Taxi, Tod und Teufel - Über alle Dünen - Lena Karmann - E-Book

Taxi, Tod und Teufel - Über alle Dünen E-Book

Lena Karmann

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Beschreibung

Sarah und James sind im Urlaub. Im Seebad Scheveningen können sie vom Hotelzimmer aus direkt auf den Strand und das Meer sehen. Sarah ist begeistert und lauscht nachts zur Entspannung den Wellen. Bis sie etwas Ungeheuerliches beobachtet: Ein Mann wird erschossen! Der Mörder durchsucht dessen Taschen und verschwindet in der Dunkelheit. Sarah traut ihren Augen kaum. Doch als sie unten ankommt, ist die Leiche verschwunden. An ihrer Stelle sitzt ein Hund. Hat sich Sarah den Mord nur eingebildet? Der Überzeugung ist jedenfalls die örtliche Polizei. Aber woher kommt der Hund? Sarah macht sich gemeinsam mit James auf die Suche nach einer Leiche - und einem Mörder.

Über die Serie: Palinghuus in Ostfriesland: Zwischen weitem Land und Wattenmeer lebt Sarah Teufel mit ihrem amerikanischen Ex-Mann James in einer Windmühle. Gemeinsam betreiben sie das einzige Taxiunternehmen weit und breit - mit einem Original New Yorker Yellow Cab! Bei ihren Fahrten bekommt Sarah so einiges mit. Und da die nächste Polizeistation weit weg ist, ist doch klar, dass Sarah selbst nachforscht, wenn etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Denn hier im hohen Norden wird nicht gesabbelt, sondern ermittelt!

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Ähnliche


Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über diese Folge

Taxi, Tod und Teufel – Die Serie

Titel

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

Epilog

Über die Autorin

Impressum

Leseprobe

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Über diese Folge

Sarah und James sind im Urlaub. Im Seebad Scheveningen können sie vom Hotelzimmer aus direkt auf den Strand und das Meer sehen. Sarah ist begeistert und lauscht nachts zur Entspannung den Wellen. Bis sie etwas Ungeheuerliches beobachtet: Ein Mann wird erschossen! Der Mörder durchsucht dessen Taschen und verschwindet in der Dunkelheit. Sarah traut ihren Augen kaum. Doch als sie unten ankommt, ist die Leiche verschwunden. An ihrer Stelle sitzt ein Hund. Hat sich Sarah den Mord nur eingebildet? Der Überzeugung ist jedenfalls die örtliche Polizei. Aber woher kommt der Hund? Sarah macht sich gemeinsam mit James auf die Suche nach einer Leiche – und einem Mörder.

Taxi, Tod und Teufel – Die Serie

Palinghuus in Ostfriesland: Zwischen weitem Land und Wattenmeer lebt Sarah Teufel mit ihrem amerikanischen Ex-Mann James in einer Windmühle. Gemeinsam betreiben sie das einzige Taxiunternehmen weit und breit – mit einem Original New Yorker Yellow Cab! Bei ihren Fahrten bekommt Sarah so einiges mit. Und da die nächste Polizeistation weit weg ist, ist doch klar, dass Sarah selbst nachforscht, wenn etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Denn hier im hohen Norden wird nicht gesabbelt, sondern ermittelt!

LENA KARMANN

Über alle Dünen

Prolog

Wieder sah der Mann auf die Uhr. Viertel vor zwei, also immer noch Zeit genug. Er ging zügig, aber nicht zu hastig die Gasse zwischen Kurhaus und Passage entlang, vorbei am Eiscafé, an der Antiquitätenhandlung, der Spielhalle und dem japanischen Restaurant, die um diese nachtschlafende Zeit alle längst geschlossen waren. Nicht mal Nachtschwärmer waren zu dieser Jahres- und Tageszeit noch unterwegs, das würde erst in ein paar Monaten wieder der Fall sein. Jetzt dagegen war alles verlassen, und vom Meer wehte ihm ein starker Wind entgegen, der aber wenigstens nicht mit solcher Wucht auf ihn zukam, dass er ihm das Atmen schwer machen konnte.

Chico zog an der Leine, als wäre er derjenige, der eine Verabredung hatte, die er auf keinen Fall verpassen wollte. »Schon gut, Kleiner, wir sind ja gleich am Strand«, sagte der Mann, doch seine Worte zeigten bei seinem Hund kein Wirkung, er lief unerbittlich weiter.

Sie überquerten den Boulevard, dabei warf er nur einen flüchtigen Seitenblick nach links und rechts. Schließlich sollte ein zufälliger Beobachter nicht den Eindruck bekommen, als würde der Mann mit dem Hund sich vergewissern, dass er allein war, weil er etwas Unlauteres plante. Falls ihn jemand sah, was bei Gott hoffentlich nicht der Fall sein würde, sollte derjenige glauben, dass er nur seinen Hund ausführte.

