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Dieser fesselnd geschriebene und wunderschön illustrierte Roman ist eine spannende Reise hinter die Kulissen des Lebens. Tara, eine moderne Geschäftsfrau, trifft auf einem magischen Floß Gurudschi, der zu ihrem Lehrer wird. Dieser führt Tara und den Leser liebevoll zu den Geheimnissen des Lebens und so zu dem innersten Schatz einer jeden Seele. Lassen Sie sich mitnehmen auf diese magische Reise zu den Wahrheiten des Lebens, und seien Sie gespannt, wie auch Ihr Leben sich verändern wird…
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Seitenzahl: 156
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Anjana Gill
Tara
Die Reise zum Ich
Geheimnisse des Lebens
© Anjana Gill
1. Auflage: Februar 2015
Illustratioinen: Sophia Schmoll, Dipl.-Design
www.sophiaschmoll.de
Umschlaggestaltung: preData
Satz: Helia Verlag OHG
ISBN (eBook): 978-3-7450-0025-2
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„Mein Wissen liegt nicht im Dunkeln.
Es ist ein glänzendes Geheimnis,
von unvergleichlicher Klarheit und
sofort verständlich.“
Aus der Bhagavadgita
Meinem Vater
Joginder Singh Gill
Wo immer du auch jetzt bist
In tiefer und ewiger Verbundenheit
Danke, Daddy
Über die Autorin
Anjana Gill, verheiratet, Mutter zweier Töchter, ist Halbinderin (Vater Inder, Mutter Deutsche). Sie beschäftigt sich hauptsächlich damit, asiatische und westliche Weisheiten optimal miteinander zu verknüpfen und so den Weg für eine globale Lebensphilosophie mit zu ebnen.
Für Anjana Gill liegt der Sinn und die Freude eines jeden Lebens darin, sich nicht von den oberflächlichen Verblendungen dieser Welt gefangennehmen zu lassen, sondern sich selbst als Seele zu erkennen und zu leben.
Zum ersten Mal führt sie ihre Leser in Romanform zu dem tiefen Schatz der Seele. Lassen Sie sich mitnehmen auf eine magische Reise zu den Wahrheiten des Lebens und seien Sie gespannt, wie auch Ihr Leben sich verändern wird.
Kapitel I
Es war wieder einer dieser Tage. Ich war todmüde, – kein Wunder, nach nur drei Stunden Schlaf. Also, aufstehen und zurechtmachen – soweit das mit diesen Ringen unter den Augen überhaupt möglich war. Für das Frühstück blieb mal wieder keine Zeit, nur schnell die wichtigsten Unterlagen zusammenraffen, und schon musste ich los.
Noch eine halbe Stunde, und der Termin mit dem Stofflieferanten stand an. Gerade heute war natürlich jede Ampel rot. Wie verhext! Und nein, auch das noch: Stau. Es war zum Verrücktwerden. Der Termin war wichtig – sehr wichtig sogar. „Mensch, jetzt fahrt doch endlich“, dachte ich entnervt. Der Erfolg der nächsten Kollektion hing von diesem Termin ab. Schließlich hatte ich bei Herrn Gonzalez, dem Stofflieferanten, zwei lange Jahre Überzeugungsarbeit geleistet, mit uns zusammenzuarbeiten und nicht mit der Konkurrenz. Und heute war endlich unser erster Besprechungstermin. Keiner konnte diese qualitativ hochwertigen Stoffe zu solch einem günstigen Preis in so kurzer Zeit liefern wie Herr Gonzalez. Ich musste unbedingt pünktlich sein! Endlich, der Verkehr rollte weiter. Geschafft! Mit quietschenden Reifen und Herzrasen kam ich mit zehn Minuten Verspätung im Geschäft an. Herr Gonzalez saß bereits in meinem Büro. Anna, meine Assistentin, hatte ihm schon eine Tasse von unserem köstlichen Kaffee gebracht und, Gott sei Dank, die Stimmung war entspannt.
