Su sinns hald, däi Franggn - dou konnsd nix machn - Christine Rieger - E-Book

Su sinns hald, däi Franggn - dou konnsd nix machn E-Book

Christine Rieger

0,0

Beschreibung

Stimmt es wirklich, dass die Nürnberger nicht allzu kontaktfreudig sind, zu ihren Mitmenschen im benachbarten Fürth ein eher gespaltenes Verhältnis haben und zum Lachen in den Keller gehen? In ihrem ersten Kurzgeschichten-Band in Nürnberger Mundart geht die Autorin der Frage nach, was an den Vorurteilen tatsächlich dran ist ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 200

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die gängigen Nürnberger Ausdrücke wie „Allmächd", „Bassd scho", „Gschmarri" oder „Fei wergli" sind wohl inzwischen auch Nicht-Franken bekannt. Aber wissen Sie auch, was ein „Bodschamber" ist, ein „Baradeiser" oder eine „Gredenz"?

In ihrem ersten Kurzgeschichten-Band in Nürnberger Mundart beschreibt die Autorin nicht nur ihre eigenen anfänglichen Probleme mit dem ungewohnten Dialekt. Sie schildert alltägliche Begebenheiten, die besonders bei der Begegnung von Einheimischen mit „Breissn" oft zu kuriosen Missverständnissen führen und kommt dabei zu dem Schluss: Su sinns hald, däi Franggn – dou konnsd nix machn ...

Für Manfred Meukel, meinen früheren Chef und „Glubb"-Fan

Danksagung

An meinen Mann

für seine hilfreichen Tipps in Sachen Fränksche Mundart

für seinen unermüdlichen moralischen Beistand

für seine Nachsicht m it meinen „außerirdischen“ Schlafgewohnheiten

Für seine Bereitschaft, sich ums leibliche Wohl zu kümmern

An Emst Heumann

für seine fachmännischen Ratschläge

für seine Unterstützung bei der Erstellung des Covers

Die in meinen Geschichten beschriebenen Personen, Orte und Handlungen sind größtenteils frei erfunden.

Eventuelle Ähnlichkeiten mit realen Personen sind nicht beabsichtigt und rein zufällig.

Inhaltsverzeichnis

Fränggische Sprache – schwere Sprache

Gute Vorsätze

Die neuen Mieter

Foto-Shooting

Bettdecke gesucht

Alte Freundinnen

Billiges Vergnügen

Cindy

6 auf Kraut und saure Zibfl

Das Wandern ist des Müllers Lust

Gewittersturm

Die Radtour

Männlalaafm

Sonntagsspaziergang

Underhuusn

Aus heiterem Himmel

Wochenend-Einkauf

Relegation

Verrückte Welt

Essen à la carte

Novel Food

Medizin der Zukunft

Westwind

Klimawandel

Das Monster

Die Tote vom Birkensee

Die Frage aller Fragen

Antrittsbesuch

Leise rieselt der Schnee

Mord am Duda-Eck

Vier Tage geschlossen

Der liegende Weihnachtsbaum

Vertauschte Rollen

Zwischen den Jahren

Fränggische Sprache – schwere Sprache!

Eins vorweg: Ich mag die fränkische Mundart, und da insbesondere den Nürnberger Dialekt. Jedenfalls dann, wenn ich andere sprechen höre. Wenn allerdings meine eigene Stimme in breitem Nürnbergerisch von einem Tonträger erklingt, ,rolln si mir die Zehernägl aaf', um es mal auf gut Fränkisch auszudrücken.

Bis zu meinem zwanzigsten Lebensjahr habe ich ausschließlich Hochdeutsch gesprochen. In meiner Jugend war Dialekt an Schulen verpönt. Außerdem war ich – bedingt durch mehrere Umzüge meiner Eltern – nie lange genug an einem Ort, um den dortigen Slang anzunehmen.

Mein Beruf verschlug mich dann nach Mittelfranken. Zuerst lebte ich zwei Jahre in Fürth (die Nürnberger mögen mir verzeihen), bevor ich endgültig in Nürnberg kleben blieb.

