Tanz der Gefährten - Nalini Singh - E-Book

Tanz der Gefährten E-Book

Nalini Singh

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Beschreibung

Eine Novella aus der Welt der Gestaltwandler

Noch immer sitzt die Demütigung einer dominanten Wölfin wie ein Stachel in seinem Fleisch - und der Wolfswandler Felix hat sich geschworen, nie wieder jemandes Spielzeug sein zu wollen. Doch für die Leopardin Dezi ist Felix der faszinierendste Mann, den sie je getroffen hat. Sie setzt all ihre Überredungskünste ein, um den schüchternen Wolf aus der Reserve zu locken und sein Vertrauen zu gewinnen. Denn die Raubkatze will nichts lieber, als Felix zärtliche Bisse zu verpassen ...

"Nalini Singh ist brillant!" USA TODAY

Diese Novella ist bereits in der Anthologie "Wilde Umarmung" veröffentlicht


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Seitenzahl: 173

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Inhalt

TitelZu diesem BuchAnmerkung der Autorin123456789EpilogDanksagungLeseprobeDie AutorinDie Romane von Nalini Singh bei LYXImpressum

NALINI SINGH

Tanz der Gefährten

Ins Deutsche übertragen von Patricia Woitynek

Zu diesem Buch

Noch immer sitzt die Demütigung einer dominanten Wölfin wie ein Stachel in seinem Fleisch – und der Wolfswandler Felix hat sich geschworen, nie wieder jemandes Spielzeug sein zu wollen. Doch für die Leopardin Dezi ist Felix der faszinierendste Mann, den sie je getroffen hat. Sie setzt all ihre Überredungskünste ein, um den schüchternen Wolf aus der Reserve zu locken und sein Vertrauen zu gewinnen. Denn die Raubkatze will nichts lieber, als Felix zärtliche Bisse zu verpassen …

Diese Novella ist bereits in der Anthologie »Wilde Umarmung« veröffentlicht.

Anmerkung der Autorin

Willkommen bei Wilde Umarmung, einer Sammlung von Geschichten aus der Welt der Gestaltwandler. Sollte dies eure erste Reise dorthin sein, wünsche ich euch viel Vergnügen! Man muss die früheren Bände der Reihe nicht kennen, um in die vorliegenden Storys einzutauchen.

Allen langjährigen Leserinnen und Lesern der Serie gewähren diese Episoden tiefere und nuanciertere Einblicke in die vielfältigen Facetten des Gestaltwandlerkosmos. Ich habe sie deshalb geschrieben, weil ich finde, dass sie wichtig sind, obwohl sie sich in der Peripherie der Haupthandlung abspielen. Jede einzelne Figur trägt dazu bei, dieser Welt Detailreichtum zu verleihen, auch wenn wir in den eigentlichen Büchern nur einen flüchtigen Blick auf sie erhaschen.

Aus demselben Grund verfasse ich die kostenlosen »Slice of Life«-Beiträge für meinen Newsletter. Ich will über jeden Winkel der Gestaltwandlerwelt auf dem Laufenden sein und wissen, was die Charaktere treiben, selbst wenn sie nicht im Scheinwerferlicht stehen. (Solltet ihr meinen Newsletter noch nicht abonniert haben, könnt ihr das schnell und einfach nachholen über: www.nalinisingh.com.)

Hinsichtlich der Chronologie der Ereignisse trägt sich jede dieser Kurzgeschichten zu einem anderen Zeitpunkt innerhalb der Reihe zu. Das Echo der Stille schließt sich an Jäger der Nacht an, wohingegen Dorian mehrere Jahre überspannt und bis in die Monate nach Gefangener der Sinne hineinreicht. Die Novelle Tanz der Gefährten beginnt gegen Ende von Einsame Spur, während das Rätsel in Flirt mit dem Schicksal sich zeitlich mit dem Schluss von Geheimnisvolle Berührung überschneidet.

