Taxi, Tod und Teufel - Mord auf Platt - Lena Karmann - E-Book

Taxi, Tod und Teufel - Mord auf Platt E-Book

Lena Karmann

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Beschreibung

Folge 8: Taxifahrerin Sarah stolpert über den nächsten Toten und damit direkt in einen neuen Fall: Der Fahrgast, den sie abholen sollte, wurde erschlagen. Seine Wohnung ist ein einziges Chaos - offensichtlich hat der Täter nach etwas gesucht, aber hat er es auch gefunden? Sarah fallen eine Videokamera sowie eine Kiste randvoll mit alten Filmen auf VHS-Kassetten auf. So etwas besitzt doch heutzutage eigentlich niemand mehr! Während der Kommissar den Bändern keine Bedeutung zumisst, hat Sarah eine seltsame Ahnung, dass diese einen Hinweis auf den Mörder enthalten könnten ...

Über die Serie: Palinghuus in Ostfriesland: Zwischen weitem Land und Wattenmeer lebt Sarah Teufel mit ihrem amerikanischen Ex-Mann James in einer Windmühle. Gemeinsam betreiben sie das einzige Taxiunternehmen weit und breit - mit einem Original New Yorker Yellow Cab! Bei ihren Fahrten bekommt Sarah so einiges mit. Und da die nächste Polizeistation weit weg ist, ist doch klar, dass Sarah selbst nachforscht, wenn etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Denn hier im hohen Norden wird nicht gesabbelt, sondern ermittelt!

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung!


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Inhalt

Cover

Taxi, Tod und Teufel – Die Serie

Über diese Folge

Über die Autorin

Titel

Impressum

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

Epilog

Taxi, Tod und Teufel – Die Serie

Palinghuus in Ostfriesland: Zwischen weitem Land und Wattenmeer lebt Sarah Teufel mit ihrem amerikanischen Ex-Mann James in einer Windmühle. Gemeinsam betreiben sie das einzige Taxiunternehmen weit und breit – mit einem Original New Yorker Yellow Cab! Bei ihren Fahrten bekommt Sarah so einiges mit. Und da die nächste Polizeistation weit weg ist, ist doch klar, dass Sarah selbst nachforscht, wenn etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Denn hier im hohen Norden wird nicht gesabbelt, sondern ermittelt!

Über diese Folge

Taxifahrerin Sarah stolpert über den nächsten Toten und damit direkt in einen neuen Fall: Der Fahrgast, den sie abholen sollte, wurde erschlagen. Seine Wohnung ist ein einziges Chaos – offensichtlich hat der Täter nach etwas gesucht, aber hat er es auch gefunden? Sarah fallen eine Videokamera sowie eine Kiste randvoll mit alten Filmen auf VHS-Kassetten auf. So etwas besitzt doch heutzutage eigentlich niemand mehr! Während der Kommissar den Bändern keine Bedeutung zumisst, hat Sarah eine seltsame Ahnung, dass diese einen Hinweis auf den Mörder enthalten könnten ...

Über die Autorin

Die gebürtige Schwäbin Lena Karmann lebt mit Mann und Kind in der Nähe von Bremen. Sie arbeitet als kaufmännische Angestellte, liest gern (vor allem Krimis) und geht mit ihrem Hund am Strand spazieren. Ihre Begeisterung für ihre neue Heimat Ostfriesland hat sie zu ihrer ersten eigenen Krimireihe »Taxi, Tod & Teufel« inspiriert.

LENA KARMANN

Mord auf Platt

Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Britta Schiller

Lektorat/Projektmanagement: Rebecca Schaarschmidt

Covergestaltung: Maria Seidel, atelier-seidel.de unter Verwendung von Motiven © iStockphoto (Anski | fotoandrius)

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7517-1643-7

be-thrilled.de

lesejury.de

Prolog

Es war gegen zwei Uhr am frühen Montagmorgen, als der Transporter mit der Beschriftung Supersparwelt an den Seiten und am Heck in die Lieferantenzufahrt zu eben jener Supersparwelt einbog, dem riesigen Supermarkt in der Nähe von Palinghuus, der seit seiner Eröffnung im letzten Herbst Anlass für ständige Diskussionen und Kontroversen bot. Mit seinem nahezu allumfassenden Angebot stellte er eine existenzgefährdende Bedrohung für die vielen Einzelhändler in den Dörfern ringsum dar, die weder mit der Auswahl noch mit den Preisen mithalten konnten.