Der Termin lief gut. Herr Gonzalez und wir verabredeten, ab sofort zusammenzuarbeiten. Das war ein schöner Erfolg!
Drei Stunden hatte die Besprechung gedauert, und anschließend stand das Telefon nicht mehr still. Fragen, Entscheidungen, Termine.
Die Knöpfe für die neue Blusenkollektion waren falsch geliefert worden, wo sollten wir bloß so schnell die richtigen herbekommen? Welche Einrichtung sollten wir auf dem neuen Messestand wählen? Die Musterteile von der T-Shirt Kollektion waren falsch geschnitten, kein Shirt saß richtig! Und ständig schrillte das Telefon!
Ich wollte nicht mehr gestört werden, doch den nächsten Anruf musste ich leider noch entgegennehmen:
Es war Frau Lohmann von unserer Hausbank. Ich hielt die Luft an. Wir brauchen den Kredit, ohne diesen Kredit können wir keine perfekte Kollektion abliefern, rasten die Gedanken durch meinen Kopf.
Den Rest hörte ich nur noch durch eine Nebelwolke: Abgelehnt, nicht genug Sicherheiten, noch mal zusammensetzen...
Alles um mich herum drehte sich. Ich konnte nicht mehr klar denken. Innerlich rief ich um Hilfe, doch dann verlor ich den Boden unter den Füßen.
Irgendwann später hörte ich Annas besorgte Stimme:
„Tara! Tara, bitte wach auf! Komm zu dir!“
Ich fühlte das angenehm kalte Tuch auf meiner Stirn und kam langsam wieder zu mir. Anna, meine rechte Hand, meine Perle, brachte mir ein Glas Wasser – das tat gut!
Langsam kehrten meine Sinne wieder zurück.
Was war das? Was war mit mir geschehen? „Du bist völlig überarbeitet, Tara. Ich bringe dich jetzt nach Hause, und dann ruhst du dich erst einmal aus“, kümmerte sich Anna liebevoll um mich. Aber das ging auf keinen Fall. Schließlich hatte ich eine Firma zu führen. Es waren noch so viele Dinge zu erledigen, gerade heute konnte ich mich unmöglich ausruhen. Doch als ich aufstehen wollte, drehte sich alles wieder, ich schwankte erneut, und nun war jeder Widerstand zwecklos.
Anna packte mich und fuhr mich nach Hause.
So landete ich an einem ganz normalen Mittwochnachmittag in meiner Wohnung auf meinem Sofa.
Ich wollte mich ausruhen, neue Kraft schöpfen, aber meine Gedanken rasten weiter und weiter. Ich hatte das Gefühl, im Kopf Achterbahn zu fahren. Aber auf dem Sofa liegen hatte keinen Sinn, also beschloss ich, einen Spaziergang zu machen. Vielleicht konnten die frische Luft und der Sauerstoff mein Gehirn wieder in Gang bringen.
Eigentlich wohne ich wirklich wunderschön. Ich habe eine schicke Penthousewohnung direkt am Fluss. Hier ist so ein wunderschönes Fleckchen Erde, aber ich nehme das alles gar nicht mehr wahr, ging es mir durch den Kopf.
Auch heute war wieder ein herrlicher Tag. Die Sonne schien, die Temperatur war wunderbar angenehm und der Wind strich mir sanft durchs Haar.
Ich schlenderte am Ufer entlang und genoss den Spaziergang. Langsam beruhigte sich das Chaos in meinem Kopf. Die Sonnenstrahlen wärmten meine Haut, der Wind streichelte mich wie eine liebevolle Mutter; das Lichterspiel zwischen dem Sonnenlicht und dem Schatten, den die Bäume spendeten, war wunderschön anzusehen.
