Talentförderung im Fußball - Mirko Friedrich - E-Book

Talentförderung im Fußball E-Book

Mirko Friedrich

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  • Herausgeber: GRIN Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2014
Beschreibung

Akademische Arbeit aus dem Jahr 2001 im Fachbereich Sport - Sportökonomie, Sportmanagement, Note: 2,0, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Sprache: Deutsch, Abstract: Der aktuell hohe Stellenwert der Talentförderung im Fußball lässt sich anhand der vielfach geführten Diskussionen ermessen. Nicht nur die Fachpresse wie das „Kicker- Fußballmagazin“ oder Zeitschriften wie „Fußballtraining“, das „DFB-Journal“ und weitere Verbandszeitschriften berichten in diversen Beiträge zu diesem Thema. Auch die Tagespresse beschäftigt sich ausführlich mit dem Themengebiet der Talentförderung, nicht zuletzt aufgrund der insgesamt für die Bundesrepublik Deutschland sportlich enttäuschend verlaufenden Großereignisse wie der Fußballweltmeisterschaft 1998 in Frankreich und der Fußballeuropameisterschaft 2000 in Belgien und den Niederlanden. Der deutsche Fußball geht neue Wege. Ziel ist es langfristig, zur Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land im Jahr 2006 und auch in den Folgejahren eine Nationalmannschaft zu präsentieren, die die hohen Erwartungen der eigenen Bevölkerung erfüllen kann. Grundlage dafür ist ein funktionierendes Talentfördertraining, das in dieser Arbeit vorgestellt wird.

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Inhaltsverzeichnis

 

1. Einleitung

2. Training und Wettkampf

2.1 Das Mehr-Komponenten-Modell

2.2 Methoden Akzeleration und Enrichment

2.3 Eigene Stellungnahme

4. Altersthematik

5. Talentförderung in der DDR

6. Schlussbemerkung

7. Literaturverzeichnis (inklusive weiterführender Literatur)

 

1. Einleitung

Der aktuell hohe Stellenwert der Talentförderung lässt sich anhand der vielfach geführten Diskussionen ermessen. Nicht nur die Fachpresse wie das „Kicker- Fußballmagazin“ oder die Zeitschriften „Fußballtraining“, dass „DFB-Journal“ und weitere Verbandszeitschriften bringen diverse Beiträge zu diesem Thema. Auch die Tagespresse beschäftigt sich ausführlich mit dem Themengebiet der Talentförderung (siehe Literaturverzeichnis), nicht zuletzt aufgrund der insgesamt für die Bundesrepublik Deutschland sportlich enttäuschend verlaufenden Großereignisse wie die Fußballweltmeisterschaft 1998 in Frankreich (vgl. JOCH 2001b, S. 26) und die Fußballeuropameisterschaft 2000 in Belgien und den Niederlanden (vgl. PFEIFER/RÖSER 2000, S. 14-15).

Obwohl der DFB mit seinem pyramidenmäßigen Aufbau der Talentsichtung und -förderung ein funktionierendes System, welches weltweit Anerkennung findet, seit vielen Jahren installiert hat (vgl. ZEMPEL 2000, S. 52), haben aber die internationalen Mitstreiter wie die Niederlande oder Frankreich mit neuen, zeitgemäßen Konzepten der Talentförderung einen großen Erfolg errungen (vgl. PFEIFER 2001c, S. 13-14). Der DFB hat den Handlungsbedarf erkannt, und das nicht allein wegen der Leistungen der Nationalmannschaft und der Erfolge anderer Nationen. Auch das sogenannte „Bosman-Urteil“ von Dezember 1995 hat ein Umdenken in den Talentförderungsstrukturen zur Folge gehabt.

Exkurs: Das „Bosman-Urteil“

Das Urteil bedeutet, dass ein Teil des internationalen Transfersystems der Europäischen Fußballunion (UEFA) für rechtswidrig erklärt und damit abgeschafft wurde. Dazu zählen so namhafte Fußballnationen wie Deutschland, Italien, Niederlande, England, Frankreich, Spanien u.v.m.. Spieler der betroffenen Länder können seitdem nach Vertragsende innerhalb der Europäischen Union (EU) grenzüberschreitend ablösefrei den Verein wechseln. Nach neuester Rechtssprechung dürfen zudem europäische Spieler in unbegrenzter Anzahl verpflichtet und eingesetzt werden. Aus anderen Konföderationen des Weltfußballverbandes (FIFA) können bis zu drei Spieler unter Vertrag genommen werden (vgl. WUTTKE 1996). Für ein Novum sorgte zuletzt der Fußballbundesligist Energie Cottbus, der im Bundesligaspiel der Saison 2000/2001 gegen den VfL Wolfsburg keinen deutschen Spieler in seiner Anfangsformation aufgeboten hat.

