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Es ist mir völlig klar, dass ein so anspruchsvolles Thema die räumlichen Vorgaben dieses Büchleins sprengen, deshalb bitte ich, die Arbeit als Abriss des Gesamtthemas zu betrachten und als Versuch, den ständig ansteigenden Drogenkonsum einmal von einer anderen Seite zu betrachten. Im wesentlichen untersuche ich zwei große Blöcke, den Suchtbegriff und den Moralbegriff. Danach gilt es die gewonnenen Erkenntnisse in einen neuen Zusammenhang zu setzen. In einem folgenden, umfangreicheren Werk werde ich dezidierter auf die Problematik eingehen. Mit diesem Abriss möchte ich ein kleines Taschenbuch für jedermann schaffen, der nicht allzu tief in die Materie eindringen will, aber eine gute Kurzinformation braucht, um mit jugendlichen diskutieren zu können und um die eigene Position zu überprüfen. Ein tiefer gehendes Werk wird demnächst folgen.
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Seitenzahl: 66
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1. Auflage 0001-1000
L.I.S.S. Verlag Hamburg 1996
2. überarbeitete Auflage 1001-10.000
IPT Verlag Hamburg 1997
als Ausdrucksform
eingeebneter moralischer Werte?
0.0
Vorwort
1.0 Einleitende Betrachtung und Abriss der Arbeit
2.0 Versuch grundlegender definitorischer Betrachtung
2.1 Definition des Suchtbegriffes in der Literatur
2.1.1 Etymologische Betrachtung
2.1.2 Verschiedene Definitionen von Sucht
2.1.3 Probleme der Gesellschaft bei der Suchtdefinition
2.2 Definition von Moral
2.2.1 Etymologische Betrachtung
2.2.2 Innere und äußere Moral
2.2.3 Der Versuch einer Definition
2.2.4 Gesellschaftliche Funktion
2.2.4.1 Gut und Böse
2.2.4.2 Moral als theoretisches Modell
2.2.4.3 Die Reproduktion der Moral
2.2.4.4 Praktizierte Moral und Heuchelei
3.0 Sucht und Moral
3.1 Abkehr vom Dogma des Suchtkranken
3.1.1 Was ist ein Kranker in Bezug auf Sucht.
3.1.2 Was ist ein Kranker in Bezug auf Moral.
3.2 Gesamt-Suchtmodell: Sucht als Verhaltensweise.
3.2.1 Stoffgebundene und stoffungebundene Sucht?
3.2.2 Warum kann die Gesellschaft nur dann Normabweichler aushalten, wenn sie als krank definiert werden.
3.2.3 Einige Gedanken zur niederschwelligen Drogenarbeit.
3.3 Der Zwang zur Normalität
3.3.1 Die Folgen weltweiter Moralnormisierung
3.3.2 Normen, Sanktionen und Chancen.
4.0 Drogen, Sucht und Rituale
5.0 Verlust der Familienrituale
6.0 Ein anderer Suchtansatz als Denkmodell
Es ist mir völlig klar, daß ein so anspruchsvolles Thema die räumlichen Vorgaben dieses Büchleins sprengen, deshalb bitte ich, die Arbeit als Abriss des Gesamtthemas zu betrachten und als Versuch, den ständig ansteigenden Drogenkonsum einmal von einer anderen Seite zu betrachten.
Im wesentlichen untersuche ich zwei große Blöcke, den Suchtbegriff und den Moralbegriff. Danach gilt es die gewonnenen Erkenntnisse in einen neuen Zusammenhang zu setzen.
In einem folgenden, umfangreicheren Werk werde ich dezidierter auf die Problematik eingehen. Mit diesem Abriss möchte ich ein kleines Taschenbuch für jedermann schaffen, der nicht allzu tief in die Materie eindringen will, aber eine gute Kurzinformation braucht, um mit jugendlichen diskutieren zu können und um die eigene Position zu überprüfen.
