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GÜNSTIGER EINFÜHRUNGSPREIS NUR FÜR KURZE ZEIT! Manchmal muss man alles verlieren, um sich selbst zu finden – eine humorvolle und romantische Liebesgeschichte im windigen Chicago "Wir haben alle einen zerbrochenen Traum, Brooke. Die Frage ist nur, was du aus den Scherben machst." Eigentlich hatte Brooke geplant, nur einen Sommer in Chicago zu bleiben. Als sie auf dem Junggesellinnenabschied ihrer besten Freundin Juliette auf den Stripper Nate trifft, sprühen die Funken. Wie die windige Stadt schleicht auch er sich langsam aber sicher in ihr Herz – doch das gehört bereits Brookes großem Traum, der Ivy League und einem Studium an einer der renommiertesten Universitäten Amerikas ... ach, lies selbst. Wenn du Lust hast, dich in Chicago zu verlieben und vielleicht in einen Stripper, solltest du dieses Buch lesen. "Eine Story mit tollen Charakteren, dem gewissen Knistern und einer Menge Romantik geht immer. Ich brauche definitiv mehr aus Chicago und würde mich sofort freiwillig melden zum Lesen!" ((Leserstimme auf Netgalley)) Ich liebe diese Geschichte, die mich mit vielen kleinen Dingen überzeugt hat. Ja bitte mehr davon. Und für euch: Unbedingt merken und auf die Wunschliste setzen!" ((Leserstimme auf Netgalley))
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© Piper Verlag GmbH, München 2021
Redaktion: Julia Feldbaum
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Covergestaltung: Emily Bähr, www.emilybaehr.de
Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt
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Cover & Impressum
Widmung
Playlist
1. You Shook Me All Night Long
Brooke
Nate
2. Nice And Slow
Brooke
Nate
3. Sucker
Brooke
4. Dear Future Husband
Brooke
5. Call Me Maybe
Nate
Brooke
6. No Matter Where We Go
Brooke
Nate
7. Boulevard of Broken Dreams
Brooke
Nate
8. Almost Lover
Brooke
Nate
9. Airplanes
Brooke
Nate
10. Can’t Stop The Feeling
Brooke
Nate
11. Dishes
Brooke
Nate
12. Something Strange
Brooke
Nate
13. Sweet but Psycho
Brooke
Nate
14. Glitter & Gold
Brooke
15. Family Portrait
Nate
16. Perfect Day
Brooke
Nate
17. Apologize
Brooke
Nate
18. Give Me a Reason
Brooke
Nate
19. Wait for You
Nate
Brooke
20. Count Me In
Brooke
Nate
21. I miss You, I’m sorry
Brooke
Nate
22. Jump Into the Fire
Brooke
Nate
23. Rain On Me
Nate
Brooke
24. The Story
Nate
Brooke
25. I’ll Be There For You
Brooke
Nate
26. Rescue Me
Brooke
Nate
27. American Dream
Brooke
Nate
28. Bitch
Nate
Brooke
29. Every You Every Me
Brooke
Nate
30. College Girl
Nate
31. My Happy Ending
Brooke
Nate
32. Best Thing I Never Had
Brooke
Nate
33. Chicago
Brooke
Danksagung
Dieses Buch ist für dich.
Denn wir brauchen manchmal alle etwas Glitzer in unserem Leben.
1. You Shook Me All Night Long – ACDC
2. Nice And Slow – Jesse Green
3. Sucker – Jonas Brothers
4. Dear Future Husband – Meghan Trainor
5. Call Me Maybe – Carly Rae Jepsen
6. No Matter Where We Go – Whitney
7. Boulevard of Broken Dreams – Green Day
8. Almost Lover – A Fine Frenzy
9. Airplanes – B. o.B feat. Hayley Williams of Paramore
10. Can’t Stop The Feeling – Justin Timberlake
11. Dishes – Lauv
12. Something Strange – Vicetone
13. Sweet but Psycho – Ava Max
14. Glitter & Gold – Rebecca Ferguson
15. Family Portrait – P!nk
16. Perfect Day – Lou Reed
17. Apologize – Timbaland ft. OneRepublic
18. Give Me a Reason – BENNETT
19. Wait for You – Tom Walker
20. Count Me In – Dove Cameron
21. I miss You, I’m sorry – Gracie Abrams
22. Jump Into the Fire – Nilsson
23. Rain On Me – Lady Gaga & Ariana Grande
24. The Story – Conan Gray
25. I’ll Be There For You – The Rembrandts
26. Rescue Me – OneRepublic
27. American Dream – MKTO
28. Bitch – Meredith Brooks
29. Every You Every Me – PLACEBO
30. College Girl – Travis Porter
31. My Happy Ending – Avril Lavigne
32. Best Thing I Never Had – Beyoncé
33. Chicago – Sufjan Stevens
So habe ich mir diesen Abend nicht vorgestellt.
Zugegeben, ich bin nicht gerade dafür bekannt, Partys zu feiern oder mit Konfetti um mich zu werfen. Geschweige denn, dass ich von selbst auf die Idee komme, einen Stripklub zu betreten. Allerdings hatte ich bisher durchaus Spaß, was höchstwahrscheinlich an der Menge Gin Tonic und einem Hauch Tequila liegt.
Nun jedoch bin ich nur noch verstört. Zu meinen Füßen hockt Carmen und erbricht sich geräuschvoll in die Toilette, während ich ihre seidigen schwarzen Haare halte. Es kostet mich meine gesamte Willenskraft, sie nicht einfach hier zu lassen und mich selbst in der Kabine nebenan zu übergeben. Genau darum sind Partys nicht mein Ding. Irgendjemand übertreibt es immer, und wenn ich ehrlich bin, fürchte ich den Tag, an dem ich mal auf Knien in einer Klokabine hocke, während eine meiner Freundinnen dazu verdammt ist, mir die Haare zurückzuhalten.
Das Würgen verstummt, und eine unheilvolle Stille breitet sich in der Damentoilette aus. Wir warten beide darauf, ob das Schlimmste überstanden ist oder die nächste Runde beginnt. Warum nur habe ich mich dazu überreden lassen? Hätten wir nicht einfach ein Wellnesswochenende machen können? Oder eine Musicaltour? Etwas mit weniger Potenzial, dass wir mit einem neuen Tattoo am Hintern in einer fremden Stadt aufwachen?
Meine Freundin stöhnt, und ich wage einen Blick zu ihr. Carmen blinzelt unter Tränen zu mir auf. »Ich glaub, es geht wieder«, murmelt sie, und ich versuche, zumindest ein kleines Lächeln auf meine Lippen zu zwingen. Mit einer Hand ziehe ich sie hoch, während die andere spült, bevor ich den Inhalt der Toilette zu gut erkennen kann.
Meine Freundin schwankt leicht auf ihren High Heels. Es gleicht einem physikalischen Wunder, dass sie sich bei dem Pegel überhaupt noch auf den schmalen Absätzen halten kann.
»Bist du sicher?«, frage ich vorsichtig, ehe wir aus der Kabine treten.
Zum Glück sind wir allein. Carmen winkt ab und stöckelt zum Waschbecken, ehe sie sich im Spiegel betrachtet. Sie sieht genau so aus, wie man sich ein Mädchen aus der oberen Schicht vorstellt. Ein Kleid von Moschino, dessen pinker glitzernder Stoff sich an den perfekten Körper schmiegt, und eine Handtasche von Louis Vuitton, aus der sie nun einen Kaugummi angelt. Ich verziehe das Gesicht, kommentiere es jedoch nicht. Meine Gedanken an den Geschmack des Kaugummis, der sich mit dem des Erbrochenen mischt, reichen bereits aus, damit ich eine Gänsehaut bekomme. Hoffentlich hatte sie keine Bröckchen mehr zwischen den Zähnen.