In welcher Reihenfolge auch immer ihr die Geschichten lest: Ich wünsche euch spannende Unterhaltung bei eurem Streifzug durch die verschiedenen Regionen des Gestaltwandlerkosmos und bei der Erforschung kleinerer, privaterer Enklaven, die von diesen Figuren bevölkert sind.

Viel Spaß bei der Lektüre, und gebt gut auf euch Acht.

Nalini

1

Felix, der gerade eine Gruppe junger Bäumchen untersuchte, die einer der Jugendlichen gepflanzt hatte, hob den Kopf und fing ein strahlendes Lächeln auf. Mit ihren leuchtend grünen Augen, der bronzenen, golden schimmernden Haut und den tausend Zöpfchen, zu denen sie ihr Haar geflochten hatte, war sie die schönste Frau, die er je gesehen hatte. Und darüber hinaus eine ranghohe DarkRiver-Soldatin, die, so man dem rudelinternen Klatsch Glauben schenken durfte, in den nächsten ein oder zwei Jahren zur Wächterin aufsteigen würde.

Ihre Augen funkelten, als sie die Hand hob und ihm zuwinkte.

Verlegen wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Bäumchen zu, das er gerade inspizierte. Der Junge hatte ganze Arbeit geleistet, aber er war noch unerfahren … Felix spürte, dass sie ihn noch immer ansah. Als er eine Minute später mit gesenkten Wimpern verstohlen zu ihr hinspähte, hatten sich ihre in Leder gekleideten Beine in eine andere Richtung gedreht, darum sah er ganz auf. Sie sprach gerade mit seinem Leitwolf Hawke, der gekommen war, um nachzusehen, wie es mit der Bepflanzung des Areals voranging, das während der Schlacht mit den Makellosen Medialen verwüstet worden war.

Die bildhübsche Soldatin hieß Desiree und war eine Leopardengestaltwandlerin.

Die Raubkatzen leisteten ihren Beitrag, indem sie halfen, den Teil des Waldes während der Neubepflanzung zu schützen, der bei dem Kampf zerstört und dadurch derart einsehbar geworden war, dass jeder dort ein leicht zu treffendes Ziel war. Felix erging es ähnlich wie seinen Rudelgefährten, auch er hatte eine Weile gebraucht, um sich daran zu gewöhnen, dass durch den Blutbund, den sie mit den Leoparden geschlossen hatten, diese im SnowDancer-Revier ebenso willkommen waren wie die Wölfe im tiefer gelegenen Territorium des DarkRiver-Rudels. Gleichwohl gebot es der Respekt von Raubtier zu Raubtier, sich dem Wächter vorzustellen, wenn man einem begegnete.

Desiree lachte über etwas, das Hawke gesagt hatte, dann nickte sie und verabschiedete sich mit einem Winken. Da der Leitwolf bereits mit Felix gesprochen hatte, grüßte er nur wortlos und ging davon, sodass Felix und Desiree allein auf der Lichtung zurückblieben. Felix wollte die Zeit, in der außer der abendlichen Wachmannschaft niemand mehr hier war, nutzen, um den Boden für die Pflanzen, die am nächsten Tag gesetzt werden sollten, vorzubereiten.

»Hallo.« Stiefelspitzen erschienen neben dem Steckling, den er gerade begutachtete. »Ich bin Desiree.«

Die Höflichkeit verlangte, dass er sich ebenfalls vorstellte, aber Desirees Dominanz war derart überwältigend, dass sein Wolf zitterte und am liebsten die Flucht ergriffen hätte. Dass sie ein weibliches Tier war, spielte dabei keine Rolle  – sie war in jedem Fall ein wesentlich stärkeres Raubtier als er, und sein Wolf wusste das.