Der Rattenfänger von Hameln hat zwar die Bürger um ihre Kinder gebracht, aber die Schuld lag bei den Bürgern selbst; so wie das Heroin uns unsere Kinder nimmt, aber wir tragen die Schuld.
Wir leben im Zeitalter der Süchte, eine recht neue Erscheinung wenn wir Sebastian Scheerer 1) folgen, der zwischen der Abhängigkeit und der Sucht explizit differenziert, wobei er die Abhängigkeit als Verhaltens- und Umgangsform mit der, dem Menschen umgebenden Umwelt definiert, Sucht aber als neue Form menschlichen Sozialverhaltens erkennt und ihren Beginn in das 16. Jahrhundert 2) legt. Dabei ist Sucht eine Verhaltensweise, die erst durch die Behandlung der `Süchtigen´ durch die `Nichtsüchtigen´ zur Sucht avanciert. 3) Auf beide Autoren werde ich im weiteren Verlauf des Aufsatzes noch weiter eingehen. Noch einmal Abhängigkeit. Der Mensch ist in vielfältige Abhängigkeiten eingebunden. Grundlegend ist er abhängig von Atmung, Ausscheidung, Nahrung, Vermehrung und daraus resultierenden Organisationsformen die wir Kulturformen nennen. Seit der Mensch ein bewußtes Lebewesen ist, lebt er in selbst organisierten Gruppen. Das Zusammenleben ist durch Rituale, Moral und Gesetze geordnet, um in einer feindlichen Umwelt zu überleben. Ein grundlegendes Element ist dabei die Beziehung, in der Familien-, Horden-, Geschlechts-, Macht-, und/oder Religionsstrukturen. Der Mensch ist also auch abhängig von der Gesellschaft in irgendeiner Form. Solange es menschliche Kultur gibt, benutzt er Drogen für Rituale, als Arzneien oder um sich zu erfreuen. Genau dieser letzte Punkt, die Genussdrogen, die schwere Arbeit, ob körperlich oder geistig erst möglich bzw. erträglich machen, werden in unserer heutigen Gesellschaft zum Scheidepunkt zwischen Gut und Böse.
Die angenehme Abhängigkeit vom geliebten Partner hat aber keine andere Dimension als die angenehme Abhängigkeit vom belebenden Kaffee oder dem Genuss einer guten Musik. Abhängigkeit ist also Grundlage menschlicher Kultur.
Ich will in dieser Arbeit auf die andere Dimension der neuen gesellschaftlichen `Erfindung´ der Sucht eingehen und versuchen, diese Dimension kenntlich zu machen und zu umreißen.
1)Sebastian Scheerer, Special: Sucht, Rohwoldt Taschen buch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1995, S. 25
2)Ebenda S. 15
3)Vergleiche Sündenbocktheorie von Thomas S. Sjsasj in: Das Ritual der Drogen, Bücher des Wissens im Fischer Verlag 1980, s. 38
Eine sehr geläufige Suchttherapie ist die, der übersteigerten Verhaltensweise bzw. des unüberwindbaren Zwanges eine Substanz oder ein Verhalten immer wieder einzusetzen. Dank dieser Beschreibung von Sucht, beklagen sich immer mehr Wissenschaftler über eine Inflation der Süchte. 4) 5) Der Begriff Substanz wurde in Zweifel gerückt, da viele neue Süchte das Merkmal eines unüberwindbaren Zwanges zur Ausübung einer bestimmten Tätigkeit aufzeigen. Der auch hier schwammige Begriff von Sucht als zwanghaftes Verhalten, lässt sich auf jeden Menschen in einer bestimmten Lebensphase anwenden.
