Taxi, Tod und Teufel - Bei Ebbe kam der Mörder - Lena Karmann - E-Book

Taxi, Tod und Teufel - Bei Ebbe kam der Mörder E-Book

Lena Karmann

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Beschreibung

Folge 3: Wie jedes Jahr im Juni ziehen als Koalas verkleidete Freiwillige durch die Dörfer an der ostfriesischen Küste. Ihr Ziel: Geld und Spielzeug für die Kinderstation des regionalen Krankenhauses sammeln. Doch als einer der Koalas bei Trine Mohnsen klingelt, greift diese kurzerhand zu ihrer Waffe und erschießt ihn! Aus Notwehr, wie Trine steif und fest behauptet! Doch für Sarah Teufel stinkt die ganze Geschichte wie der Fisch vom Vortag. Gemeinsam mit James fängt sie an nachzuforschen. Und hinter jedem Geheimnis entdecken die beiden gleich ein weiteres. Sarah muss erkennen, dass auch die Bewohner von Paalinghus Leichen im Keller haben ...

Über die Serie: Palinghuus in Ostfriesland: Zwischen weitem Land und Wattenmeer lebt Sarah Teufel mit ihrem amerikanischen Ex-Mann James in einer Windmühle. Gemeinsam betreiben sie das einzige Taxiunternehmen weit und breit - mit einem Original New Yorker Yellow Cab! Bei ihren Fahrten bekommt Sarah so einiges mit. Und da die nächste Polizeistation weit weg ist, ist doch klar, dass Sarah selbst nachforscht, wenn etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Denn hier im hohen Norden wird nicht gesabbelt, sondern ermittelt!

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Inhalt

Cover

Taxi, Tod und Teufel – Die Serie

Über diese Folge

Über die Autorin

Titel

Impressum

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Epilog

Taxi, Tod und Teufel – Die Serie

Palinghuus in Ostfriesland: Zwischen weitem Land und Wattenmeer lebt Sarah Teufel mit ihrem amerikanischen Ex-Mann James in einer Windmühle. Gemeinsam betreiben sie das einzige Taxiunternehmen weit und breit – mit einem Original New Yorker Yellow Cab! Bei ihren Fahrten bekommt Sarah so einiges mit. Und da die nächste Polizeistation weit weg ist, ist doch klar, dass Sarah selbst nachforscht, wenn etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Denn hier im hohen Norden wird nicht gesabbelt, sondern ermittelt!

Über diese Folge

Wie jedes Jahr im Juni ziehen als Koalas verkleidete Freiwillige durch die Dörfer an der ostfriesischen Küste. Ihr Ziel: Geld und Spielzeug für die Kinderstation des regionalen Krankenhauses sammeln. Doch als einer der Koalas bei Trine Mohnsen klingelt, greift diese kurzerhand zu ihrer Waffe und erschießt ihn! Aus Notwehr, wie Trine steif und fest behauptet! Doch für Sarah Teufel stinkt die ganze Geschichte wie der Fisch vom Vortag. Gemeinsam mit James fängt sie an nachzuforschen. Und hinter jedem Geheimnis entdecken die beiden gleich ein weiteres. Sarah muss erkennen, dass auch die Bewohner von Palinghuus Leichen im Keller haben ...

Über die Autorin

Die gebürtige Schwäbin Lena Karmann lebt mit Mann und Kind in der Nähe von Bremen. Sie arbeitet als kaufmännische Angestellte, liest gern (vor allem Krimis) und geht mit ihrem Hund am Strand spazieren. Ihre Begeisterung für ihre neue Heimat Ostfriesland hat sie zu ihrer ersten eigenen Krimireihe »Taxi Tod & Teufel« inspiriert.

