Sturmwächter 1. Das Geheimnis von Arranmore - Catherine Doyle - E-Book
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Sturmwächter 1. Das Geheimnis von Arranmore E-Book

Catherine Doyle

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Beschreibung

Ein magischer Sommer auf der Insel, die niemals vergisst. Die irische Insel Arranmore ist durchdrungen von Magie. Als der 11-jährige Fionn Boyle zusammen mit seiner Schwester Tara dort den Sommer bei seinem Großvater verbringt, erfährt er, dass er, genau wie seine Vorfahren, ein Sturmwächter ist. Er lernt, Magie in der Flamme einer Kerze einzufangen und so in die Vergangenheit zu reisen. Als sich ein heftiger Sturm zusammenbraut, gilt es die Inselbewohner vor der dunklen Macht jener Zauberin schützen, die in den Tiefen Arranmores schläft. Wird Fionn dieser Herausforderung gewachsen sein? "Sturmwächter" von Catherine Doyle garantiert Hochspannung: mit einem stürmischen Inselsetting, atmosphärisch erzählt und von atemberaubender Magie.

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Über dieses Buch

Fionn Boyle verbringt den Sommer bei seinem Großvater auf Arranmore. Doch die irische Insel birgt ein Geheimnis. Eine böse Zauberin liegt tief unter den Felsen gefangen, und ausgerechnet Fionns Großvater ist der Sturmwächter, der die Insulaner vor dieser dunklen Bedrohung schützen muss. Wird der alte Malachy Boyle dem mächtigen Sturm der Vergangenheit trotzen können? Fionn muss seinen Mut unter Beweis stellen und zeigen, dass auch er das Meer im Blut hat.

 

Der Beginn einer fantastischen Abenteuergeschichte – stürmisch, atemberaubend und einfach mitreißend!

 

 

 

 

 

 

Für meine Großeltern,

Kapitän Charles P. Boyle und Mary McCauley Boyle,

von der Insel Arranmore

Prolog

Auf einem Feld voller Wildblumen standen unter einer alten Eiche Seite an Seite ein Junge und ein Mädchen. Der Himmel war zornig, der Donner grollte wie ein wütendes Tier.

»Bist du bereit?«, fragte der Junge nervös.

Das Mädchen hob das Kinn, das weizenblonde Haar fiel ihr wie ein Vorhang über den Rücken. »Ich war immer schon bereit.«

Sie pressten die Hände an den knorrigen Stamm. Der Baum bebte, er streckte die Äste und schüttelte sich wach. Kurz war es still, dann krachte es über ihnen. Ein Blitz zuckte zwischen den Wolken hervor und spaltete den Baum mitten entzwei. Flammen stiegen an seiner Rinde empor, wanderten über die Äste und verschlangen die Blätter, bis er ganz in goldenes Licht getaucht war.

»Betty?«, sagte der Junge unsicher. »Sollen wir …«

»Scht!«, zischte das Mädchen. »Er will uns was sagen.«

Der Baum begann zu flüstern. Es klang viel lauter, als der Junge erwartet hatte – langsam verwandelte sich das Knacken und Zischen der Flammen in Worte. »Sssssagt etwasss, oder lassst euch ssssagen.«

Das Mädchen stellte ihre Frage. Als der Baum darüber nachdachte, tippte sie ungeduldig mit den Fingern auf die verkohlte Rinde. Ein Nebelschleier senkte sich schwer herab, und die Haarsträhnen, die das Gesicht des Mädchens umrankten, kräuselten sich.

Aber der Baum sprach nicht zu dem Mädchen.

Stattdessen wandte er sich zu dem Jungen und kroch in seinen Kopf. Der Junge krümmte sich, sank zu Boden, und in der Finsternis seiner Gedanken entfaltete sich eine Vision.

Er stand am Rand einer Landspitze, die Wolken sammelten sich in seinen ausgestreckten Händen, und der Wind umschlang seinen Körper. Er spürte, wie das Meer durch seine Adern rauschte und in der äußersten Schicht seines Herzens Salzkristalle hinterließ.

Er wusste, dass er für immer verändert war.

Betty hatte sich geirrt.

Die Insel hatte ihn erwählt.

Er blinzelte, um aufzuwachen, doch der Baum packte seine Gedanken nur noch fester. Eine weitere Vision bahnte sich ihren Weg. Eine Vision, um die sie nicht gebeten hatten.

»Sieh hin«, zischte der Baum. »Pass auf.«

Da erschien vor ihm ein Junge. Er war ein wenig jünger als er selbst, doch er hatte die gleiche Nase und die gleichen Augen. In der einen Hand hielt er einen Smaragd, so grün wie das Gras der Insel, in der anderen einen krummen Stab, der aufs Meer zeigte. Die Jungen standen ein Stückchen voneinander entfernt und sahen, ohne wirklich etwas zu erkennen, während Raben den Himmel mit Federschwaden erfüllten. Die Erde unter ihren Füßen bekam Risse, ein Schatten kroch über die Insel und begrub sie in Finsternis.