Ich bin der Ansicht, daß Menschen, die Ihren Liebeskummer bekämpfen, dies mit allen Arten des zwanghaften Verhaltens tun (übermäßig viel arbeiten, hungern, schlafen etc.), ohne das Liebeskummer als Droge, die eine Sucht hervorruft, gilt. Diese Suchttheorie bezeichnet jegliche
übermäßige (was nun wieder sehr relativ zu sehen ist) Handlungen als Sucht und definiert damit nichts anderes, als ein abweichendes Verhalten (welches die Gesellschaft nicht aushalten kann) von der herrschenden Gesellschaftsnorm für die jeweilige Tätigkeit. Weniger Behandlungsbedürftigkeit implizierende Suchtdefinitionen existieren ebenfalls. So wird von biochemischer Seite aus seit 1975 von der körpereigenen Sucht, der "hochgradig fixierenden Luststimmulierung"6 gesprochen. Sie beschreibt den Vorgang der Freisetzung von körpereigenen Endorphinen, etc. in Erschöpfungs-, Leistungs- oder Glücksmomenten.
Sucht bedeutet hier die Abhängigkeit von der körpereigenen Belohnung. Warum aber wird die Suche nach Belohnung als Sucht und damit als Krankheit bezeichnet? Ist es nicht ein menschliches Grundverlangen, Bestätigung, Glück, Freude, Stimulierung, oder Lust, etc. zu erfahren und zu empfinden? Oder ist der Mensch nur dann süchtig, wenn er zu viel bzw. übermäßig viel Glück empfinden will? Der biochemische Vorgang ist für mich nachvollziehbar, ebenso wie die Abhängigkeit von den damit erzeugten Gefühlen; es scheint mir jedoch unerklärlich, in welchem Kontext hier der Suchtbegriff verwendet wird.
Die Menschen haben schon immer Drogen genommen, die Ihre Stimmung, ihre Wahrnehmung und ihr Erleben, also ihr Bewusstsein veränderten. Sie haben psychoaktive Substanzen zuerst zufällig entdeckt, dann aber gezielt konsumiert. Rausch und Ekstase sind uralte, allgemein verbreitete und gut dokumentierte Phänomene. Deshalb sollte man annehmen, daß es Sucht auch immer schon gegeben hat. Doch das ist weit gefehlt. Die Menschheit hat bis in das Zeitalter der Aufklärung in einem Selbstwahrnehmungszustand gelebt, der Sucht nicht kannte, und erst in der Zeit der Industrialisierung wurde die Sucht erfunden. 7
Betrachten wir das Wort Sucht einmal etymologisch. Zunächst bezeichnet Sucht nichts anders als jede körperliche, nicht auf Unfällen und äußeren Verletzungen beruhende Krankheit. Er kommt aus dem gotischen sinfan (= krank sein) und war bis zum 16. Jahrhundert der allgemeine Begriff für Krankheit. Die Fall — Sucht war also nichts anderes als die Fall — Krankheit oder Epilepsie. Die Idee einer Drogensucht spielte im Denken jener Zeit keine Rolle. Als Sucht wurde also jede Krankheit bezeichnet, außer der Sucht im heutigen Sinne. Vom 16. Jahrhundert an wurde der Begriff Sucht durch Krankheit ersetzt, das Wort Sucht blieb für Laster aber einem übersteigerten Gang zu einer Besonderheit. Sucht war zu dieser Zeit eine negative Charaktereigenschaft, wobei diese eher belächelt denn bestraft wurden. Mit der Zeit wandelte sich dieser Begriff über Doppelbegriffe wie Sehnsucht, Ruhmsucht und Rachsucht zu starken moralischen Unwertbegriffen bis zu einer als krankhaft bzw. unmoralisch angesehene Verhaltenstendenz.
Meyers kleines Lexikon, BGB Leipzig 1968 schreibt unter dem Stichwort: "Sucht zu `siech´ Abhängigkeit eines Menschen von der Aufnahme eines S. mittels (z.B. Morphium, Kokain), die im ausgeprägten Stadium zu krankhaftem Verlangen gesteigert ist. Auch Nikotingenuss kann zur S. werden. f 8) und im Volksbrockhaus: " Sucht, die krankhafte, aber leidenschaftliche Gier 9).
Sehr viel ausführlicher zeigt sich schon das "Neue Taschen Lexikon": " Sucht, Süchtigkeit, Rauschgiftsucht,