Mit verschränkten Armen stehe ich hinter ihr und kann den Blick in den Spiegel nur schlecht ignorieren. Obwohl ich exakt das Gleiche trage wie sie, wirke ich weit weniger so, als würde ich mit Geldscheinen um mich werfen können. Vielleicht raubt mir auch der große Button mit der Aufschrift Brautjungfer die Autorität. Oder es liegt daran, dass ich nicht mit einem prallen Vorbau aufwarten kann. Wo andere Frauen eine Sanduhren-Figur haben, bin ich eher ein Dreieck. Schmale Schultern, breite Hüften. Aber ich will mich nicht beschweren, mein Hintern ist einsame Spitze.
Ich schiebe mir eine meiner Strähnen hinters Ohr und warte geduldig, bis Carmen bereit ist. Nach ein paar geübten Griffen sieht sie fast wieder aus wie neu. Ihre Augen sind noch etwas glasig, und sie kann definitiv nicht leugnen, dass sie zu viel getrunken hat. Aber niemand, der nicht in den letzten zehn Minuten dabei war, würde vermuten, wie schlecht es ihr wirklich geht. Sie zwingt sich zu einem Lächeln und sieht mich auffordernd an. Ich jedoch fühle mich ausgelaugter als zuvor. Hoffentlich erlaubt mir Juliette, meine hohen Schuhe gleich gegen die bequemen Chucks zu tauschen. Lange machen meine Füße das nicht mehr mit, und wenn ich ehrlich bin, wäre ich jetzt lieber zu Hause.
»Es wäre wirklich kein Problem, wenn du gehen willst«, betone ich noch einmal. »Ich kann uns ein Taxi rufen und dich nach Hause bringen.«
Carmen lacht auf. »Ja, klar … und dann tötet Juliette uns beide, weil wir ihren Junggesellinnenabschied versaut haben.«
Das Argument sitzt.
Seufzend wasche ich mir die Hände und zupfe an dem pinken Kleid herum. Ich mag es nicht, wenn Juliette die Kleidung aussucht, die ich trage. Es kommt mir so vor, als würde sie absichtlich alles eine Nummer kleiner kaufen, damit ich mich nicht verstecken kann. Allerdings ist das hier ihr Abend, und damit hat sie mich, wie auch den Rest von uns, in der Hand.
»Komm, ich bin sicher, die anderen warten schon«, sage ich aufmunternd, und Carmen hakt sich bei mir unter, damit wir zurück in den Klub schlendern können. Ganz langsam und vorsichtig. Obwohl mir die Aussicht auf einen gebrochenen Knöchel und ein paar Stunden in der Notaufnahme gerade sehr verlockend vorkommen.
Juliette erhebt sich von ihrem Platz, als sie uns sieht, und zieht Carmen zu sich, ehe sie ihr ein Glas Wasser reicht. Wir haben den Klub ganz für uns. An diesem Abend Menschen um sich herum zu haben, die ihr die Show vermasseln, ginge ihr gegen den Strich. Juliette geht in der Rolle der Gastgeberin perfekt auf. Mit ausgebreiteten Armen steht sie an unserem Tisch und verteilt Schnäpse, Schampusgläser und liebevolle Gesten. Wie es sich für eine Brautjungfer gehört, bin ich an ihrer Seite, auch wenn ich mit der Planung dieses Abends nichts am Hut hatte. Juliette nimmt die Dinge lieber selbst in die Hand, dafür kann man sie lieben und hassen. Je nach Sachlage.
Ich ringe mir ein zaghaftes Lächeln ab und betrachte meine beste Freundin. Mir kommt es noch immer absurd vor, dass sie wirklich heiraten wird. Wir sind noch viel zu jung für die ewige Liebe, Brautkleidanproben und diesen Wahnsinn aus Buttons, Luftballons und aufeinander abgestimmten Partykleidern. Verdammt, es ist gerade mal ein Jahr her, seit wir uns legal betrinken dürfen.
»Wage es ja nicht, gleich wieder zu gehen«, zischt sie.
»Sehe ich etwa aus, als hätte ich keinen Spaß?«
»Schätzchen, wenn ich dir jetzt sage, was du für ein Gesicht ziehst, kündigst du mir die Freundschaft.«
»Das würde es mir ersparen, dir ein sündhaft teures Hochzeitsgeschenk zu machen«, meine ich kopfschüttelnd.
»Untersteh dich, die Kleider für die Brautjungfern sind schon bestellt.«
Ich gebe mir Mühe zu lächeln, doch so richtig will es mir nicht gelingen. Allerdings bleibt mir auch keine Zeit, mich in meinen Gedanken zu verlieren, denn ein neuer Song beginnt, und das pinke Licht erleuchtet die Bühne. Es wird wohl Zeit für das Unterhaltungsprogramm. Der Druck in meinem Magen wird stärker, und ich stürze einen weiteren Tequila Shot hinunter.
Keine gute Idee. Ich bin es nicht gewohnt, auf diesen Schuhen zu laufen, und die solide Grundlage des Abends scheint auch die Wirkung zu verlieren. Vielleicht hätten wir doch lieber Pizza statt Sushi genommen. Mir wird schummrig, doch ich blinzle es weg.
Das aufgeregte Kreischen der Mädels lässt mich zusammenzucken, und bevor ich mich wehren kann, dreht Juliette mich zur Bühne um und drückt mir einen neuen Drink in die Hand.
Im künstlichen Nebel erscheint die Silhouette eines Mannes, und ich nehme unwillkürlich einen großen Schluck von meinem Gin Tonic. Neben mir wird bereits mit Geldscheinen gewedelt. Der dröhnende Bass lässt mich schwanken, doch zum Glück werde ich durch Juliette gestützt.
»Das wird der absolute Wahnsinn«, murmelt sie in mein Ohr, und aus irgendeinem Grund klingt es für mich wie eine Drohung. Mein Gedankenfluss wird jedoch sofort gestoppt, als der Mann direkt im Licht der Scheinwerfer steht.
»Echt jetzt?« Ich sehe meine beste Freundin an.
»Hey«, kontert sie und zuckt mit den Schultern. »Heute Abend geht es um meine schmutzigen Fantasien. Es kann ja nicht jeder eine geheime Schwäche für Feuerwehrmänner haben.«
Ich beiße mir auf die Lippen, damit ich dieses Thema nicht weiter ausführen muss, und wende meinen Blick wieder dem Stripper zu. Sein Gesicht ist von einem kitschigen Cowboyhut verdeckt, das hellblaue Jeanshemd steht offen und entblößt einen Bauch, der dazu einlädt, Wäsche auf ihm zu schrubben. Da fällt mir ein, dass ich meine nassen Klamotten noch in der Maschine gelassen habe, ehe ich aufgebrochen bin. Verdammter Mist, wahrscheinlich riecht sie jetzt auf ewig schmuddelig und ich muss meine alten Bandshirts wirklich aussortieren.
Juliette stößt mich an, als habe sie bemerkt, dass meine Gedanken mehr um schmutzige Kleidung als um schmutzige Dinge kreisen. Ich folge ihrem Blick wieder auf die Bühne.
Oh, verdammt.
Bis jetzt hatte ich keine Ahnung, warum Juliette eine Schwäche für Cowboys hat, aber ich fange an, sie zu verstehen, und das gefällt mir gar nicht. Das dunkle Haar des Strippers ist lässig nach hinten gekämmt und einen Tick zu lang. Gerade genug, damit man es mit den Händen zerzausen will. Breite Schultern, ein sexy Bartschatten und ein V wie verführerisch, das deutlich unter dem flatternden Hemd zu sehen ist. Verflucht, ich möchte ihn nicht anhimmeln, aber dieser Mann macht es selbst mir schwer.
Die Bewegungen seines Körpers rufen eine ferne Sehnsucht in mir wach – heiße Blicke voll verbotener Dunkelheit, der bittersüße Kuss der Leidenschaft und samtige Haut, deren Wärme die Nachtluft erhitzt. Und obwohl ich meine Augen am liebsten von ihm reißen will, kann ich nicht anders, als ihm zu diesem Körper zu gratulieren. Neben mir schnappen meine Freundinnen alle zeitgleich nach Luft.
Ich bemerke, wie mir der Mund offen steht, sodass ich ihn wieder schließe. Schamesröte brennt auf meinen Wangen, und in diesem Moment bin ich dankbar über das schummrige Licht. Immerhin ist es nicht der erste Mann, den ich halb nackt sehe, aber ich muss gestehen, es ist schon eindrucksvoll, wie er mit den Hüften wackelt und auf die Horde von jubelnden Frauen zuläuft, als sei es das Normalste der Welt.
