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Der Wandel in den Lebenswelten der Menschen und die gesellschaftlichen Veränderungen erfordern neue, kreative und effiziente Antworten der Sozialen Arbeit. Die Autoren dieses Buches sichten dazu innovative Handlungsmethoden und testen sie kritisch in der eigenen Praxis. Das Ergebnis ist ein systemisches Case Management, das aktuellen Forderungen nach Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit entspricht und gleichzeitig die hohen Standards einer ressourcen- und klientenorientierten Sozialarbeit erhält. Professionelle Helfer werden dadurch in die Lage versetzt, die eigene Arbeit zufriedener und erfolgversprechender für sich und ihre Klienten zu gestalten.
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Seitenzahl: 240
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Heiko Kleve/Britta Haye/Andreas Hampe/Matthias Müller
Falleinschätzung und Hilfeplanung in der Sozialen Arbeit
Sechste Auflage, 2021
Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:
Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern)
Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke)
Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)
Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)
Dr. Barbara Heitger (Wien)
Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)
Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)
Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)
Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)
Dr. Roswita Königswieser (Wien)
Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)
Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)
Tom Levold (Köln)
Dr. Kurt Ludewig (Münster)
Dr. Burkhard Peter (München)
Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)
Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)
Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)
Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)
Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)
Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)
Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)
Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)
Jakob R. Schneider (München)
Prof. Dr. Jochen Schweitzer (Heidelberg)
Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)
Dr. Therese Steiner (Embrach)
Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin (Heidelberg)
Karsten Trebesch (Berlin)
Bernhard Trenkle (Rottweil)
Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)
Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)
Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)
Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)
Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)
Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)
Umschlaggestaltung: Uwe Göbel
Satz: Drißner-Design u. DTP, Meßstetten
Printed in Germany
Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck
Sechste Auflage, 2021
ISBN 978-3-89670-617-1 (Printausgabe)
ISBN 978-3-8497-8330-3 (ePUB)
© 2006, 2021 Carl-Auer-Systeme Verlag
und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg
Alle Rechte vorbehalten
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Die Auflagen 1–3 erschienen unter der Autorenschaft von Heiko Kleve, Britta Haye, Andreas Hampe-Grosser, Matthias Müller.
Informationen zu unserem gesamten Programm, unseren Autoren und zum Verlag finden Sie unter: https://www.carl-auer.de/
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Carl-Auer Verlag GmbH
Vangerowstraße 14 • 69115 Heidelberg
Tel. + 49 6221 6438-0 • Fax + 49 6221 6438-22
Vorwort zur ersten Auflage
Vorwort zur dritten Auflage
Einleitung
Soziale Arbeit in der Postmoderne
Heiko Kleve
Methodische Grundlagen Sozialer Arbeit
Eine fragmentarische Skizze
Heiko Kleve
Case Management
Eine methodische Perspektive zwischen Lebensweltorientierung und Ökonomisierung Sozialer Arbeit
Heiko Kleve
Verfahren (Techniken) und Struktur im Case-Management-Prozess
Theorie – Praxis – Handreichungen
Matthias Müller
Systemische Kontextklärung
Fragestellungen für die Kontextualisierung während der Falleinschätzung
Heiko Kleve
Systemische Schritte helfender Kommunikation
Sechs-Phasen-Modell für die Falleinschätzung und die Hilfeplanung
Britta Haye und Heiko Kleve
Systemisches Case Management mit
Multiproblemfamilien
Andreas Hampe
Teil 1: Soziale Arbeit mit Multiproblemfamilien – theoretische Perspektiven
Teil 2: Die Praxis des Sechs-Phasen-Modells aus der Perspektive eines Allgemeinen Sozialpädagogischen Dienstes – ein Fallbeispiel
Literatur
Über die Autoren
Wir freuen uns sehr, dass unser Buch in einer korrigierten Neuauflage im Carl-Auer Verlag erscheint. Die erste Auflage, die im Jahre 2003 beim Kersting-Verlag Aachen publiziert wurde, fand in der Fachöffentlichkeit eine so große Resonanz, dass wir, seitdem das Buch vergriffen war, immer wieder angefragt wurden, wann die nächste Auflage auf den Markt komme. Aufgrund einer Neustrukturierung des Kersting-Verlags im Rahmen des Instituts für Beratung und Supervision Aachen (IBS), die mit dem Tod des Verlagsgründers Prof. Dr. Heinz J. Kersting (1937–2005) zu tun hat, hätte eine zweite Auflage nicht sogleich produziert werden können. Daher bedanken wir uns herzlich bei den Betreibern des Kersting-Verlags, insbesondere bei der Erbin Frau Waltraud Hornmann, der Witwe Heinz Kerstings, und beim Geschäftsführer des IBS Aachen, Herrn Georg Nebel, dass Sie uns »grünes Licht« gegeben haben, um das Buch in einem anderen Verlag zu publizieren. Und dass dies so unproblematisch und schnell möglich war, ist insbesondere das Verdienst von Frau Beate Ch. Ulrich, der stellvertretenden Geschäftsführerin des Carl-Auer Verlags, und des dortigen Lektors Herrn Dr. Ralf Holtzmann – auch ihnen gebührt unser Dank.