An der Spitze der Supersparwelt stand Jesper Jonsson, ein skrupelloser Geschäftsmann, den es nicht kümmerte, dass er mit seiner Geschäfts- und Preispolitik ein über Generationen gewachsenes Geflecht aus kleinen und mittleren Geschäften zerstörte und letztlich dafür sorgte, dass die viel zu schwache Konkurrenz am Ende würde aufgeben müssen – und es in manchen Fällen bereits getan hatte. Für die meisten Geschäftsleute war es nur noch eine Frage von Monaten bis zur Kapitulation, denn auch wenn die Stammkunden versuchten, ihnen die Treue zu halten, wurde mancher doch schwach, wenn er sah, dass er für den Einkauf in der Supersparwelt nur halb so viel ausgeben musste.

Jonsson hatte sich in den rund sechs Monaten seit der Eröffnung des Marktes bei niemandem wirklich beliebt machen können. Die Kunden fürchteten um die Geschäfte in ihrem Dorf, deren Schließung für sie bedeutete, für jeden Einkauf einen weiten Weg bis zur Supersparwelt zurücklegen zu müssen, stand der Markt doch buchstäblich mitten auf dem Acker. Die Kaufleute in den Dörfern konnten mit Jonsson ebenfalls nicht warm werden, schließlich wussten sie genau, dass er darauf aus war, sie alle zugrunde zu richten. Von den Angeboten zur Kooperation mit ihm, die er dem einen oder anderen gemacht hatte, war keines auch nur halbwegs lukrativ genug, um sich ernsthaft damit zu befassen.

Daher würde es in wenigen Stunden vermutlich niemanden verwundern, wenn sich herumsprach, was in dieser Nacht geschehen war beziehungsweise noch geschehen sollte ...

Der Pförtner, der die Nachtschicht allein bestritt, sah auf seinen Monitor, erkannte das Supersparwelt-Logo auf der Seite des Wagens und öffnete das Gittertor, das auf Rollen fast lautlos zur Seite glitt.

Der Wagen fuhr auf das Gelände und kam an der Schranke vor dem Pförtnerhäuschen zum Stehen. Der Wachmann beugte sich vor und drückte auf die Mikrofontaste. »Guten Abend, Kollege. Was kann ich für Sie tun?«

Der Fahrer zeigte keine Regung.

»Guten Abend, hören Sie mich?«, rief er etwas lauter.

Wieder geschah nichts.

»Bestimmt hat dieser Dummbüdel Kopfhörer auf und kriegt nix mit«, knurrte der ältere Mann, griff nach der Dienstmütze und setzte sie auf, nachdem er die kleine verglaste Kabine verlassen hatte. Er ging zum Wagen und klopfte gegen die Seitenscheibe, die daraufhin geöffnet wurde.

Im Wageninneren war es so dunkel, dass er den Fahrer nicht ausmachen konnte. Die Kabine war in tiefe Schatten getaucht, da der Transporter genau unter einer der Lampen stand. Erst da fiel dem Wachmann auf, dass er seine Taschenlampe vergessen hatte.

»Liefern Sie was?«, fragte er den Fahrer. »Wir haben nämlich erst zwei Uhr, und die Lieferanten kommen normalerweise gegen fünf.«

Der Fahrer schwieg immer noch, und der Wachmann wusste noch immer nicht, ob der andere Mann ihn nicht hören konnte oder ob er ihn absichtlich ignorierte.

»Verstehen Sie meine Sprache?«, fragte er in einem weiteren Anlauf.

Unvermittelt sah er etwas aufblitzen, was er viel zu spät als Mündungsfeuer erkannte. Allerdings war es so oder so zu spät, um dem Projektil auszuweichen, das sich ihm in die Stirn bohrte.