Durch das Urteil ist eine vermehrte Anzahl von ausländischen Spielern in den höchsten deutschen Ligen verpflichtet worden und das macht es speziell den eigenen deutschen Talenten schwerer als jemals zuvor, sich in den hohen Spielklassen durchzusetzen (vgl. PFEIFER 2000b, S. 74-77). Der DFB hat daher den Vereinen der ersten und zweiten Bundesliga vorgeschrieben, eigene Nachwuchsleistungszentren zu errichten. Bei Nichteinhaltung des Zeitplans und der erforderlichen Strukturen droht der Lizenzentzug, ein Druckmittel, dass den Vereinen die Entschlossenheit des DFB verdeutlicht (vgl. DFB 2000; vgl. FRANZKE 1999, S. 90; vgl. KRAMER 2000a, S. 8-12; vgl. LINNHOFF 2000, S. 42-45).

WEISE, verantwortlicher Leiter des DFB-Stützpunktkonzepts, hat mir in einem persönlich geführten Gespräch die schwierige Situation der jungen Talente beschrieben (vgl. Anhang Mündl. Auskunft 2001e). Die Aufgabe der DFB-Stützpunkttrainer ist es jetzt, Talente noch besser auszubilden, damit sie sich mit Leistung gegenüber den ausländischen Spielern durchsetzen. Mittlerweile ist gerade den europäischen Spitzenclubs die Förderung der eigenen Nachwuchstalente zu einer wichtigen Aufgabe geworden, denn eine weitere Auswirkung des „Bosman-Urteils“ sind explosionsartig in die Höhe katapultierte Spielergehälter. So werden bereits sehr junge Spieler mit viel Geld von einem Verein zum nächsten „gelockt“ (vgl. MARX 1999, S. 16-17; vgl. PFEIFER 2000a, S. 12-14).

2. Training und Wettkampf

Im Rahmen dieser Arbeit wird nur auf grundsätzliche Aspekte des Trainings eingegangen. Eine differenziertere Betrachtung des Themas Training würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Für eine intensivere Betrachtung verweise ich daher auf entsprechende Fachliteratur (vgl. u.a. WEINECK 1997). Das Training ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Talentförderung. Hier wird das Fundament gelegt, dass in der Zukunft hohe und höchste sportliche Leistungen erreicht werden können. Die Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit ist ebenso ein anzustrebendes Ziel der Talentförderung. Die Förderung von Sporttalenten erfolgt in einem langfristigen, systematischen und differenzierten Trainingsaufbau und zielt demnach nicht auf unmittelbare und kurzfristige Erfolge ab (vgl. JOCH 1997, S. 345).

Im Sport umfasst die Talentförderung vor allem die vielfältigen Ausbildungs-, Trainings- und Begleitmaßnahmen, durch die eine optimale sportliche und körperliche Leistungsentwicklung potentieller Talente im Hinblick auf langfristige Ziele gesichert werden soll. Auch gezielte Maßnahmen zur Entfaltung der Persönlichkeit werden im spitzensportorientierten Training mit einbezogen. Bei der langfristigen Talentförderung lassen sich verschiedene einander nachfolgende Trainingsabschnitte unterscheiden, die

oftmals als Allgemeine Grundausbildung, Grundlagentraining, Aufbautraining und Anschlusstraining bezeichnet werden (vgl. RÖTHIG 1992, S. 496).

Durch die Gliederung des Talentfördertrainings in Trainingsabschnitte können von den jeweiligen Fachverbänden Leistungsanforderungen vorgegeben werden. Sie beziehen sich auf alle Bereiche des Trainings und Wettkampfes und besitzen eine Kontrollfunktion, denn die Leistungsentwicklung ist kein hochrechenbarer Prozess (vgl. JOCH 1997, S. 86-87).