Wir legen unser Buch zwar in einer korrigierten und neu ausgestatteten, jedoch inhaltlich unveränderten Neuauflage vor, weil wir der Meinung sind, dass das Innovative unserer Ausführungen – die Verknüpfung der systemischen Perspektive mit dem Verfahren des Case Management – nichts von seiner Aktualität verloren hat. Im Gegenteil: Möglicherweise wird die Frage, wie Case-Management-Prozesse ressourcen- und lösungsorientiert sowie zielwirksam methodisch strukturiert werden können, noch viel relevanter, wenn dieses Verfahren in immer weiteren Arbeitsfeldern Einzug hält. Aus unserer Sicht gibt es nur wenige methodische Perspektiven, die so passend sind für eine zukunftsträchtige Soziale Arbeit in postmodernen Zeiten wie die systemische. Daher hoffen wir, dass das Buch durch die Neuauflage viele weitere Leserinnen und Leser gewinnen wird, denen es Anregungen gibt, wie die eigene Praxis im Sinne der Klientinnen und Klienten effektiver und effizienter gestaltet werden kann.
Heiko Kleve, Britta Haye, Andreas Hampe, Matthias Müller
Berlin, im Sommer 2006
Dass unser Buch nun in dritter Auflage im Carl-Auer Verlag erscheint, zeigt, dass Case Management nach wie vor als Verfahren gilt, das in der Praxis sehr gefragt ist, das klassische sozialarbeiterische Konzepte der Einzelfallhilfe und der Organisation von Hilfeprozessen in einer kompakten und sehr gut anwendbaren Form integriert. Vor allem die systemische Ausgestaltung komplexer Fallarbeit steht in diesem Buch im Mittelpunkt. Case Management wird als ein Verfahren der klar strukturierten und auf die Ressourcen der Klientinnen und Klienten sowie ihrer Lebenswelten sich beziehenden Praxis der Falleinschätzung und Hilfeplanung präsentiert. Praktikerinnen und Praktiker können auf der Grundlage des Buches ihre konkrete fallbezogene Arbeit neu ausrichten, stärker als vielleicht bisher auf die Selbsthilfekräfte ihrer Adressatinnen und Adressaten fokussieren sowie Selbstreflexionsprozesse bei sich und den anderen Beteiligten der Hilfen initiieren.
In der Entwicklung des Case Management ist in den letzten Jahren sehr viel passiert. Intensiv hat sich der Fachdiskurs mit den Themen der Gestaltung und Organisation der Hilfesysteme auseinandergesetzt, die Implementierung von Case Management reflektiert und die unterschiedlichen Anwendungsfelder des Verfahrens im Sozial- und Gesundheitswesen erforscht. All diese Aspekte kommen in diesem Buch eher am Rande zur Sprache. Wir konzentrieren uns hier auf die Basis des Ansatzes: auf eine fallbezogene, ressourcenorientierte Gestaltung von komplexen Hilfeprozessen in der Sozialen Arbeit, insbesondere in der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe.
Wer nach der Lektüre unserer Publikation oder parallel dazu Case Management in seinen weiteren, ja äußerst vielfältigen Facetten vertiefen will, der sei auf die immer wieder aktualisierte Zusammenstellung von entsprechender aLiteratur zum Thema, auf die Präsentation aktueller Forschungsergebnisse oder die Zusammenstellung von Tagungsberichten auf den Internetseiten der Deutschen Gesellschaft für Care und Case Management (http://www.dgcc.de) verwiesen.
Wir möchten uns schließlich für das anhaltende Interesse an unserem Buch bedanken und hoffen, dass dieses auch weiterhin nachhaltige und konstruktive Praxisentwicklungen anregt.
Heiko Kleve, Britta Haye, Andreas Hampe, Matthias Müller
Berlin/Potsdam im Herbst 2010
Heiko Kleve
Genauso wie die Gesellschaft ist die Sozialarbeit im Wandel. Die sozialen Phänomene, die mit Differenzierung der Lebenslagen, Pluralisierung, Individualisierung und Globalisierung benannt werden, sind in aller Munde und tangieren auch die Sozialarbeit unmittelbar. Die gesellschaftlichen Modernisierungsprozesse verändern alle sozialen Verhältnisse, sie verändern aber auch besonders das Verhältnis der einzelnen Menschen zur Gesellschaft und zu deren Institutionen.
Der Wohlfahrtsstaat wäre nicht mehr so finanzierbar wie bisher. Die Sozialarbeit gerät mehr und mehr unter Druck, ihre Hilfeangebote zu ökonomisieren, sie nach Effektivität (Zielwirksamkeit) und Effizienz (Wirtschaftlichkeit) zu bemessen. Mehr denn je ist Ressourcenorientierung aktuell. Informelle Hilfepotenziale der Lebenswelten sind wieder verstärkt zu fördern. Die Eigenverantwortung der Bürger für ihre Belange ist von der Sozialarbeit zu stützen. Sozialarbeiterische Organisationen werden zu sozialen Dienstleistungsunternehmen umstrukturiert, die mündige Bürger erfordern – Bürger, die wissen, was sie an Hilfe brauchen und diesbezüglich auswählen können. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter werden in diesem neuen Arrangement zu Managern des Sozialen, die Angebote machen, an Ressourcen arbeiten, Vernetzungen herstellen sowie das informelle und formelle Angebot von Hilfe koordinieren.