Er wählte die breite Treppe, die vor dem Kurhaus zum Strand hinunterführte, und begab sich nach unten. Auf den letzten Stufen war Vorsicht angebracht, da der Wind dafür sorgte, dass diese Stufen ganz oder teilweise von Sand bedeckt waren. Ein falscher Schritt konnte leicht zu einem Sturz führen, der durchaus fatale Folgen haben konnte. Am Strand angekommen, sorgten die Laternen, die auf dem drei bis vier Meter höher gelegenen Boulevard standen, für das nötige Licht, da man ansonsten in völliger Finsternis gestanden hätte. Ein Stück weiter, wo die Wellen an den Strand schlugen, war es dagegen so dunkel, dass man ohne Taschenlampe nicht sehen konnte, wohin man ging. Lediglich die Schaumkronen halfen ein wenig bei der Orientierung, da sie das vom Boulevard kommende Licht schwach reflektierten.

Er ging nach links zu dem kleinen Pavillon, der zu dieser Jahreszeit das einzige Bauwerk am Strand darstellte. Dass er außerhalb der Touristensaison nicht abgebaut wurde, lag nur daran, dass in ihm die gesamte Technik untergebracht war, die nötig war, um vom Frühjahr bis zum Herbstbeginn die Strandcafés mit Strom zu versorgen. Dass der Pavillon dort stand, wo er stand, war ihm sehr recht, denn es gab ihm die Möglichkeit, seinen Hund auf der abgewandten Seite für die Zeit anzubinden, die er für das verabredete Treffen benötigte. Mit Hund wollte er nicht zu diesem Treffen erscheinen, weil er nicht wusste, wie der auf den Fremden reagieren würde. Womöglich würde er ihn unentwegt anbellen, weil er ihn nicht mochte, und das konnte er bei einem heimlichen Treffen nicht gebrauchen. Noch schlimmer wäre es allerdings gewesen, ihn irgendwo anzubinden, wo Chico ihn hätte sehen können. Dann hätte er nämlich hinter ihm her gebellt und mit seinem Stakkato aus Bellen und Jaulen mit ziemlicher Sicherheit den einen oder anderen Gast im Kurhaus oder einen Bewohner im Apartmentkomplex gleich nebenan aus dem Schlaf gerissen. Und das hätte er gar nicht gebrauchen können.

»Ich bin gleich zurück«, sagte er und tätschelte den Kopf des Hundes. Der setzte sich hin und schaute ein wenig gelangweilt drein.

Er ging nach rechts in Richtung Pier, wo der Mann, der ihn angerufen hatte, vermutlich schon auf ihn wartete – oder aus sicherer Entfernung beobachtete, ob tatsächlich derjenige zum Treffen erschien, den der andere erwartete. Schließlich musste der auch in Erwägung ziehen, in eine Falle gelockt zu werden. Unter dem breiten Betonsteg war man vor den Blicken zufälliger Passanten sicher, und durch den Lichtschein von beiden Seiten konnte man sein Gegenüber trotzdem immer noch sehen. Es war ein Ort, den er schon einige Male gewählt hatte, was ihm ein Gefühl von Sicherheit gab. Dennoch würde er wachsam sein.

Er war ein Stück weit gegangen, als der von hinten kommende Wind eine Stimme zu ihm trug, die seinen Namen zu rufen schien. Er stutzte kurz, ging dann aber kopfschüttelnd weiter. Der Mann, mit dem er sich verabredet hatte, würde erstens nicht laut nach ihm rufen, da er kein Interesse daran haben konnte, dass andere auf ihn aufmerksam wurden. Zugegeben, wer in diesem Moment näher am Wasser oder oben auf dem Boulevard unterwegs war, würde den Ruf nicht hören können, da der Wind den Schall forttrug – ganz abgesehen davon, dass am Wasser das Rauschen der Wellen ohnehin alles übertönte. Aber das waren alles nur zweitrangige Überlegungen, denn der Wind konnte für ein paar Sekunden nachlassen, sodass andere auf den Ruf und auf die zwei Leute am Strand hätten aufmerksam werden können.

Zweitens konnte der andere nicht seinen wahren Namen rufen, da er den nicht wusste. Der war nur wenigen Leuten bekannt, und alle anderen begnügten sich damit, ihn mit Meneer van den Burg oder etwas ähnlich Unverfänglichem anzureden. Mehr mussten und wollten sie nicht wissen.

Nach ein paar Metern hörte er die Stimme erneut, diesmal lauter und deutlicher.

Da rief tatsächlich jemand nach ihm. Er blieb stehen und drehte sich um. Als er dann im Schein der Laternen den Mann sah, der sich ihm näherte, setzte sein Herz einen Schlag lang aus. Das war niemand, der ihm etwas anbieten wollte. Das war jemand, der ... der ihm Ärger bereiten wollte.

Dass dem so war, verriet nicht nur die Pistole mit Schalldämpfer, die er in der Hand hielt, sondern auch die Tatsache, dass er sein Gegenüber kannte. Er hatte gedacht, dass es ihm gelungen wäre, den anderen abzuschütteln und seine Spuren zu verwischen, doch allem Anschein nach hatte er sich zu früh gefreut.

