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"Ich kann mein Gehirn nutzen und lasse mich nicht von ihm benutzen." Der bekannte Neurowissenschaftler Rudolph E. Tanzi und Deepak Chopra verbinden Wissenschaft und Persönlichkeitsentwicklung und erklären, wie die spektakulären Erkenntnisse der Neurowissenschaften u. a. bei Alzheimer, Depression, Angst und Übergewicht angewandt werden können. Sie entwerfen eine neue Vision des Gehirns und zeigen, wie Achtsamkeit und Meditation nachweisbare Veränderungen in den neuronalen Bahnen bewirken. Ihr gemeinsames Fazit: Nichts ist unmöglich. Die Reaktion in Amerika: "A mind-blowing book."
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Seitenzahl: 573
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© für die deutschsprachige Ausgabe und das eBook:
2013 nymphenburger in der
F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München.
© 2012 Deepak Chopra und Rudolph E. Tanzi
© für die deutschsprachige Ausgabe nymphenburger
in der F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München.
Die Originalausgabe erschien 2012 unter dem Titel »Super Brain« bei Harmony books, an imprint of the Crown Publishing Group, a division of Random House, Inc., New York.
Alle Rechte vorbehalten.
Schutzumschlag: atelier-sanna.com, München unter Verwendung eines Motivs von
© wetchawut, fotolia. com
Illustrationen: Tam Nguyen
Lektorat: Désirée Schoen
Satz und eBook-Produktion:
Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling
www.Buch-Werkstatt.de
ISBN 978-3-485-06055-4
INHALT
Teil 1: Die Entfaltung Ihrer größten Gabe
Ein goldenes Zeitalter für das Gehirn
Fünf Mythen, mit denen wir aufräumen sollten
Superhirn-Lösungen: Gedächtnisverlust
Superhirn-Helden
Superhirn-Lösungen: Depression
Teil 2: Wirklichkeit erschaffen
Ihr Gehirn, Ihre Welt
Superhirn-Lösungen: Übergewicht
Ihr Gehirn entwickelt sich weiter
Superhirn-Lösungen: Angststörungen
Das »emotionale« Gehirn
Superhirn-Lösungen: Persönliche Krisen
Vom Verstand zur Intuition
Superhirn-Lösungen: Zu Ihrer Stärke finden
Wo das Glück zu Hause ist
Superhirn-Lösungen: Selbstheilung
Teil 3: Geheimnis und Versprechen
Ein die Alterung aufhaltendes Gehirn
Superhirn-Lösungen: Ein möglichst langes Leben
Das erleuchtete Gehirn
Superhirn-Lösungen: Gott Wirklichkeit werden lassen
Die Wirklichkeitsillusion
Superhirn-Lösungen: Wohlbefinden
Rudys Nachwort: Ein hoffnungsvoller und zuversichtlicher Ausblick auf die Alzheimer-Krankheit
Deepaks Nachwort: Jenseits von Grenzen
Dank
Anmerkungen des Übersetzers
Über die Autoren
Das Gehirn, so hat Aristoteles gelehrt, sei nur vorhanden, um das Blut zu kühlen, am Denkprozess sei es hingegen nicht beteiligt. Dies trifft freilich nur auf bestimmte Menschen zu.
Will Cuppy
Teil 1 – DIE ENTFALTUNG IHRER GRÖSSTEN GABE
EIN GOLDENES ZEITALTER FÜR DAS GEHIRN
Was wissen wir wirklich über das menschliche Gehirn? Als die Autoren dieses Buches ihre Ausbildung erhielten, also in den Siebziger- und Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts, konnte die Antwort ehrlicherweise nur heißen: »Sehr wenig.« Zu jener Zeit machte ein Spruch die Runde, der es schön auf den Punkt brachte: Das Gehirn zu erforschen, sagte man damals, laufe in etwa darauf hinaus, ein Stethoskop an die Außenmauer einer Sporthalle– wie etwa der Kölnarena– zu halten, um die Regeln des Eishockeys in Erfahrung zu bringen.
Grob geschätzt umfasst Ihr Gehirn circa 100Milliarden Nervenzellen, die ihrerseits untereinander Verbindungen herstellen: die Synapsen, deren Anzahl sich in einer Größenordnung irgendwo zwischen einer Billion und einer Billiarde bewegt. Unablässig durchlaufen diese Verknüpfungen in Reaktion auf die uns umgebende Welt einen dynamischen Umgestaltungsprozess und werden umarrangiert. Die synaptischen Verknüpfungen im Gehirn, ein wahres Wunderwerk der Natur, sind zwar winzig klein, aber dennoch etwas wirklich Großartiges.
Das menschliche Gehirn, einst als »drei Pfund schweres Universum« bezeichnet, beeindruckt jeden von uns. Und das völlig zu Recht. Denn Ihr Gehirn begnügt sich keineswegs damit, die Welt zu deuten. Vielmehr erschafft es diese Welt. Was immer Sie sehen, hören, berühren, schmecken und riechen– ohne das Gehirn würden all die Dinge keine dieser Eigenschaften aufweisen. Jede Erfahrung, die Sie heute machen, Ihr Kaffee am Morgen, die Liebe, die Sie für Ihre Familie empfinden, oder ein glänzender Einfall am Arbeitsplatz, ist einzig und allein auf Sie zugeschnitten.
Damit stehen wir sogleich vor einer entscheidenden Frage: Wenn Ihre Welt einzigartig und nur auf Sie allein zugeschnitten ist, wer steckt dann hinter solch einer bemerkenswerten Kreativität, Sie oder Ihr Gehirn? Lautet die Antwort Sie, so hat sich damit die Pforte zu einem höheren Maß an Kreativität geöffnet. Heißt die Antwort hingegen Ihr Gehirn, könnte das mit einschneidenden physischen Einschränkungen in Hinblick auf die für Sie erreichbaren Möglichkeiten verbunden sein. Ihre genetische Ausstattung, belastende Erinnerungen oder ein geringes Selbstwertgefühl könnten dann ein Hindernis darstellen. Oder aber Sie bleiben hinter Ihren tatsächlichen Möglichkeiten zurück, weil sich aufgrund eingeschränkter Erwartungen Ihr Gewahrsein verengt hat, auch wenn Ihnen dieser Vorgang völlig verborgen bleibt.
Die Sachlage könnte in diesem Fall für das eine wie für das andere sprechen, für ein unbegrenztes Potenzial oder für physische Einschränkungen. Im Vergleich zu früher häuft die Wissenschaft heutzutage mit unglaublicher Geschwindigkeit neue Fakten an. Wir befinden uns in einem goldenen Zeitalter der Gehirnforschung. Praktisch jeden Monat erleben wir einen neuen Durchbruch. Wie aber steht es inmitten derart aufregender Fortschritte um jeden Einzelnen von uns, um diejenige Person, die konkret in all ihren Lebensbezügen auf das eigene Gehirn angewiesen ist? Ist es auch ein goldenes Zeitalter für Ihr Gehirn?
