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Nichts bewegt die Medien derzeit mehr als das Thema Kriminalität. Viele Menschen haben große Ängste und sind verunsichert. Von Ohnmacht der Polizei ist die Rede, von einer Unterwanderung der Gesellschaft durch kriminelle Strukturen, die sich immer weiter ausbreiten. Aber gibt es diese Parallelwelten wirklich und wie sieht es in ihnen aus? Burkhard Benecken ist einer der bekanntesten Strafverteidiger Deutschlands. Zu seinen Mandanten gehören die Größen der Unterwelt, aber auch mit der alltäglichen Kriminalität hat er zu tun. Dieses Buch richtet seinen Blick auf die dunkle Seite dieser Republik: Angefangen von Drogenhändlern, Zuhältern und Einbrechern über Geldeintreiber, Heiratsschwindler, Rocker sowie Flüchtlingsschleuser, Cyberkriminelle bis hin zu arabischen Familienclans – sie alle geben Benecken unzensierte Einblicke in Sphären, die den Menschen sonst verschlossen bleiben. Tatort Unterwelt ist durch authentische Interviews sowie gründliche Recherchen ganz nah dran an den kriminellen Parallelgesellschaften und beschreibt, was man über sie wissen muss und wie man die Probleme lösen kann.
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Seitenzahl: 317
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Für Fragen und Anregungen:
Originalausgabe
1. Auflage 2016
© 2016 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Redaktion: Desirée Simeg
Umschlaggestaltung: Catharina Aydemir
Umschlagabbildung: iStock/TomFullum
Satz: inpunkt[w]o, Haiger
ISBN Print 978-3-86883-796-4
ISBN E-Book (PDF) 978-3-95971-068-8
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-95971-069-5
INHALT
Vorbemerkung
Im Wartezimmer
1. Drogenhandel und Geldwäsche
2. Frauen und Kriminalität
3. Prostitution und Zuhälterei
4. Einbrecher
5. Pädophilie
6. Zocker und Geldeintreiber
7. Liebesschwindel
8. Rocker
9. Jugendkriminalität
10. Flüchtlingsschleuser und Rückkehrer
11. Nachtleben
12. Roma
13. Cybercrime
14. Touristenmafia
15. Clans
Am Marmortisch
Für dieses Buch wurden unter anderem Mandantinnen und Mandanten des Autors interviewt. Sie alle haben ihn von seiner anwaltlichen Schweigepflicht entbunden. Alle Fälle sind rechtskräftig abgeschlossen.
Doch selbst wenn sämtliche Geschehnisse erkannt werden dürfen und viele Mandantinnen und Mandanten sogar mit einer namentlichen Nennung einverstanden wären, sind Details wie Namen, Personenbeschreibungen und Orte verändert worden, um die Persönlichkeitsrechte einiger Akteure zu wahren. Lediglich die zitierten Experten werden mit ihrem richtigen Namen genannt.
Alle in diesem Buch dargestellten Geschichten sind wahr.
Soweit Personengruppen wie zum Beispiel Rocker, Roma, Clans und andere in diesem Buch vorkommen, handelt es sich bei den geschilderten Erlebnissen um Einzelfälle. Keinesfalls soll behauptet werden, dass die Personengruppen sich insgesamt derart verhalten.
Die in diesem Buch von Interviewpartnern getätigten Äußerungen müssen nicht mit der Auffassung des Autors übereinstimmen.
Ein Mann stößt hastig die Tür zur Kanzlei auf, völlig außer Atem. Er stürzt zum Empfang. »Ich hab gerade meine Frau erschossen. Sie liegt tot in der Wohnung. Ich bin direkt hierhergekommen und muss dringend mit Rechtsanwalt Benecken sprechen«, keucht Günther O., 56 Jahre alt, seit gut eineinhalb Stunden verwitwet.