Für einen winzigen Moment überlegte er, ob er sich wegdrehen und davonlaufen sollte, aber er wusste, auf dem lockeren Sand kam er nicht schnell genug von der Stelle. Der andere Mann war nicht nur jünger und damit schneller – sein athletischer Körperbau, der sich unter dem eng anliegenden Jogginganzug abzeichnete, machte ihm auch klar, dass dieser Mann ihm körperlich überlegen sein würde. Vorausgesetzt natürlich, er machte sich überhaupt die Mühe, ihn zu verfolgen, anstatt einfach die Waffe auf ihn zu richten und ihn mit zwei oder drei Schüssen in den Rücken niederzustrecken.

Und noch etwas sprach gegen eine Flucht: Dieser Kerl dort tauchte nicht allein bei einer Verabredung auf. Selbst wenn es ihm also gelingen würde, vor ihm wegzulaufen, und wenn er das Glück haben sollte, keine Kugel in den Hinterkopf gejagt zu bekommen, stand irgendwo jemand, der ihn in Empfang nehmen und spätestens dann seiner Flucht ein Ende bereiten würde.

Ein Stich ging ihm durchs Herz, und fast hätte er über diese Ironie gelacht. Da stand jemand vor ihm, der ihn erschießen wollte, und ausgerechnet dieser Anblick brachte sein Herz so aus dem Takt, dass er womöglich jeden Moment tot zusammenbrach. Der Kerl, der zweifellos seinen Tod wollte, würde seinen Wunsch erfüllt bekommen, ohne dass man ihn dafür belangen würde. Nein, gerecht war das nicht, sagte er sich und wehrte sich gegen die Stiche in der Herzgegend. Reflexartig schob er seine Hand unter die Jacke, um sie auf seine schmerzende Brust zu drücken.

»Hören Sie, wir können über ...«, begann er, doch mehr als das kam nicht mehr über seine Lippen. Dann bohrte sich ein anderer Schmerz durch seinen Kopf, alles wurde dunkel, und er merkte nur noch, wie er nach hinten kippte ...

1. Kapitel

Einen Tag zuvor

»Ihr seid wo? Ihr macht was?«, fragte Britta Kerstenbach ungläubig, was ihr Mienenspiel bestätigte, das auf Sarah Teufels Smartphone zu beobachten war. »Ich bin mal ein paar Tage nicht zu Hause, und ihr setzt euch einfach ins Ausland ab?«

»Nein, nein, nein«, erwiderte Sarah lachend. »Wir haben uns nich ins Ausland abgesetzt, wir haben am Samstag bei einem Radioquiz mitgemacht, und James hat die gesamte Konkurrenz an die Wand gespielt.«

»Was musste er denn machen?«

»Ach, das war so ein Intro-Spiel«, erklärte sie. »Die spielen einen Song an, und sobald du weißt, was das is, musst du dazwischenrufen, und dann kommt sofort das nächste Intro. Wer in einer Minute die meisten Titel richtig erraten kann, hat gewonnen. Na ja, und James war in der Minute so gut, dass sie ihn nach fünfzig Sekunden zum Sieger erklären mussten, weil alle dreißig Titel durch waren.«

»Warum haben die denn nicht genügend Songs zusammengesucht, dass so früh Schluss war?«, wunderte sich Britta.

»Erfahrungswerte«, sagte Sarah ironisch. »Der Rekord stand seit vier Jahren bei siebzehn erratenen Titeln. Mit wesentlich mehr als zwanzig hat wohl keiner gerechnet – bis James kam.«

»Und jetzt macht ihr Urlaub auf den Antillen?«

»Nein, bloß in Scheveningen, bei Den Haag. Eine Woche lang, und wir mussten auch schon gestern anreisen«, antwortete sie. »Die machen immer nur so spontane Sachen, aber James fand, dass er die Werkstatt für eine Woche seinem neuen Kompagnon anvertrauen kann. Also haben wir unsere Sachen gepackt und sind losgefahren.«

»Irre. Das Paar, das einen Katzensprung von der Nordsee entfernt in einer Windmühle lebt, macht eine Woche Urlaub an der Nordsee im Mutterland der Windmühlen«, amüsierte sich Britta. »Das nenne ich doch mal Abwechslung. Das ist ja fast so, als würde ich einen Yoga-Kurs in meinem eigenen Studio gewinnen, bloß müsste ich dann nicht erst noch ... wie viel? ... dreihundert Kilometer oder so fahren.«

Sarah streckte ihr die Zunge raus. »Ja, ja, lach du nur. Aber Nordsee is nich gleich Nordsee, und hier hast du wirklich das Gefühl, ganz woanders zu sein. Kein Deich, der dir die Sicht auf das Meer nimmt, das hier auch bei Ebbe noch nah am Strand ist.«

»Na, Hauptsache, es gefällt euch«, sagte Britta und zwinkerte ihr zu. »Seid ihr wenigstens vernünftig untergebracht, oder müsst ihr in irgendeiner Abstellkammer hausen, weil das Hotel mehr nicht rausrücken wollte?«