Dann wurde vor seinen Augen alles dunkel.

Der Fahrer stieg aus, griff nach den Füßen des Wachmanns und zog ihn hinter sich her aus dem Lichtkegel der Lampen im Bereich der Einfahrt. Es war zwar nicht davon auszugehen, dass in den nächsten Minuten jemand hier auftauchen würde, aber der Fahrer wollte nichts dem Zufall überlassen. Er musste nicht das Risiko eingehen, dass die Polizei ausgerechnet um diese Uhrzeit hier auf Streife unterwegs war und den toten Wachmann entdeckte. Er legte den Mann im Gebüsch ab, schob ihm einen Zettel mit einem einzigen Wort darauf – Kollaborateur –in die Jackentasche und drückte ihm die Pistole in die Hand.

Dann betrat er die gläserne Kabine, in der sonst der Wachmann saß, und machte sich am Steuerpult für die Kameras und die anderen Sicherheitssysteme zu schaffen. Wenige Minuten darauf waren die Kameras abgeschaltet und die Alarmanlage und alle übrigen Vorkehrungen zum Schutz des Gebäudes funktionsunfähig. Das Gittertor fuhr wieder zu, sodass von außen alles unauffällig aussah.

Zufrieden betätigte er den Schalter, um die Schranke zu öffnen, dann fuhr er bis zum Gebäude und stellte den Wagen ab. Er öffnete die seitliche Schiebetür und holte mehrere Kanister heraus, die er zu einem verschlossenen Rolltor trug. Behutsam goss er die Kanister aus, wobei er sich wünschte, er hätte noch eine dritte Hand, mit der er sich Mund und Nase hätte zuhalten können. Der Benzingeruch war einfach zu intensiv.

Er achtete darauf, dass der größte Teil des Benzins unter dem Rolltor hindurch ins Innere des Gebäudes gelangte. Nachdem die Kanister fast vollständig geleert waren, schob er einen mitgebrachten Supersparwelt-Prospekt zur Hälfte unter dem Tor durch, wartete geduldig ab, bis dieser mit Benzin getränkt war, und zündete ein Streichholz an. Er hielt es an eine Ecke, dann wich er schnell zurück, bis er am rückwärtigen Grundstückszaun angekommen war. Wie gebannt beobachtete er, wie das Papier in Flammen aufging und das Feuer sich unter dem Rolltor hindurch nach innen fraß.

Eine Druckwelle presste gegen das Tor, irgendwo drinnen ging etwas zu Bruch.

Der Mann warf die leeren Kanister über den Zaun, kletterte selbst hinüber, las die Kanister auf und machte sich daran, den angrenzenden Acker zu überqueren. Von Zeit zu Zeit drehte er sich um und betrachtete sein Werk. Zufrieden ging er weiter. Er wusste, dass im Inneren jetzt ein Inferno tobte, das man erst bemerken würde, wenn es zu spät war, um noch irgendetwas zu retten.

1. Kapitel

»Was? Hab ich verschlafen?«, murmelte James Todd, als er von Schritten aus dem Schlaf gerissen wurde. »Ist es schon sieben?« Er blinzelte, obwohl nur ein schwacher Lichtschein aus dem Treppenhaus ins Schlafzimmer fiel.

»Wenn neben dir ein Schrank umfällt«, gab Sarah Teufel zurück und lächelte ihren Mann an, »dann schläfst du einfach weiter. Aber sobald ich auf Strümpfen durchs Haus schleiche, stehst du fast senkrecht im Bett.«

»Nur was sich leise nähert, ist eine potenzielle Gefahr«, sagte er und gähnte ausgiebig. »Ist es schon sieben?«

»Nein, kurz vor fünf. Ich muss Herrn Asmussen nach Hamburg zum Flughafen bringen. Du erinnerst dich bestimmt.«

Er ächzte leise. »Ja, ich weiß. Wir müssen unbedingt eine Petition einreichen, damit Palinghuus seinen eigenen internationalen Flughafen bekommt. Dann musst du weder Achim noch sonst jemanden drei Stunden lang bis nach Hamburg fahren.«

