Sturmwanderer. Alle Bände der romantischen Fantasy-Reihe in einem Bundle! (Sturmwanderer) - July Winter - E-Book
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Sturmwanderer. Alle Bände der romantischen Fantasy-Reihe in einem Bundle! (Sturmwanderer) E-Book

July Winter

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Beschreibung

**Zwei Liebende zwischen Lügen, Macht und Verrat**  Seit Danielle denken kann, lebt und arbeitet sie im Gasthaus ihres Vaters. Obwohl es hart ist, liebt sie ihre Tätigkeit und kann sich nicht vorstellen, jemals etwas anderes zu tun. Doch ein Fremder, der sich Danielle als Brix vorstellt, wirbelt ihr Leben schneller durcheinander, als es ein Sturm in den Weiten Rokariens vermag. Schon bald muss die Wirtstochter nicht nur um ihr Herz, sondern auch um ihr Land fürchten. Denn ein machthungriger König droht alles zu vernichten, was Danielle lieb und teuer ist. Nur Brix scheint ihn aufhalten zu können. Dazu muss er sich jedoch seiner eigenen Vergangenheit und niemand Geringeren als den Göttern selbst stellen … Zitat aus »Sturmwanderer 1«:  Dieser Mann war schier unglaublich. Er war anmaßend, dreist und nach wie vor unausstehlich, kurzum, er brachte sie völlig aus der Fassung. //Diese Fantasy-Reihe wird dein Herz im Sturm erobern. Alle Bücher der epischen Liebesgeschichte in einem Sammelband:      -- Verfolgt von Sturm und Macht (Sturmwanderer 1)    -- Gefangen zwischen Liebe und Thron (Sturmwanderer 2)     -- Gejagt von Schicksal und Verrat (Sturmwanderer 3)     -- Gekrönt von Blut und Göttern (Sturmwanderer 4)//   Diese Reihe ist abgeschlossen. 

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Impress Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2019, 2020 Text © July Winter, 2019, 2020 Lektorat: Loretta Chaikaoporng / Diana Tiede Coverbild: shutterstock.com / © Irina Alexandrovna / © Nejron Photo / © Shtonado / © Szasz-Fabian Jozsef / © Madlen / © tanyalmera / © HUANSHENG XU Covergestaltung der Einzelbände: Formlabor Gestaltung E-Book-Template: Gunta Lauck / Derya Yildirim Satz und E-Book-Umsetzung: readbox publishing, Dortmund ISBN 978-3-646-30223-3www.carlsen.de

Dark Diamonds

Jeder Roman ein Juwel.

Das digitale Imprint »Dark Diamonds« ist ein E-Book-Label des Carlsen Verlags und publiziert New Adult Fantasy.

Wer nach einer hochwertig geschliffenen Geschichte voller dunkler Romantik sucht, ist bei uns genau richtig. Im Mittelpunkt unserer Romane stehen starke weibliche Heldinnen, die ihre Teenagerjahre bereits hinter sich gelassen haben, aber noch nicht ganz in ihrer Zukunft angekommen sind. Mit viel Gefühl, einer Prise Gefahr und einem Hauch von Sinnlichkeit entführen sie uns in die grenzenlosen Weiten fantastischer Welten – genau dorthin, wo man die Realität vollkommen vergisst und sich selbst wiederfindet.

Das Dark-Diamonds-Programm wurde vom Lektorat des erfolgreichen Carlsen-Labels Impress handverlesen und enthält nur wahre Juwelen der romantischen Fantasyliteratur für junge Erwachsene.

July Winter

Verfolgt von Sturm und Macht (Sturmwanderer 1)

**Ein unergründlicher Fremder mit einem königlichen Geheimnis** In Danielles Leben sind raue Sprüche und Reibereien an der Tagesordnung. Dennoch liebt sie die Tätigkeit im Wirtshaus, das sie zusammen mit ihrem Vater führt. Eines Tages taucht ein wortkarger Fremder in der Schankstube auf, der einen langen Weg durch die stürmischen Weiten Rokariens hinter sich hat. Und nicht nur das: Nach einem nächtlichen Raubüberfall scheint dieser völlig mittellos. Fasziniert von dem unergründlichen Reisenden bietet Danielle ihm eine Anstellung an, auch wenn klar ist, dass dieser Mann noch nie wirklich hat schuften müssen. Und obwohl er sie gelegentlich hinter seine sorgsam errichtete Fassade blicken lässt, ahnt Danielle, dass er einen wichtigen Teil seiner Identität vor ihr verbirgt …

Wohin soll es gehen?

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Vita

Danksagung

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© privat

July Winter liebte schon als Kind mythologische Geschichten mit tapferen Helden und verfasste bereits im Alter von acht Jahren ihre ersten kleinen Kurzgeschichten. Während des Studiums der Europäischen Literaturen entwickelte sie die ersten Ideen für ihren eigenen Roman und schuf ihre ganz eigene Fantasywelt – unterstützt von Freunden und Familie sowie epischen Soundtracks und einem großen Pott Kaffee. July Winter lebt mit ihrem Partner in der Nähe von Berlin.

Für meine Mama

Ohne dich hätte ich nie den Mut gehabt, meinen Traum zu verwirklichen.

Danke für alles.

Prolog

Blut. Überall war Blut.

Obwohl sein Blick verschwommen war und sein Kopf von einem heftigen Schwindel heimgesucht wurde, konnte er dennoch rötliche Farbe erkennen und einen süßen metallischen Geruch wahrnehmen.

Die warme Flüssigkeit bedeckte seine Finger, zog sich über die Handflächen und drang sogar bis in das weiße Leinen seines Hemdes vor.

Hatte er sich verletzt? Er wusste es nicht. Falls es so war, ließ der Schmerz ungewöhnlich lang auf sich warten.

Erneut begann sich alles um ihn herum zu drehen, helle Lichter flackerten vor seinen Augen auf und ließen ihn benommen aufstöhnen.

Wo war er nur und wie war er hierhergekommen? Seine Schläfen pulsierten unter einem heftigen Druck, der sich von seiner Stirn bis in den Nacken ausbreitete.

Er hatte keinerlei Erinnerungen an die letzten Stunden, alles schien verworren und schleierhaft. Dort war nichts, keine Bruchstücke, keine Gedankenfetzen, nur eine gähnende tiefschwarze Leere.

Ein dumpfes Geräusch durchbrach die Stille. Es klang, als wäre plötzlich eine Tür aufgestoßen worden, gefolgt von einem hellen Aufschrei, der ihn umgehend ins Hier und Jetzt zurückbeförderte.

»Er … er hat ihn umgebracht! Er hat ihn umgebracht, Hilfe, zu Hilfe! Prinz Dereck … er hat … er hat seinen Bruder ermordet!«

Die hysterische Stimme des Kammermädchens durchdrang ihn bis ins Mark und hallte schmerzhaft in seinen Ohren wider.

Er versuchte, ihre Worte einzuordnen, den Sinn dahinter zu erkennen, doch sein Verstand schien von einem dichten Nebelschleier umhüllt. Alles wirkte dumpf und durcheinander, er konnte keinen klaren Gedanken fassen.

»Was zum …«, stammelte er verwirrt und richtete den Blick abermals auf seine blutverschmierten Hände.

Was, um alles in der Welt, war hier geschehen?

Die schleichende Erkenntnis, keinerlei Antwort auf jene Frage zu haben, bescherte Dereck den ersten Anflug von Panik. Sie bahnte sich einen Weg durch seinen Körper, durchfuhr ihn wie eine geifernde Welle und zerschlug sich in seinem Geist.

Ruckartig versuchte er sich aufzurichten. Taumelnd griff er nach dem erstbesten Gegenstand, um daran Halt zu finden. Während seine Beine ihm nur widerwillig gehorchen wollten, vernahm er ein lautes Rauschen in den Ohren, welches ihn an das tosende Meer erinnerte.

Angespannt kniff Dereck die Lider zusammen und versuchte tief durchzuatmen. Er musste sich zusammenreißen und endlich zu sich kommen, um den verfluchten Worten dieses Dienstmädchens auf den Grund zu gehen.

Als er erneut die Augen öffnete, nahm er als erstes die enorme Unordnung um ihn herum wahr. Das polierte Silberbesteck lag auf dem Boden verteilt. Mehrere Stühle waren umgestoßen worden. Sogar die dunkelblauen Samtvorhänge hingen teilweise in Fetzen herab. Wie in Trance wanderte Derecks Blick durch den Raum, auf der Suche nach einer möglichen Erklärung für all das Durcheinander, nach irgendeiner Erinnerung, die ihm Aufschluss über die letzten Stunden geben könnte. Doch da war nichts.

Nichts bis zu jenem Moment, in dem er einen menschlichen Arm hinter einem umgekippten Beistelltisch vor dem Kamin entdeckte.

Das Rauschen in seinen Ohren wich dem wilden Trommeln seines Herzens. Er konnte regelrecht spüren, wie das Blut durch seine Venen schoss und seine Sinne wiederbelebte. Mit einer hektischen, geradezu unkontrollierten Bewegung trat Dereck an den kleinen Tisch heran und schaffte ihn mit einem achtlosen Wisch zur Seite, nur um daraufhin wie erstarrt an Ort und Stelle zu verweilen.

»Elric«.

Im ersten Augenblick glaubte er, lediglich zu träumen. Innerlich schickte er ein Stoßgebet gen Himmel und hoffte, Opfer seines eigenen Verstands geworden zu sein.

Doch der plötzliche Schmerz in seinem Inneren verhieß das schreckliche Gegenteil.

Mit bebenden Händen fiel er vor dem blutüberströmten Körper seines jüngeren Bruders auf die Knie und wünschte sich nichts sehnlicher, als endlich aus jenem grausamen Traum zu erwachen.