Sarah schüttelte den Kopf und wurde ernst: »Wir sind tatsächlich im ersten Haus am Platz untergebracht, wie man früher gesagt hat. Im Kurhaus. Zimmer mit Blick aufs Meer. Besser geht es nich.«

»Im Kurhaus? Davon habe ich mal gehört, in irgendeiner Fernsehsendung, glaube ich. Das ist doch so ein uraltes Gebäude, richtig?«

»M-hm. Das hat ein bisschen was vom Palast eines Sultans«, bestätigte sie. »Ich schick dir nachher ein paar Fotos von dem Haus und von unserem Zimmer.«

»Ich werfe in der Zwischenzeit schon mal Google an«, meinte ihre Freundin und zog mit gespielter Skepsis eine Augenbraue hoch. »Nicht, dass du mir irgendwelche Fotos schickst, die du im Internet gefunden hast, weil du nicht zugeben willst, dass sie euch in einem Schuhkarton einquartiert haben.«

Lachend verabschiedete sich Sarah von Britta und beendete das Videotelefonat, stieg aus ihrem sonnenblumengelben New Yorker Taxi aus und ging um den Wagen herum, damit sie sich gegen den rechten Kotflügel lehnen konnte.

Sie hatte den Wagen auf einem der wenigen Parkplätze vor dem Den Haager Hauptbahnhof abgestellt. Vor ihr erstreckte sich eine weite karge Fläche, von der Sarah überzeugt war, dass sie vor vielen Jahren bestimmt als Parkplatz gedient hatte. Am anderen Ende des Platzes befand sich ein breites, fast quadratisches Hochhaus mit gut fünfzehn Stockwerken, dessen Betonfassade darauf hindeutete, dass das Bauwerk aus den Achtzigern oder vielleicht sogar aus den Siebzigern stammen musste. Dennoch strahlte dieses Gebäude einen gewissen Charme aus, den man bei all den deutlich höheren und neueren Hochhäusern ringsum vermisste, die durchweg kalt und seelenlos wirkten.

Falls die Baustellentafel mitten auf dem Platz nicht bloß eine Gedankenspielerei darstellte, würde es nicht mehr lange dauern, und von dem alten Gebäude würde so gut wie nichts mehr zu sehen sein, da man davor offenbar zwei weitere Wolkenkratzer errichten wollte. Von einer Baustelle war bis auf einen Gitterzaun nichts zu sehen, was man als Hinweis auf demnächst beginnende Arbeiten hätte auslegen können.

Während sie weiter auf James wartete, begann sie im Internet nach alten Fotos von Den Haag und Scheveningen zu suchen, musste aber nach wenigen Minuten wieder aufhören, weil sie vergeblich versuchte, die Motive mit dem in Einklang zu bringen, was auf dem kleinen Monitor ihres Smartphones zu sehen war. Sie entdeckte zwar den Bahnhof auf einem Foto, konnte sich aber nicht genauer orientieren, da ringsherum alles so aussah, als hätte man erst kurz zuvor ein ganzes Stadtviertel niedergewalzt, um Platz für Neues zu schaffen.

»Huhuu«, rief eine vertraute Stimme.

Sarah hob den Kopf und lächelte ihren Mann James an. »Ich dachte schon, du tauchst gar nich mehr auf.«

James hielt eine Papiertüte hoch. »Der Verkäufer hat sich sehr viel Zeit genommen, mir ganz genau zu erklären, was was ist. Wobei ich froh sein kann, dass da überhaupt jemand war, der mir Auskunft geben konnte.«

»Wieso das?«

»Na, weil der ganzen Laden aus Hunderten kleiner Fächer besteht, die alle mit einer Klappe versehen sind, die erst aufgeht, wenn du Geld eingeworfen hast. Jede Klappe hat eine Glasscheibe, damit du sehen kannst, ob in dem Fach noch was liegt und was es überhaupt ist.« Er zuckte mit dem Schultern und fügte hinzu: »Die Beschriftung, was das jeweils sein soll, war für mich bloß nicht sehr hilfreich. Ich meine, ich kann ja noch erkennen, was ein Käsesoufflé ist, aber ein Kroket oder ein Bamibal oder ein Nasibal ... tut mir leid, da fällt mir nur Hannibal zu ein. Aber mit dem verbinde ich entweder das A-Team oder eine Horde Elefanten, die Kurs auf Rom nehmen. Beides passt aber nicht zu diesem frittierten Teil.«

»Und was genau is das nu?«, wollte Sarah wissen.

