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Streitbar für den eigenen Glauben und die eigene Religion eintreten – mit zeitgemäßen Argumenten. In einer zunehmend säkularen Welt steht man schnell als Außenseiter oder gar Spinner da, wenn man mit anderen über Gott diskutiert. Vor den Mitarbeitern von Facebook und Google im Sillicon Valley stellt Robert Barron unter Beweis, dass sich auch im digitalen Zeitalter noch vernünftig um Religion, Gott und Glaube streiten lässt. Er gibt uns Argumente an die Hand, wie wir vernünftig und konstruktiv für Gott streiten können und die Religion dadurch unseren Geist öffnen kann.
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Seitenzahl: 114
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Robert E. Barron
Streiten wir für Religion
Robert E. Barron
Streiten wir für Religion
Glauben in der digitalen Welt
Übersetzt aus dem Englischen von Lukas Weber
Titel der Originalausgabe:
Arguing Religion. A Bishop Speaks at Facebook and Google
© 2018 by Word on Fire Catholic Ministries
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2023
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Die Bibelverse wurden, soweit nicht anders angegeben,folgender Ausgabe entnommen:
Die Bibel. Die Heilige Schriftdes Alten und des Neuen Bundes.Vollständige deutsche Ausgabe
© Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2005
Umschlagmotiv: © Word on Fire Catholic Ministries
Umschlaggestaltung: Verlag Herder
E-Book-Konvertierung:
Röser MEDIA GmbH & Co. KG, Karlsruhe
ISBN Print 978-3-451-39595-6
ISBN E-Book (EPUB) 978-3-451-83957-3
Vorwort von Johannes Hartl für die deutsche Ausgabe
Einführung: Mein Besuch bei Facebook und Google
Erster Teil: Wie führt man eine Debatte über Religion?
1. Der Glaube steht nicht im Gegensatz zur Vernunft
2. Die Überwindung der Wissenschaftsgläubigkeit
3. Sei intolerant gegenüber der Toleranz
4. Vermeiden wir eine Verabsolutierung des Willens
5. Versuche, die Position deines Gegners zu verstehen
6. Folgen wir dem Beispiel von Thomas von Aquin
Zweiter Teil: Religion und die Öffnung des Geistes
7. Ein Argument für die Existenz Gottes
8. Elija und die Priester des Baal
9. Der brennende Dornbusch
Schlusswort
Anmerkungen
Erster Teil: Wie führt man eine Debatte über Religion?
Zweiter Teil: Religion und die Öffnung des Geistes
Über den Autor
Barron ist ein Phänomen. In Zeiten, in denen die Kirche hierzulande nicht mehr aus den negativen Schlagzeilen herauszufinden scheint, zieht ein katholischer Bischof in den USA buchstäblich Millionen an. Dies wohlgemerkt nicht mit möglichst harmloser Befindlichkeitslyrik aus dem Genre der Kalendersprüche, sondern mit Vorträgen, die den Zuhörern einiges zumuten. Zuhörer freilich, die nicht eben typische Kirchgänger sind. Die Texte dieses Buches entstammen Vorträgen, die Barron nicht in seiner Bischofskirche hielt, nicht vor Theologen, sondern auf dem Facebook-Campus und im Hauptquartier von Google. In der Apostelgeschichte wird Paulus bei seinem Versuch beschrieben, ausgerechnet auf dem Areopag in Athen ins Gespräch über Jesus zu kommen. Eben jenem Areopag, wo mindestens schon seit den Zeiten des Sokrates im ungezwungenen Gespräch das verhandelt wird, was den Menschen allgemein und die Gesellschaft mit ihren aktuellen Fragen im Besonderen betrifft. Die Haltung, mit der Paulus in dieses Gespräch geht, ist bis heute kein bisschen selbstverständlich. Immerhin steht hier ein frommer Jude in einem der Epizentren des heidnischen Polytheismus. Ohne zu verurteilen, zu belehren, zu polemisieren, sucht Paulus Anknüpfungspunkte. Die heidnische Religiosität der Griechen deutet er als Frömmigkeit; den Altar für einen „unbekannten Gott“ sieht er als verdeckten Hinweis auf eine noch ausstehende Offenbarung von Gott selbst her. Ausgehend von dieser dialogorientierten Gesprächseröffnung legt Paulus dann Jesus Christus als den Auferstandenen dar. Liest man diesen Bericht in Apg 17 heute, so kann man fragen, in welchem Rahmen und an welchen Orten heute solche Gespräche möglich wären und de facto geführt werden. Der deutschsprachige Raum