Super! Griechische und lateinische Wörter im Deutschen - Karl-Wilhelm Weeber - E-Book

Super! Griechische und lateinische Wörter im Deutschen E-Book

Karl-Wilhelm Weeber

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Beschreibung

Von A wie ›Abenteuer‹ bis Z wie ›Zypresse‹: Kurzweilig und unterhaltsam leitet Karl-Wilhelm Weeber über 800 Alltagswörter auf ihren griechischen oder lateinischen Ursprung zurück - Aha-Erlebnisse sind garantiert. Oder wussten Sie, dass unsere ›Butter‹ eine griechische Vergangenheit hat? Das griechische ›boús‹ (das "Rind"? und ›tyrós‹ (der "Käse"? stecken darin. Und auch wer sich abends an ›köstlichem Wein‹ gelabt hat, danach - ›na super‹ - mit einem ›ordentlichen Kater‹ aufgewacht ist, vielleicht ein ›paar Pillen‹ geschluckt oder gleich einen ›Arzt‹ aufgesucht hat, hat einen ›Spaziergang‹ in deutscher Sprachgeschichte hinter sich gebracht, denn in diesen Sätzen steckt jede Menge Latein und Griechisch. Dieses Buch nimmt den Leser mit auf kulturgeschichtliche Ausflüge in die Welt, aus der diese Wörter stammen.

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Seitenzahl: 376

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Karl-Wilhelm Weeber

Super!

Griechische und lateinische Wörter im Deutschen

Reclam

Alle Rechte vorbehalten

© 2015 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

Covergestaltung: it’sme design, marielle enders, düsseldorf

Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen

Made in Germany 2015

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-960808-2

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-011040-9

www.reclam.de

Inhalt

EinleitungAAbenteuerAbiturAbsinthAchatAdeAdresseAdventAgentAktAkteAlarmAlbumAlgeAlmosenAlt(-stimme)AltarAmpelAmulettAnemoneAnisAnkerApostelAprikoseArArztAsbestAsselAugustAusterAutorBBallBarbarBarbierBaritonBecherBenedeienBestieBeteBezirkBibelBiestBims(-stein)BirneBischofBlamierenBombeBörseBottichBoxBravBrezelBriefBrilleBüchseBuckelBüffelBugsierenBuletteBuntBurscheButterCChefChorComputerDDameDamhirschDattelDatumDauernDelphinDezemberDezentDomDoppeltDoseDracheDramaDressierenDrillichDuellDurDuscheDutzendEEchoEgalEibischEichenEimerEisbeinElanElastischElefantElegantEmanzeEngelEnormEnternEntpuppenEnzianErkerErpichtErz-EselEssigEstrichExtraFFabelFabrikFächerFackelFadeFalkeFalschFamilieFanatischFasanFassadeFassonFatalFaxFazitFebruarFeeFehlerFeier(n)FeigefeinFensterFeschFestFidelFieberFigurFinanzenFinteFirmFistelFixFlammeFlaumFlegelFloskelFöhnFolieFolterForkeFormFormelForschForstFrontFrottierenFruchtFrugalFuriosFurunkelGGasGaudiGefeitGemmeGeranieGesteGinsterGipsGitarreGladioleGletscherGlobusGolfGradGrammGranGranateGranitGranulatGrassierenGratisGratulierenGriffelGrillGroschenGrotteGruftGullyGummiGurgelHHalmaHektarHektischHokuspokusHonorarHorrorHospitalHostieHotelHumorIIdeeIdiotImpfenIndustrieInsektInselIntusJJanuar/JännerJubelnJuliJuniJustJuwelJuxKKabineKachelKacke(n)KäfigKahlKaiserKaiserschnittKaktusKalenderKalkKalorieKamelKamellenKameraKamilleKaminKammerKampfKanalKaninchenKanisterKanneKanüleKanzelKanzlerKapKapelleKaperKapierenKapitalKapitänKapitelKaplanKappeKapselKapuzeKaratKarfunkel (Karbunkel)KarosseKarotteKarre(n)KarteKarzerKäseKasseKassierenKastanieKasteienKastrierenKaterKaufenKelchKellerKellnerKelterKeramikKerkerKerzeKesselKetteKetzerKeuschKichererbseKiloKircheKirscheKisteKlammheimlichKlarKlasseKlauseKlauselKlausurKlistierKloakeKlosterKochenKofferKohlKojeKollerKolonieKomischKonternKontoKopieKorbKork(en)KörperKorridorKosenKostenKöstlichKostümKrassKraterKreideKreuzKriseKristallKrokodilKrokusKroneKrudKrusteKübelKücheKufeKultKulturKümmelKumpelKupferKuppelKurKurbelKürbisKursKurveKurzKuschenKüsteKüsterLLabenLacheLaieLakritzLamettaLampeLanzeLärcheLärmLarveLassoLaterneLatrineLattichLatzLauneLavendelLawineLaxLeierLeopardLiebstöckelLiefernLigaLilieLinieLinseLitaneiLiterLitzeLokalLokusLorbeerLöweLummelLüsterMMaarMagieMagnetMaiMakelMandelManieMantelMappeMarineMarktMarmorMarterMärzMaschineMasseMaterialMatroneMattMatteMauerMaulesel, MaultierMauser(n)MedienMeierMeileMeisterMelodieMeloneMennigeMesnerMesseMetallMeterMetteMetzelnMetzgerMeuteMigräneMineMiniMinisterMinusMinuteMinzeMischenMobMöbelModeModellModernMohrMoleMollMönchMonetenMoralMörtelMosaikMostMühleMuldeMummMünsterMünzeMurmelMuschelMuseumMusikMuskelMusterMyrteNNaivNarzisseNaturNegerNervNettNickelNischeNobelNomadeNonneNormNoteNotizNovemberNüchternNullNummerOOckerOktoberÖlOliveOmnibusOnyxOpalOperOpfernOpiumOrchesterOrdenOrdentlich, OrdnungOrdinärOrdnenOrganOrgelOvalOzeanPPaarPachtPalastPalaverPalmePantoffelPapierPappelPapstParadiesParierenPassPastePausePedantischPegelPeinlichPellePelzPendelPennePfaffePfahlPfandPfannePfefferPfeifePfeilPfeilerPferchPferdPfifferlingPfingstenPfirsichPfisterPflanzePflasterPflaumePflückenPfortePfostenPfropfenPfründePfundPfühlPfützePilgerPillePilotPilzPingeligPiniePinselPiratPistaziePlagePlanPlattPlatzPöbelPolizeiPompPopoPorePosaunePostenPredigenPreisPressenPriesterPrinzProbierenProblemPromptPrüfenPullePulsPultPulverPünktlichPuppePuschenQQuentchenQuittQuitteRRabiatRadierenRadieschenRadikalRanzigRapideRappeln, rappeligRarRasantRasierenRasterRateRebeRegelRegierenReisRekordRenteRestRettichRevierRiemenRisikoRivaleRobustRolle(n)RomanRomantischRoseRosineRotteRubinRubrikRüdeRuin/RuineRumorenRundSSackSäckelSalatSalbeiSalineSalmSalutSalveSamtSandaleSanierenSargSatellitSatireSauberSchachtelSchalmeiSchalotteScharnierSchatulleSchemaSchemelScheuernSchilfSchindelSchleuseSchreibenSchreinerSchule, schülerSchüsselSchusterSegnen, SegenSeideSektSekundeSellerieSemmelSenfSeptemberSerieSermonServusSichelSicherSiegelSignalSilbeSimpelSireneSittichSkalaSkalpellSkandalSkatSkelettSkrupelSkulpturSkurrilSmaragdSockeSockelSohleSoldSoldatSolideSöllerSonateSondeSorteSozialSoziusSpachtel, SpatelSpalierSpargelSpassSpazierenSpeiseSpelunkeSpendeSperenzchenSpesenSpickenSpiegelSpindSpiraleSpontanSportSpritSpundStaatStabilStadionStatueStaturStatusStielStilStolaStopfenStoppStoppelStöpselStrasseStraussStriegelStriktStrippeStudierenSummeSuperSzeneTTabelleTablettTachoTafelTaktTalentTapeteTasten, TasteTaverneTechnisch, TechnikTempelTemperaturTeppichTerminTestamentTeufelTextTheaterThekeThemaTheseThunfischThymianTiegelTigerTilgenTinteTischTitelTonTorkelnTorteTotalTrachtenTragischTraktTresorTrichterTristTriumphTrubelTrumpfTubeTumultTüncheTurmTurnenTurtelnTypUUhrUlmeUmzingelnUnzeUrinUrneVVageVaseVeilchenVeneVerdammenVermaledeienVerpöntVersVersiertVesper, vespernVeteranVettelViktualienVillaViperVirusVisiteVitrineVizeVogtVokabelVokalWWallWanneWatenWeiherWeilerWeinWesteWickeWinzerWirsingZZederZementZensieren, ZensurZentnerZentrumZepterZettelZiegelZikadeZimtZinnoberZinsZirkelZirkusZisterneZitherZitroneZivilZollZwiebelZypresseLiteraturhinweise