Die Frage ist nur, ob sich die veränderten Lebenswelten und die individualisierten Individuen auf diesen Wandel des Sozialstaates und der Sozialarbeit einstellen können. Denn auch in der Lebenswelt ist alles in Veränderung. So differenzieren sich etwa Familienstrukturen aus. Die klassische Kernfamilie, sozusagen die familiäre Normalform, bestehend aus Vater, Mutter und Kind(ern), ist inzwischen ein Familienmodell unter vielen anderen geworden.
Einelternfamilien, bestehend aus allein erziehenden Müttern oder Vätern und deren Kinder, oder Stieffamilien, bestehend aus einem leiblichen Elternteil und einem Stiefelternteil sowie deren Kinder, galten noch vor einem halben Jahrhundert als besondere, eher seltene Familienformen; sie sind heute normal geworden. Parallel zu diesen Veränderungen befinden sich die individuellen Ansprüche an die Familie, an die Liebe allgemein und an die Selbstverwirklichung im Wandel. Die Geschlechterverhältnisse mischen sich neu, die klassischen familiären Rollenverteilungen verwischen sich. Partnerinnen und Partner stellen häufig hohe Erwartungen an ihre Beziehung, die – wenn überhaupt – nur über Dialogfähigkeit eingelöst werden können.
Eingebunden in diese Prozesse ist die Sozialarbeit, die sowohl mit einem veränderten Sozialstaatkonzept als auch mit sich verändernden Lebenswelten, in denen hoch anspruchsvolle Individuen zu Hause sind, konfrontiert wird. Von der Sozialarbeit sind daher Konzepte gefragt, die den beschriebenen Wandlungsprozessen Rechnung tragen, die mit den gesellschaftlichen Veränderungen mitgehen. Solche Konzepte wollen wir in diesem Buch für die Soziale Einzel- und Familienarbeit konstruieren und dazu einladen, diese Konzepte in der Praxis der Sozialen Arbeit auszuprobieren und zu überprüfen oder sie im Studium sowie in der Fort- und Weiterbildung zu diskutieren.
Wir, also Britta Haye, Andreas Hampe, Matthias Müller und ich, sind bereits seit mehreren Jahren im Gespräch darüber, wie die oben knapp beschriebenen Wandlungen in den Lebenswelten der Menschen und in der Sozialen Arbeit methodisch bewältigt werden können, und zwar so, dass daraus kein Abbau sozialarbeiterischer Standards resultiert. Vielmehr ist es uns ein Anliegen, innovative sozialarbeiterische Handlungsmethoden zu sichten, zu testen und gegebenenfalls so weiterzuentwickeln, dass sie den aktuellen Anforderungen gerecht werden. Ein erstes Ergebnis unserer Arbeitsgruppe, die vor allem ich in enger Kooperation mit Britta Haye an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin koordiniere, ist das vorliegende Buch, in dem wir versuchen, Ansätze zum Case Management mit methodischen Vorstellungen einer systemisch-konstruktivistisch orientierten, einer postmodernen Sozialarbeit (s. dazu Kleve 1999; 2000) zu koppeln. Wir wollen den Leserinnen und Lesern also methodische Ansätze vorstellen, die von einer klassischen zu einer postmodernen Sozialarbeit führen könnten, einer Sozialarbeit, die sich bewusst ist, dass sie nicht mehr so weitermachen kann wie bisher.
Nach unserem Verständnis ist die Gesellschaft und mit ihr auch die Sozialarbeit spätestens jetzt zu Beginn des 21. Jahrhunderts in eine postmoderne Phase eingetreten. Während die moderne Sozialarbeit noch wusste, anhand welcher Normen die vermeintlich abweichenden Klienten in die Gesellschaft reintegriert bzw. für die Gesellschaft normalisiert werden sollten, geht einer postmodernen Sozialarbeit dieses Wissen mehr und mehr verloren. Die Frage ist dann, durch welche Methoden, professionellen Haltungen und theoretischen Orientierungen dieses Nichtwissen kompensiert werden kann – wir meinen: vielleicht durch ein Case Management, das sich vor allem hinsichtlich der Falleinschätzung und Hilfeplanung systemisch-konstruktivistisch orientiert.
Ein solches Systemisches Case Management geht von vier postmodernen Prämissen aus (vgl. dazu Kleve 2000, S. 59 ff.): Erstens sieht es das Primat von Kommunikation, also die soziale Tatsache, dass es nur realisierbar ist, wenn es Dialoge, Diskurse, Aushandlungen, kurz Gespräche zwischen Menschen initiiert, die die soziale Wirklichkeit allererst konstruieren; zweitens akzeptiert es die zu erwartende Möglichkeit der grundsätzlichen Verschiedenheit (Differenz) zwischen den lebensweltlichen Bezügen bzw. subjektiven wie sozialen Wirklichkeitskonstruktionen der SozialarbeiterInnen und der KlientInnen; drittens reflektiert es die Grenzen des sozialarbeiterischen Handelns und anerkennt die Unmöglichkeit instruktiver Interaktionen (s. dazu weiterführend Kersting 1991), vielmehr öffnet es sich für Kontingenz, für die Möglichkeit, dass alles immer auch anders kommen kann, als es geplant, erdacht oder intendiert war; viertens schließlich eröffnet es ein reflexives Vorgehen, das die SozialarbeiterInnen auffordert, dass sie das, was sie tun, permanent – z. B. mittels Evaluationen oder Supervisionen – verantwortungsbewusst hinterfragen, einschätzen und bewerten und sich neue, alternative Handlungsmöglichkeiten überlegen, wenn die bisherigen nicht zum gewünschten Ziel, der erfolgreichen Hilfe für KlientInnen, führen.