Der Junge erwachte. Er lag wieder auf dem Wildblumenfeld, und es regnete in Strömen.

»Betty«, sagte er, und ein Tropfen landete genau in seinem Mund. »Du wirst nicht glauben, was ich gerade gesehen habe.«

 

Das Mädchen blickte auf ihn herab, die Augen zusammengekniffen und glühend wie Kohlen. Sie trat ihm in die Rippen. »Du meinst wohl, was du gerade gestohlen hast!«

»Lass das!« Er drehte sich weg, als sie noch einmal nach ihm trat. »Ich muss dir was erzählen. Kannst du bitte mal aufhören? Aua! Hör mir zu. Ich hab Raben gesehen, Betty. Ich glaube …«

Das Mädchen hörte nicht zu. Sie stolzierte über Wildblumen und durchweichtes Gras davon, das Kinn zum weinenden Himmel erhoben.

Der Junge wollte sie zurückrufen und ihr sagen, dass das hier viel größer war als sie – größer als sie beide –, doch sie hatte sich schon aufgelöst und nur ein feines Kräuseln in der Luft hinterlassen.

Der Junge versuchte, seine Angst herunterzuschlucken. Irgendwo in den Tiefen der Erde braute sich eine Finsternis zusammen, eine Finsternis, schrecklicher als alles, was die Erde je gesehen hatte.

Es war zu spät, sie jetzt noch aufzuhalten.

Erstes Kapitel:Die schlafende Insel

Fionn Boyle saß zusammengekauert auf einem Plastikstuhl, die Arme an die Seiten gepresst, das Kinn auf der Brust, und versuchte, sich nicht auf seine Schuhe zu übergeben.

Die Fähre ächzte. Unweigerlich registrierte Fionn den Rost an den Wänden, die abblätternde blaue Farbe, das Horn, das wie eine sterbende Kuh klang. Er versuchte, sich nicht vorzustellen, wie viel Meerwasser er schlucken müsste, um von innen zu ertrinken. Tara sah gerade nicht zu ihm hin, aber Schwestern konnten Angst riechen, das wusste Fionn. Wenn ihm jetzt das Mittagessen hochkam, würde sie ihn damit bis in alle Ewigkeit aufziehen.

Als wäre das nicht schon schlimm genug, saß Fionn eingequetscht zwischen zwei alten Tratschtanten. Sein Telefon steckte tot in seiner Tasche. Kein Netz. Nicht mal ein einziger Balken. Manchmal legten die Tratschtanten eine Pause ein, als müssten sie ein so großes Geheimnis erst mal verdauen. Dann wieder spürte Fionn ihre Blicke auf der Wange kribbeln, als wollten sie, dass er sich am Gespräch beteiligte. Die meiste Zeit aber wurden sie von den brausenden Wellen übertönt.

Das war das Schlimmste von allem: das Meer direkt unter ihm. In seinen grausigsten Albträumen saugte es ihn auf und verschluckte ihn, und er wachte mit einem Ruck auf, schweißgebadet.

Die Seeluft brannte ihm in der Lunge und biss in seine Wangen, während das Festland vor seinen Augen verschwamm, erst war es noch ein grüner Fleck am Horizont, dann gar nichts mehr.

Fionn vermisste schon jetzt den Smog von Dublin, den metallischen Lärm der Straßenarbeiten und die halb fertigen Straßenbahnschienen, die die Stadt zerschnitten und Touristen von den Gehwegen fegten. Er dachte nie darüber nach, ob es ihm gefiel oder nicht – der Lärm einer Stadt, die immer in Bewegung war –, es war einfach vertraut, und Vertrautheit bedeutete Zuhause.

Das hier war alles andere als vertraut.

Tara stand am Bug des Schiffes, die Füße auf der Reling. Ihre dunklen Haare peitschten durch den Wind, verheddert wie Bindfäden. Sie drehte sich um und suchte ihn im Wirrwarr der Passagiere. »Komm her, Fionny! Guck dir die Wellen an! Die sind gigantisch!«

Fionn schüttelte den Kopf. Die Fähre schaukelte, und sein Magen schaukelte mit, hoch und runter, bis ihm das Mittagessen in die Kehle schwappte.

»Sei nicht so ein Baby!«, spottete Tara.

Fionn und seine Schwester lagen nur wenig mehr als ein Jahr auseinander, und er konnte sich an eine Zeit erinnern, als sie fast wie Freunde gewesen waren. Er hatte immer gedacht, sie hätten etwas gemeinsam, bis zu dem Tag, an dem sie dreizehn wurde und er elf blieb, und sie auf einmal viel zu klug war, um mit ihm abzuhängen und Computerspiele zu spielen.