Das Training ist ein zielgerichteter Vorgang, der den anerkannten Prinzipien der Trainingslehre folgt:

Ganzheitlichkeit,

Spezialisierung,

Allmählichkeit,

Langfristigkeit,

Systematik und

angemessene Häufigkeit

Neben der Steuerungsfunktion des Trainings zur Förderung des Talents spielt auch die Wettkampferfahrung eine entscheidende Rolle. Die Wettkämpfe sind ein Bestandteil des Talentfördertrainings. Sie werden durch das Training beeinflusst, wirken aber selbst auch auf die jeweiligen Trainingsmaßnahmen ein (vgl. JOCH 1997, S. 95).

2.1 Das Mehr-Komponenten-Modell

Der Prozess der Talentförderung ist sehr komplex, da eine Vielfalt von Einfluss- und Bedingungsfaktoren vorhanden ist, die sich komprimiert in einem „Mehr-Komponenten-Modell“ von JOCH darstellen lässt. Dieses Modell dient als Orientierungshilfe in der Talentdiskussion und versucht, eine Verbindung von wissenschaftlichen Erkenntnissen mit der Praxiserfahrung zu verbinden.

Die Talentfrage ist in den entscheidenden Punkten weiterhin offen. Eine erste und wichtige Schlussfolgerung aus dieser Erkenntnis lautet deshalb: „Gesetzmäßigkeiten im Sinne strenger Determination – als naturwissenschaftliche „Wenn-dann-Beziehung“ – gibt es nicht. Der Prozeß der Talententwicklung ist variantenreich und ein Weg mit vielen Freiheitsgraden“ (JOCH 2000a, S. 4). Eine wichtige Forderung für das Talentfördertraining ist nach diesem Modell, dass die Trainer qualifiziert sind. Die Trainerkompetenz setzt sich aus einer Fülle von Einzelmerkmalen und unterschiedlichen Fähigkeiten wie Erfahrung, Fachwissen, Einfühlungsvermögen und Durchsetzungsfähigkeit zusammen. Nur die optimale Verbindung der Merkmale und Fähigkeiten zeichnet einen qualifizierten Trainer aus (vgl. ebd., S. 5). Die Talente werden nur so gut sein, wie es die Trainer sind, sie werden sich in der Regel nicht von alleine durchsetzen. Natürlich müssen sich die Talente auch frei entfalten dürfen, aber die fast grenzenlose Freiheit muss in der Talentförderung eingeschränkt werden, wenn sie effektiv und erfolgreich sein will. Mit dem „Grundsatz der Vielseitigkeit“ wird eine Möglichkeit gefunden, die Offenheit und Begrenzung optimal zu verbinden.

„Diese zielgerichtete, systematische und planvolle Talentförderung verbunden mit Vielseitigkeit, Variantenreichtum und selbstbestimmten Leistungswillen bezeichne ich als „intentionale Vielseitigkeit“ (oder: zielgerichtete Vielseitigkeit)“ (Ebd., S. 6).

2.2 Methoden Akzeleration und Enrichment

Es sind in der Talentdiskussion zwei Wege der Talentförderung vorhanden. Als Alternativen stehen sich die Methoden der „Akzeleration“ und des „Enrichments“ gegenüber. Akzeleration bedeutet soviel wie Beschleunigung, d.h. das Talent zeichnet sich bereits in einem frühen Entwicklungsstadium durch eine hohe Leistung aus, wie neunjährige „Wunderkinder“, die den Schachweltmeister besiegen. Die Förderung dieser Talente besteht nun darin, die erkennbar frühe Leistungsauffälligkeit durch erhöhte Anstrengungen noch zu steigern. Ein gegenteiliges Konzept ist die Enrichment-Strategie. Enrichment heißt übertragen „Anreicherung“. Ziel ist bei dieser Strategie nicht die frühe Vollendung, sondern die Sicherung des Fundaments als Basis für die Talententwicklung. Bei der Talentförderung im Sport geht es nicht nur darum, einzelne Techniken zu lernen, die spezielle Kondition zu trainieren, taktische Spielzüge einzustudieren, sondern diese Grundvoraussetzungen durch Trainingsinhalte nachhaltig abzusichern. Diese Strategie ist langfristig ausgelegt so dass der kurzfristige Erfolg unwesentlich ist. Elemente der Enrichment-Strategie werden in der Grafik veranschaulicht:

GRAFIK JOCH fussballtraining S. 6

Allgemein: das Allgemeine geht dem Speziellen voraus, es gilt als Basis und Ausgangspunkt

Abwechslungsreich: steht gegen Trainingsmonotonie, die ein uneffektives, langweiliges und belastungseinseitiges Training charakterisiert

Variantenreich: die Fähigkeit der variablen Verfügbarkeit stellt die höchste Stufe im Lernprozess dar.