LENA KARMANN

Bei Ebbe kam der Mörder

Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Dr. Clarissa Czöppan

Lektorat/Projektmanagement: Rebecca Schaarschmidt

Covergestaltung: Maria Seidel, atelier-seidel.de

unter Verwendung von Motiven © iStockphoto/Michael E. Hinesley; iStockphoto/PPAMPicture

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7325-7905-1

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Prolog

Sie klickte den ersten Treffer an, wartete ab, bis sich die Website aufgebaut hatte. Dann las sie die Meldung mit der Überschrift Killer-Clown: 86-Jährige stirbt an Herzversagen. Zufrieden lächelte sie bei der Lektüre und wechselte auf eine andere Website. Panik vor Killer-Clown: Mädchen (14) stürzt vor einfahrenden Zug stand dort zu lesen.

»Das ist genau das, was ich brauche«, murmelte sie erfreut und rieb sich die Hände. So viele Probleme ließen sich auf diese Weise lösen. Das Einzige, was sie benötigte, war eine von diesen Masken, eine besonders erschreckende. Sie hatte schon eine Vorstellung, wo sie die günstig finden würde. Man musste nur wissen, wo man im Internet zu suchen hatte, nämlich abseits der großen Namen.

Sie konnte sich schon die Schlagzeile in der Lokalzeitung vorstellen, wenn die Maske ihre Aufgabe erfüllt hatte. »Wer macht so was?«, würden sich die Leute fragen, aber keine Antwort bekommen.

Oh ja, das würde ein Spaß werden, davon war sie überzeugt.

Kapitel 1

»Oh, oh, ich glaube, ich habe mein Handy drinnen liegen lassen«, rief Anne Steger erschrocken, als sie nach dem Anlegen des Sicherheitsgurts einen Blick in ihre Handtasche warf.

»Beinbruch wär schlimmer«, meinte Sarah Teufel gelassen, während sie die Frau mit den hochtoupierten grauen Haaren ansah. »Den Schlüssel haben Sie mir ja noch nich gegeben.«

»Ach ja, den bekommen Sie ja. Stimmt. Und den geben Sie an Herrn Friederichsen zurück?«

»Is mit ihm so abgesprochen«, versicherte Sarah ihr. »Die meisten, die hier ein Ferienhaus vermieten, machen das so, wenn sie verhindert sind.«

»Sehr praktisch«, meinte die Frau. »Dann gehe ich noch mal rein, aber lassen Sie auf jeden Fall Ihre Uhr da … Ihr Taxameter oder wie das heißt … lassen Sie das ja laufen«, sagte Anne Steger, als sie aussteigen wollte. »Sie können schließlich nichts dafür, dass es noch etwas dauert.« Die alte Dame sah auf ihre Armbanduhr. »Sagen Sie, unseren Zug bekommen wir aber doch noch, oder?«

»Bis drei isses noch was hin, Frau Steger«, antwortete Sarah und lächelte sie beruhigend an. »Wenn Sie nich das ganze Haus auf den Kopf stellen müssen, reicht es. Ich hab das bei unserer Abfahrtszeit schon einkalkuliert.« Sie zuckte mit den Schultern. »Langjährige Erfahrung.«

»Kommt so etwas öfter vor, dass jemand etwas in einem Ferienhaus vergisst?«, fragte Anne Steger verwundert.

Sarah reagierte mit einem Seufzen. »Ich könnte die Male an einer Hand abzählen, bei denen die Feriengäste nichts vergessen haben. Oder besser gesagt«, fügte sie hinzu, »die Male, bei denen den Feriengästen bis zur Ankunft am Bahnhof nich aufgefallen is, dass sie etwas vergessen haben.« Sie deutete auf das reetgedeckte Haus, vor dem sie mit ihrem Taxi angehalten hatte. »Sie haben Glück, dass es Ihnen jetzt schon aufgefallen ist. Normalerweise bin ich bereits zehn Minuten unterwegs, bis jemand bemerkt, dass im Schlafzimmer noch ein Koffer steht … oder die Ehefrau noch im Bett liegt und schläft.«

»Nein!«, gab die Kundin zurück.