»Okay«, entgegnet die Rechtsanwaltsfachangestellte hinter dem Empfangstresen ruhig. Solche Auftritte sind für sie längst nichts Ungewöhnliches mehr. »Nehmen Sie doch im Wartezimmer Platz, der Anwalt ist gleich da. Eine Tasse Kaffee vielleicht?«
Marl ist eine ruhige Stadt. Sie liegt im Ruhrgebiet, hat rund 86 000 Einwohner. Hier gibt es ein Chemiewerk, ein Kunstmuseum; der Adolf-Grimme-Preis wird hier alljährlich verliehen. Im Restaurant La Taverna bietet Rosa seit rund vier Jahrzehnten italienische Pizza und Pasta an. Am örtlichen Flughafen Loemühle stürzen sich jedes Wochenende reihenweise Fallschirmspringer vom Himmel. Kürzlich hat die letzte Zeche geschlossen.
Gar nicht ruhig ist es hingegen im vierten Stock über den Dächern Marls, in der Kanzlei. Hier tobt wochentags ab 14:30 Uhr bis spät in den Abend das Leben mit all seinen Abgründen. Achtundzwanzig Sitzmöglichkeiten im Wartezimmer, dazu ein zweiter Wartebereich mit vier Ledersesseln und einem Beistelltisch. Zweiunddreißig Plätze für zweiunddreißig Menschen. Zweiunddreißig Mal Hoffnung. Zweiunddreißig Mal ungeduldiges Hin- und Herrutschen.
Im Wartezimmer der Kanzlei gibt es keine Sitzordnung. Es gilt nur eine Regel: Wenn Motorradrocker rivalisierender Clubs eintreffen, müssen sie in getrennte Wartebereiche.
Günther O. hat im Wartezimmer Platz genommen. Neben ihm sitzt ein 82-jähriger Herr aus Süddeutschland. Er hat heute sieben Stunden im Fernbus gesessen. Nach seinem Besprechungstermin erwartet ihn die gleich lange Rückreise. Er hat den langen Weg auf sich genommen, weil sein Enkel Spielhallen überfallen haben soll und in Untersuchungshaft sitzt. »Opa bezahlt den Anwalt«, hat er versprochen. In der Hand hält er einen Jutebeutel, darin Kontoauszüge als Nachweis seiner Solvenz. Denn guter Rat ist teuer, sehr guter Rat sehr teuer. Und Freiheit – unbezahlbar.
Einige Stühle weiter sitzt eine junge Dame in Minirock und Netzstrumpfhose. Daneben ein älterer Mann, Goldkette um den Hals, braun gebrannt, Rolex am Handgelenk. Sie ist Prostituierte, er betreibt einen Saunaclub. Einer ihrer Freier behauptet, die junge Dame habe seine Kreditkarte nicht wie abgemacht nur einmal, sondern fünfmal belastet, in einer Nacht. Deswegen hat er Strafanzeige wegen Verdachts auf Betrug gestellt.
Die Prostituierte führt mit einer jungen Holländerin, deren Freund derzeit auf der Flucht ist, eine angeregte Unterhaltung. Er soll im Darknet – sozusagen der Unterwelt des Internets – mit allerlei Drogen gehandelt haben. Etwas über 100 Kilo. Nichts Besonderes.
Besonders ist die Kanzlei in Marl vor allem, weil Menschen hier so offen sprechen wie sonst fast nirgendwo. Man kann die Kanzlei mit einem Beichtstuhl in der Kirche vergleichen. Hier kommen Dinge zutage – persönliche Verfehlungen, Grausamkeiten und Verhalten –, über die viele nicht einmal mit dem engsten Freund oder mit ihrem Therapeuten sprechen würden. Hier sitzen aber auch Menschen, die man zu Unrecht einer Straftat beschuldigt. Und hier sitzen Opfer von Verbrechen.
Für alle gilt: Jeder Mandant, egal, was er getan haben soll oder was ihm widerfahren ist, braucht die Gewissheit, dass er hier schlimmste Gedanken, abartigste Neigungen und schwerstes strafrechtliches Unrecht offenbaren kann. Vor allem als Beschuldigter in einer Strafsache sollte er dies hier tun und niemals bei der Polizei. Nur Unerfahrene und Naive machen eine Aussage ohne vorherige anwaltliche Beratung. Schweigen ist Gold – besonders wenn es um vermeintliche Straftaten geht.