»Elric, wach auf«, flüsterte Dereck mit brüchiger Stimme und blickte fassungslos auf den regungslosen Körper des jungen Prinzen hinab. Sämtliche Farbe war seinem Gesicht entwichen. Die Haut wirkte fahl, beinahe gräulich. Mit blankem Entsetzen besah der Ältere die tiefen Stichwunden an Brust und Bauch, die den einst hellbraunen Stoff des Hemdes dunkelrot färbten.

»Verdammt, Elric, mach die Augen auf!«

Wut und Verzweiflung entsprangen Derecks Stimme und verbanden sich mit einem Gefühl von Hilflosigkeit und panischer Angst. Er konnte nicht verstehen, was er vor sich sah, es schien ihm unbegreiflich.

»Hilfe! Wir brauchen sofort Hilfe!«

Derecks Rufe hallten von den steinernen Mauern wider und dröhnten wie Donnerschläge durch Gänge und Flure.

Ganz Stormarc erzitterte.

***

Es erschien ihm wie eine gefühlte Ewigkeit, bis er endlich die Geräusche herannahender Schritte vernahm. Erneut wurde die schwere Holztür zurückgeschlagen und gab den Blick auf ein bekanntes Gesicht frei.

Varian, der Bruder seines verstorbenen Vaters, stürmte hastig in den Raum und blieb erst wenige Schritte vor seinem Neffen stehen.

»Wir brauchen einen Wundarzt, schnell«, schrie Dereck, während er Elrics Kopf vorsichtig auf seine Knie bettete.

Doch Varian rührte sich nicht. Stumm blickte er auf den rechtmäßigen Thronerben von Rokarien herab und verzog die Lippen zu einer schmalen Linie.

»Worauf wartest du denn noch? Wir brauchen sofort Hilfe!« Dereck spürte eine rasende Wut in sich aufflammen.

Wieso tat sein Onkel nichts? Jeder sinnlos verstrichene Augenblick konnte seinem Bruder das Leben kosten.

»Dereck, was hast du getan?«

Varians Stimme glich dem Hauch des eisigen Nordwindes.

Kein Mitgefühl war darin zu finden, kein Anzeichen von Wärme. Eine unsichtbare Hand legte sich um Derecks Kehle und hinderte ihn daran, zu atmen. Er konnte nicht glauben, was seine Ohren doch so klar und deutlich vernahmen.

»W–Was?«

»Wie konntest du das tun? Wie konntest du nur deinen eigenen Bruder umbringen?«

Es fühlte sich an, als würde ihm jemand das blanke Schwert in die Brust rammen und sein Herz darin zerfetzen.

Derecks Gedanken begannen zu rasen, sie überschlugen sich, doch nichts ergab einen Sinn.

Er musste irgendetwas erwidern, sich umgehend verteidigen, doch kein Ton kam über seine Lippen.

»Was hat der Krieg doch für ein Monster aus dir gemacht«, sprach Varian kalt und trat einen Schritt zu Seite. Geschwind beugte er sich hinab und hob etwas vom Boden auf. »Wahrscheinlich wäre es für uns alle besser gewesen, wenn du niemals zurückgekehrt wärst.«

»Wie kannst du es wagen?«, wisperte der Thronerbe nach einem Moment der Stille, doch vernahm er seine eigene Stimme nur aus weiter Ferne.

»Wie ich es wagen kann? Diese Frage gebührt wohl einem anderen«, entgegnete sein Onkel emotionslos und zog die Stirn in Falten.

»Oder ist dies etwa nicht dein Dolch?«

Im Schein des Kaminfeuers hob Varian die edle Waffe empor und drehte sie bedächtig in der Hand. Obwohl die Klinge fast vollständig mit Blut bedeckt war, wies die metallische Oberfläche darunter dennoch einen goldenen Schimmer auf. Zwei leuchtend rote Rubine zierten den kupferfarbenen Griff und umrahmten zwei grazil eingearbeiteten Initialen.

D. und R., Dereck de Roux.

Ein Beben ungekannter Stärke durchfuhr den Thronerben und erschütterte ihn bis ins Mark. Er konnte es nicht glauben, es war schier unmöglich, es durfte einfach nicht wahr sein.

Wie zur Steinsäule erstarrt, betrachtete Dereck die Waffe, seine Waffe, und spürte, wie etwas tief in seinem Inneren zerbrach.

»Nein«, hauchte er ungläubig und schüttelte fassungslos den Kopf.

»Es tut mir leid, Dereck«, sprach Varian nun eine Spur wärmer und kniete sich neben seinen ältesten Neffen.

»Viele gute Männer sind auf dem Schlachtfeld dem Wahn verfallen … und du warst so lange fort. Auch wenn ich niemals gewagt hätte, zu glauben, dass du zu solch einer Tat fähig wärst, habe ich dennoch keine andere Wahl. Du bist sowohl eine Gefahr für uns, als auch für dich selbst. Die Ermordung eines Familienmitglieds, eines Mitglieds der königlichen Familie, muss mit der Höchststrafe geahndet werden.«

»Ich habe meinen Bruder nicht getötet.«

Nur unter größter Anstrengung schaffte es Dereck, diesen einen Satz auszusprechen, den wohl wichtigsten seines bisherigen Lebens.

»Ich weiß, dass du das glauben möchtest, doch die Beweise sprechen leider gegen dich«, erwiderte Varian und hielt erneut den Dolch empor.

»Es tut mir leid, doch es ist vorbei. Du musst jetzt loslassen.«

Mit einer raschen Bewegung kam Varian zurück auf die Beine und richtete den Blick entschlossen gen Tür.

»Wachen!«

Mit tränenverschleierten Augen blickte Dereck vom leblosen Körper seines Bruders hinauf zu seinem Onkel. Dabei sog er jedes noch so kleine Merkmal in sich auf und brannte es in seinen Verstand. Varians funkelnd graue Augen, die gerade spitzzulaufende Nase und seine schmalen, zu einem unscheinbaren Lächeln verzogenen Lippen.

Und noch während er ihm ins Antlitz sah, bemerkte Dereck einen inneren Impuls in sich entflammen.

Er durchdrang jede Faser seiner Selbst und ließ ihn hastig nach Luft schnappen.

Nein, so konnte es nicht enden. Er durfte es nicht zulassen. Was auch immer hier geschehen war, er würde nicht auf jene Art und Weise sterben. Nicht hier, nicht jetzt.

Ein letztes Mal blickte er zu seinem jüngeren Bruder hinab, sah den friedlichen Ausdruck auf seinem Gesicht und fasste einen folgenschweren Entschluss.

In jenem Moment, als erneut das Geräusch heranstürmender Schritte durch die Gänge hallte, kam Dereck mit einem Satz auf die Beine, blickte seinem überraschten Onkel in die Augen, stieß ihn kraftvoll zur Seite und stürmte hinaus.

Er musste fliehen.

1. Ein ungebetener Gast

Danielle

»Danielle, wo bleibt meine Bestellung? Bis ich bei dir etwas zu trinken bekomme, bin ich längst verdurstet«, brüllte ein korpulenter Mann mit fettigem Haar, während er seinen leeren Tonbecher lautstark auf den Tisch schlug.

»Du bist gleich dran, Angus«, antwortete eine junge Frau mit gereizter Stimmte und balancierte ein volles Tablett mit leeren Krügen und Tellern durch eine dichte Menschenmenge.

»Und außerdem benötigst du bei deinem Bierverbrauch mindestens eine Woche, um zu verdursten«, fügte sie flüsternd hinzu und stolperte hinter den alten Holztresen.

»Du musst schneller sein, Danielle. Wir können es uns nicht leisten, Kundschaft zu verlieren«, sprach ein älterer Mann von kräftiger Statur und füllte die leeren Krüge nacheinander auf. Der Wirt des Gasthauses war seit jeher ein strenger und disziplinierter Mann. Er tolerierte weder Müßigkeit noch eine nachlässige Arbeitsweise.

»Ich weiß, Vater«, erwiderte die Wirtstochter unter zusammengebissenen Zähnen und wischte sich mit dem Ärmel die Schweißperlen von der Stirn. Das dichte, braune Haar hatte sie ursprünglich zu einem festen Zopf zusammengebunden, doch fielen ihr dank Hitze und Gedränge bereits die ersten Strähnen zurück ins Gesicht.

Der warme Sommer neigte sich seinem Ende entgegen,

was bedeutete, dass die Jagdsaison innerhalb Silvarons allmählich ihren Höhepunkt erreichte. Nun machte sich der Fürst mitsamt seinem Gefolge auf, um in großangelegten Hetzjagden allerlei Wild zu erlegen. Dabei ging es jedoch bei weitem nicht nur um das Jagen zur bloßen Nahrungsversorgung, sondern vielmehr um Ansehen, Ruhm und eine nicht zu unterschätzende Portion Hochmut.

Die Silvaron Region umfasste das größte Gebiet Rokariens. Sie befand sich im mittleren Teil des Landes und wurde von der nördlichen Cliffhall Region und der südlichen Veldun Region begrenzt. Im Gegensatz zu den anderen Gebieten konnte das Klima hier als mild bezeichnet werden, denn die Sommer erschienen nie zu heiß und die Winter nicht zu streng. Unzählige Tierarten fanden hier ein Zuhause und teilten sich den Lebensraum auf weiten Feldern, saftigen Wiesen und tiefen Wäldern.

Das gutbesuchte Gasthaus befand sich am Rande eines kleinen Dorfes, welches an einer nahegelegenen Handelsstraße lag, die alle Regionen miteinander verband. Somit galt es seit jeher als ein vortrefflicher Stützpunkt, um Menschen unterschiedlicher Herkunft zu beherbergen und ihnen Speis und Trank zu gewähren.

Danielle war in jenem Haus geboren und aufgewachsen, sie lebte und arbeitete darin, solang sie denken konnte.

Hier hatte ihr Leben vor einundzwanzig Sommern begonnen und würde vermutlich ebenso hier enden.