Was hatte ich anfangs für Probleme! Manchmal saß ich zwischen meinen Arbeitskolleginnen und -kollegen und hatte das Gefühl, irgendeinen Slang aus der chinesischen Provinz Quangdong zu hören. Kurzum: Ich verstand kein Wort! Was haben wir oft gelacht, wenn ich wieder einmal naiv zu fragen beliebte: „Was ist das? Kann man das essen?"

Inzwischen lebe ich 50 Jahre in Mittelfranken. Selbst so spezielle Ausdrücke wie ,Schnaubmhäferla', ,Wiechergaul', ,bläide Sunner', Mamalaadaamerla', ,Gänsgroong, zammzubfder' oder 'ozullds Buddlasbaa' bereiten mir keine Probleme mehr. Ich kann sogar ,Hosn' und ,Huusn' unterscheiden.

Es klingt aber auch wirklich putzig, dieses ,Allmächd', oder ,Edzerdla'. So richtig weich und flaumig ...

Wenn ich da an den Slang der Oberfranken denke ... oje! Ich will ja niemandem zu nahe treten, denn ich liebe auch das Fichtelgebirge und seine Umgebung. Aber wenn ich zum Beispiel ,Wousiedl' höre, oder ,Rawetz' oder gar ,Kroah', dann hört sich das für meine an den weichen mittelfränkischen Dialekt gewöhnten Ohren an, als würde sich der Buldzermärtl mit seinem Rentier unterhalten. Hou hou wou ... Nebenbei: ,Wousiedl' ist Wunsiedel, die Stadt der Luisenburg-Festspiele, ,Rawetz' steht für Marktredwitz und die ,Kroah' ist eine Krähe. Dies nur für Uneingeweihte.

Was mir allerdings – auch nach so vielen Jahren in Nürnberg – immer noch gründlich missfällt, ist die Verunstaltung der bestimmten Artikel. Ich kann mich einfach nicht daran gewöhnen, dass man hierzulande ,der Butter' oder ,der Radio' sagt. Oder wenn einer erklärt: „Ich gäih heit in die Bfiffer". Bei uns heißt das ordnungsgemäß ,Pilze sammeln'. ,Pfifferlinge' sind eine Pilzsorte, aber kein Allgemeinbegriff für Pilze. So!

Oder wenn ich an diesen Hang zum ,weichen B' oder zum ,harten T' denke ...

Dazu fällt mir übrigens eine Anekdote ein. Ich saß am Anfang meines Berufslebens in einem Großraumbüro mit mehreren Kollegen. Natürlich hörte man zwangsläufig die Telefonate mit, die dort geführt wurden. Eines Tages sprach ein Kollege mit einem Anrufer, der irgendwo im Rheinland zu Hause war.

„Also, ich woar gestern doddn, und dou homs mer gsachd, dass ..." hörte ich ihn sagen. Logisch, dass damit a ,Breiss' -so nennen die Franken alle Bewohner jenseits der Mainlinie – nichts anzufangen weiß. Offenbar bat der Kunde dann meinen Kollegen, doch dieses ominöse ,doddn' zu buchstabieren. Das hörte sich so an: „T-o-r-te-n". Bestimmt können Sie sich vorstellen, dass ich vor Lachen fast vom Bürostuhl fiel. Und nicht nur ich – auch die anderen Kollegen wieherten, dass man es bis auf den Flur hören konntel...

Soviel zum Thema ,weiches B und hartes T'.

Nichtsdestotrotz – ich mag den fränkischen Slang. Und nach einer zweiwöchigen Urlaubsreise, während der ich ausschließlich Hochdeutsch, Englisch, Griechisch, Italienisch oder was auch immer gehört habe, klingt es wie Musik in meinen Ohren, wenn ich in den Bus steige und mich dann jemand folgendermaßen anspricht:

„Songs amol, braung Sie wergli zwaa Blätz fier Ihrn Oasch? Wenn Sie aweng ans Fensder rudschn dädn, nou kennerdermi a nu herhoggn!"

