Take Another Chance On Me. Die Dating-Challenge zum Valentinstag (Take a Chance 3) - Gina Heinzmann - E-Book

Take Another Chance On Me. Die Dating-Challenge zum Valentinstag (Take a Chance 3) E-Book

Gina Heinzmann

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Beschreibung

**Traust du dich, eure Liebe auf die Probe zu stellen?**  Alex und Cash sind seit über einem Jahr zusammen und es könnte in ihrer Beziehung gar nicht besser laufen. Zumindest versucht sich Alex das einzureden. Die Wahrheit ist, dass Cash von überall schmachtende Blicke erfährt – von Frauen und Männern. Um seinen Freund daran zu erinnern, dass er seine einzig wahre Liebe ist, meldet Alex sich und Cash heimlich zu einer Valentinstags-Challenge an. Zwischen einer gehörigen Portion Kitsch, roten Herzchen und den anderen Paaren müssen die beiden beweisen, dass sie das perfekte Paar sind. Doch das ist gar nicht so leicht wie gedacht. Denn eine Person hat es ganz besonders auf den umwerfenden Cash abgesehen …  Sei bereit für eine Challenge der anderen Art und beweise, dass eure Liebe alles übersteht!  //Weitere Liebesgeschichten zum Mitfiebern und Dahinschmelzen von Gina Heinzmann bei Impress:  -- Take A Chance On Me. Adventskalender zum Verlieben (Take a Chance 1) -- Truth or Date. Der Dating-Adventskalender (Take a Chance 2) -- Going Wild. Herz über Kopf// 

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Gina Heinzmann

Take Another Chance On Me. Die Dating-Challenge zum Valentinstag (Take a Chance 3)

*Traust du dich, eure Liebe auf die Probe zu stellen?**

Alex und Cash sind seit über einem Jahr zusammen und es könnte in ihrer Beziehung gar nicht besser laufen. Zumindest versucht sich Alex das einzureden. Die Wahrheit ist, dass Cash von überall schmachtende Blicke erfährt – von Frauen und Männern. Um seinen Freund daran zu erinnern, dass er seine einzig wahre Liebe ist, meldet Alex sich und Cash heimlich zu einer Valentinstags-Challenge an. Zwischen einer gehörigen Portion Kitsch, roten Herzchen und den anderen Paaren müssen die beiden beweisen, dass sie das perfekte Paar sind. Doch das ist gar nicht so leicht wie gedacht. Denn eine Person hat es ganz besonders auf den umwerfenden Cash abgesehen …

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Vita

Danksagung

© Anna-Lisa Konrad

Gina Heinzmann hat während ihres Schauspielstudiums die Freude am Erfinden zauberhafter Welten für sich entdeckt. Wenn sie nicht schreibt oder arbeitet, reist sie rund um den Globus, immer auf der Suche nach neuen Abenteuern. Ob studieren in Kalifornien, ein Praktikum in Brasilien oder ein Backpacking-Trip durch Costa Rica – ihre Erlebnisse und Erfahrungen sind eine wichtige Grundlage und Inspiration für die Geschichten, die sie erzählt.

1

Mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht lehnte Alex sich auf seinem Platz zurück. Seine Freunde hatten es tatsächlich geschafft, bei ihrer Ankunft einen der begehrten Ecktische zu ergattern, die an der Wand gegenüber der gut besuchten Theke in schmalen Nischen drapiert waren. Hier hatte man, trotz dem für einen Dienstag ungewöhnlichen Trubel in der kleinen Bar, einen Hauch von Privatsphäre. Zumindest konnte man sich diesen Umstand einbilden.

Es war erstaunlich, wie schnell The Happy Place in letzter Zeit von einem unscheinbaren gemütlichen Lokal zu einem der angesagtesten Geheimtipps Bostons aufgestiegen war. Ein Außenstehender mochte sich auf den ersten Blick vermutlich über diese Beliebtheit wundern. Die etwas altmodische Einrichtung, gepaart mit der nicht gerade dezenten, in verschiedensten Farben glitzernden Dekoration, die auch Wochen nach den Feiertagen noch verdächtig an Weihnachten erinnerte, wirkte für die meisten zunächst abschreckend. Man musste schon etwas genauer hinsehen, um den Charme unter dem oberflächlichen Kitsch zu erkennen.

Hatte man den Ort dann einmal ins Herz geschlossen, neigte man wie Alex dazu, immer wieder herzukommen. Naja, die für diesen Teil der Stadt äußerst erschwinglichen Getränkepreise waren sicherlich ebenfalls ein guter Anreiz. Und wahrscheinlich half es auch, dass Joe, der Inhaber, mittlerweile regelmäßig von Abby inspirierte Single-Partys schmiss, die einem nicht nur die große Liebe, sondern obendrein jede Menge Spaß versprachen.

Abigail Patricia Annenberg war übrigens nicht nur die uniweit bekannte Mitentwicklerin des »legendären« Dating-Adventskalenders und all dessen Folgeprojekten, nein, sie war rein zufällig auch noch Alex’ beste Freundin. Ein Umstand, den er mindestens genauso oft verfluchte, wie er dankbar dafür war. Obwohl er zugeben musste, in letzter Zeit war er eher gewillt, über die vielen merkwürdigen Eigenarten Abbys hinwegzusehen.

Kam sie wie üblich zwanzig Minuten zu spät, weil sie es als unter ihrer Würde ansah, sich für irgendwelche Nichtigkeiten zu beeilen, begrüßte er sie mit einem Augenrollen und einer dampfenden Tasse ihres Lieblingskaffees. Statt sie wie üblich mit Vorwürfen zu überschütten. War sie mal wieder wochenlang verschollen, weil sie mit all ihren endlosen Aufgaben auf dem Weg zur Weltherrschaft nicht hinterherkam, schickte er ihr kleine Motivations-E-Mails zur Aufmunterung. Ja, Alex konnte von sich selbst behaupten, dass er ein vorbildlicher bester Freund für Abigail war. Und das hatte sie sich auch verdient.

Als er vor etwas über einem Jahr von ihr zur Teilnahme bei diesem Dating-Adventskalender der besonderen Art »überredet« worden war, hätte er am liebsten kein Wort mehr mit ihr geredet. Er konnte sich nur zu gut an das nervenaufreibende Gefühl erinnern, jeden Morgen eine dieser blöden Nachrichten zu bekommen und zusammen mit seinem »Auserwählten« die unzähligen Challenges zu erledigen. Niemals hätte er geglaubt, dass er sich am Ende tatsächlich Hals über Kopf verlieben würde. Und das auch noch in einen Kerl. Eine für wirklich alle Parteien überaus unerwartete Entwicklung. Es hatte zum Leidwesen von Cash, seinem einstigen Hasspartner und mittlerweile Freund, einige Zeit gedauert, bis Alex nach anfänglicher Verwirrung und einer gehörigen Portion Verdrängung den Mut gefunden hatte, diese neuen, alles überwältigenden Gefühle zuzulassen und zu ihnen zu stehen. Gerade eben rechtzeitig hatte er die in den Startlöchern stehende Beziehung vor einem Game Over bewahren und in Richtung Happy End lenken können. Seitdem lebte er auf Wolke sieben und konnte gar nicht genug davon bekommen, mit Cash an seiner Seite die Welt zu erobern. Apropos Cash. Der saß hier neben ihm und war in ein angeregtes Gespräch mit Micah und Louis vertieft. Ein Anblick, der Alex ein Lächeln auf die Lippen zauberte. Er war unheimlich froh, dass seine Freundesclique Cash so offen und herzlich aufgenommen hatte. Das war schließlich keine Selbstverständlichkeit.