Wir haben bereits festgestellt, dass sich die Sozialarbeit nicht mehr problemlos auf eine gegebene moralische Einheit der Gesellschaft beziehen kann, um von dort aus integrierende Normanpassungen ihrer vermeintlich devianten Klienten vorzunehmen. Vielmehr müssen nun, quasi losgelöst von jeder einheitlichen moralisch-gesellschaftlichen Verankerung, in – z. B. durch das Rechtssystem gerahmten – Ver- und Aushandlungsprozessen die Problem-, Reflexions-, Handlungs- und Zielbezüge sozialarbeiterischer Hilfen im Spannungsfeld sozialer (etwa politischer, wirtschaftlicher, familiärer etc.) und individueller Erwartungen immer wieder neu geschaffen, konstruiert werden. Das Soziale muss von der Sozialarbeit alltäglich neu hergestellt werden. Kaum etwas ist noch selbstverständlich. Fast alles ist hinterfragbar geworden, kann immer auch anders beschrieben, erklärt und bewertet werden. Unsere soziale Situation ist so ambi- oder polyvalent, so mehrdeutig wie vielleicht nie zuvor.
Trotz dieser postmodernen Situation sind wir der Ansicht, dass ein Bezug der Sozialarbeit weiterhin – womöglich sogar radikaler als je zuvor – erhalten bleiben wird und erhalten bleiben muss, nämlich der Klientenbezug.
Dieser Bezug wird gerne mit der Aussage umschrieben, dass die Klienten dort abgeholt werden müssen, wo sie stehen. Dieser Klientenbezug, der typisch ist für die Sozialarbeit, bildet auch die Basis für die These, die wir den folgenden Texten voranstellen wollen. Diese These lautet, dass es in konkreten Hilfeprozessen die Klienten Sozialer Arbeit selbst (und nicht die Helfer) sind, die am ehesten wissen, was gut für sie ist. Dieser Orientierung fühlen sich die Autorin und die Autoren dieses Buches verpflichtet. Insbesondere um diese Idee in die Praxis umzusetzen, bieten sich unserer Ansicht nach eben die beiden methodischen Richtungen an, die wir in diesem Buch kombinieren: die systemischkonstruktivistische Perspektive und das Case Management.
Unserer Ansicht nach sind systemisch-konstruktivistische Orientierungen und das Case Management sozialarbeiterische Ansätze, in denen zwei wesentliche Postulate, die aktuelle sozialarbeiterische Ansätze prägen sollten, aufgenommen werden: nämlich einerseits die Lebensweltorientierung und andererseits die Ökonomisierung.
Im Sinne der Lebensweltorientierung sind die beiden Methoden dialogisch orientiert. Mit Hilfe dieser Methoden können SozialarbeiterInnen zusammen mit den KlientInnen versuchen, in kommunikativen Aushandlungsprozessen Lösungen zu initiieren. Die Klienten werden dabei – ganz im Sinne unserer oben genannten These – als Experten für die Realisierung der Problemlösungen gesehen. Die SozialarbeiterInnen gehen also nicht normativ vor, sondern verstehen sich als Experten für die prozesshafte Konstruktion von Zielen und für das prozesshafte Anregen der Klienten hinsichtlich der Zielerreichung. In diesem Sinne sind die SozialarbeiterInnen Kommunikationsexperten, die das kommunikative, das dialogische Erschließen von Zielen und Lösungen, die in der Lebenswelt der Klienten sinnvoll und sinnhaft sind, anregen, ja ermöglichen.
Im Sinne der Ökonomisierung sind beide Methoden – mit den oben genannten Einschränkungen bezüglich der Grenzen des sozialarbeiterischen Handelns – an Effektivität und damit fast zwangsläufig an Effizienz orientiert. Sie sind auf Effektivität ausgerichtet, weil sie die Ergebnisse der Hilfe anhand der Ziele messen, die zuvor, d. h. während des Hilfeprozesses, zumeist immer wieder erneut ausgehandelt wurden. Nur wenn Ziele definiert wurden, kann zielwirksam, also effektiv gearbeitet werden, und nur wenn die Ergebnisse mit diesen Zielen verglichen werden, ist es möglich, die erreichte Effektivität zu messen.
Unabhängig von den konkreten Zielvereinbarungen in jeder Hilfe kann als das grundlegende Ziel jeder Sozialarbeit – im weitesten Sinne – die »Hilfe zur Selbsthilfe« angegeben werden. Mit anderen Worten soll sozialarbeiterische Hilfe bewirken, dass die Klienten in absehbarer Zeit sich wieder selber helfen können oder dass Personen aus dem lebensweltlichen Netzwerk (z. B. Familienangehörige, Nachbarn, Freunde, ehrenamtliche Helfer) unterstützend wirken, sodass die professionelle Hilfe überflüssig wird.
Um dieses Ziel zu erreichen, ist das »zentrale Hilfeparadoxon« (Wolff 1990, S. 22) zu reflektieren, das darin besteht, dass Hilfe immer auch zur Nicht-Hilfe im negativen Sinne führen kann, das heißt zur Abhängigkeit der Klienten von den Helfern. Beide Methoden – sowohl die systemische Beratung als auch das Case Management – versuchen, gerade diese Abhängigkeit zu verhindern, indem sie die Wahrscheinlichkeit, dass diese Abhängigkeit überhaupt erst entstehen kann, durch einen kritischen Einbezug des Faktors Zeit verringern.