ist im postchristlichen Zeitalter angekommen und sowohl die Säkularisierung der Gesellschaft als auch die Marginalisierung der christlichen Kirchen schreiten in atemberaubendem Tempo voran. Wo derweil der Areopag der Gegenwart wäre, ist leicht zu sagen: im Internet. Das Wissen der Welt ist auf Wikipedia versammelt, und YouTube ist mittlerweile die einflussreichste Bildungsplattform der Welt. Im Lichte dieser Tatsache ist Bischof Barrons Wirken erst in seiner Tragweite verständlich. Über 120 Millionen mal wurden Videos von seinem Kanal angesehen. Diese bemerkenswerte Zahl wird umso eindrucksvoller, wenn man sich vor Augen hält, mit welchen Inhalten ihm das gelingt. Hier seien vier Charakteristika aufgeführt, die gleichzeitig eine Antwort auf die Frage enthalten, wie denn heute über Religion gesprochen oder gar gestritten werden kann:
Konfrontativ. Barrons Tonfall ist nie aggressiv, seine Thesen sind niemals apodiktisch. Dennoch versucht sein Denkweg nicht, so wenig anstößig wie möglich zu sein. Möglichst leicht verdaulich für säkulare Ohren. Im Gegenteil. Er kritisiert die Postmoderne mit jedem zweiten Satz. Anstelle des Relativismus zitiert er metaphysischen Realismus. Während der landläufige Mainstream Orientierung an den eigenen Gefühlen als Weg zu Authentizität und Erfüllung predigt, erinnert Barron an die Sinnorientierung. Der Mensch findet sich eben gerade nicht darin, dass er nur nach dem eigenen Selbstausdruck sucht, sondern indem er ein objektives Gut verwirklicht. Wem diese Gedanken eigenartig vorkommen, der ist in Deutschland in bester Gesellschaft. Barron lebt und denkt in der Tradition des Thomas von Aquin. Weder in Philosophie noch in Theologie wurde Thomas in unseren Breitengraden in den letzten Jahrzehnten groß rezipiert; die meisten Katholiken in Deutschland dürften in ihrer Glaubenslaufbahn mit seinem Denken komplett unberührt geblieben sein. Das Wort „neuscholastisch“ genießt in der akademischen Landschaft einen Ruf wie das Wort „Gulasch“ unter Veganern, sodass es wirklich verwundern muss, dass Barron im Google-Hauptquartier ausgerechnet Thomas von Aquin auf Lateinisch zitiert und offenbar tosenden Applaus erntet.
Barron ist weit entfernt von jeglicher Anpassung an das, was heute kulturell en vogue ist. Er argumentiert für die Wahrheit des katholischen Glaubens, die Existenz Gottes und sogar für die kirchliche Sexualmoral durchaus mit dem Anspruch, gültige und tragfähige Argumente zu liefern, die erst einmal widerlegt werden müssten. Das jedoch tut er keineswegs dogmatisch. Vielmehr eignet er sich auch hier die Methode des Aquinaten an. Der mögliche Einwand wird gleich mitgedacht. Bei Thomas sieht das so aus: Das eigene Argument wird gleich mit mehreren möglichen Gegenargumenten konfrontiert. Bei Barron zeigt sich dieselbe Haltung in dem Respekt, den er mit ruhiger Stimme skeptischen Einwänden von vornherein entgegenbringt. Die mögliche Erwiderung ist bei Barron immer mitgedacht – und zwar als ernst zu nehmender Anlass, tiefer zu denken. Er liefert dadurch ein Modell, wie wahre Toleranz im pluralistischen Diskurs aussehen kann; eben weder als beschämte Relativierung des Eigenen noch als Engstirnigkeit, sondern als ehrliches Fragen und aufrechtes Debattieren.
Die bisher genannten Punkte sind kein Alleinstellungsmerkmal Barrons. Die Bereitschaft jedoch, sich mit eben dieser inneren Haltung und mit größter Professionalität in die Arena der digitalen Medien zu begeben, für den katholischen Bereich jedoch leider schon. Handelt es sich bei YouTube tatsächlich um einen modernen Areopag, dann ist die Sorglosigkeit kirchlicher Akteure geradezu erschütternd, mit der hier anderen Sinnanbietern fast konkurrenzlos das Feld überlassen wird. Dass Barron zu Facebook und Google eingeladen wird, ist tatsächlich gar nicht so verwunderlich. Die postmoderne Welt der Digital Natives ist nicht per se feindlich gegen Religion und Gott. Im Gegenteil: Gerade diese Themen werden eifrig und leidenschaftlich diskutiert. Es fehlt schlicht an Stimmen, die auf seriöse, freundliche und hochwertige Weise ins Gespräch gehen.
