Tage und Atem - Mario Stenz - E-Book

Tage und Atem E-Book

Mario Stenz

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Beschreibung

Aus dem Vorwort: Zu den hier veröffentlichten Gedichten will ich nicht unnötig viel sagen, da jedes überflüssige Wort Erwartungen weckt und den Blick in eine bestimmte Richtung lenkt. Zum Kontext sei nur so viel erwähnt, damit ich mir und den Vorreden meiner anderen Bücher treu bleibe: Mein Aphorismenbuch "Notizen einer Suche" bezeichnete ich als Mikroessayistik, das Buch "Prekäre Zeiten" hätte ich gerne als halbpoetische Arbeiterlyrik verstanden gewusst und "Sehnsucht und Erwachen" ließe sich als neuromantische Existenzpoesie fassen. (Der Gedichtband "Auszeit" war ein unerwartetes Geschenk des Müßiggangs und stellt insofern eine Ausnahme dar.) Das Buch "Tage und Atem" reiht sich aber in meine Veröffentlichungen insofern ein, als es sich wie jedes andere Werk von den vorhergehenden stilistisch unterscheidet. Die bewusste Konstante ist der Versuch und die Veränderung, aus der Freude am Umgang mit Sprache bzw. des Umgangs der Sprache mit mir. Will heißen: ich bin nicht auf der Suche nach einem Stil: Der Versuch und sich versuchen zu lassen sind Merkmale des Stils. Die Gedichte sind mal episch lang, mal von gnomischer Kürze, mal konkret, mal kryptisch im Inhalt, mal frei und verspielt, mal strukturiert, mal schwermütig und appellierend, mal mono- und dialogisierend, mal leichtfüßig in der Stimmung der Heiterkeit, mal nachdenklich, mal intuitiv der Eingebung folgend, aber fast immer sind sie in der Stimmung der Leidenschaft verfasst, in der die Stille in mir laut und zum Atem durch die Tage wurde. Aber eine einheitliche Etikettierung, wie den anderen Veröffentlichungen, wüsste ich diesem Gedichtband nicht zu geben. Es ist "nur" Lyrik, Lebenslyrik vielleicht, die aus dem und über das Leben erzählt, - nicht mehr und nicht weniger; es sind Worte, die durch mich hindurch und aus mir hinaus wollten, da durch Gedanken und bedeutsame Ereignisse in Schönheit und Schmerz, Gipfel und Krise inspiriert, das bewegte Schweigen sich einen Weg durch die Worte zur Welt suchten. Damit ist genug und vielleicht auch nichts gesagt. Der Rest ist eine Sache der Auslegung und Bewegung des Lesers/der Leserin im eröffneten Interpretationsspielraum der Sprache.

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Für

I.S.

„Schreiben als Form des Gebets“

Franz Kafka

"Lebendig ist, wer wach bleibt, sich den anderen schenkt, das bessere hingibt, niemals rechnet. (…)

Lebendig ist, wer das Licht erwartet in den Tagen des schwarzen Sturms, wer die stilleren Lieder ohne Geschrei und Schüsse wählt, sich zum Herbst hinwendet und nicht aufhört zu lieben."

Luigi Nono

Inhalt

Vorwort

I

Heimat

Doch…

Zufall

Träume

Auszeit

Bedarf

Versuchungen

Sorge

Du

Freude

II

Niemandsland

Abseits

Wohin

Alles?

Halt

Stille

Schicksal

Raum

Zuflucht

Müdigkeit

Auszeit

Funde

Familie

Spiegelstille

Anfang

Lektion

Entfremdung

Aufatmen

Wunsch

Zeit

Du

Sturmruhe

III

Dazwischen

Vergessen

Liebe

Gegenwart

Zeitpunkt

Schulter

Offen

Wandel

Entscheidung

Annäherung

Fluss

Frage

Weniger!

Band

Hingabe

Vagabund

IV

Meerblick

Raum 404

Heimkehr

Sehen

Nachtrand

Dank

Impressionen

Nietzschezimmer

Worte

Wasser

Distanz

Sommertag

Gebirgsseele

Aussicht

Abseits

Strandtag

Wellen

Plastikmenschen

Lebensfeier

Besinnung

Mögliches

Konstellation

Lücke

Träume

Offen

Farben

Meer

Meermondnacht

Preisgabe

Entfaltung

Reisen

V

Müdigkeit

Schlaf

Fülle

Wahrnehmung

Gang

Leidenschaft

Bewegung

Nebelnacht

Morgenmusik

Blüten

Schattenneige

Kommendes

Sonne

Blatt

Letztes

Charakter

Anker

Bahn

Weltumkreis

Verkörperung

Sehen

Herbstmorgen

Gründe

Alter

Umbruch

Angst

Novembernacht

Winterbäume

Hunger

Mindestmaß

Vereinzelung

Tagesandacht

Sprachnetz

Winter

Konstitution

Morgenlandschaft

Dreifaltigkeit

Mondmitgefühl

Aufbruch

Einkehr

Tischgespräch

Zeugnis

Nacht

Ruhe

Bereitschaft

Winternacht

Transzendenz

Regentag

Wandel

Gebrechen

Halbzeit

Begegnung

Hochtief

Zeiten

Ferne

Lagebild

Raumstellen

Vorwort

Zu den hier veröffentlichten Gedichten will ich nicht unnötig viel sagen, da jedes überflüssige Wort Erwartungen weckt und den Blick in eine bestimmte Richtung lenkt.