Zwischen den Ergebnissen brillanter Forschung und der Alltagsrealität tut sich da eine gewaltige Kluft auf, stellen wir fest. Und bei der Gelegenheit kommt einem gleich ein weiterer Spruch in den Sinn, der früher an den medizinischen Fakultäten zu hören war: Normalerweise, so hieß es damals, nutzt der Mensch nur zehn Prozent seines Gehirns. Tatsächlich trifft das jedoch nicht zu. Bei einem gesunden Erwachsenen arbeitet das neuronale Netzwerk des Gehirns stets mit voller Kapazität. Selbst unter Verwendung der technisch höchstentwickelten bildgebenden Verfahren, die uns heute für die Darstellung des Gehirns zur Verfügung stehen, würde sich zwischen Shakespeare, der gerade einen Hamlet-Monolog verfasst, und einem aufstrebenden Dichter, der sein erstes Sonett schreibt, kein merklicher Unterschied zeigen. Allerdings macht das physische Gehirn hier auch nicht einmal annähernd die halbe Geschichte aus.
Vielmehr müssen Sie, damit ein goldenes Zeitalter für Ihr Gehirn anbricht, die Gabe, mit der die Natur Sie gesegnet hat, auf eine neue Weise nutzen. Weder die Anzahl der Neuronen noch eine Art Magie in Ihren grauen Zellen gibt den Ausschlag dafür, dass Ihr Leben lebendiger, inspirierender und erfolgreicher verläuft. Die Gene tragen dazu zwar durchaus ihren Teil bei, aber genau wie der Rest des Gehirns sind Ihre Gene etwas Dynamisches. Jeden Tag begeben Sie sich hinein in diesen unsichtbaren Feuersturm aus elektrischer und chemischer Aktivität, der den Lebensraum des Gehirns bildet. Und Sie agieren als Wegweiser, Erfinder, Lehrer und Nutzer Ihres Gehirns– alles zur gleichen Zeit.
Als Wegweiser teilen Sie dem Gehirn mit, wohin die Reise heute gehen soll.
Als Erfinder lassen Sie im Gehirn neue Nervenbahnen und Verknüpfungen entstehen, die gestern noch nicht vorhanden waren.
Als Lehrer trainieren Sie Ihr Gehirn im Erlernen neuer Fertigkeiten.
Als Nutzer sind Sie dafür verantwortlich, Ihr Gehirn in einem guten Betriebszustand zu halten.
Diese vier Rollen machen den ganzen Unterschied aus. Durch sie unterscheidet sich das Alltagsgehirn, so wollen wir das Gehirn an seinem derzeitigen Ausgangspunkt nennen, von demjenigen Gehirn, das wir im Weiteren als Superhirn bezeichnen werden. Der Unterschied ist gewaltig. Auch wenn Ihre Beziehung zum Gehirn nie von der Art war, dass Sie Gedanken gehegt hätten wie: Welche Anweisungen soll ich ihm heute erteilen? Oder: Welche neuen Nervenbahnen will ich nun entstehen lassen? Faktisch gehen Sie jedoch genau auf diese Art und Weise vor.
Die maßgeschneiderte Welt, in der Sie leben, verlangt nach einem Schöpfer. Dieser Schöpfer aber sind Sie– und keineswegs das Gehirn!
Der Ausdruck »Superhirn« steht für einen Schöpfer, der dank eines vollständig entwickelten Gewahrseins sein Gehirn auf bestmögliche Weise nutzt. Ihr Gehirn verfügt über eine unermesslich große Anpassungsfähigkeit. Und Sie könnten Ihrer vierfachen Rolle– als Wegweiser, Erfinder, Lehrer und Nutzer– mit weitaus befriedigenderen Resultaten gerecht werden, als es gegenwärtig der Fall ist.
Der Wegweiser: Die Anweisungen, die Sie erteilen, sind nicht zu vergleichen mit der Eingabe von Befehlen in einen Computer, wie z.B. »löschen« oder »ans Ende der Seite gehen«. Bei den Eingaben in einen Computer handelt es sich um mechanische, in ein Datenverarbeitungsgerät fest eingebundene Befehle. Ihre Anweisungen an Ihr Gehirn werden dagegen von einem lebendigen Organismus entgegengenommen. Und der verändert sich mit jeder Instruktion, die er von Ihnen erhält. Wenn Sie denken: Heute will ich wieder Eier mit Speck essen, genau wie gestern, verändert sich Ihr Gehirn kein bisschen. Denken Sie hingegen: Was werde ich heute frühstücken? Ich will etwas Neues probieren, verschaffen Sie sich Zugang zu einem Reservoir schöpferischer Kräfte. Kreativität ist eine lebendige, beseelte, immer wieder neue Inspiration. Kein Computer kann da mithalten. Warum sollten Sie sich diese Kreativität nicht voll und ganz zunutze machen? Immerhin verfügt das Gehirn über die wunderbare Fähigkeit, umso mehr zu geben, je mehr Sie ihm abverlangen.
Lassen Sie uns, ausgehend von dieser Vorstellung, die Frage stellen, in welcher Beziehung Sie derzeit zu Ihrem Gehirn stehen und wie diese Beziehung aussehen könnte. Schauen Sie sich die nachfolgend aufgelisteten Punkte an. Womit identifizieren Sie sich?
ALLTAGSGEHIRN
Ich verlange nicht von mir, mich heute sehr viel anders zu verhalten, als ich es gestern getan habe.
Ich bin ein Gewohnheitsmensch.
Anregung durch neue Dinge biete ich meinem Geist nicht gerade häufig.
Altvertrautes ist mir am liebsten. So lebt es sich am angenehmsten.
Zu Hause, an meinem Arbeitsplatz und in meinen Beziehungen zu anderen Menschen gibt es enorm viel Wiederholung. Ehrlich gesagt finde ich das langweilig.
SUPERHIRN
Jeden Tag habe ich eine neue Welt vor Augen.
Ich achte darauf, nicht in schlechte Gewohnheiten zu verfallen, und macht sich eine solche doch einmal bemerkbar, kann ich ihr ziemlich leicht die Grundlage entziehen.
Improvisation liegt mir sehr.
Langeweile, die für mich gleichbedeutend ist mit Wiederholung, verabscheue ich.
In vielen Lebensbereichen fühle ich mich zu neuen Dingen hingezogen.