»Alles schon erlebt«, bestätigte sie. »Allerdings mussten wir auch mitten in der Nacht los, weil ich die Fahrgäste nach Hamburg zum Flughafen bringen sollte.«

»Und? Wie ist das ausgegangen? Was hat die Frau gesagt?«, wollte Anne Steger wissen. »Hat sie ihm verziehen?«

Sarah fuhr sich durchs Haar. »Der Mann hatte mehr Glück als Verstand. Als wir zurück waren, schlief seine Frau immer noch. Er hat dann alle Koffer wieder ins Haus gebracht und so getan, als hätte er sie bis zur letzten Sekunde schlafen lassen. Mir hat er dann noch einen Fünfziger zugesteckt, damit ich bloß nichts sage. Hätte ich aber so oder so nich gemacht.«

Die ältere Frau öffnete die Tür, bevor Sarah aussteigen und um den Wagen herumgehen konnte.

»Brauchen Sie Hilfe? Soll ich Sie begleiten?«, erkundigte sie sich.

»Oh nein, nein, nein, das geht schon. Ich weiß ja, wo ich suchen muss.«

»Ja, im Haus«, merkte ihre noch etwas ältere Schwester Theresa Steger bissig an, die auf dem Rücksitz Platz genommen hatte und die Augen verdrehte, seit Anne das Fehlen ihres Handys verkündet hatte.

»Ich meinte, wo im Haus ich suchen muss«, stellte diese im gleichen Tonfall klar und ging los. »Es kommen ja nur drei Stellen infrage.«

»Ich ruf dich an«, rief Theresa ihr hinterher. Sie war ihrer Schwester wie aus dem Gesicht geschnitten, nur hatte sie weiße Haare, die sie aber genauso hochtoupiert hatte. Beide trugen zudem die gleichen dünnen Strickjacken in unscheinbarem Grau, die bei der mittlerweile herrschenden Temperatur und den vielen Stunden Sonne jeden Tag nicht zu warm waren, aber ein wenig vor dem manchmal doch noch ziemlich frischen Wind schützten, der vom Meer her an Land wehte.

Anne Steger blieb stehen und drehte sich um. »Warum willst du mich anrufen, wenn ich mein Handy gar nicht bei mir habe?«, fragte sie verständnislos.

»Himmel, ich will dich anrufen, wenn du im Haus bist, damit du dem Klingeln folgen kannst und dein Handy schneller findest. Was dachtest du denn?«

Die Dame kratzte sich an der Stirn, schüttelte flüchtig den Kopf und ging dann weiter.

»Meine Schwester ist so schusselig«, beklagte sich die ältere Schwester und begann, ihre Handtasche zu durchwühlen. Sie gab einen ungehaltenen Laut von sich, dann noch einen, schließlich murmelte sie: »Wo ist denn jetzt mein Handy?«

Sarah konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und musste aus dem Seitenfenster schauen, damit ihr Fahrgast davon nichts mitbekam. Zum Glück ging in diesem Moment ein Anruf für sie ein, sodass sie sich auf etwas anderes konzentrieren konnte.

»Taxi Tod und Teufel«, meldete Sarah sich. »Was kann ich für Sie tun? … Ach, Herr Asmussen, du bist’s … wann? … Um halb fünf am Hafen? … Jo, geht klar. Ich bin pünktlich, wenn du pünktlich bist … Was? … Warum soll ich pünktlich sein, wenn du weißt, dass du sowieso nich pünktlich sein wirst, Herr Asmussen? … Ja, ja, Fährmannlogik, ich weiß … dann bis dann!« Sie legte auf und tippte die Fahrt für halb fünf in ihren Terminplan ein.

»Sagen Sie, warum nennt man ein Taxiunternehmen ausgerechnet ›Tod und Teufel‹?«, wollte Theresa Steger interessiert wissen, während sie weiter in ihrer Tasche nach dem Handy suchte. »Wäre das nicht eher etwas für einen Bestatter?«

Sarah nickte. »Ich weiß, was Sie meinen, Frau Steger, aber es is nich so, wie Sie denken. Sehen Sie, mein Ex-Mann und ich betreiben dieses Unternehmen gemeinsam. Mein Name is Sarah Teufel, und James heißt mit Nachnamen Todd, aber seit wir hier leben, kommt niemand hier mit dem kurzen O in seinem Namen klar. Alle sagen ›Tood‹, was nach Tod klingt, na ja, und das haben wir halt so übernommen, damit es keine Missverständnisse gibt, wenn jemand uns anruft.«