Kannte man Fallon »Cash« McCabe nämlich nicht genauer, konnte man leicht den Eindruck gewinnen, es handele sich bei ihm um einen arroganten Mistkerl, der sich für nichts anderes als sich selbst interessierte. Schuld daran war wohl der sarkastische, leicht frostige Gesichtsausdruck, den man nur als Standardmiene seines Freundes bezeichnen konnte. Die spöttisch hochgezogene Augenbraue, gepaart mit beißendem Humor und einer ziemlich direkten Art, immer zu sagen, was er dachte, machten die Sache vermutlich auch nicht besser. War man dennoch gewillt, über die Cash umgebene Mauer aus Eis hinwegzusehen, wurde man meist von seinem absolut göttlichen Aussehen geblendet und verunsichert: tiefschwarze Haare, die ihm stets perfekt in die Stirn fielen und einen quasi anflehten, sie ihm aus den Augen zu streichen. Augen, die mit ihrem satten Grünton und den geheimnisvollen goldenen Sprenkeln wohlgemerkt genauso hypnotisch wie schön waren und es irgendwie immer schafften, bis in das Innerste seiner Seele zu blicken. Natürlich war da auch das klischeehafte markante Kinn und die vollen, wunderbar zum Küssen geeigneten Lippen. Fügte man dann noch den adonisgleichen Körper hinzu, den ein über die linke Brust verlaufendes, mit schwarzer Tinte gestochenes Kunstwerk zierte, und das Image des sexy Badboys, den jeder wollte und keiner wirklich glaubte, jemals zu haben, war perfekt. O ja, sein Freund war heißer, als gut für ihn war. Ein Glück, dass seine Gang zum größten Teil aus glücklich Vergebenen oder dem in dieser Hinsicht falschen, und deshalb nicht interessierten Ufer, angehörten. Daher verirrten sich von ihnen nur selten schmachtende Blicke in Richtung des Kerls an seiner Seite. Den Kerl, den er auf eine ihm unbegreifliche Weise für sich gewinnen konnte. Dieser Gedanke versetzte Alex regelmäßig in einen wahren Rausch der Glückseligkeit. Vor allem in Momenten wie diesem, in denen sein Freund locker, aber bestimmt seinen Arm um ihn legte. Und dabei ein so entspanntes und zufriedenes Grinsen im Gesicht trug. Da konnte man ja nur dahinschmelzen. Ohne zu Zögern begann Alex ein Stückchen weiter nach rechts zu rutschen. Noch näher an Cash heran, bis er durch den dünnen Stoff seines Hemdes, dessen herrlich verlockende Wärme spüren konnte. Ein wohliger Schauer durchfuhr ihn und sein Herz begann, in diesem ganz besonderen, eigens für Cash reservierten Rhythmus zu schlagen. Er genoss das Flattern, das sich immer gleich in seiner Magengegend ausbreitete, sobald er ihn berührte. Auch wenn ihm das Knistern zwischen ihnen beiden mittlerweile nur allzu vertraut war, verlor es nichts von seinem Reiz.

Sachte legte Alex eine Hand auf Cashs Bein ab und strich langsam über den rauen Stoff seiner dunklen Jeans. Er liebte diese kleinen Freiheiten, die nur er allein sich bei Cash herausnehmen durfte. Fast augenblicklich begannen seine Fingerspitzen verräterisch zu kribbeln. Genau wie er sehnten sie sich danach, seinen Freund von der lästigen Kleidung zu befreien und jeglichen Abstand zwischen ihnen zu überbrücken. Etwas, was hier und jetzt natürlich nicht die beste Idee war. Alex wollte es zwar insgeheim wirklich gerne auf Joes neue »Wall of Eternal Love« schaffen, auf der sich in der Bar gefundene Pärchen verewigen durften, allerdings nicht unbedingt so, wie Gott sie schuf. Nein, da geduldete er sich doch lieber, bis sie sich später in eine ihrer Wohnungen geflüchtet hatten. Dann jedoch …

Um sich von den verheißungsvollen Fantasien seines anscheinend auf Cash-Entzug verrückten Hirnes abzulenken, konzentrierte Alex sich schnell auf die anderen Menschen, die hier mit ihnen am Tisch saßen. (Auch wenn seine Freunde seinen Umschwung in seiner sexuellen Orientierung mit Humor hingenommen hatten, konnten sie sicherlich alle auf Anschauungsunterricht verzichten.)

Grinsend betrachtete Alex seine »Gang«. Da waren die schon erwähnten Zwillinge Micah und Louis, die, laut eigener Aussage, derzeit auf der Suche nach der ganz großen Liebe waren. Ein Unterfangen, das in seinen Augen zum Scheitern verurteilt war, da die beiden sich strikt weigerten, ohne ihre »bessere Hälfte« auf ein Date zu gehen. Spätestens im Schlafzimmer könnte dies organisatorische Probleme mit sich bringen. Neben Alex auf der Bank, auf der Seite, die nicht von Cash in Beschlag genommen wurde, saßen Daniel und Noelle. Zwei seiner Unifreunde, die sich mit ihm gemeinsam durch den Master quälten und schon gefühlte Ewigkeiten zusammen waren.

Besonders freute sich Alex heute über die Anwesenheit von Lucas und seiner neuesten Eroberung – ein niedlicher Kerl namens Liam mit verträumten braunen Augen, der ständig in einem kleinen Büchlein herumschrieb. Und der zu seiner grenzenlosen Belustigung keinerlei Ahnung davon zu haben schien, dass er sich derzeit auf einem Date befand. (Ob der Typ überhaupt auf Männer stand?) Lucas war jedenfalls einer der wenigen Freunde von Cash, die Alex sofort ins Herz geschlossen hatte. Vor allem, weil er in letzter Zeit meistens mit June und Asher im Schlepptau erschien. Und die beiden waren einfach großartig.

Seit er June vor ein paar Monaten kennengelernt hatte, war sie schnell in seinen Kreis der engsten Vertrauten aufgerückt. Das lag vermutlich daran, dass sie einen ähnlich holprigen und nicht ganz konventionellen Weg hin zu ihrem Traumpartner genommen hatte. Genau wie Alex selbst hatte die hübsche, zierliche Studentin ebenfalls auf nicht unbedingt freiwilliger Basis an einem von Abbys Weihnachtsprojekten teilgenommen. Auch, wenn es sich dabei nicht um einen Datingkalender, sondern um ein Spiel à la »Truth or Date« gehandelt hatte, gab es genügend Parallelen zwischen ihren jeweiligen Erfahrungen, dass sie einander schnell als Leidensgenossen erkannt und akzeptiert hatten. Und sich seitdem des Öfteren über ihre beiden Partner austauschten. Vorzugsweise immer dann, wenn einer von ihnen sich nicht von seiner liebenswürdigsten Seite zeigte. Was, zugegeben, ihre Gespräche wesentlich öfter um Cash als Asher kreisen ließ.

»Woran denkst du?« Alex schauderte. Die tiefe Stimme, die ihn hier so problemlos aus seinen Gedanken zu reißen vermochte, jagte ihm mit ihrer perfekten Mischung aus Melodie und Heiserkeit eine Gänsehaut über den Rücken. Der sanfte Luftstrom, der mit jedem Atemzug seines Freundes Alex’ Nacken entlangstrich, tat sein Übriges, um seine geballte Aufmerksamkeit auf Cash zu lenken.

»Daran, wie oft du mich in Situationen bringst, in denen ich mich dazu genötigt fühle, mich bei anderen über dich zu beklagen«, rutschte es ihm ohne nachzudenken heraus. Ähm … Alex konnte Cash sein darauffolgendes überraschtes Schweigen und seinen leicht irritierten Blick nicht verübeln. Da er ja nicht Zeuge seiner vorherigen Gedankengänge gewesen war, musste diese Antwort ziemlich zusammenhangslos erscheinen. Und noch dazu unverschämt. Bevor Alex zu einer Erklärung ansetzen konnte, kam bereits die verdiente Retourkutsche.