Der Erfinder: Unablässig durchläuft Ihr Gehirn einen Evolutionsprozess. Und der vollzieht sich– das ist ein spezifisches Merkmal des Gehirns (und eines seiner größten Mysterien)– auf der individuellen Ebene. Das Herz und die Leber werden zum Zeitpunkt Ihres Todes im Wesentlichen die gleichen Organe sein wie bei Ihrer Geburt. Nicht so das Gehirn. Ihm wohnt die Fähigkeit inne, sich ein Leben lang weiterzuentwickeln und sich zum Vorteil zu verändern. Indem Sie für Ihr Gehirn neue Aufgaben suchen, werden Sie zur Quelle neuer Fertigkeiten.
Einer bemerkenswerten, als »10 000-Stunden-Regel« bekannten Theorie zufolge können Sie auf wirklich jedem Betätigungsfeld zu einem Ass, zu einem wirklichen Könner werden– sofern Sie sich in der betreffenden Fertigkeit 10 000Stunden lang üben. Das gilt selbst für Bereiche wie die Malerei oder die Musik, von denen man einst annahm, sie blieben ausschließlich den Begabten vorbehalten. Falls Sie einmal Gelegenheit hatten, eine Aufführung des Cirque du Soleil mitzuerleben, ist Ihnen vielleicht der Gedanke gekommen, diese erstaunlichen Akrobaten seien bestimmt Zöglinge einer Zirkusfamilie oder sie entstammten ausländischen Artistentruppen. Tatsächlich jedoch werden diese Zirkusnummern von ganz normalen Menschen aufgeführt, die zu dem Zweck eine spezielle Schule in Montreal (Kanada) besuchen.
Auf einer bestimmten Ebene besteht Ihr Leben in einer Reihe von erlernten Fertigkeiten, angefangen beim Laufen, Sprechen und Lesen. Bloß begehen wir dann irgendwann den Fehler, dass wir diesen Fertigkeiten Beschränkungen auferlegen. Aber derselbe Gleichgewichtssinn, der es Ihnen einst ermöglichte zu lernen, sich zunächst mit wackeligen Schritten auf zwei Beinen fortzubewegen, anschließend zu gehen, zu rennen und Fahrrad zu fahren, kann Sie– vorausgesetzt, Sie üben sich darin 10 000Stunden (oder weniger)– ebenso dazu befähigen, ein zwischen zwei Wolkenkratzern gespanntes Drahtseil zu überqueren.[1] Sie verlangen sehr wenig von Ihrem Gehirn, wenn Sie aufhören, ihm abzuverlangen, dass es Tag für Tag neue Fertigkeiten vervollkommnet.
Womit identifizieren Sie sich?
ALLTAGSGEHIRN
Eigentlich kann ich nicht behaupten, dass ich mich momentan genauso stark weiterentwickle, wie ich es in jüngeren Jahren getan habe.
Wenn ich eine neue Fertigkeit erlerne, fordere ich mir dabei keineswegs alles in meinen Kräften Stehende ab.
Ich stehe Veränderungen ablehnend gegenüber. Mitunter empfinde ich sie als Bedrohung.
Wenn ich es schon weit gebracht habe in einer Sache, bin ich nicht mehr bestrebt, über diesen Punkt noch weiter hinauszugelangen.
Ich verbringe eine Menge Zeit mit passiven Beschäftigungen wie dem Fernsehen.
SUPERHIRN
Mein Leben lang werde ich mich weiterentwickeln.
Wenn ich eine neue Fertigkeit erlerne, gehe ich dabei bis an die Grenzen meiner Möglichkeiten.
Auf Veränderungen stelle ich mich zügig ein.
Gelingt mir die eine oder andere Sache im ersten Anlauf nicht gut, finde ich das nicht so schlimm. Ich liebe die Herausforderung.
Wenn ich aktiv bin, blühe ich auf und brauche keine langen Auszeiten.
Der Lehrer: Nicht Fakten stehen am Ausgangspunkt des Wissens, sondern Neugierde. Ein einziger inspirierter Lehrer kann einen Schüler, indem er eine grundlegende Neugierde in ihm weckt, für den Rest seines Lebens verändern. Und Ihrem Gehirn gegenüber befinden Sie sich in derselben Situation, wenn auch mit einem großen Unterschied: Sie sind gleichzeitig Schüler und Lehrer. Solch eine Neugierde zu wecken fällt in Ihre Verantwortung. Und wenn sie sich regt, sind Sie zugleich derjenige, der sich inspiriert fühlen wird. Kein einziges Gehirn ist jemals inspiriert gewesen. Aber wenn Sie es sind, lösen Sie ein wahres Feuerwerk von Reaktionen aus, durch die, mit den Darstellungsmöglichkeiten der Magnetresonanztomografie ins Bild gesetzt, die entsprechenden Hirnareale aufleuchten, wohingegen das uninteressierte Gehirn im Grunde schläft. (Auch das könnte sich ändern; es gibt Anzeichen dafür, dass wir den Symptomen von Senilität und Gehirnalterung vorbeugen können, indem wir unser ganzes Leben lang sozial engagiert und intellektuell neugierig bleiben.) Wie für einen guten Lehrer kommt es für Sie darauf an, dass Sie Fehler bemerken, die Weiterentwicklung von Stärken fördern, achtgeben, wann der Schüler bereit ist, sich neuen Herausforderungen zu stellen, und so weiter. Und wie ein guter Schüler sollten Sie offen sein für all die Dinge, die Sie noch nicht kennen, indem Sie aufgeschlossen und unvoreingenommen auf sie zugehen.
Womit identifizieren Sie sich?
ALLTAGSGEHIRN
Ich habe eine ziemlich fest umrissene Lebenseinstellung.
Meine Standpunkte und Überzeugungen vertrete ich mit großer Entschiedenheit.
Für alles auf der Welt gibt es Experten, auf deren Sachverstand ich mich stützen kann.
Bildungs- und Kultursendungen im Fernsehen sehe ich mir so gut wie nie an, ebenso wenig gehe ich zu öffentlichen Vorträgen.
Lange habe ich mich ziemlich uninspiriert gefühlt.
SUPERHIRN
Ich mag es, mich neu zu erfinden.
Erst letztens habe ich eine lange vertretene Position aufgegeben und eine lang gehegte Überzeugung abgelegt.
Mindestens in einem Bereich kenne ich mich ganz vorzüglich aus.
Fernsehproduktionen, die meinen Bildungshorizont erweitern, oder entsprechende öffentliche Veranstaltungen an der nächstgelegenen Hochschule zählen zu meinen großen Vorlieben.
Mein Leben inspiriert mich jeden Tag aufs Neue.