An der Fährstation blieb ich schließlich stehen und schaute in den Fluss. Die Sonne spiegelte sich in dem Wasser, kleine Wellen schwappten ans Ufer. Meine Augen tranken diese glänzenden Lichtreflexe, und meine Haut atmete die Sonne und den Wind. Zum ersten Mal seit langem fühlte ich mich so etwas wie entspannt, ja, fast schon ein wenig frei!
Es war erst 16 Uhr, und so beschloss ich, mit dem Fährboot zu fahren und die Zeit, die ich nun endlich einmal für mich hatte, noch weiter zu genießen. Ich lief den Steg entlang und betrat die Fähre.
Und was dann geschah, veränderte mein Leben für immer...
Kapitel II
Was war das? Wo war ich?
Das hier war nicht die Fähre. Diesen Ort hatte ich noch nie gesehen. Was war geschehen?
Da sagte ein warme, herzliche Stimme: „Komm herein, Tara, komm nur herein! Schön, dass du da bist. Ich habe dich bereits erwartet.“
Jetzt war es also doch so weit. Ich war verrückt geworden. Oder war ich etwa tot?
„Nein, Tara, du bist nicht tot. Du bist sehr lebendig“, antwortete die Stimme.
Das Licht blendete mich so sehr, dass ich nicht erkennen konnte, wer oder was um mich herum war.
Hatte ich laut gedacht? Nein, ich hatte nicht gesprochen – ganz sicher nicht. Aber woher wusste die Stimme dann, was ich dachte, und von wo kam diese Stimme überhaupt?
„Komm, Tara! Komm herein und setz dich einen Moment zu mir!“
Erst jetzt schaute ich mich um. Welch ein merkwürdiger Ort!
Offenbar befand ich mich auf einer Art Floß, dessen Boden mit einem weichen, hellen Teppich bedeckt war; mir gegenüber wehte ein weißer fließender Stoff, ein wunderschönes, gelbliches Licht hüllte diesen sonnigen Ort ein, und dann sah ich IHN: einen älteren Mann auf einem gelben Kissen im Lotussitz auf dem Boden. Er trug weiße Kleidung, einen Turban und einen langen weißen Bart. Er lächelte mich an und bedeutete mir mit einer Handbewegung, gegenüber von ihm Platz zu nehmen. Ich war wie verzaubert. Ich folgte seiner Anweisung und setzte mich auf ein zweites gelbes Kissen, das schon auf mich zu warten schien. Nun konnte ich den Mann genauer betrachten. Solche Augen hatte ich noch nie gesehen! Und ich starrte ihn an wie gebannt.
Wahnsinn! Braune, warm leuchtende Augen sahen mich liebevoll an. Sein Antlitz strahlte wie die Sonne selbst. Er sah aus wie ein Heiliger.
Eine Welle der Wärme durchströmte mich. Es war ein Gefühl, wie nach Hause zu kommen: unbeschreiblich schön! Ich war überwältigt von dieser Ausstrahlung.
Ich weiß nicht, wie lange ich so dagesessen und aus seinen Augen Liebe und Zuneigung getrunken habe.
Nachdem ich mich jedoch halbwegs gefangen hatte, übernahmen meine weltlichen Gedanken wieder die Oberhand.
Was machte ich hier eigentlich? Was soll ich an diesem seltsamen Ort?, überlegte ich.
„Du bist hier, um etwas zu lernen“, sagte der Inder freundlich. Es ist bestimmt ein Inder, dachte ich.
Schon wieder! Ich denke etwas, und er antwortet! Er kann Gedanken lesen! Das schien alles nicht von dieser Welt zu sein. Ich kam mir vor wie in einem Film. Nur wusste ich im Moment nicht, welche Rolle ich darin spielte.
„Mein liebes Kind“, unterbrach der Inder die Stille, „heute morgen bist du zusammengebrochen und hast innerlich um Hilfe gerufen. Und hier bin ich. Ich bin für dich da.
Ich werde dir helfen, wenn du es möchtest.“
„Wer bist du?“, fragte ich wie versteinert.