Meine Gliedmaßen verkrampfen sich. Verdammt, was ist denn mit mir los? Es muss an diesem verfluchten Gin liegen. Ich verschränke die Arme vor der Brust, als könnte mich das vor der flirrenden Spannung im Raum retten. Doch auch dieses Vorhaben ist verloren.
Er schiebt den Hut zurück. Sein strahlendes Grinsen trifft mich aus dem Nichts.
Das Kinn vorgereckt, die muskulöse Brust rausgedrückt, vollführt er eine wellenartige Bewegung von unten nach oben, bei der das Kreischen noch lauter wird. Sein Grinsen schwillt an. Immerhin hat er Spaß an seinem Job, wenn ich die kreisenden Hüften, als habe er einen unsichtbaren Hula-Hoop-Reifen um seinen Körper, richtig deute. Dann hält er inne. Seine Augen bleiben an mir kleben.
Schon wieder.
Mein Herz kommt aus dem Takt, als bräuchte es einen Moment, um sich wieder zu erinnern, wie es sonst schlägt. Wahrscheinlich sieht er gar nicht wirklich mich an, sondern Juliette neben mir. In ihrer Nähe bin ich praktisch unsichtbar. Eine Tatsache, die ich mir schon oft zunutze gemacht habe. Doch jetzt lässt meine beste Freundin es nicht zu, dass ich einfach in der Masse verschwinde, und packt mich am Arm. Sie schiebt mich auffordernd näher zur Bühne. Oh, verdammt, was passiert hier gerade?
Panisch blicke ich sie an, erkenne das teuflische Grinsen und die anzüglich wackelnden Augenbrauen. Ich schüttle den Kopf, als könnte ich die böse Vorahnung dadurch verhindern.
Der Stripper kommt unbarmherzig sexy auf mich zu. Seine Hüften kreisen in meine Richtung, während die Hände die Muskelstränge seines durchtrainierten Körpers nachfahren. Ganz langsam zieht er das Hemd aus seiner Hose.
Mein Körper erstarrt zur Salzsäule. Ich kann nicht hinsehen, aber wegsehen kommt auch nicht infrage. Das Hemd fliegt durch die Luft, ich kann meinem Blick allerdings nicht von seinem durchtrainierten Oberkörper nehmen, daher sehe ich nicht, wo es landet und ob seine potenziellen neuen Groupies sich bereits darum prügeln.
Jetzt kann ich nicht mehr leugnen, dass er mich ansieht, trotzdem wäre ich vor Schreck fast zurückgestolpert, als er mir eine Hand entgegenstreckt. Hilfe suchend schaue ich noch einmal zu meiner besten Freundin, doch mein Flehen bleibt vergebens. Ihre Augenbrauen sprechen eine sehr eindeutige Sprache. Niemand auf der Welt hat derartig sexy Augenbrauen wie Juliette. Und um nichts auf der Welt würde ich auf diese Bühne gehen.
Verdammt.
Sein Körper ist das eine, doch dieses Gesicht ist fast noch schlimmer. Die Wangenknochen werden durch den Schatten seines gepflegten Dreitagebarts betont, der ihm einen Hauch von Bad Boy verleiht. Unter den dunklen Augenbrauen blicken mich zwei schimmernde Ozeane an. Es sollte verboten werden, solche Augen zu haben. Kein Wunder, dass hier kein einziger Schlüpfer trocken bleibt.
Juliette raunt mir etwas zutiefst Verdorbenes ins Ohr. Zu meinem Leidwesen spiegelt es ziemlich gut wider, was auch ich gerade gern tun würde.
Er hält mir noch immer seine Hand hin. Das Lächeln ist auf ganze hundert Watt angeschwollen. Selbst seine Augen leuchten, doch ich schüttle panisch den Kopf.
»Komm schon«, stichelt Juliette.
»Los jetzt!«, kreischt der Rest.
Kurz schließe ich die Augen. Langsam dämmert auch mir, dass ich mich meinem Schicksal ergeben muss. Vielleicht will ich es sogar, gerade kann ich mir da nicht mehr sicher sein. Zu viel Gin und zu viele Hormone, die durch die Luft schwirren wie Insekten ums Licht.
Zwei starke Hände ziehen mich zu sich, und ich stolpere gegen die glänzende, glitzernde Brust. Sein holziger Duft kitzelt in meiner Nase.
Hitze flammt durch meine Adern.
Ich habe keine Ahnung, wo der Stuhl plötzlich herkommt, aber ich bin froh, dass ich nicht stehen muss. Sanfte Hände schieben mich mit liebevoller Strenge auf die Sitzgelegenheit. Meine Knie fühlen sich an wie Wackelpudding mit Wodka.
»Es ist ganz einfach«, verspricht er und bringt etwas Abstand zwischen uns.
Allerdings kommt es mir so vor, als würde ich seine harte Brust noch immer spüren. Sie glitzert tatsächlich, als habe eine gute Fee ihn mit einer Lotion eingerieben, die jede Frau schwach macht. Es fühlt sich unnatürlich an, auf dieser Bühne zu sitzen, während meine Freundinnen mir zuwinken. Schluckend blicke ich auf meine Füße, habe keine Ahnung, was ich mit meinen Händen machen soll. Kann dieser Abend noch schlimmer werden?
Der Mann mit der glitzernden Brust lässt sich von meinem Unbehagen jedoch nicht die Show stehlen. Als er mir bedeutet, seinen Gürtel zu öffnen, schüttle ich den Kopf. Er lacht meine Panik jedoch einfach fort und beugt sich nahe zu mir hinab.
»Keine Angst«, raunt er in mein Ohr. »Du berührst mich, nicht ich dich.«
»Verklagst du mich auch nicht wegen sexueller Belästigung?«
Er lacht wieder und es klingt so echt, dass ich nicht sicher bin, ob es wirklich mit zur Show gehört. Dann macht er weiter.
Der Gürtel fällt zu Boden.
Seine Füße und Schultern sind jetzt parallel, die Hüften kreisen munter weiter. Ich schnappe nach Luft, als er plötzlich nach hinten kippt. Für den Bruchteil einer Sekunde glaube ich, dass er einfach ausgerutscht ist. Doch es gehört eindeutig zur Show. Trotz all meiner Yogakurse habe ich noch nie eine derartig erotische Brücke gesehen. Doch noch ehe ich mich an diesen Anblick gewöhnt habe, dreht er sich einmal. Was er danach jedoch mit dem Boden anstellt, lässt mich erneut erröten.
Ich halte mir eine Hand vor Augen, doch das Jubeln meiner Freundinnen sorgt dafür, dass ich einen kleinen Blick riskiere. Nur einen ganz winzigen. Immerhin sieht man so etwas nicht allzu oft.
Der Stripper hat die Hände auf den Boden gestützt, ein Fuß steht, und den anderen kickt er die Höhe, bevor er seinen muskulösen Körper in einer geschmeidigen Welle auf das flimmernde Glas presst. Sein Blick trifft mich fast so sehr wie das Pochen meines Herzens.
Das Grinsen wird breiter und meine Angst noch größer. Plötzlich steht er wieder vor mir. Mein Gesicht ist direkt auf der Höhe seines besten Stücks, was mir erneut Röte in die Wangen schießen lässt.
Scheiße, er ist groß. Der Mann. Nicht die Beule in seiner Hose. Obwohl …
Verdammt, nach dieser Nacht muss ich auswandern. Tschüss, Chicago. Es war eine sehr kurze aber schöne Zeit, aber wenn dieser Mann gleich seine Hose auszieht, kann ich für nichts mehr garantieren.
Als habe er diese Gedanken gehört, nimmt er meine Hände in seine. Dieses Mal kann ich mich wohl nicht vor einer Aufgabe drücken. Verdammt, ich werde Juliette umbringen, wenn ich wieder fähig bin, klar zu denken, und keine Hitze mehr durch meinen Körper schießt. Meine beste Freundin kommentiert das Geschehen mit einem lauten Ruf, aber ich schaffe es nicht einmal, ihr einen bösen Blick zuzuwerfen.