»Wird ja gut bezahlt«, hielt sie dagegen. »Das, was ich für Hin- und Rückfahrt von ihm krieg, kann ich sonst nich in sechs Stunden verdienen. Oder jedenfalls nich allzu oft.« Sie zuckte mit den Schultern. »Außerdem is die Strecke schön, und Herr Asmussen is 'n angenehmer Mitfahrer. Redet nich so viel. Und wenn er redet, dann wenigstens nich übers Wetter. Ich weiß nich, warum die meisten Fahrgäste meinen, sie müssten mit mir übers Wetter reden.«

»Man kann damit nicht viel falsch machen«, meinte James.

»Kommt drauf an. Wenn mir einer vorschwärmt, dass vierzig Grad doch noch keine hohe Temperatur is, dann kann ich dem nich zustimmen.« Sie schüttelte den Kopf. »Schließlich bin ich den ganzen Tag im Auto unterwegs, und auch mit Klimaanlage is die Hitze kein Vergnügen.«

James grinste sie an. »Das ist halt das Problem, wenn man keine massenkompatible Persönlichkeit hat.«

Sie streckte ihm die Zunge raus und griff nach ihren bequemen Schuhen. »Wenn ich gut durchkomme, werde ich vor Mittag wieder zu Hause sein. Oder gibt es was, das ich dir aus Hamburg mitbringen kann?«

»Puuh«, machte James. »Keine Ahnung. Bin aber auch noch nicht wach genug. Du rufst doch sowieso an, bevor du zurückfährst, oder?«

»Auf jeden Fall«, versicherte sie ihm. »Und ich bringe Croissants von unserem Lieblingsbäcker mit.«

»Schinken, Käse ...«, begann er und leckte sich die Lippen.

»... Ei, zwei Blatt Salat und einen Schuss Remoulade, ich weiß«, vollendete sie seine Aufzählung, beugte sich übers Bett und verabschiedete sich mit einem Kuss. »Und jetzt schlaf weiter, du hast noch zwei Stunden.«

Sie war noch nicht an der Schlafzimmertür angekommen, da hörte sie ihn schon wieder schnarchen.

Als sie ihre Windmühle verließ, wartete der Fährmann Achim Asmussen bereits am Gartentor auf sie. Er stand gegen den Zaun gelehnt da und ließ sich den frischen Wind durch die dunkelblonden Haare wehen, die er länger trug als üblich. Auch sein Bart war inzwischen in Dimensionen vorgedrungen, die dazu angetan waren, es mit dem eines alten Wikingers aufzunehmen.

»Moin, Herr Asmussen«, begrüßte sie ihn, während sie nach links ging, wo ihr Taxi in der Zufahrt geparkt stand.

»Moin, Frau Teufel«, erwiderte er und stieg über den Zaun, um nicht erst noch das Tor öffnen zu müssen.

»Schon lang hier?«

»Geht so.«

»Ich bin aber nich zu spät, oder?«

»Nee, Frau Teufel, du bist zeitig«, beruhigte er sie. »Ich bin nur zu früh. Hab die ganze Nacht kein Auge zugetan. Bin ja noch nie geflogen.«

»Wird schon alles gut gehen«, meinte Sarah unbesorgt.

»Das sagen alle«, gab er zurück. »Bis sie's irgendwann zum letzten Mal sagen.«

Sarah machte den Kofferraum auf, damit er seinen Koffer verstauen konnte, dann ging er zur Beifahrerseite und stieg ein, während sie hinterm Steuer Platz nahm.

»Ich werd jedes Mal neidisch, wenn ich dein Taxi sehe«, meinte Achim, als sie rückwärts vom Grundstück auf die Straße rangierte.

»So was Besonderes ist ein Yellow Cab nun auch wieder nich«, hielt sie dagegen.