„Nenn mich Gurudschi“.
„Gurudschi? Ist das dein Name?“
„Ja, im Moment ist das mein Name. Ich werde dir erklären, was er bedeutet: ‚Gu’ bedeutet: Dunkelheit, und ‚ru’ bedeutet: das, was vertreibt. Ein Guru ist also jemand, der die Dunkelheit vertreibt. Und was passiert, wenn die Dunkelheit weg ist, Tara?“
„Es wird hell?“
„Genau, es wird hell und das Licht kann strahlen. Das wollen wir hier lernen. Die Dunkelheit aus deinem Leben zu vertreiben, damit das Licht über dir und aus dir erstrahlen kann. Das Wort Guru stammt übrigens aus dem Sanskrit, der ältesten Sprache der Welt. Das tibetische Wort für Lehrer ist Lama, eine Übersetzung des Wortes Guru aus dem Sanskrit.
Und ein vorübergehender Lehrer möchte ich für dich sein. Ich werde dir helfen, wieder mehr Licht in dein Leben zu lassen.
Ich war sehr ergriffen von seinen Worten.
„Woher kommst du?“, meine Neugierde war nun vollständig geweckt.
„Das ist im Moment nicht wichtig. Wichtig ist nur, dass du den Weg zu mir gefunden hast. Du bist gekommen und das ist gut so... Geht es dir wieder besser, Tara?“
Er betrachtete mich mit unendlichem Wohlwollen, und für einen Moment spürte ich eine reine, bedingungslose Liebe. Es gab ein Gefühl tiefer Vertrautheit zwischen uns, beinahe so, als ob wir uns schon ewig kennen würden.
Ja, inzwischen ging es mir viel besser.
„Nun, dann können wir heute mit einer kleinen Einführungslektion beginnen.“ Er reichte mir eine Tasse wunderbar duftenden Ingwertee. Ich wickelte ein Stück Zucker aus dem Papier und tat es in meinen Tee.
Da bemerkte ich, dass auf dem Papier etwas geschrieben stand:
Nur wenige Menschen auf dieser Welt
vermögen, normal nachzudenken.
Es gibt eine schreckliche Neigung,
alles zu akzeptieren, was gesagt wird,
was zu lesen ist. Alles zu akzeptieren,
ohne es in Frage zu stellen.
Nur derjenige, der bereit ist,
etwas in Frage zu stellen und selbst zu denken,
wird die Wahrheit finden.
(Nisargadatta Maharaj)
Verwundert schaute ich den Inder an. Und Gurudschi begann zu erzählen:
„Ihr lebt in einer sehr hektischen und turbulenten Zeit. Die Menschheit hat sich den materiellen Werten verschrieben und ist pausenlos tätig, um ihren äußeren Komfort zu erhöhen. Die westlichen Länder sind nie zufrieden. Sie haben alles und wollen noch mehr. Ihr seid dem puren Materialismus verfallen. Der Preis, den ihr dafür bezahlt, ist hoch: Ihr vergesst eure Seele. Und genauso geht es auch dir. Du rennst durch dein Leben als sei es ein Wettlauf mit der Zeit. Du jagst von Termin zu Termin und auch in deiner Freizeit ist alles fest geregelt. Fitnessstudio, Theater, Kino und, und, und. Du bist eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die geschätzt und anerkannt wird, aber bist du auch glücklich – richtig glücklich?“
Ich dachte einen Augenblick nach und antwortete darauf. „Was ist schon Glück? Ich habe einen Job, um den mich viele Menschen beneiden. Ich wohne in einer tollen Wohnung, habe schicke Klamotten und ein cooles Auto, fahre zweimal im Jahr in Urlaub. Was will man mehr?“
„Du hast meine Frage nicht richtig verstanden, Tara. Ich habe dich nicht gefragt, was du alles hast und besitzt. Ich habe gefragt, ob du glücklich bist.“
„Wie meinst du das, Gurudschi?“
„Ich meine das Glück, das aus dem tiefsten Inneren kommt. Ich meine das Glück, das deinen ganzen Körper durchströmt, nicht nur für einen kurzen Moment, sondern als Lebenseinstellung. Ich meine das göttliche Glück.“
Ich dachte einen Moment lang nach. War ich glücklich?