Ich kann mich weder wehren noch bin ich mir sicher, ob ich das will. Er schiebt meine Finger sacht in den Bund der Hose.
Ein seltsamer Laut schlüpft über meine Lippen.
Es ist verdammt lange her, dass ich meine Hände in der Nähe von etwas hatte, das einem männlichen Wesen gleicht. Das Grinsen in seinem Gesicht macht mir bewusst, dass ihm mein Zittern nicht entgangen ist. Doch er stört sich nicht daran, sondern lächelt und beugt sich zu mir herunter.
»Einmal fest ziehen«, raunt er mir ins Ohr.
Ein Schaudern lässt meinen Nacken prickeln. »Und wenn ich nicht will?«, wispere ich zurück und habe kurz die Hoffnung, dass er mich einfach aus seiner Show entlässt.
»Ich verspreche, du wirst mein Gemächt nicht ins Gesicht bekommen.«
»Das ist sehr beruhigend«, nuschle ich, schließe trotzdem die Augen und ziehe an der Hose.
Der Stripper steht nur noch in einem schillernden pinken String vor mir. Meine weit aufgerissenen Augen starren direkt auf die große Beule, und ich bin mir ziemlich sicher, dass mein Kopf noch mehr Pink zeigt als sein Slip. Zum Glück vollführt er eine ganze Menge neuer Tanzschritte, die meine Freundinnen zum Ausrasten bringen.
Dann endet das Lied so plötzlich, dass die Stille sich seltsam anfühlt. Er verbeugt sich vor der geifernden Meute, bevor er mich vom Stuhl zieht und meine Hand küsst. Seine Lippen sind weicher als in meiner Vorstellung. Die Stoppel auf seinem Kinn schicken ein neues Beben durch meinen Körper.
Verdammt, das war definitiv der letzte Drink.
»Es war mir ein Vergnügen«, meint er so leise, dass ich mir einreden kann, er hätte eigentlich etwas anderes gesagt.
»Stell dir einfach vor, dass es das für mich auch war«, gebe ich zurück und habe keine Ahnung, warum ich etwas so schrecklich Dummes gesagt habe. Dann gehe ich von der Bühne.
Zumindest war das mein Plan. Meine Beine beschließen genau jetzt, dass ich zu viel Tequila hatte. Sie geben einfach nach.
Ich sehe mich bereits mit einem lauten Knall auf dem Boden landen, doch statt kaltem Glas spüre ich warme Haut. Blinzelnd sehe ich in dunkle blaue Augen. Der Duft von Schokolade, Bernstein und Patschuli benebelt meine Sinne.
»Alles okay?«
Die Muskeln seiner Brust schimmern im rosaroten Licht, und er hebt mich so mühelos von der Bühne, dass ich kurz vergesse, dass um uns herum noch andere Menschen sind. Da mein Gehirn sich noch immer weigert, einen ordentlichen Satz zu bilden, bleibe ich stumm und lasse zu, dass er mich zurück zu unserem Tisch trägt. Er setzt mich ab, hockt sich vor mich hin und blickt mich aus diesen Ozeanaugen an, als sei er ernsthaft besorgt.
Irgendjemand bringt mir ein Glas Wasser, und ich stürze es herunter. Dieser Abend schafft es definitiv in die Top 10 meiner peinlichsten Momente im Leben.
»Geht es wieder?«, erkundigt er sich. In seiner Stimme schwingt sowohl Besorgnis als auch Belustigung mit.
»Ja«, würge ich hervor und versuche, ihm in die Augen zu sehen. Gar nicht so leicht, wenn man bedenkt, dass er noch immer ein Hauch von nichts und Cowboystiefeln trägt.
»Tut mir leid«, meint er. »Ich bin Nate, und du bist die erste Frau, die meine Show zum Niederknien fand.«
Fast hätte ich mich an meinem Wasser verschluckt. »Wie oft hast du diesen Spruch schon gebracht?«
»Man mag es kaum glauben, doch es war das erste Mal.«
»Das solltest du besser nicht wiederholen.« Ich schaffe es, ein kleines Lächeln zustande zu bringen. Verdammt, wie kann er nach den ganzen Stunts noch so gut riechen? Er sollte Werbespots für Deos drehen.
»Zu viel des Guten?«, fragt er und wirkt erschreckend interessiert. An mir. Ausgerechnet an mir.
Mein Blick huscht kurz zu unserer Gruppe und findet Juliette mit dem wohl breitesten Grinsen, das es jemals auf ihr Gesicht geschafft hat. Immerhin hat sie ihren Spaß, ich verspüre immer noch den Drang, aus dieser himmlischen Duftwolke von Testosteron und Versuchung zu verschwinden.
»Ja, und wenn wir schon dabei sind: Etwas weniger Glitzer wäre auch nicht schlecht.«
Nate lacht.
Das Geräusch lässt meinen Nacken prickeln. Meine Fingerspitzen kribbeln, als hätte Nate sämtliche Hormone in meinen Körper durch seinen Tanz zum Leben erweckt. Mir wird wieder heiß. Verdammt, kann nicht mal jemand die Klimaanlage anmachen?
»Lauf nicht weg!«, meint er und deutet auf seine Füße. »Ich ziehe mir schnell andere Schuhe an, dann lade ich dich auf ein Entschuldigungsbier ein.«
Ich bin unfähig etwas darauf zu erwidern, aber das muss ich auch nicht. Meine Freundinnen kreischen ohnehin zu laut, als dass er mich gehört hätte.
Shit.
Ich habe gerade gegen eine der obersten Regeln des Stripper-Daseins verstoßen. Und das Schlimmste daran ist, dass ich absolut keine Reue spüre, sondern etwas, das noch schrecklicher ist: Nervosität.
Um ehrlich zu sein, bin ich mir nicht sicher, warum sie eine derartige Wirkung auf mich hat. Vielleicht ist es ihre Art, mich anzusehen, trotz Cowboystiefel und Glitterlotion.
Diese Augen. Dunkel und grün wie die Tannen kurz vor dem Winter. Allein der Gedanke daran, wie sie vor mir errötet ist, lässt mein Herz wieder schneller schlagen. Noch nie habe ich einer meiner Kundinnen meinen Namen verraten. Doch jetzt bin ich im Begriff, mich abzuschminken, mir etwas anzuziehen und zu dieser unglaublichen Blondine zurückzukehren – nicht als Stripper, sondern als Nate. Der stinknormale Kerl in Jeans und Shirt. Ganz ohne Glitzer. Na ja, zumindest fast. So ganz bekomme ich ihn nicht ab, aber das wird eine nächtliche Dusche erledigen. Später.
Nachdem ich mit ihr etwas getrunken habe.
Meine Füße tragen mich zurück zu dem kleinen Tisch, der Nische, ihrem Versteck. Ich muss lächeln, obwohl mir nicht einmal klar ist, warum. Ihr Blick trifft mich und sorgt dafür, dass ich kurz stehen bleibe, ehe ich es wage, mich zu ihr zu setzen. Noch bevor ich es geschafft habe, auch nur ein Wort zu sagen, erscheint ihre Freundin neben mir. In den Händen zwei Bier, die sie mit einem gewinnenden Grinsen vor uns abstellt.
Die schimmernde Schärpe um ihre Brust verkündet stolz, dass sie die künftige Braut ist. Offenbar eine sehr wohlhabende, denn den gesamten Klub zu mieten ist mit Sicherheit nicht günstig. Allerdings ist in Chicago kaum etwas günstig.
»Viel Spaß ihr zwei«, flötet sie, zwinkert anzüglich und wendet sich von uns ab.
Ich blicke ihr nach und schüttle den Kopf. An Selbstbewusstsein mangelt es der Frau auf jeden Fall nicht. Die Schönheit vor mir jedoch scheint ihres noch nicht gefunden zu haben. Sie wagt es kaum, mich anzusehen, und ich befürchte, dass ich sie anstarre. Ein unangenehmes Schweigen breitet sich zwischen uns aus.