»Ah«, machte die alte Dame, die Sarah im Rückspiegel ansah. »Das ist natürlich etwas ganz anderes. Aber … Sie sagten, Sie betreiben das Unternehmen mit Ihrem Ex-Mann. Dann verstehen Sie sich aber sicher noch ganz gut, oder?«

Hellwach und neugierig bis zum Gehtnichtmehr, die Dame, meldete sich die Stimme in Sarahs Kopf zu Wort. Da muss man wohl jedes Wort auf die Goldwaage legen.

Sarah hielt dem forschenden Blick im Rückspiegel stand und entgegnete ausweichend: »Wissen Sie, das is ’ne lange Geschichte.«

»Na, wenn meine Schwester noch eine Weile braucht, haben wir dafür bestimmt Zeit genug«, gab die Frau zurück und beugte sich vor, um Sarah beschwichtigend eine Hand auf die Schulter zu legen. »War nur ein Scherz, Frau Teufel. Ich will Sie nicht aushorchen.« Sie zwinkerte ihr zu. »Nehmen Sie es mir nicht übel. Ich … oh, was ist denn das da?«

Als Sarah sich zu ihr umdrehte, um herauszufinden, was die Frau mit ihrer Frage meinte, musste sie feststellen, dass diese nach vorn zeigte. Sie folgte der angegebenen Richtung mit dem Blick und entdeckte den Grund für den erstaunten Ausruf. In der Straße, die quer zu der Sackgasse verlief, in der sie momentan standen, trottete ein überdimensional großer Koalabär den Gehweg entlang und bog in den Vorgarten ein, der genau in Sarahs Blickrichtung lag.

»Oh, das? Das is einer von unseren Klinik-Koalas«, antwortete sie.

Theresa Steger zog beide Augenbrauen hoch. »Was ist denn bitte ein Klinik-Koala?«

Sarah lächelte flüchtig. »Sie haben bestimmt schon mal von Klinik-Clowns gehört, oder? Die in Kinderkrankenhäuser gehen und …«

»… und den kranken Kindern ein bisschen Abwechslung verschaffen«, führte die andere Frau ihren Satz zu Ende. »Ja, davon habe ich gehört. Ich bewundere die Leute, die so etwas machen. Leute, die so selbstlos sind, dass sie ihre Freizeit opfern, um Kinder von ihren Krankheiten abzulenken. Aber … Koalas?« Sie schüttelte den Kopf.

«Nein, nein«, sagte Sarah und ließ sich gegen die Kopfstütze sinken. »Anfangs waren in dem Kinderkrankenhaus, das hier die gesamte Region versorgt, auch Clowns im Einsatz, aber ein paar Kinder hatten vor den grell geschminkten Gesichtern und den roten Nasen große Angst. Die Clownstruppe hat sich daraufhin überlegt, stattdessen als Koalas ins Krankenhaus zu gehen. Das ist viel knuddeliger als so ein Clown, und bis jetzt hat es noch kein Kind gegeben, das die Koalas nich gemocht hat.«

Die ältere Frau nickte und lehnte sich wieder nach hinten. »Aber das Krankenhaus ist doch nicht hier am Ort, oder? Ihr schönes Städtchen ist so überschaubar, dass uns so was eigentlich hätte auffallen müssen.«

Sarah winkte ab. »Nein, nein, das ist gut zwanzig Kilometer von Palinghuus entfernt. Aber die ehemaligen Clowns sammeln als Koalas für die Kinder Geld, indem sie ein paarmal im Jahr durch alle Dörfer hier in der Gegend ziehen und von Tür zu Tür gehen, um die Leute für Spenden zu gewinnen.«

»Ich nehme an, da wird wohl eine ansehnliche Summe zusammenkommen, nicht wahr?«

»Oh ja, der Verein kann sich nich beklagen«, stimmte Sarah ihr zu. Kein Wunder, kommentierte die Stimme in ihrem Kopf. Jeder kennt hier jeden, und wer will sich da schon nachsagen lassen, dass er nicht mal ’nen Fünfer für kranke Kinder erübrigen kann?