»Ich gebe dir also Anlass zur Beschwerde, ja?« Oje. Das sardonische Funkeln in Cashs Augen versprach nichts Gutes. »Das kann ich natürlich so nicht stehen lassen. Schließlich bin ich stets bemüht, eine glückliche Beziehung zu führen und meinen Partner auf Händen zu tragen.« Ja, ist klar. Alex entfuhr ein klitzekleines Schnauben aufgrund dieser leichten »Verbiegung von Tatsachen«. Leider schien dieses Geräusch das ›Jetzt bin ich besonders fies‹-Gen seines Freundes unnötig anzustacheln.

»Da sämtliche Klagen also nicht auf mein selbstloses Ich zurückzuführen sein können, muss der Ursprung in anderen Bereichen liegen. Fühlst du dich körperlich überfordert mit mir mitzuhalten? Falls dem so ist, wäre es vielleicht das Beste, wenn wir unsere nächtlichen Aktivitäten fürs erste aussetzen.« Cash löste sich von ihm und lehnte sich mit über der Brust verschränkten Armen auf seinem Platz zurück. Das siegessicher wirkende Leuchten in seinen Augen ließ Alex stutzig werden.

»Was soll das heißen?«, fragte er vorsichtig nach und bekam direkt die süffisante Antwort geliefert.

»Kein Sex, bis du aufhörst, dich bei anderen über mich zu beschweren.« Fassungslos starrte Alex Cash an. Der hatte sie doch nicht mehr alle.

»Dir ist schon klar, dass wir dann genauso gut das Zölibat antreten könnten. Und überhaupt! Als ob du auch nur eine Nacht durchstehen würdest, ohne über mich herzufallen.«

»Ist das eine Herausforderung?« Die hochgezogene Augenbraue und das beinahe schon triumphierende Lächeln auf Cashs Lippen, ließen Alex in seiner Argumentation einen Schritt zurückrudern. Wenn man es nicht bitterlich bereuen wollte, sollte man seinen Freund definitiv nicht mit einer Challenge konfrontieren.

»Mehr so eine in vielen Studien erprobte Tatsache.« Alex bemühte sich, mit dem gleichen Level an Coolness und Siegesgewissheit, wie Cash es an den Tag legte, zurückzufunkeln. Auch wenn er dabei mächtig ins Schwitzen geriet. Mannomann, sein Freund hatte diese alles vernichtenden Todesblicke wirklich gemeistert.

»Warum giftet ihr beide euch schon wieder an?«, unterbrach Lucas ihr hitziges Blickduell. Die Neugier und Belustigung in seiner Stimme waren nicht zu überhören.

Ertappt zuckte Alex zusammen. Da hatte er sich doch mal wieder so in Cashs Bann ziehen lassen, dass er die Gegenwart seiner Freunde glatt ausgeblendet hatte. Zum Glück kannten sie das mittlerweile von ihm und sahen darüber hinweg.

»Cash will nicht mehr mit mir schlafen.«, entgegnete er auf Lucas Frage im gleichen Augenblick, als sein Freund ein genervtes »Alex geht mit unserer Privatsphäre hausieren« ausstieß.

Verdutzt blickten acht Augenpaare zwischen ihnen hin und her. Keiner schien so recht zu wissen, was er sagen sollte. In den Gesichtern spiegelten sich eine Vielzahl an Emotionen wider. Von Unglauben seitens Noelle und June über das Entsetzen von Lucas bis zur totalen Erheiterung der Zwillinge war alles dabei.

Sekunden vergingen und in mehr als einem Mundwinkel zuckte es verräterisch. Letztendlich war es Asher, der den Kampf als erstes aufgab und in lautes Gelächter ausbrach. Wie eine Flutwelle brandete es über sie hinweg und animierte sie mit ansteckender Ausgelassenheit miteinzustimmen. Selbst Cash konnte seine stoische Miene nicht länger aufrechterhalten und ließ sich zu einem breiten Grinsen hinreißen, das sein unverschämt niedliches und verdammt sexy Grübchen zum Vorschein brachte. Tja, so schnell war dann wohl eine weitere potenzielle Krise im Hause McCabe/Heston abgewendet worden. Ein Hoch auf seine Freunde.

Alex war im Begriff einen großen Schluck aus seinem Wasserglas zu nehmen, um seinen vom Lachen kratzigen Hals zu besänftigen, als er aus dem Augenwinkel eine Schar weiterer Besucher in die Bar hereinkommen sah. Augenblicklich versteifte er sich. Hektisch ließ er seine Blicke über die Neuankömmlinge huschen, wobei er instinktiv den Atem anhielt. Erst, als er sicher war, dass sich kein bekanntes Gesicht unter den Massen versteckte, konnte er seine Lungen davon überzeugen, sich wieder mit dringend benötigtem Sauerstoff zu versorgen.

Alex konnte sich ebenso ein erleichtertes Aufseufzen verkneifen. Ein Laut, der mit Sicherheit allerhand ungewollte Fragen seitens Cash mit sich gebracht hätte. Der musterte ihn bereits mit einem seiner forschenden, alles durchschauenden Blicke, mit denen er ihm für gewöhnlich jedes seiner Geheimnisse aus der Nase ziehen konnte. Alex schluckte. Es fühlte sich nicht gut an, seinem Freund etwas vorzuspielen. Doch trotz des Anflugs von schlechtem Gewissen war er nicht gewillt, seine Gedanken mit Cash zu teilen.

Schnell setzte er daher zu einem erneuten Trinkversuch an, in der Hoffnung so seinen kleinen Aussetzer zu überspielen. Würde Cash ihn auf sein merkwürdiges Verhalten ansprechen, hatte er keine Ahnung, wie er sich erklären sollte.

Alex war immer schon jemand gewesen, der sich gerne an der Seite seiner Freunde die Nächte um die Ohren schlug. Ganz besonders, wenn Cash mit von der Partie war.

Mittlerweile kam er jedoch nicht umhin zuzugeben, dass sich sein Magen ein winziges bisschen zusammenzog, wann immer Ausgehpläne gemacht wurden. Das lag weiß Gott nicht daran, dass er plötzlich keine Lust mehr auf ausgelassene Partys hatte. Er sang, tanzte und feierte noch genauso gerne wie früher. Und natürlich genoss er nach wie vor jede Sekunde an der Seite von Cash. Cash war fantastisch. Er war umwerfend. Er war absolut perfekt. Und auch nach über einem Jahr Beziehung zauberte ihm der Gedanke daran, dass er es geschafft hatte, sich diesen tollen Kerl unter den Nagel zu reißen und ihn seinen Freund nennen durfte, immer noch ein breites Grinsen ins Gesicht.

Seine neu entwickelte Abneigung gegenüber Dates außerhalb der eigenen vier Wände hatte also nichts mit seinem Liebesleben an sich zu tun, sondern viel mehr mit der Tatsache, dass es so einige Menschen gab, die gerne daran teilhaben wollten.

Alex hatte ja von Anfang an gewusst, dass Cash beliebt war. Wie könnte er das bei dem verteufelt guten Aussehen auch nicht sein? Aber seitdem durch das Datingprojekt bekannt geworden war, dass er, hingegen aller Vermutungen auf Männer stand, war seine Popularität ins Unermessliche gestiegen. Frauen wollten mit ihm befreundet sein, weil es doch »ach so niedlich wäre, einen schwulen besten Freund zu haben«. In Wahrheit träumte jedoch jede Einzelne von ihnen, Cash trotz aller Ausweglosigkeiten für sich zu gewinnen und ihn davon zu überzeugen, das Ufer zu wechseln. Meist endeten solche Versuche mit herzzerreißenden Posts und verzweifelten Kommentaren auf Facebook, Instagram und Co, die Cash zum Glück allesamt ignorierte.