Der Nutzer: Eine Gebrauchsanweisung fürs Gehirn steht uns nicht zur Verfügung. Gleichwohl will es versorgt, instand gehalten und richtig gehandhabt werden. Einige Dinge, mit denen es versorgt werden muss, sind physischer Natur: Der Trend zu sogenanntem »Brain Food« hat zu einer großen Nachfrage nach bestimmten Vitaminen und Enzymen geführt. Eine angemessene Versorgung des Gehirns betrifft jedoch keineswegs nur die physische, sondern zugleich die geistige Ebene. Alkohol und Tabak beispielsweise haben eine toxische Wirkung. Ihr Gehirn diesen Substanzen auszusetzen heißt, es zu missbrauchen. Wut und Angst, Stress und Depression bedeuten ebenfalls eine Art Missbrauch. Während wir noch an diesem Buch schreiben, zeigt eine neu veröffentlichte Studie, dass unter der Einwirkung von tagtäglich auftretendem Stress die präfrontale Hirnrinde (der präfrontale Kortex) abgeschaltet wird, derjenige Teil des Gehirns also, der für die Entscheidungen, die wir zu treffen haben, für die Korrektur von Fehlern und für die Einschätzung von Situationen zuständig ist. Darum verlieren Menschen im Verkehrschaos leicht die Nerven. Hierbei handelt es sich um alltäglichen Stress; doch die Wut, Frustration und Hilflosigkeit, die manche Fahrer verspüren, zeigen deutlich, dass der präfrontale Kortex jene Urimpulse, die er eigentlich außer Kraft setzen sollte, nicht länger unter Kontrolle hat.
Ein ums andere Mal, so stellen wir fest, kommen wir also auf dasselbe Thema zurück: Bedienen Sie sich Ihres Gehirns. Lassen Sie nicht zu, dass das Gehirn sich Ihrer bedient, sich verselbstständigt. Aufbrausendes Verhalten im Straßenverkehr ist ein Beispiel dafür, wie das Gehirn sich Ihrer bedient. Gleiches gilt für belastende, für toxisch wirkende Erinnerungen, für die von alten Traumata zurückgebliebenen Wunden, für schlechte Gewohnheiten, denen Sie kein Ende zu bereiten vermögen, und– ganz besonders tragisch– für außer Kontrolle geratene Abhängigkeiten. Ein enorm wichtiger Bereich, in dem es darauf ankommt, uns in Gewahrsein zu üben.
Womit identifizieren Sie sich?
ALLTAGSGEHIRN
In mindestens einem Bereich meines Lebens hatte ich in jüngerer Zeit das Gefühl, die Fäden nicht mehr in der Hand zu halten.
Meine Stressbelastung ist zu hoch, aber ich finde mich damit ab.
Entweder zerbreche ich mir den Kopf über Depression oder ich bin deprimiert.
Mein Leben kann eine Richtung nehmen, die mir nicht passt.
Meine Gedanken können zwanghaft, sie können furcht- oder besorgniserregend sein.
SUPERHIRN
Mir geht es gut, denn ich habe das Gefühl, selbst die Fäden in der Hand zu halten.
Stressbelastete Situationen vermeide ich aktiv, indem ich ihnen aus dem Weg gehe und sie loslasse.
Meine Stimmung ist durchgängig gut.
Zwar kommt es vor, dass sich unerwartete Dinge ereignen. Trotzdem geht mein Leben in die von mir gewünschte Richtung.
Wie mein Geist denkt, gefällt mir.
Obwohl Ihrem Gehirn keine Gebrauchsanweisung beiliegt, können Sie es so nutzen, dass es einem Weg des Wachstums, der Verwirklichung, persönlicher Zufriedenheit und neuer Fertigkeiten folgt. Und ohne es zu ahnen, können Sie, was den Gebrauch Ihres Gehirns anbelangt, einen Quantensprung vollziehen. Unser Ziel ist letzten Endes das erleuchtete Gehirn– ein Zustand jenseits der vier Rollen, die Sie spielen. In dieser selten anzutreffenden Beziehungsform fungieren Sie als Beobachter, als der stumme Zeuge all dessen, was das Gehirn tut. Das kennzeichnet Transzendenz. Vermögen Sie als stummer Zeuge präsent zu sein, werden Sie nicht in die Aktivitäten des Gehirns verstrickt. Indem Sie in vollkommenem Frieden und stillem Gewahrsein verweilen, finden Sie zur Wahrheit in Bezug auf die ewigen Fragen nach Gott, der Seele und dem Leben nach dem Tod. Und warum sehen wir diesen Aspekt des Lebens überhaupt als real an? Weil sich das Gehirn dem Geist bereitwillig anschließt, wenn dieser transzendieren will.
Eine neue Beziehung zum Gehirn
Als Albert Einstein 1955 im Alter von 76Jahren verstarb, herrschte große Neugierde: Man wollte unbedingt wissen, was es mit dem berühmtesten Gehirn des 20.Jahrhunderts auf sich hatte. Ausgehend von der Annahme, solch eine Genialität müsse sich auf etwas Physisches zurückführen lassen können, wurde an Einsteins Gehirn eine Autopsie vorgenommen. Ungeachtet der allenthalben gehegten Erwartungen, große Gedanken müssten auf einem großen Gehirn basieren, lag das Gewicht von Einsteins Gehirn in Wirklichkeit jedoch um zehn Prozent unterhalb des Durchschnittswerts.
Damals stand man gerade an der Schwelle zur Erforschung der Gene. Und es sollten noch Jahrzehnte ins Land gehen, bis weiter reichende Theorien entwickelt waren, die das Zustandekommen neuer synaptischer Verknüpfungen erklären können. In beiden Bereichen bescherten uns die entsprechenden Forschungsergebnisse dann aber dramatische Erkenntnisfortschritte. Den Genen kann man bei der Arbeit nicht zuschauen. Wie Neuronen neue Axone– das Axon ist ein langer Ausläufer der Nervenzelle– und die sich fein verästelnden Dendriten hervorbringen, damit die eine Gehirnzelle zu einer anderen Gehirnzelle in Verbindung treten kann, lässt sich hingegen sehr wohl beobachten. Bis in die letzten Lebensjahre, das wissen wir inzwischen, ist das Gehirn imstande, neue Axone und Dendriten zu bilden– ein Umstand, der uns alle Veranlassung zu der Hoffnung gibt, dass wir über kurz oder lang beispielsweise der Senilität vorbeugen und unsere volle geistige Kapazität unbegrenzt lange aufrechterhalten können. (So erstaunlich groß ist die Fähigkeit des Gehirns, neue Verbindungen zu knüpfen, dass ein Fötus in den letzten Wochen vor der Geburt pro Minute rund 250 000neue Gehirnzellen bildet, wodurch im Minutentakt Millionen neuer synaptischer Verknüpfungen zustande kommen.)
Derartige Phänomene besonders hervorzuheben bedeutet aber im Grunde, ebenso naiv zu sein wie ein Zeitungsreporter, der erpicht darauf ist, aller Welt zu berichten, Einstein habe ein monströs großes Gehirn gehabt– nach wie vor liegt hier der Akzent auf dem Physischen. Zu wenig Gewicht wird hingegen der Frage beigemessen, wie jemand mit seinem Gehirn umgeht. Wer nicht eine neue Beziehung zu seinem Gehirn entwickelt, darf unserer Auffassung nach von diesem nicht verlangen, dass es neue und unerwartete Dinge leistet.