»Ein Bamibal ist eine frittierte Portion Bami Goreng, also gebratene Nudeln, und ein Nasibal ...«

»... is Nasi Goreng, also gebratener Reis«, führte sie seinen Satz zu Ende. »Hm, das klingt ja gut.«

»Sieht auch gut aus«, bestätigte er. »Und riecht auch verdammt gut. Außerdem gibt es zwei ›Kaassoufflés‹ und zwei Dinger, die sich Kroket nennen. Das dürfte wohl das Gleiche sein, was ihr Kroketten nennt.«

Sarah schüttelte den Kopf. »Irrtum. Jetzt siehst du mal, wie es uns Deutschen ergeht, wenn wir einen amerikanischen Begriff falsch verwenden, nur weil er so ähnlich wie ein deutscher klingt, aber was ganz anderes bedeutet.« Sie grinste ihn an. »Unsere Kroketten sind nich viel mehr als geformter und frittierter Kartoffelbrei, aber eine Kroket is mehr so eine Art Fleischpampe in frittiertem Teigmantel ... am ehesten würde ich das mit Ragout Fin vergleichen, aber nicht mal annähernd so flüssig.«

»Na, solange ich nicht versehentlich zwei Portionen Hundefutter mitgebracht habe, geht es ja noch«, erwiderte James erleichtert. »Sollen wir jetzt und hier essen?«

»Mit ›hier‹ meinst du ›mit trostloser Aussicht‹?«, konterte sie im Spaß.

Er sah sich um und nickte nachdenklich. »Okay, einladend sieht das nicht gerade aus. Aber das wird wohl daran liegen, dass das hier nicht mehr der Haupteingang ist.«

»Oh, dafür hatte ich es aber gehalten.«

»Der eigentliche Bahnhof ist ein Neubau gleich dahinter«, sagte James. »Das hat mir der Verkäufer auch noch erzählt, weil er seit Jahrzehnten diese Bude betreibt und bei jedem neuen Umbau wieder umgezogen ist. Der Hauptausgang führt da hinten rechts auf direktem Weg in die Stadt.«

»Ich würde diese Leckereien ja lieber mit Blick aufs Meer verspeisen«, erklärte Sarah.

»Vorausgesetzt, das Meer ist nicht gerade ...«, begann er, dann unterbrach er sich und verzog den Mund. »Kein Wattenmeer, James. Kein Wattenmeer!«

»Guter James«, lobte sie ihn mit einem Augenzwinkern und tätschelte seinen Kopf. »Am schönsten wäre es ja in dem kleinen Wintergarten gleich neben unserem Zimmer.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir uns da mit mitgebrachtem Essen hinsetzen dürfen. Ich meine, wir wohnen ja schon kostenlos da und bekommen ein gigantisches Frühstücksbuffet hingestellt. Wenn, dann sollten wir da auch was essen, was aus deren Küche kommt und wofür wir etwas bezahlen. Was hältst du davon, wenn wir stattdessen zum Hafen rüberfahren?«, schlug er vor. »Da, wo wir gestern Mittag irrtümlich auf diesem riesigen Parkplatz gelandet waren, weil die Beschilderung so wunderbar irreführend ist.«

»Wenn wir den Weg dahin wiederfinden, gern.«

»Ist doch gar kein Problem«, sagte er lachend. »Wir müssen uns nur an die Beschilderung halten.«

»Hier ist nicht nur die Beschilderung gegen uns«, knurrte James, als sie fast eine Dreiviertelstunde später auf den Parkplatz neben der Hafenmole einbogen. Die Schranken standen offen, ein Schild am Parkscheinautomaten wies darauf hin, dass man von Anfang Januar bis Ende Februar keine Gebühren zahlen musste, sofern man eine Parkscheibe benutzte. »Irgendwo in der Stadtverwaltung sitzt jemand und füttert auch noch die Navis mit falschen Informationen.«

»Stimmt, irgendwie hatte ich das Gefühl, dass wir vom Bahnhof aus einfach nur geradeaus hätten fahren müssen, um ans Meer zu kommen«, sagte Sarah nachdenklich. »Dieser Cityring wollte einfach kein Ende nehmen.« Während James den Wagen ausrollen ließ, um ganz am Rand zu parken, wo man die beste Sicht auf die Wellen hatte, griff sie nach der Tüte, holte die dünnen Papierservietten heraus und legte für James und für sich selbst je zwei hin. Dann nahm sie eine der kleineren Tüten und sah, dass darauf mit einem Textmarker ein großes B vermerkt worden war. Sie stellte die Tüte auf die Servietten und holte die nächste heraus, die mit einem KR versehen war.

»Bamibal mit Kroket is der erste Gang«, verkündete sie.

»Danke. Ich nehme an, wir bleiben im Wagen, oder?«, fragte er.

»Bei neun Grad Außentemperatur ... und Sturm«, fügte sie hinzu, da das schwere Taxi genau in diesem Moment von einer Windböe erfasst wurde und leicht schaukelte, »is es hier drinnen viel angenehmer. Und wir können uns sicher sein, dass unser Essen nich wegfliegt.« Ihr Telefon summte kurz. »Ich muss mal gerade meine Mutter zitieren: ›In welcher Stadt seid ihr denn?‹, schreibt sie als Kommentar zu den Fotos, die ich ihr vorhin geschickt habe«, las Sarah vor, nachdem sie die eingegangene Nachricht geöffnet hatte.