Ich bin jetzt reif, Fionny. Meine Interessen haben sich verändert.

Fionn wusste nicht, woran Tara Reife maß, aber das Abendessen für alle drei kochte meistens er, während Tara Nutella aus dem Glas klaubte wie Pu der Bär und beim Anblick einer Spinne das ganze Haus zusammenschrie.

Tara grinste ihn hämisch an, dann kletterte sie auf der Reling noch eine Sprosse höher und schaute in die Wellen, bis es so aussah, als wollte sie kopfüber hineinspringen, nur um ihm zu beweisen, dass sie es konnte. Fionn überlegte, dass es eigentlich ganz witzig wäre, wenn sie das Gleichgewicht verlieren und ein bisschen ertrinken würde. Nicht so, dass sie sterben würde, nur so, dass ein vorbeischwimmender Fisch den Teil ihres Gehirns wegfressen könnte, in dem ihr fieser Charakter verankert war.

Er starrte wieder zum verschwommenen Horizont und suchte sich einen Fixpunkt gegen die Übelkeit. Seine Mutter hatte gesagt, damit könnte man das Schaukeln des Schiffs besser aushalten. Es war das Letzte, was sie ihm beim Abschied in Dublin gesagt hatte, mit klarem Blick und traurigem Lächeln. Dann saßen sie plötzlich im Wagen der Nachbarin, und Fionn drückte die Nase an die Scheibe, während sie durchs Land rollten und seine Mutter zurückließen.

Fionn wartete darauf, dass die Insel auftauchte. Die Insel, von der sie ihnen erzählt hatte, als er klein war, sie bekam dann immer so einen glasigen, entrückten Blick. Manchmal war die Insel wunderschön. Manchmal war sie traurig, gnadenlos und bot nichts als die Erinnerung an seinen Vater, der vor langer Zeit auf See geblieben war. Fionn wusste, dass Arranmore seine Mutter verfolgte, und er war sich nicht sicher, ob das eher gut oder schlecht war. Er wusste nur, dass Orte genauso wichtig sein konnten wie Menschen. Dass sie dieselbe Macht über uns haben konnten, wenn wir es zuließen.

Tara verließ ihren Aussichtsplatz am Bug der Fähre, hüpfte über das Deck und beugte sich zu ihm herab, bis sie fast Nase an Nase waren. »Musst du so deprimiert vor dich hin starren?«

Fionn mochte es nicht, wenn seine Schwester mit solchen Wörtern um sich warf. Deprimiert. Als wäre das eine Farbe, die er trug. Als könnte man mal so sein und mal nicht, ganz nach Belieben. Außerdem war es für sie ja leicht, sich auf die Reise zu freuen. Sie hatte die Insel schon im letzten Sommer besucht und es irgendwie geschafft, Freunde zu finden.

»Ich will da nicht hin«, brummte er. »Und ich werd auch nicht so tun, als ob.«

»Du willst nie irgendwohin«, sagte Tara. »Du machst nie was anderes, als in deinem Zimmer zu hocken und Computerspiele zu spielen, in denen du auch noch schlecht bist. Du bist so ein Langweiler.«

Fionn hätte am liebsten gesagt, dass er gern zu Hause bei seiner Mutter geblieben wäre, dass er gern neben ihr sitzen würde, selbst wenn es sich anfühlte, als sähe sie ihn gar nicht. Und dass er gar nicht schlecht in Computerspielen war, sondern sogar sehr gut.

»Halt die Klappe«, sagte er stattdessen.

Tara nahm einen Marsriegel aus der Tasche – Ausbeute eines Streifzugs durch die Tankstelle auf dem Weg zur Fähre. Mit breitem Grinsen hatte die alte Mrs Waters ihr prallvoll mit Münzen gefülltes Blumenportemonnaie geöffnet. Sucht euch aus, was ihr möchtet, ihr Süßen.

Tara biss hinein, und ihre Worte waren klebrig vom halb zerkauten Karamell. »Es ist ein Abenteuer, Fionny.« Sie schaute nach links und rechts und senkte die Stimme. »Die Insel ist magisch. Wart’s nur ab.«

»Das denkst du nur, weil du da letztes Jahr einen Jungen kennengelernt hast«, sagte Fionn voller Abscheu.

Tara schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich deshalb, weil es auf der Insel Geheimnisse gibt.«

Fionn versuchte, den Schokoladengeruch auszublenden. »Was für Geheimnisse?«

»Das darf ich nicht verraten!«, sagte sie, und ihre Augen funkelten triumphierend.

Fionn seufzte. »Ich fasse es nicht, dass ich dich den ganzen Sommer an der Backe haben werde.«

»Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen, denn ich werde sowieso keine Zeit mit dir verbringen.« Ihre Sommersprossen rückten dicht zusammen, als sie die Nase rümpfte. »Du kannst dich mit Opa vergnügen.«

»Den mag ich jetzt schon lieber als dich«, sagte Fionn schnell.