Das Gasthaus »Zum goldenen Hirsch« befand sich seit unzähligen Generationen im Besitz der Familie Durand und Danielles Vater, Maxime Durand, schien fest entschlossen, diese niemals enden wollende Tradition anstandslos fortzuführen.

»Wo bleibt unser Braten, Herr Wirt? Jäger im Dienste des Fürsten sollte man nicht zu lang warten lassen.«

Eine gereizte Stimme übertönte den allgegenwärtigen Lärm und drang bis an den Tresen heran. Danielles Blick fiel umgehend auf einen Tisch in der hinteren Ecke, an dem sich mehrere Männer lautstark unterhielten. Ihre Kleidung wirkte feiner als die der einfachen Dorfbewohner und war bezeichnend für ihre Tätigkeit. Gedeckte Grün- und Brauntöne zierten sowohl Mäntel als auch Hosen, lediglich das aufgestickte Wappen des Fürsten erstrahlte wie ein leuchtender Stern auf den robusten Stoffen.

Fürst Lingus verwaltete bereits seit vielen Jahren die Silvaron Region. Eingesetzt durch den König von Rokarien oblag es seiner Verantwortung, sich um das Wohl der dort lebenden Menschen zu kümmern und die vom Herrscher gestellten Gesetze durchzusetzen. Man konnte nicht leugnen, dass er zu Zeiten seines Amtsantritts ein durchaus fähiger und strebsamer Mann gewesen war, doch brachten ihn Wohlstand und Reichtum dazu, seine Interessen in andere, persönlichere Richtungen zu lenken. Heute galten seine Vorlieben ausschließlich der Jagd und dem eigens angebauten Wein, denen er ausgiebig und mit inbrünstiger Leidenschaft beiwohnte.

»Das Essen kommt sofort«, antwortete der Wirt knapp und sah zu einer sich hinter dem Tresen befindlichen Schwingtür.

Ein seichter Luftzug reichte bereits aus, um zu erahnen, dass sich hinter ihren Flügeln die Küche des Hauses befand. Der Geruch von gebratenem Fleisch und deftigem Eintopf sickerte wie ein Nebelschleier durch sie hindurch und verbreitete sich im gesamten Gastraum.

»Wenn das so weitergeht, werden unsere Vorräte bald aufgebraucht sein«, stellte Danielle besorgt fest und ließ ihren Blick über Tische und Bänke schweifen. Sie zählte gut fünfzig hungrige Mäuler und war sich sicher, dass die Zahl Dank des stürmischen Wetters noch ansteigen würde.

Mittlerweile begann sich der angenehme Geruch aus der angrenzenden Küche mit dem herben Aroma des Bieres und einer strengen, männlichen Note zu vermischen. Die Luft wurde zunehmend stickiger und machte ein tiefes Durchatmen bald unmöglich.

»Ich weiß«, erwiderte Maxime schnaufend und füllte einen weiteren Krug mit dunklem Gerstensaft.

»Deshalb musst du auch morgen früh auf den Markt gehen, während ich versuche, hier halbwegs Ordnung zu schaffen.«

»Ist gut«, antwortete Danielle knapp und atmete hörbar aus. Jedes Jahr aufs Neue zählten diese Wochen zu den schwersten im gesamten Spätsommer, doch brachten sie der Wirtschaft im besten Fall den halben Jahreslohn ein. Es erschien ihr daher frevelhaft, sich über die viele Arbeit und die langen Nächte zu beklagen, denn andere, so war sie sicher, hatten es noch weitaus schwerer.

»Und wenn wir Glück haben, wird es uns in diesem Winter an nichts fehlen«, sprach der Wirt hoffnungsvoll und schenkte seiner Tochter einen zuversichtlichen Blick, bevor er mit einem gefüllten Tablett in der Menge verschwand.

Auch wenn Maxime ein durchaus strenger und überaus traditionsbewusster Vater war, so bewunderte Danielle ihn doch für seine Ausdauer und eiserne Willenskraft.

Er war ein guter Mann, der schwer und hart für das Überleben seiner Familie arbeitete.

»Hier Angus, damit du mir nicht verdurstest.«

Mit einem dumpfen Geräusch stellte die Wirtstochter einen großen Krug Bier auf den alten Holztisch und betrachtete ihren Stammgast mit einer Mischung aus Belustigung und Abneigung. Seine blutunterlaufenden Augen glänzten gierig beim Anblick des geliebten Tranks, während sich ein breites Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete und eine Reihe gelber Zähne offenbarte.

»Das wurde aber auch Zeit. Du musst dich wirklich mehr anstrengen«, lallte der Betrunkene und nahm sogleich einen großzügigen Schluck. Nur mit Mühe konnte Danielle den Ekel hinunterschlucken, den sie beim Anblick dieses Mannes empfand. Das Bier lief ihm in Rinnsalen die Mundwinkel hinab und benetzte sowohl den ungepflegten Bart, als auch sein mit Flecken übersätes Hemd.

»Ich glaube kaum, dass ich einen Ratschlag in Sachen Tüchtigkeit von dir gebrauchen kann«, gab sie spöttisch zurück und machte bereits auf dem Absatz kehrt.

»Aber dennoch, vielen Dank.«

»Sei lieber nicht so frech, Mädchen. Männer wollen keine Frauen, die ihnen Widerworte geben.«

Die Wirtstochter konnte und wollte dieser Aussage keinerlei Antwort schenken. Was wusste dieser Mann schon vom Leben? Zeit seines Lebens war er Junggeselle und vertrank sein gesamtes Geld im Wirtshaus. Es war müßig, mit ihm ein Gespräch zu führen. Es erschien ihr daher wesentlich sinnvoller, ohne ein weiteres Wort zu gehen und seine Reden, so gut es eben ging, zu ignorieren.

Als Danielle durch die hölzerne Schwingtür in die Küche trat, wurde sie umgehend von einer Woge heißer Luft empfangen. Sie vernahm das Knistern des Feuers, welches von einem kniehohen Herd an der hinteren Wand herrührte und sah den Dampf aus den darauf befindlichen Töpfen aufsteigen. Sämtliche Wände waren mit einer Vielzahl unterschiedlicher Regale bestückt, die sowohl gusseiserne Kessel als auch Pfannen und verschiedenes Geschirr beherbergten. Ein großer aus massivem Holz gefertigter Eichentisch bildete das Herzstück des kleinen Raumes, an dessen Ende eine zierliche Gestalt mit geröteten Wangen saß. Ihr hellbraunes Haar versteckte sie unter einem weißen Leinentuch, das sie mit einem Knoten am Hinterkopf befestigte. Mit geschickten Händen und konzentriertem Blick schälte und zerkleinerte sie Unmengen an Möhren, Kartoffeln und Zwiebeln, die sie anschließend in einen Topf mit brodelndem Wasser warf.

Seit gut sieben Jahren ging Catia im Gasthaus ihrer Anstellung als Küchenmagd nach und zählte bereits seit ihrer Kindheit zu Danielles engsten Freunden. Sie war ein junges aufgewecktes Ding, dessen Mundwerk oftmals schneller reagierte als ihr Verstand, doch besaß sie in ihrer Brust ein Herz aus Gold. Vor einigen Monaten hatte sie sich mit dem Sohn des ansässigen Dorfschmieds verlobt und konnte es seitdem kaum mehr erwarten, endlich von diesem geehelicht zu werden. Sie gehörte ebenso zur Familie wie ihre Köchin Binette, die in jenem Moment vor dem kniehohen Herd stand und energisch ein großes Stück Fleisch in der Pfanne briet.

»Dein Vater soll zukünftig zusehen, wie er so viele Gäste an einem Abend bedienen will«, wetterte die ältere Frau und blickte über ihre Schulter zu Danielle hinüber.

»Entweder stellt er mehr Leute ein, oder ich suche mir eine neue Anstellung. Das ist für eine einzige Person einfach nicht zu schaffen!«

Es kostete Danielle viel Willensstärke, ihre unschuldige Miene aufrechtzuerhalten und sich ein Schmunzeln zu verkneifen. Jedes Jahr aufs Neue schimpfte Binette beim Ansturm der vielen Gäste, doch noch nie hatte sie ihre Drohung wahrgemacht. Die alte Köchin arbeitete schon viele Jahre für die Familie Durand. Danielle kannte sie von Kindesbeinen an und wusste genau, wie sie mit ihrer herrischen Art umzugehen hatte.

Mit geübten Griffen nahm sie sich einen Teller aus dem Regal, tat ein paar Kartoffeln sowie Gemüse darauf und tänzelte leichtfüßig um Binette herum, damit sie das saftige Stück Fleisch aus der Pfanne entgegennehmen konnte.

»Ich werde es Vater ausrichten«, sprach sie schmunzelnd und schenkte Catia einen vielsagenden Blick, bevor sie mit ihrer Hüfte die Tür aufstieß und erneut in den Gastraum trat.

Dereck

Ein schneidender Wind zog über die Felder und Ebenen Silvarons. Er jaulte und stöhnte wie ein hungriges Tier auf Beutezug. Obwohl der Herbst bisweilen lediglich seine ersten Vorboten schickte, wurden die Nächte bereits kälter und trugen nicht selten kräftige Regengüsse und eisige Sturmböen mit sich. Weder Mensch noch Tier verließen zu solch einer ungemütlichen Stunde ihr warmes Heim.

So geschah es, dass niemand die vermummte Gestalt erblickte, welche in Windeseile über schlammige Wege und dunkle Pfützen ritt. Der Reiter verbarg sein Gesicht unter einer tiefhängenden Kapuze, die lediglich seichte Dunstwolken seines tiefen Atems offenbarte.

Mit festem Griff hielt er die Zügel in der linken Hand und wischte sich mit der rechten ein paar verirrte Regentropfen aus dem Gesicht.