Spätestens in diesem Moment weiß ich: Ich bin wieder zu Hause!

* * *

Gute Vorsätze ...

„Also, des glaabi edzerd ned – däi hom doch an Badscher!"

Entrüstet wirft Kurt den Werbeprospekt des ortsansässigen Sportgeschäfts auf den Tisch. „Wer kaafd si denn alle boar Monat neie Klamottn? Und wos fier a graislichs Gschlamp däi dou oohbiedn!"

Klara zieht den verschmähten Prospekt zu sich heran und blättert ihn auf. „Des sin alles Sach'n fier diejenichn, däi wou gern Sport dreim", belehrt sie ihren Angetrauten. „Fier dich is des freili nix. Obwohl ... schoodn däd dir des ned, wennsd di amol aweng bewegn dädst!"

„Wos soll denn edz des widder hassn?" Kurt mustert seine Gattin misstrauisch.

„Du wassd doch selber, dassd ganz schäi an G'wicht zougleecht hosd, seitdem dassd in Rentn bist. Wallsd läiber derhamm vuurn Fernseh hoggsd, statt dassd amol mit mir zum Joggn odder ins Schwimmbad gengerst ... und an di Feierdooch woarsd ja a ned grod abstinend!"

„Wer an di Feierdooch fastet, is krank – odder saubläid!", konstatiert Kurt trocken. „Obber sunnsd hosd scho recht. lich mäisserd wergli aweng Sport machn, vielleicht gengerd nou mei Blutdruck widder aweng nunder ..."

„Beschdimmd", pflichtet Klara ihrem Mann sofort bei. „Und außerdem – mir macherd es Joggn und es Schwimmer a mehrer Spass, wenni ned immer allaans rumhubfm mäisserd! – Wassd wos? Mir foahrn am Mondooch, wenn die G'schäfte aafmachn, amol hie zu den Loodn. Doddn konnsder es bassende Outfit kaafm. Des gibt's ja a in große Gräißn. Und ab Neijoahr genger mer alle Dooch miternander Joggn ..."

„Des kummt ieberhabds ned in Frooch! Ich kaafmer doch ned extra su Klamottn aus Plastik, blous walli im Wald rumrenner will! Suwos hodd mer fräihers a ned g'habt. Wennimer des scho oohschau!" Angewidert nimmt er seiner Frau das Werbeblättchen aus der Hand.

„Running-Shirt", liest er vor. „Wos soll denn des sei? Ich konn doch mid an ganz normaln Underhemmerd genausu laafm! Und wozu brauchdmer ,Funktionsunterhuusn'? Du wersd doch ned glaam, dass ich extra weecher den Waldlaaf a andere Underhuusn oohzäich! Odder ,Outdoorsoggn'. Maansd du vielleicht, ich kaafmer fier jedn Sport neie Strümbf und neie Schouh? Des is ja es Allerledzde!"

„Des braugst doch a ned", beruhigt Klara ihren aufgebrachten Gatten. „Obber es gibt halt Leid, däi wolln perfekt sein. Bei manche Vereine, wäi zum Beischbill beim Tennis, dou gibt’s su Vuurschriftn, wos mer oohzäign mou, damit mer ieberhabds miedspieln derf ..."

„Aaf su an Verein pfeifi! Ich konn ja grod nu verstäih, dass mer zum Wandern ..."

„Des hasst heidzerdooch ,Trekking'", verbessert Karla.

„Des is mier woschd. Däi andern solln ruhich dreggn – iich gäih wandern! Und dou is logisch, dassmer ned mit Schlappm oder in Sandoln umernanderrennt. Obber des ganze andere Glump – dess kenners behaltn!"

„Also, ich willmer am Mondooch a boar su Running-Shirts kaafm, und a Outdoor-Jaggn. Wall, in den Baumwollzeich, dou friert mer immer su, wemmer g'schwitzt hodd ..."