Wer heute (noch) nach Gott oder Glauben fragt, ist fast immer auch von einer spirituellen Sehnsucht getrieben. Wenigen Millennials und Gen-Z-lern genügen rein rationale Antworten. „Ich fühle es nicht“, ist ihr Einwand. Und er ist berechtigt, denn in der Religion geht es nicht nur um den Kopf. Jede Argumentation Barrons, auch die in diesem Buch, weist hin auf etwas, das den Verstand übersteigt. Auf die Erfahrbarkeit des Heiligen. Nicht selten verweist er deshalb auf die Kunst, die Liturgie und die mystische Tradition der Kirche. Auch hier trifft er den Puls der Zeit und eine tiefe Sehnsucht vieler Menschen. Während Kirche sich hierzulande überwiegend mit Strukturreformen und die Theologie sich mit rein rationalistischer Durchdringung der Glaubensthemen befasst, wenden ganze Generationen sich anderen Quellen zu. Bei aller rationalen Stringenz im Denken Barrons dient diese nicht der Errichtung eines abgeschlossenen Lehrgebäudes, sondern der Öffnung des Menschen für die Gegenwart Gottes: die Stimme aus dem brennenden Dornbusch. Und diese suchen auch heute viel mehr Menschen, als man oft meint.
Wie können wir heute über Gott sprechen? Wie sogar für Religion streiten? Selbst wer nicht alle metaphysischen Grundannahmen Barrons teilen wird, muss anerkennen: Wenn es heute gelingen soll, hat es wahrscheinlich mit einem der genannten vier Punkte zu tun. Zumindest über sie gibt es viel zu lernen beim Autor dieses Buches, vielleicht auch manches darüber hinaus.
Anfang 2017 erhielt ich Besuch von fünf Herren aus San José in Kalifornien. Obwohl wir uns vorher noch nie begegnet waren, hatten sie meine Arbeit schon seit einiger Zeit beobachtet. Sie erzählten mir, dass sie in verschiedenen Funktionen im Silicon Valley tätig seien und nach einer Möglichkeit suchten, mich in dieser sehr einflussreichen Welt bekannt zu machen, z. B. indem sie Vorträge von mir an den Hauptsitzen von Facebook und Google organisierten. Ich sagte zu und wir schüttelten uns alle die Hände; aber ich muss zugeben, dass ich nicht damit gerechnet hatte, dass aus ihrem Plan etwas werden würde. Etwa ein halbes Jahr später rief mich zu meiner großen Freude und Überraschung einer dieser Herren an und teilte mir mit, dass sich der Vertreter einer „Gruppe von Katholiken“ bei Facebook in Kürze bei mir melden würde, um einen Termin für einen Vortrag von mir in ihrem Hauptsitz in Menlo Park, Kalifornien, zu vereinbaren.
Das Facebook-Gelände ist ein faszinierender Ort: hochmoderne Architektur, offene Arbeitsbereiche für die Mitarbeiter, eine riesige Cafeteria, die die Mensen großer Universitäten in den Schatten stellen könnte, überall Fahrräder, ein Garten zum Meditieren und Spazierengehen auf dem Dach eines der Hauptgebäude und vor allem: junge Menschen. Ich weiß nicht, ob ich irgendwo einen Facebook-Bewohner gesehen hatte, der älter als 30 Jahre war, und fühlte mich ungefähr wie Methusalem.
Ich wurde jedoch sehr herzlich empfangen und ein begeistertes Publikum besuchte meinen Vortrag. Dieser wurde weltweit live gestreamt und bis zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Buches fast 500 000 Mal angesehen. Der Titel meines Vortrags lautete: „Wie führt man eine Debatte über Religion?“ Ich hatte mich dafür entschieden, kein bestimmtes religiöses Thema anzusprechen und zu verteidigen, sondern vielmehr einen Schritt zurückzutreten und darüber nachzudenken, wie man eine Debatte über religiöse Fragen am besten führen könnte. Seit langem teile ich die Ansicht von Stanley Hauerwas, dass eine der dringlichsten Notwendigkeiten in unserer gewalttätigen und schnelllebigen Zeit darin besteht, wieder zu lernen, öffentlich über Religion zu diskutieren. Meine umfangreichen Erfahrungen mit Facebook und anderen Social-Media-Kanälen haben mich gelehrt, dass die Menschen zwar recht geschickt darin sind, schlecht über Religion zu reden, aber nur sehr wenige wissen, wie man eine konstruktive, vernünftige und nutzbringende Diskussion über religiöse Fragen führt.