Einleitung

Nehmen wir an, liebe Leserin, lieber Leser, Sie haben sich abends an köstlichem Wein gelabt, wachen morgens mit einem ordentlichen Kater auf, schlucken ein paar Pillen oder suchen doch lieber einen Arzt auf, so macht all das nicht gerade Spaß. Aber immerhin haben Sie mit diesem Szenario einen Spaziergang in deutscher Sprachgeschichte hinter sich, der Sie, ohne dass Sie es gemerkt haben, weit in die griechisch-römische Antike geführt hat. Bei der Diagnose, die Ihnen der Arzt stellt, wird Ihnen das viel bewusster sein: Er wird Ihnen, die »Diagnose« deutet es schon an, Krankheitsbilder auf Griechisch und Körperteile auf Lateinisch benennen, wenn er Sie mit der medizinischen Fachsprache beeindrucken will. Das wird Sie nicht überraschen: Das Medizinerdeutsch ist geradezu gespickt mit Fremdwörtern aus dem Griechischen und Lateinischen – was auch viele Beipackzettel von Medikamenten so unterhaltsam macht.

Fremdwörter wirken, auch wenn sie schon lange im Deutschen eine neue Heimat gefunden haben, doch noch immer wie Fremdkörper. Sie fallen auf und halten uns in gewisser Weise auf Distanz. Man kann mit ihnen renommieren oder man kann sich blamieren, wenn man sie falsch gebraucht, man kann Sachverhalte mithilfe von Fremdwörtern in wissenschaftlicher Diktion präzisieren oder auch banale Aussagen mit ihrer Hilfe verklausulieren oder aber sich darüber echauffieren, dass das Deutsche mit ihnen vielfach unnötig überlagert werde. Diese Kritiker heißen ironischerweise »Sprachpuristen« – sie wollen die Sprache »rein« halten oder, lateinisch ausgedrückt, »pur«.

Von Fremdwörtern soll in diesem Buch nicht die Rede sein, wohl aber von Lehnwörtern. Das sind gewissermaßen Sprachmigranten, die sich besonders schnell in ihre neue Umgebung integrieren, indem sie sich in Lautung, Schreibweise und Grammatik anpassen – mit einer oftmals perfekten Tarnung, die kaum noch Rückschlüsse auf ihren Ursprung zulässt. Den Sprachwissenschaftlern indes entgehen sie nicht: Sie verfolgen den Weg der Lehnwörter zurück zu den Basiswörtern und ermöglichen damit so manches Aha-Erlebnis, manchmal sogar eine neue Perspektive auf einen Begriff, und zwar im wahrsten Sinne: Man hat auf einmal den »Durch-Blick«.

Schauen wir auf unsere beiden Einleitungssätze. In ihnen steckt jede Menge Latein und Griechisch. »Wein« ist eines der frühesten Lehnwörter im Deutschen; die Germanen waren von der römischen Zivilisationsdroge vinum so fasziniert, dass sie mit der Sache auch den Begriff nur zu gern übernahmen. In »köstlich« steckt constare, »zu stehen kommen« und damit »kosten«, in »laben« ein lateinisches lavari, ursprünglich »sich durch Baden erquicken«, in »ordentlich«, man hätte es sich beim Image der Römer denken können, ein lateinisches ordo, eben »Ordnung«, und in »paar« lateinisch par, »gleich«. Auch der »Spaziergang« hat eine lateinische Vergangenheit; spatiari, »den Raum durchmessen«, liegt ihm zugrunde. Die »Pille« hat einmal als pila, »Ball«, angefangen bzw. mit der Verkleinerungsform pilula, »Bällchen«, »Kügelchen«. Und »Spaß« leitet sich über italienisch spasso von lateinisch expassus ab, »ausgebreitet«, »verstreut« oder eben »zerstreut«. Dass die »Zerstreuung« Spaß macht, liegt nahe, wie denn das Lateinische überhaupt das Deutsche mit zahlreichen Vokabeln versorgt, die gute Laune ausdrücken: Vom »Humor« (umor, »Flüssigkeit«) über den »Jux« (iocus, »Scherz«, neudeutsch »Joke«) bis hin zur »Gaudi« (gaudium, »Freude«). Sie lesen richtig: Das Lateinische, das manche doch allen Ernstes für eine spaßfreie Zone halten! Da darf die »Laune« nicht fehlen. Tut sie auch nicht: Ursprungswort ist lateinisch luna, der »Mond«, dem viele auch heute noch einen starken Einfluss auf unseren Gemütshaushalt nachsagen. Schließlich der »Leser«, die »Leserin«, das »Lesen« – alles Beutewörter aus dem Lateinischen; legere, eben »lesen«, ist das ›Original‹ in dieser Bedeutung des Wortes.