Typen wichen seinem Freund aus zwei Gründen nicht mehr von der Seite. Entweder sie versuchten in all der von Cash mitgebrachten, weiblichen Aufmerksamkeit zu baden oder sie waren ihm komplett verfallen und wollten nichts lieber, als eine heiße Nacht in seinem Bett zu verbringen.

Logischerweise war Alex kein Fan von diesen Heerscharen an Bewunderern. Wer wäre das schon, wenn der Freund ein verlockendes Angebot nach dem anderen vor die Füße geworfen bekam? Teilweise sogar wortwörtlich.

Erst letzte Woche war ein Kerl in angetrunkenem Zustand buchstäblich vor Cash auf die Knie gegangen, um ihm »mit seiner Geheimtechnik zu verwöhnen«. Auch wenn sein Freund selbstverständlich dankend abgelehnt hatte, hinterließ dieses Zusammentreffen einen bitteren Beigeschmack auf seiner Zunge. Denn nicht nur waren diese ständigen Liebesbekundungen ein Zeichen dafür, wie sehr man Cash verehrte. Nein, sie zeugten ebenfalls davon, wie wenig man ihn, Alex, ernst nahm. Ununterbrochen vor Augen geführt zu bekommen, wie unpassend einen alle fanden, rüttelte nicht nur an seinem Ego, sondern sorgte auch dafür, dass sein Herz so langsam, aber sicher einen kleinen Knacks bekam.

Alex seufzte leise. Wenn diese Störenfriede wenigstens in eine Kategorie mit dickbäuchigen, unansehnlichen, an den falschen Stellen zu Haarwuchs neigenden Kerlen gehören würden, wäre das Ganze vielleicht leichter zu ertragen. Aber nein, in der Regel sahen sämtliche Typen natürlich verdammt gut aus und so wartete Alex insgeheim nur auf den Tag, an dem das seinem Freund ebenfalls auffiel. Wie lange würde es wohl noch dauern, bis Cash bemerkte, dass er eine wandelnde Katastrophe auf zwei Beinen datete und es ihn weitaus besser treffen könnte? Wenn es mit all diesen Anschmachtungen so weiterging, vermutlich nicht mehr lange. Natürlich könnte Alex mit Cash über diese Zweifel reden, die sich immer zahlreicher in ihm einnisteten. Allerdings befürchtete er, dass genau solch ein Gespräch den metaphorischen Stein ins Rollen bringen könnte. Hatte Cash bisher nicht über Alex Unzulänglichkeiten nachgedacht, tat er es danach unter Garantie. Und wer wusste schon, worin das enden mochte?

»Habt ihr gehört, dass Rachel von der Guccigang dieses Jahr ihre Dienste als Valentinstagsengel zur Verfügung stellen möchte?«, fragte Lucas plötzlich völlig zusammenhangslos in die Runde und sicherte sich damit die volle Aufmerksamkeit. Selbst Alex tauchte für einen Moment aus dem Meer seiner Selbstzweifel auf und musterte Luc interessiert.

»Was darf man sich denn bitte darunter vorstellen?« June zog die Nase kraus und trug einen leicht pikierten Gesichtsausdruck. Sie war genau wie Alex kein besonders großer Fan der überaus nervigen Campusblondinen.

»Sämtliche Details sind im Moment noch unter Verschluss. Aber den Gerüchten zufolge wird gerade debattiert, ob es eine FSK sechs oder doch lieber eine ›Performance für Erwachsene‹ werden soll. In jedem Fall laufen bereits Wetten darüber, wer diese ominösen Dienste in Anspruch nehmen wird«, antwortete Lucas mit einem verschwörerischen Grinsen. Er hatte seine beste Gossipstimme aktiviert, die immer ein bisschen wie eine Mischung aus absolutem Fangirl und coolem Starreporter klang.

»O mein Gott. Auf so was können auch nur Rachel und ihr Gefolge kommen.« Noelle verdrehte die Augen und griff zu ihrem Cocktail. Vermutlich versuchte sie, sämtliche Bilder von blonden Engeln in pinken Kostümen, die unanständige Botschaften überbrachten, im Alkohol zu ertränken. Alex konnte es ihr nicht verübeln.

»Eigentlich ist die Idee doch ganz nett. So bekommt man die Möglichkeit, jemandem auf eine originelle Art seine Zuneigung zu zeigen. Also ich würde mich über eine solche Liebestat auf jeden Fall freuen.« Mit verträumtem Blick zupfte Liam an seinem Pulloverärmel herum. Es war ihm anzumerken, dass er von ihrer lauten und recht temperamentvollen Clique noch etwas eingeschüchtert war. Vor allem, wenn sie, so wie jetzt, dank seiner Worte in lautstarkes Gelächter verfielen. Liams Wangen verfärbten sich zu einem unübersehbaren Rotton, was ihn noch lieber und naiver erscheinen ließ. Anscheinend weckte das nicht nur Alex’ Mitleid, denn Lucas schlang in diesem Moment einen Arm um die Schulter seines »Dates« und lächelte ihm aufmunternd zu.

»Kennst du die Gucci-Blondinen?«, fragte er vorsichtig, woraufhin Liam verlegen den Kopf schüttelte. Und sich schüchtern in Lucas halbe Umarmung lehnte.

»Nein. Ich denke nicht.«

»Das erklärt einiges«, entfuhr es Alex, was einen allgemeinen Zuspruch der anderen auslöste. Die Vorstellung, jemand könnte Rachel kennen und trotzdem noch an ein liebevoll gestaltetes, »romantisches« Unterfangen glauben, war ziemlich absurd. Vermutlich endete es damit, dass sie in knapp bemessener Kleidung die Liebesbotin spielte und mit ihren üblichen zweideutigen Sprüchen und dem ständigen Wimpernklimpern und zum Kussmund verzogenen Lippen für ziemlichen Aufruhr in bis dato intakten Beziehungen sorgte. Ja, Alex würde die flirtbesessene Studentin im besten Fall zu Rate ziehen, wenn er einen Partner loswerden wollte. Da wäre sie mit Sicherheit nützlich.

»Wer, glaubt ihr, würde Rachels Dienste in Anspruch nehmen?« Neugierig blickte June von einem zum anderen.

»Da es unheimlich viele Trottel auf dieser Uni gibt, vermutlich mehr Leute als man annehmen mag«, erwiderte Cash trocken und entlockte Alex damit ein leichtes Schmunzeln. Sein Freund war das totale Gegenteil von Liam. Er glaubte selten an das Gute im Menschen und war stets der Skeptiker. Dafür konnte man sich aber hundertprozentig auf ihn verlassen, hatte man es einmal geschafft, seine Anerkennung zu gewinnen. Etwas, was mittlerweile alle hier am Tisch zu schätzen wussten.

Während sich seine Freunde jetzt immer mehr in Spekulationen über mögliche zukünftige Auftraggeber für Rachel verloren, malte Alex mit seinem Finger gedankenverloren kleine Krise auf sein Wasserglas. Wie gerne würde auch er allen, inklusive Cash beweisen, dass er der Richtige für ihn war. Das Problem war leider: Er hatte nicht den blassesten Schimmer, wie er das anstellen sollte.

Sich in der Uni hinzustellen und vor versammelter Mannschaft betörende Liebesreden zu schwingen oder einen seriöseren Botschafter als Rachel zur Überbringung der Nachrichten zu beauftragen, wären im Prinzip in Frage kommende Möglichkeiten. Allerdings wäre das unfassbar peinlich und noch dazu vermutlich so ganz und gar nicht in Cashs Sinne. Leider war ihm bisher aber nichts anderes Gutes für den bald anstehenden Valentinstag eingefallen.