Zum Kontext sei nur so viel erwähnt, damit ich mir und den Vorreden meiner anderen Bücher treu bleibe: mein Aphorismenbuch bezeichnete ich als „Mikroessayistik“, das Buch „Prekäre Zeiten“ hätte ich gern als halbpoetische „Arbeiterlyrik“ verstanden gewusst und „Sehnsucht und Erwachen“ ließe sich als „romantische Existenzpoesie“ fassen. Der Gedichtband „Auszeit“ war ein unerwartetes Geschenk des Müßiggangs und stellt insofern eine Ausnahme dar. Der Band „Tage und Atem“ reiht sich in meine Veröffentlichung insofern ein, als es sich wie jedes andere Werk von den vorhergehenden stilistisch unterscheidet. Die bewusste Konstante ist der Versuch und die Veränderung aus der Freude am Umgang mit Sprache bzw. des Umgangs der Sprache mit mir. Will heißen: ich bin nicht auf der Suche nach meinem Stil; der Versuch und sich versuchen zu lassen sind Merkmale des Stils.

Die Gedicht sind mal episch lang, mal von gnomischer Kürze, mal konkret, mal kryptisch, mal frei und verspielt, mal strukturiert, mal schwermütig, mal leichtfüßig in der Stimmung der Heiterkeit, mal nachdenklich, mal appellierend und mono- wie dialogisierend, mal intuitiv der Eingebung folgend, aber sie sind fast immer in der Stimmung der Leidenschaft verfasst, in der die Stille in mir laut und zum Atem gelebter Stunden wurde.

Aber eine Etikettierung, wie den anderen Büchern, wüsste ich diesem Gedichtband nicht zu geben. Es ist nur Lyrik, Lebenslyrik vielleicht, die aus dem und über das Leben erzählt - nicht mehr und nicht weniger; es sind Worte, die durch mich hindurch und aus mir hinaus wollten, da durch Gedanken und bedeutsame Ereignisse in Schönheit und Schwere, Gipfel und Krise inspiriert, das belebte Schweigen sich einen Weg durch die Worte zur Welt suchte.

Damit ist genug und vielleicht auch nichts gesagt. Der Rest ist eine Sache der Auslegung und Bewegung des Lesers/der Leserin im eröffneten Interpretationsspielraum der Sprache.

I

Heimat

Im Lärm liegt der Himmel

Mythenlos befleckt,

Gesteinigt tagt die gegebene Erde,

Zerlegt und geschlagen

Vom Wettlauf der überworfenen Zeit.

Ich aber erwählte mir

Einen Platz darin,

Einen freien Ort außerhalb

Mit einem tanzenden Bein im Nirgendwo,

Wo nur ich in der Stille

Und der Zitadelle einer Zeile

Zu Hause bin.

Dort lebe und lächle ich

Wie vor dem friedlichen Tag

Meiner letzten Geburt.

Dort schaue und staune ich

Im bewegten Schweigen

So lange mich Hoffnung hält, -

Und sei es,

Meine Seele,

Zu meinem kleinen Glück

Ein scheuer Funke nur,

Ein Gedanke,

Ein Blick am Rand oder

Ein glühender Stern in den Straßen.

Doch…

Das Universum

Macht kein Aufheben um uns:

Es ruft uns nicht an

Es ruft uns nicht aus,

Wir sind nicht seine Sensation,

Oder die Lieblinge seines Wurfs,

Unser Leben

Im entlegensten Winkel der großen Leere

Erscheint ihm so gut und egal

Wie nicht zu sein unter seinesgleichen.

Und doch hebt sich

Der Mondschein auf dem Meer

Wie tragende Musik

Im Gleichklang deines Schritts,

Und es schreibt sich keine Liebe

Tiefer ins Mark als die deine.

*

Wir verwehen ohne Aufsehen

Wie die gelöste Feder

Sich leichter als Licht

Ungesehen aus dem Fenster

Der Stunde verflüchtigt.

Und doch schenkt sich

Der Geschmack des Salzes

Keinem süßer als dir,

Und keine Sekunde entbehrt

Den festen Griff deines Blicks

Und die Kraft deiner Deutung.

*

Für wahr: Wir sind Sandkörner

Am Rande der Wüsten,

Splitter der Erde und ein Gespieltes

Aus Staub in den Städten,

Ganz so wie Gestalten im Nebel

Namloser Nächte.

Und doch ehrt dein Antlitz

Den Tag mit schönerem Geschick

Und jeder aufrichtige Atem

Heiligt deine Einmaligkeit

Am Gipfel des Augenblicks

Zwischen zwei endlosen Zeiten.

Zufall

Hüfttief im Meer

Stand sie

Wie eine Statue

In Blau

Am östlichen Gestade.

Die Sonne liebte

Die See und

Der Wind

Trug ihr auf Händen

Ein Blütenblatt

Zum Schoß,

Ganz so sanft

Und unvorhergesehen,

Wie auch sie

Frei und geschenkt

In mein Leben fiel,

Um zu bleiben.

Träume

Die Stille trinkt

Die erloschenen Taten

Für das Läuten der Stunde

Hinab in den Atem.

Erwachen

Ist selten,

Aber vor dem Schwarz

Im Schweigen,