„Hä? Wemmer g'schwitzt hodd, nou frierd mer? Wos is denn edz des widder fier a Gschmarri?", fragt Kurt verdutzt.

„Ach, des verstäihst du ned. Du konnsd ja weecher mir im Schlafanzuuch joggn. lich will jednfalls ..."

„Ich glaab, ich kumm doch mied. Dou – aaf der Rückseitn" – er hält Klara den Prospekt vor die Nase – „dou homs a su a Fitness-Armband, des kaaf iich mir!"

„A Fitness-Armband? Wos is'n edz des scho widder?"

„Des is su a glaaner Computer, den dousd der ummern Arm rum wäi a Uhr. Der zeicht dir ooh, wäivill Kalorien dassd gessn hosd, wäivill dassd verbraugst, wäivill Kilometer du gloffm und wäivill Treppm dassd naafstiegn bist!" Er tippt mit dem Finger auf die Beschreibung des handlichen Gerätes. „Der hodd sugoar an Wegger drin und erinnert dich, wennsd an den Dooch zu wenich Beweechung g'habt hosd, und ..."

„Su an Grampf brauchi ned. Und du a ned. Dass du vill wenicher Kalorien verbraugst wäi du in dich neistobfsd, dess konn iich dir a soong. Scho allaans däi ganzn Blätzla und di Lebbkoung, däi wou du verdrückt hosd – dou mäißerst dreimal in der Wochn an Halbmarathon laafm, dassd däi kombensiern kennersd!"

„Obber ich find des Dingsbums praktisch", wagt Kurt einen letzten Versuch, seine Frau umzustimmen. „Des konnsd a eistelln, dass di des droo erinnert, wennsd dei Tablettn einehmer mousd ..."

„Edz här obber aaf. Su alt binni a widder ned, dass ich fier alles a ,App' braicherd!" Karla hebt drohend den Zeigefinger.

„Su hobbi des doch a ned gmaand. Ich wollt' doch blous ..."

Karla steht auf, nimmt den Werbeprospekt vom Tisch, zerreißt ihn in mehrere Teile und wirft die Fetzen in den Papierkorb.

„Obber warum schmeißt du denn edz den Brospekt wech?", fragt Kurt. „Den braungmer doch noch, wenn ..."

„Mir braung den ganzn Mist ieberhabds ned." Karla streicht ihrem Mann zärtlich über das Wohlstandsbäuchlein. „Des Geld kennermer uns wergli spoarn! – Wassd, wos mir machn? Mir zäihng uns edz ohh, laafm zum ,Doktershuuf und essn a gscheids Schaiferla. Dou hommer mehr dervo als wäi vo denne ganzn Sportklamottn!"

„Dou hast recht", stimmt Kurt freudestrahlend zu. „Scheiß aaf den Sport – es lebe das Schaiferla!"

***

Die neuen Mieter

„Du, schau amol vom Fenster naus – des mäin däi neier Mieter sei!"

Willy deutet auf die Straße hinaus, zu einem grauen Kombi mit Bamberger Kennzeichen. Die Heckklappe steht offen und gibt den Blick auf einen voll beladenen Kofferraum frei. Neben dem Auto steht eine Frau in Jeans und einem dicken Wollpullover. Ein weiterer Mensch, von dem nur das Hinterteil zu sehen ist (die andere Hälfte steckt im Inneren des Wagens), kramt auf dem Rücksitz herum.

„Allmächd naa – däi sin ja nu su jung!" Hannelore schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. „Däi schauer aus, als wenns nu in di Scholl gengerdn!"

„Gschmarri. Däi mäin scho ieber achtzeah sein. Sunnsd därferdns ja ned Auto foahrn", widerspricht Willy.

Das Hinterteil taucht aus dem Wageninneren auf und entpuppt sich als ebenfalls noch sehr junger Mann mit schulterlangen Haaren, die ihm unordentlich ums Gesicht hängen. Er drückt seiner Begleiterin eine Plastiktüte in die Hand und bedeutet ihr, die Haustür aufzusperren. Dann verschwindet er wieder zur Hälfte zwischen den Habseligkeiten im Auto.