Letztes Jahr hatten sie am »Tag der Liebenden« gemeinsam mit seiner kleinen Schwester Lizy und Cashs bestem Freund Zac ein Weihnachtsgeschenk eingelöst und sich im Zuge dessen in luftiger Höhe aus einem Flugzeug gestürzt. Ein für alle Zeiten unvergessliches Erlebnis. Ja, Alex brauchte nur die Augen schließen und er meinte wieder den Wind auf seiner Haut spüren zu können, der erbarmungslos und doch so befreiend an ihm gezerrt hatte. Die Erinnerung an diesen Moment des freien Falles zauberte ihm jedes Mal aufs Neue ein Grinsen ins Gesicht. Dieser Augenblick, als alles in der Schwebe hing. In dem oben und unten die Bedeutung verloren und nur noch das Jetzt zählte. Dazu Cashs losgelöstes Lachen, das über die Weiten des endlosen Himmels an sein Ohr drang. Ja, dieser Tag war wirklich grandios gewesen. Wie sollte er das bitteschön jemals überbieten? Jede Idee, wie er ein besonderes Date gestalten konnte, verwarf er gleich wieder, aus Angst, es würde zu kitschig, zu romantisch, ja, einfach zu viel sein. Schließlich hatte er einen Hang zur Theatralik und Übertreibung, den er definitiv nicht mit seinem Freund teilte.

Alex konnte genau spüren, wie Cash ihn von der Seite beobachtete. Selbst wenn sie bisher nicht darüber gesprochen hatten, war er sich sicher, dass er durchaus bemerkte, dass Alex in letzter Zeit etwas befangen war, sobald sie sich in der Öffentlichkeit aufhielten. Immerhin war sein Freund unfassbar intuitiv und es gab eigentlich nichts, was er ihm verheimlichen konnte. Manchmal sah Cash ihn mit seinen durchdringenden grünen Augen an, als wollte er bis in den Grund seiner Seele hineinblicken. Und manchmal hatte Alex das Gefühl, dass ihm das sogar gelang. Die nachdenkliche, leicht sorgenvolle Miene, die sich dann auf Cashs Gesicht spiegelte, versetzte ihm jedes Mal einen Stich. Er wollte seinem Freund keinen Kummer bereiten. Schließlich machte er absolut nichts falsch. Dass Alex seine Unsicherheiten und Eifersucht bezüglich ungewollter, fanatischer Bewunderer nicht im Griff hatte, war allein sein Problem, und er bemühte sich redlich, es dabei zu belassen.

Mit einem entschiedenen Ruck schob Alex sein Glas und mit diesem symbolisch seine erdrückenden Gedanken von sich. Er wollte sich nicht länger von seinen Sorgen den Abend vermiesen lassen. Nicht, wenn er stattdessen etwas Zeit in Cashs Armen auf der Tanzfläche verbringen könnte – eine deutlich attraktivere Alternative.

Bevor er die anderen davon überzeugen konnte, ihre kostbaren Sitzplätze aufzugeben und sich gemeinsam unter die tanzende Meute zu mischen, meldete sein Handy sich mit einem lauten Piepton zu Wort, der das Eintreffen einer E-Mail ankündigte. An sich war das nichts Ungewöhnliches, immerhin war er ein normaler Mensch des einundzwanzigsten Jahrhunderts und sein virtuelles Postfach tagtäglich in regem Betrieb. Was die ganze Sache merkwürdig machte, war die Tatsache, dass das melodische Klingen gleich von mehreren Seiten aus ertönt war und somit nicht nur er, sondern Asher, June und Cash ihre Telefone ebenfalls hervorzogen. Komisch. Sie studierten alle unterschiedliche Fächer. Ihre gemeinsamen Freunde kommunizierten normalerweise über SMS und WhatsApp und Alex’ Wissen nach teilten sie sonst keine Gruppen, Sportvereine oder Übriges miteinander. Was konnte also ihre Handys veranlasst haben, sich im selben Moment bemerkbar zu machen? Ratlos sah Alex zu Cash, der ebenfalls nur mit den Schultern zuckte.

»Falls das die Einladung in irgendeinen besonderen Club der Auserwählten ist, den ihr mir bis dato vorenthalten habt, bestehe ich darauf, bei einem von euch als Plus-one mitzukommen«, scherzte Lucas, wobei man ihm ansehen konnte, dass er vor Neugierde fast platzte und June am liebsten ihr Handy aus der Hand reißen würde. Luc war so etwas wie ihr cliqueneigener Gossip-Boy, der darauf brannte, ständig alles über jeden zu wissen. Und es für gewöhnlich auch herausfand. Dass er keinerlei Vermutung hatte, was vor sich ging, machte die ganze Sache daher nur umso spannender.

Sein Interesse geweckt, beugte Alex sich über sein Handy und tippte auf den kleinen blinkenden Umschlag am unteren Rand des Bildschirms. Da er seit einigen Stunden keinen Blick mehr in sein Postfach geworfen hatte, wurde er gleich von diversen neuen E-Mails empfangen. Da war Werbung von irgendeinem Rechtsanwalt, der ihm seine Dienste anbieten wollte, ein Newsletter seiner Lieblingsband, eine »liebevolle« Erinnerung seiner Schwester, dass er ja nicht vergessen sollte, sich bei ihr zu melden. (Hatte sie mal wieder ihr Handy verloren oder warum kontaktierte sie ihn auf diesem Wege? Ein simpler Anruf oder eine SMS hätten es doch ebenfalls getan.)

Alex überflog diese mehr oder weniger unliebsamen Nachrichten, als Cash plötzlich neben ihm ein ungläubiges Zischen ausstieß. Überrascht sah er auf und bemerkte, dass nicht nur sein Freund, sondern auch Asher und June mit immer größer werdenden Augen auf ihre Handys starrten. Was war denn da los? Irritiert blickte Alex zurück auf seinen eigenen Bildschirm.

Neben dem zuvor Erwähnten gab es lediglich noch irgendeine kitschige Spam-Mail, die ihm mit glitzernden, roten Buchstaben entgegenfunkelte und die er schnellstmöglich in den Papierkorb beförderte, bevor …

Halt. Stopp. Alles auf Anfang. Glitzernde Kitsch-Nachricht? Grellrote Schnörkelschrift, die einem das Gefühl gab, man könnte sein Augenlicht verlieren, sollte man zu lange darauf starren? Das kam ihm doch bekannt vor. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er glatt sagen, er hatte eine von diesen Mails bekommen. Aber das konnte eigentlich nicht sein. Das Projekt war seit Ewigkeiten vorbei und er hatte es als äußerst erfolgreicher Teilnehmer abgeschlossen.

Es musste sich um einen dummen Zufall handeln. Es gab wohl doch mehr Leute als gedacht, die unter akribischer Geschmacksverirrung litten und annahmen, dass man auf eine solch grässliche Weise neue Kunden gewinnen könnte. Ja, das musste es sein.

Alex versuchte, sich gedanklich zu beruhigen, als er mit zitternden Fingern, die zuvor gelöschte Nachricht zurück in sein Postfach schob. Sein Herz klopfte dabei viel zu schnell und er konnte bloß über sich selbst und seine übertriebene Reaktion den Kopf schütteln. Er wollte doch nur kurz einen genaueren Blick auf die Mail werfen. Damit er sichergehen konnte, dass das ungute Gefühl in seiner Magengegend absolut keine Daseinsberechtigung hatte. Er …

Bist du bereit für die Liebe zu kämpfen?