»Hat dir die Show gefallen?«, frage ich, weil ich absolut keine Ahnung habe, was ich sonst sagen soll. Offenbar habe ich außerhalb meiner Bühnenpersönlichkeit verlernt, wie man einer Frau sein Interesse mitteilt, ohne wie ein Vollidiot rüberzukommen.
»Ist nicht so ganz meine Vorstellung von einem gelungenen Abend«, gibt sie vorsichtig zurück und mustert mich eine Weile, als sei sie nicht sicher, ob ich wirklich vor ihr sitze.
»Und was wäre mehr dein Fall?«
»Mir würde es reichen, wenn mein Kleid den Abend unbeschadet übersteht«, sagt sie leise und lächelt, als sie auf ihren Busen deutet. Oder besser auf das Kleid, auf dem der deutliche Abdruck meiner glitzernden Haut zu sehen ist. Allerdings kann ich dabei meinen Blick kaum von ihren Brüsten abwenden. Verdammt.
Tolle Nummer, Nate. Keine fünf Minuten mit ihr an einem Tisch, und du starrst auf ihre Oberweite wie ein Teenie.
Jetzt werde ich rot. Räuspernd zwinge ich mich dazu, stattdessen mein Bier anzublicken.
Was ist denn nur los mit mir? Eigentlich bin ich gut darin, mit anderen Menschen umzugehen. Was haben diese tannengrünen Augen nur an sich, dass ich mich plötzlich so unsicher fühle?
»Tut mir leid, offenbar brauche ich eine neue Bodycreme.« Ich schenke ihr ein Grinsen, von dem ich hoffe, dass sie es erwidert. Das tut sie.
»Ich bin Brooke«, erklärt sie, und ich bin froh darüber, denn nun muss nicht mehr fragen.
»Nate.«
»Das hast du schon gesagt«, bemerkt sie. »Aber ist das auch dein echter Name? Oder dein Strippername?«
»Mein Strippername?«
»Du weißt schon, so was wie Magic-Mike oder Glitzer-Nate.«
»Bitte, nenn mich niemals Glitzer-Nate«, meine ich, muss jedoch lachen. Sie lacht auch, und das bringt mein Herz noch lauter zum Klopfen. Alles an ihr wirkt rein und unschuldig. Doch ihr Lachen ist kraftvoll, fast etwas verrucht und weckt in mir das dringende Bedürfnis, sie in meiner Nähe zu behalten.
»Wie wäre es mit Naughty-Nate?«
»Lieber nicht.«
»Okay, Nicht-Glitzer-Nate.« Schelmisch beugt sie sich etwas nach vorn. »Danke, dass du mich vor einem filmreifen Absturz von der Bühne gerettet hast.«
»Danke, dass du mir die Hose vom Leib gerissen hast.«
Sie lacht wieder. Gott, ich glaube, ich habe in meinem ganzen Leben noch kein so schönes Lachen gehört.
»Tut mir leid«, haucht sie leise.
Die zarte Röte färbt wieder ihre blassen Wangen. Es gefällt mir. Ein bisschen zu sehr vielleicht, denn ich spüre dieses seltsame Gefühl im Magen.
»Ich bin sicher, alle anderen Frauen waren bisher begeistert davon, dir an die Wäsche zu dürfen.«
Überrascht blinzle ich. Plötzlich scheint ihr die eindeutige Doppeldeutigkeit ihrer Worte bewusst zu werden.
»O Mist.« Sie schlägt die Hände vor den Mund. »Das ist der verdammte Gin, er wirkt wie ein Wahrheitsserum auf mich.«
»Dann verbuche ich das mal als Kompliment.« Ich nippe noch einmal an meinem Bier, ohne dabei das schelmische Grinsen zu verbergen.
»Ich wollte nicht übergriffig sein oder dich objektivieren«, sagt sie schnell, verhaspelt sich dabei fast.
Überrascht und interessiert gleichermaßen lehne ich mich auf dem Stuhl zurück. »So habe ich es auch nicht aufgefasst«, versichere ich ihr und fahre mir durch die Haare. Sie blickt auf ihre Hände, als hätte sie Angst, etwas Dummes zu sagen. Dabei ist es mir egal, was sie sagt, denn ich bin jetzt schon völlig verloren und absolut sicher, dass ich sie wiedersehen will. An einem anderen Ort, mit weniger Alkohol im Blut und weniger Freundinnen, die uns beobachten, als säßen wir in der finalen Folge des Bachelors.
Ich habe keine Ahnung, ob sie das Gleiche denkt wie ich, aber als unsere Blicke sich wieder treffen, halte ich es nicht mehr aus. Das Wummern meines Herzens übertönt sogar den Bass des nächsten Liedes. »Brooke?«
»Ja?«
»Das klingt jetzt sicher wie eine Masche«, murmle ich. Verdammte Scheiße, diese Frau bringt mich dazu, rot zu werden. Mich, den Stripper. »Aber würdest du mir deine Nummer geben?«
Ihr Mund klappt auf.
Für einen schrecklichen Moment glaube ich fast, sie sagt einfach Nein. Doch dann schließt sie den Mund wieder und nickt, bevor sie hektisch in der viel zu großen Handtasche kramt. Die spitzen Absätze ihrer High Heels blitzen neben Gummibärchen und einem Notizbuch auf. Das Zittern ihrer Finger entgeht mir nicht, als sie schwungvoll ihre Telefonnummer in einen kleinen Block schreibt. Einen Augenblick sieht sie auf die Nummer, dann nickt sie und reißt den Zettel heraus.
»Brooke!«, kommt es wie auf ein Zeichen von ihren Freundinnen, die sie zu sich winken. Offenbar ist die Ladys Night noch lange nicht vorbei, und die Damen haben genug von dieser Location. Ich kann es ihnen nicht verdenken, immerhin war ich die einzige Unterhaltung, die sie gebucht hatten.
»Ich komme«, ruft sie zurück. »Hat mich gefreut, Nate.«
Während ich den Zettel greife, berühren sich unsere Finger kurz, und ich kann die Funken spüren, die zwischen uns fliegen. »Mich auch, Brooke«, murmle ich und blicke hilflos hinterher, wie sie zu ihren Freundinnen geht. Statt der High Heels trägt sie nun rote Chucks zu ihrem sündhaft teuren Kleid, offenbar hatte sie Ersatzschuhe dabei. Verflucht, sie könnte auch einen Sack tragen, und ihre Kurven wären unverkennbar. Doch ihr runder Hintern brennt sich nicht so sehr ein wie die großen grünen Augen. Ich beiße mir auf die Lippe, unfähig, meinen Blick von ihr zu lösen.
»Komm schon«, flüstere ich mir selbst zu, als könnte ich damit jemanden – Brooke – beschwören. »Dreh dich um. Wenn du Interesse hast, drehst du dich um.«
Ihre Freundinnen jubeln ihr zu, und gerade als meine Hoffnung anfängt, ins Wanken zu geraten, schenkt sie mir über ihre Schulter ein breites Lächeln.
»Fuck«, sage ich zu mir selbst. »Ich bin ein verfluchter Glückspilz.«
Das Licht bricht sich durch die großen Fenster der Wohnung und funkelt auf dem Lake Michigan, als sei er aus purem Gold. Noch ist das Tosen des Windes nicht zu hören, doch die Bäume wiegen sich im Wind des Frühlings. Dieser Nachmittag könnte fast idyllisch sein, würde meine beste Freundin nicht vor mir stehen und mich daran hindern, mein Buch zu lesen.
»Du musst mehr ausgehen«, fährt Juliette mich an und stützt die Hände in die Hüften, als würde sie bereits üben, ihren zukünftigen Kindern die Hölle heißzumachen.
»Ich war doch gerade erst aus«, entgegne ich, ohne auch nur von meinem Buch aufzusehen. Mit meinem grünen Tee, der Kuscheldecke und den gestrickten Socken meiner Großmutter fühle ich mich gerade sehr wohl. Außerdem fällt es mir schon schwer genug, mich mit dem aktuellen Wartemodus meines Lebens abzufinden. Da möchte ich mich nicht noch zusätzlich bestrafen.