Und wo bleibt das Griechische? Wir haben ja noch drei Substantive aus den Einleitungssätzen zu klären: Das – eher als Fremdwort empfundene – »Szenario« geht über lateinisch scaena auf griechisch skené, »Bühne«, zurück, der »Arzt« ist ursprünglich ein archiatrós, der »erste Arzt« (etwa am Kaiserhof), und der »Kater« ist hier mitnichten die männliche Katze, sondern eine volkstümliche Lehnwortbildung zu »Katarrh«. Bei dem »fließt« Krankheit verursachender Schleim vom Kopf »herab«; katá, »hinunter«, und rhein, »fließen«, sind die griechischen Ursprungsbegriffe.

Gefallen Ihnen diese Blicke hinter die sprachlichen Kulissen des Deutschen? Dann werden Sie auf den folgenden Seiten auf manch weitere Überraschung stoßen. Die Lehnwörter werden auf ihre Wurzeln zurückgeführt, wobei wir auf detaillierte linguistische Erläuterungen verzichten. Stattdessen stellen wir die ursprüngliche Umgebung der ›Originalwörter‹ in ein paar Sätzen dar – kurze kulturgeschichtliche Ausflüge in die Welt, aus der sie stammen. Dabei stoßen wir etwa bei der »Kirsche« auf Lucullus, den ungekrönten König aller römischen Gourmets, bei der »Marter« auf »Zeugnis« ablegende frühe Christen, beim »Prinzen« auf Augustus, den Begründer des römischen Kaisertums, der lieber als princeps, als »erster« Bürger, gesehen werden wollte, und beim »Eisbein« – ja, beim »Eisbein«! – auf einen griechischen Hüftknochen, den die Holländer zum Schlittschuhfahren zweckentfremdet haben.

Bevor wir liefern, d. h. uns von der eingegangenen Verpflichtung »befreien« (liberare ist das Basiswort zu »liefern«!), einige wenige Sätze zur Auswahl unseres Lehnwörter-Katalogs. Vollständigkeit wurde angestrebt. Man könnte von einer Art Lexikon der deutschen Lehnwörter aus dem Lateinischen und Griechischen sprechen. Aber der Begriff »Lexikon« wirkt steif, langweilig und ein bisschen abschreckend und will nicht recht zu dem feuilletonistischen Zugriff passen, den wir einer nüchterneren, streng wissenschaftlichen Darstellung vorgezogen haben. Apropos »nüchtern« – das Nachschlagen lohnt sich!

Manchmal sind die Grenzen zwischen Fremd- und Lehnwort fließend. Wir haben den Rahmen bewusst weit gezogen und einige Begriffe aufgenommen, die Linguisten eher dem Fremdwortvokabular zuschlagen würden. Selbstverständlich werden auch Lehnwörter berücksichtigt, die das Deutsche nicht direkt von den Alten Sprachen übernommen, sondern aus anderen Sprachen ›eingemeindet‹ hat (sofern diese ›Drittsprachen‹ ihrerseits auf den Fundus der ›Klassik‹ zugegriffen haben).

Nicht immer sind sich die Fachleute einig, ob es sich tatsächlich um ein Lehnwort aus dem Lateinischen oder Griechischen handelt. Auch hier haben wir den Rahmen weit gezogen, aber in der Regel darauf hingewiesen, dass die Etymologie strittig ist. So etwa bei »keusch«, dessen Ableitung von conscius, »wissend«, »bewusst« im Sinne bewusster christlicher Lebensführung, uns einleuchten mag, vielen Sprachwissenschaftlern aber nicht. Oder beim »Kampf«. Im Unterschied zum »Camping«, zum »Champignon« und zum »Champagner« ist es bei ihm nicht ganz so klar, dass campus, »Feld«, »freie Fläche«, das Ursprungswort ist.

Mag hier und da ein Fragezeichen stehenbleiben, so ist doch der grundsätzliche Befund ebenso unbestreitbar wie überwältigend: Das Deutsche verdankt den beiden Sprachen der Alten Welt viel mehr, als uns das bewusst ist. Wir alle sprechen Latein und Griechisch, und zwar auch im Alltag – den Lehnwörtern sei Dank. Und das ist doch, auch wenn es sich zusätzlich lohnt, Latein und Griechisch gründlicher zu erlernen, als sie nur im deutschen Gewand kennenzulernen, total super.

A

Abenteuer

Mit dem Abenteuer verbindet sich eine Ungewissheit, die je nach Situation und Temperament als prickelnd oder beklemmend empfunden wird. Diese Ungewissheit steckt auch im lateinischen Ursprungswort: adventura sind »Dinge, die herankommen werden« – ein Partizip Futur, das Erwartungen weckt, aber offenlässt, ob das Erwartete tatsächlich bzw. in welcher Form es eintrifft. Wer das Abenteuer sucht, lässt sich somit auf einen möglicherweise nicht gedeckten Scheck auf die Zukunft ein. Das kann ein spannendes Abenteuer oder auch einfach nur abenteuerlich werden.

Abitur

Weitaus nicht jeder Weggang wird einem derart versüßt, dass er sich mit so etwas Positivem wie dem Testat der ›Reife‹ verbindet. Das Abitur ist indes eben so ein »Weggehen«. Genauer gesagt, hat sich der Begriff aus examen abiturium entwickelt. Abiturius ist ein lateinisches Kunstwort des 19. Jh.s, ein Adjektiv zum Verb abire, »weggehen«. Der Abgang ist also an eine »Weggangsprüfung« gekoppelt, die man erst einmal bestehen muss. Der »Abiturient« ist eine neulateinische Bildung des 17. Jh.s, das Partizip Präsens zu abiturire, ein »Weggehender«. Die Römer hätten den noch als abiens bezeichnet oder, wenn der Weggang erst in der Zukunft liegt, als abiturus, »einer, der weggehen wird«.

Ganz schön viel Latein, könnte man anmerken und den Lehnwortcharakter von »Abitur« in Frage stellen. Das hört sich doch eher nach einem Fremdwort an? Richtig. Und deshalb hat sich als volkstümlichere Variante die Kurzform »Abi« durchgesetzt, die sehr viel deutscher klingt. Für Lateiner-Ohren indes verbindet sich damit ein ziemlich derber Tritt seitens der Institution, die ihrerseits über den Abgang manches Schülers froh zu sein scheint: abi ist im klassischen Latein der Imperativ Singular: »Geh weg!« – Oder, noch drastischer: »Hau ab!«

Absinth

Das ›-th‹ am Ende verrät die griechische Herkunft des Wortes. Als absínthion bezeichneten die Griechen den »Wermut«. Die Römer übernahmen den Begriff als absinthium. Wermut wurde als Heilmittel gegen eine ganze Reihe von Krankheiten und Unpässlichkeiten wie Magen- und Augenleiden verwendet; wegen seiner Bitterkeit attestiert ihm Lukrez eine »scheußliche Natur«, gegen die aber gleichzeitig verabreichter Honig helfe (II393 ff.). In der Antike stellte man durchaus schon Absinthwein her – gut 300 g Kräuter auf 22 l Wein (Plinius, Naturalis historiaXIV109). Was den Alkoholgrad angeht, konnte dieser Würzwein es indes mit seinen maximal 16 % nicht mit dem neuerdings wieder populären modernen Absinth aufnehmen: Der hat mindestens 45 % – und häufig deutlich mehr.