Seine Muskulatur fühlte sich aufgrund der Kälte bereits steif an, die Schmerzen in seinen Gliedmaßen gewannen mit jeder Stunde an Intensität und machten ihm bewusst, dass er zumindest für diese Nacht ein Dach über dem Kopf benötigte.

Dereck konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal derart gefroren hatte. Seit nunmehr einem Jahr zog er heimatlos durch die Regionen, stets darauf bedacht, so viel Abstand wie irgend möglich zwischen sich und Stormarc zu bringen.

Hier, in den ländlichen Gebieten Rokariens, kannte ihn niemand und wahrscheinlich, so vermutete er, hatte man sein Gesicht sogar bereits in den größeren Städten vergessen. Einsam und verbittert wandelte er wie ein Schatten durch die Lande, unbeachtet und zumeist ungesehen. Zwiespalt und ein immerwährender Zorn waren ihm im Laufe der Zeit die einzigen Begleiter geworden. Sie trieben ihn an, entfachten das Feuer in seinem Inneren und brachten ihn in Momenten der Schwäche beinahe um den Verstand.

Sie erinnerten ihn immerzu an jenen Tag, der sein Leben von Grund auf veränderte. Niemals würde er den Anblick seines leblosen Bruders vergessen, all das viele Blut und den unaufhörlichen Schmerz. Er konnte die Worte seines Onkels noch immer vernehmen, sie suchten ihn des nachts in seinen Träumen heim und raubten ihm den Schlaf.

So viele Fragen verlangten seit jener Nacht eine Antwort.

Es herrschte so viel Unsicherheit und noch mehr Zweifel. Zweifel an sich selbst, an seinen Taten und schlussendlich sogar an seiner Zurechnungsfähigkeit.

Ja, vielleicht war es sogar besser so. Schließlich hatte er niemals König werden wollen. Seine Welt bestand seit seiner Jugend lediglich aus Krieg und dem fortwährenden Ziel, so viele Heldentaten wie möglich zu vollbringen.

Doch nun zählte all dies nicht mehr. Nichts von alledem schien länger von Belang.

Nun lebte er Tag für Tag von der Hand im Mund, blieb niemals lange an einem Ort und verdiente sich lediglich den ein oder anderen Taler durch den Verkauf seiner eigens erlegten Jagdbeute.

Es gab niemanden, dem er noch vertraute.

Kein Regionsfürst durfte wissen, dass er sich in seinem Gebiet aufhielt, denn Varian hatte seine Finger überall im Spiel und zog die Menschen reihenweise auf seine Seite.

Nein, niemand würde zu ihm stehen oder seinen Worten Glauben schenken. Er war allein.

Ein Frösteln durchfuhr Derecks Körper und befreite ihn von jenen düsteren Gedanken. Ein weiteres Mal wischte er sich mit dem Handrücken über die müden Augen und versuchte in der Dunkelheit einen Orientierungspunkt ausfindig zu machen.

Er brauchte dringend einen Unterschlupf, irgendeine Behausung, die ihn und sein Pferd vor Regen und Kälte zu schützen vermochte.

Sein Blick wanderte über die dunklen Silhouetten des Waldes und schweifte über flache Felder und Wiesen. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis er endlich glaubte, zwischen einigen Baumzeilen ein schwaches Licht wahrzunehmen.

Es flackerte warm und einladend und gehörte wahrscheinlich zu einer Herberge.

Selbst wenn sich alles in Dereck dagegen sträubte, war dieser Anhaltspunkt doch der einzige, den er in dieser pechschwarzen Nacht erkannte und somit seine einzige Möglichkeit, die restlichen Stunden an einem warmen und vor allem trockenen Ort verbringen zu können.

Danielle

Danielle spürte die unangenehme Hitze der Männer, welche sie immer wieder streifen musste, um an die hinteren Tische des Gastraums zu gelangen. Die Gerüche wurden mit jeder Stunde intensiver und der beißende Pfeifenrauch, der mittlerweile das ganze Haus in Nebelschwaden hüllte, trieb ihr immerzu Tränen in die Augen.

Das Bier floss längst in Strömen und ließ die Gäste nicht nur lauter, sondern ebenso anstößiger werden.

»Wir müssen Catia aus der Küche holen, damit sie hier helfen kann«, sprach Danielle an ihren Vater gewandt, der mit hochrotem Kopf und schwitzigen Händen ein Bier nach dem anderen zapfte. Ein Nicken genügte als Antwort und kurz darauf begannen sich die Wirtstochter und ihre Freundin die Arbeit zu teilen.

»Ich dachte immer, dass die Dienerschaft des Fürsten ein besseres Benehmen an den Tag legen würde«, sprach Catia an Danielle gewandt und blickte verstohlen zum Tisch der Jäger hinüber.

»Diesem Glauben habe ich schon vor Jahren abgeschworen«, antwortete die Wirtstochter und lächelte mitleidig.

»Wenn Cedric gehört hätte, was mir einer dieser Kerle gerade angeboten hat …«, fuhr Catia fort und verzog angewidert das Gesicht.

»Versuch es zu überhören und denke nicht weiter darüber nach«, entgegnete Danielle und rieb sich erschöpft den Oberarm. Sie spürte die Schwere ihre Glieder und ein unangenehmes Ziehen in den Schultern. Sie hoffte inständig, dass dieser Abend ein baldiges Ende finden würde.

Doch leider vergebens.

Ein kühler Luftzug streifte über ihre erhitzten Wangen und verdrängte die stickige Atmosphäre für einen kurzen Moment. Sie hörte, wie die Glocke über dem Eingangsbereich schellte und die Tür anschließend kraftvoll zugeschlagen wurde.

»Grundgütiger, nicht noch einer«, dachte Danielle und seufzte leise. Erschöpft griff sie nach einem abgenutzten Leinentuch und wischte über den Tresen, der bereits entsetzlich klebte und unzählige Wasserränder aufwies.

»Einen Becher Wein und eine warme Speise, egal, was.«

Dort, wo Danielle soeben noch geputzt hatte, tropften nun die nassen Mantelärmel des Fremden auf das Holz und hinterließen dunkle Flecken.

Er trug einen verschlissenen, völlig durchnässten Wollmantel, dessen Kapuze sein Gesicht komplett verbarg.

Der Statur nach zu urteilen, schien er kräftig gebaut, während seine raue Stimme gereizt und ziemlich unfreundlich klang.

Irritiert zog Danielle eine Augenbraue hinauf und beäugte den Unbekannten mit abfälliger Miene.

Was bildete der sich ein?

»Euch auch einen guten Abend«, erwiderte sie spöttisch und lächelte gespielt.

»Wein haben wir nicht mehr, nur noch Bier und die Küche ist bereits kalt. Ich kann euch lediglich ein paar Reste anbieten.«

Ein entrüstetes Schnaufen drang unter der Kapuze hervor.

»Dann eben das sowie ein Nachtlager für mich und einen Stallplatz für mein Pferd.«

Danielle musterte den neuen Gast mit einer Mischung aus Misstrauen und dem Anflug einer leisen Empörung. Dieser Mann war nicht nur unfreundlich, sondern auch überaus fordernd. Darüber hinaus lag da ein Klang in seiner Stimme, der ihr merkwürdig erschien und ein Kribbeln in ihrem Nacken hinterließ. Sie wollte bereits zu einer Antwort ansetzen, doch kam ihr Maxime diesmal zuvor.

»Alle Zimmer sind belegt und der Stall ist bis unters Dach mit Pferden gefüllt.«

Der Wirt trat an die Seite seiner Tochter, schob sie ein wenig zur Seite und betrachtete den Neuankömmling skeptisch.

»Habt ihr euch das Wetter da draußen angesehen? Nicht mal einen Hund schickt man jetzt noch vor die Tür«, sprach der Fremde gereizt und schnaufte verärgert.

Maximes Blick schweifte zu einem kleinen Fenster am anderen Ende des Raums, welches aufgrund der vorherrschenden Hitze fast gänzlich beschlagen war, doch das Prasseln des Regens war ohnehin so laut, dass es keiner weiteren Blicke bedurfte. Man mochte dem alten Wirt vieles nachsagen, doch der Sinn nach einem Mindestmaß an Gastfreundschaft gehörte definitiv nicht dazu.

»Na meinetwegen«, antwortete er missmutig.

»Sucht euch einen Platz im Stall und schlaft bei eurem Pferd. Bezahlen müsst ihr aber trotzdem für Stellplatz und Essen.«

Mit diesen Worten endete für Maxime die Diskussion und er ging ohne einen weiteren Blick zurück an seine Arbeit.

»Gastfreundschaft wird wohl in diesem Teil des Landes nicht sehr großgeschrieben«, sprach der Fremde und sah dem Wirt kopfschüttelnd hinterher.

»Wir passen uns eben unseren Gästen an«, erwiderte Danielle trocken und stellte beiläufig einen gefüllten Krug auf den Tresen. Sie hatte weder Zeit noch das Verlangen danach, sich weiterhin mit dem Unbekannten auseinanderzusetzen, denn seine üble Laune färbte allmählich auf sie ab.

»Catia, hol unserem neuen Gast doch bitte ein paar Reste aus der Küche. Ich muss meinem Vater helfen«, sprach sie an ihre Freundin gewandt und verschwand mit einem letzten Blick auf den Fremden in der Menschenmenge.

Danielle

»Angus, geh endlich nach Hause, du verträgst nichts mehr.« Danielle wirbelte mit ausgestreckten Armen vor dem völlig betrunkenen Mann herum und hoffte, dass er sie in seinem Delirium zumindest ansatzweise hören konnte.

Der Abend hatte sich inzwischen zur Nacht gewandelt, doch waren Tische und Bänke nach wie vor zur Genüge gefüllt. Niemand wollte bei diesem Wetter vor die Tür treten und das unverständliche Lallen ihres Stammgastes gab der Wirtstochter zu verstehen, dass ihm ebenfalls nicht der Sinn danach stand. Vermutlich musste sie ihn eigenhändig oder mit der Hilfe ihres Vaters vor die Tür setzen.