Hilfen sollen so lange wie nötig, aber so kurz wie möglich dauern. Die These ist, dass Abhängigkeit mit der Verfestigung von Strukturen über einen längeren Zeitraum entsteht. Mit anderen Worten, je länger eine Hilfe dauert, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Klienten von dieser – wie auch immer – abhängig werden; und umso teurer werden die Hilfen dann, was dazu führt, dass Effizienz sinkt. Wir können sehen, dass sich die Beachtung des Zeitaspektes auf das bezieht, was wir Effizienz nennen, nämlich auf die Wirtschaftlichkeit. Hilfen, die (»nur«) so lange wie nötig und so kurz wie möglich durchgeführt werden, sind – so ist zumindest zu vermuten – kostengünstiger (wirtschaftlicher, effizienter) als Hilfen, die diesen Aspekt nicht beachten. Aus diesem Grund sollte in der Sozialen Arbeit verstärkt systemisch-lösungsorientiert im Sinne von Steve de Shazer (1988; 1991; 1996) gearbeitet werden. Dies würde dann vermutlich auch effiziente zeitsensible Hilfen ermöglichen, die innerhalb von Case-Management-Prozessen begleitet und evaluiert werden könnten.
Unser Buch ist deduktiv aufgebaut, wir gehen also vom Allgemeinen zum Konkreten.
Zunächst wird Heiko Kleve eine kurze Skizze der methodischen Grundlagen Sozialer Arbeit zeichnen. Dabei klärt er die Frage, was überhaupt unter Methodik der Sozialen Arbeit zu verstehen ist, und ordnet die sozialarbeiterische Methodenentwicklung in den historischen Prozess gesellschaftlicher Entwicklung ein. Des Weiteren stellt er knapp die klassischen Arbeitsformen Sozialer Arbeit dar und erläutert drei psychologische/psychotherapeutische Schulen, die die Soziale Einzelfallhilfe ausgesprochen stark geprägt haben und wohl immer noch prägen: die Psychoanalyse/Tiefenpsychologie, die klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie/nicht-direktive Beratung und die systemische Familientherapie. Diese Skizze der methodischen Grundlagen Sozialer Arbeit erscheint vor allem deshalb sinnvoll, weil auch ein Systemisches Case Management nicht losgelöst ist von den historischen Prozessen und Einbindungen der sozialarbeiterischen Methodik, es bietet höchstens eine neue Perspektive auf dem Hintergrund des herkömmlichen Sozialarbeiterischen.
Diese neue Perspektive des Case Management wird im zweiten Beitrag thematisiert. Heiko Kleve vertritt dort die These, dass Case Management mit einer aktuell in der heutigen Sozialen Arbeit sehr ausgeprägten Ambivalenz umzugehen erlaubt: die Ambivalenz von Lebensweltorientierung und Ökonomisierung. Case Management ermöglicht es Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, auf beiden Seiten der Ambivalenz zugleich zu stehen, also sowohl lebensweltorientiert als auch ökonomisch reflektiert zu handeln. Um dies zu begründen, werden zunächst einige grundsätzliche Postulate beider Orientierungen beschrieben, um sodann anhand des Case-Management-Prozesses zu zeigen, welche lebensweltorientierten und ökonomisch ausgerichteten Möglichkeiten des methodischen Handelns Case Management bietet.
Auf den Case-Management-Prozess geht Matthias Müller in seinem Beitrag vertiefend ein. Zunächst reflektiert er die geschichtliche Entstehung des Case Management und leitet daraus die Möglichkeiten dieser Methode ab: Desintegrationen von KlientInnen hinsichtlich sozialarbeiterischer und anderer Hilfen sowie Diskontinuitäten im Hilfeprozess entgegenzuwirken. Wie dies gelingen kann, wird erläutert anhand der Darstellung eines Fünf-Phasen-Modells zum Case Management. Besonders wichtig sind in diesen Phasen Verfahren und Techniken, die erst ihre Ausgestaltung (z. B. die Erarbeitung und Operationalisierung von Zielen) ermöglichen. Solche Techniken und Verfahren stellt Matthias Müller vor und lädt PraktikerInnen ein, diese sogleich für ihre Case-Management-Arbeit zu nutzen. Am Ende des Textes wird eine Reihe von Werkzeugen angeboten, die ebenfalls sofort in der Praxis genutzt werden können.
Werkzeuge bietet auch Heiko Kleve im nächsten Text. Er vertritt die These, dass in der Phase der Falleinschätzung die Kontexte insbesondere des Falls und der Hilfe allgemein gründlich zu klären sind. Nur wenn man die Rahmenbedingungen der Arbeit von Anfang an im Auge behält, ist zielwirksames und für KlientInnen sowie HelferInnen erfolgreiches Arbeiten möglich. Für die Klärung dieser Rahmenbedingungen werden unterschiedliche Fragekomplexe angeboten.