»In New York vielleicht nich, wo die Dinger herkommen«, sagte er. »Aber hier bei uns auf'm platten Land, da kannst du lang suchen, bis du so was noch mal findest.«

»Ja, okay«, lenkte sie ein. »Hier is das schon was Seltenes. Ich meinte auch nur, dass von dem Modell Zigtausende produziert worden sind, also nichts mit Seltenheitswert.«

»Ich würd auch jeden anderen Straßenkreuzer nehmen«, fuhr er fort. »Einen Cadillac oder so was. So'n sechseinhalb Meter langes Ungetüm, bei dem du keinen Anfang und kein Ende siehst, wenn du drinsitzt.«

Sarah vergewisserte sich, dass die Straße auch wirklich frei war. Um diese Uhrzeit sprach zwar alles dafür, dass niemand außer ihr unterwegs war, doch darauf verlassen durfte sie sich natürlich nicht.

»Wenn du ernsthaft interessiert bist, dann solltest du mal mit James reden«, schlug sie ihm vor. »Er hat etliche Kontakte in seiner alten Heimat. Da kannst du dir sicher sein, dass du keinen frisch lackierten Schrotthaufen kaufst, sondern einen Wagen, der in jeder Hinsicht in Ordnung is. Außerdem hättest du den Vorteil, dass James sich mit dem Wagen auskennt und du nur in seine Werkstatt müsstest, wenn was hakt, statt zu irgendeinem Wucherer, der gnadenlos jede Schraube zum Horrorpreis abrechnet.«

»Nee, lass mal, Frau Teufel«, sagte er nach kurzem Überlegen. »Wenn ich so'n Auto kaufe, dann muss ich mir auch gleichzeitig 'ne Tankstelle anschaffen. Sonst kann ich die Tankfüllungen nich bezahlen.« Er winkte lachend ab. Plötzlich stutzte er. »Wo is eigentlich dein Wackel-Elvis?«

»Gute Frage, Herr Asmussen«, erwiderte sie und sah reflexartig auf die Stelle, an der seit Jahren eine Elvis-Figur auf dem Armaturenbrett gestanden und anstelle von Elvis-Oldies Sprüche und Weisheiten von sich gegeben hatte, die mal nach den Erkenntnissen eines tibetanischen Mönchs geklungen hatten, mal aber auch so, als wären zwei Sprichwörter willkürlich zu einem zusammengefügt worden. »Irgendwann is mir aufgefallen, dass er nich mehr da is, aber ich kann dir beim besten Willen nich sagen, seit wann er weg is.«

»Du meinst, er war einfach weg? Elvis has left the cab?«, hakte er nach. »Einfach so?«

»Einfach so natürlich nich. Irgendein Passant muss ihn geklaut haben, als ich für einen Fahrgast was aus dem Kofferraum geholt und vielleicht sogar bis zur Tür getragen habe. Vielleicht war's auch ein Fahrgast, aber das glaub ich eher nich. Die haben selten Gelegenheit für so was, weil sie nich lange genug allein im Taxi sind. Wenn er nich wieder irgendwo auftaucht, muss ich mir einen neuen beschaffen.« Sie seufzte leise. »Nur schade, dass der Nachfolger mir dann Elvis-Lieder vorsingen wird. Die abstrusen Sprüche meines Originals werden mir fehlen.«

»Ich hab noch dieses Lied im Ohr, dass er einmal und dann nie wieder gesungen hat«, sagte Achim und begann zu singen: »Es is noch Labskaus da, es is noch Labskaus da! Wer hat noch nich, wer will noch mal?«

Ein plötzlich aufflammendes helles Licht rechts von ihr irritierte Sarah, sodass sie langsamer wurde und in die entsprechende Richtung sah. Wirklich erkennen konnte sie nichts. Da war nur ein riesiger rötlich-gelber Fleck am Nachthimmel, der zu wabern schien, als würde er von einem immensen Feuer verursacht, dessen Flammen von der Wolkendecke reflektiert wurden.

»Hast du das gesehen?«, fragte Achim, gerade als sie zu exakt der gleichen Frage ansetzen wollte.