Es wäre nicht das erste Mal in dieser Woche.

»Das kann doch wohl nicht wahr sein«, fauchte sie erbost und musste mit ansehen, wie Angus seine letzten Schlucke wieder nach oben beförderte und über seine Kleidung ergoss.

Ekel und Wut stiegen in ihr empor und ließen sie die Hände zu Fäusten ballen, doch ihr blieb keine andere Wahl.

Gerade wollte sie erneut anfangen, auf ihn einzureden und irgendwie zum Aufstehen zu bewegen, als plötzlich ein lautes Klirren an ihre Ohren drang und sie zusammenzucken ließ. Eine laute, männliche Stimme brachte die meisten Gespräche sogleich zum Erliegen.

Danielles Blick schnellte zum Tresen, während sie gleichzeitig versuchte, sich einen Weg durch die Menschenmasse zu bahnen. Alle rückten nun näher zusammen und drängten sich dicht aneinander.

Niemand wollte eine mögliche Schlägerei verpassen.

Dies war allerdings das Letzte, was Danielle und ihr Vater an diesem Abend gebrauchen konnten. Viel zu oft hatten sie aufgrund von Prügeleien und blinder Zerstörungswut ungemein hohe Geldsummen aufbringen müssen, die sie kaum mehr ausgleichen konnten.

Endlich am Tresen angekommen, fand sich die Wirtstochter umringt von einer Traube Gaffer wieder, die ihr nur unter erschwerten Bedingungen einen Blick auf das Geschehen erlaubten. Doch allein das, was sie sah, reichte bisweilen aus, um ihr Herz zum Pochen zu bringen.

Einer der Jäger hatte sich drohend vor dem fremden Gast aufgebaut, der nach wie vor seelenruhig auf seinem Stuhl am Tresen saß. Es brauchte nicht viel, um zu erkennen, dass der Diener des Fürsten reichlich betrunken war, denn egal, wie sehr er auch das Gegenteil versuchte, er schwankte wie ein Schiff bei hohem Wellengang.

»Ich sage es nochmal. Wegen dir habe ich meinen Krug fallengelassen und mein Bier verschüttet. Also wirst du dich jetzt bei mir entschuldigen und es mir ersetzen«, sprach der Jäger mit funkelnden Augen und einem schmierigen Grinsen auf den Lippen. Ein leises Raunen ging durch die Menge und heizte die Spannung an. Danielle wusste nur zu gut, wie leichtfertig Männer in solch einer Verfassung einen Streit vom Zaun brachen. Das Bier ließ sie übermütig werden.

Sie suchten regelrecht nach einem Grund zur Auseinandersetzung, ganz gleich, wie belanglos er auch schien.

»Und ich habe gesagt, du sollst dich wieder zu deinen Freunden setzen und es gut sein lassen«, erwiderte der Fremde und wirkte zu Danielles Überraschung vollkommen gelassen. Er sah seinen Kontrahenten nicht einmal an.

Ein übermütiges Lachen entwich dem Jäger, während er angriffslustig zu seinen Kumpanen blickte.

»Hast wohl Angst, ich könnte dich einen Kopf kürzer machen, was? Du armseliger Feigling!«

Danielle besah die Szenerie mit klopfendem Herzen und traute sich kaum zu atmen. Sie ahnte bereits, worauf das Ganze hinauslaufen würde.

Der Fremde hatte sich nach wie vor nicht von seinem Platz erhoben, doch konnte sie beobachten, wie er seine Finger langsam zu Fäusten ballte, sodass die Knöchel weiß hervortraten.

»Sag das noch einmal«, forderte er mit einer Stimme, die so ruhig wie dunkel wirkte.

»Ich sagte«, wiederholte der Jäger und beugte sich ein Stück zu seinem vermeintlichen Opfer hinunter, »dass du ein dreckiger Feigling bist.«

Ein dumpfes Geräusch ertönte und im nächsten Augenblick schlug der Jäger mit dem Kopf voran auf den knarrenden Holzdielen auf. Danielle wusste kaum, wie ihr geschah, denn alles vollzog sich plötzlich in rasender Geschwindigkeit. Der unbekannte Gast hatte sich derart rasch von seinem Stuhl erhoben und so präzise zugeschlagen, dass ein Abwehren vollkommen unmöglich schien.

Für den Bruchteil eines Herzschlags lag das Gasthaus in vollkommenes Schweigen gehüllt. Ungläubige Blicke schwankten zwischen dem Fremden und dem am Boden liegenden Mann umher, bis die aufgebrachten Schreie der anderen Jäger schließlich wie Paukenschläge durch die Reihen hallten.

Mit vereinten Kräften stürzten sie sich auf den Fremden, schlugen und traten um sich, kurzum, es brach das blanke Chaos aus.

So schnell sie nur konnte, hastete Danielle hinter den Tresen und zog Catia mit sich. Immer mehr Gäste nutzten nun die Gunst der Stunde und mischten sich ins Kampfgeschehen ein. Es dauerte nur wenige Momente, bis die ersten Stühle als Waffen umfunktioniert und Krüge polternd zu Boden geworfen wurden.

»Geh in die Küche und bleib mit Binette dort, bis wir euch holen. Ich muss meinen Vater finden«, sprach Danielle mit zittriger Stimme und schob Catia kurzerhand durch die hölzerne Schwingtür.

Im nächsten Augenblick zerschnitt ein ohrenbetäubender Knall die Luft und brachte die maroden Wände des Hauses zum Beben. Sämtliche Geräusche verstummten schlagartig, während jeder Kampfesmutige in seiner Bewegung innehielt.

»So, nun ist Schluss mit lustig.«

Unter polternden Schritten trat Maxime die Treppe zum Gastraum hinab, welche hinauf in den ersten Stock führte. Dabei umfasste seine rechte Hand den hölzernen Kolben einer Muskete, aus dessen Lauf noch immer seichte Rauchschwaden emporstiegen.

»In meinem Haus dulde ich weder Ärger und noch weniger eine Schlägerei. Und jeder, der sich nicht an meine Regeln hält, fliegt raus oder fängt sich eine Kugel ein«, rief er mit donnernder Stimme und richtete die geladene Waffe auf die prügelnde Meute.

»Es liegt also ganz bei euch.«

Eine feine Spur der Unsicherheit breitete sich auf den Gesichtern der Männer aus, doch noch schien ihre Angriffslust nicht gänzlich abgeebbt.

Angespannt beobachtete Danielle jede Regung, blickte von einem Gesicht zum nächsten, bis ihre Augen unverhofft an einem haften blieben.

Dem Fremden war im Zuge der Schlägerei die Kapuze vom Kopf geglitten, wodurch es ihr erstmalig gelang, seine stechend blauen Augen und das wilde, schwarze Haar zu erblicken. Seine Züge wirkten hart und markant, doch es war allein sein Blick, der sich ihr unwiderruflich ins Gedächtnis brannte. Es lag keinerlei Furcht darin, sondern lediglich Wut und eine Entschlossenheit, die ihr bis zu jenem Moment gänzlich unbekannt erschien.

»Der Abend, meine Herren, ist hiermit beendet. Jeder, der sein Zimmer bereits bezahlt hat, tut nun besser daran, sich ein wenig Schlaf zu gönnen«, sprach Maxime erneut und riss Danielle aus ihren Beobachtungen.

»Und ihr da«, fügte er hinzu und deutete mit dem Lauf seiner Muskete auf die Jäger des Fürsten, »verschwindet sofort aus meinem Haus oder ich lasse meinen Worten Taten folgen.«

Noch einmal tauschten die Männer vielsagende Blicke untereinander aus und schienen abzuwägen, welches wohl das kleinere Übel wäre. Letztendlich gewann jedoch das letzte Tröpfchen Vernunft, denn ohne ein weiteres Wort griffen sie nach ihrem Hab und Gut, bedachten den Wirt mit einem letzten abwertenden Blick und traten in die kalte Nacht hinaus.

»Und du kannst ihnen gleich folgen«, sprach Maxime an den Fremden gewandt, welcher als einziger nach wie vor an Ort und Stelle verweilte.

»Er hat den Streit nicht begonnen, Vater.«

Danielle hörte ihre eigene Stimme verdächtig laut in den Ohren widerhallen und fragte sich schlagartig, ob sie nun vollkommen den Verstand verlor. Hatte sie jene Worte gerade tatsächlich laut ausgesprochen? Umgehend spürte sie die Hitze in ihre Wangen steigen und traute sich kaum, ihrem Vater in das verwunderte Gesicht zu blicken.

Bei den Göttern, irgendwann würde ihre vorlaute Art sie wohl den Kopf kosten.

2. Nächtliche Ereignisse

Dereck

Dereck betrachtete das Schankmädchen überrascht, doch verfinsterte sich seine Mine erneut, als sein Blick zurück auf die Waffe ihres Vaters fiel. Warum um alles in der Welt setzte sie sich für ihn ein? Sie hatte keinerlei Grund dazu. Vielleicht wollte sie lediglich eine gute Tat vollbringen oder es lag womöglich an den verbliebenen Resten seiner einstigen Ausstrahlung. Schließlich hatte es Zeiten gegeben, in denen die Frauen ihm reihenweise zu Füßen lagen.

Zu seinem Bedauern musste er nun allerdings feststellen, dass der Wirt gegen die Vorzüge seines Aussehens mehr oder minder resistent zu sein schien.

»Es ist mir vollkommen gleich, wer damit begonnen hat. Ich will keine Störenfriede in meinem Haus … und dieser hier«, sprach der kräftige Mann verärgert und deutete mit dem Lauf seiner Muskete auf den Fremden, »sieht mir ganz nach dieser Sorte aus.«

Derecks Blick glitt abermals zu dem Mädchen hinüber, dessen Augen noch immer wachsam auf ihm ruhten.