»Du kennst ihn ja noch gar nicht.«

Fionn öffnete die Faust mit dem zerknüllten Fährticket. »Sogar diesen Papierschnipsel mag ich lieber als dich.«

Tara fuchtelte mit ihrem Mars vor seiner Nase herum. »Du bist so unreif.«

»Bin ich nicht.« Fionn wartete, bis sie wegschaute, dann warf er das Ticket nach ihr und sah, wie es sich in ihren Haarspitzen verfing. Sofort ging es ihm ein bisschen besser. Eine Möwe flog im Sturzflug über das Wasser, ihre Flügel streiften die Wellen. Ihr wilder Schrei war wie ein Weckruf, und die Insel erhob sich zur Begrüßung.

Dunkelgrüne Grasflecken platzten wie Blasen aus dem Wasser und erhoben sich zu geschwungenen Hügeln. Schotterwege wanden sich zwischen alten Häusern hindurch, die nebeneinander am Hafen kauerten, wo der Sand stumpf und messingfarben war. Die Insel wirkte seltsam verlassen, als läge sie in tiefem Schlaf.

Arranmore.

Genau so hatte Fionn sie sich vorgestellt: ein vergessener Fleck am Rand der Welt. Der perfekte Sterbeort für seine Seele.

Tara lief wieder zu ihrem Ausguck, und Fionn spürte alle Luft aus sich weichen wie aus einem riesigen Ballon. Er sah, wie sich die fernen Flecken auf der Insel in Menschen, Geschäfte, Häuser, Autos und zahllose Fischerboote verwandelten. Er versuchte sich seine Mutter auf dieser merkwürdigen Insel vorzustellen, wie sie am Hafen entlangschlenderte und im Laden an der Ecke Brot und Milch kaufte. Oder wie sie, die Arme um den Körper geschlungen, am Ufer stand und aufs Meer hinaus schaute. Doch so sehr er sich auch bemühte, er konnte die Bilder nicht heraufbeschwören.

Als die Fähre ächzend in den Hafen einfuhr, stürmte Tara auf die Insel, ohne sich auch nur umzusehen. Fionn stand schwankend und stocksteif am Rand des Piers. Irgendetwas stimmte nicht. Der Boden unter ihm bebte, es zitterte unter seinen Sohlen, als wären seine Schritte plötzlich viel schwerer. Der Wind wirbelte um ihn herum, schlug ihm die Haare in die Augen und den Atem in die Lunge, bis er das absurde Gefühl hatte, die Insel würde die Arme öffnen und ihn einhüllen.

Fionn hielt nach den zerklüfteten Küstenlinien der Landspitze Ausschau. In der Ferne am Rand der Bucht, wo sich Farne und Dornensträucher an einer niedrigen Klippe rauften, lugte ein Häuschen aus der Wildnis hervor. Der Rauch, der aus dem Schornstein stieg, wand sich wie ein gekrümmter Finger in den Abendhimmel.

Der Wind schob Fionn über den Kai. Der graue Rauch vor dem sonnenroten Himmel stieg höher empor.

Er lockte ihn herbei.

Fionn vernahm ein fernes Flüstern in den Ohren: eine Stimme, die er noch nie zuvor vernommen hatte, eine Stimme, die tief in seinem Blut und seinen Knochen summte. Er versuchte mit aller Kraft sie zu ignorieren.

»Komm«, sagte die Stimme. »Komm nach Hause.«

Zweites Kapitel:Das Haus des Kerzenmachers

Fionn war sich fast sicher, dass das Haus von Malachy Boyle atmete. Es hob und senkte sich hinter dem Dornengestrüpp und spähte immer wieder zu ihnen herüber. Der Rauch stieg unbeirrt empor, aber von Fionns Großvater war nichts zu sehen.

»Beeil dich«, murrte Tara. Der Koffer, den sie über den schmalen Weg zog, bespuckte Fionn mit Steinchen. »Ich würd gern noch in diesem Jahrhundert ankommen!«

»Weiß er überhaupt, dass wir kommen?« Fionn ließ den Blick zwischen dem Haus und dem Weg hin- und herschweifen. »Warum hat er uns nicht an der Fähre abgeholt?«

»Er ist alt«, sagte Tara.

»Kann er nicht laufen?«

»Soll er dich etwa tragen wie ein Baby?« Das entschiedene Pa-dam des Koffers unterstrich ihre Worte. »Kannst du nicht allein einen Hügel raufsteigen?«

»Ich bin ja nicht mal allein«, sagte Fionn wütend. »Luzifer persönlich begleitet mich.«

»Halt die Klappe«, zischte Tara.