»Hast du nicht gesagt, dass deine Eltern früher schon mal hier waren?«

»Ja, richtig«, bestätigte sie, während sie die Antwort eintippte und abschickte. »Anfang der Achtziger haben sie hier ein paarmal Urlaub gemacht, kurz nachdem sie sich kennengelernt hatten. Nachdem sie geheiratet hatten und ich zur Welt gekommen war, haben sie hier nich mehr Urlaub machen wollen, weil sie fanden, dass die Fahrt für ein kleines Kind wie mich zu langweilig sein würde.«

»Hm, das heißt, sie sind seit fünfunddreißig oder vierzig Jahren nicht mehr hier gewesen«, folgerte James. »Kein Wunder, dass sie nichts wiedererkennen. Das ist eine lange Zeit, in der sich viel geändert hat.«

»Grundsätzlich stimme ich dir ja zu, aber wenn ich zum Beispiel vierzig Jahre alte Aufnahmen aus Hamburg sehe, da entdecke ich an irgendeiner Ecke immer was Markantes, was heute noch so da zu finden ist. Hier scheint man dagegen gleich ganze Wohnblöcke abzureißen, um was Neues hinzusetzen. Kein Wunder, dass man dann keine Orientierung mehr hat.«

»Die Orientierung ist eine Sache«, sagte er. »Aber es ist eigentlich schon sinnvoller, einen kompletten Straßenzug abzureißen und durch neue Häuser zu ersetzen. Wenn das alles in einem Zug neu bebaut wird, ist das doch viel wirtschaftlicher, und gleichzeitig ist alles technisch auf dem neuesten Stand.«

»So gesehen ergibt das allerdings einen Sinn«, musste sie zugeben. »Aber für jemanden, der nach zehn oder zwanzig Jahren wieder da hingeht, is es dann so, als würde er eine fremde Welt betreten, aber nicht das Viertel, in dem er früher mit seinen Freunden auf der Straße gespielt hat. Oh ... huch«, machte sie nach einem Blick auf ihr Handy.

»Was ist ›huch‹?«, wollte James wissen.

»Meine Mutter schickt mir gerade ein paar Fotos«, sagte sie. »Sieht so aus, als hätte sie mal schnell was aus ihrem Fotoalbum abfotografiert. O Mann, das is ja unglaublich.«

»Mir schickt niemand unglaubliche Fotos«, beklagte sich James in einem gespielt wehleidigen Tonfall.

»Hier, diese fünf Fotos sind ein Rundumbild von dem Platz vor dem Kurhaus«, sagte sie. »Wäre da nich das Kurhaus drauf, könnt ich das gar nich zuordnen.«

»Wow, da ist nur Rasen vor dem Kurhaus?«, staunte James. »Ich bin ja kein Fan von ›Früher war alles besser‹-Sprüchen, aber auf den Fotos hat es früher definitiv gemütlicher ausgesehen. Da hätten sich die Stadtplaner doch ein bisschen zurückhalten können.«

»Immerhin gibt es keine Front aus Hochhäusern wie in Belgien, das ist noch viel ungemütlicher. Aber wenn ich das so sehe«, sagte sie ungläubig, »bin ich gleich umso erleichterter, dass wir damals diesen Klotz in Palinghuus verhindern konnten.«

»Viel hat ja nicht gefehlt«, stimmte James ihr zu. »Und dann wäre es nicht bei diesem einen Ungetüm von Haus geblieben, sondern wir hätten inzwischen schon drei oder vier von der Sorte.«

»Palinghuus sollte uns eigentlich aus Dankbarkeit zu Ehrenbürgern machen«, fand Sarah.

»Und ein Denkmal errichten und eine Straße nach uns benennen«, ergänzte er. »Und jetzt lass uns was essen. Ich war ja schon an jeder roten Ampel versucht, über die Tüte herzufallen.«

»Bedien dich«, sagte sie und deutete auf die beiden kleinen Tüten. »Und lass es dir schmecken.«

Gerade als sie beide den Inhalt aus der Tüte fischten, machten sie aus dem Augenwinkel ganz nahe am Wagen eine Bewegung aus. Als sie sich umdrehten, mussten sie feststellen, dass eine Möwe auf der Motorhaube gelandet war und sich genau vor die Windschutzscheibe gestellt hatte, um in den Wagen sehen zu können. Augenblicke später folgte eine zweite Möwe, dann eine dritte, und schließlich drängten sich auf der Motorhaube so viele der großen weiß-grauen Vögel, dass es nicht möglich war, die genaue Zahl zu bestimmen. Das Ganze geschah in völliger Stille, so als würden die Möwen glauben, umso bedrohlicher zu wirken, wenn sie nicht wie sonst üblich kreischten und zeterten.

»Ich glaub, die wollen was von uns«, murmelte Sarah.

