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Studienarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Judaistik, Note: 1,7, Ludwig-Maximilians-Universität München, Sprache: Deutsch, Abstract: Seit jeher war der Umgang mit dem Hohelied, dem Lied der Lieder, mehr ein Spiegel derjenigen, die es analysiert, gedeutet, verlesen, gepredigt, übersetzt, erforscht, gehört oder einfach still geliebt haben. Immer war es aber auch Ausdruck höchsten Wartens, Bangens und Sehnens nach dem Geliebten – vielleicht nirgends leidgeplagter und inniger als im Judentum. In keiner andern Tradition steilte sich das Bild eines kommenden Messias, der auf dem Schauplatz der Geschichte und in aller Öffentlichkeit sein Erlösungswerk vollziehe, derart auf, wie in der jüdischen. Sollte sein Werk in der Tiefe auch nicht nur ein äußerliches, sondern zutiefst inwendiges und radikales sein, so wurde doch jeder, der vom Anwärter auf den Messiastitel in die Weltgeschichte wollte, von den jüdischen Autoritäten an sehr greifbaren Merkmalen geprüft – und allermeist von der Geschichte als Pseudomessias entlassen. Und sollte es innerhalb dieser Autorität auch genügend anders gerichtete Tendenzen gegeben haben – die eine ungehemmte Entfaltung messianischer Bewegungen zu hindern oder wenigstens zu kontrollieren suchten –, so war und ist gerade der apokalyptische Messianismus im Judentum unzweifelbar eine kontinuierliche Macht von historischster Lebendigkeit. Im Hohelied die Hochzeit von Salomos und Sulamiths Minne, ist hier nun endlich die Klimax aller apokalyptischen Verheissung erreicht: hier werden nicht nur sie der Gemeinschaft Israels neu geboren, sondern im eigentlichen Sinne auch der Messias – und damit das messianische, das goldene Zeitalter.
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In keiner andern Tradition steilte sich das Bild eineskommenden Messias,der auf dem Schauplatz der Geschichte und in aller Öffentlichkeit sein Erlösungswerk vollziehe, derart auf, wie in der jüdischen. Sollte sein Werk in der Tiefe auch nicht nur ein äußerliches, sondern zutiefst inwendiges und radikales sein, so wurde doch jeder, der vom Anwärter auf den Messiastitel in die Weltgeschichte wollte, von den jüdischen Autoritäten an sehrgreifbarenMerkmalen2geprüft - und allermeist von der Geschichte alsPseudomessias3entlassen. Und sollte es innerhalb dieser Autorität auch genügend anders gerichtete Tendenzen gegeben haben - die eine ungehemmte Entfaltung messianischer Bewegungen zu hindern oder wenigstens zu kontrollieren suchten -, so war und ist gerade der apokalyptische Messianismus im Judentum unzweifelbar eine kontinuierliche Macht von historischster Lebendigkeit.
Damit ist ein wesentliches Merkmal bereits angezeigt: stets war sowohl ein restaurativ wie utopisch motiviertes Hoffen, Warten und Bangen auf den Erlöser zutiefst mit der Historie verschränkt, war nicht zuletzt die akute geschichtliche Situation einer Gruppe überhaupt für das Auf und Ab messianischer Begeisterungswellen ausschlaggebend und war so auch der soziale Anteil eines eben religiös-sozialen Phänomens von jeher offenkundig.
Eine Betrachtung schriftlicher Konkretionen dieses Phänomens durch die Augen der Religionswissenschaft sieht hier nun ein kulturell geprägtesZeichensystem,das - selbst innerhalb eines übergeordneten Systems - durch ausgewählten Bezug auf den zu Gebote stehenden Zei-
1EduardMörike: Gedichte [1828], Ausgabe v. 1867, 72, in: Sämtliche Werke in zwei Bänden, hg. v. Helga Unger, Bd. 1, München 1967, 700
2Als späteres Beispiel diene uns hierMaimonides,wenn auch manch früherer hätte angeführt werden können: „Der Messias wird einst auftreten und das Königtum Davids in seiner vormaligen Macht wiederherstellen. Er wird das Heiligtum aufbauen und die Versprengten Israels sammeln. Alle Rechtssatzungen werden in seinen Tagen die frühere Geltung wiedererlangen, man wird Opfer darbringen und die Brach- und Jobeljahre beobachten, ganz nach der in der Tora enthaltenen Vorschrift“, in: Moritz Zobel: Der Messias und die messianische Zeit in Talmud und Midrasch, Berlin 1938, entnommen: SCHOLEM, Grundbegriffe, 156
3Wenigstens genannt seien:Theudas,der ZelotMenachem, Judas der Galiläer, Bar Kochba, Abu-Isa Isfahani,etc. und natürlichSabbetaj Zewi;vgl. hierzu JL, 132-133; BOWKER, Oxford, 659