Nicht immer, aber unglücklich fühlte ich mich auch nicht. „Manchmal bin ich auch richtig glücklich. Aber dieses Glücksgefühl hält meistens nicht lange an. Oft dauert es nur sehr kurze Zeit. So geht es doch den meisten Menschen in unserer Gesellschaft. Ich dachte, das sei normal.“
„Bei euch ist das heute normal, da hast du Recht. Das liegt daran, dass ihr, spirituell gesehen, Anfänger oder, besser gesagt, Waisenkinder seid. Niemand hat euch beigebracht, dass zu einem wirklich erfüllten Leben auch eine spirituelle Seite gehört. Niemand hat euch beigebracht, wie wichtig es, ist auf euer Herz zu hören.
Ihr könnt Computer bedienen, zum Mars fliegen, und so weiter, aber ihr habt keine Ahnung von eurer Seele. Das wahre Glück kann aber nur aus der Seele kommen. Materielle Dinge machen kurzzeitig Freude, sie beruhigen euch auch sehr. Aber das wahre, tief empfundene Glück kann immer nur aus deiner Seele kommen.
Ihr habt gelernt, durch Geschäftigkeit Selbstwertgefühl zu entwickeln. Aber ständig aktiv sein, weil man bestimmte Dinge machen soll, dient keinem höheren Zweck.
Doch Dinge zu tun, weil sie aus der Seele kommen, dient einem höheren Ziel, und diese Aktivität macht dich, macht jeden Menschen dauerhaft glücklich. Spirituelles Wachstum bedeutet, das Herz zu öffnen. Du musst nichts dafür anschaffen oder lernen. Alles ist bereits in dir vorhanden. Du musst dich nur erinnern; lass es einfach zu!
Es gibt noch viele Dinge auf dieser Erde, wunderbare, für euch manchmal geheimnisvolle Dinge. Sobald du den Schleier vor deinen Augen ein wenig zur Seite schiebst, wirst du sie entdecken. Dein Leben ist eine wunderschöne Reise, auf der es die herrlichsten Dinge zu entdecken gibt. Dein Leben kann prächtig sein!“
Bei diesen Worten Gurudschis erfasste mich ein tiefer Frieden, wie ich ihn zuvor nie gekannt hatte.
„Nimm ein wenig die Geschwindigkeit aus deinem Alltag, Tara, und gönne dir Zeiten der Muße! Halte inne und erfreue dich auch an den einfachen Dingen – den Blumen, dem Lächeln eines Menschen...!
Wie geht es dir, Tara? Du siehst ein wenig müde aus.
Für heute beenden wir unsere kleine Sitzung. Ich glaube es ist gut für dich, nun nach Hause zu gehen und mit einer Zeit der Stille zu beginnen.
Denke in Ruhe über unser erstes Gespräch nach und komme wieder zu Kräften! Meine Gedanken werden dich begleiten. Du kannst wiederkommen, wann immer du möchtest, meine liebe Tara!“
Gurudschi faltete die Hände, legte sie in Brusthöhe aneinander und verneigte sich ein wenig.
Offensichtlich war meine erste Einweisung bei ihm zu Ende. Zuerst war ich ein bisschen traurig, denn eigentlich wollte ich hier gar nicht mehr weg. Lange hatte ich mich nicht mehr so wohl gefühlt wie hier bei Gurudschi. Aber wenigstens hatte ich ja jetzt viel Stoff zum Nachdenken! Ich verabschiedete mich, indem auch ich die Hände faltete und mich leicht verneigte. Noch einmal sah ich in dieses liebevolle Antlitz. Gurudschi lächelte mich an, und dann trat ich auf den Steg hinaus.