»Ich vermute, es gibt so was wie ein Möwennetzwerk«, überlegte James, »in dem Möwen die Fotos von Menschen posten, die ihnen etwas zu essen geben, natürlich verbunden mit dem Hinweis, wo und wie oft diese Menschen sie füttern.«

»Und du meinst, die hiesigen Möwen haben per Gesichtserkennung herausgefunden, dass in diesem Taxi zwei Menschen sitzen, die sonst in Palinghuus regelmäßig Essen rausrücken?«, fragte sie.

»Das wäre doch denkbar«, sagte er. »Aber vielleicht sind sie ja auch nur auf das Kennzeichen aufmerksam geworden. Auf jeden Fall wissen sie, dass wir jetzt eben nicht in Palinghuus sind, sondern hier, und dass uns das nicht von unserer moralischen Verpflichtung zum Füttern entbindet. Daher melden sie jetzt ihren Anspruch an.«

»Klingt logisch«, kommentierte sie. »Jedenfalls aus Möwensicht.«

»Also?«

»Ich will weder den Bamibal noch die Krokette noch sonst was von unserem Essen hergeben«, erwiderte sie in einem weinerlichen Tonfall.

»Musst du auch gar nicht«, beruhigte James sie und griff zwischen den Sitzen nach hinten. »Wir haben doch gestern vorsorglich dieses Weißbrot gekauft, weil wir nicht wussten, wie spärlich unser Frühstück womöglich ausfällt ...« Er holte eine Einkaufstasche nach vorn. »Wie wir seit heute Morgen wissen, wäre das gar nicht nötig gewesen. Also haben wir ein Weißbrot übrig, das wir zerkleinern und an die Meute da draußen verfüttern können.«

»Mein Bamibal is gerettet«, seufzte Sarah erleichtert und begann, Stücke Brot abzuzupfen und in der geleerten Brottüte zu sammeln. Nachdem sie beide das gesamte Brot zerkleinert hatten und dabei aufmerksam von den Möwen beobachtet worden waren, machte Sarah das Seitenfenster auf und kippte blitzschnell die Tüte aus. Im gleichen Augenblick brach ein ungeheurer Lärm los, da sich die Möwen mit lautem Kreischen auf die Brotstücke stürzten, die sich auf dem Parkplatz neben dem Taxi verteilt hatten. Sofort machte Sarah das Fenster wieder zu, was aber weniger mit dem Getöse zu tun hatte, sondern viel mehr damit, dass sie verhindern wollte, dass sich einer der Vögel ins Wageninnere verirrte und sich dabei womöglich auch noch verletzte.

»Hast du mitgestoppt?«, fragte sie Augenblicke später, als sie wieder aus dem Seitenfenster sah.

»Mitgestoppt?«

»Ja, ich hätte gerne gewusst, wie viele Sekunden die gebraucht haben, um alles zu verputzen«, sagte sie, während sie beobachtete, wie die Möwen sich zurückzogen. »Ich sehe nicht einen einzigen Krümel auf dem Asphalt.«

»Besser so, als wenn sie es hätten liegen lassen, weil es nicht die richtige Geschmacksrichtung ist«, meinte James und zwinkerte ihr zu. »Und jetzt essen wir. Die Meute scheint uns ja nun in Ruhe zu lassen.«

»Das Fenster zum Hof könnte ich mir jede Woche einmal ansehen, und ich würde mich nie langweilen«, erklärte Sarah, als James gegen ein Uhr in der Nacht den Fernseher ausmachte und die Fernbedienung in die kleine Schütte steckte, die gleich unter dem Gerät an der Wand befestigt war, damit man sie gar nicht erst verlegen konnte.

»Und das sagt ausgerechnet die Frau, die zwischendurch über eine Stunde lang geschlafen und so laut geschnarcht hat, dass ganze Dialoge in dem Lärm untergegangen sind«, erwiderte er grinsend.

»Das macht die Luftveränderung«, sagte sie prompt zu ihrer Verteidigung.

»O ja, die Nordseeluft ist ja auch etwas ganz anderes als die Nordseeluft«, gab er mit gespieltem Verständnis zurück. »Du hast dir den Film einfach schon viel zu oft angesehen. Du kennst ihn so gut, dass du nach zehn Minuten einschlafen und zehn Minuten vor Schluss wieder aufwachen kannst und felsenfest davon überzeugt bist, dass du ihn gerade in voller Länge gesehen hast.« Amüsiert schüttelte er den Kopf. »Ich glaube, du könntest sogar träumen, dass du ihn gesehen hast, und du würdest glauben, dass es tatsächlich geschehen ist.«

»Du bist ja nur neidisch«, sagte sie und streckte ihm die Zunge raus.