»Ich finde es einfach unhöflich«, murmelte Fionn. »Wir sind doch seine Gäste. Und wir wissen nicht mal, wo wir hinmüssen.«

»Ich weiß, wo wir hinmüssen. Ich war schon mal hier, nur dass ich dich letztes Mal nicht als Klotz am Bein dabeihatte.«

Fionn verdrehte die Augen. Als vorhin eine Biene auf Taras Schulter gelandet war, hatten sie fast fünf Minuten verloren. Die Biene hatte sie um die Landspitze gescheucht, und Tara hatte gekreischt und war herumgehüpft, als wäre ein Grizzlybär hinter ihr her.

»Dann weise uns den Weg, Kolumbus«, sagte er und stampfte hinter ihr her.

Fionn hätte nicht gedacht, dass seine Erwartungen noch tiefer sinken könnten. Bis sie vor dem Haus standen.

Es war klein und gedrungen und von Bäumen und Dornen überwuchert. Dort, wo die weiße Farbe abblätterte, schaute teilweise das Mauerwerk hervor. Das Dach bestand aus Schieferplatten, einige waren zerbrochen und in kaputte Dachrinnen gefallen. Die Fenster waren trüb vor Schmutz, und auf den Fensterbänken standen lauter Blumen ohne Köpfe, ihre Stiele neigten sich Richtung Garten, als suchten sie ihre verlorenen Blütenblätter.

Es war ein absolutes Durcheinander, und Fionn fand es scheußlich. Er wollte zurück nach Dublin zu seiner Mutter, in ihre enge Wohnung, wollte den Nachbarn von oben lauschen, die einen geheimen Pitbullterrier versteckten, und überlegen, was sie beim Chinesen bestellen sollten.

Sie kamen an einem alten Briefkasten vorbei, auf dem in verblichener Schrift Tír na nÓg stand.

Das Land der Jugend.

Was für eine Ironie, dachte Fionn. Dann nahm er sich vor, das Wort »Ironie« noch mal nachzuschlagen, ehe er es Tara gegenüber benutzte.

Das Tor wimmerte leise, als er es zuzog.

»Ganz schön trostlos, was?« Tara flüsterte nicht mal, obwohl sie jetzt in dem standen, was manche Leute vielleicht als Vorgarten bezeichnet hätten, was für Fionn jedoch eher wie Salat aussah. »Und drinnen ist es genauso deprimierend.«

Deprimierend. Schon wieder dieses Wort.

Fionn drehte sich in Zeitlupe um. »Wie kann man hier nur freiwillig leben?«

»Tja, ich nehme an, das hier ist der einzige Ort, der mich erträgt.«

Fionn hielt in der Drehung inne. Die Adern in seinen Wangen schienen zu bersten.

Sein Großvater stand auf der Türschwelle. Er war hünenhaft groß, schmal, mit spiegelnder Glatze, großem Gesicht und passend großer Nase. Es war die gleiche Nase, die Fionn im Spiegel verfluchte, solange er denken konnte. Auf der Nasenspitze seines Großvaters saß eine riesige runde Hornbrille und ließ seine Augen größer erscheinen, als sie eigentlich waren. Seine Arme und Beine waren unglaublich lang, wirkten in einem übergroßen Tweed-Anzug aber trotzdem kurz. Er sah aus, als wäre er für einen besonderen Anlass gekleidet, allerdings schon seit fünfzig Jahren, weshalb sich der Anzug inzwischen an seinem Körper auflöste.

Fionns Großvater warf den Kopf zurück, riss den Mund auf, sodass Fionn all seine Zähne sehen konnte – die grauen und die weißen –, und lachte. Lachte und lachte und lachte, bis Fionn sich vorstellte, das Lachen würde ihn umtosen wie ein Tornado und die Winde würden sein Herz zum Klingen bringen wie eine Geige.

Und da lachte Fionn mit. Es war ein unbeholfenes, gezwungenes Lachen, aber so musste er wenigstens nicht darüber nachdenken, dass ihm das Ganze eher wie ein Gefängnis vorkam als wie ein Abenteuer und dass sie ihre Mutter in Dublin in einem gesichtslosen Gebäude bei irgendwelchen Fachleuten mit teuren Pullovern und modischen Brillen zurückgelassen hatten. Er lachte, damit sich diese Gedanken nicht in etwas Trauriges und Hässliches verwandelten, das so aussah oder klang wie Weinen.

Auf keinen Fall wollte er vor Tara weinen.

Diese Ferien sollten nicht zum Weinen sein. Auch wenn es eigentlich gar keine richtigen Ferien waren.

Als das Lachen stotternd verstummte, betrachtete sein Großvater ihn lange und ausgiebig. »Nun denn«, sagte er und senkte das Kinn. »Endlich lernen wir uns kennen.«

Er blieb in dem niedrigen Türrahmen stehen und winkte sie hinein, den Finger gekrümmt wie die Rauchfahne, die sie die Klippe hinaufgelockt hatte.