Nach einigen Schritten drehte ich mich herum, um Gurudschi zum Abschied zu winken. Aber was sah ich! Am Ende des Stegs lag das Fährboot und nicht das Floß! Ich rieb mir die Augen. Das musste eine Fata Morgana sein. Mir schwirrte der Kopf. Ich konnte die Augen öffnen, schließen und wieder öffnen, aber es blieb dabei: Das Floß war weg!
Ich schaute auf meine Uhr. Das konnte doch gar nicht sein: Es war 16 Uhr. Genau zu dieser Zeit hatte ich die Fähre beziehungsweise das Floß betreten. Wo war die Zeit mit Gurudschi geblieben? Hatte ich das alles nur geträumt? Das konnte nicht sein. Gurudschi, das sonnige Licht, das aufregende Gespräch. Ich wusste, dass ich nicht geträumt hatte. Die ganze Sache war mehr als merkwürdig: Wo war das Floß, und wo war die Zeit? Fragen über Fragen. Zuerst war ich bestürzt; doch dann fielen mir wieder die liebevollen Worte des weisen Inders ein: „Ich bin für dich da. Du kannst wiederkommen, wann immer du es möchtest.“ Als ich an diese Sätze dachte, durchströmte mich erneut dieses friedliche, warme Gefühl. Da wusste ich, ich konnte Gurudschi vertrauen, ich brauchte keine Angst zu haben.
Sofort fühlte ich mich leicht und beschwingt. Gurudschis Worte schwirrten in meinem Kopf herum und ich wollte nur noch eins: nach Hause und in Ruhe über alles nachdenken.
Die nächsten Tage waren sehr anstrengend. In der Firma ging es drunter und drüber, und mir blieb wenig Zeit, über das spannende Gespräch nachzudenken. Die Probleme bei der Kollektionsentwicklung wollten nicht aufhören. Es lief einfach nicht rund. Anna wollte mir helfen, wo immer es möglich war, aber das meiste musste ich schon selbst erledigen. Schließlich trug ich die Verantwortung für den ganzen Laden.
Nach und nach verblassten die Gefühle und Gedanken, und die gewohnte Hektik und die gewohnten Gedankenmuster eroberten ihren alten Stammplatz in meinem Hirn zurück. Zeit zum Nachdenken – ja, wann denn? Innehalten, mich an einfachen Dingen erfreuen. Hört sich ja grundsätzlich alles gut an, aber die Realität sieht anders aus. Ganz anders. Ich kann mir keine Fehler erlauben. Das Geschäftsleben heutzutage gleicht einem Haifischbecken. Du wirst schneller gefressen als du gucken kannst.
Nun ja: „Alltag fressen Seele auf!“ So ist das eben.
Schade eigentlich, dieser Frieden hatte mir gut getan. Für einen Moment fühlte ich mich wieder glücklich, richtig glücklich.
Gurudschi hatte mich gefragt, was mich glücklich mache. Ehrlich gesagt, ich wusste es nicht. Nicht wirklich.
Ich mag meinen Job. Ich mag meine Wohnung. Ich mag meine Freunde. Eigentlich ist mein Leben okay.
Wenn da nicht öfter dieses Gefühl der Leere wäre. Das Gefühl, das kann’s doch nicht gewesen sein, war das etwa schon alles? Dann bin ich immer auf der Suche, auf der Suche nach dem Sinn. Ja, das war’s. Das hatte Gurudschi gemeint. Es tat gut, wieder einen Schritt aus meinem hektischen Leben zu treten und einen Moment innezuhalten. Nun waren schon sieben Tage seit dieser magischen Begegnung vergangen. Ich hatte Sehnsucht. Sehnsucht nach Gurudschis Wärme. Sehnsucht nach seiner Weisheit.