Der Koala tapste unterdessen durch den Vorgarten zur Haustür.

»Ich dachte, du rufst mich an, damit ich mein Handy schneller finde«, ertönte in diesem Moment eine Stimme von rechts.

Sarah fiel auf, dass die jüngere der beiden Schwestern zum Taxi zurückgekommen war und durch die offen stehende Beifahrertür mit der Frau auf der Rückbank redete.

»Hast du es denn nicht auch so gefunden?«, gab diese zurück.

»Ich habe noch gar nicht danach gesucht, sondern darauf gewartet, dass du mich anrufst«, hielt Anne Steger ihr vor. »Ich habe dagestanden und gewartet.«

Ihre Schwester zuckte ungehalten mit den Schultern. »Du hättest ja trotzdem schon mal suchen können.«

»Du kannst wohl dein eigenes Handy nicht finden, wie?«, zischte Anne Steger ihr zu. »Vielleicht hast du deins ja auch im Haus vergessen oder …«

»Aber, aber, meine Damen«, ging Sarah elegant dazwischen, bevor das Hin und Her noch eskalieren konnte. »Sie haben mich doch angerufen, also kann ich Sie zurückrufen, und wenn wir das eine Handy gefunden haben, können wir von dem aus das andere anrufen und aufspüren. Das is doch gar kein Problem.« Sie griff nach ihrem eigenen Handy und ging das Anrufverzeichnis durch …

Zur gleichen Zeit, nur wenige Meter entfernt

Trine Mohnsen stand im Garten hinter dem Haus und genoss die wärmende Mittagssonne, nachdem es den Vormittag über recht frisch gewesen war. Sie fuhr sich durch ihre pechschwarzen Haare, die seit dem morgendlichen Friseurbesuch wieder so angenehm kurz waren, wie sie es gernhatte. Sie streckte sich und machte noch Dehnungsübungen, da als Nächstes das Fitnessprogramm auf dem Plan stand. Einmal im Quartal verlangte ihr Arbeitgeber von ihr den Nachweis, dass sie körperlich voll einsatzfähig war. Ihr Job im Wach- und Sicherheitsdienst brachte körperlichen Einsatz zwar nur selten mit sich, aber wenn es darauf ankam, musste sie eben in der Lage sein, einem Aggressor auszuweichen oder einem Ladendieb hinterherzulaufen. Genauso war es unverzichtbar, regelmäßig am Schießtraining teilzunehmen. Ihre Trefferquote war zwar jedes Mal exzellent, und solange sie die Munition nur in eine schwarze Silhouette mit menschlichen Konturen schoss, war das auch alles in Ordnung. Glücklicherweise war sie noch nie in die Verlegenheit gekommen, ihre Waffe auf einen Menschen richten zu müssen. Wie es wäre, dann auch noch einen Schuss abgeben zu müssen, darüber wollte sie lieber nicht nachdenken.

Das war die unschöne Seite einer Arbeit, die ihr ansonsten Spaß machte und dank vieler Überstunden und Nachtschichten für einen recht passablen Betrag sorgte, der ihr am Ende des Monats auf ihrem Bankkonto gutgeschrieben wurde. Immerhin bestand die Aussicht auf eine Stelle in der Verwaltung, da gleich drei Kollegen in den nächsten eineinhalb bis zwei Jahren in den Ruhestand gehen würden.

Sie stand da und lauschte dem Gezwitscher der Vögel, die sich in den Hecken rings um das Grundstück und in dem großen Baum im Garten tummelten. Ein Eichhörnchen huschte über den Rasen und eilte am Baumstamm nach oben. Ein paar kleine, zerzauste Wolken zogen über den Himmel hinweg, ein Kleinflugzeug flog lärmend in Richtung Baltrum. Trine schüttelte flüchtig den Kopf. Vermutlich einer von den Piloten, die sich nicht an die vorgeschriebene Flugroute halten wollten, da sie sie als reine Schikane ansahen.