»M-hm«, machte sie. »Gut sah das nich aus.«

»Find ich auch. Was liegt in der Richtung?«

»Westerholt, würd ich mal schätzen«, sagte Sarah.

»Joh, das könnte passen«, stimmte er ihr zu. »Aber wenn du die Luftlinie weiterdenkst, dann kann es auch in Emden sein. Da könnte was im Hafen hochgegangen sein.«

»Wenn das da im Hafen von Emden war, dann aber gute Nacht.«

»Na ja, aber 'n Knall hab ich nich gehört«, gab er zu bedenken. »Und bei einer Explosion hätten wir auch bestimmt 'nen Feuerball gesehen.«

Sarah nickte und gab wieder Gas. »Wenn ich so die Landkarte vor mir seh, kann das sogar hinter der Grenze bei unseren Nachbarn gewesen sein. Vielleicht da, wo sie Erdgas gewinnen.« Sie runzelte die Stirn. »Im Dunkeln kann man das einfach nich genauer sagen.«

»So groß, wie das aussah, werden wir ja bestimmt noch erfahren, was da passiert is«, erwiderte Achim. »Trotzdem ruf ich gleich mal die Feuerwehr an. Nich, dass jeder denkt, dass da schon jemand die Feuerwehr informiert hat, und am Ende tut gar keiner was.«

»Gute Idee«, stimmte Sarah ihm zu.

»Joh, Moin moin, die Herren. Asmussen hier ... joh, wir ham da grade so 'ne Art Stichflamme oder so was am Himmel gesehen, so als wär da was hochgegangen. ... Nee, nee, wir fahren grad von Palinghuus nach Hamburg, und das sieht so aus, als wär das irgendwo zwischen Westerholt und Emden ... gerne doch. Tschüs.« Er steckte sein Handy wieder ein. »Ein paar Leute haben schon angerufen«, sagte er dann. »Auch von Emden aus, und die sagen, das kommt aus unserer Richtung hier.«

»Also dürfte Westerholt gar nich so verkehrt gewesen sein«, überlegte sie. »Ich wüsste zwar nich, wo es da in der Gegend einen solchen Großbrand geben könnte, aber ... na ja, wie du schon gesagt hast: So groß, wie das aussah, werden wir bestimmt noch erfahren, was passiert is.«

Die Fahrt nach Hamburg verlief ohne Zwischenfälle, aber natürlich gerieten sie, wie zu dieser Uhrzeit nicht anders zu erwarten, mitten in den morgendlichen Berufsverkehr. Dennoch erreichten sie den Flughafen frühzeitig, sodass Achim ohne Mühe seinen Flug bekommen würde.

Vom Flughafen aus fuhr Sarah nach St. Georg, um für James und sich Croissants mitzubringen. Das Viertel genoss keinen guten Ruf, aber morgens um halb neun war davon nichts zu merken – es sei denn, man folgerte aus der kleinen Armee aus Straßenkehrern und Reinigungsfahrzeugen, dass früh am Morgen jede Menge Unrat aus der vergangenen Nacht wegzuschaffen war.

Nachdem sie ihre Besorgungen erledigt hatte, ging sie zurück zum Wagen und legte die Tragetasche in den Korb im Kofferraum. Dann holte sie ihr Telefon aus der Tasche und rief James an.

»Ich fahre jetzt los«, erklärte sie, als er sich meldete.

»Du errätst niemals, was heute Nacht abgebrannt ist«, erwiderte er.

»Als wir heute Morgen abgefahren sind, haben Herr Asmussen und ich gesehen, wie der Himmel auf einmal rot leuchtete, als würde irgendwo ein riesiger Brand wüten. Aber wir sind nich dahintergekommen, wo das war und was da gebrannt hat«, sagte sie.

»Was da immer noch brennt«, korrigierte er sie. »Offenbar kommt die Feuerwehr nicht an die Brandherde ran.«

»Brandherde? Plural?«, hakte sie nach.

