das dichteste städtische Netz in ganz Frankreich. Dank des Fahrradverleihs Vélhop bleibt es dem Besucher nicht vorenthalten mitzuradeln.

Was gibt es zu essen?

Alles, müsste die Antwort lauten. Egal ob man Lust auf Sushi, Curry oder Burger hat – in Straßburg werden Sie sicher alle Gelüste stillen können. Grundsätzlich aber rate ich dazu, sich zunächst an der elsässischen Küche satt zu essen – und wenn dann Bedarf nach Abwechslung besteht, die Restaurants aus aller Welt auszuprobieren.

Wie beschreibt man die elsässische Küche am besten?

„Deftig und fleischlastig“, werden die einen sagen, wenn sie an ihre letzte Boudin Noir (Blutwurst) oder Schiffala (geräucherte Schweinsschulter) denken.

„Bodenständig“, sagen die anderen und erinnern sich an Spätzle und Rösti. Gerichte, die aus einfachen Zutaten bestehen, die jeder Bauer früher in seiner Küche hatte.

„Leicht und luxuriös“ können die Speisen aber auch sein: Ein Zanderfilet in Rieslingsoße liegt nicht schwer im Magen. Vorsichtiger sollte man allerdings bei Foie Gras sein, allzu große Mengen der exquisiten Leberpastete können schwer verdaulich sein.

„Kinderfreundlich“ habe ich im Zusammenhang mit der elsässischen Küche auch schon gehört: Einen Flammkuchen von einem Holzbrett zu essen, macht eben Spaß. Und mit Fleischbällchen – hier Fleischkiechle genannt – kann man nicht danebenliegen.

Deftig, aber schmackhaft: die Speisen in der Straßburger Winstub

„Aufwendig“, kommt so manchem in den Sinn. Das Gericht Baeckeoffe (diverse Fleischsorten mit Gemüseeinlage in einer Suppenbrühe) schmort stundenlang im Ofen vor sich hin. Um es in einem Lokal zu genießen, muss man leider in die typisch touristischen Restaurants, da nur sie die Speise „vorbereitet“ haben.

„Gewöhnungsbedürftig“ ist vielleicht auch ein Attribut, das so mancher der Küche zuschreiben würde: Kalbsnieren und Weinbergschnecken sind nicht jedermanns Sache.

„Köstlich!“, lautet mein persönliches Fazit, nachdem ich während meiner vielen Aufenthalte die Speisekarten meiner liebsten Winstuben rauf- und runterbestellt habe.

Was gibt es zu trinken?

Sie werden jetzt erwarten, dass ich antworte: Wein. Ja natürlich. Und darüber werde ich noch schreiben. Zunächst aber antworte ich: Wasser. Denn in Straßburg, wie im Großteil Frankreichs, kommt schnell (und kostenlos) eine carafe d’eau auf jeden Tisch. (Hier ist von urigen Wirtshäusern die Rede, nicht von noblen Sternerestaurants.) Ein Zugeständnis der Wirte, denn sie wissen wohl, dass der Gast mehr Wein verträgt, wenn er Wasser dazu trinkt. Vermutlich wissen sie auch, dass Gäste eher gewillt sein werden, mehr Wein zu bestellen und mehr Trinkgeld zu hinterlassen, wenn sie nicht wie an anderen Reisedestinationen sieben Euro oder mehr für eine Flasche Mineralwasser zahlen müssen.

Zur Wasserkaraffe gesellt sich dann schnell die Weinkaraffe: Sylvaner, Pinot Blanc, Riesling, Muscat d’Alsace, Pinot Gris und Gewürztraminer sind die charakteristischen Weine der Region. (Im Elsass werden die Weine nach den Rebsorten etikettiert, nicht wie andernorts nach der Region, z. B. Bordeaux oder Côtes du Rhone.) Hinzu kommt der Edelzwicker, ein Cuvée aus verschiedenen Weißweinen. Und der Crémant, elsässischer Schaumwein.

Der einzige Rotwein der Region ist der Pinot Noir, ein Spätburgunder. Wer schwere Rotweine bevorzugt, muss einen anderen (französischen) Rotwein bestellen. Auch diesen gibt es oftmals in der Karaffe. Anders als in Deutschland oder Österreich, wo es nur einen (nicht immer hochwertigen) Hauswein gibt, bieten die Wirte in Straßburg ihre liebsten Weine aus der Region als Quart (Vierterl) oder Demi-Litre (Halbliter) an. Selbstverständlich gibt es Wein auch in Flaschen – aus der Region wie aus der ganzen Welt. Wer die Sorten durchkosten möchte, kann den Wein auch im Glas bestellen – und darauf hoffen, dass er im typischen Weinglas (langer, grüner Stiel, kleines Glasgefäß obenauf) serviert wird.

Wein, Wasser und hin und wieder einen Kaffee. Mehr bräuchte ich persönlich nicht, um das Leben zu genießen. Doch auch die Biertrinker kommen in Straßburg auf ihre Kosten: Das Bierbrauen hat im Elsass eine lange Tradition. Schon seit dem Mittelalter werden in der Nähe von Straßburg Gerste und Hopfen angebaut. Mehr als 50 Prozent des französischen Biers wird im Elsass gebraut, allerdings gehen die Meinungen auseinander, ob man dieses Bier auch wirklich „elsässisches Bier“ nennen kann. Der Bier-Multi Heineken übernahm Mitte der 1990er-Jahre die traditionelle Brauerei Fischer. Die Traditionsbrauerei Kronenbourg, die schon im 17. Jahrhundert gegründet wurde, gehört heute zur Carlsberg-Gruppe. Neben der einzigen großen unabhängigen Brauerei Méteor in Hochfelden (35 km von Straßburg) gibt es noch einige kleine Brauereien. Der aktuelle „Craft Beer“-Trend ist nicht an Straßburg vorübergezogen.