Vielseitig: neue Übungen werden im Trainingsprozess integriert, gehört zu den Begriffen abwechslungsreich und variantenreich

Attraktiv: Training interessant gestalten mit viel Freude und Spass in der Vermittlung, aber auch altersgemäß und belastungsverträglich

Gründlich: eine Vorgehensweise mit großer Achtsamkeit, eine genaue Bewegungsausführung als wichtiges Kriterium

2.3 Eigene Stellungnahme

Das Nachwuchstraining stellt meiner Ansicht nach den wichtigsten Teil der sportlichen Talentförderung dar. Die talentierten Spieler sollen hier eine langfristige Vorbereitung auf den Spitzensport erhalten. Der deutsche Fußball hat sich durch Tugenden wie Kondition und Disziplin ausgezeichnet. Viel zu oft wird Erwachsenentraining einfach auf das Jugendtraining übertragen. Aus meinen eigenen Erfahrungen kann ich berichten, dass ich in der Jugend viel Konditionstraining erhalten habe, Waldläufe zählten wie selbstverständlich zum Trainingsprogramm. Innerhalb der kindlichen Entwicklung vor der Pubertät stagniert allerdings die Konditionsentwicklung (vgl. JOCH 2000a, S. 7). Statt des Konditionstrainings sollte das Augenmerk besser auf die Koordinationsschulung, definiert als Nerven-Muskel-Zusammenspiel, gelegt werden. Dieses Zentralnervensystem ist bereits im siebten Lebensjahr bis zu 90 Prozent ausgebildet. Somit sollte zwischen dem achten und zwölften Lebensjahr mit der Talentförderung im Fußball begonnen werden, wobei der Schwerpunkt in der Koordinationsschulung liegt. Wie bereits erwähnt, muss die Bedeutung der qualifizierten Trainer hervorgehoben werden, denn sie bilden eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Talentförderung.

4. Altersthematik

Die Altersthematik hat für die Talentförderung eine besondere Bedeutung. Sie wird oft mit einer frühen Spezialisierung diskutiert, die in der Regel eine negative Bewertung erhält. Die Frühspezialisierung betrifft vor allem Sportarten, in denen zu einem frühen Zeitpunkt sportliche Höchstleistungen erbracht werden können wie Gerätturnen, Eiskunstlauf und Schwimmen. Bei einem zu frühen Beginn ist ein planmäßiger Trainingsaufbau nicht gewährleistet, stattdessen werden die Aspekte eines alters- und entwicklungsgemäßen Trainings nicht ausreichend berücksichtigt bzw. die psychische und physische Belastbarkeit der jungen Talente überschätzt. Einseitige und zu schnell erhöhte physische Belastungen können zu Überbelastungen des Körpers führen, deren Folgen das gesamte körperliche System belasten. Psychische Überforderungen können mit als Grund für Drop-Outs, also zu einem frühzeitigen Aussteigen aus dem Leistungssport, angeführt werden. Die Frühspezialisierung führt sowohl in den koordinativen als auch in konditionell geprägten Sportarten zu einer Leistungsstagnation, denn spitzensportliche Leistungen sind nur auf einem vielseitig ausgebildeten Bewegungsrepertoire zu erreichen (vgl. WEINECK 1997, S. 133).

„Im Hochleistungsport ist demnach nicht eine zu frühe, sondern eine rechtzeitige Spezialisierung erforderlich, die die Grundprinzipien des Nachwuchstrainings berücksichtigt. Die Spezialisierung sollte so spät wie notwendig und auf der Basis eines entwicklungsgemäßen Leistungsaufbaus erfolgen, der die individuelle Entwicklung berücksichtigt, eine maßvolle Belastungssteigerung im Rahmen einer vielseitigen Grundausbildung beinhaltet und vor allem die optimale Entfaltung allgemeiner koordinativer Fähigkeiten bzw. den rechtzeitigen Erwerb sportmotorischer Spezialfertigkeiten garantiert“ (Ebd.).