Achat

Der Halbedelstein verdankt seinen Namen einem Fluss auf Sizilien. Die Griechen nannten ihn Achates; heute heißt er wohl Carabi oder Canatello. An seinen Ufern sollen einst die ersten Quarze gefunden worden sein, die nach dem Fluss benannt wurden (griechisch und lateinisch achates). Diese »Achate« fanden sich später in verschiedenen Varietäten in zahlreichen Ländern der Mittelmeerwelt, so dass sie im Preis sanken. Den berühmtesten Achat soll König Pyrrhos von Epirus (3. Jh. v. Chr.) besessen haben. »Darauf waren die neun Musen und Apollo mit der Kithara in der Hand zu sehen«, berichtet Plinius, »aber nicht etwa von Künstlerhand gefertigt, sondern weil die Natur ihn mit entsprechend verlaufenden Streifen so erschaffen hatte« (Naturalis historiaXXXVII6).

Ade

Wer sich mit »Ade!« verabschiedet, vertraut diejenigen, die er verlässt, Gott an. »Ade« ist eine Kurzform, die schon im 13. Jh. aus dem französischen adieu hervorgegangen ist – oder in der ›Originalsprache‹ aus ad Deum, »zu Gott«, d. h. »Gott befohlen«. Und »Tschüss« und »Tschü«? Auch das sind Varianten der gottesfürchtigen Abschiedsformel; auch ihnen liegt letztlich ein lateinisches ad Deum zugrunde.

Adresse

Die Adresse gibt die Richtung an, in die etwas geschickt wird oder in die jemand sich aufmacht. Das französische Wort geht auf ein erschließbares vulgärlateinisches Verb addirectare zurück, »zu etwas hin ausrichten«, im klassischen Latein addirigere. Die »Adresse« hilft Umwege zu vermeiden, weil sie den direkten Weg (directus, »geradeaus«, »ohne Umschweife«) weist.

Advent

Die Vorweihnachtszeit, in der Christen den Geburtstag und damit die irdische »Ankunft« Jesu Christi erwarten, wird als »Advent« oder »Adventszeit« bezeichnet. Das zugrunde liegende lateinische Verb heißt advenire, »ankommen«, das davon abgeleitete Substantiv adventus, die »Ankunft«.

Agent

Nicht alle, die bei einer Agentur arbeiten, werden als Agenten bezeichnet. Nachrichtenagenturen, Werbeagenturen oder die Bundesagentur für Arbeit sprechen von ihren ›Mitarbeitern‹. Dagegen sind Versicherungsagenten und vor allem Geheimagenten durchaus unter uns, die einen bekannt, die anderen verdeckt. Agenten und Agenturen gemeinsam ist die Tatsache, dass sie »handeln« (oder mindestens »handeln« sollten). Diese Verpflichtung geht aus dem lateinischen Basiswort agere hervor, »handeln«, »betreiben«, »tun«. Den »Handelnden« nannten die Römer agens. Der Stamm dieses Partizips Präsens ist agent-. Von ihm leitet sich das bestens integrierte Fremdwort »Agent« in ähnlicher Weise ab wie der → »Student« von studens (»sich bemühend«) oder der → »Regent« von regens (»lenkend«).

Akt

Acta est fabula, »Das Spiel ist aus!«, soll Kaiser Augustus auf dem Sterbebett ausgerufen haben. Indes ist das geflügelte Wort nur eine fragwürdige Übersetzung des überlieferten griechischen Zitats ins Lateinische. Es findet sich so in keiner antiken Quelle. Aber es passt gut zum »Akt«. Der leitet sich von actus ab, und dieser actus bezeichnet im Lateinischen das »Geschehen«, den »Fortgang« einer Handlung – oder eben die Unterteilung des Handlungsverlaufs eines Theaterstücks in fünf actus, »Akte«. Das lateinische Wort bezeichnet auch andere »Geschehnisse« – ebenso wie sein deutsches Lehnwort das im »Staatsakt«, im »Gewaltakt« oder im »Gnadenakt« tut. Mit dem sexuellen Akt erweitert das Deutsche die Geschehensbreite. Ohne nähere Erläuterung hätte ein Römer den actus allerdings nicht mit concubitus oder coitus gleichgesetzt.

Und wie verhält es sich mit dem »Akt« in der bildenden Kunst? Er geht von der Vorstellung aus, dass das Aktmodell eine bestimmte Stellung des Körpers einnimmt und dabei gewissermaßen eine »Vorstellung« wie auf der Bühne gibt. Aber warum nackt? Eine Minderheitenmeinung in der etymologischen Forschung erklärt diesen deutschen Sonderweg mit einer Verstümmelung des Wortes: ›Nackt‹ sei schlicht zu ›Akt‹ verkürzt worden. Klingt interessant, aber wenig überzeugend.

Akte

Das ist weniger ein bürokratischer als ein juristischer Grundsatz: Quod non est in actis, non est in mundo, »Was nicht in den Akten ist, ist nicht auf der Welt«. Die (neuzeitliche) Sentenz schließt an eine Bemerkung Ciceros an: In actis non erat (Epistulae ad familiaresII15, 5), d. h. dass etwas, eine bestimmte Nachricht nicht in den acta urbana, einer Art (sehr rudimentären) Zeitung, gestanden habe. Acta ist ein Partizip Perfekt im Neutrum Plural. Es bezeichnet »Dinge, die getan worden sind«, »die sich ereignet haben«. Im 16. Jh. wurde der lateinische Begriff als »Akten« ins Deutsche entlehnt. Der Singular »die Akte« ist ähnlich wie der Singular »die Agenda« (eigentlich Neutrum Plural: »Dinge, die zu tun sind«) eine von der scheinbaren Femininum-Endung auf -a nahegelegte Fehlbildung. Korrekt gebildet müsste der Singular zu den »Akten« »das Akt« heißen. Aber solche nachträglichen, etwas besserwisserischen Korrekturen sollte man schlicht ad acta legen. Was dort liegt, ist »verhandelt« und insofern vorbei.

Alarm

Der »Alarm« ist eine italienisch-lateinische Koproduktion. Er ist wie der → »Lärm« im 15. Jh. aus dem Warnruf all’armi entstanden, »zu den Waffen!«. Ein Jahrtausend früher hieß er noch ad arma!

Album

Auch wenn das Fotoalbum und das CD-Album durch die Digitalisierung der Fotografie und der Musik an Bedeutung verlieren, ist der Begriff doch durchaus noch präsent. Alben haben stets etwas mit Speichern und Sammeln zu tun. Diese Tradition geht auf die römischen Priester zurück, die die wichtigsten Ereignisse eines Jahres in eine Liste eintrugen. Diese Chronistentätigkeit hieß in album referre, »auf die Tafel schreiben«. Es handelte sich dabei um eine Tafel, die mit Gips übertüncht war. Albus heißt »weiß«, album ist mithin »das weiße« Verzeichnis. Neben dem Geschichtsalbum gab es im alten Rom zahlreiche andere weiße Tafeln, z. B. die Liste der Senatoren (album senatorum) und das album decurionum in den Provinzstädten, in das die Ratsherren eingeschrieben waren. Mögen diese »weißen Listen« auch etwas unhandlich gewesen sein, so war die Gefahr, dass die Daten versehentlich gelöscht wurden, deutlich geringer als beim elektronischen Speichern. Und Strom brauchten sie ebensowenig wie klassische Fotoalben.