Für die Umsetzung in der Praxis bietet auch der nächste Aufsatz von Britta Haye und Heiko Kleve viele Möglichkeiten. Es wird nämlich ein Sechs-Phasen-Modell zur Strukturierung der Kommunikation in der Fallarbeit angeboten, das sich im Rahmen des Case Management insbesondere für die Falleinschätzung und die Hilfeplanung eignet. Ausgehend vom klassischen methodischen Dreischritt der Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien wird ein erweiterter Sechs-Schritte-Rhythmus angeboten und die Ausgestaltung der Schritte thematisiert. So schlagen die AutorInnen vor, dass SozialarbeiterInnen während der Falleinschätzung insbesondere kontextualisieren, Probleme klar definieren, Ressourcen gründlich analysieren und Hypothesen über die Problembedingungen entwickeln sollten. Die Hilfeplanung zeichnet sich dadurch aus, wie auch Matthias Müller in seinem Text zeigt, dass Ziele benannt und die Schritte zu den Zielen genau entwickelt werden (Handlungsplanung, Operationalisierung).
Schließlich zeigt Andreas Hampe, wie die systemischen Sechs-Schritte helfender Kommunikation im Rahmen eines Case Management im Jugendamt, im Allgemeinen Sozialpädagogischen Dienst (ASD) realisiert werden könnten. Da sich die Arbeit des ASD häufig auf »Multiproblemfamilien« bezieht, ja hier gerade die Herausforderung der Sozialen Arbeit liegt, beschäftigt er sich vor allem mit der Frage, wie derartigen Familien erfolgreich geholfen werden kann. Dazu stellt er – im Teil 1 seines Beitrags – zunächst theoretische Überlegungen an, die ein systemisches Verständnis von den KlientInnen Sozialer Arbeit ermöglichen und eine Haltung der SozialarbeiterInnen herausfordern, die genau dazu passt. Mit vielen Beispielen und Schaubildern wird deutlich gemacht, wie ein lösungs- und ressourcenorientiertes Arbeiten im Jugendamt gelingen kann, ohne zu vernachlässigen, dass gerade in diesem Bereich Sozialer Arbeit Hilfe und Kontrolle häufig zusammenfallen. Im Teil 2 bespricht er einen konkreten Fall und strukturiert diesen mit Hilfe des von Britta Haye und Heiko Kleve beschriebenen Sechs-Phasen-Modells für die Falleinschätzung und Hilfeplanung. Der Beitrag von Andreas Hampe stellt gewissermaßen die Synthese dessen dar, was in den Texten zuvor vorgestellt und erläutert wurde.
Ich hoffe, dass die Beiträge dieses Buches dazu einladen, die vorgestellten Konzepte auf ihre praktische Brauchbarkeit zu testen, denn die Autoren sind der Meinung, dass gerade die systemisch-konstruktivistische Orientierung in der Sozialen Arbeit kombiniert mit einem strukturierten Case-Management-Prozess das ermöglicht, was SozialarbeiterInnen anstreben: erfolgreich zu helfen – nämlich so, dass KlientInnen im Sinne von Empowerment ermächtigt werden, ihr Schicksal wieder in die eigenen Hände zu nehmen.
Heiko Kleve
Sozialarbeit und Sozialpädagogik sind in Deutschland die beiden zentralen Wissens- und Handlungsbereiche der Sozialen Arbeit. Ursprünglich wurde davon ausgegangen, dass Sozialarbeit (»Armenfürsorge«) Ersatz für schwindende familiäre Sicherungsleistungen bietet, während Sozialpädagogik (»Jugendfürsorge«) die schwindenden familiären Erziehungsleistungen kompensiert (vgl. Mühlum 1996). Inzwischen können wir allerdings von einer Identität von Sozialarbeit und Sozialpädagogik sprechen (vgl. Merten 1998), d. h., eine Unterscheidung zwischen diesen beiden Bereichen ist kaum noch möglich, sodass das Berufsfeld immer häufiger als Soziale Arbeit bezeichnet wird.
Soziale Arbeit lässt sich in Praxis (Profession Soziale Arbeit) und Wissenschaft (Disziplin bzw. Fachwissenschaft Soziale Arbeit, Sozialarbeitswissenschaft) unterscheiden. Die Methoden der Sozialen Arbeit können als ein Bindeglied zwischen Praxis und Wissenschaft verstanden werden.
Sozialarbeit – Sozialpädagogik – Soziale Arbeit
Sozialarbeitspraxis
Sozialarbeitswissenschaft
Profession Soziale Arbeit
Disziplin Soziale Arbeit
Sozialarbeiterische Organisationen, freiberufliche Sozialarbeit
Hochschulen bzw. hochschulische Fachbereiche für Soziale Arbeit
Wirksamkeit und Angemessenheit des Handelns
»Wahrheit«, im Sinne von Anschlussfähigkeit und Brauchbarkeit des Wissens
Methoden Sozialer Arbeit …
… als Bindeglied von theoretischem, disziplinärem Erklärungswissen und praktischem, professionellem Handlungs-, Werte- sowie
Evaluationswissen
Abb.: Methoden als Bindeglied von Theorie und Praxis
Praxis: Die Praxis der Sozialen Arbeit wird auch Profession genannt, sie ist das berufliche Handlungsfeld, in dem die SozialarbeiterInnen tätig sind. Das sozialarbeiterische Handlungsfeld lässt sich weiter in Interaktion (Mikroebene), Organisation (Mesoebene) und Gesellschaft (Makroebene) unterscheiden. Mit anderen Worten, es arbeiten SozialarbeiterInnen etwa in der Beratung mit KlientInnen auf einer kommunikativen Interaktionsebene, weiterhin sind sie in sozialarbeiterische Organisationen (z. B. in Sozial-, Jugend- und Gesundheitsämtern oder bei freien Trägern) als Angestellte eingebunden oder erhalten als freiberuflich Tätige ihre Aufträge von diesen Organisationen. Schließlich stellt die Soziale Arbeit ein gesellschaftliches Funktionssystem dar, das neben anderen Systemen der Gesellschaft (Wirtschaft, Politik, Erziehung, Religion, Recht, Kunst, Wissenschaft etc.) potenziell für alle Gesellschaftsmitglieder (»Bürger«) Leistungen (»soziale Hilfe«) erbringt.