Eine frühe Spezialisierung führt unweigerlich dazu, in einem Entwicklungsstadium mit den Talentfördermaßnahmen zu beginnen, in dem keine ausreichenden Trainingseindrücke der jungen Talente vorhanden sind. Als Hauptorientierung für die Talentauswahl und Talentförderung steht demnach die sportliche Leistung. Das führt unweigerlich zur Aussiebung der Akzelerierten und somit zur Benachteiligung der Retardierten.

„Beim Normalentwickler stimmen kalendarisches und biologisches Alter überein. Beim Frühentwickler – Akzelerierten – liegt eine beschleunigte Aufeinanderfolge der körperlichen Entwicklungsphasen von einem oder mehreren Jahren vor, beim Spätentwickler – Retardierten – eine verzögerte von einem oder mehr Jahren“ (Ebd., S. 104).

HOFMANN/SCHNEIDER verdeutlichen, dass Sportler mit unterschiedlicher biologischer Entwicklung zu verschiedenen Zeitpunkten besonders leistungsfähig sind.

ABB. Weineck S.132

5. Talentförderung in der DDR

Die DDR hat in der Talenterkennung und Talentförderung ein eigenes Konzept entwickelt, welches von dem der Bundesrepublik Deutschland entscheidend abweicht. Seit Beginn der 60er Jahre und verstärkt in Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 1972 in München wurde in der damaligen DDR der Leistungssport als politisches Prestigeobjekt gezielt entwickelt, um die „Überlegenheit des sozialistischen Systems“ zu dokumentieren. Es ist also versucht worden, das Ansehen eines Landes und des gesamten politischen Systems durch sportliche Leistungen aufzuwerten. Dabei ist dem Nachwuchsleistungssport von der politischen Führung ein hoher Stellenwert beigemessen worden. Dabei hat die Entfaltung der Individualität der jungen Talente mittels des Sports eine geringe Rolle eingenommen. Dem Staat ist es in erster Linie um den reinen sportlichen Erfolg gemessen an einer Vielzahl von Medaillen gegangen. Die Erfolge des leistungssportlichen Vorbereitungssystems sind durch die aufgeführten Faktoren gesichert worden:

Zentralistische Führung aller Prozesse bei weitgehender Gleichschaltung und Unselbständigkeit von territorialen Strukturen sowie von Sportverbänden;

Sichtung aller Kinder und Jugendlichen bestimmter Jahrgänge über die Schulen „Einheitliche Sichtung und Auswahl“;

Wissenschaftlich-begründete Ausbildungskonzeptionen und deren stabsmäßige Durchsetzung durch eine große Anzahl hauptamtlicher Kräfte (einschließlich Anleitung und Kontrolle der Trainer, Analysen der Wirksamkeit der Rahmentrainingspläne usw.);

Hoher Grad der Organisiertheit der Kräfte im DTSB, der Volksbildung, der Sportmedizin, der Sportwissenschaft;System der sozialen Absicherung und Förderung, das den damaligen gesellschaftspolitischen Bedingungen entsprechend eine begünstigende Motivationsstruktur bei Sportlern, Trainern, Eltern und Funktionären schuf.

(vgl. ROST 1990, S. 33-34)

Folgende Abbildung gibt einen Überblick über die einst vorhandenen Strukturen des Nachwuchsleistungssports der DDR:

ABB.

Die Einheitliche Sichtung und Auswahl (ESA) ist der Ausgangspunkt des Talentförderprogramms der ehemaligen DDR gewesen. Ab Anfang der 70er Jahre ist an allen Schulen der DDR einheitlich als Bestandteil des Lehrplanes in der ersten, vierten (später dritten) und der achten Klasse eine ESA nach einem standardisierten Programm vorgenommen worden, bevor eine Auswahlentscheidung für das Trainingszentrum getroffen wurde (vgl. MOCKER 1988, S. 67-69).