»Bin ich gar nicht, Sarah«, beteuerte er. »Ich habe ja auch ein paar Filme, die ich auswendig kenne. Ich weiß, wie sich das anfühlt. Solange du nicht glaubst, dass du im Haus gegenüber tatsächlich einen Mord beobachtet hast, ist das doch nicht schlimm.«

»Na, dann haben wir ja Glück, dass wir zu Hause kein Gegenüber haben, das ich vom Fenster aus beobachten kann«, sagte sie und ließ sich lächelnd auf das Kopfkissen sinken. »Jetzt träume ich aber erst mal von ... von Kroketten. Das bringt mich ganz sicher auf andere Gedanken.«

»Solange du mich nicht im Halbschlaf für eine Krokette hältst und mich beißt, sehe ich da kein Problem«, sagte er, legte sich zu ihr ins Bett, gab ihr eine Gutenachtkuss und drehte sich dann auf die andere Seite.

Fast eine Stunde später wurde Sarah aus dem Schlaf gerissen. Es war kein Geräusch gewesen, das sie geweckt hatte, auch wenn es hier etliche fremde Geräusche gab, an die sie sich in der ersten Nacht erst einmal hatte gewöhnen müssen. Es war ein quälender Hunger, von dem sie wusste, dass er eigentlich nicht real war, sondern eine Folge ihrer Träume. Die hatten sich wie angekündigt um Kroketten gedreht, aber auch um den köstlichen Pfannkuchen mit Camembert und Frühstücksspeck, den sie am Abend im Kurhaus-Restaurant gegessen hatte.

Ihre Träume waren so real gewesen, dass ihr im Schlaf das Wasser im Mund zusammengelaufen war. Aufgewacht war sie, weil sie im Schlaf so viele Kroketten und Pfannkuchen hatte essen können, wie sie wollte – sie war einfach nicht satt geworden. Und nun war sie wach ... und hatte Hunger.

James schlief tief und fest, und darüber war sie auch froh. Es hätte nichts gebracht, wenn er auch noch aufgewacht wäre, da er ohnehin nichts für sie tun konnte.

Essen wollte sie jetzt nichts, und das musste sie auch nicht, da sie wusste, dass sich der Hunger aus ihrem Traum mit echtem Essen gar nicht stillen lassen konnte.

Sie beschloss, ein wenig frische Luft zu schnappen, was ihr vielleicht guttun würde. Leise stand sie auf, holte den flauschigen Bademantel aus dem Schrank und schob behutsam die Balkontür auf, um kein unnötiges Geräusch zu verursachen.

Draußen auf dem Balkon empfing sie das Meeresrauschen, das von der einen oder anderen Windböe begleitet wurde. Obwohl ein frischer Wind wehte, war ihr nicht kalt. Sie machte einen Schritt nach vorn und lehnte sich gegen das schmiedeeiserne Geländer, dann ließ sie den Blick über den Boulevard schweifen, der um diese Zeit menschenleer war. Sie konnte sich gut vorstellen, wie sich hier im Sommer bei strahlendem Wetter die Menschenmassen in beide Richtungen wälzten, immer auf der Suche nach einem freien Platz in einem der Lokale unten am Strand oder in einem der vielen Restaurants, die die Promenade säumten.

Jetzt dagegen herrschte gähnende Leere, lediglich weit draußen am Horizont waren Anzeichen für Leben zu entdecken, da dort die Positionslichter einiger Schiffe zu sehen waren, die womöglich von Bremerhaven kamen und auf dem Weg hinaus in die weite Welt waren, oder die in Kürze in Rotterdam oder Antwerpen einlaufen würden.

Plötzlich machte sie eine Bewegung unten am Strand aus. Zuerst glaubte sie, dass sie sich geirrt hatte, aber dann sah sie da eine Gestalt von links nach rechts in Richtung Pier gehen. Auf einmal blieb sie stehen, und ein Stück links von ihr tauchte eine zweite Gestalt auf.

Das orangefarbene Licht der Straßenlaterne sorgte für einen diffusen Schein, der zumindest mit bloßem Auge keine Details erkennen ließ. Daher konnte Sarah auch nicht sagen, ob es sich um zwei Männer oder zwei Frauen oder einen Mann und eine Frau handelte. Genauso konnte sie nicht deutlich sehen, was die zweite Person in der Hand hielt, doch danach zu urteilen, wie sie den Arm ausstreckte, konnte das Ding in ihrer Hand durchaus eine Pistole sein.

Reiß dich zusammen, Sarah, ermahnte sie sich. Nur weil jemand den Arm ausstreckte, musste er nicht zwangsläufig eine Pistole in der Hand halten. Sie war in der letzten Zeit wirklich zu oft in Verbrechen hineingeschlittert, was auf ihre Fantasie abzufärben schien. Dennoch hätte sie jetzt gern ihr Smartphone zur Hand gehabt, um das Bild zu vergrößern und mehr erkennen zu können. Die Zeit reichte aber nicht, um ins Zimmer zurückzukehren und das Telefon zu holen, da sie ansonsten die nächsten Sekunden verpasst hätte.

In der ersten dieser nächsten Sekunden zuckte die rechte Person auf einmal zusammen und wurde wie von einer unsichtbaren Faust getroffen ein Stück weit nach hinten geschleudert. Sie landete rücklings im Sand und rührte sich nicht mehr.

»O mein Gott!«, flüsterte Sarah.

2. Kapitel