Sie ging in die Hocke und versuchte, seinen Blick einzufangen, indem sie den Kopf leicht zur Seite neigte, wobei ihre Zöpfe über ihre Schulter glitten. »Ich beiße nicht. Es sei denn, man bittet mich darum.«

Wieder wurde ihm ganz heiß. Verdammt. Während seiner Zeit als Haute-Couture-Model hatte er mit jeder Menge starker Persönlichkeiten zu tun gehabt, und es hatte keine Schwierigkeiten gegeben. Allerdings war darunter keine atemberaubend schöne Leopardin gewesen, die in ihm den Wunsch weckte, sie zu berühren, obwohl er wusste, dass das eine sehr, sehr schlechte Idee war. Dominante Raubtiere verspeisten unterwürfige wie ihn zum Frühstück und hatten mittags wieder Hunger.

Keiner von beiden sagte etwas, bis Desiree sich wieder aufrichtete. »Dann lasse ich dich mal weiterarbeiten.«

Felix sah ihr nach, wie sie mit anmutigen Bewegungen davonging, und hätte sich am liebsten geohrfeigt. Er wollte mit ihr sprechen, sie kennenlernen … aber diesen Weg hatte er schon einmal eingeschlagen. Wie ein dummer Junge hatte er sich Hals über Kopf in eine dominante Wölfin, die aus einem anderen Rudel zu Besuch gewesen war, verliebt und alles für sie aufgeben wollen, auch seinen ersten großen Modelauftrag.

Doch als er ihr voll Inbrunst seine Liebe gestanden, ihr Herz und Seele geöffnet und sich dadurch verletzbar gemacht hatte, hatte sie seine Wange getätschelt, ihn geküsst und gesagt: »Tut mir leid, Süßer. Du bist wundervoll und ganz entzückend, aber ich brauche einen dominanten Partner.«

Sie hatte nicht vorgehabt, ihm wehzutun, sondern wirklich angenommen, dass sie lediglich auf rein freundschaftlicher Basis intime Körperprivilegien miteinander austauschten, und dass er die Tatsachen des Lebens verstand: Zwar verbanden sich dominante Wölfe oftmals mit unterwürfigen, aber für gewöhnlich war dabei der Mann der dominante Partner. Vertauschte Rollen waren eher die Ausnahme, und in Bezug auf dominante Leopardinnen hatte er überhaupt noch nie davon gehört. Sie waren so wild und unabhängig, dass nur ein hartnäckiger und starker Mann sie langfristig an sich binden oder gar ein Paarungsband zu entwickeln vermochte.

Rileys Werben um Mercy war das beste Beispiel. Voll Übermut hatte der Leopardenwächter der Offizierin der Wölfe nachgestellt. Fasziniert und glücklich hatte Felix ihnen gemeinsam mit dem Rest des Rudels vom Spielfeldrand aus zugesehen, in der Gewissheit, dass es diese Art von Paarungstanz für ihn nicht geben würde. Er würde einen wundervollen Gefährten abgeben, dessen war er sich sicher. Er war loyal, handwerklich begabt, und er liebte Kinder über alles. Trotzdem würde er keine Beziehung mit einer dominanten Partnerin eingehen.

Und mochte sie noch so schön sein.

Er war fertig damit, sich ausnutzen zu lassen.

Desiree zog sich weit genug in das Dämmerlicht des Waldes zurück, der die Lichtung umgab, dass der Botanikexperte des SnowDancer-Rudels sie nicht mehr sehen konnte, dann lehnte sie sich an einen Baum, um ihn zu beobachten. Er war groß und muskulös, hatte dunkles Haar, von dichten Wimpern umkränzte, konzentriert blickende braune Augen und starke Hände, mit denen er den Jungpflanzen behutsam und sorgfältig Pflege angedeihen ließ.

Die Ärmel seines karierten Arbeitshemds waren hochgerollt und gaben den Blick auf seine goldgetönte Haut frei, unter der sich kräftige Adern abzeichneten. Sie wollte mit der Zunge darüberlecken, wollte seine großen, warmen, schwieligen Hände an ihrem Körper spüren. Seine Berührungen würden rau sein, umsichtig, besonnen. Der bloße Gedanke verursachte ihr einen wohligen Schauer.