Etwa sechs Wochen nach dem Facebook-Vortrag wurde ich, wieder über meine Freunde aus San José, von einem Vertreter von Katholiken kontaktiert, die bei Google arbeiten. Sie boten mir an, eine ähnliche Veranstaltung zu organisieren, und ich sagte freudig zu. Wie die Facebook-Zentrale sah auch der Google-Campus wie eine Welt aus, die Millennials bauen würden, wenn sie unendlich viel Geld zur Verfügung hätten: viele Freiflächen, ein Fitnessstudio, Schlafkapseln in den Arbeitsbereichen, Musikräume und so weiter. Ich muss zugeben, dass ich bei der Erkundung der beiden Einrichtungen oft gelächelt und mich gefragt habe, was mein sehr ernsthafter Vater, der zur Aufbaugeneration gehörte, wohl von all dem gehalten hätte. Doch dann erinnerte ich mich daran, dass ich gerade die Arbeitsstätten der vielleicht erfolgreichsten und kulturell einflussreichsten Unternehmen der Welt besichtigte – wenn ein Nickerchen und Fahrradfahren dazu beitragen können, dann bitte.
Für meinen Vortrag bei Google entschied ich mich, das Thema Religion direkter anzugehen, indem ich als Aufhänger einen Begriff benutzte, der allen Google-Nutzern lieb und teuer ist: die Suche. Mein Vortrag trug den Titel „Religion und die Öffnung des Geistes“. Ich argumentierte, dass Religion aus der grundsätzlich unbegrenzten Fähigkeit des Menschen zur intellektuellen und spirituellen Suche entsteht. Im Gegensatz zur üblichen Rhetorik ihrer Kritiker schaltet die Religion den Verstand nicht aus, sondern erweitert diesen und treibt ihn immer weiter in Richtung eines eigentlich unendlichen Ziels.
Das Buch, das Sie gerade lesen, ist eine leicht erweiterte Fassung der Vorträge, die ich bei Facebook und Google gehalten habe. Ich wende mich damit weniger an überzeugte Gläubige als vielmehr an Außenseiter, Suchende und Skeptiker. In beiden Vorträgen habe ich einen intellektuell anspruchsvollen Ton angeschlagen, weil ich davon überzeugt bin, dass eine extrem vereinfachte Religion, wie sie in den letzten fünfzig Jahren über alle konfessionellen Grenzen hinweg praktiziert wurde, verheerend ist. Als vor fünfzehn Jahren die Kritik der „neuen Atheisten“ aufkam, hatten die meisten Gottgläubigen keine Ahnung, wie sie auf ihre in Wirklichkeit recht schwachen Argumente und plumpen Karikaturen reagieren sollten. Gerade in unserer zunehmend säkularisierten Kultur brauchen wir eine intelligente Darstellung des Glaubens.
Ich hoffe, dass dieses kleine Buch seinen Weg zu denjenigen finden wird, die sich von Gott entfernt haben, insbesondere zu den Jüngeren unter ihnen. Möge es eine Einladung sein, einen neuen Blick auf die Religion zu werfen und vielleicht sogar zu ihr zurückzufinden.
Jeder, der auch nur ein wenig mit dem Internet vertraut ist, weiß, dass sich die Menschen im digitalen Raum ständig über religiöse Fragen streiten. Die Kommentare auf religiösen und atheistischen Websites gehören zu den meistbesuchten und hitzigsten im virtuellen Raum. Ich weiß das nicht nur, weil ich selbst solche Seiten besuche, sondern auch, weil ich mich seit fast zwanzig Jahren für meine Organisation „Word on Fire“ mit Websites und sozialen Medien beschäftige und dies aus erster Hand miterleben kann. Nachdem ich meine ersten Filme auf YouTube hochgeladen hatte, war ich offen gestanden überrascht zu sehen, dass man meine Veröffentlichungen kommentieren konnte. Kaum hatte ich mich von meiner Überraschung erholt, war ich über den Inhalt der Kommentare entsetzt: Etwa 90 Prozent der geposteten Reaktionen waren stark negativ und stammten von Leuten, die Gott, Religion und mich hassten – ungefähr in dieser Reihenfolge.
Im Laufe der Jahre ist mir mehr als deutlich geworden, dass religiöse Themen zwar starke Emotionen hervorrufen und regelmäßig scharfe Worte über sie ausgetauscht werden, aber nur sehr wenige Menschen im Internet wirklich wissen, wie man eine Debatte