Alge

Als Viehfutter taugt er nicht und auch sonst ist er kaum zu etwas zu gebrauchen – kein Wunder also, wenn die Römer sprichwörtlich zu sagen pflegten, etwas sei »wertloser als Seetang«. Das lateinische vilior alga findet sich bei Vergil (EclogaeVII42) und Horaz (SermonesII5,8). Immerhin war die scheinbar wertlose alga als Ursprung für das im 15. Jh. übernommene deutsche Lehnwort »Alge« gut genug. Dass es indes sogar noch schlimmer geht als wertlos, zeigt die Kombination der Alge mit einem weiteren Lehnwort: Die »Algenpest« siedelt das Seegras nicht nur beim Nullpunkt, sondern sogar im Minusbereich der Nützlichkeitsskala an.

Almosen

Wer Almosen an Bedürftige verteilt, handelt aus Mitleid. Ebendas ist die Bedeutung des griechischen Basiswortes eleemosýne, »Barmherzigkeit« (Verb: eleeín, »bemitleiden«, »sich erbarmen«), das in der Spätantike über christliche Autoren auch ins Lateinische als eleemosyna, »Almosen«, Eingang fand.

Alt(-stimme)

Wer Alt singt, muss nicht unbedingt alt sein – das legt die Lebenserfahrung nahe. Die Sprachwissenschaft macht diesen Eindruck zur Gewissheit. Ursprünglich bezeichnete die Altstimme eine hohe Männerstimme, über das italienische alto zurückgehend auf das lateinische Adjektiv altus, »hoch«. Wenn Alt mittlerweile auch eine tiefe Frauenstimme bezeichnet, so gibt das Lateinische auch dazu seinen sprachlichen Segen: Altus ist eine sog. vox media, ein Wort, das auch genau das Gegenteil bedeuten kann: »tief«. Es hängt eben vom jeweiligen Standpunkt ab, ob etwas als hoch oder als tief erscheint – so auch bei der Stimme.

Altar

Wer vom »Hochaltar« spricht, äußert sich, wenn man es etymologisch genau nimmt, tautologisch. Denn im lateinischen Ursprungswort altarium bzw. altar(e) steckt altus, »hoch«. Das (!) altare war ein Aufsatz auf den eigentlichen Opfertisch (ara). Er diente zum Verbrennen des Opferfleisches. Lucan spricht sehr drastisch von structae diris altaribus arae, »die Altäre waren mit grässlichen Schlachtbänken versehen« (III404; Übers.: W. Ehlers). Demgegenüber geht es an den Altären der christlichen Kirchen doch deutlich weniger brutal zu.

Ampel

Mit ihrem griechischen Ursprungswort hat die Ampel so gut wie nichts mehr gemein. Das war der amphiphoreús, verkürzt zu amphoreús, ein zweihenkliges Gefäß (amphí, »um … herum«, phérein, »tragen«), das die Römer als amphora übernahmen. Die Normalamphore diente dazu, Flüssigkeiten wie Öl, Wein und andere Lebensmittel zu befördern und zu lagern. Mit 26 l Fassungsvermögen eignete sie sich indes nicht für edle Flüssigkeiten wie Parfüms und Arzneien. Dazu bedurfte es kleinerer Gefäße – und einer neuen Bezeichnung dafür. Aus amphora wurde so über amphorula die ampulla, »kleine Flasche«, wie sie als Fremdwort »Ampulle« ins Deutsche Eingang gefunden hat. Mit Öl gefüllt, avancierte die ampulla in der Spätantike zum Beleuchtungskörper. In der mittelalterlichen Kirche war die ampulla das Ewige Licht. Vom sakralen Raum strahlte diese ampulla dann in den bürgerlichen Alltag aus, indem sie als »Ampel« über dem Esstisch hing. Dort wurde sie indes von der →Lampe abgelöst. Immerhin konnte sie sich in den Verkehr retten – und dort nicht nur mit gleich drei Lichtern an Variabilität zunehmen, sondern auch zusätzlichen Respekt gewinnen. Was im Amtsdeutsch »Lichtzeichenanlage« heißt, nennen wir im Alltag »Ampel« – und bedauern, dass sie sich, wenn wir bei Rot vor ihr warten müssen, nicht einfach an ihren ursprünglich zwei Henkeln packen und wegtragen lässt.

 

Ampulle → Ampel

Amulett

Das Amulett soll seinem Träger Unglück gewissermaßen vom Hals halten, es, lateinisch formuliert, »von ihm wegschaffen« (a-moliri). Der lateinische Ursprungsbegriff ist amolumentum bzw. amuletum. Nach römischer Auffassung konnte das Amulett seine Schutzfunktion auch in einer nichtkörperlichen Anwendung entfalten – indem man etwa »auf seinen gelassenen Harn spuckte oder auf ähnliche Weise in den Schuh des rechten Fußes, bevor man ihn anzog« (Plinius, Naturalis historiaXXVIII38). Wie beim modernen Amulett eben: Hauptsache, man glaubte daran.

Anemone

»Noch war keine Stunde vergangen, da war aus seinem Blut eine blutrote Blume erwachsen« – so schildert Ovid das, was außer dem unsterblichen Namen vom schönen Jüngling Adonis übrigblieb: Venus ließ aus dem Blut ihres Geliebten die Anemone sprießen – eine Blume freilich, an der sich die Menschen nur kurze Zeit erfreuen können. »Zart und vergänglich«, wie sie ist, »verweht sie der Wind – und der gab ihr den Namen« (Ovid, Metamorphosen X 734 ff.). Damit spielt Ovid auf den griechischen Namen anemóne an, den die Römer übernommen und ans Deutsche weitergegeben haben. Darin steckt ánemos, der »Wind« – und der ist ja auch in der deutschen Bezeichnung der Anemone als »Buschwindröschen« noch präsent.

Anis

In der antiken →Küche spielte der Anis nur eine untergeordnete Rolle. Deutlich größer war seine Bedeutung als Heilmittel. Als solches wurde er sehr breit eingesetzt, u. a. als Antidot bei Vergiftungen und beim Biss giftiger Tiere, als Schmerzmittel und sogar als Aphrodisiakum (Plinius, Naturalis historiaXX195). Sein griechischer Name war ánneson, sein lateinischer anisum.

Anker

Die Griechen waren große Seefahrer. Daran erinnert die Tatsache, dass die Römer, ursprünglich »Landratten«, die ancora vom griechischen ánkyra entlehnten und als »Anker« ans Deutsche weitergegeben haben. Und kaum jemand wird bestreiten, dass auch im übertragenen Sinne Hellas der Anker der europäischen Kultur ist.