Inzwischen kann gesagt werden, dass Soziale Arbeit gewissermaßen von der Geburt bis zum Tode der Bürger in allen Lebensabschnitten und -bereichen (präventiv, interventiv und postventiv) tätig ist. Dabei fokussiert sie biologische, psychische und soziale Prozesse von Menschen und ist doppelt generalistisch tätig: Sie bezieht sich potenziell sowohl auf die gesamte Gesellschaft (als Berufs- und Funktionssystem) als auch auf alle Ebenen des individuellen Lebens (als organisatorisches und interaktionelles Handlungssystem):
Gesellschaftliches Funktionssystem
Organisations- und Handlungssystem
Universeller Generalismus: Heterogenität (Vielfältigkeit) des sozialarbeiterischen Handlungsfeldes
Spezialisierter Generalismus: Heterogenität (Vielfältigkeit) des sozialarbeiterischen Fallbezugs
Prävention * Intervention * Postvention
Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien * Gruppenarbeit * Gemeinwesenarbeit
Sozialhilfe, Kinder- und Jugendhife, Familienhilfe, Behindertenhilfe, Obdachlosenhilfe, Suchthilfe, Krankenhilfe, Schuldnerhilfe, Rechtshilfe, Altenhilfe etc.
Biologisches (biologische Bedürfnisse und alle körperlichen/somatischen Aspekte, die damit zusammenhängen)
Psychisches (psychische Bedürfnisse
und alle psychischen/kognitiven/ emotionalen Aspekte, die damit zusammenhängen)
Soziales (soziale Bedürfnisse
und alle sozialen Aspekte, die damit zusammenhängen
Abb.: Doppelter Generalismus Sozialer Arbeit
Wissenschaft: Die Wissenschaft der Sozialen Arbeit (Sozialarbeitswissenschaft) wird auch Disziplin genannt, sie ist das Handlungs- bzw. Forschungsfeld, in dem die WissenschaftlerInnen tätig sind, d. h. StudentInnen ausbilden (lehren) und forschen. Die Wissenschaft hat insbesondere die Aufgabe, Wissen bereitzustellen, mit dem die Praxis und mit dem in der Praxis beobachtet, beschrieben, erklärt und bewertet, kurz reflektiert werden kann.
Methoden: Die Methoden Sozialer Arbeit stellen, wie gesagt, ein Bindeglied zwischen Praxis und Wissenschaft dar, sie sind im besten Falle wissenschaftlich begründet und praktisch wirksam. Sie sollen in einem bestimmten Arbeitsfeld, innerhalb von Hilfeprozessen (z. B. innerhalb der Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien) Menschen gezielt dabei helfen, ihre sozialen Probleme zu lösen. Methoden sind in dieser Hinsicht ein »Kern« professioneller Sozialarbeit/Sozialpädagogik.
Zwei Definitionen zum Begriff Methode: »Methode heißt, strategisch einen Weg zu beschreiten, der nach Zweck und Ziel und nach Lage der Dinge angemessen erscheint« (Wendt; zit. nach Galuske 1998, S. 29).
»Methoden der Sozialen Arbeit thematisieren jene Aspekte im Rahmen sozialpädagogischer/sozialarbeiterischer Konzepte, die auf eine planvolle, nachvollziehbare und damit kontrollierbare Gestaltung von Hilfeprozessen abzielen und die dahingehend zu reflektieren und zu überprüfen sind, inwieweit sie dem Gegenstand, den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, den Interventionszielen, den Erfordernissen des Arbeitsfeldes, der Institution sowie den beteiligten Personen gerecht werden« (Galuske 1998, S. 25).
Daraus ergeben sich sechs Perspektiven, die bei der Reflexion von Methoden Sozialer Arbeit grundsätzlich zu beachten sind (vgl. ebd., S. 25 f.):
1. Sachorientierung: Welche Probleme sollen mit der Methode bearbeitet werden? Wird die Methode der Problemlage gerecht?
2. Zielorientierung: Welche Ziele sollen mit der Methode erreicht werden? Lassen sich die Ziele mittels der Methode einlösen?
3. Personen- und Interaktionsorientierung: Wird die Methode den betreffenden Personen (KlientInnen/SozialarbeiterInnen) und ihrer Interaktion gerecht?
4. Arbeitsfeld- und Institutionsorientierung: Ist die Methode sinnvoll innerhalb der institutionellen/organisatorischen Rahmenbedingungen anwendbar?