In den 1.800 Trainingszentren der 1. Förderstufe wurden ca. 70.000 Kinder und Jugendliche durch ca. 2.000 hauptamtliche Trainer und 9.000 ehrenamtliche Übungsleiter betreut. Das Aufbau- und Anschlusstraining erfolgte unter den Bedingungen der 2. Förderstufe. In 18 Sportclubs, wobei die Fußballclubs in der Abbildung nicht berücksichtigt sind, wurden 38 olympische Sportarten gefördert. Eine wichtige Schulfördereinrichtung waren die 25 Kinder- und Jugendförderschulen, an denen ca. 10.000 Schüler betreut wurden. Die Kinder- und Jugendsportschulen waren mit Internaten ausgestattet. Das Hochleistungstraining vollzog sich unter den Bedingungen der 3. Förderstufe in drei Kaderkreisen, wobei der Kaderkreis II die besten Jugendlichen und Junioren zusammenfasste. In der 2. und 3. Förderstufe wirken insgesamt 4.000 hauptamtliche Trainer. Die gesundheitliche Betreuung der Sportler aller drei Förderstufen war durch den Sportmedizinischen Dienst gesichert. Trainingswissenschaftliche Unterstützungen wurden durch das Forschungsinstitut für Körperkultur und Sport für das Hochleistungs- und Anschlusstraining, durch die Deutsche Hochschule für Körperkultur für das Aufbau- und Grundlagentraining gegeben. In allen Förderstufen erfolgte zudem eine permanente Auswahl, so dass immer nur die Besten in die nächste Förderstufe aufgenommen wurden (vgl. ROST 1990, S. 36-37).

In der Talentförderpraxis der DDR war die wissenschaftliche Begleitung ein fester Bestandteil. Das Vorgehen ist exakt festgehalten worden, darunter finden sich auch viele Untersuchungs- und Testreihen (vgl. KLEIN 1985; vgl. KUPPER 1993, S. 2-24; vgl. OSTROWSKI 1990, S. 68-83; vgl. ROST 1990, S. 33-64; vgl. THIESS 1989; vgl. WALLBERG 1993, S. 71-82). Da die Darstellung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, verweise ich auf die entsprechende Fachliteratur.

6. Schlussbemerkung

7. Literaturverzeichnis (inklusive weiterführender Literatur)

 

ANDRESEN, R. / KRÖGER, C.: Talentbewahrung als vorrangiges Ziel eines langfristigen Leistungsaufbaues. In: Zs. SPORTWISSENSCHAFT, 17. Jg. (1987) Nr.1, S. 53-70.

 

BAYERISCHER FUßBALL-VERBAND (Hrsg.): Straßenfußball muß durch die Vereine ersetzt werden. In: Zs. BAYERN-MAGAZIN 2000, Nr. 11, S. 46-47.

 

BRÜGGEMANN, D.: Talent-Förderung oder Talent-Nutzung. Der talentierte Jugendfußballer im Fadenkreuz von Ausbildung und Erfolgsdenken. In: Zs. FUßBALLTRAINING 1995, 13. Jg., Nr.4, S. 13-17.

 

BRÜGGEMANN, D.: Jugendfußball- der Zankapfel der Nation. Juniorentraining 1980 und heute - zum besseren Verständnis aktueller Probleme und Defizite im Nachwuchsfußball. In: Zs. FUßBALLTRAINING 2000, 18. Jg., Nr. 11+12, S. 58-65.

 

CARL, K.: Talentsuche, Talentauswahl und Talentförderung. Studienbrief 24 der Trainerakademie Köln des Deutschen Sportbundes. Schorndorf 1988.

 

COMI, H.: Zum Entwicklungsverlauf der Talente - Entwicklung der Leistung der besten badischen Schülerleichtathleten der Jahre 1967-1973 bis heute. In: Zs. Die Lehre der Leichtathletik 1985, Nr.35, S. 1211 u. 1214.

 

DEUTSCHER-FUßBALL-BUND (DFB) (Hrsg.): Maßnahmen zur effektiven Talentsichtung und Talentförderung im Deutschen-Fußball-Bund. Durch den DFB unterstützte zusätzliche Maßnahmen der Landesverbände (Schule, Verein, Verband). Rahmenkonzeption Fußball-WM 2006 Deutschland. Frankfurt 1998.

 

DEUTSCHER-FUßBALL-BUND (DFB) (Hrsg.): Talente fordern und fördern. Trainingstips für die Stars von morgen. Münster 1999.

 

DEUTSCHER-FUßBALL-BUND (DFB) (Hrsg.): Amtliche Mitteilungen. Nr.4/ 2000, Frankfurt 2000.

 

DEUTSCHER-FUßBALL-BUND (DFB) (Hrsg.): Jahresbericht 1998-2001. Vorgelegt dem DFB-Bundestag am 27./28. April in Magdeburg. Frankfurt 2001.