Apostel

Apostéllein heißt im Griechischen »wegschicken«. Der apóstolos ist damit der »Abgesandte«, »Bote« – und der »Apostel« einer jener frühen Boten, die das Evangelium, die »gute Botschaft« (aus eu, »gut«, und angéllein, »melden«), als Abgesandte Christi überall hinbringen sollten.

Aprikose

Die Aprikose ist ein frühreifes Früchtchen, dessen deutscher Name sich über verschlungene Sprachwege einschließlich des Arabischen letztlich von der lateinischen (persica) praecocia herleitet, dem »frühreifen Pfirsich«.

Ar

10 x 10 m bilden einen Flächeninhalt, der einem Ar entspricht. Über französische Vermittlung liegt die lateinische area zugrunde, die noch ein unspezifisches »Areal« bezeichnet, nämlich unabhängig von ihrer Größe eine »freie Fläche«. Area kann auch die Bedeutung »Bauplatz« und »Rennbahn« haben – und sogar »Gartenbeet«, womit sie sich von dem zugrundeliegenden Verb arere ziemlich weit entfernt. Das bedeutet nämlich »trocken sein«.

Arzt

Eine etymologisch sehr fragwürdige Bildung ist der ›Chefarzt‹. Der auf lateinisch caput, »Haupt«, zurückgehende »Chef« ist nämlich im »Arzt« sprachlich schon enthalten. Der archiatrós war der »Erz-Mediziner«, derjenige, der an der arché, dem »Anfang« der Rangfolge aller Mediziner, stand. Der archiatrós oder lateinisch archiater war der »erste Mediziner am Kaiserhof« – oder eben der ›Chefarzt‹.

Asbest

Wegen seiner krebserzeugenden Wirkung ist Asbest nachgerade zu einem ›Unstoff‹ geworden. Seine schützende Eigenschaft ist demgegenüber ganz in den Hintergrund gedrängt worden: dass er als Werkstoff ásbestos, »unauslöschlich«, »unzerstörbar« – also feuerfest ist.

Assel

»Der Tausendfüßler, von einigen auch ›Hundertfüßler‹ oder ›Vielfüßler‹ genannt, ist ein zu den Erdwürmern gehöriges behaartes Tier, das sich auf vielen Füßen bogenartig gekrümmt fortbewegt und sich bei Berührung zusammenzieht. Die Griechen nennen ihn onískos.« So beschreibt Plinius (Naturalis historiaXXIX136) das Tier, dem, auch wenn sie äußerlich doch etwas anders daherkommt, die deutsche »Assel« ihren Lehnwortnamen verdankt. Onískos ist eine Verkleinerungsform zu ónos, »Esel« – und dessen graue Farbe scheint uns ein überzeugenderes tertium comparationis mit der deutschen Assel zu sein als die vermeintliche Vielfüßigkeit. Immerhin hört es sich doch deutlich niedlicher an, im Keller ein paar »Eselchen« als Mitbewohner zu haben als fiese, übel beleumundete Asseln.

August

Im Jahr 27 v. Chr. erhielt der unumstrittene Machthaber Roms, der Adoptivsohn Caesars mit Namen Octavian, vom Senat eine Fülle von Ehren übertragen. Offiziell gab er damals die Macht an den Senat und das Volk zurück, de facto blieb er der starke Mann, dem die Legionen gehorchten, und machte sich daran, die neue Staatsform der Monarchie zu konsolidieren, die er freilich principatus nannte: Er sah sich selbst nur als den »ersten Bürger« (princeps) von Rom. Zur Anerkennung seiner Position gehörte nicht zuletzt der Ehrenname Augustus, den er fortan trug, »der Erhabene«. Im Zusammenhang damit beschloss der Senat die Umbenennung des Monats Sextilis in Augustus. Aber der neue Herrscher war vorsichtig, was den Verdacht des Personenkults anging. Erst zwei Jahrzehnte später, im Jahr 8 v. Chr., nahm er die Auszeichnung an. Seitdem hieß der Monat, der dem auf den Namen seines Adoptivvaters als → »Juli« getauften folgte, Augustus. Der Römer Wunsch war der späteren europäischen Welt Befehl: Wie alle anderen Monatsnamen ging auch der »August« in den →Kalender der Welt ein.

Auster

Baiae am Golf von Neapel war der nobelste Kurort im Römischen Reich, ein vielbesuchter playground der römischen Oberschicht, die in ihren dort gelegenen Villen ein paar Ferienwochen (Ferien →Feiern) zu verbringen pflegte. Die feine Gesellschaft lud sich dort wie in Rom selbst gegenseitig zu opulenten Gastmählern ein. Ein Leckerbissen, der an keiner Tafel fehlen durfte, waren ostreae, »Austern«. Die Römer hatten den Begriff von den Griechen entlehnt; aus griechisch óstreon wurde lateinisch ostrea (Femininum) bzw. ostreum (Neutrum). Bei der Produktion der Delikatesse aber verließ man sich lieber auf Selbstversorgung. Ein cleverer Geschäftsmann namens C. Sergius Orata baute um die Wende vom 2. zum 1. Jh. v. Chr. im Lucriner See bei Baiae eine Austernzucht auf, die bald weltberühmt werden sollte. Lucrinische Austern galten in Feinschmeckerkreisen als palma mensarum, »das Exquisiteste unter den Tafelfreuden« (Plinius, Naturalis historiaXXXII58). Archäologen haben herausgefunden, dass Austern bis in die Städte und Militärlager jenseits der Alpen exportiert worden sind. Und Sprachwissenschaftler haben keinen Zweifel, dass die deutsche »Auster« ihre sprachliche Existenz der lateinischen ostrea verdankt.

Autor

Als Lehnwort wird der »Autor« kaum empfunden – zu Recht, weil Wörter auf -tor im Deutschen in aller Regel einen lateinstämmigen »Macher«, »Bewirkenden« bezeichnen. Gleichwohl ist der »Autor« eingedeutscht; denn das lateinische ›Original‹ heißt auctor. Das ist derjenige, der einen Bestand »vermehrt« oder »vergrößert« (vom Verb augere) und damit etwas Eigenes aus der Taufe hebt, ein »Urheber« oder eben ein »Autor«. Wer hingegen den Wissensstand nicht wirklich vermehrt, sondern nur so tut, indem er bei anderen abschreibt, der mutiert vom Autor zum Plagiator – worin sich nicht ganz zu Unrecht das griechische Adjektiv plágios verbirgt, »schräg«, »unredlich«, »hinterhältig«.

