Taxi, Tod und Teufel - Möwen morden mittags - Lena Karmann - E-Book

Taxi, Tod und Teufel - Möwen morden mittags E-Book

Lena Karmann

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Beschreibung

In Palinghuus wird ein Live-Hörspiel aufgeführt! Sarah ist vor Ort und von der aufwendigen Aufführung des Stücks »Möwen morden mittags« begeistert - vor allem von der Darbietung der berühmten Schauspielerin Agnes Sakowski. In einer Szene soll diese sogar mit einer Pistole mit Platzpatronen »erschossen« werden. Doch als der Schuss fällt, stirbt Agnes tatsächlich! Jemand hat die Platzpatronen gegen echte ausgetauscht. Sarah stürzt sich in die Ermittlungen und findet heraus, dass sich die tote Schauspielerin in letzter Zeit immer mehr zur tyrannischen Diva entwickelt hat. Und ziemlich viele Leute ein Motiv für den Mord haben ...

Über die Serie: Palinghuus in Ostfriesland: Zwischen weitem Land und Wattenmeer lebt Sarah Teufel mit ihrem amerikanischen Ex-Mann James in einer Windmühle. Gemeinsam betreiben sie das einzige Taxiunternehmen weit und breit - mit einem Original New Yorker Yellow Cab! Bei ihren Fahrten bekommt Sarah so einiges mit. Und da die nächste Polizeistation weit weg ist, ist doch klar, dass Sarah selbst nachforscht, wenn etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Denn hier im hohen Norden wird nicht gesabbelt, sondern ermittelt!

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Ähnliche


Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über diese Folge

Taxi, Tod und Teufel – Die Serie

Titel

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

Epilog

Über die Autorin

Impressum

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Über diese Folge

In Palinghuus wird ein Live-Hörspiel aufgeführt! Sarah ist vor Ort und von der aufwendigen Aufführung des Stücks „Möwen morden mittags“ begeistert – vor allem von der Darbietung der berühmten Schauspielerin Agnes Sakowski. In einer Szene soll diese sogar mit einer Pistole mit Platzpatronen „erschossen“ werden. Doch als der Schuss fällt, stirbt Agnes tatsächlich! Jemand hat die Platzpatronen gegen echte ausgetauscht. Sarah stürzt sich in die Ermittlungen und findet heraus, dass sich die tote Schauspielerin in letzter Zeit immer mehr zur tyrannischen Diva entwickelt hat. Und ziemlich viele Leute ein Motiv für den Mord haben ...

Taxi, Tod und Teufel – Die Serie

Palinghuus in Ostfriesland: Zwischen weitem Land und Wattenmeer lebt Sarah Teufel mit ihrem amerikanischen Ex-Mann James in einer Windmühle. Gemeinsam betreiben sie das einzige Taxiunternehmen weit und breit – mit einem Original New Yorker Yellow Cab! Bei ihren Fahrten bekommt Sarah so einiges mit. Und da die nächste Polizeistation weit weg ist, ist doch klar, dass Sarah selbst nachforscht, wenn etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Denn hier im hohen Norden wird nicht gesabbelt, sondern ermittelt!

LENA KARMANN

Möwen morden mittags

Prolog

Sarah Teufel stand gegen ihr original New Yorker Yellow Cab gelehnt da, hielt ihr Smartphone in der Hand und antwortete auf die Nachricht von ihrem Mann James Todd, die vor wenigen Minuten eingegangen war. Gerade eben tippte sie auf ›Senden‹, da hörte sie eine vertraute Stimme.

»Da bist du ja.«

Sie hob den Kopf und sah ihre beste Freundin Britta Kerstenbach, die anscheinend nach ihr gesucht hatte. Der vom Meer kommende Wind spielte mit ihren langen blonden Haaren, die sie an diesem Tag ausnahmsweise offen trug.

Britta war zumindest in Sachen Haarfarbe das genaue Gegenteil von Sarah, da ihre dunkelbraun und deutlich kürzer waren, auch wenn es seit einer Weile wieder reichte, sie zum Pferdeschwanz zusammenzubinden, damit der Wind bei ihr kein so leichtes Spiel hatte.

Während Sarah wie üblich, wenn sie Taxi fuhr, in Jeans und bunt bedrucktem T-Shirt unterwegs war, hatte sich ihre Freundin für ein langes weites Kleid in kräftigen Gelb- und Rottönen entschieden.

»Mittwochabend kurz nach sieben und du spazierst durch Palinghuus?«, wunderte sich Sarah. »Hast du keinen Yoga-Kurs zu leiten?«

»Leider hast du recht«, bestätigte die Freundin und verzog den Mund.

»Es kann doch nich ein kompletter Kurs abgesagt haben.«

»Nein, aber ich habe einen kompletten Kurs abgesagt. Den und alle anderen bis zum Wochenende«, erwiderte Britta. »Die Klimaanlage ist defekt.«

»Und ohne geht's nich? So warm is der Mai bislang ja nich.«

Britta strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Wenn es nur das wäre. Sobald die Anlage läuft, bläst sie fünfunddreißig Grad heiße Luft in den Raum. Um das zu verhindern, muss ich die Hauptsicherung abschalten, und dann habe ich keinen Strom mehr, egal für was.«

»Oh«, machte Sarah betroffen. »Das is aber gar nich gut.«

»Das kannst du laut sagen«, stimmte ihre Freundin ihr zu. »Und noch schlechter ist, dass der Techniker erst am Freitag was dagegen unternehmen kann.«

»Hattest du nich dieses Rundumsorglospaket mit dem Hersteller vereinbart, damit du nich so lange warten musst, wenn mal was kaputtgeht?«, fragte Sarah.