5. Planungsorientierung: Erlaubt die Methode die gezielte Planbarkeit von Hilfeprozessen?
6. Überprüfbarkeit (Evaluation; Controlling): Lassen sich am Ende darüber Aussagen treffen, ob und wie die Methode gewirkt hat?
Die berufliche, professionelle Soziale Arbeit, so wie wir sie heute kennen, ist ein Ergebnis der gesellschaftlichen Evolution; sie ist beispielsweise hervorgegangen aus der Armenpflege der freien Reichs- und Hansestädte, der bürgerlichen Frauenbewegung, der sozialdemokratischen, sozialistischen und kommunistischen Arbeiterbewegung, der sozialreformerischen Bemühungen staatlicher Institutionen, der so genannten Armenpolicey, der diakonischen und karitativen Bemühungen der Kirchen sowie der Jugendbewegung. Gesellschaftshistorisch lässt sich die Soziale Arbeit neben vormodernen Hilfeformen als die moderne Form des sozialen Helfens bewerten (vgl. Luhmann 1973).
Vormoderne
Moderne
Archaische Gesellschaft (»Urgesellschaft«)
Hochkultivierte Gesellschaft (»Feudalistische Gesellschaft«)
Moderne Gesellschaft (»Kapitalistische Gesellschaft«, »Industriegesellschaft« etc.)
primär differenziert in soziale Segmente (z. B. in Familien, Stämme etc.)
primär differenziert in soziale Schichten und Klassen (Bauern, Handwerker, Adel etc.)
primär differenziert in Funktionssysteme (z. B. Wirtschaft, Politik, Recht, Wissenschaft, Erziehung, Soziale Arbeit etc.)
reziproke (wechselseitige) persönliche Hilfen auf der Grundlage von Hilfe- und Dankeserwartungen
moralisch bzw. religiös inspirierte Hilfen zwischen verschiedenen Schichten/Klassen
gesetzlich definierte, abgesicherte und organisatorisch durchgeführte Hilfen (rationalisierte, bürokratisierte und ökonomisierte Hilfe, Sozialstaatsprinzip, moderne und professionelle Sozialarbeit)
Abb.: Hilfeformen im Wandel
Soziales Helfen kann verstanden werden als Beitrag zur Befriedigung der Bedürfnisse von Menschen, die diese nicht mehr selbst befriedigen können. Sozialarbeiterische Hilfen beziehen sich auf materielle und symbolische (soziokulturelle) Bedürfnisse, die für die physische und psychische Reproduktion von Menschen erforderlich sind bzw. gesellschaftlich so bewertet werden. Somit wird soziales Helfen auch verstanden als ein Bedarfsausgleich im Hinblick auf ungleich verteilte und verfügbare soziale Ressourcen und Kapazitäten – z. B. Unterkunft, Nahrung, Gebrauchsgegenstände, Geld, Arbeit, Freizeit, Erziehung, Bildung, Betreuung, persönliche Beziehungen, soziale Netzwerke.
In der modernen Gesellschaft lassen sich vor allem vier unterschiedliche Hilfeformen beobachten, die nebeneinander existieren:
situationsgebunden
situationsübergreifend
personengebunden
1. personengebunden und situationsgebundenHilfe in Familien, unter Freunden, in Nachbarschaften, in Selbsthilfegruppen
3. personengebunden und situationsübergreifendProfessionelle soziale Hilfe (in Interaktionsprozessen, z. B. Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien)
personenübergreifend
2. personenübergreifend und situationsgebundenSpontane Hilfe unter Fremden
4. personenübergreifend und situationsübergreifendHilfen durch den Sozialstaat (Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe etc.), Versicherungsleistungen
Abb.: Hilfeformen in der modernen Gesellschaft (vgl. zur Übersicht Hillebrandt 2001, S. 44)
Die Professionalisierung (Verberuflichung) der sozialen Hilfe zur Sozialen Arbeit geht einher mit der Etablierung der modernen Gesellschaft. So ist die Soziale Arbeit Teil eines Projektes, das als ein permanentes Ringen um Ordnung, Eindeutigkeit, Rationalisierung, Kontrolle, Klassifizierung, Bestimmung und Identifizierung beschrieben werden kann: nämlich des Moderne-Projektes (vgl. Bauman 1991). Die Durchsetzung der Moderne, der modernen Gesellschaft, die ihren Ursprung in der aufkommenden Aufklärung des 17. Jahrhunderts hat, kann auf die Zeit des Beginns des 20. Jahrhunderts datiert werden.
Der Wechsel vom 19. zum 20. Jahrhundert war ebenfalls der Zeitpunkt, an dem sich die soziale Hilfe von einer primär moralisch bzw. religiös inspirierten »Mildtätigkeit« (vgl. Luhmann 1973) deutlich zu wandeln begann in die professionelle – zunächst ausschließlich frauenberufliche – Sozialarbeit. Nun wurde auch versucht, soziale Hilfe, Armen- und Jugendfürsorge, mithin das, was wir heute Sozialarbeit, Sozialpädagogik bzw. Soziale Arbeit nennen, den Kriterien der gesellschaftlichen Modernisierung, sprich: der Rationalisierung, Verrechtlichung und Bürokratisierung, kurz: der formalen Organisation unterzuordnen.
In diesem Zusammenhang der Modernisierung steht auch die Entwicklung der Methoden und Arbeitsformen Sozialer Arbeit (Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien, Soziale Gruppenarbeit, Gemeinwesenarbeit)