„Des konn ja lustich wern", seufzt Hannelore theatralisch. „Genau su hobbi mer däi neier Mieter vuurgstelld. Däi wern edz jede Nachd dou droomer Partys feiern, und mier kenner ned schloofm ..."

„lich scho!" Willy ist aufgrund seines Alters - er ist vor zwei Monaten fünfundsiebzig geworden – schon ein bisschen schwerhörig. Außerdem hat er Nerven wie Schiffstau. Neben ihm könnte man einen Düsenjäger starten – wenn er einmal schläft, weckt ihn so schnell nichts auf!

„Schäi fier diech." Hannelore liegt – im Gegensatz zu ihrem Gatten – oft bis drei, vier Uhr wach und verschläft dann den halben Vormittag.

„Edzerdla wadd doch erschd amol. Däi wern a ned jede Nachd rumtobm. Irchndwann mäin däi a amol schloofm. Vuur alln, wenns ärwern mäin. Odder studiern, odder wos däi hald tagsüber machn ..."

„Ja, und irchndwann gräing däi dann Kinder. Ich wass doch, wäi des is. Däi plärrn nou fräih um sechser umernander und trampln wäi a Herdn Elefantn ieber mein Kupf rum – naa, des haldi ned lang aus!"

„Glabsdersnaa, du alde Miesebederi! Däi sin nu ned amol ei'zuugn – obber du malst scho widder an Deifl an di Wänd! – Außerdem – du woarst doch a amol a Kind. Und hosd dauernd umernanderplärrt. Hodd jednfalls dei Mudder immer derzilld ..."

„Von wechn", ereifert Hannelore sich. „Mier hom leise sei mäin wäi die Maisla. Wenn mir amol aweng lauder woarn, nou hodds glei g'hassn: „Machd ned su an Radau – was solln denn die Nachboarn denkn?" Und wemmer nou immer nu ned ruich woarn, nou hommer an Oasch verhaut gräichd! – Obber des gäihd ja heizerdooch ieberhabds nemmer. Däi Bälcher derfm doch alles. Bei denne Eldern vo heid sin doch di Kinder suwos wäi Heiliche. Wennsd zu denner amol wos soogst, nou droher der die glei mid der Bolizei, odder nu schlimmer! Naa – däi andiautoridäre Erziehung – des is ieberhabds nix. Des sichdmer ja schon an di junger Leid heidzerdooch. Däi hom doch vuur nix mehr an Reschbegd ..."

„Also, edzderla langts obber widder", unterbricht Willy das Gezeter seiner Frau. „Edz lou doch däi Leid erschd amol ei'zäign. Und wenn däi wergli su a Gwerch machn, kemmer uns immer nu ieberlegn, wosmer dou dergegn unternehmer kenner ..."

„Wallsd du scho suvill unternimmst!" Hannelore stemmt die Hände in die Hüften. „Dich stört des ja ned, und wenn iich ned schloofm ko, nou derf iich mich bei denner unbeliebt machn. Dugäihst garandierd ned naaf und scheisst däi zamm. Und iich bin nou widder diejeniche, däi wou ... Obber aans soochi dir: Wenn däi dou drobm wergli ka Rouh ned gebm, nou zäichi aus. Ins Aldersheim, dassders blous wassd. Und wos du nou machsd, des ist mier woschd!"

Willy kommt nicht dazu, seiner Frau zu antworten, denn in diesem Augenblick läutet es an der Wohnungstür.

Hannelore geht öffnen. Draußen steht ein älteres Ehepaar, beide um die 70.

„Guten Tag, Frau ... Petzold ..." sagt der Mann nach einem forschenden Blick auf den Namen am Klingelschild. „Sie sind doch Frau Petzold?"

„Ja, däi binni. Wos wollns denn vo mir?", fragt Hannelore nicht eben freundlich.