Ähm …, Alex wollte sich ja gerne davon abhalten, in Panik zu verfallen und normalerweise war er auch ein Meister darin, das Offensichtliche zu verdrängen. Aber es fiel ihm in diesem Moment äußerst schwer, die Tatsache zu ignorieren, dass dieser Betreff nicht nur so klang, als wäre er einem von Abbys Datingprojekten entsprungen. Nein, wie ein kurzer Blick auf den Absender bewies, hatte er wahrhaftig den befürchteten Ursprung. Warum …? Wieso? Was sollte der Quatsch?!

Völlig verwirrt blickte Alex auf sein Handy. Er wünschte sich unwillkürlich, Abby wäre hier und könnte ihm erklären, was das alles zu bedeuten hatte. Es war über ein Jahr her, seitdem er zum letzten Mal ein solch Kitschiges, mit einem beinahe schon verruchten Betreff versehenes Geschreibsel erhalten hatte. Eigentlich hatte er geglaubt, diesen Abschnitt seines Lebens erfolgreich hinter sich gebracht zu haben. Bisher hatten sich diese Dating-Spiele doch immer an Singles gerichtet. Was zur Hölle war das hier also?

Zutiefst misstrauisch und auch ein klitzekleines bisschen neugierig klickte Alex auf den furchtbaren Betreff. Der Inhalt der Nachricht lud sich nur im Schneckentempo. Das lag wahrscheinlich daran, dass zum einen der Empfang in der Bar zu wünschen übrigließ und zum anderen höchstwahrscheinlich wieder Unmengen von Kitschfiltern zur »Verschönerung« benutzt worden waren und sein Server Probleme hatte, die unzähligen Engelchen zu Tage zu fördern. Und natürlich bestätigte sich Alex’ Vermutung in der nächsten Sekunde. Der Text auf dem Bildschirm glitzerte und funkelte und blitzte nur so vor sich hin. Es kostete ihn einiges an Mühen, die goldene Schrift zu entziffern. Gott, wie hatte er das vermisst. Nicht. Mit einem kurzen Stoßgebet, dass er sich nicht für immer seine Augen ruinieren mochte, begann er zu lesen.

Kann eure Liebe alles bezwingen?

Liebe ehemalige Teilnehmer,

jedem von euch dürfte der Anblick einer unserer Nachrichten vertraut sein, denn jeder Einzelne von euch hat auf die ein oder andere Art an einem unserer Dating-Projekte teilgenommen. Ihr habt euch durch die vielen großen und kleinen, manchmal schwierigen, oftmals unerwarteten Aufgaben geschlagen und dabei nie euer Ziel aus den Augen verloren. Und so verschieden eure Erfahrungen auch gewesen sein mochten, eines habt ihr alle gemeinsam: Ihr gehört zu den Beseligten, deren Weg am Ende zur großen Liebe geführt hat. Auf Amors Schwingen habt ihr euer Glück gefunden und wir sind uns sicher, dass eure Herzen darüber genauso erfreut sind, wie die unseren. Ihr habt euren Traumpartner erobert und seid mit ihm in die perfekte Beziehung gestartet. Doch ist eure Liebe auch für die Ewigkeit gemacht?

Das würden wir gerne gemeinsam mit euch herausfinden. Und darum laden wir euch herzlich ein, an unserem Valentinstags-Spezial-Projekt teilzunehmen.

Habt ihr das Zeug zum absoluten Traumpaar und schafft es, alle Hürden des Lebens zu meistern? Glaubt ihr, dass eure Liebe vom Schicksal bestimmt wurde und durch nichts und niemanden in ihren Grundmauern zerrüttet werden kann? Seid ihr davon überzeugt, dass ihr einander besser kennt, als jeder andere auf der Welt?

Dann beweist es uns und nehmt euch der Challenge an.

Klickt bis heute Abend null Uhr auf den beigefügten Anmeldelink und startet mit uns in ein neues Abenteuer, das mit Sicherheit jedes Herz zum Schmelzen bringen wird.

Wir können ein Wiedersehen mit euch nicht erwarten und zählen die Stunden, bis es wieder heißt: Love Happens.

Alex starrte wie gebannt auf den Bildschirm. Mit jedem Herzschlag, der verstrich, wurde das Grinsen auf seinen Lippen breiter und das aufgeregte Kribbeln in seinem Inneren intensiver. Ohne es zu wissen, hatte seine beste Freundin ihm einen Joker zugespielt, der all seine Probleme oder wenigstens die, die ihm zurzeit am meisten zu schaffen machten, beseitigen könnte.

Ja, dieses neue Datingprogramm kam wirklich wie gerufen. Das war seine Chance, vor der ganzen Welt, oder zumindest innerhalb der Uni, zu beweisen, dass Cash und er das perfekte Paar waren und dass all die auf sein Versagen lauernden Verehrer sich besser aus dem Staub machen sollten. Die Teilnahme an einer weiteren von Abbys Challenges stand auf seiner Prioritätenliste zwar eigentlich nicht unbedingt an der Spitze, aber alles in allem war das doch ein geringer Preis dafür, seinem Liebesglück auf die Sprünge zu helfen. Und es endlich in die wohlverdienten »Happily Ever After«-Bahnen zu lenken. Jetzt musste er nur einen Weg finden, um auch seinen Auserwählten von der Genialität dieses Unterfangens zu überzeugen. Wie ein kurzer Blick in die Runde bewies, wirkte Cash, im Gegensatz zu Asher und June, die bis über beide Ohren grinsten, nämlich alles andere als angetan von der Vorstellung, sich noch einmal in ein solches »Liebesabenteuer« zu stürzen.

2

»Und macht ihr mit?« Überrascht sah Alex zu Lucas, der sie alle gespannt musterte. Seinen glänzenden Augen und dem verzückten Lächeln um seine Mundwinkel nach zu urteilen, schien Mr Gossip bereits bestens im Bilde zu sein. Wie auch immer er das in den zwei Minuten, in denen Alex in die E-Mail vertieft gewesen war, geschafft haben mochte.

»Woher weißt du denn jetzt bitte schon wieder davon?«, stellte June die völlig berechtigte Frage, die auch Alex auf der Zunge lag.

»Tja, ich bin eben schlauer als ihr und in der Lage, den einzigen gemeinsamen Nenner zwischen euch vieren zu bestimmen. Außerdem ist der neue Trendhashtag auf Love Happens ›#FightForYourLoveMyValentine‹ wirklich nicht zu übersehen.« Um seine Aussage zu belegen, hielt Lucas sein eigenes Handy in die Höhe, auf der unübersehbar die Seite des Datingportals aufgerufen war. Okay, das erklärte einiges. Es gab vermutlich nichts, was man über dieses blöde Portal nicht erfahren konnte. Wollte man den neuesten Tratsch und Klatsch, wurde man bei Love Happens definitiv fündig. Kein Wunder also, dass Lucas dort virtueller Stammgast war.

Ursprünglich war diese Website laut Abby nur für das letzte Weihnachtsprojekt gedacht gewesen, da es aber einen unheimlichen Anklang gefunden hatte und die Anmeldezahlen immer noch täglich stiegen, war es nicht wieder deaktiviert worden. Es hatte sich in der Uni tatsächlich mittlerweile zu so etwas wie einem zweiten Instagram entwickelt. Ein »Instagram der Liebe«.

Alex hatte zwar auch einen Account, allerdings eher um in Abbys Gunst zu stehen, als dass er wirklich am Liebesgeschehen teilnehmen wollte. Cash hatte kein Profil und da sein Freund sein liebstes Stalkingopfer war (es gab einfach viel zu heiße, anbetungswürdige Fotos, von seinem Auserwählten im Netz), war die Sache ohne seine Internetpräsenz ziemlich witzlos.