Doch zunächst einmal musste sie ihn dazu bringen, mit ihr zu reden.

Ihre Raubkatze räkelte sich, rieb sich mit dem Fell unter ihrer Haut. Sie war aber genauso sehr gefesselt von diesem Mann, der sich derart still und konzentriert der frisch gesetzten Pflanzen annahm. Es war nicht sein Aussehen, das als Erstes ihre Aufmerksamkeit erregt hatte – obwohl er ein heißer Typ war –, sondern sein Umgang mit den Pflanzen. Sie sah ihm nun schon über eine Stunde heimlich dabei zu, wie er die zarten Stecklinge mit äußerster Sanftheit hegte und pflegte.

Und dabei hatten dieselben Hände eben noch einen Fünfundzwanzig-Kilo-Sack Erde hochgehoben, als wöge er nichts.

Diese Kombination aus körperlicher Kraft und unglaublicher Behutsamkeit war absolut unwiderstehlich. Wenn man den unverkennbaren Respekt hinzuaddierte, den ihm sogar die hartgesottensten Mitglieder seines Rudels entgegenbrachten, haftete diesem braunäugigen Wolf etwas an, das ihre Leopardin dazu brachte, ruhelos in ihr umherzustreifen; sie wollte ihn kosten.

In diesem Augenblick veranlasste ihn der Ruf einer Offizierin aufzusehen.

Bekleidet mit Jeans und T-Shirt, die langen schwarzen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, ging Indigo neben ihm in die Hocke, und sie begannen ein ungezwungenes Gespräch, bei dem es der Wölfin sogar gelang, ihm ein Lachen zu entlocken. Also scheute er nicht generell davor zurück, sich mit dominanten Frauen zu unterhalten. Er wollte es nur nicht mit Desiree tun. Damit steckte sie in einer Zwickmühle. Bei den Leoparden wie bei den Wölfen waren manche Regeln in Stein gemeißelt.

Wenn ein unterwürfiges Raubtier Nein sagte, und sei es durch die Blume, zog sich das dominante umgehend zurück.

Ersteres verfügte schlichtweg nicht über die Fähigkeit, sich gegen jemand Stärkeren zur Wehr zu setzen, besonders dann nicht, wenn es sich um aggressive Annäherungsversuche von jemandem handelte, dem es eigentlich vertrauen sollte, wie beispielsweise einem Rudelgefährten oder einem Verbündeten. Das unterwürfige Raubtier würde sich zunehmend unwohler fühlen und unter Stress geraten. Desiree runzelte die Brauen, sie verabscheute die Vorstellung, diesen umwerfenden Mann mit den feinfühligen Händen zu verletzen. Das durfte nicht passieren, trotzdem wollte sie ihn kennenlernen. Sie beschloss, einen letzten Versuch zu unternehmen, und falls er tatsächlich nichts mit ihr zu tun haben wollte, würde sie ihr Bedürfnis, ihn zu berühren, mit aller Macht bezwingen.

Dieser Plan beherrschte noch immer ihre Gedanken, als sie am nächsten Tag kurz vor Sonnenuntergang ihren Wachdienst antrat. Sie mochte die Abendschichten hier draußen im Wald, weil es so ruhig war und sie aufgrund der Größe des Geländes, in dem es zu patrouillieren galt, kaum je anderen Soldaten begegnete. Desiree war keineswegs eine Einzelgängerin, dennoch wusste die Katze in ihr etwas friedvolle Stille von Zeit zu Zeit zu schätzen, vor allem unter einem berauschend schönen, sternenübersäten Nachthimmel, wie jetzt hier in der Sierra Nevada.

Nicht dass ihre Aufmerksamkeit an diesem Abend dem Himmel gegolten hätte.