»Ja. Es geht um die Supersparwelt. Der ganze Markt scheint zu brennen«, berichtete James. »Die können wohl nicht mehr tun, als danebenzustehen und zuzusehen, wie das Ganze in sich zusammenbricht und ausbrennt. Zum Glück ist da ringsherum nichts, auf das die Flammen übergreifen könnten.«

»Der ganze Markt«, murmelte sie. »Das ist ja ein Vermögen!«

»Das schon«, stimmte er ihr zu. »Allerdings habe ich heute Morgen im Schlemmerkörbchen schon erfreute Reaktionen vernommen, was diesen ... Verlust angeht.«

»Kann ich mir vorstellen.« Sarah nickte. Diese Freude musste nicht mal etwas mit Schadenfreude zu tun haben, sondern war bei den meisten Betroffenen vermutlich allein eine Reaktion darauf, dass der eigene Ruin dadurch zumindest aufgeschoben, vielleicht aber sogar ganz abgewendet worden war. Es würde zweifellos Monate dauern, bis die Ruine abgetragen und ein neuer Markt entstanden war. Allerdings auch nur, wenn die Aufräumarbeiten zügig beginnen konnten. Sollten die Versicherung oder die Staatsanwaltschaft mit den ersten Erkenntnissen jedoch nicht zufrieden sein, würden Gutachter und Fachleute dort unter Umständen Wochen verbringen, um nach der wahren Ursache zu forschen. Vielleicht war eine Steckdose defekt gewesen, vielleicht hatte jemand vergessen, ein Gerät auszuschalten, das dann durch Überhitzung in Flammen aufgegangen war.

Aber vielleicht ... vielleicht hatte ja auch jemand das Feuer gelegt. Doch das alles war im Grunde nicht so dramatisch, wenn ...

»Hast du irgendetwas gehört, ob da jemand zu Schaden gekommen is?«

»Bislang nicht. Ist aber auch sehr unwahrscheinlich, dass sich zu der Zeit jemand dort aufgehalten hat«, sagte James. »Alice hat ja mal erzählt, dass der Nachschub Samstagnacht geliefert und dann am Sonntagmorgen eingeräumt wird, damit die Kunden so wenig wie möglich gestört werden.«

»Ja, stimmt«, erwiderte sie und erinnerte sich daran, dass ihre Halbschwester Alice regelmäßig für diese Einräumaktionen sonntagmorgens um fünf Uhr aufstand und zur Arbeit fuhr. »Aber haben die nich einen Wachmann?«

»Ja, aber angeblich sitzt der an der Zufahrt in einem Häuschen. Mit etwas Glück ist er unversehrt geblieben.«

»Hoffentlich«, murmelte Sarah. Die Vorstellung, dass der Wachmann sein Leben geopfert haben könnte, um das Eigentum eines in jeder Hinsicht widerwärtigen Mannes zu beschützen, gefiel ihr gar nicht. »Okay. Ich komme jetzt jedenfalls zurück. Lass in deinem Magen noch genug Platz für dein Lieblingscroissant.«

»Ist schon reserviert«, gab er zurück. Dann beendeten sie das Gespräch, und Sarah stieg ein, um nach Hause zurückzufahren. Sie wusste schon jetzt, dass ihre Gedanken während der langen Fahrt um nichts anderes kreisen würden als um den Brand des Supermarktes.

Das für sie Erschreckendste war dabei die Erkenntnis, dass sie tief im Inneren ebenfalls das Gefühl hatte, dass die Zerstörung der Supersparwelt für die ganze Region etwas Gutes darstellte.

»Lieber Himmel, diese Rauchsäule ist mir ja schon ein Stück hinter Bremen ins Auge gesprungen«, sagte Sarah, als sie gegen Mittag James' Werkstatt betrat. In einer Hand hielt sie die Tragetasche mit den belegten Croissants.