„Frau Petzold – wir sind das Ehepaar Distler. Bernd und Eva Distler. Wir möchten uns gerne mit Ihnen bekannt machen – wir sind die neuen Mieter und ziehen in die Wohnung über Ihnen ein ..."

„Sie?", platzt Hannelore heraus. „Sie sin di neier Mieter? ... Ähm ... obber ich hob gmaand ... mier hom gmaand, des sin däi zwaa junger Leid, däi dou draußn mit den Kombi ..."

„Nein, nein, Frau Petzold – die helfen uns nur beim Umzug!" Eva Distler lacht verschmitzt. „Das ist unsere jüngste Tochter mit ihrem Freund." „Achsuu" ... Na Godd sei Dank. Dou binni obber frouh! Bittschäi – kummers doch rei ..."

„Nein, vielen Dank. Momentan haben wir leider ganz wenig Zeit. Der Umzug, wissen Sie ... wir müssen sehen, dass wir unsere ganzen Sachen einräumen und die Betten aufstellen, damit wir heute Nacht irgendwo schlafen können", wehrt Eva Distler ab.

„Obber wenns fei ferddich sin mit Ihrn Umzuch, nou kummers amol, nou drinkmer a Gläsla Wein miternander!"

„Gerne. Aber bevor wir wieder nach oben gehen: Es könnte sein, dass es hin und wieder bei uns mal ein bisschen lauter wird. Wir haben nämlich sieben Enkelkinder!

***

Foto-Shooting

Das letzte Mal, als ich im Fotostudio war, um mir neue Bilder für meinen abgelaufenen Reisepass machen zu lassen, ging es sehr lässig zu. Aber da brauchte ich auch nur ein Porträtfoto, und das musste in ein vorgegebenes Schema passen. ,Biometrisches Foto' nennt man das, und man sieht darauf aus wie jemand, hinter dem die Polizei her ist. Also ich jedenfalls. Lachen darf man nicht, nach unten darf man nicht schauen, nach oben aber auch nicht. Der Kopf muss hierhin, die Ohren dorthin ... und dabei soll man auch noch ein freundliches Gesicht machen! Ich kam mir vor wie ein Pausenclown im Zirkus. Das Ergebnis sah dementsprechend aus ...

Nun, den Reisepass braucht man nicht täglich. Also sah ich über das Verbrecherfoto gnädig hinweg.

Ein paar Jahre später (und mit deutlich mehr Falten im Gesicht) stehe ich wieder vorm Fotostudio. Allerdings sagt man heute nicht mehr „Ich gehe zum Fotografen", sondern „Ich habe ein Foto-Shooting gebucht". Ob davon die Aufnahmen schöner werden, sei dahingestellt ...

Ich habe eine Menge Bilder, auf denen ich mir prima gefalle und die ich auch gerne herumzeige. Aber meine ,offizielle' Tätigkeit als Autorin erfordert nun einmal Profi-Fotos. Wer will schon ein Buch kaufen, auf dessen Cover ein verwackeltes Handyfoto der Autorin prangt? Und wenn jemand meine Homepage anklickt, soll er oder sie schließlich einen guten Eindruck von mir haben und nicht vor lauter Schreck von der Seite flüchten. Auch auf der Visitenkarte wirken amateurhafte Aufnahmen nicht professionell, sondern - eben amateurhaft.

Also entschloss ich mich, zwei Monate auf Restaurantbesuche zu verzichten (die tun meiner Silhouette ohnehin nicht gut) und das eingesparte Geld in vernünftige Fotos zu investieren. In der Hoffnung, damit meinen vor sich hin dümpelnden Bücherverkauf anzukurbeln und das Geld dadurch wieder hereinzuholen.

Der Fotograf, ein junger Mann mit Pferdeschwanz und ebensolchem Gebiss empfängt mich mit ausgesuchter Freundlichkeit. Er stellt sich als ,Mike' vor und duzt mich ohne Umschweife, obwohl ich altersmäßig seine Mutter sein könnte. Ich lasse es ihm durchgehen. Seitdem ich bei Twitter, Instagram & Co. verkehre, kann mich nichts mehr erschüttern.