Allerdings war Felix nirgends zu sehen. Sie hatte nicht lange gebraucht, um herauszufinden, wie er hieß. Da er das Kommando über diese Bepflanzungsaktion führte, hatte sie nur einen seiner Rudelgefährten in ein Gespräch verwickeln müssen, und sein Name war prompt gefallen. Sie presste enttäuscht die Lippen zusammen, als sie ihn nicht entdeckte, und stellte das Geschenk, das sie ihm in der Hoffnung, es werde das Eis brechen, mitgebracht hatte, auf den Boden, bevor sie sich aufmachte, um die Lage in ihrem Sektor zu sondieren.

Nach dem heimtückischen Anschlag auf die Gestaltwandler wollte man kein Risiko mehr eingehen. Desiree hatte geholfen, San Francisco zu verteidigen und sich Nahkämpfe mit Angreifern der Makellosen Medialen geliefert, doch am brutalsten war es hier zugegangen. Was hingegen zu den landschaftlichen Verwüstungen geführt hatte, waren mächtige Kräfte, die nicht nur Soldaten des SnowDancer-Rudels das Leben gerettet, sondern auch ihre Feinde vernichtet hatten.

Hawkes Gefährtin war eine verteufelt starke Frau, ging es Desiree durch den Kopf.

Nach Beendigung ihrer Runde fand sie ihr Geschenk noch an derselben Stelle vor, wo sie es zurückgelassen hatte. Seufzend lehnte sie sich gegen einen Baum … und richtete sich schlagartig wieder auf. Da war er, er grub am äußeren Rand des zu bepflanzenden Bereichs mit einer Schaufel die Erde um. Das war ihr schon zuvor aufgefallen: Obwohl Felix hier offiziell der Boss war, schien es ihm Freude zu machen, selbst mit anzupacken.

Bevor sie sich mit ihrem Geschenk auf den Weg zu ihm machte, vergewisserte sie sich, dass niemand in der Nähe war. Nicht weil niemand wissen sollte, dass sie ihn umwarb – zur Hölle, sie war so besitzgierig wie jedes dominante Raubtier, und sie begehrte ihn –, sondern um ihn nicht in Verlegenheit zu bringen. Erst als sie sicher sein konnte, dass die Luft rein war, näherte sie sich ihm mit langsamen Schritten, damit er sich nicht bedroht fühlte.

Felix hatte sich gerade nach unten gebeugt, um eine Jungpflanze in das frisch gegrabene Loch zu setzen, als sich die Härchen an seinen Armen aufstellten. Ein würziger Zitrusduft wehte ihn an und noch etwas anderes, der wilde Geruch einer Raubkatze, bei dem es ihn heiß überlief. Hastig schaufelte er mit den Händen noch ein bisschen mehr Erde aus dem Loch.

Wie schon bei ihrer ersten Begegnung ging sie vor ihm in die Hocke, doch anstatt ihn anzusprechen, stellte sie eine kleine, blassblau glasierte Schale vor ihn hin. Sie hatte die Form eines Schiffchens und war mit einem winzigen, zauberhaft gestalteten Ahornbaum bepflanzt. Felix konnte nicht widerstehen, die Blätter des von Meisterhand erschaffenen Bonsais zu berühren. Er hatte vor einem Jahr begonnen, diese Kunst selbst zu erlernen, aber etwas derart Atemberaubendes fand sich nicht in seiner Sammlung.

»Ich bitte um Entschuldigung«, sagte sie leise.

Er hob den Kopf und sah in ihre betörend grünen Augen, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde. Selbst im günstigsten Fall fiel es einem unterwürfigen Raubtier schwer, den Blickkontakt mit einem dominanten Gegenüber zu halten, erst recht, wenn sexuelles Begehren im Spiel war.

»Dafür, dass ich mich dir gegenüber gestern so offensiv verhalten habe«, fügte sie hinzu. Die leichte Heiserkeit in ihrer Stimme verursachte ein Kribbeln in ihm. »Es war nicht meine Absicht, dich in Bedrängnis zu bringen. Meine einzige Rechtfertigung ist, dass ich den Mann kennenlernen wollte, der diesem Waldstück neues Leben verleiht.«

Sein Wolf regte sich, während seine menschliche Seite sich darüber freute, dass sie ihn wegen seiner botanischen Fähigkeiten und nicht wegen seines Aussehens lobte. Felix wusste, dass er attraktiv war, aber er empfand keinen Stolz deswegen, weil er dafür nichts hatte leisten müssen. Er verdankte es seinen Genen. Aber diese landschaftliche Neugestaltung war das Ergebnis harter Arbeit.