Sie betrachtete die Töpfe mit den bunten Petunien, die sie erst am Morgen eingepflanzt hatte und die hoffentlich etwas länger halten würden als im Jahr zuvor, als der zu frühe, zu trockene und zu heiße Sommer ihren Garten sehr in Mitleidenschaft gezogen hatte.

Durch die geöffnete Terrassentür hörte sie, dass jemand klingelte. Reflexartig sah sie auf ihre Armbanduhr und ging ins Haus. An der Tür warf sie einen Blick durch den Spion, dann machte sie auf.

Auf der obersten der drei Stufen vor dem Eingang stand ein fast zwei Meter großer Koalabär mit einer gigantischen schwarzen Nase und nickte.

»Moin, ich bin der Klinik-Koala Kiko und sammle Spenden für die kranken Kinder«, sagte der Koala.

Die Stimme aus dem Inneren des dick mit Plüsch überzogenen Kostüms klang so dumpf, dass man nicht erkennen konnte, ob ein Mann oder eine Frau redete. In einer Hand hielt der Koala eine Sammelbüchse, in der ein wenig Kleingeld klimperte.

»Na dann komm mal rein, Kiko«, sagte Trine und machte die Tür hinter der tollpatschig wirkenden Figur zu. Anders konnte dieser Koala auch nicht wirken, überlegte sie beim Anblick der überdimensionierten Füße, die ein normales Gehen unmöglich machten. »Wollen wir doch mal sehen, was wir den Kindern Gutes tun können.«

Sie ging zum Sideboard im Flur, auf dem sie immer alles bereitlegte, was sie mitnehmen musste, und zog ihre Geldbörse aus der Handtasche.

Als sie sich zum Klinik-Koala umdrehte, erstarrte sie und stieß einen gellenden Schrei aus …

Zur gleichen Zeit, nur wenige Meter entfernt

»Dann gehe ich mal wieder ins Haus«, sagte Anne Steger und wandte sich um, als auf einmal von irgendwoher ein entsetzter Schrei ertönte, gleich darauf von einem lauten Knall gefolgt. Dann knallte es noch ein weiteres Mal in der gleichen Lautstärke.

Anne Steger erstarrte mitten in der Bewegung, dann drehte sie sich langsam zum Taxi um und fragte ungläubig: »Waren das etwa Schüsse?«

»Ins Haus! Schnell!«, rief Sarah sofort und sah zur älteren Schwester auf dem Rücksitz: »Sie auch! Los, los, rein ins Haus! Verriegeln Sie die Tür, und machen Sie niemandem auf!«

»Dann waren das Schüsse?«, hakte die ältere Frau nach.

»Ich glaube ja, und solange wir nicht wissen, was es damit auf sich hat, sind Sie nur im Haus sicher aufgehoben!«

Ihr Fahrgast bemühte sich, schnell auszusteigen, ihre Schwester half ihr.

»Aber was ist mit Ihnen?«, wollte Theresa Steger wissen. »Kommen Sie nicht mit rein?«

»Nein, ich muss die Polizei alarmieren und mir ein Bild von der Lage verschaffen«, antwortete Sarah. »Womöglich liegt irgendwo jemand, der schwer verletzt ist.«

»Passen Sie bloß auf sich auf!«, ermahnten beide Frauen sie gleichzeitig, dann liefen sie so schnell wie möglich zum Haus zurück. Die Tür fiel hinter ihnen zu, und damit war Sarah auf sich allein gestellt.

Sie startete den Motor und ließ den Wagen langsam bis zum Ende der Sackgasse rollen, dann sah sie nach links und rechts, aber nirgends war jemand zu sehen. Plötzlich kam aus dem dritten Haus auf der rechten Seite ein älteres Ehepaar. Die Flemmings, ging es Sarah durch den Kopf, die sich suchend umsahen. Auch links waren Bewegungen auszumachen, Leute am Fenster, Leute in der Haustür, aber alle zogen sich wieder zurück, da es nichts zu sehen gab. Sonst reagierte niemand, aber das war auch kein Wunder, schließlich war es Sonnabend kurz nach Mittag. Die meisten waren um diese Zeit noch mit ihren Einkäufen beschäftigt, sie hatten wohl gar nichts bemerkt.