Leider konnte er weder einen schmachtenden noch mitleidigen Ausdruck darin erkennen. Alles was er sah, wirkte auf ihn wie reine Neugierde.

»Verzeiht, ich wollte lediglich ein Nachtlager für die nächsten Stunden. Mir stand weder der Sinn nach Ärger noch nach einer Prügelei«, sprach er versöhnlich und versuchte es auf die diplomatische Art. Mit ein wenig Verhandlungsgeschick und einem entschlossenen Auftreten konnte schließlich jedem Fußvolk Einhalt geboten werden.

»Lasst uns diesen kleinen Vorfall doch einfach vergessen. Jetzt, da Ihr diese Bauerntrampel rausgeworfen habt, könnt Ihr mir doch einfach eines Eurer Zimmer überlassen. Ich lege meinetwegen sogar ein paar Münzen obendrauf.«

Dereck konnte beobachten, wie sowohl dem Wirt als auch seiner Tochter die Gesichtszüge entglitten. Er verstand allerdings nicht, wieso dies der Fall war. Diese Wald- und Wiesenmenschen sollten sich lieber darüber freuen, dass er ihnen ein paar Münzen zusätzlich anbot, schließlich schien dieses Wirtshaus seine besten Jahre längst hinter sich gelassen zu haben.

Der Wirt tauschte mit seiner Tochter einen irritierten Blick aus, bevor er den Lauf seiner Waffe erneut auf ihn richtete.

»Hör zu, ich bin nicht in Verhandlungsstimmung. Verlass mein Haus, nimm dein Pferd und verzieh dich. Das ist mein letztes Wort.«

Dereck schnaufte verärgert auf, schüttelte missbilligend den Kopf und fuhr sich mit den Fingern über das unrasierte Gesicht. Erst jetzt bemerkte er, dass er aus der Nase blutete. Diese halbstarken Möchtegernjäger hatten ihn tatsächlich verletzt. Er hätte sie auf der Stelle totschlagen sollen. Erneut keimte eine Woge des Zorns in ihm auf, doch beschloss er diesmal, dass es wohl für alle Beteiligten das Beste wäre, den Worten des Wirtes Folge zu leisten. Ganz gleich wie erschöpft und ausgelaugt er sich auch innerlich fühlte, er würde niemals um ein Nachtlager betteln. Niemals.

»Nun, ich kann mich nur wiederholen, die Gastfreundschaft in eurem Haus lässt sehr zu wünschen übrig«, sprach er mit einem überspitzten Lächeln und blickte dem Wirt ein letztes Mal angriffslustig in die Augen.

»Hinaus!«, brüllte Maxime als Antwort auf diese Unverschämtheit, sodass seine Tochter unweigerlich zusammenzuckte.

»Hinterwäldler«, murmelte Dereck abwertend und riss die Eingangstür mit einem kräftigen Ruck auf. Wind und Regen peitschten ihm sogleich ins Gesicht und ließen ihn frustriert aufstöhnen. Womöglich wäre eine einfache Entschuldigung doch die bessere Wahl gewesen.

Danielle

»Hast du sowas schon einmal erlebt?«, fragte Maxime entrüstet und schüttelte verständnislos den Kopf.

»Nein … nein noch nie«, gab Danielle ehrlich zurück, während ihr Blick noch immer dem Hauseingang galt. So ein Mann war ihr tatsächlich noch nie untergekommen, doch sie musste zugeben, dass er einen gewissen Eindruck hinterließ.

»Nun, wie dem auch sei. Jetzt sind wir ihn und den Rest der Meute los«, sprach der Wirt und legte die Muskete auf den Tresen. »Jetzt wird es Zeit, aufzuräumen.«

Danielles Rücken brannte wie Feuer, sie konnte kaum noch aufrecht stehen. Seit ungefähr einer Stunde kniete sie gemeinsam mit Catia auf dem alten Holzboden und versuchte Schlamm und Dreck aus den Dielen zu schrubben.

»Eigentlich ist die Mühe doch vergebens. Solange der Regen nicht nachlässt, bringt das doch alles nichts«, seufzte die Küchenmagd erschöpft und warf ihre abgenutzte Bürste in den Eimer mit schmutzigem Wischwasser.

»Ich weiß, aber es ist eben Vaters Wunsch«, erwiderte Danielle und fuhr sich mit der nassen Hand über die verschwitzte Stirn.

»Wahrscheinlich, weil Mutter immer so erpicht auf einen sauberen Boden war.«

Ein unangenehmer Druck begann sich in Danielles Brust auszubreiten. Jedes Mal, wenn das Gespräch auf ihre Mutter fiel, verspürte sie dasselbe bedrückende Gefühl. Es glich einer bittersüßen Erinnerung, die sie aus dem Alltag riss und in die Vergangenheit entführte.

»Tja, wenigstens wird uns so niemals langweilig.«

Eine warme Hand legte sich auf ihren Unterarm und holte die Wirtstochter ins Hier und Jetzt zurück. Sie blickte in die grünen Augen ihrer Freundin und erwiderte ihr sanftes Lächeln.

»Aber dieser Fremde, der war schon recht eigenartig«, bemerkte Catia beiläufig, doch verformten sich ihre Lippen zu einem schalkhaften Lächeln.

»Findest du?«, erwiderte Danielle und wendete sich erneut den Holzdielen zu.

»Ich vermute ja, dass er mit seiner unangebrachten Art und Weise lediglich eine gewisse Unsicherheit überspielen wollte.«

»Meinst du? Also ich fand, dass er schon recht überzeugend klang.«

»Also Catia, wenn Cedric dich so hören könnte«, antwortete Danielle mit gespielter Empörung und wollte das Thema gezielt beenden. Schließlich war dieser fremde Mann einer der Gründe, weswegen sie in der heutigen Nacht doppelt so viel aufräumen mussten.

»Na hör mal! Ich sage nur, was ich gesehen und gehört habe! Cedric ist diesem Mann doch meilenweit überlegen. Es gibt keinen besseren Mann im Dorf«, erwiderte die Küchenmagd unter geröteten Wangen und widmete sich ohne weitere Worte der restlichen Arbeit zu.

***

»So, ich glaube, das Gröbste haben wir geschafft«, sprach Danielle schnaufend und hob den letzten Stuhl auf einen der Tische. Zufrieden blickte sie auf einen gewischten Boden und auf saubere, von sämtlichen Speiseresten befreite Oberflächen. Der Schlägerei waren glücklicherweise nur zwei Stühle und drei Krüge zum Opfer gefallen, Schäden, die sich ohne größere Probleme ersetzen ließen. Während Maxime noch damit beschäftigt war, die übrigen Vorräte im Kellerraum zu zählen, durfte Binette bereits nach Hause gehen.

»Geh jetzt auch Heim und schlaf noch ein wenig. Morgen wird wieder ein langer Tag.«

»Davon können wir wohl ausgehen«, schnaufte Catia entkräftet, zog sich das helle Leinentuch vom Kopf und ließ ihr hellbraunes Haar über die Schultern gleiten.

»Bis morgen früh.«

Als der Wirt nach einer weiteren halben Stunde endlich die Treppen vom Keller emporstieg, löschte Danielle bereits die letzten Kerzen.

»Wir haben heute ganze Arbeit geleistet«, verkündete er und zog zufrieden die Mundwinkel hinauf.

»Allerdings«, erwiderte Danielle zustimmend und trat ihrem Vater entgegen. Sie besah den ergrauten Bart und die vielen kleinen Fältchen unter seinen Augen. Das einst so dichte, dunkelbraune Haar wurde nun von vielen hellen Strähnen durchzogen und verlor zunehmend an Fülle.

Als Maxime schließlich die Treppen zum ersten Stock hinaufstieg, um sich dort seiner wohlverdienten Nachtruhe hinzugeben, konnte Danielle nicht anders, als ihm hinterherzusehen. Die leisen Spuren des Alters zeichneten sich nun immer deutlicher ab. Sie glaubte sogar, dass es in den letzten Monaten immer schneller vonstatten ging. Wie lange wäre es ihrem Vater noch möglich, das Gasthaus zu führen? Wann würde er von den vielen harten Jahren kapitulieren müssen? All diese Fragen beschäftigen Danielle zunehmend, doch sie fürchtete die Antworten.

Ein leises Seufzen glitt über ihre Lippen, es war wahrlich zu spät, um sich solcherlei Gedanken hinzugeben.

Mit schweren Beinen schleppte sie sich zu einem nahestehenden Tisch, um dort die letzte verbliebene Kerze zu löschen, als plötzlich ein lautes Geräusch die Stille durchbrach.

Die Eingangstür schlug schwungvoll auf und wurde durch den kräftigen Wind beinahe aus den Scharnieren gerissen.

Danielle stieß einen erstickenden Schrei aus und spürte sogleich, wie der Schreck sie bis ins Mark durchfuhr. Instinktiv trat sie mehrere Schritte nach hinten und stieß dabei geräuschvoll ein paar Stühle zur Seite. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, sämtliche Müdigkeit schien auf der Stelle verflogen.

Mit weit aufgerissen Augen blickte sie dem Eingang entgegen, hörte den prasselnden Regen und spürte einen kalten Luftzug durch den Raum ziehen.

»Danielle? Danielle, ganz ruhig, ich bin es!«

»Catia? Was um alles in der Welt tust du denn noch hier?«, fragte die Wirtstocher und sah verunsichert die Treppen hinauf. Ob ihr Vater sie möglicherweise gehört hatte?

»Das erkläre ich dir später! Komm jetzt rasch und bring eure Laterne mit«, erwiderte die Küchenmagd mit einer Stimme, bei der sich Danielles Nackenhaare sträubten. Ohne weitere Fragen zu stellen, lief sie zu einem Regal an der Wand, nahm eine Laterne heraus und entzündete die Kerze in ihrem Inneren.