»Ja, es ist auch in allen Nachrichten«, erwiderte James, der ihr aus der Werkstatt entgegenkam und sie mit einem Kuss begrüßte. Er führte Sarah zu der alten Sitzbank, die er aus einem schrottreifen Lastwagen ausgebaut und zur Couch umfunktioniert hatte. Sie stand auf der Seite des Innenhofs, die in der Mittagszeit von der Sonne beschienen wurde. Obwohl es noch Anfang März war, spendete die Sonne so viel Wärme, dass man auf eine dünne Jacke verzichten konnte. »Es gibt auch Bilder, die sie von einer Drohne aus gemacht haben. Da kann man sehen, dass das gesamte Dach eingestürzt ist.«

»Das Dach is eingestürzt?«, wiederholte sie. »Hm, kann gut sein, dass wir heute Nacht genau den Moment mitbekommen haben, weil der Feuerschein ganz plötzlich zu sehen war.«

»Das würde passen«, meinte James und nahm sein Croissant entgegen. »Das würde auch erklären, warum erst um kurz nach fünf die ersten Anrufe bei der Feuerwehr eingingen. Das Feuer hat erst drinnen getobt und sich ausgebreitet, ohne dass einer was davon mitbekommen hat, und als es dann zu viel wurde, hat das Dach nachgegeben.«

»Hm«, machte sie erneut.

»Was ist?«, fragte er. »Klingt das nicht plausibel?«

»Was? Oh doch, natürlich. Ich habe mich nur gefragt, was mit dem Wachmann los war«, erklärte sie. »Der wird doch mal von Zeit zu Zeit um das Gebäude gehen, und dann hätte er doch auf der Vorderseite den Feuerschein im Inneren bemerken müssen.«

»Vielleicht musste er das nicht«, hielt James dagegen. »Kann doch sein, dass er sich nur um die Zufahrt kümmern soll, aber nicht um was anderes. Oder er hat ein Dutzend Monitore vor sich, auf denen er den Markt von allen Seiten sehen kann.«

»Dann hätte ihm doch erst recht der Feuerschein auffallen müssen.«

James schüttelte den Kopf. »Nicht zwangsläufig. Die Kameras dienen ja in erster Linie dazu, die Umgebung zu überwachen, damit man sieht, ob sich jemand dem Gebäude nähert. Alles andere ergibt keinen Sinn.«

Sarah verzog den Mund. »Na, ich weiß nich. Ich würde auch Kameras nach drinnen ausrichten, damit ich mitbekomme, wenn es jemandem gelungen is, meine Außenkameras auszutricksen.«

Er zuckte mit den Schultern. »Ich sage nur, was ich so beobachte, Darling. Aber eigentlich ist es auch egal. Festzuhalten bleibt, dass der Wachmann wohl eher ein Schlafmann war, sonst hätte er ja spätestens in dem Moment, als das Dach eingestürzt ist, die Feuerwehr anrufen und ihnen ganz exakt sagen können, wo es brennt.«

»Woher weißt du, dass er das nich gemacht hat?«, hakte sie verwundert nach.

»Lokalnachrichten im Radio«, erklärte er. »Sie haben den Sprecher der Feuerwehr interviewt, und der hat gesagt, dass eine Vielzahl von Anrufen eingegangen ist und keiner genau sagen konnte, wo es brennt. Es gab nur Vermutungen, und die Feuerwehr hat schließlich alle Angaben auf eine Karte übertragen. Nach ein paar Minuten war klar, dass es nur um den Supermarkt gehen konnte. Schon auf der Fahrt dorthin wurde Verstärkung angefordert, weil der grelle Lichtschein am Himmel ein schlimmes Ausmaß ahnen ließ.«

»Muss ein seltsames Gefühl sein, zu einem Feuer gerufen zu werden, und dann sieht man bei der Ankunft, dass man schon längst nichts mehr löschen, sondern nur noch versuchen kann, eine weitere Ausbreitung zu verhindern«, sagte Sarah. »Ich bin mal gespannt, wann wir mehr erfahren werden.«

Wie auf ein Stichwort hin klingelte ihr Handy.

»Da hat mich wohl jemand gehört«, stellte sie nach einem Blick aufs Display fest.

»Wieso?«

»Das ist Hauptkommissar Scharrmann«, antwortete sie und lächelte triumphierend.

2. Kapitel

»Und?«, fragte James, als sie das Gespräch beendet hatte. »Was hat er zu berichten?«