»Das war vor zwei Wochen«, schnaubt sie und schüttelt den Kopf, bevor sie sich zu mir auf das Sofa wirft. Es ist eines dieser Designer-Möbelstücke, auf denen man nur eine einzige bequeme Position findet, die aber auf Instagram immer einen guten Eindruck machen. »Du bist doch nicht immer noch deprimiert, weil Mr. Glitter sich nicht gemeldet hat?«
Danke, Juliette. Mitten in die Wunde.
»Nein«, dementiere ich einen Tick zu schnell und knirsche mit den Zähnen. Offenbar hat in meinem Leben gerade das Kapitel Ablehnung begonnen. Ohne meine beste Freundin anzublicken, blättere ich die Seite um, obwohl ich nicht ein Wort gelesen habe. Das Letzte, was ich möchte, ist, an ozeanblaue Augen zu denken, die mich nicht beachten. Obwohl mich natürlich nicht seine Augen ignorieren. Die können nichts dafür. Der Vollidiot, dem sie gehören, ist das Problem.
Mist.
Jetzt denke ich wieder an ihn, dabei habe ich wirklich keine Lust, mich schlecht zu fühlen, nur weil er dumm genug war, mich sausen zu lassen. Ich bin vielleicht nicht reich, ein Model oder kann es auf sexy Art mit einem Fußboden tun, aber ich bin ein verdammter Hauptgewinn, und wenn er das nicht erkennt, ist er kein Verlust.
»Nein?«, hakt Juliette unbarmherzig wie immer nach.
»Hörst du schlecht?«, frage ich mit einem süßen Grinsen.
»Nicht so schlecht, wie du lügst.«
»Ich werde mich nicht vom nächsten Dach stürzen, nur weil ein Kerl mich nicht anruft«, stelle ich entschieden fest und stecke meine Nase wieder demonstrativ in das Buch.
»Meine Güte, du bist manchmal echt anstrengend.« Juliette rollt mit den Augen, ehe sie sich erhebt und zum Telefon schlendert. »Hat sich inzwischen eine der Unis gemeldet?«
Und zack, die nächste Wunde wird mit Salz bestreut.
»Nein.«
So ist das mit den Träumen. Jahrelang habe ich von nichts anderem geredet, als Geschichte zu studieren und später einmal selbst in Harvard zu dozieren. In meinem Kopf existiert diese starke Frau voller Wissen und Esprit, die nichts lieber tut, als genau dies an junge Menschen weiterzugeben. Doch diese Version meiner selbst ist ein Ideal, das ich vielleicht nicht erreichen kann – und das macht mir verfluchte Angst.
Juliette sieht mich kurz an. Sie scheint abzuwägen, ob es besser ist, dieses Gespräch fallen zu lassen oder mir noch mehr aus der Nase zu ziehen. Dann nickt sie, als hätte sie sich selbst die Antwort auf eine Frage gegeben, die mir verborgen bleibt. Betont gelassen tippt sie eine Nummer ins Telefon.
»Was tust du da?«
»Da du weiterhin so tust, als seien wir in unseren Fünfzigern, bestelle ich jetzt Sushi und viel zu viel Wein, bevor wir einen Filmmarathon starten«, erwidert sie entschlossen.
Als habe er gehört, dass es ums Essen geht, kommt Tom aus dem Schlafzimmer.
Tom.
Der Inbegriff eines Traummannes.
Gut aussehend, riecht wie ein junger Gott und gibt jedem im Raum das Gefühl, plötzlich etwas kleiner zu sein. Na ja, zumindest gibt er mir dieses Gefühl. Meine beste Freundin strahlt jedes Mal wie ein Stern, sobald er den Raum betritt. Also halte ich mich zurück. Wenn Juliette glücklich ist, bin ich es auch. Obwohl ich ihm wohl nie verzeihen werde, dass sie keinen Hund halten darf. Wie kann man denn Hunde nicht mögen?
»Was ist euer Plan?«
»Mädelsabend.« Juliette blickt ihn so verliebt an, dass ich fast würgen muss.
»Oh, tut mir leid, dass ich den verpassen werde. Hattest du nicht ein Vorstellungsgespräch, Brooke?«
»Keiner von uns will dich hier haben«, kommentiert Juliette feixend, schlingt aber die Arme und seinen Hals. »Also geh und betrinke dich mit deinen Jungs in einer schrecklichen Sportbar.«
»Du kennst mich so gut«, raunt er ihr zu und küsst ihren Nacken.
Nun muss ich doch leise Würgegeräusche von mir geben, da ich sonst unfreiwillig Zeuge einer vorgezogenen Hochzeitsnacht werde. Juliette lacht, aber Tom wirft mir einen tadelnden Blick zu. So richtig werde ich mit ihm nicht warm, obwohl er schon seit zwei Jahren mit meiner besten Freundin zusammen ist. Er wirkt so perfekt, tadellos und irgendwie … glatt.
»Also?«, will er wieder an mich gewandt wissen.
»Ja, am Mittwoch«, antworte ich und versuche mich an einem ehrlichen Lächeln. »Ich habe mir sogar eins dieser hübschen Kostüme von Carmen besorgt, damit ich aussehe, als sei ich die Kompetenz in Person.«
»Es ist Mittwoch«, sagt er und richtet sein Hemd wieder.
Gerade will ich nicken, da wird mir bewusst, dass etwas nicht stimmt. Ich muss mich verhört haben, doch sein Blick sagt mir, dass ich falschliege.
»Was hast du gesagt?«, rufe ich plötzlich aus und springe vom Sofa. Tom zuckt zusammen. »Verdammt, es ist Mittwoch?«
Das Paar nickt. Mir bleibt keine Zeit, ihre verwirrten Gesichter genauer zu betrachten, ich sprinte ins Gästezimmer.
»Verfluchte Scheiße«, wettere ich vor mich hin und wünsche mir, ich hätte die Zeit, um mich selbst zu ohrfeigen. Wie kann man nur so völlig planlos einundzwanzig Jahre überleben?
Während ich meine Turnschuhe anziehe, stolpere ich fast, und Juliette erscheint im Rahmen der Tür.
»Das Vorstellungsgespräch«, höre ich meine eigene Stimme sagen, während ich mir eine Bluse überstreife und die Haare zu einem Knoten zusammenbinde. »Mittwoch, 17 Uhr. Ich muss mit den Tagen durcheinandergekommen sein. Warum hast du mir nicht gesagt, dass Mittwoch ist?«
»Ich …«, beginnt sie, scheint es sich aber anders zu überlegen. »Durch die verdammte Prüfung in Wirtschaft war ich selbst völlig durch den Wind.« Sie packt stellvertretend für mich die Handtasche, die auf dem Stuhl vor der Kommode steht. Dann hält sie plötzlich inne. Juliettes Augen weiten sich, und sie blickt auf ihre Armbanduhr. »Shit. Dreißig Minuten.«
Mein Herzschlag setzt einen Augenblick aus. »Das trifft es genau.«
Mir ist jetzt schon bewusst, dass meine Chancen, pünktlich zu sein, gegen null gehen, aber mir bleibt keine andere Wahl, als es wenigstens zu versuchen. Auch wenn der Selbsthass in mir inzwischen so groß ist, dass ich am liebsten den Kopf in den Sand stecken würde.
»Ich rufe dir ein Taxi«, murmelt Juliette und geht, während ich panisch meine restlichen Sachen zusammensuche und zur Tür laufe.
»Kein Taxi«, rufe ich, obwohl ich schon halb aus der Tür bin.
Verdammt noch mal, wie konnte ich ausgerechnet diesen Termin vergessen?
Das Laufen hilft mir beim Denken.
Ich erhöhe mein Tempo, konzentriere mich ganz auf meine Atmung und warte darauf, dass sich das vertraute High, das jeder Läufer kennt, endlich einstellt. Doch heute ist keiner der guten Tage.
Nur noch wenige Menschen spazieren durch den Park oder sitzen an einem der Springbrunnen. Der Frühling ist noch immer frostig in Chicago, und der Wind sorgt wie üblich dafür, dass die Bäume knarren und Zeitungen zwischen den Parkbänken aufgewirbelt werden.