Denken Sie zum Beispiel an ein entmutigtes Schulkind. Solch einen Schüler, der gewöhnlich hinten in der letzten Reihe sitzt, hat vermutlich jeder von uns in der Klasse gehabt. Das Verhalten des betreffenden Kindes folgt einem traurigen Muster. Erst versucht es, mit den anderen Kindern mitzuhalten. Laufen diese Bemühungen, aus welchen Gründen auch immer, ins Leere, dann verliert das Kind den Mut. Nun strengt es sich nicht länger mit der gleichen Intensität an wie diejenigen Kinder, deren Anstrengungen von Erfolg gekrönt sind, durch aufbauende und ermutigende Erfahrungen beflügelt werden. Im nächsten Schritt beginnt solch ein Kind, sich abzureagieren und den Unterricht zu stören, indem es laut ist oder den Clown spielt, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Jedes Kind benötigt Aufmerksamkeit, selbst wenn sie negativer Natur ist. Derartige Störmanöver im Unterricht können von ausgesprochen aggressiver Art sein. Nichts aber, so begreift das Kind schließlich, verändert sich hier zu seinem Vorteil. Wenn es sich abreagiert, erfährt es bloß Missbilligung und Bestrafung. Diese Einsicht markiert den Beginn der letzten Phase, die durch mürrisches Schweigen gekennzeichnet ist. Das Kind unternimmt keine weiteren Bemühungen mehr, mit den anderen Kindern in der Klasse mitzuhalten. Mitschüler/innen stempeln es nun als »langsam« oder »dumm« ab. Für solch ein Kind ist die Schule zu einer bedrückenden, ja erdrückenden Erfahrung geworden, anstatt ein Ort zu sein, an dem es sich bereichert fühlt.
Es ist unschwer zu erkennen, welche Auswirkungen ein derartiger Verhaltenszyklus auf das Gehirn hat. Wie wir heute wissen, wird ein Baby mit einem zu 90Prozent ausgestalteten Gehirn und einem gewaltigen– in die Millionen gehenden– Überschuss an neuronalen Verknüpfungen geboren. Daher ist der heranwachsende Mensch in den ersten Lebensjahren in hohem Maß damit beschäftigt, die nicht benötigten Verknüpfungen gleichsam auszusortieren. Im Unterschied dazu werden die zu neuen Fertigkeiten führenden Verknüpfungen weiterentwickelt. Diesen Entwicklungsprozess, davon können wir ausgehen, bricht ein entmutigtes Kind ab. Viele nützliche Fertigkeiten werden infolgedessen nicht länger kultiviert und liegen brach. Die betreffenden Teile des Gehirns verkümmern, weil kein Gebrauch von ihnen gemacht wird. Entmutigung ist ein umfassendes Phänomen mit Auswirkungen auf das Gehirn, die Psyche, die Emotionen, das Verhalten und die Chancenverteilung im späteren Leben.
Jedes Gehirn bleibt, um gut funktionieren zu können, auf Anregung angewiesen. Zweifellos spielt Anregung jedoch nicht die Hauptrolle. Wichtiger ist, wie das Kind sich fühlt. Hierbei handelt es sich um ein geistiges und ein psychisches Phänomen. Ein entmutigtes Kind hat einen anderen Zugang zu seinem Gehirn als ein Kind, dem Aufmunterung und Zuspruch zuteil werden. Und unweigerlich wird das Gehirn eines ermutigten Kindes auch anders reagieren als dasjenige eines entmutigten Kindes.
Grundvoraussetzung für ein Superhirn ist die Überzeugung oder das Credo, dass wir Geist und Gehirn auf eine neue Art und Weise miteinander verbinden können. Nicht die physische Seite macht hier den entscheidenden Unterschied aus, sondern die Entschlossenheit, die Intention, die Geduld, die Hoffnung und der Eifer eines Menschen. Bei alldem kommt es, was auch immer anschließend geschehen mag, darauf an, in welcher Beziehung der Geist zum Gehirn steht. Diese Beziehung können wir in zehn Prinzipien zusammenfassen.
DAS SUPERHIRN-CREDO
Die Beziehung zwischen Geist und Gehirn
Zu diesem Prozess gehören immer Rückkopplungsschleifen.Solche Rückkopplungsschleifen sind intelligent und anpassungsfähig.Aufgrund seiner Dynamik schwankt der Zustand des Gehirns zwar zwischen Ausgeglichenheit und Unausgeglichenheit. Stets bevorzugt es jedoch einen allgemeinen Gleichgewichtszustand, den man Homöostase nennt.Wir nutzen das Gehirn, um uns, geleitet von unserer Intention, zu entfalten und weiterzuentwickeln.Mittels Selbstbetrachtung können wir in unbekannte Territorien vordringen.Viele verschiedene Hirnareale werden gleichzeitig miteinander koordiniert.Wir verfügen über die Fähigkeit, zur gleichen Zeit viele verschiedene Bewusstseinsebenen im Blick zu behalten, obgleich unser Augenmerk meist gänzlich auf eine Ebene gerichtet bleibt (den Wach-, den Schlaf- oder den Traumzustand).Sämtliche Eigenschaften der uns bekannten Welt, zum Beispiel ihre sichtbare, hörbare, fühlbare und mit dem Geschmackssinn wahrnehmbare Beschaffenheit, ergeben sich auf rätselhafte Weise aus dem Zusammenwirken von Geist und Gehirn.Der Geist, nicht das Gehirn, ist Ursprung des Bewusstseins.Bewusstsein zu verstehen bleibt allein dem Bewusstsein vorbehalten. Mechanische, sich auf Fakten, die das Gehirn betreffen, stützende Erklärungsansätze können da niemals ausreichen.Das sind große Gedanken, die in vielerlei Hinsicht der Erklärung bedürfen. Aber wir hatten den Wunsch, Sie vorneweg einen Blick darauf werfen zu lassen.
Würden Sie lediglich dieses eine unter Punkt eins zu lesende lange Wort herausgreifen– Rückkopplungsschleifen–, könnten Sie damit die Teilnehmer/innen eines Kurses an der medizinischen Hochschule durchaus ein Jahr lang in Ihren Bann ziehen. Der Körper ist eine riesige Rückkopplungsschleife, die ihrerseits aus Billionen kleiner Rückkopplungsschleifen besteht. Jede Zelle Ihres Körpers spricht zu allen anderen Zellen und hört, welche Antworten sie von ihnen erhält. Das ist, auf einen einfachen Nenner gebracht, mit dem aus der Elektronik entlehnten Begriff »Rückkopplung« gemeint. Der Thermostat in Ihrem Wohnzimmer erfasst über einen Sensor die Raumtemperatur und schaltet die Heizung ein, sobald es im Zimmer zu kalt wird. Die nunmehr steigende Temperatur ermittelt der Thermostat ebenfalls, um nach Erreichen der Solltemperatur die Heizung wieder auszuschalten.