Tara stürmte ins Haus und warf eine Beleidigung über die Schulter. »Gratuliere, Fionny. Endlich hast du jemanden gefunden, der genauso bekloppt ist wie du.«

»Achtung, Biene!« Ihm wurde gleich leichter ums Herz, als Tara hysterisch kreischte und ins Haus stürmte.

Fionn machte die Tür zu und wäre fast in eine Garderobe gestolpert, an der Hüte und Regenschirme wie Requisiten hingen, allesamt mit einer dicken Staubschicht bedeckt.

»Oh.« Er starrte mit großen Augen auf die Regale, die das kleine Wohnzimmer vom Boden bis zur Decke umgaben und sich bis zur Küche weiterzogen, die man durch einen Türbogen sah.

Jeder Zentimeter in dem ohnehin schon engen Haus war mit Regalen bedeckt, und alle waren mit Kerzen gefüllt.

Jede Kerze war mit verschnörkelter Schrift gekennzeichnet. Einige Etiketten waren allgemeiner Natur, wie Herbstschauer und Sommerregen, Osternebel und Weiße Weihnacht, während andere, wie Plötzlicher Tornado an Josies 12tem Geburtstag oder Sean McCauleys entflogener Drachen seltsam spezifisch waren. Manche Namen bezogen sich auf einen kurzen Zeitraum, wie Flammender Sonnenaufgang, Februar 1997 oder Leuchtende Dämmerung, August 2009, andere bestanden aus allgemeinen irischen Begriffen wie Suaimhneas, Frieden, oder Saoirse, Freiheit.

Auf einer Kerze stand einfach Fadó Fadó – Vor langer, langer Zeit. Das konnte alles heißen. Es konnte sich auf die Eiszeit beziehen oder auf die Bronzezeit oder auf jene Zeit in Irland, als alle Mönche Manuskripte verzierten und sich aus irgendeinem Grund, an den Fionn sich nicht mehr erinnern konnte, in großen runden Türmen versteckten.

Fionns Blick fiel auf Zorniger Himmel über Aphort Beach, eine Kerze, die so aussah, als wäre sie von einem wütenden Sturm geschnitzt worden. Unten war sie dunkelgrau, wirbelnde Wolken stiegen nach oben, bis das Wachs an den Rändern zerlief und in ein blasses Violett überging. Ein silberner Zickzackblitz zog sich mitten durch die Kerze, und je länger Fionn daraufstarrte, desto stärker wurde das Gefühl, der Blitz könnte aus dem Regal springen und durch die Luft zucken.

»Dann trinkt ihr jetzt erst mal Tee«, sagte sein Großvater. Es war keine Frage, und Fionn war erleichtert. Manche Dinge waren überall in Irland gleich.

Tara saß in einer Ecke des Wohnzimmers und kramte in ihrer Tasche nach dem Ladegerät. Sie wirkte so verzweifelt wie eine Verdurstende in der Wüste auf der Suche nach Wasser.

Fionn duckte sich unter einen Balken hindurch und ging in den Flur, von dem drei weitere Zimmer abgingen. Die Wände schienen sich hier nach innen zu biegen, als wollten sie ihm ein Geheimnis ins Ohr flüstern. Auch in den anderen Zimmern standen Kerzen. Manche waren so winzig wie sein kleiner Finger. Einige waren regenbogenfarben, aus anderen wuchs Gras. Es gab auch eigenartig geformte Kerzen – Regentropfen oder Schirme oder kleine Monde mit Kratern. Und sogar wolkenförmige Kerzen, die so bauschig und leicht aussahen, dass Fionn sie anstupsen musste, um sich zu vergewissern, dass sie aus Wachs und nicht aus Dunst waren.

Im Wohnzimmer brannte auf dem Kaminsims eine einzelne Kerze. Es war die größte im Haus – ein gewaltiger Wachsklotz in einem dicken Glastrog, so schwer wie Fionns Kummer. Sie war blassgrau und hatte um den Docht herum blau marmorierte Streifen in Türkis, Saphirblau und Aquamarin. Himmelblaue Streifen gingen in Meerblau über, und es gab sogar, wie Fionn nicht umhinkonnte zu bemerken, Streifen in der Farbe seiner Schuluniform – Kotzmarineblau.

Jetzt, da draußen die Sonne hinter dem Gestrüpp versank, war die Kerze die einzige Lichtquelle. Sie verströmte einen bestimmten Geruch, den Fionn nicht einordnen konnte, der jedoch irgendetwas in ihm ansprach.