Mike nimmt mir die Kleiderbügel ab, auf denen meine Outfits hängen, bevor sie ihm vor die Füße fallen. Ich konnte mich – typisch Frau - beim besten Willen nicht entscheiden: Wollte ich lieber seriös, glamourös oder lässig rüberkommen? Ich hatte gehofft, der Fotograf würde diesbezüglich als Berater fungieren. Pustekuchen - Mike hat von Mode so wenig Ahnung wie ich von der Raumfahrt.

Letzten Endes wird es das ,seriöse' Outfit: Schwarze Hose, schwarzer Rolli, roter Blazer. Passend zur Hintergrundfarbe meiner Website. Die will ich nämlich auf keinen Fall ändern!

Nachdem ich startklar bin, erkläre ich Mike, was ich mir an Aufnahmen vorstelle, und er geht ans Werk.

Vorsichtshalber beginnt er mit meinen Büchern. Eine weise Entscheidung! Die wehren sich wenigstens nicht, als Mike sie auf einen runden Holztisch stellt und die Leinwand mit der Kulisse eines Rosengartens von der Decke zieht. Geduldig lassen sie sich hin und her schieben, bis dem Fotokünstler die Perspektive passend erscheint. Nach wenigen Minuten sind die Aufnahmen im Kasten.

Mit mir hat er wesentlich mehr Probleme. Ich bin nun einmal kein Model und habe dementsprechend keine Ahnung, wie man sich vor der Kamera bewegt.

Mike dirigiert mich vor seine Leinwand. Welchen Hintergrund er benutzt, kann ich nicht sehen. Hinten habe ich schließlich keine Augen. Dann kommandiert er mich herum wie ein Unteroffizier seine Rekruten auf dem Kasernenhof.

„Edzerdla lach hald amol! Du glotzt, als häddn der di Henner es Brot g'stulln!", tadelt er mich im breiten Nürnberger Slang. „Naa, doch ned asu! Du reisst ja dei Goschn aaf wäi a Krokodill! Und schau gradaus, ned aaf deine Fäiß, sunnsd hosd a Dreifach-Kinn, ned blous a dopplts! – Halt, ward amol, dei Noosn glänzt!

Er geht zur Schrankwand, zieht eine der vielen Schubladen auf und kommt mit einer Puderquaste zurück, mit der er mir durchs Gesicht fährt. Der Puder kitzelt, und ich muss niesen. Bevor Mike weitermachen kann, ist erst eine Restaurierung der Fassade erforderlich. Gott sei Dank habe ich mein Schminkzeug dabei!

Endlich ist Mike mit dem Porträt zufrieden. Als nächstes kommt die Ganzkörperaufnahme an die Reihe.

„Stell die Baa neberanander – asu schaut des aus, als wenn dei rechter Fuß aweng krumm neig'schraubt wär. Drehdi amol mitm Rückn zu mir und schau über dei Schulter, nou schaust schlanker aus. – Naa, ned su weit. Du willst doch ned dein Oasch aafm Foto hom, odder?"

An dieser Stelle habe ich Mühe, ihm nicht in die Parade zu fahren. Sooo fett bin ich nun auch wieder nicht! Na gut, ich habe ein Bäuchlein und meine Brüstung neigt sich – der Erdanziehung sei Dank – schon ganz gehörig in Richtung meiner Knie. Aber mit Mitte Sechzig ist man halt nicht mehr so knackig. Das würde dieses Bürschchen schon auch noch erfahren!

„Asu konnsd stäihbleibm", weist Mike mich an. „Obber dei Jaggn mousd richtn. Däi schmeißt aaf der rechtn Seitn Faltn! – Edzerdla sei doch ned su verkampfd, ich fress di scho ned!"