Auf ähnliche Weise wird auch im Körper die Temperatur durch »Schalter« reguliert. Diese sind dafür zuständig, die Wärmeproduktion zu erhöhen oder sie zu drosseln. Insoweit ist das noch nichts sonderlich Faszinierendes. Allerdings schickt das Gehirn in dem Moment, in dem Ihnen ein Gedanke durch den Kopf geht, eine entsprechende Botschaft ans Herz. Und falls diese Botschaft von Begeisterung, von Angst, von sexueller Erregung oder von vergleichbaren Zuständen kündet, kann sie bewirken, dass das Herz schneller zu schlagen beginnt. Dann wird das Gehirn eine gegenläufige Botschaft senden und das Herz auffordern, wieder langsamer zu schlagen. Wenn die Rückkopplungsschleife aber ihre Aufgabe nicht mehr erfüllt, wird unter Umständen das Herz weiterrasen wie ein Auto ohne funktionierende Bremsen. Bei Patienten, die Steroide einnehmen (z.B. in Form von Kortison), ersetzen diese die körpereigenen, vom endokrinen System produzierten Steroide. Je länger man künstliche Steroide einnimmt, desto mehr lässt die natürliche Steroidproduktion des Körpers nach und die Nebennieren schrumpfen.
Die Nebennieren sind aber dafür zuständig, diejenige Botschaft zu versenden, die bewirkt, dass ein rasendes Herz wieder langsamer schlägt. Hört ein Patient von einem Tag auf den anderen auf, Steroide zu nehmen, anstatt die Dosierung ganz allmählich zu verringern, wird der Körper sich wahrscheinlich in einer dem Auto ohne Bremsen vergleichbaren Situation vorfinden. Denn in diesem Fall bleibt der Nebenniere nicht die Zeit, die sie für ein neuerliches Wachstum– und damit die ausreichende Produktion körpereigener Steroide– benötigt. In solch einem Fall könnte jemand, der sich von hinten an Sie heranschleicht und aus heiterem Himmel laut »Buh!« ruft, Ihr Herz dazu bringen, dass es wie verrückt losrast. Und die Folge? Ein Herzanfall. Angesichts derartiger Möglichkeiten geht von Rückkopplungsschleifen auf einmal doch große Faszination aus.
Nutzt man die Rückkopplung des Gehirns auf eine spezielle Art und Weise, kann sie eine geradezu hypnotische Wirkung entfalten. Ein gewöhnlicher Mensch, den man an ein Biofeedback-System anschließt, kann schnell lernen, Körperprozesse zu steuern, die normalerweise automatisch ablaufen. Zum Beispiel lässt sich auf diese Weise der Blutdruck verringern oder die Herzfrequenz verändern. Darüber hinaus ist es möglich, den ansonsten mit Meditation und künstlerischer Kreativität assoziierten Alphawellen-Zustand herbeizuführen.
Damit soll aber nicht gesagt sein, dass Sie, um so etwas zu erreichen, auf ein Biofeedback-Gerät zurückgreifen müssen. Probieren Sie es einmal mit folgender Übung: Schauen Sie sich Ihre Handfläche an. Intensivieren Sie, während Sie unverwandt dorthin blicken, Ihr Empfinden im Bereich der Handfläche. Stellen Sie sich vor, sie werde wärmer. Schauen Sie weiter hin. Richten Sie nun Ihre ganze Aufmerksamkeit auf die wärmer werdende Handfläche. Sie können sehen, wie sie sich rötet. Wenn Sie Ihre gesammelte Aufmerksamkeit weiter auf diesen Bereich richten, wird die Hand dort tatsächlich warm werden und sich röten. Im tibetischen Buddhismus nutzen Mönche diese einfache Rückkopplungsschleife (eine fortgeschrittenen Praktizierenden vorbehaltene Meditationstechnik namens Tumo), um den ganzen Körper zu wärmen.
Diese Technik ist so wirkungsvoll, dass Mönche oder Yogis, lediglich bekleidet mit einem Gewand aus dünnem Stoff, mit ihrer Hilfe bei Minustemperaturen über Nacht in einer Felsenhöhle sitzen und meditieren können. Nun hat sich die einfache Rückkopplungsschleife als ein total faszinierendes Phänomen entpuppt: Wenn wir nämlich einen Zustand herbeiführen können, indem wir lediglich die dazugehörige Intention entwickeln, sind solch einem Unterfangen möglicherweise keinerlei Grenzen gesetzt. Die buddhistischen Mönche erreichen auf diesem Weg unter anderem auch Zustände von Mitgefühl, die auf physischen Veränderungen im präfrontalen Kortex beruhen. Das Gehirn hat diese Veränderungen nicht von sich aus, sondern auf Geheiß des Geistes vorgenommen. Hier überschreiten wir also eine Grenze. Hält eine Rückkopplungsschleife den normalen Herzrhythmus aufrecht, geschieht das unwillkürlich: Das Gehirn bedient sich Ihrer. Verändern Sie hingegen absichtlich die Herzfrequenz (indem Sie sich beispielsweise einen Menschen vorstellen, der romantische Gefühle in Ihnen wachruft), bedienen Sie sich stattdessen Ihres Gehirns.
Lassen Sie uns diese Vorstellung auf eine Situation übertragen, in der das Leben trostlos oder beglückend sein kann. Denken Sie an einen Schlaganfallpatienten. Was das Überleben von Patienten nach einem schweren Schlaganfall betrifft, hat die Medizin immense Fortschritte gemacht, die großenteils einer besseren medikamentösen Versorgung und der Einrichtung von Stroke Units zur schnellen Rundumversorgung eines akuten Schlaganfalls zugeschrieben werden können. Denn idealerweise sollte ein Schlaganfallso rasch wie möglich behandelt werden. Dadurch werden heutzutage im Vergleich zu früher unzählige Leben gerettet.
Doch Überleben ist nicht gleichbedeutend mit Gesundung. Und wenn es darum geht, die aufgrund eines Infarkts unter einer Lähmung– der häufigsten Folgeerscheinung eines Schlaganfalls– leidenden Patienten von dieser wieder zu befreien, erzielt kein Medikament vergleichbar große Erfolge.