B

Ball

Während der → runde Ball keine etymologischen Wurzeln hat, die bis in die Antike zurückreichen, sieht es hinsichtlich des Balles, bei dem es rundgeht, anders aus. Auch wenn sich die Sprachwissenschaftler nicht einig sind, spricht manches dafür, dass ein spätlateinisches ballare, »tanzen«, am Anfang des deutschen »Tanz-›Balls‹« gestanden hat und dass dieses ballare auf griechisch ballázein, »die Glieder hin und her werfen«, zurückgeht. Das wiederum leitet sich von bállein, »werfen«, ab – und hat trotzdem nichts mit dem geworfenen Ball zu tun. Den kann man ja auch, obwohl das Altertum diesen Umgang mit dem ansonsten beliebten Spielgerät noch nicht pflegte, mit dem Fuß weiterbefördern.

Barbar

Ursprünglich waren die Barbaren durchaus nicht barbarisch in der heutigen Bedeutung des Wortes. Oder, vorsichtiger formuliert, mussten es nicht zwangsläufig sein. Denn zu Anfang bezeichneten die Griechen einen Menschen als bárbaros, dessen Sprache sie nicht verstanden – lautmalerisch ein »Stammler«. Dass auch Barbaren wie Ägypter und Perser zivilisatorisch hochentwickelt waren und man eine Menge von ihnen lernen konnte, hätten Griechen des 6. und wohl auch noch des 5. Jh.s v. Chr. nicht bestritten. Erst nach den Perserkriegen (490–479 v. Chr.) entwickelte sich der zunächst wertneutrale Abgrenzungsbegriff im Sinne von »Nichtgriechen« allmählich zu einer pejorativ wertenden Bezeichnung, bei der »unkultiviert«, »grobschlächtig« und »wild« mitschwang. Obwohl sie nach der ursprünglichen Definition selbst als Barbaren galten, trugen die Römer mit dem ins Lateinische übernommenen barbarus-Begriff weiter zur Diskreditierung der »Barbaren« bei. Seinen Tiefpunkt geradezu als Schimpfwort hat das in viele moderne Sprachen entlehnte »barbarisch« heute erreicht: ›Barbarisches Handeln‹ gilt als Synonym für menschenverachtende Grausamkeit. Dass man barbarischer Wildheit – jedenfalls zeitweise – auch etwas Gutes abgewinnen konnte, zeigt die zur positiven Wertung führende Wortgeschichte, die in →»brav« gipfelt.

Barbier

Der Lehnwortcharakter war schon einmal deutlicher ausgeprägt, als man im 14. Jh. vom »Barbierer« sprach. Ein Jahrhundert später glich sich die Endung ans Französische an, auch wenn die Aussprache deutsch blieb. Grundwort ist allerdings das lateinische barba, der »Bart«. Ursprünglich war der Barbier mithin der »Bartscherer«, mochte er sich auch zusätzlich ums Haupthaar kümmern. Freilich gilt er bis heute – wie sein englischer Kollege, der barber – etymologisch konsequent eher als Herrenfriseur.

Bariton

Auch wenn der Bariton nicht ganz unten singt, bringt er doch ziemlich tiefe Töne hervor. Nichts anderes bedeutet sein griechischstämmiger Name: Er setzt sich aus barýs, »tief«, und tónos, der → »Ton«, zusammen.

Becher

Die alten Römer waren dem Bechern bekanntlich nicht abgeneigt. Aber sie pflegten aus pocula zu trinken; das deutsche Fremdwort »pokulieren« erinnert noch daran. Der bicarius ist dagegen erst eine mittellateinische Wortschöpfung – weshalb wir den »Becher« und das »Bechern« indirekt doch noch den Römern als ›Erfindern‹ des Lateinischen verdanken.

Benedeien

Vielleicht ist Maria hier und da noch als die gebenedeite Jungfrau präsent, vielleicht ertönt auch noch irgendwo in einem Seniorenheim der Ausruf »Vermaledeit!«. Aber beide Verben, »benedeien« und →»vermaledeien«, haben ihre beste Zeit gewiss hinter sich und gehören auf die rote Liste der bedrohten deutschen Wörter. Deutsch? Eigentlich nicht. Denn es handelt sich um Lehnwörter, bei denen bene dicere und male dicere Pate gestanden haben, »gut sagen« bzw. »schlecht sagen« oder »verfluchen«. Wobei sich zumindest das entlehnte »Vermaledeit!« doch deutlich kultivierter anhört als das germanisch-grobe »Verflucht!«.

Bestie

Ad bestias condemnare bzw. mittere kam im alten Rom einem Todesurteil gleich. Wer als Verbrecher oder Kriegsgefangener »zu den Tieren verurteilt« bzw. »geschickt« wurde, diente in einem perversen, blutigen Schaukampf dem Unterhaltungsbedürfnis Tausender Arenazuschauer. Zwar war die Grundbedeutung »Tier« grundsätzlich neutral im Hinblick auf Wildheit und Gefährlichkeit dieser nichtmenschlichen Lebewesen, aber die Konnotation des »wilden«, aggressiven, für den Menschen bedrohlichen Tieres lag vielfach nahe, so dass es wenig erstaunlich ist, dass sich daraus im 14. Jh. das Lehnwort »Bestie« entwickelt hat. In der Aussprache hat sich die deutsche »Bestie« gegenüber der lateinischen bestia aber gewissermaßen noch reißerischer fortentwickelt: Aus dem ursprünglich langen ›e‹ ist ein noch angriffslustiger wirkendes kurzes ›e‹ geworden.

Bete

Im Altertum war die beta nicht gerade als Feinschmeckergemüse bekannt. Der Satiriker Persius spricht von der plebeia beta, der »plebejischen Bete« (III14), und Martial zählt die →»fade beta« zur ›Handwerkerkost‹ (XIII13,1). Viel hat sich in der Wertschätzung der Bete offenbar nicht geändert, mag sie sprachlich auch durch ihren lateinischen Ursprung nobilitiert (→Nobel) sein.

Bezirk

Das später davorgesetzte Präfix ›be-‹ vernebelt die lateinische Abstammung des Wortes. Lässt man es weg, so gelangt man schnell zum Ursprungswort circus, »Kreis«. Idealiter ergibt sich ein »Bezirk«, wenn man mithilfe eines →Zirkels einen Kreis um einen Punkt (→Pünktlich) schlägt. Der so abgegrenzte Raum ist das zugehörige Gebiet. Oder eben der »Bezirk«.

Bibel

Für Christen ist die »Bibel« das Buch der Bücher, wenn man so will die ›Mutter aller Bücher‹. Und deshalb trägt die ›Heilige Schrift‹ den Gattungsbegriff schlechthin: bíblos ist im Griechischen das »Buch« – und trotz der scheinbar männlichen Endung auf -os ein Femininum. Wie man am Genus des berühmtesten Buches erkennt: Die Bibel heißt es, und zwar ganz unabhängig von feministischer Theologie.

Biest

Als Schimpfwort gebraucht, wendet sich »Du Biest!« eher an Frauen als an Männer. Anders im alten Rom. Wenn Cicero einen politischen Gegner als bestia beschimpft, ist das in aller Regel ein Mann. Und Kaiser, die wegen sexueller Übergriffe von Biographen und Historikern als bestiae charakterisiert werden, waren bekanntlich ebenfalls Männer. In den Komödien des Plautus hält es sich die Waage: Da wird einmal dem bösen Liebhaber ein mala bestia! entgegengeschleudert (Poenulus1292 f.), an anderer Stelle wird die spröde Geliebte, die überraschend wieder zutraulich wird, als mala bestia angefahren (Bacchides55). Das ist inhaltlich ziemlich nahe am deutschen »Du Biest!«, wie es seit dem 14. Jh. gebräuchlich ist. Und sprachlich ohnehin.