Der Strafverteidiger hat tatsächlich Ähnlichkeit mit einem Priester. Nicht nur optisch, wenn er beim Prozess ein voluminöses Gewand – »Robe« genannt – trägt. Auch verbal gibt es Parallelen. So mutet das Plädoyer des Strafverteidigers vor Gericht, sein Schlusswort, oftmals wie eine regelrechte »Predigt« zugunsten eines Beschuldigten an. Der Strafverteidiger sagt dann Dinge wie: »Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit ist Grausamkeit.« Ebenso wie der Priester dem Beichtgeheimnis unterliegt der Strafverteidiger der anwaltlichen Schweigepflicht. Daher müssen beide sogar einen begangenen Mord, von dem sie erfahren haben, für sich behalten. Zudem sieht der Strafverteidiger – genauso wie der Priester – immer das Gute im Menschen.
Günther O. hat jetzt eine Tasse Kaffee bekommen. Nun treten zwei Anhänger einer Fußball-Ultra-Gruppierung ins Wartezimmer ein. Den beiden Männern wird vorgeworfen, sich in einem Waldgebiet im Osten der Republik mit Anhängern einer polnischen Hooligan-Gruppierung verabredet zu haben, um sich einvernehmlich zu prügeln. Beide Seiten sollen zu diesem Treffen jeweils einen eigenen Rettungswagen und Sanitäter mitgebracht haben in der Erwartung, dass die entstehenden Verletzungen vor Ort behandelt werden können. Ins Visier der Fahnder sind die beiden geraten, weil sie selbst im Wald in HD-Qualität mitgefilmt haben und die Filme anschließend im Internet verbreitet wurden. Hooligan-TV sozusagen.
Bevor Günther O. im Kapitel »Am Marmortisch« am Ende des Buches dem Strafverteidiger von den Vorkommnissen in der ehelichen Wohnung berichtet, schildert dieses Buch in 15 Kapiteln authentische Erlebnisse von anderen Mandantinnen und Mandanten, die ebenso wie Günther O. in diesem Wartezimmer saßen. Oder – zumindest vorübergehend – daran gehindert waren, hier zu sitzen, weil sie »saßen«.
Jonas S. verbrachte gerade ein Partywochenende in Berlin. Ihm ging es gut, er war zum Feiern aufgelegt. Warum auch nicht? Die Geschäfte liefen sehr gut, er hatte noch zehn Kilo Marihuana und 15 000 Euro in bar in seiner Wohnung zu Hause im Ruhrgebiet liegen. Wie immer verwahrte er Geld und Stoff in einem Zimmer, dessen Tür mit einem Spezialschloss gesichert war.
Zurück aus der Hauptstadt – er hatte dort keine einzige Party ausgelassen –, merkte er erst einmal nichts. Doch als er in seine gesicherte Abstellkammer gehen wollte, sah er, dass das Schloss geknackt worden war und seine »Wertsachen« fehlten.
Auf der Stelle rief Jonas S. seinen Komplizen Steffen H. an und bestellte ihn ein, ohne am Telefon Details zu nennen – denn er vermutete, dass ihn die Polizei womöglich abhörte. Als sein Kollege eingetroffen war, machten sie sich Gedanken, wer wohl als Dieb infrage käme. Sie hatten nur einen kleinen, festen Abnehmerkreis, an den sie Drogen verkauften. Es gab darunter einen Neukunden, der seit einigen Wochen zu den Abnehmern gehörte: Max R., ein junger Kerl. »Du hast doch mit dem schon einmal im Bau gesessen. Warum saß der eigentlich?«, wollte Jonas S. von Steffen H. wissen. Daraufhin der Partner: »Wegen Einbruchsdiebstahls!«
In dem Moment war Jonas S. klar, dass Max R. der Dieb sein musste. Er rief ihn prompt an und bestellte ihn unter einem Vorwand ein. Als der junge Mann eintraf, fielen Jonas S., sein Komplize und noch ein dritter, als Verstärkung herbeigerufener Kollege über ihn her. Sie brachten Max R. in den Abstellraum, in dem sonst die Drogen lagerten. Dort fesselten sie ihn an einen Stuhl, seinen »Marterpfahl«.
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