Ähnlich wie bei den entmutigten Kindern scheint bei Schlaganfallpatienten alles von der Rückkopplung abzuhängen. Früher haben diese Patienten vor allem im Rollstuhl gesessen, erhielten ihre medizinische Versorgung und haben sich ansonsten, für sie gleichbedeutend mit dem Wegdes geringsten Widerstands, behelfsmäßig mit den Funktionen derjenigen Seite des Körpers beholfen, die durch den Schlaganfall unbeschadet geblieben war. Im Unterschied dazu schlägt man in der Rehabilitation heutzutage aktiv den Weg des größten Widerstands ein. Ist beispielsweise die linke Hand einer Patientin gelähmt, wird der Therapeut sie veranlassen, ausschließlich mit dieser Hand eine Tasse Kaffee zum Mund zu führen oder sich ihr Haar zu kämmen.
Solche Herausforderungen zu bewältigen ist auf der physischen Ebene anfangs ein Ding der Unmöglichkeit. Eine gelähmte Hand auch nur ein winzig kleines Stück weit zu heben verursacht Schmerz und Frustration. Entwickelt der Patient aber ein ums andere Mal die Absicht, von der kranken Hand Gebrauch zu machen, entstehen neue Rückkopplungsschleifen. Das Gehirn passt sich an. Nach und nach ist eine neue Funktion vorhanden.
Heutzutage erleben wir bemerkenswerte Genesungsgeschichten. Dank intensiver Rehabilitation können Patienten wieder gehen, sprechen und ihre Gliedmaßen normal gebrauchen. Noch vor 20Jahren wären diese Funktionen verkümmert oder hätten nur geringe Verbesserungen gezeigt.
Und wir haben bislang nichts weiter getan, als den Bedeutungsgehalt zweier Worte zu ergründen.
Das Superhirn-Credo schlägt die Brücke zwischen zwei Welten: der Welt der Biologie und unserer subjektiven Erfahrungswelt. Physische Abläufe kann die Biologie hervorragend erklären. Als völlig ungeeignet erweist sie sich hingegen, sobald es darum geht, die Bedeutung oder Sinnhaftigkeit unserer subjektiven Erfahrung zu erklären. Wie fühlt man sich als entmutigtes Kind? Was ist es für ein Gefühl, nach einem Schlaganfall gelähmt zu sein? Solch eine Frage steht am Ausgangspunkt der ganzen Geschichte. Die Biologie folgt erst an zweiter Stelle. Um uns selbst verstehen zu können, sind wir auf beide Welten angewiesen. Andernfalls unterliegen wir jenem biologischen Trugschluss, der besagt, der Mensch werde durch das Gehirn gesteuert.
Wenn wir all die Debatten zwischen den diversen Theorien über Geist und Gehirn beiseitelassen, ist jedenfalls klar, worin unser Ziel besteht: Wir wollen von unserem Gehirn Gebrauch machen und wollen nicht, dass das Gehirn von uns Gebrauch macht.
Auf die oben angeführten zehn Prinzipien werden wir an anderen Stellen im Buch noch eingehend zu sprechen kommen. Wichtige Durchbrüche in der Neurowissenschaft weisen jedenfalls alle in dieselbe Richtung: Das menschliche Gehirn vermag weit mehr, als man je für möglich gehalten hätte. Bei seinen Beschränkungen handelt es sich, anders als überholte Vorstellungen uns glauben machen wollen, um selbst auferlegte Beschränkungen und keineswegs um Auswirkungen seiner physischen Unzulänglichkeiten.
Die Beschaffenheit des Gedächtnisses beispielsweise stellte zu der Zeit, als wir beide unsere medizinische und naturwissenschaftliche Ausbildung erhalten haben, noch ein komplettes Rätsel dar. Damals kursierte ein weiterer Spruch: »Über das Gedächtnis wissen wir in etwa so viel, als wäre das Gehirn mit Sägemehl gefüllt.« Glücklicherweise war bereits absehbar, dass in naher Zukunft eine Darstellung des Gehirns mit bildgebenden Verfahren möglich sein würde. Und heutzutage können Forscher sich in Echtzeit ansehen, welche Hirnareale aktiv sind und neuronale Impulse aussenden, während die untersuchte Person sich an etwas Bestimmtes erinnert.
Auf die Kölnarena übertragen, um dieses Bild aufzugreifen, hieße das, sie verfüge heute über ein gläsernes Dach.
Erinnerung bleibt jedoch flüchtig. In den Gehirnzellen hinterlässt sie keine physischen Spuren. Und niemand weiß wirklich, wie unsere Erinnerungen gespeichert werden. Das ist indes kein Grund, dem Erinnerungsvermögen unseres Gehirns irgendwelche Begrenzungen aufzuerlegen. Ein junges indisches Mathematik-Wunderkind wurde bei einer Demonstration seiner Fähigkeiten aufgefordert, im Kopf zwei 32-stellige Zahlen miteinander zu multiplizieren. Sekunden später, kaum waren dem Mädchen die beiden Zahlen mitgeteilt worden, nannte es, ohne ein Blatt Papier zu benötigen, die 64- oder 65-stellige Lösungszahl.
Durchschnittlich können die meisten Menschen gerade mal sechs oder sieben Stellen auf einen Blick erfassen und sich merken. Wer also sollte uns die Norm für das Erinnerungsvermögen vorgeben, der Durchschnittsmensch oder die Ausnahmeerscheinung? Anstatt zu erklären, das mathematische Wunderkind verfüge über bessere Gene oder sei besonders begabt, sollten Sie sich etwas anderes fragen: Haben Sie Ihr Gehirn dahingehend trainiert, ein Super-Gedächtnis zu entwickeln? Für die Vervollkommnung dieser Fertigkeit gibt es Kurse und Trainingsprogramme. Gewöhnliche Menschen, die sich in der Weise geschult haben, sind anschließend– aufbauend auf denjenigen Genen und Begabungen, mit denen sie geboren wurden– beispielsweise in der Lage, den kompletten Text der Bibel auswendig aufzusagen, oder können mit ähnlichen Bravourstücken aufwarten. Alles hängt davon ab, wie Sie mit Ihrem Gehirn umgehen. Indem Sie ihm mit höheren Erwartungen begegnen, kann für Sie eine Phase erhöhter Leistungsfähigkeit anbrechen.
Nur was das menschliche Gehirn nach eigener Einschätzung zu leisten vermag, kann es tatsächlich leisten. Das gehört zu seinen spezifischen Eigenheiten. In dem Moment, in dem Sie sagen: »Mein Gedächtnis ist auch nicht mehr, was es mal war«, oder: »Heute kann ich mich aber wirklich an überhaupt nichts erinnern«, bringen Sie Ihrem Gedächtnis faktisch bei, Ihren verminderten Erwartungen zu entsprechen. Niedrige Erwartungen bedeuten geringe Resultate. Die oberste Superhirn-Regel lautet: Ihr Gehirn lauscht jedem Ihrer Gedanken. Und indem es Ihnen zuhört, lernt es. Falls Sie ihm Begrenzung beibringen, wird es zu einem begrenzten Gehirn werden. Was aber geschieht, wenn Sie das Gegenteil tun? Wie wär’s, wenn Sie Ihrem Gehirn beibrächten, grenzenlos zu sein?