Bims(-stein)

Der »Stein« lässt den Bimsstein noch ›deutscher‹ wirken als der »Bims«. Ein falscher Eindruck. Denn der »Bims« geht sehr wahrscheinlich auf lateinisch pumex zurück, den »Bimsstein«. Auch spuma, der »Schaum«, spielt wohl sprachlich mit hinein – weil er ja ähnlich ›porös‹, wenn auch bei weitem nicht so hart ist wie der Bimsstein. Lateinlerner werden ob der Verwandtschaft von pumex und »Bims« nicht ganz so erstaunt sein: Beim Lateinlernen muss man, umgangssprachlich formuliert, ganz ordentlich bimsen – und selbst dann sind die Kenntnisse noch oft genug porös.

Birne

Die Römer unterschieden eine große Zahl von Birnensorten, die sie nach dem Anbaugebiet, einer bestimmten Farbe, →Form oder einem anderen Kriterium bestimmten – bis hin zur »Duftbirne«, »Königsbirne« und »Venusbirne« (Plinius, Naturalis historiaXV55 f.). Dass sie die →Frucht als solche nach Germanien gebracht haben, ist wenig wahrscheinlich. Sicher dagegen ist, dass »Birne« ein Lehnwort aus dem 11. Jh. zu lateinisch pirum bzw. vulgärlateinisch pira ist.

Bischof

Der Bischof führt die Aufsicht über einen bestimmten, geographisch definierten Bereich der →Kirche. Und ebendaher rührt seine Bezeichnung. Sie leitet sich über das lateinische Lehnwort episcopus vom griechischen epískopos ab. Und das ist der »Auf-Seher«. Überall, wo in der modernen Medizin eine ›-skopie‹ stattfindet, liegt ein griechischstämmiges »Schauen« (skopeín) vor. Auch das Horoskop (»Schau der [Geburts-]Stunde«) ist eine Sicht, und aus der medialen ›Steinzeit‹ kennt man vielleicht noch das Episkop, das eine »Draufsicht« auf Bücher erlaubt, die man darunterlegt. Im Unterschied freilich zum technisch weitgehend überholten Episkop hat der epískopos alias Bischof den Sprung in die Moderne geschafft – jedenfalls in sprachlicher Hinsicht.

Blamieren

Wer sich blamiert, fügt sich Schaden zu. Das deutsche Verb wurde im 17. Jh. von französisch blâmer entlehnt. Doch ist seine eigentliche sprachliche Heimat das Griechische. Das Ursprungswort heißt blasphemeín, »Schaden (herbei-)reden« und damit »schmähen«, »verleumden«. Auch als Fremdwort ist blasphemeín noch im gegenwärtigen Deutsch präsent: Das Schmähen oder Beleidigen Gottes nennen wir »Blasphemie«. Durch eine blasphemische Äußerung, finden zumindest die Befürworter der strafrechtlichen Relevanz des Tatbestandes, steht Gott gewissermaßen blamiert da.

Bombe

Wenn die Römer von einem bombus sprachen, so bezeichneten sie damit lautmalerisch ein dumpfes Geräusch, u. a. das Summen der Bienen oder auch das Zusammenschlagen der Hände beim Klatschen. Erfunden haben das Wort aber die Griechen; bómbos war auch bei ihnen der »dumpfe, tiefe Ton«. Welch ein Bombenerfolg der Rezeption des bómbos beschieden war, wird nicht zuletzt am englischen boom deutlich, der es auch ins modische Denglisch geschafft hat – obwohl der englischstämmige ›Boom‹ im Grunde nichts anderes ist als die deutsche »Bombe«.

Börse

Besitzer einer aus Leder gearbeiteten Geldbörse sind nah am Ursprung des Wortes: Als býrsa bezeichneten die Griechen ein »abgezogenes Fell«, eine »Lederhaut«. Die ›klassischen‹ Römer gingen an dem Wort achtlos vorbei, aber ins späte und Mittellatein gelang der býrsa dann doch noch die Aufnahme als Lehnwort bursa. Das ist der lederne »Geldbeutel«. Geld wechselt üblicherweise den Besitzer und ist der Treibstoff für den Handel. Insofern lag es nahe, dass der Begriff auf den zentralen Handelsplatz – später den speziellen Ort für den Geldhandel – übertragen wurde: die »Börse«, an der unvorsichtige Spekulanten in unangenehmer Weise an die Etymologie des Wortes erinnert werden, wenn ihnen dort das Fell über die Ohren gezogen wird.

Bottich

Auch wenn eine andere Erklärung »Bottich« aus einer mittelalterlichen Kurzform von apotheca ableiten möchte (und dem Wort damit griechischen Ursprung bescheinigt), dürfte die Abstammung von der mittellateinischen buttis bzw. butica, »Fass«, näherliegen. Der im 9. Jh. entlehnte »Bottich« hätte damit denselben Ursprung wie die weniger geläufige »Bütte«. Sie ist indes im Rheinland noch als »Bütt« präsent. Weil Karnevalsreden häufig aus einem Fass her-aus gehalten werden, spricht man von einer ›Büttenrede‹. Was so unrömisch nicht ist, wie es das Klischee vom vermeintlich freudlosen Latein suggerieren könnte: Mit den im →Dezember gefeierten Saturnalien kannten die Römer ein äußerst populäres →Fest mit karnevalesken Zügen. Büttenreden wurden damals zwar nicht gehalten, wohl aber gehörte wenig maßvoller Weinkonsum zu den wesentlichen Charakteristika der madidi dies, der »feuchten Tage«.

Box

Wenn Formel-1-Piloten einen Boxenstopp einlegen, dann ist das sprachgeschichtlich ein durch und durch antikes Manöver. Die →Formel ist eine formula, »kleine Gestalt«, der →Pilot der Bediener des pedón, des »Steuerruders«, der →Stopp geht auf stýppe zurück, den »Werg«, mit dem griechische Klempner Undichtigkeiten zu »verstopfen« (→Stopfen) pflegten, und die »Box« ist eine griechische pyxís bzw. lateinische puxis, ein »Behältnis aus Buchsbaumholz«. Die Formel-1-Box ist zugegebenermaßen die recht übersteigerte Vorstellung einer →Schachtel, in der man etwas unterbringt. Andererseits kennen wir ja auch kleinere Boxen, nette Verpackungen etwa, die man als ›Geschenkbox‹ bezeichnet. Ins Deutsche gefunden hat die »Box« im 19. Jh. über englische Vermittlung, und zwar parallel zum eigenen deutschen Lehnwort: Das ist die →Büchse, die lautlich noch näher am griechischen Original ist.