Der hat gut reden! Ich schwitze inzwischen wie nach einem Halbmarathon und habe das Gefühl, die Schweißringe unter meinen Armen müssten demnächst mit dem Hosenbund kollidieren. Durst habe ich auch. Und dieser Mensch verlangt von mir, dass ich lächeln soll! Ich tue mein Möglichstes, aber ich komme mir vor wie ein Menschenfresser vor dem Kochtopf, in dem sein Mittagessen brodelt.

Gefühlte achtzig Aufnahmen später ist Mike endlich zufrieden und nimmt sich das letzte von mir gewünschte Foto vor – eine Aufnahme, auf der ich mit meinen gedruckten ,Kindern' zu sehen bin.

Das Kasperletheater geht von vorne los.

„Stell der vuur, du sollst an Fan a Widmung ins Buch neischreibm. Hoggst du dann dou, als wennsd an Ladestock im Greiz häddst? Naa, du beugst dich iebern Diesch und schreibst – odder ned? Und du schaust dou hie, wousd schreibst und ned aafm Buudn!"

Ich lasse den Kugelschreiber fallen, schmeiße mit meinem Ellbogen das Buch vom Tisch, strecke beim Schreiben die Zunge heraus wie eine Erstklässlerin bei einer Übung in Schönschrift. Ich kratze mich im entscheidenden Moment an der Nase (was kann ich dafür, wenn es mich gerade in diesem Augenblick juckt?) Ich lümmle am Tisch wie ein Bauarbeiter in der Kantine – kurz, es gibt kaum einen Lapsus, der mir nicht passiert.

Schließlich verkündet Mike, er sei nun fertig. Ich bin es auch. Beim Aufstehen kippe ich mitsamt dem wackligen dreibeinigen Hocker hintenüber. Mike muss mir wieder auf die Beine helfen. Was er in diesem Augenblick von mir denkt, will ich lieber nicht wissen ...

Im Nachhinein bewundere ich die Engelsgeduld, die er mit mir aufbrachte. Ich an seiner Stelle hätte vermutlich die Kamera in die Tonne getreten und mir einen ruhigen Bürojob gesucht!

Gemeinsam sichten wir die Ausbeute, nachdem ich mich wieder in meine Zivilklamotten geworfen habe. Zu meiner Überraschung sind die Aufnahmen wunderschön geworden. Es fällt mir schwer, eine Auswahl zu treffen – ich hätte sie am liebsten alle genommen. Aber so viele Bücher kann ich in meinem Leben nicht mehr verkaufen!

Erfreulicherweise ist die Rechnung nicht so hoch wie ich befürchtet hatte. Nachdem ich bezahlt habe, erfahre ich, dass es ungefähr eine halbe Stunde dauert, bis die CD mit der elektronischen Version fertig ist und die fünf Fotos ausdruckt sind, die ich in Papierform haben möchte. Genug Zeit, in der Cafébar nebenan einen doppelten Espresso zu trinken. Den habe ich mir jetzt redlich verdient!

Nach der vereinbarten Zeit gehe ich zurück ins Fotostudio und hole die Fotos und meine Klamotten ab, die ich dort geparkt hatte, damit ich nicht extra zum Auto rennen muss.

„lich mou dir a ganz großes Kompliment machn", sagt Mike, als er mir den Umschlag mit den Fotos überreicht. „Däi Säschn hodd richtich Spaß g'macht. Du kennersd eigndli amol bei su anner Agendur vuursprechn, däi wou Fotomodelle vermittln. Däi suung nämli a ältere Models, fier su Seniorenkataloge und su ..."

Na, der hat vielleicht Nerven!

* * *

Bettdecke gesucht ...

„Du, ich mou mir edz endli an nais Bettdegg kaafm", stellt Magda fest, während sie die Bettwäsche vom Fußboden aufklaubt, um sie in die Waschmaschine zu befördern. „Meins is scho su uralt! Des hodd beschdimmd scho fimbferzwanzg Joahr aafm Buggl!"

„Des is doch nu ned ald", protestiert Heiner sofort. „Und außerdem hommer nu zwaa im Schrank!"