Und plötzlich ist er wieder da, dieser eine Gedanke, den ich seit Tagen versuche, aus dem Kopf zu bekommen.
Tannengrüne Augen.
Hellblondes Haar.
Verruchtes Lachen.
Fuck.
Egal, wie sehr ich es versuche, Brooke will mir einfach nicht aus dem Kopf gehen. So etwas ist mir bisher noch nie passiert. Ich dachte, sie hätte den Funken auch gespürt. Dieses Prickeln auf der Haut, diesen neuen Takt in der Brust und diese Flammen, die vielleicht zu einem Feuer werden könnten, wenn wir sie nur nicht im Keim ersticken.
Allerdings habe ich mich da offensichtlich getäuscht.
Es ist nicht das erste Mal, dass eine Frau während der Show Interesse an mir bekundet und dann merkt, dass ein Stripper doch nicht zu ihren Lebensplänen passt. Es wäre einfacher, wenn ich ihr deswegen böse sein könnte, doch alles, was ich fühle, ist der leise Stich des Bedauerns. Ob es mir gefällt oder nicht, ich bin ein Sex-Arbeiter. Ein Stripper.
Und es gefällt nun einmal nicht jedem, dass ich mich gegen Geld ausziehe und Fantasien anheize. Ich habe keine Ahnung, was mich geritten hat zu hoffen, dass es bei dieser Frau anders ist. Für sie war ich nur ein glitzerndes Unterhaltungspaket, nicht mehr und nicht weniger. Die Frage ist nur, warum, zur Hölle, mich dieser Gedanke plötzlich so sehr stört. Ich mag meinen Job. Es gefällt mir, begehrt zu werden, ohne dass sich dabei eine tatsächliche Bindung aufbaut. Warum bekomme ich also diese Augen einfach nicht aus meinem Kopf?
Etwas mürrischer als vorher und mit beginnendem Seitenstechen, weil ich zu sehr an Brooke und zu wenig an meine Atmung gedacht habe, biege ich um die Ecke.
In den letzten Tagen habe ich sämtliche soziale Medien nach ihr durchsucht, ohne Erfolg. Ein paar Mal dachte ich sogar, ich hätte sie im Supermarkt gesehen. Kaum erblicke ich einen blonden Pferdeschwanz, denke ich an diese Frau. Ganz offensichtlich bin ich so besessen von ihr, dass ich jetzt auch schon Halluzinationen habe.
Genau wie in diesem Augenblick.
Da steht eine blonde Frau, und ich könnte schwören, dass es Brooke ist. So, wie ich es in den letzten Tagen ständig gedacht habe. Sie wirkt verloren im Licht der Sonne, während sie die Augen schließt und kurz innehält. Fast so verloren, wie ich mich fühle.
Super Nate, selbst deine Halluzinationen sind …
Nein, Moment. Da steht sie. Direkt vor mir. Den Blick auf ihre roten Schuhe geheftet und die Arme um ihre Mitte geschlungen. Mein Mund klappt auf, ich will etwas sagen und vergesse dabei, dass ich noch immer laufe. In meinem Kopf herrscht Leere.
Mein Körper reagiert zu langsam, während alles plötzlich ganz schnell geht.
Fuck.
Ich renne mitten in sie hinein. Ungebremst.
Der Schmerz wird von der Verwirrung verdrängt.
»Nate?« Ihre Stimme hat einen seltsam schrillen Ton, doch das liegt wahrscheinlich daran, dass wir beide auf dem Boden liegen. Sie direkt unter mir.
Ganz eindeutig keine Halluzination, obwohl ich mir gerade wünschte, es wäre anders. Die einzige Frau in Chicago, die mich ganz offensichtlich nicht in ihrer Nähe haben will, und ich renne sie um.
Fuck, Nate.
Für den Bruchteil einer Sekunde starre ich sie noch immer völlig verwirrt an. Ihre grünen Augen blicken nicht weniger irritiert in meine. Eilig springe ich auf.
»Brooke«, entgegne ich atemlos und helfe ihr, aufzustehen. Das letzte Licht der Abendsonne bricht sich zwischen den Bäumen und lässt ihr blondes Haar golden glänzen.
»Was tust du hier?«, sagen wir wie aus einem Mund, und fast hätte ich gelächelt, wenn mir nicht die Spuren der Tränen auf ihren Wangen aufgefallen wären.
»Ich jogge«, erkläre ich, als sei die Tatsache, dass ich Sportkleidung trage und mitten in sie hineingerannt bin, nicht schon Hinweis genug.
»Offenbar planst du keinen Hindernisparcours«, gibt sie zurück und klopft sich die Jeans ab.
»Und was machst du hier?«
Sie beißt sich auf die Unterlippe, und unter anderen Umständen hätte ich diese Geste verdammt sexy gefunden.
»Ich hatte ein Vorstellungsgespräch«, antwortet sie und wischt sich die nassen Spuren von den Wangen.
»Es lief wohl nicht so gut?«
Verdammt, Nate. Kannst du dich eigentlich noch dümmer anstellen? Sie hat offensichtlich geweint. Natürlich lief es nicht gut.
Ich glaube, sie denkt etwas Ähnliches, denn ihr Schweigen wird eisiger. Sie winkt ab. »Ist schon okay«, meint sie. »Du musst mich nicht fragen, nur weil du in mich reingerannt bist.«
»Das mache ich auch nicht.«
»Ist schon okay«, sagt sie wieder. »Ich will dich nicht stören.«
»Du störst mich nicht«, versichere ich schnell, spüre, wie mein Herzschlag wieder heftiger wird und neue Energie durch meinen Körper tobt, als habe sie einen Hebel umgelegt.
»Nate …«
Die Art, wie sie meinen Namen ausspricht, lässt mich für einen kurzen Moment glauben, dass es so etwas wie Schicksal oder Vorsehung oder irgendwas anderes Poetisches gibt, doch dann schüttelt sie den Kopf. Ich halte den Atem an. Jetzt kommt die Abfuhr, die sie mir im Klub erspart hat.
»Nate, du musst jetzt nicht aus Höflichkeit mit mir sprechen«, wehrt sie ab, und meine Augenbrauen rutschen überrascht zusammen. »Du hast klargemacht, dass du kein Interesse hast.«
»Warte, was?«
»Du hast nicht angerufen«, murmelt sie nun auch verwirrt.
»Weil du mir eine falsche Nummer gegeben hast«, rufe ich aus und greife nach meiner Geldbörse. Inzwischen ist der Zettel mit ihrer Nummer völlig abgegriffen. Doch die schwungvolle Handschrift gehört ebenso zu ihr wie die kohlrabenschwarzen Wimpern, die das Tannengrün umschließen.
»Das habe ich nicht«, sagt sie leise und starrt den Zettel an. Dann erstarrt ihre Mimik. Sie schüttelt leicht den Kopf, als könne sie es selbst kaum glauben. »Verdammter Gin. Ich hatte einen Zahlendreher in der Nummer.«
Wir starren einander einen Moment lang an. In ihren grünen Augen schimmern kleine goldbraune Tupfen wie auf Herbstlaub, das sich langsam verfärbt. Die Spur aus Tränen ist getrocknet, und ein sachtes Lächeln umspielt ihre Lippen.
»Dann solltest du mich vielleicht auf einen Kaffee einladen«, murmelt sie und schiebt sich eine Strähne hinters Ohr, ohne den Blickkontakt abbrechen zu lassen.
Keine zehn Minuten später sitzen wir mit zwei Bechern Kaffee auf einer Parkbank. Zwischen uns herrscht ein Schweigen, von dem ich nicht genau weiß, wie ich es einschätzen soll. Nervös fahre ich mir durch die von Schweiß verklebten Haare, in der eigensinnigen Bemühung, mich daran zu erinnern, wie Small Talk eigentlich funktioniert.
»Kommt es mir nur so vor, oder sind wir beide absolut schrecklich darin, über Belanglosigkeiten zu reden?«, spricht Brooke meine Gedanken aus und bringt mich damit zum Lachen.
»Wenn ich ehrlich bin, ist mein letztes Date lange her«, gestehe ich und versuche, dabei mehr wie ein Bad Boy und weniger wie der Mann aus der Weichspüler-Werbung zu klingen.