»Wenn es dir lieber ist, dass ich gehe, werde ich es tun.« Ihr Ton war ernst. »Ich hoffe, das Bäumchen gefällt dir. Einer der Soldaten erwähnte, dass du Miniaturbäume sammelst, und ich nahm an, dass er Bonsais meinte. Mein Vater züchtet sie.« Sie wartete eine Sekunde, dann erhob sie sich, und Felix begriff, dass sie sein Schweigen als Antwort auffasste.

Desiree würde ihn nicht wieder belästigen.

»Hast du das Bäumchen von ihm?«, rutschte es ihm heraus, bevor er es verhindern konnte.

Es wäre weitaus vernünftiger gewesen, sie gehen zu lassen, aber er ertrug den Gedanken nicht, dass sie glauben könnte, er fände sie nicht anziehend. Ihm war zu Ohren gekommen, dass dominante Leopardinnen trotz ihrer harten äußeren Schale sehr empfindlich waren. Er wollte sich um jeden Preis vor ihr schützen, gleichzeitig hatte er nicht die Absicht, sie zu kränken.

Er hörte das Lächeln in ihrer Stimme, als sie in ihren hautengen Jeans wieder in die Hocke ging und sagte: »Ja. Eigentlich hat er es mir zum Geburtstag geschenkt. Es stand einen Monat lang auf dem Tisch in meinem Baumhaus, und ich habe die ganze Zeit Todesängste ausgestanden, dass es eingehen könnte. Dieser Bonsai verfolgt mich bis in meine Träume.«

Ein Lächeln spielte um seine Lippen. »Wird dein Vater sein Fehlen nicht bemerken, wenn er dich besucht?«

»Tatsächlich bin ich mir sicher, dass er inzwischen bereut, es mir gegeben zu haben.« Unverhohlene Liebe zu ihrem Vater sprach aus ihr. »Die Bäumchen sind für ihn fast wie Kinder.«

Felix nickte, er war seinen eigenen Pflanzen ebenso zugetan.

»Bestimmt wird er erleichtert sein, wenn er erfährt, dass das hier in deiner Obhut ist.« Ihre Zöpfe strichen über ihre Schenkel, als sie leicht das Gewicht verlagerte. »Erst neulich hat er darüber gesprochen, wie sehr er deine Ideen zur Wiederaufforstung dieses Areals gutheißt.«

Felix runzelte die Brauen. Die Anführer beider Rudel waren selbstverständlich in sein Vorhaben eingeweiht. Außer ihnen kannte eigentlich nur noch eine weitere Person seine Pläne im Detail: Harry, der als Waldhüter im DarkRiver-Territorium fungierte und dort für die gesamte Flora verantwortlich war. Mit seinen schwarzen, noch kaum ergrauten Locken und der stämmigen Statur erinnerte er an einen sanftmütigen Riesen. »Ist Harry dein Vater?«

»Ja.«

Das bedeutete, dass Harrys Gefährtin Meenakshi, eine ehemalige klassische Tänzerin, die erst letzte Woche zusammen mit ihm vorbeigekommen war, Desirees Mutter sein musste. Felix fragte sich, was die beiden von der Dominanz ihrer Tochter halten mochten, aber das war eine allzu persönliche Frage, die er sich Desiree gegenüber lieber versagte.