»Was ist denn passiert?«, fragte sie nervös, während sie ihrer Freundin auf den Hof folgte.

Der starke Wind trieb ihr sogleich Tränen in die Augen und löste auch die letzten Strähnen ihres geflochtenen Zopfes. Im Nu war ihre Schürze mitsamt dem darunter befindlichen Kleid durchnässt und die ledernen Schuhe in Matsch getränkt. Mit schmatzenden Schritten folgte sie Catias Silhouette, bis sie endlich vor dem Pferdestall zum Stehen kamen.

»Als ich gegangen bin, habe ich Stimmen gehört. Ich wollte sie erst ignorieren, doch dann bin ich nochmal umgekehrt. Als ich zurückkam, habe ich sie nur noch wegreiten sehen. Ich dachte, sie hätten womöglich etwas gestohlen, doch dann …«

»Doch dann was?«, hakte Danielle ungehalten nach und kniff angestrengt die Augen zusammen. Doch ohne eine weitere Erklärung schob die Küchenmagd die schwere Stalltür auf und gab den Blick ins Innere frei.

Im ersten Moment konnte Danielle nichts Ungewöhnliches erkennen. Sie vernahm lediglich den üblichen Geruch von Pferden und Heu, welcher mit einer hölzernen Note einherging.

Unsicher trat sie einige Schritte in den Stall hinein, hielt die Laterne ein Stückchen höher, nur um im nächsten Augenblick den Atem anzuhalten.

»Du liebe Güte.«

Inmitten der unruhigen Pferde erblickte sie den leblosen Körper eines Mannes. Er lag auf dem Bauch, sodass sein Gesicht unkenntlich blieb, doch nahm das Heu unter ihm herum bereits eine rötliche Färbung an. Der leise Hauch einer Vorahnung durchfuhr ihren Verstand und hinterließ einen bitteren Geschmack auf der Zunge. Danielle konnte sich durchaus denken, um wen es sich hier handelte.

»Lauf zurück ins Haus und hole das Kästchen auf meinem Nachttisch. Sei leise und pass auf, dass mein Vater dich nicht hört«, sprach Danielle an Catia gewandt und ging bereits ein Stück weiter.

Vorsichtig stellte sie die Laterne auf einen Holzbalken und trat langsam an die unruhigen Pferde heran. Sie musste versuchen, die großen Tiere so weit wie möglich von dem Mann fernzuhalten.

Langsam hob sie ihre Hände und strich dem ersten Pferd behutsam über den Rücken. Sie zwang sich, mit ruhiger Stimme auf die Tiere einzureden, doch konnte sie ein nervöses Zittern nicht unterdrücken.

Es dauerte einen Augenblick, bis die Pferde sich auf ihre Worte einließen, doch schaffte sie es schließlich, die kräftigen Tiere ein Stück von dem Mann wegführen und an einen naheliegenden Balken binden.

Mit klopfendem Herzen kniete sie sich vor dem leblosen Körper nieder und traute sich kaum, ihn zu berühren.

Sie hoffte inständig, dass ihr Vater dem Ruf seines tiefen Schlafs weiterhin die Treue hielt und nichts von alledem mitbekam. Nur mit Mühe schaffte sie es, einen tiefen Atemzug zu nehmen und ihre bebenden Hände unter Kontrolle zu bringen. Zaghaft beugte sie sich ein wenig tiefer über den Verwundeten und stellte zu ihrer Erleichterung fest, dass er noch atmete, jedoch arg mitgenommen schien.

Als Catia endlich zurückkehrte und neben sie trat, tauschten beide Frauen einen unschlüssigen Blick miteinander aus.

»Du musst mir helfen, ihn umzudrehen«, sprach Danielle knapp und biss sich dabei auf die Innenseite ihrer Unterlippe.

Gemeinsam packten sie ihn an Oberarm und Taille und zogen ihn vorsichtig herum. Ein leises Stöhnen verließ die Lippen des Mannes und bewahrheitete Danielles Vermutung. Es schien Ironie des Schicksals zu sein, dass ihr Vater ihn soeben noch in den Regen hinausgejagt hatte und er nun verwundet in ihrem Stall lag.

»Das müssen die Jäger gewesen sein«, flüsterte Catia nachdenklich und richtete ihren Blick auf die geschlossene Stalltür.

»Vermutlich. Wahrscheinlich haben sie hier auf ihn gewartet und ihn dann so zugerichtet«, antwortete Danielle leise und besah den Verwundeten genauer. Seinen Nasenrücken zierte ein langer, senkrechter Schnitt, während seine Unterlippe auf der rechten Seite aufgeplatzt war. Aus beiden Wunden quoll noch immer ein wenig Blut, welches ihm in kleinen Rinnsalen die unrasierten Wangen hinablief. An der linken Schläfe konnte sie eine recht große Platzwunde erkennen, die nach wie vor stark blutete.

»Sie haben ihm bestimmt auch ein paar Rippen gebrochen«, murmelte Catia und zog eine Augenbraue hinauf.

Danielle spürte umgehend ein Ziehen in der Magengegend und schenkte der Küchenmagd einen gereizten Blick.

»Wenn du das glaubst, dann sieh doch nach.«

»Ich? Auf keinen Fall, ich bin immerhin verlobt«, entgegnete Catia und hob abwehrend die Hände.

»Oh Grundgütiger«, fauchte Danielle und schenkte ihrer Freundin einen weiteren vielsagenden Blick.

Worauf hatte sie sich hier nur eingelassen? Sie sollte längst in ihrem warmen Bett liegen, doch stattdessen befand sie sich nun des nachts in einem Pferdestall und legte Hand an einen wildfremden Mann an.

»Wehe, hiervon erfährt jemand«, zischte sie warnend und streckte erneut ihre nervösen Finger aus. Vorsichtig öffnete sie den Mantel des Fremden und fühlte den Stoff eines Jacketts darunter. Mit geschickten Griffen löste sie dessen Knöpfe und tastete nun nach dem Stoff seines Hemdes.

Sein Körper strahlte eine ungewöhnliche Hitze aus.

Danielle musste all ihren Mut aufbringen, um nicht einfach aufzustehen und geschwind davon zu laufen.

Doch plötzlich durchbrach ein schmerzerfüllter Laut die angespannte Stille und ließ die Wirtstochter umgehend zurückschrecken.

»Siehst du, ich habe es dir doch gesagt«, sprach Catia nach einem Moment der Stille und blickte entschuldigend drein.

»Reich mir einfach das Verbandszeug«, antwortete Danielle gereizt und versuchte so emotionslos wie möglich zu wirken. Niemand sollte erahnen, wie heftig sich ihre Gedanken überschlugen oder wie unsicher sie sich fühlte. Die gesamte Situation schien aufregend und beängstigend zugleich.

Sie wusste schließlich nichts über diesen Mann, möglicherweise war er ein Dieb oder Schlimmeres.

Sie wusste lediglich, dass er einen reichlich unfreundlichen Charakter besaß, jedoch zu Unrecht von ihrem Vater hinausgeworfen wurde. Er war nicht für den Streit verantwortlich gewesen und vielleicht wäre dies alles nicht passiert, wenn Maxime anders entschieden hätte.

Nein, sie musste ihm helfen, was blieb ihr auch anderes übrig? Sie konnte ihn doch nicht hier liegen lassen und warten, bis ihr Vater ihn in der Früh entdeckte.

Entschlossen, es endlich hinter sich zu bringen, griff sie also nach dem kleinen Holzkästchen, welches Catia ihr entgegenhielt und nahm ein paar saubere Leinenbinden und ein kleines verkorktes Fläschchen heraus.

Geschickt träufelte sie dessen übelriechenden Inhalt auf einen dünnen Stoffstreifen und begann, vorsichtig die Verletzung an seiner Schläfe zu reinigen.

Ein Ruck schnellte durch Danielles gesamten Körper, gefolgt von einem leisen Aufschrei, in den Catia sogleich mit einstimmte. Mit einer schnellen, unvorhergesehenen Bewegung hatte der Fremde plötzlich ihre Hand gepackt und betrachtete sie mit kaltem, stechendem Blick.

»Was tust du da?«, fragte er mit heiserer Stimme und hielt ihr Gelenk fest umklammert. Danielle fehlten die Worte.

Sie war überrascht und erschrocken zugleich, doch als ihre Finger allmählich zu schmerzen begannen, entzündeten sich kleine Funken der Wut in ihrem Inneren.

»Ich reinige deine Wunde«, gab sie bissig zurück und versuchte sich vergeblich aus seinem Griff zu lösen.

»Warum?«

Sie musste zugeben, dass ihr die Kraft des Fremden imponierte, doch anstatt ihr weiterhin Angst einzujagen, machte er sie allmählich wütend.

»Weil sie blutet«, entgegnete sie trotzig und legte die Stirn in Falten.

»Das habe ich nicht gemeint«, zischte er misstrauisch und ließ sie keinen Moment aus den Augen.

»Du tust mir weh.«

Dereck

Dereck konnte sich beim besten Willen nicht erklären, was all dies zu bedeuten hatte. Wieso lag er auf dem Boden? Warum roch es um ihn herum derart nach Pferdemist? Und weshalb knieten diese beiden Weibsbilder so dicht bei ihm? War eine der beide nicht die Wirtstochter aus dem schäbigen Gasthaus? Mit einer groben Bewegung schlug er die Hand des Mädchens zurück und versuchte im nächsten Moment auf die Beine zu kommen. Ein dumpfer Schmerz pulsierte durch seinen Kopf und paarte sich mit einem starken Stechen in der Brust. Ein Stöhnen entwich seiner Kehle, während sich vor seinen Augen alles zu drehen begann.