»Damit wären wir dann zu zweit.«
Brooke hebt den Becher und prostet mir zu.
»Wir könnten über das Wetter reden?«, schlage ich vor.
»In Chicago?«, gibt sie lachend zurück. »Windig. Ende.«
»Dieser Punkt geht an dich.«
»Danke.«
»Willst du mir erzählen, warum du geweint hast?«
»Du meinst außer der Tatsache, dass ein verwirrter Jogger in mich hineingerannt ist?«
»Tut mir leid.«
»Schon okay.«
»Ist das deine Art, dieses Thema unauffällig fallen zu lassen?«
Brooke verzieht das Gesicht, dann zuckt sie mit den Schultern. »Ich hatte ein Vorstellungsgespräch«, murmelt sie und fährt mit den Fingerspitzen die Ränder ihres Bechers nach. »Und ich habe es, ehrlich gesagt, ziemlich verkackt.«
»So schlimm war es sicherlich nicht.«
»Es war noch schlimmer«, gesteht sie seufzend. »Ich war zu spät, nicht vorbereitet, und mein Lebenslauf ist eine Aneinanderreihung von Dingen, die genauso schlecht gelaufen sind.«
»Das klingt ziemlich dramatisch.«
»Tut mir leid, aber meine Jobsituation ist nicht ganz so voller Ruhm und Glitzer«, murmelt sie, und ihre Augen blicken so unvermittelt in meine, dass ich schlucken muss.
Noch nie war ich so dankbar, dass ich joggen gehe. »Glaub mir, der Glitzer ist nur auf der Oberfläche«, gebe ich mit einem kleinen Grinsen zurück.
»Willst du mir etwa sagen, es ist nicht wie in Filmen?«
»Kommt drauf an, welche Filme du meinst.«
»Also das mit den kreischenden Frauen stimmt schon mal.«
»Ja, aber niemand sieht, wie sehr die Cowboystiefel drücken.« Ihr Lachen steckt mich an, lässt mein Herz schneller in meiner Brust hämmern und meine Fingerspitzen prickeln. Leider veranlasst meine innere Uhr mich dazu, auf mein Handgelenk zu blicken. Ein leiser Fluch kommt über meine Lippen. »Mist, ich hab die Zeit vergessen«, brumme ich und sehe sie entschuldigend an. »Ich muss leider gehen.«
»Kein Problem, immerhin hast du einen Job.«
»Ja, ich …« Nervös fahre ich mir durch die Haare. »Ich würde mich freuen, wenn du anrufst«, meine ich und fische aus meinem Portemonnaie eine Visitenkarte.
»Sonderwünsche bitte angeben«, liest Brooke laut vor und grinst zweideutig. »Soll ich dir eine Liste schicken oder lädst du mich zum Essen ein?«
»Nach dem kleinen Unfall bin ich dir ein Essen schuldig.«
»Okay.«
»Okay.«
»Wenn du losmusst, solltest du auch gehen«, meint sie lachend, und ich schaffe es, mich irgendwie von diesen Augen loszureißen.
»Nicht. Dein. Ernst.«
Meine beste Freundin beißt in die Pizza, noch ehe ich antworten kann. Auf meinem Nachhauseweg habe ich an einer der Tausenden kleinen Pizzerien angehalten und alles bestellt, das nach einem Herzinfarkt klingt. Nach einem Fußmarsch durch die halbe Stadt habe ich mir die extra Kalorien verdient. Juliette sieht mich immer noch an, als würde sie eine Antwort erwarten. Dabei ist es eigentlich egal, denn inzwischen habe ich ihr schon mindestens fünfmal von meinem Zusammentreffen mit Nate berichtet.
Allerdings kommt mir diese Ablenkung ganz gelegen, zumindest muss ich ihr so nicht von der Absage erzählen. Oder besser, den Absagen. Plural.
Brown, Columbia, Cornell, Pennsylvania, Princeton und Yale, sie haben nicht nur die Gemeinsamkeit, dass sie die prestigeträchtigsten Universitäten der USA sind, sondern auch, dass keine von ihnen mich haben will. Die Ivy League der ehrwürdigen US-Colleges zeigt mir, den Erwartungen meiner Eltern und meinen Träumen den Stinkefinger. Es stehen nur noch zwei Antworten aus: Dartmouth und Harvard. Ich komme mit jeder Absage zurecht, wenn ich dafür diese eine Zusage bekomme: Harvard.
Mein ganzes Leben lang träume ich schon davon. Selbst die Monate im Krankenhaus habe ich mich geweigert, ohne mein Harvard-Shirt zu schlafen. Es ist nicht nur ein einfacher Traum, es ist meine Bestimmung. Irgendwann werde ich selbst dozieren, nicht nur irgendwo, sondern in der Elite der Fakultäten. Meine Eltern werden nicht mehr sagen »Unsere Tochter ist ein Geschichtsnerd«, sondern »Unsere Tochter hat gerade ihren Doktortitel in Harvard gemacht«. Ich will endlich den Stempel loswerden – seit dem Unfall noch mehr als davor. Harvard wird mir dabei helfen und beweisen, dass ich gut genug bin. Der einzige Funken Hoffnung, für den ich die letzten Jahre gearbeitet habe.
Mühselig lächle ich, denn wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, ist Nate auch eine willkommene Ablenkung für mich.
»Du kannst es ruhig glauben. Denn noch einmal werde ich mich nicht wiederholen.«
»Das klingt wie der romantische Anfang eines Liebesfilms«, meint sie erschreckend verträumt.
Manchmal vergesse ich, wie sehr sie an die rosa Kitschwelt glaubt, die mir selbst so fremd ist. »Nicht wirklich. Oder fällt dir ein Film ein, bei dem jemand in einen Stripper rennt?«
»Nimm es doch nicht gleich so wörtlich.«
»Gib mir lieber die Pizza, bevor ich noch verhungere.«
Juliette schiebt mir den Karton zu und wischt sich etwas Soße aus dem Mundwinkel. Ich habe keine Ahnung, wie sie es schafft, dass nicht einmal dabei ihr Lippenstift verschmiert.
»Wie liefen deine Prüfungen? Du hast noch gar nichts erzählt«, will ich wissen.
Juliette zuckt mit den Schultern. »Ich denke, ganz okay.«
»Das klingt ja wahnsinnig begeistert.«
»Ich will nicht über Zahlen, Wirtschaft oder Management reden«, wehrt Juliette ab. »Im Moment interessiert mich dein Leben wesentlich mehr als mein Studentendasein. Wann siehst du ihn wieder?«
Die Frage lässt mein Herz schneller schlagen, doch ich versuche, es geschickt mit einem Räuspern zu verbergen. »Mal sehen.«
»Mal sehen?«, zischt sie und starrt mich fassungslos über den Rand ihres Weinglases an. »Kannst du bitte akzeptieren, dass diese Begegnung absolut schicksalhaft ist?«
»Zumindest ist es ein spannender Zufall.«
Sie wirft aufgebracht die Hände in die Luft. »Nicht. Dein. Ernst.«
»Du wiederholst dich heute ziemlich oft …«
»Und du bist blind«, gibt sie empört zurück. »Obwohl du in einer der größten Städte Amerikas bist, rennt ausgerechnet der heiße Stripper in dich hinein, dem du deine Nummer gegeben hast. Das ist doch kein spannender Zufall, das ist Schicksal.«
»Wenn ich zustimme, hörst du dann auf und suchst endlich einen Film aus?«
»Vielleicht.«
»Diese Antwort ist nicht befriedigend.«
»Nicht halb so schlimm wie ›spannender Zufall‹ …«
Gegen meinen Willen muss ich lachen. Der Gedanke an Schicksal behagt mir nicht. Wenn es etwas gibt, das ich nicht leiden kann, dann ist es Kontrollverlust. Ich kann den Glauben an das Schicksal nicht zulassen, ohne dass es sich negativ auf meinen Schlaf auswirken würde. Denn wenn es mich bestimmt, woher weiß ich dann, dass es wirklich meine Entscheidungen waren?