Stellen Sie sich vor, Ihr Gehirn wäre ein Steinway-Konzertflügel. Jede Taste der Klaviatur sitzt am richtigen Fleck, jede Saite ist perfekt gestimmt. Jetzt bedarf es nur noch der leisesten Tastenberührung durch Ihre Finger, schon erklingt der entsprechende Ton. Ob nun ein Anfänger oder ein weltberühmter Virtuose wie Vladimir Horowitz oder Arthur Rubinstein an der Tastatur sitzt, von den physischen Voraussetzungen her handelt es sich in beiden Fällen um dasselbe Instrument. Trotzdem wird jeweils eine völlig andere Musik erklingen. Der Anfänger nutzt weniger als ein Prozent jenes Potenzials, das dem Instrument innewohnt. Der Virtuose dagegen schöpft die Möglichkeiten des Instruments bis zum Äußersten aus.
Gäbe es keine Virtuosen in der Musikwelt, würde niemand ahnen, welch wundervolle Klänge sich einem Steinway-Flügel entlocken lassen. Glücklicherweise liefern uns Studien zum Leistungsvermögen des Gehirns erstaunliche Beispiele dafür, wie man unerschlossenes Potenzial entwickeln und glanzvoll zum Leben erwecken kann. Erst jetzt lässt sich mit den modernen bildgebenden Verfahren das Gehirn solch bemerkenswerter Menschen studieren– was ihre Fähigkeiten noch erstaunlicher und zugleich nur umso rätselhafter erscheinen lässt.
Werfen wir einmal einen Blick auf das norwegische Schachwunderkind Magnus Carlsen. Gerade 20Jahre alt geworden, rückte er im Januar 2010 als bislang jüngster Spieler erstmals auf Platz eins in der Schachweltrangliste. Bereits als Dreizehnjähriger, mithin als drittjüngster Spieler in der Geschichte des Schachs, erhielt er den höchsten vom Weltschachbund vergebenen Titel eines Großmeisters. Ungefähr zu jener Zeit zwang er beim Blitzschach den früheren Schachweltmeister Gary Kasparow zu einem bestimmten Zug. »Ich war nervös und verschüchtert«, erinnert sich Carlsen, »sonst hätte ich ihn bezwungen.« Um auf diesem Niveau spielen zu können, muss ein Großmeister, augenblicklich und ganz automatisch, auf Tausende in seinem Gedächtnis gespeicherte Schachpartien zurückgreifen können. Wir wissen, dass das Gehirn nicht mit Sägemehl gefüllt ist. Doch wie ein Mensch sich einen derart immensen Vorrat an einzelnen Spielzügen, die sich auf mehrere Millionen Möglichkeiten belaufen, in Erinnerung rufen kann, ist völlig schleierhaft.
In einer Demonstration seiner Fähigkeiten vor laufender Fernsehkamera ist der inzwischen 21-jährige Carlsen– mit dem Rücken zu den Schachbrettern– im Blitzschach gleichzeitig gegen zehn Gegenspieler angetreten. Er musste, mit anderen Worten, zehn verschiedene Schachspiele mit ihren je bis zu 32Schachfiguren vor seinem inneren Auge präsent haben, während die zeitliche Vorgabe beim Blitzschach für jeden Zug lediglich Sekunden zuließ. Was Carlsen leistet, bewegt sich im Grenzbereich des Gedächtnisses oder genauer gesagt eines Teilbereichs dessen, wozu das menschliche Gedächtnis imstande ist. Obgleich ein gewöhnlicher Mensch sich mit der Vorstellung, über ein derartiges Gedächtnis zu verfügen, schwertut, muss Carlsen tatsächlich dafür nicht einmal seine grauen Zellen strapazieren. Was er tut, fühlt sich für ihn, nach eigener Aussage, vollkommen natürlich an.
Jedes bemerkenswerte geistige Bravourstück gleicht nach unserer Überzeugung einem Wegweiser, der uns vor Augen führt, wohin die Reise gehen kann. Wozu Ihr Gehirn wirklich in der Lage ist, werden Sie erst dann feststellen können, wenn Sie die Grenzen seiner Möglichkeiten ausloten und versuchen, über diese Grenzen hinauszugelangen. Gleichgültig, wie wenig Sie das Potenzial Ihres Gehirns bisher vielleicht nutzen, eines ist sicher: Hier liegt die Zugangspforte zu Ihrer Zukunft. Ihr Erfolg im Leben hängt von Ihrem Gehirn ab. Einfach deshalb, weil uns jegliche Erfahrung im Leben durch das Gehirn zuteil wird.
Das Super-Brain soll, das ist unser Wunsch, so praktisch wie möglich sein, weil es Probleme lösen kann, deren Lösung für das Alltagsgehirn viel schwieriger, wenn nicht gar unmöglich ist. Daher finden Sie zum Abschluss jedes Kapitels jeweils in einem eigenen Unterkapitel »Superhirn-Lösungen«: zahlreiche innovative Vorschläge zur Bewältigung vieler Herausforderungen, mit denen das Leben uns besonders häufig konfrontiert.
Anmerkungen
[1]Siehe: Deepak Chopra, Heilung– Körper und Seele in neuer Ganzheit erfahren, übers. v.Michael Wallossek, nymphenburger, München 2010, S. 28f.
FÜNF MYTHEN, MIT DENEN WIR AUFRÄUMEN SOLLTEN
Ein neuer Umgang mit Ihrem Gehirn gibt Ihnen die Möglichkeit, die Wirklichkeit zu verändern. Je mehr Dinge die Neurowissenschaftler in Erfahrung bringen, desto mehr gewinnt man den Eindruck, dass dem Gehirn verborgene Kräfte innewohnen. Das Gehirn verarbeitet das Rohmaterial des Lebens und fungiert dabei als Handlanger für jeden Wunsch, den Sie hegen, für jede Vision, die Sie vor Ihrem inneren Auge entstehen lassen können. Dieser Kraft vermag die dreidimensionale materielle Welt nicht zu widerstehen. Trotzdem benötigen Sie, um sie freisetzen zu können, neue Überzeugungen. Denn Ihr Gehirn kann nur Dinge tun, von denen es glaubt, dass es tatsächlich befähigt ist, sie zu tun.
Insbesondere fünf Mythen haben gezeigt, dass sie eine einschränkende Wirkung auf uns ausüben– und damit Hindernisse für den Wandel darstellen. Dennoch hielt die Wissenschaft sie noch bis vor ein oder zwei Jahrzehnten für Tatsachen.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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