»Und? Seid ihr dabei?« Noelle hatte sich mittlerweile anscheinend auch aufgeklärt und strahlte begeistert in die Runde. »Ihr müsst eigentlich! Ich möchte euch unbedingt anfeuern und wieder auf die lustigen Partys gehen, die unter Garantie stattfinden werden.«

»Wäre aus Kylie und mir etwas geworden, würde ich auf jeden Fall mitmachen«, gestand Liam mit einem wehmütigen Lächeln, was Asher und June dazu veranlasste, sich grinsende Blicke zuzuwerfen. Stimmt ja, die drei kannten sich aus ihrem Datingprojekt.

»Schätzchen, ich für meinen Teil bin froh, dass Kylie das Casting für die Rolle deiner Traumfrau nicht bestanden hat. Aber wenn du ihretwegen noch Kummer hast, bin ich gerne bereit, dich darüber hinwegzutrösten.« Der eindeutig suggestive Tonfall von Lucas, schien gnadenlos über sein verträumtes »Date« hinwegzufegen.

»Danke. Es ist schön, zu wissen, dass es noch so selbstlose Menschen wie dich gibt, die die Gefühle anderer über ihre eigenen Stellen.« Liams ehrliche Freude und Dankbarkeit über diese mal so absolut gar nicht »selbstlos« gemeinten Worte von Lucas, waren beinahe zu viel für Alex. Er musste sich fest auf die Lippen beißen, um nicht laut loszuprusten. Und damit war er nicht alleine. Asher und June kämpften mindestens genauso sehr wie er darum, nicht die Beherrschung zu verlieren. Und auch Cashs Mundwinkel zuckten verdächtig. O man. Was dachte sich Lucas nur dabei, ausgerechnet so einen Naivling wie Liam abschleppen zu wollen? Der Kerl stand in Sachen Liebe und Flirten ja noch mehr auf dem Schlauch als Alex selbst. Und das wollte was heißen.

»Ooookayyy … Um auf das eigentliche Thema zurückzukommen: Seid ihr jetzt dabei oder nicht?« Gespannt sah Micah zwischen ihnen hin und her.

Für einen Moment herrschte eine erwartungsvolle Stille zwischen ihnen, die für Alex beinahe unerträglich war. Ein ganzer Schwarm Schmetterlinge rumorte in seinem Inneren und machte es ihm schwer, still zu sitzen. Wie gerne würde er jetzt mit einem »Ja« antworten, traute sich aber nicht, den Mund als erster aufzumachen. Nicht, bevor er nicht herausgefunden hatte, wie Cash zu den Nachrichten stand.

Sein stummes Ersuchen, sich zu der Sache zu äußern, schien bei seinem Freund jedoch nicht anzukommen. Zumindest zeigte er keinerlei Regung.

»Bist du bereit, um meine Liebe zu kämpfen?«, durchbrach Asher mit vergnügter Stimme das Schweigen und lenkte Alex damit von seinem inneren Zwiespalt ab. Kaum hatte die Frage Ashers Lippen verlassen, kam auch schon die prompte Antwort von June.

»Aber so was von.«

Neugierig musterte Alex das Pärchen. Sie hatten so geradeheraus und ohne zu zögern geantwortet. Da war nicht der leiseste Zweifel, ob das die richtige Entscheidung war.

»Ihr scheint euch ja ziemlich sicher zu sein.«, bemerkte Louis ebenfalls.

»Wieso denn auch nicht? Was soll schon schiefgehen? Es wird bestimmt lustig.« Alex bedachte Asher mit einem neidvollen Blick. Manchmal wünschte er sich, er könnte sich etwas von dem sonnigen Gemüt dieses Kerls zu eigen machen. Für Junes Freund schien das Leben irgendwie so viel einfacher zu sein, ganz allein aus dem Grund, dass er in allem stets das Positive sah.

»Außerdem konnten wir ja meinetwegen das letzte Projekt nicht so wirklich genießen. Also probieren wir es jetzt eben noch mal. Diesmal aber dann von Anfang an als Team.«, pflichtete June ihm mit einem aufgeregten Lächeln auf den Lippen bei.

Tja, da sah man mal wieder, dass zu einer »Eitel-Sonnenschein-Beziehung« definitiv zwei gehörten. Denn natürlich funktionierte solch eine Einstellung nur, wenn man einen Partner hatte, der bereit war, auch im Licht zu baden. Alex könnte so viel Strahlen und Lachen und Kumbaya singen wie er wollte, Cash würde sich nie und nimmer davon mitreißen oder gar überzeugen lassen. Der beste Beweis war, dass sein Freund nach wie vor kein einziges Wort zu diesem Thema verloren hatte, obwohl Alex nun schon diverse Male versucht hatte, ihm bedeutungsvolle, telepathische Blicke zuzuwerfen. Er war sich sicher, Cash hatte sein stummes Flehen mittlerweile durchaus zur Kenntnis genommen und bloß für sich entschieden, es zu ignorieren. Tja, ihm konnte sein lieber Auserwählter vielleicht ausweichen, aber nicht den anderen acht Augenpaaren, die sich in diesem Moment erwartungsvoll auf sie beide hefteten.

»Und ihr? Seid ihr ebenfalls bereit, eure Liebe vor aller Welt zu beweisen?« Stellte Lucas die Frage, die auch Alex auf der Seele brannte.

»Warum nicht?« und »Auf gar keinen Fall!«, kam es von zwei Seiten wie aus der Pistole geschossen. Huh. Man musste wohl nicht näher erläutern, wer hier mit Euphorie und wer mit totaler Ablehnung geantwortet hatte.

Alex seufzte innerlich und versuchte, sich nach außen nicht anmerken zulassen, dass sich sein Herz bei Cashs harscher Abwehr für eine Millisekunde schmerzhaft zusammengezogen hatte. Es war ja mal wieder klar, dass es in seiner eigenen Beziehung alles andere als harmonisch zuging. Es wäre aber auch schwer verwunderlich gewesen, hätte Cash direkt zugestimmt. Das hätte ihm vermutlich mehr Angst gemacht, als der unheilvolle Blick, mit dem sein Freund ihm in diesem Moment bedachte.

Vorsichtig schielte Alex zu Cash herüber, der ihn mit kritisch erhobener Augenbraue anfunkelte.

»Du denkst doch nicht ernsthaft, dass ich noch einmal freiwillig bei diesem Quatsch mitmache?« Hm. War es geschickter, jetzt zu schweigen oder sich dem Kampf zu stellen?

»Alex?« Die leichte Belustigung, die zuvor noch in Cashs Stimme mitgeschwungen war, wich nun einer Mischung aus Ungläubigkeit und erstem Entsetzen.

»Warum denn nicht? Beim letzten Mal hatten wir doch auch ganz viel Spaß zusammen«, gab er betont unbekümmert zurück, das Lächeln auf seinen Lippen nur ein winziges bisschen verrutscht.

»Meinst du all die wundervollen Challenges, bei denen wir uns zum Affen machen mussten, oder doch den Moment, in dem du mir eröffnet hast, dass du, nach allem, was wir so ›Schönes erlebt und miteinander geteilt haben‹, als Freunde zum Ball gehen willst?« Cashs Stimme triefte nur so vor bitterem Sarkasmus. Alex schluckte. Dieser gezielte Stich in eine alte Wunde tat weh und war zudem nicht fair. Das Thema hatten sie doch schon vor einer gefühlten Ewigkeit abgehakt. Dachte er bis eben jedenfalls. Aufgebracht biss Alex sich auf die Lippen. Es fiel ihm schwer, ein vernünftiges Gegenargument zu finden.