»Also …« Desiree streckte ihm die Hand hin. »Sind wir Freunde?«

Weil er es liebte, die Erde mit bloßen Händen anzufassen, hatte Felix auf Handschuhe verzichtet, und nun waren seine Finger schmutzig. Er benutzte das als Ausflucht, um Desiree nicht berühren zu müssen. Körperprivilegien waren wichtig, und er wollte nicht anfangen, sie mit ihr zu teilen, aus Angst, nicht genug von ihnen zu bekommen. Genau jetzt musste er eine klare Grenze ziehen. »Freunde«, erwiderte er mit einem flüchtigen Blick auf sie, bevor er die Augen senkte.

Sie blieb noch einige Minuten und erkundigte sich nach der Bepflanzung und den Bäumen, indem sie ihm einfache Fragen stellte, die seinen Wolf nicht stressten und die er so ausführlich beantwortete, wie es ihrem Interesse entsprach. Dann sah er ein weiteres Mal, wie sie davonging, diese starke, intelligente und sinnliche Frau, für die er niemals mehr sein würde als eine nette Abwechslung. Sobald die Zeit reif wäre, einen Gefährten zu erwählen, würde sie sich für einen stärkeren, dominanten Partner entscheiden, für jemanden, der das genaue Gegenteil von Felix war.

2

Die Pflanzung lag ein gutes Stück von der SnowDancer-Höhle entfernt, trotzdem wollte Felix heute nach Hause laufen, sein Wolf brauchte Bewegung. Er ließ seine Kleidung im Schuppen zurück, nachdem er sich dort ausgezogen hatte, und wandelte sich. Begleitet von Rausch und unerträglichen Qualen, von purem Vergnügen und reißendem Schmerz formte sich aus Millionen Lichtpartikeln, die eben noch seine menschliche Gestalt gebildet hatten, sein Wolf. Er schüttelte sich, rüttelte sein von Weiß durchzogenes hellbraunes Fell zurecht.

Seine Gefährten zogen ihn damit auf, dass sein Wolfspelz genauso hübsch sei wie sein menschliches Haar. Manche drohten sogar damit, ihn zu kämmen und ihm Zöpfchen zu flechten. Er war die Neckereien von Kindesbeinen an gewöhnt und zahlte es seinen Freunden mit gleicher Münze heim. Drew, einer der schlimmsten von ihnen, hatte sich Felix’ Frotzelei während seines leidenschaftlichen – und anfangs erfolglosen – Werbens um Indigo gutmütig gefallen lassen.

Felix trat in die kühle Nacht hinaus, dabei sinnierte er, was Drew wohl getan hätte, hätte Desiree ihm Avancen gemacht, als er noch Single war. Jedenfalls nicht über Pflanzen gesprochen, so viel stand fest. Der menschliche Teil von ihm zuckte bei diesem spöttischen Gedanken zusammen, während sein Wolf ein Knurren ausstieß. Er mochte nicht dominant sein, doch hieß das nicht, dass er keinen Wert besaß. Jedes einzelne Mitglied des SnowDancer-Rudels war wertvoll, daraus bezog die Gemeinschaft ihre Stärke und Stabilität. Er durfte nicht zulassen, dass ihn seine ungewollte Reaktion auf die Soldatin der Leoparden aus der Bahn warf, nachdem er Jahre gebraucht hatte, um sich von seinem letzten Techtelmechtel mit einer dominanten Frau zu erholen. Er zog sich tief in den Geist seines Wolfs zurück, woraufhin dieser die Kontrolle übernahm und vorsichtig aus dem frisch bepflanzten Areal seinen Weg hinaus suchte, als er plötzlich einen Hauch von würzigem Zitrusduft mit einer wilden Note darin witterte.

Desiree war während ihres Patrouillengangs hier entlanggekommen, und für eine Sekunde geriet er in Versuchung, ihr zu folgen, um festzustellen, ob sie ihn in dieser Gestalt ebenso anziehend fand wie in seiner menschlichen. Doch die Vernunft siegte, und er machte sich auf den Heimweg. Den Bonsai, den sie ihm geschenkt hatte, würde er morgen aus seinem Versteck im Schuppen holen und ihn im Wagen mitnehmen.