Sarah begann zu grübeln, woher die Schüsse gekommen sein mochten – es waren eindeutig Schüsse gewesen, daran gab es keinen Zweifel –, gleichzeitig wählte sie den Notruf, um Polizei und Rettungswagen zu alarmieren. Dennoch konnte sie sich damit nicht begnügen, denn bis der nächste Streifenwagen es nach Paalinghuus schaffen würde, konnte der unbekannte Schütze in aller Ruhe die Flucht antreten und sich unter Umständen schon in die benachbarten Niederlande abgesetzt haben.

Gerade ertönte das Freizeichen des Notrufs, da ging die Tür von Trine Mohnsens Haus auf, und Trine kam nach draußen gestürmt … nein, von gestürmt konnte nicht die Rede sein. Vielmehr kam sie nach draußen gewankt, denn es wirkte nur einen Moment lang so, als würde sie aus dem Haus rennen, da sie auf den drei Stufen fast den Halt verlor und nur durch ein paar eilige Schritte verhinderte, dass sie hinfiel.

Sarah sprang aus ihrem Taxi und lief der Frau entgegen, die immer wieder hinter sich schaute, als fürchtete sie, jemand könnte sie verfolgen – aus ihrem eigenen Haus kommend.

»Trine, was is los?«, fragte Sarah.

Wie ein nasser Sack warf sich Trine ihr in die Arme, sodass Sarah Mühe hatte, sie überhaupt festzuhalten. Sie zog sie halb hinter sich her, dann half sie ihr, sich quer auf den Fahrersitz ihres Taxis zu setzen.

»Was is passiert, Trine?«, hakte sie noch einmal nach.

»Da drinnen … ein …«, stammelte sie. »Tot … glaube ich … ich …«

»Du bleibst hier«, sagte Sarah nachdrücklich und lief zurück zum Haus. Im gleichen Moment wurde ihr Anruf bei der Leitstelle angenommen. Sie schilderte das wenige, was sie berichten konnte, und beendete das Gespräch, nachdem ihr geantwortet worden war, die Polizei und ein Rettungswagen seien auf dem Weg hierher.

In geduckter Haltung näherte sie sich der Haustür, die ein Stück weit offen stand. Beim Blick durch den Spalt konnte sie zunächst die Beine des Klinik-Koalas erkennen, dann schob sie den Kopf vorsichtig durch die Tür und sah den Oberkörper. Das graue Pelzkostüm wies in Brusthöhe einen dunkelroten Fleck auf, der rasch größer wurde. Ehe sie den Kopf des Opfers zu sehen bekam, fiel ihr aus dem Augenwinkel etwas auf. Rechts in der Ecke lag der Koalakopf, der dort hingerollt sein musste.

Sarah bewegte sich noch ein kleines Stück weit nach vorn, schaute um die Tür herum und … zuckte erschrocken zusammen. Sie wusste nicht, wer da auf dem Boden lag, denn derjenige hatte sich etwas über den Kopf gezogen – eine von diesen grässlichen Horrorclown-Masken.

Kapitel 2

Sarah kniete sich neben der reglosen Gestalt hin und versuchte, am Hals den Puls zu fühlen, doch da war diese schauderhaft grinsende Maske im Weg, die auch verhinderte, dass sie hören konnte, ob die Person noch atmete. Sie zog an dem elastischen Kunststoff, der auf der Haut zu kleben schien, bis die Maske endlich nachgab. Stück für Stück zerrte Sarah sie der Person vom Kopf, die sie wegen des aufgequollenen Gesichts zunächst nicht erkennen konnte. Achtlos schleuderte Sarah die Maske zur Seite. Dass es eine Frau war, stand außer Frage, aber wer, das wusste sie nicht. Sie fühlte nach dem Puls, aber da war nichts, und als sie das Ohr an den Mund der Frau hielt, war von Atmung nichts zu hören.