Er erinnerte an Seeluft, stach aber nicht so in seiner Nase. Und da war noch etwas anderes. Wasser? Nein, nicht einfach nur Wasser. Fionn kniff die Augen zu. Es war, als steckte die Antwort irgendwo in seinen Knochen und als könnte er sie, wenn er die Augen zumachte und sich stark genug konzentrierte, aus den Tiefen hervorziehen und seiner Zunge entlocken.

Regenwasser. Ja. Aber von einem Unwetter – einem wütenden Wirbelsturm, der gegen die Fensterscheiben peitscht. Da war wieder das Meer, aber diesmal war es unstet, wie Schaum auf einer kabbeligen Welle oder …

»Erde an Fionn!« Tara klatschte vor seinem Gesicht in die Hände, und er zuckte zusammen, fuhr zurück und stieß dabei eine Kerze von ihrem Platz über dem Sessel. Sofort verflüchtigte sich der Geruch, und Fionn fragte sich, ob er ihn sich nur eingebildet hatte.

In der Küche goss sein Großvater den Tee auf. »Hat deine Schwester dir nicht erzählt, dass ich Kerzenmacher bin?«

Fionn funkelte Tara vorwurfsvoll an.

»Ich dachte, ich darf über nichts hier auf Arranmore reden«, sagte sie gleichmütig. »Und ehrlich gesagt, glaub ich auch nicht, dass du mit deinen Kerzen bei Fionn große Begeisterung auslösen kannst. Ist nicht böse gemeint.«

Fionns Großvater sah aus, als hätte Tara einen Pfeil auf ihn abgefeuert, sein linkes Auge zuckte, während sie auf der Suche nach einer funktionierenden Steckdose durch den Flur davoneilte.

»Sie will nicht so ätzend sein«, sagte Fionn. »Mam sagt, das hört wieder auf. Aber es kann noch eine Weile dauern. Es hat grad erst angefangen.«

Sein Großvater schlug ihm auf die Schulter. »Keine Sorge, Fionn. An den kalten Wind pubertärer Gleichgültigkeit bin ich gewöhnt.«

»Nimm’s nicht zu persönlich. Sie hat sich noch nie viel aus Kerzen gemacht.« Fionn verstummte, denn in Wahrheit machte er sich auch nicht viel aus Kerzen, weil sie, ähnlich wie Goldfische, Mathe und seine Schwester, nichts Besonderes vollbringen konnten. Und er war ja kein Hundertjähriger auf der Suche nach einem Weihnachtsgeschenk, das er in letzter Minute für jemanden besorgen musste, den er total vergessen hatte.

»Außerdem dachte ich, du arbeitest auf den Rettungsbooten«, sagte Fionn. Das war eine der wenigen Sachen, die er über seinen Großvater wusste – dass Malachy Boyle, wie alle männlichen Boyles (bis auf einen), das Meer ebenso liebte wie das Meer ihn, dass er quasi auf den Rettungsbooten aufgewachsen war und mit achtzehn dort angefangen hatte zu arbeiten. »Wie Dad, als …«

Als er noch lebte, wollte er sagen, aber die Worte blieben ihm im Hals stecken. Dort zu sein, wo sein Vater gestorben war, ließ die Trauer frischer wirken.

»Früher ja, aber jetzt halte ich mich lieber drinnen auf. Ich bin ja nicht mehr der Jüngste.« Sein Großvater hantierte wieder mit dem Tee herum, nahm die Teebeutel heraus und warf sie in die Spüle, dann gab er einen Schuss Milch in jeden Becher und reichte Fionn einen davon. »Du bist ein bisschen grün um die Nase, Junge. Oder bist du einfach ein echter Patriot?«

Fionn folgte ihm ins Wohnzimmer. »Die Überfahrt war ziemlich unruhig. Viele Leute sind seekrank geworden.«

Sie setzten sich in zwei gegenüberliegende Sessel, und sein Großvater sah ihn durchdringend an.

»Na gut … vielleicht hab ich ein bisschen … Angst vor dem Meer«, gab Fionn zu. Er nahm einen viel zu heißen Schluck Tee und hätte ihn fast wieder ausgespuckt. »Ich mag die Wellen nicht. Und alles andere eigentlich auch nicht.«

Sein Großvater sah ihn mit schief gelegtem Kopf weiter an. Das Kerzenlicht flackerte auf seiner Haut, die Schatten krochen über seine Wange.

»Bin ich jetzt ein schlechter Boyle?«

Sein Großvater machte leise hm-hm, ließ den Blick über Fionn wandern und schaute dann zur Wand hinter ihm, wo Fionns Großmutter von einer Fotografie auf sie beide herablächelte. »Nach meiner Erfahrung gibt es keine Angst – so albern sie auch scheinen mag –, wegen der man sich schämen müsste. Hast du gewusst, dass deine Großmutter unter akuter Anatidaephobie litt?«

Kaum hatte Fionn das Wort gehört, flatterte es auch schon wieder davon wie ein Schmetterling. »Was … was ist das?«

Sein Großvater legte die Hände aneinander. »Sie hatte Angst davor, von einer Ente beobachtet zu werden.«

Fionn starrte seinen Großvater an. »Was?«

»Anatidaephobie«, wiederholte sein Großvater. »Die Angst, dass irgendwo auf der Welt eine Ente ist, die einen beobachtet.«

»Was?«, fragte Fionn wieder.