Dass Bier in der Region einen hohen Stellenwert hat, wird deutlich, wenn man an den Schaufenstern der Redaktion der Lokalzeitung Dernières Nouvelles d’Alsace vorbeigeht: Die Journalisten produzieren nicht nur Sonderausgaben zu Wein und Winzern, sondern auch zu heimischen Bieren und Braumeistern. Manch kreative Köpfe kombinieren beide Produkte: Der Straßburger Braumeister Christian Artzner (La Perle) hat gemeinsam mit dem Winzer Romain Fritsch aus Marlenheim das Bier „La Perle dans les Vignes“ auf den Markt gebracht, eine Kombination aus Bier, Riesling und Gewürztraminer.

Wie verständige ich mich?

Die jüngere Generation im Elsass spricht Englisch. Auch die nicht mehr ganz so Jungen im Dienstleistungssektor beherrschen diese Weltsprache. Allerdings kann es passieren, dass man das Englische erst aus dem Gegenüber „herauskitzeln“ muss. Gerne ist die erste Antwort auf die Frage „Parlez-vous anglais?“ ein kurzes, knappes „Non“. (Wie vielerorts in Frankreich.) Meist erfolgt dann aber eine kurze Kosten-Nutzen-Rechnung im Kopf des Franzosen. Hat er erkannt, dass es einfacher ist, Englisch zu sprechen als das französische Gestammel des Touristen zu ertragen, kann man sich plötzlich ganz passabel unterhalten.

Hören die Straßburger Sie auf Deutsch reden, kann es schnell passieren, dass sie in diese Sprache wechseln. Immer wieder begegnet man Kellnern oder Verkäufern, die fließend Deutsch sprechen, weil sie selbst aus Deutschland kommen, vorübergehend hier jobben oder weil sie deutsche Wurzeln bzw. Verbindungen haben – z. B. einen deutschen Elternteil oder einen deutschen Partner. Die Liebe machte noch nie vor einer Landesgrenze halt. Schon gar nicht in einer Grenzregion, in der die deutsch-französische Geschichte so verwoben ist.

Modern und ansprechend: der zentrale Place Kléber

Als Straßburg unter wilhelminischer Herrschaft war (nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870–71), bekam nahezu alles in der Stadt einen deutschen Namen. Jungen, die eigentlich Jean getauft worden wären, hießen nun Hans. Ihre Nachkommen wurden dann nach dem Ersten Weltkrieg, als Straßburg wieder französisch war, Jean getauft.

70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist Straßburg französisch. Zu behaupten, die Straßburger hätten sich sprachlich vollkommen von der Vergangenheit gelöst, wäre falsch. Das Elsässisch, eher eine deutsche Mundart als eine eigenständige Sprache, ist zwar vom Aussterben bedroht, aber noch immer zu finden. Vor allem die älteren Bewohner in Straßburg haben diesen Dialekt noch von ihren Vorfahren gelernt.

Nie vergessen werde ich eine Tramfahrt, während der ich zwei älteren Damen gegenübersaß, die ihre Sprache, Elsässisch, sprachen. Ich war so fasziniert von der schönen Sprachmelodie (und auch davon, dass ich sie verstehen konnte), dass ich verabsäumte auszusteigen.

Waschen, zeichnenund Zigarren rollen:Ein Streifzug durchdie Krutenau

Schwimmen auf vollen Magen

In Sachen Frühstück sind die Straßburger echte Franzosen. Die erste Mahlzeit des Tages fällt spärlich aus: ein Croissant oder ein Stück Baguette, dazu Kaffee. Vielleicht noch Saft und Marmelade. Mein liebster Ort, um in Straßburg ein Baguette in einen Grand Café zu tauchen, war lange Zeit das Café Brant. Eine Art Kult-Einrichtung in unmittelbarer Uni-Nähe. Seitdem das Gebäude Ende des 19. Jahrhunderts gebaut wurde, gab es hier ein Kaffeehaus, früher war das hiesige Café zur Universität stadtbekannt.

Während eines Straßburgbesuchs im November 2013 fand ich mich an einem Dienstagmorgen vor verschlossenen Türen. Ruhetag? Nein, denn auch am Mittwoch, Donnerstag und Freitag blieben die schweren, grauen Jalousien zu.

Ich hatte nicht mitbekommen, dass das Café Brant seine Pforten geschlossen hatte. Und auch nicht, dass dies die Straßburger empörte. Erst vor dem Laptop entdeckte ich die Aktion „Rettet das Café Brant“ im Internet.

Einige Wochen später durfte sich die Initiative, die mittlerweile mehr als 3.000 Unterstützer umfasste, freuen: Die Gerüchte, dass hier eine Bank einziehen könnte, waren zerschlagen. Weitere Umbaupläne des Hausbesitzers wurden durch die Stadt gestoppt.

Seit Herbst 2014 gibt es im Erdgeschoss dieses Gebäudes aus der Zeit der deutschen Herrschaft wieder ein Café Brant. Wenngleich es nicht mehr dasselbe Brant ist. Statt der roten Wände, der abgesessenen Holzstühle und der L-förmigen Bar stehen hier Polstermöbel, ordentlich zurechtgerückt; herausgeputzte Kellner bedienen an den schick gedeckten Tischen. Die Mittagsklientel, die sich Beef-Tatar und Lachs mit Zitronengras bestellt, ist keine studentische mehr. Das simple Frühstück (Demi-Baguette, Confiture, Beurre, Boisson Chaude) ist hingegen günstiger, für alle gemacht.