»Du solltest vorsichtig sein. Ich glaube, eine deiner Rippen ist gebrochen«, sprach das Schankmädchen zögerlich.

»Ach ja? Und du solltest dich besser um deine eigenen Angelegenheiten kümmern«, antwortete Dereck unwirsch und kniff die Lider zusammen. Wer hatte ihn nur so übel zugerichtet?

Ein empörtes Schnaufen drang an seine Ohren und lenkte die Aufmerksamkeit zurück auf die Wirtstochter. Er sah, wie sie ihrer Begleiterin einen vielsagenden Blick zuwarf, bevor ihre Miene schließlich einen gleichgültigen Ausdruck annahm.

»Gut, dann ist ja unsere Arbeit hier getan. Falls du allerdings noch einmal den Drang danach verspüren solltest, dich mit den Jägern des Fürsten zu prügeln, dann tue dies doch bitte draußen an der frischen Luft. Du erschreckst sonst die Pferde.«

»Was … was hast du gesagt?«

Mehrere Erinnerungen strömten zeitgleich durch Derecks Verstand und brachten ihn ins Taumeln.

Rasend schnell verbreiteten sich die Bilder in seinem Geist und zwangen ihn erneut, die Augen zu schließen. Er erinnerte sich an die schmierigen Gesichter der Jäger, an die Schlägerei im Gasthaus und wie der Wirt ihn kurzerhand hinausgeworfen hatte. Danach wurden die Bilder undeutlich und verschwammen vor seinen Augen.

Er erinnerte sich lediglich an einen dumpfen Schmerz und an das hämische Gelächter seiner Peiniger. Im Dunkeln hatten sie ihm aufgelauert, ihn hinterrücks gepackt und ohne Unterlass auf ihn eingeschlagen. Selbst wenn Dereck ihre Fratzen nicht mehr genau vor Augen sah, so war er sich dennoch sicher, dass es dieselben Bastarde aus dem Wirtshaus gewesen sein mussten.

»Diese verfluchten Dreckskerle«, stieß er zornig hervor und musste sogleich eine Hand auf seinen Brustkorb legen.

Der stechende Schmerz zog sich bis in den Rücken und raubte ihm den Atem.

Danielle

»Wenigstens haben sie euch nichts gestohlen«, flüsterte Catia an Danielle gewandt und deutete auf die Pferde.

Die Erstattung von Sattel, Zaumzeug oder gar eines Tieres wäre schier unmöglich gewesen.

Die Wirtstochter nickte zustimmend, doch legte sich ihre Stirn sogleich in Falten, als sie den veränderten Gesichtsausdruck des Fremden bemerkte. Catias Worte schienen irgendetwas in ihm ausgelöst zu haben, denn plötzlich weiteten sich seine glasigen Augen und er schnappte hektisch nach Luft. Unwirsch, beinahe panisch, begann er seinen Mantel und das darunter befindliche Jackett abzutasten. Seine Griffe wurden mit jedem Augenblick ungehaltener, während sein Gesicht sich zu einer gequälten Grimasse verzog.

»Nein … nein … nein«, murmelte er immer wieder und schien kurz davor, sich die Haare zu raufen. Seine blauen Augen funkelten fieberhaft, Danielle glaubte beinahe, er würde jeden Moment den Verstand verlieren.

»Suchst du irgendetwas?« fragte sie vorsichtig und trat einen Schritt nach hinten. Sie konnte deutlich die Mischung aus Verzweiflung und Unglauben in seinem Blick erkennen.

»Es ist weg«, hauchte er fassungslos und verharrte an Ort und Stelle.

»Was genau fehlt dir denn?« hakte Catia nach und trat neben Danielle.

»Mein … mein Geld. Meine gesamten Ersparnisse. Sie haben es gestohlen. Diese diebischen Dreckshunde haben mich bestohlen.«

Seine Stimme gewann mit jedem Wort an Kraft, bis er letztendlich sämtliche Wut hinausschrie. Selbst in seiner jetzigen Verfassung wirkte der Fremde bedrohlich. Zornig ballte er die Hände zu Fäusten, während seine blauen Augen so viel Hass und Verzweiflung ausstrahlten.

Seine Gesichtsfarbe wechselte von Rot zu Weiß und erneut zu Rot, in nur wenigen Augenblicken. Schweißperlen überzogen seine Stirn, während er besorgniserregend schnell atmete. Als er sich zu ihrer Überraschung auch noch anschickte, erneut seinen Wollmantel zu schließen und nach seinem Pferd Ausschau zu halten, war Danielle sich allerdings recht sicher, dass er allmählich den Verstand verlor.

»Was willst du denn jetzt tun? Du kannst ihnen doch so nicht hinterherreiten«, sprach sie fassungslos und deutete auf seine Wunden.

»Die Spuren sind vom Regen ohnehin verwischt und überhaupt sind die Jäger doch längst über alle Berge.«

»Sag du mir nicht, was ich tun kann und was nicht«, entgegnete er wütend und richtete seine funkelnden Augen auf die Wirtstochter.

Danielle versuchte, seinem Blick standzuhalten. Sie zwang sich, nicht die Lider zu senken und ihre entschlossene Haltung zu wahren. Selbst wenn es ihr sämtliche Willenskraft abverlangte. Sie wusste nicht genau, ob sie es sich lediglich einbildete, doch glaubte sie nach einigen Augenblicken merkwürdigerweise eine Veränderung an ihm festzustellen. Das lodernde Feuer in seinem Blick schien

langsam an Intensität zu verlieren, während er nunmehr fast hilflos wirkte.

»Du … du verstehst das nicht«, sprach er verunsichert und presste abermals die Hand gegen seinen Brustkorb.

»Diese Bastarde haben mir alles genommen. Alles, was ich besaß. Und niemand …«, seine Stimme begann zu zittern, »absolut niemand bestiehlt mich und kommt mit dem Leben davon.«

Dereck

Die Wirtstochter ließ ihren Blick einen weiteren Moment auf ihm ruhen, bis sie schließlich zu einer Antwort ansetzte. Sie schien ihre Worte genau abzuwägen.

»Glaub mir, ich kann deine Wut auf diese Männer durchaus verstehen«, sprach sie mit gefasster Stimme, »aber mit deinen jetzigen Verletzungen in die Nacht zu reiten, bei diesem Wetter, macht keinen Sinn. Selbst wenn du sie finden solltest, sie würden dich in diesem Zustand erneut zusammenschlagen … oder Schlimmeres.«

Dereck ließ diese Worte auf sich wirken und stieß anschließend ein leises Schnaufen aus.

»Ziemlich deutliche Worte für ein einfaches Schankmädchen.«

»Einem Mann aus der Cliffhall Region kann man nur mit Deutlichkeit beiwohnen«, erwiderte sie und zog eine Augenbraue hinauf.

»Woher willst du wissen, ob ich aus Cliffhall komme?«

»Die meisten Männer aus dem Norden sind von unfreundlicher und reichlich überheblicher Natur.«

Ein trockenes Lachen erklomm Derecks Kehle, doch als es sich auf seinen Lippen brach, durchfuhr ihn erneut ein heftiger Schmerz. Die darauffolgende Übelkeit kam mit solch einer Wucht, dass sich erneut alles um ihn herum zu drehen begann und er sich an einem in der Nähe befindlichen Holzbalken abstützen musste.

»Hör zu, lass mich deine Wunden reinigen und dir einen Verband anlegen. Wenn du morgen früh immer noch der Meinung bist, den Jägern hinterherreiten zu wollen, dann wird dich niemand von uns aufhalten«, sprach sie mit ruhiger Stimme und trat einen Schritt auf ihn zu.

»Wieso?«

»Wieso was?«

»Wieso hilfst du mir?«

Dereck sah, wie die Wirtstochter von einem Fuß auf den anderen trat und kurz um Worte rang. Doch dann reckte sie ihr Kinn nach vorn und nahm zu seiner Überraschung erneut eine entschlossene Haltung ein.

»Mein Vater hat dich davongejagt, obwohl du nichts verbrochen hast. Hätte er das nicht getan, würdest du jetzt nicht in diesem Zustand vor mir stehen. Also leiste ich lediglich Wiedergutmachung«, antwortete sie so rasch, als müsse sie sich selbst von der Richtigkeit dieser Worte überzeugen.

Dereck zog die Augenbrauen hoch und konnte ein leises Lachen nicht unterdrücken. Er musste sich eingestehen, dass er diese Frau tatsächlich unterschätzt hatte. Sie schien schlagfertiger und wortgewandter als er dachte. Vielleicht wäre es also tatsächlich das Beste, ihrem Rat Folge zu leisten und seine Wunden verbinden zu lassen. Obwohl sein innerer Stolz sich vehement dagegen wehrte, entschied er sich schlussendlich dafür, einmal der Vernunft eines einfachen Mannes und nicht der eines Soldaten zu folgen.

»Also gut, ich nehme die Wiedergutmachung an.«

Er sah, wie sich ein überraschtes Lächeln auf ihre Lippen schlich, anscheinend hatte sie nicht mit einer solchen Antwort gerechnet.

»Wie schön«, erwiderte sie ein wenig steif und überwand auch den letzten Abstand zwischen ihnen.

»Ich bin übrigens Danielle. Danielle Durand und dies ist meine Freundin Catia«, sprach sie und deutete mit einem Wink auf die Küchenmagd.

»Und dein Name lautet?«

»De… Brix!«

»Wie bitte?«

»Mein Name lautet Brix«, log Dereck kurzerhand und zog die Stirn in Falten. Vermutlich hätte er unter anderen Umständen mit dem Kopf geschüttelt und sich für seine eigene Feigheit belächelt, doch erschien ihm jene Lüge in diesem Augenblick wie eine Art Schutz.

Und Schutz konnte er momentan wahrlich gebrauchen.

3. Ein Angebot

Danielle

»Oh Danielle, was hast du dir dabei nur gedacht?«