Sie wollte es mit Wiederbelebungsmaßnahmen versuchen, allerdings war ihr dafür das dicke, gepolsterte Kostüm im Weg. Angesichts der Tatsache, dass das Blut es längst durchdrungen hatte, musste der Blutverlust so groß sein, dass diese Frau nicht mehr zu retten sein würde. Hilflos legte sie die Hände auf das blutdurchtränkte, dunkelrot verfärbte Kunstfell und versuchte zu drücken, doch die Schaumstoffpolsterung verhinderte, dass ihre Bemühungen etwas bewirkten.

Sarah kniff die Augen zu, da sie eine ungeheure Machtlosigkeit verspürte. Wenn die abgefeuerten Kugeln ins Ziel getroffen hatten, würde sie der Frau nicht mal dann helfen können, wenn sie sie schnell genug aus dem Kostüm herausholte. Denn mit dem Druck, den sie bei den Pumpbewegungen auf das Herz ausüben musste, würde sie unweigerlich durch die Eintrittswunden noch mehr Blut aus dem Körper pressen.

Und dabei wusste sie nicht mal, ob die Geschosse den Körper durchschlagen hatten und die Frau durch die Austrittswunden ebenfalls Blut verlor. Von irgendwoher hörte sie auf einmal eine Sirene, vermutlich der Polizeiwagen, eher nicht der Rettungswagen. Der würde wahrscheinlich zu lange brauchen und erst eintreffen, wenn der angeschossenen Frau nicht mehr zu helfen war. Aber wenn sie die Situation mit einer gewissen Distanz betrachtete, dann musste sie einsehen, dass jede Rettung so gut wie sicher zu spät kam.

»Was ist passiert?«, hörte sie eine Frauenstimme. Sie drehte sich um und sah, dass die Landärztin Dr. Jakobi ins Haus gekommen war, gefolgt von zwei Sanitätern.

»Diese Frau wurde angeschossen«, berichtete sie. »Zwei Schüsse wurden abgegeben, und ich fürchte, dass beide Treffer waren. Kein Puls, keine Atmung.«

»Okay, gehen Sie bitte zur Seite«, sagte die Ärztin und gab den Sanitätern ein Zeichen, die Trage zu holen. Nachdem die beiden wieder rausgegangen waren, wollte Sarah ebenfalls das Haus verlassen. Dabei fiel ihr Blick auf ihre Hände, erschrocken blieb sie stehen. An ihren Handflächen klebte das Blut der angeschossenen Frau! So konnte sie nicht nach draußen gehen. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie eine offene Tür, dahinter lag eine Gästetoilette mit Waschbecken. Sie zog sich dorthin zurück und ging mit Seife gegen das Blut vor, bis ihre Hände wieder sauber waren. So konnte sie sich wenigstens draußen wieder sehen lassen, ohne irgendwen in Angst und Schrecken zu versetzen.

Als sie den etwas beengten Raum verließ, waren die Rettungssanitäter abermals auf dem Weg nach draußen, was sie stutzig machte, da sie eben erst zurückgekommen sein mussten. Sie schaute nach rechts und sah, dass ein Laken über die blutende Frau gelegt worden war. Dr. Jakobi stand da, bemerkte Sarah und schüttelte den Kopf.

»Zwei Schüsse, beide Treffer in der Herzgegend«, sagte die Ärztin leise, als sie sich zu Sarah gestellt hatte. »Selbst wenn das Krankenhaus gleich um die Ecke wäre, hätte niemand mehr etwas für sie tun können. Ich habe das Kostüm aufgeschnitten, um mir die Schussverletzungen genau anzusehen. Sie müssen sich also keine Vorwürfe machen.«

»Ich mach mir keine Vorwürfe, Frau Doktor«, gab sie zurück.

»Ich kenne Sie, Sarah, Sie machen sich unweigerlich Vorwürfe«, beharrte die Ärztin. »Aber hier konnten Sie nichts mehr tun.«