»Eine wirklich schlimme Sache.« Sein Großvater schlürfte endlos lange an seinem Tee. »Das hat sie am Ende dahingerafft.«

»Mam sagt, sie hat sich zu Tode gegrämt.«

Sein Großvater strich sich über das Kinn. »Nein. Es war die Ente, Fionn. Da bin ich mir fast sicher.«

»Willst du mich veräppeln?«

Sein Großvater gab die ernste Miene auf, und auf seinen Lippen breitete sich ein Grinsen aus. Er kicherte, und Fionn stimmte mit ein, vor lauter Erleichterung hüpfte das Lachen ein bisschen zu laut aus ihm heraus.

Sein Großvater tippte an seinen Becher. »Das, und nur das, ist eine absurde Angst.«

Fionn ließ sich in seinen Sessel sinken, insgeheim erleichtert, dass er keine Angst vor Enten hatte.

»Trotzdem solltest du dich lieber an das Meer gewöhnen, Junge. Hier oben ist es überall.«

Fionn lächelte schwach. »Das haben Inseln wohl so an sich, was?«

»Erstens das, und zweitens sind sie oft voller außergewöhnlich attraktiver alter Männer.«

Um sie herum wurde es still, und eine Weile war nichts zu hören als das gleichförmige Rauschen des Ozeans und das wütende Tippen von Tara, die verzweifelt versuchte, aus einer halb toten Insel ein Sozialleben herauszustampfen. Fionns Großvater schaute ihn im schwindenden Licht an. Er trommelte mit den Fingern auf seine Hemdknöpfe und tippte so seinen eigenen leisen Rhythmus.

»Und?«, sagte er nach einer Weile. »Wie ist die Lage in Dublin, Fionn?«

»Nicht so gut. Aber das weißt du ja wahrscheinlich, immerhin hat Mam uns ja hierhergeschickt …« Fionns Blick blieb am Kamin hängen. Etwas rumorte in seinem Hinterkopf. »Sie war zu müde …« Er verstummte, wollte den Satz nicht zu Ende sprechen. Sie war zu müde, um unsere Mutter zu sein.

Es kam ihm ungerecht vor, das laut zu sagen, auch wenn es die Wahrheit war und sie es beide wussten. Ihre Mutter brauchte Urlaub. Es war merkwürdig, dachte Fionn, nicht von einem Ort, sondern von Menschen Urlaub zu machen. Aber danach würde es ihr besser gehen. Dieser Schatten hinter ihren Augen, das war sie nicht.

Fionns Großvater trommelte immer noch mit den Fingern. »Es tut mir leid, Junge. Ich weiß, dass du keine andere Wahl hattest, als herzukommen. Sowieso hast du keine Wahl …«

Fionn konnte den Blick nicht vom Kamin lösen. Ein Gedanke sickerte in seinen Hinterkopf, ein wichtiger Gedanke, doch er tröpfelte wieder hinaus, bevor er ihn fassen konnte.

Der Sessel knarrte, als sein Großvater sich vorbeugte und die Ellbogen auf die Knie stützte. »Aber diese Insel ist außergewöhnlich, Fionn. Das wirst du noch sehen …«

Vor lauter Starren vergaß Fionn zu blinzeln.

Der Kamin war leer.

Da war kein Ruß, kein Feuerrost, nicht mal ein Kamingitter.

Im Haus war es kalt, keine Spur vom warmen Nachglühen eines Feuers.

Fionn sah seinem Großvater ins Gesicht. »Opa, wenn kein Feuer im Kamin ist, woher kam dann der Rauch?«

Sein Großvater lächelte. Es war ein eigenartiges Lächeln, bei dem sich Fionn die Nackenhaare aufstellten. Die Kerze am Rand seines Blickfelds flackerte, die Flamme schien als Antwort auf seine Frage höher und schmaler zu werden.

»Woher kam der Rauch?«, fragte er wieder.

Sein Großvater lachte, aber diesmal war es ein trockenes, staubiges Lachen. Als käme es woandersher, nicht wie vorhin aus den Tiefen seines Bauchs. Er erhob sich aus dem Sessel und ging mit seinen langen Beinen zurück in die Küche, wo halb geschälte Möhren plötzlich seine Aufmerksamkeit verlangten.

Fionn schaute wieder zu dem leeren Kamin, und in seinem Innern schwamm die Unsicherheit wie ein Fisch.