»Ähm …, ja okay, zugegeben, beim ersten Mal ist ein bisschen was schiefgelaufen, aber diesmal ist es doch eine ganz andere Grundvoraussetzung«, stammelte er wahllos und vermutlich wenig überzeugend vor sich hin. Konnte Cash nicht einfach auf Ashers Zug aufspringen und versuchen, die lustige Seite daran zu sehen? Wenn man sich nicht unbedingt auf die anfänglichen Startschwierigkeiten und das seinerseits verschuldete dramatische Ende konzentrierte, hatte es bei ihrem Projekt doch einen durchaus wundervollen Mittelteil mit jeder Menge Spaß und Romantik gegeben. Und daran würde er wirklich gerne anschließen.

»Sorry, aber ich habe echt keine Lust, bei einer solchen sich anbahnenden Katastrophe meine Zeit zu verschwenden.« Oh. Alex zuckte vor der Heftigkeit dieser Antwort zurück. Die zynisch hervorgepressten Worte seines Freundes hallten wie Peitschenhiebe in seinen Ohren wider. In seiner Brust setzte ein schmerzhaftes Ziehen ein, das er mühsam zurückzudrängen versuchte. Es schien, als gäbe es in dieser Beziehung nur einen, der die ausgefallenen Weihnachtsdates genossen hatte. Die kompromisslose Ablehnung, die er im Blick seines Freundes fand, verletzte Alex beinahe so sehr wie die Worte selbst.

»Vielen Dank auch! Falls ich dich daran erinnern darf, mein Lieber, dann war es eine solche ›Katastrophe‹, die uns erst zusammengeführt hat. Aber hey, wenn das alles für dich nur Zeitverschwendung ist, bitte. Mach doch, was du willst.« Abrupt sprang Alex auf und zwängte sich, die überraschten Gesichter der anderen ignorierend, an Cash, Micah und Louis vorbei. Mit einem gemurmelten »Ich hol mir noch was zu trinken«, flüchtete er vor Cashs bohrenden Blicken in seinem Rücken in Richtung Bar. Statt jedoch wie angekündigt eine Bestellung aufzugeben, machte er kurz vor seinem Ziel spontan eine scharfe Linkskurve und rauschte auf die kleine Tür zu, die den Notausgang kennzeichnete. Vielleicht würde etwas frische Luft ihm dabei helfen, seine aufgebrachten Gedanken zu beruhigen.

Mit einem tiefen Seufzer lehnte Alex sich gegen die Hausfassade eines benachbarten Gebäudes und schloss einen Moment die Augen. Die kalte Nachtluft ließ ihn durch sein dünnes Oberteil frösteln, doch obwohl ihn bereits jetzt eine Gänsehaut überzog, genoss er die Stille. Er war vollkommen allein in dieser schmalen Gasse, was nicht verwunderlich war, da die Temperaturen in Boston Ende Januar meist noch deutlich unter dem Gefrierpunkt lagen. Und heute bildete keine Ausnahme. Nur Verrückte hielten sich bei dieser Eiseskälte draußen auf. Verrückte und er.

O man. Warum war er denn gerade mal wieder so aus der Haut gefahren? Selbst wenn Cashs Worte in ihrer unbedachten Art etwas beleidigend gewesen waren, hatte es eigentlich wirklich keinen Anlass für solch einen dramatischen Abgang gegeben. Er kannte seinen Freund schließlich gut genug, um zu wissen, dass sie nicht gegen ihn gerichtet waren.

Leider spielten sie dennoch, wie so oft, jeglicher seiner Ängste und Sorgen in die Hände und erzeugten dadurch diese dämlichen Kurzschlussreaktionen, die er einfach nicht kontrollieren konnte. Na ja, zumindest war er geflüchtet, bevor es noch völlig eskalierte. Manchmal brauchten sie beide halt eine kleine Auszeit, um sich abzureagieren. Es gab Pärchen wie Asher und June, die sich kaum jemals stritten und es gab sie …

Alex musste trotz seiner in Aufruhr gebrachten Gefühle leicht lächeln. Wenn er ehrlich war, würde er um nichts in der Welt tauschen wollen. Na klar, dieses ständige Auf und Ab zerrte gehörig an den Nerven. Allerdings war es von Anfang an ein Teil von ihnen gewesen und da sie beide eigensinnig und stur und er zudem auch noch extrem hitzköpfig war, ließen sich diese kleinen Auseinandersetzungen eben nicht vermeiden. Wichtig war ja eigentlich bloß, dass auf jede Ebbe eine Flut der Versöhnung folgte.

Das Quietschen einer sich öffnenden und direkt wieder schließenden Tür riss Alex aus seinen halb trübsinnigen und doch vollkommen beruhigten Gedanken. Er lauschte auf die Fußstapfen, die ein dumpfes Geräusch auf dem gefrorenen Asphalt erzeugten. Auch ohne die Augen zu öffnen, hatte er eine gute Vorstellung davon, wer da gerade mit langsamen, selbstbewussten Schritten auf ihn zu kam. Er war wohl nicht der Einzige, der bereit für den nächsten Dammbruch in ihrer Beziehung war.

Obwohl sein Herz sich längst nicht mehr schmerzhaft zusammenzog, sondern nun eher vor erwartungsvoller Aufregung einen Sprint hinlegte, bemühte Alex sich, eine neutrale Miene zu bewahren, als er sich nun von der Mauer abstieß und in Richtung seines Freundes wandte. Man musste ihm ja nicht schon an der Nasenspitze ansehen, dass der Sturm in seinem Inneren bereits einem lauen Lüftchen gewichen war. Nur für den Fall, dass sein Auserwählter entgegen seiner Vermutungen weiterhin auf Konfrontationskurs war.

»Alex …« Die tiefe, kratzige Stimme ließ ihn erschaudern. Nur Cash verstand es, seinen Namen auf diese besondere Art auszusprechen. Ein Wort, das keine eigene Bedeutung hatte und in dem doch so viel mitschwang. Da war ein Hauch von Genervtheit, ein Anflug von Sarkasmus, ein Funken Verständnis, die Andeutung eines Lächelns, eine Prise Humor. Und über alledem lag ein Schimmer von unverkennbarer Zuneigung. Eine wahrlich perfekte Mischung.

»Ich möchte wirklich nicht an diesem Projekt teilnehmen.« Die Ernsthaftigkeit in Cashs Stimme ließ Alex nicken, noch ehe er seine nächsten Worte geformt hatte.

»Ja, ich weiß.« Eigentlich war ihm schon beim Lesen der E-Mail bewusst gewesen, dass er bei seinem Wunsch, als Team anzutreten, auf verlorenem Posten stand. Und wenn er ganz tief in sich hineinblickte, würde er vermutlich selbst zu dem Schluss kommen, dass eine Teilnahme, mit all der zu investierenden Zeit und der Unvorhersehbarkeit der Aufgaben, eine absolut dämliche Idee war. Und sich dahinter weiß Gott nicht der rettende Strohhalm verbarg, den er da hatte hineininterpretieren wollen. Anscheinend deutete Cash Alex’ nachdenkliche Miene nicht als den Minimoment der Erkenntnis, der er war. Jedenfalls trat sein Freund einen Schritt auf ihn zu und sah ihn mit durchdringenden, unter dem Licht der Straßenlaternen grün funkelnden Augen an.

»Dir ist hoffentlich auch klar, dass das nicht bedeutet, dass ich nicht bereit wäre, für unsere Liebe zu kämpfen. Das bin ich. Jeden verdammten Tag. Allerdings sehe ich nicht, warum ich die Welt daran teilhaben lassen sollte. Das hier …« Cash legte sanft einen Arm um ihn und zog ihn zu sich heran. Er strich ihm zärtlich eine Strähne aus den Augen, sein Blick so liebevoll, dass sein Herz sich auf eine bittersüße Art zusammenzog. Alex hielt die Luft an, als Cashs Lippen federleicht die seinen berührten. »Das hier geht nur uns beide etwas an. Okay?« Geflüsterte Worte so dicht an seinem Mund, dass er sie mehr spüren als hören konnte.