Britta nicke. »O ja, das habe ich. Aber das greift nicht, wenn der Hersteller das notwendige Ersatzteil nicht vorrätig hat, weil der Zulieferer es nicht liefern kann. Das wird erst morgen da rausgehen und voraussichtlich am Freitagmorgen beim Hersteller ankommen, und dann macht sich der Techniker sofort auf den Weg, um es einzubauen. Immerhin übernimmt die Versicherung des Herstellers meine Einnahmeausfälle.« Sie zuckte mit den Schultern. »Tja, und deswegen ist mir langweilig, und deshalb habe ich mich auf die Suche nach dir begeben ...«

»... und du hast mich gefunden«, ergänzte Sarah erfreut.

»Ja, nachdem man mir erklären konnte, wo genau sich der ominöse ›Saal‹ befindet, von dem alle vermutet haben, dass du dich da irgendwo aufhältst«, fuhr Britta fort. »Was ist das eigentlich für ein Bauwerk?« Mit einer Kopfbewegung deutete sie auf den alten Backsteinbau.

»Das is die alte Grundschule von Palinghuus«, erklärte Sarah. »Der Saal ist die alte Aula.«

»Ich glaube, ich höre zum ersten Mal, dass es in Palinghuus mal eine Schule gab«, murmelte sie.

»Is auch kein Wunder«, meinte Sarah. »Die wurde kurz nach dem Ersten Weltkrieg errichtet, und in den Siebzigern wurde sie dann dichtgemacht, weil in der Zeit hier nur noch ganz wenige Familien mit kleinen Kindern gewohnt haben. Frag mich nich, auf welche Schule die dann gegangen sind, aber auf jeden Fall wurde hier das Licht ausgemacht.«

»Wenigstens wird das Gebäude immer noch genutzt«, sagte Britta.

»Aber erst seit ein paar Jahren wieder, weil ein findiger Geschäftsmann aus Hamburg der Meinung war, dass man so ein Bauwerk einfach erhalten muss.«

»Vermutlich hat er die Schule früher geliebt, wenn er so denkt«, merkte ihre Freundin an. »Die Schulen, auf die ich damals gegangen bin, hätte man gern abreißen können.«

»Vielleicht sieht er in dieser Schule ja auch ein Mahnmal«, konterte Sarah, »das an die vielen todlangweiligen Mathe- und Erdkundestunden erinnern soll.«

»Und an die Deutsch- und Biologiestunden«, fügte Britta hinzu. »Und Kunst und Sport und Religion.«

»Vielleicht sollten wir uns auf die Stunden beschränken, die nicht langweilig waren«, gab Sarah zu bedenken. »Nämlich die ... Freistunden!«

Britta konnte nur lachend zustimmen. »Wieso hängst du eigentlich hier rum, anstatt zu Hause auf Fahrten zu warten?«

Sarah winkte ab. »James nimmt doch an dieser Oldtimer-Rallye in Österreich teil und is erst nächste Woche wieder da, hoffentlich mit einer Siegertrophäe. Das Wetter ist zu schön, um daheim rumzusitzen, und außerdem warten meine nächsten Fahrten genau hier auf mich, auch wenn das noch eine Weile dauert.«

Suchend schaute sich Britta um. »Auf einem verwaisten ehemaligen Schulhof?«

»Das sieht nur so aus.« Mit dem Daumen zeigte sie hinter sich. »Da drinnen wird fleißig für das Theaterstück geprobt, das am Sonntag beim Strandfestival aufgeführt wird.«

»Aha«, machte Britta. »Das ist natürlich was anderes. Sind irgendwelche bekannten Namen mit dabei?«

»Bestimmt, wenn man sich mit Theater gut auskennt. Aber mir sagen sie nichts. Nicht mal der Regisseur, und der soll sogar eine richtig große Nummer sein«, sagte Sarah mit einem kurzen Schulterzucken. »Zugegeben, ein bekannter Name würde zwar bestimmt einige Fans anlocken. Aber zum Strandfestival kommen so viele Besucher, dass das Theaterstück jedes Jahr ausverkauft ist. Und das, obwohl die Aufführung im letzten Jahr eine Katastrophe war.«

»'n Abend, die Damen«, meldete sich in dem Moment eine Männerstimme zu Wort.

Sarah und Britta sahen beide in Richtung Straße, wo zwei Männer um die dreißig in identischer Kleidung standen. Beide trugen dunkelblaue Hosen und hellblaue, kurzärmelige Hemden und darüber eine schwarze Weste, die den Aufdruck eines Sicherheitsdienstes trug. An einem speziellen Gürtel hatten sie ein Handy, eine große Taschenlampe und andere Utensilien befestigt, die sie für die Arbeit brauchten. Der Blonde hatte die Haare sehr kurz rasiert und sich einen Kinnbart stehen lassen, der Dunkelhaarige begnügte sich mit einem Schnurrbart.

»Moin, die Herren«, grüßte Sarah die zwei. Britta nickte ihnen zu.

»Haben Sie irgendwas Auffälliges beobachtet?«, wollte der Bärtige wissen.

»Dann hätte ich schon Bescheid gegeben«, antwortete Sarah und wünschte den beiden Männern noch einen schönen Abend, als sie weitergingen.

»Schon gut, dass die Vandalen das Weite gesucht haben, seit wir den Sicherdienst engagiert haben«, meinte Britta. »Seitdem die unterwegs sind, muss ich nicht mehr befürchten, dass irgendwelche Idioten mir die Schaufenster von meinem Studio einschlagen.«

»Und es brennen auch keine Mülltonnen mehr«, pflichtete Sarah ihr bei. Tatsächlich herrschte seit Wochen in Palinghuus wieder Ruhe. Niemand schlitzte mehr Autoreifen auf und riss Außenspiegel ab, niemand legte mehr irgendwelche Feuer, die allein schon durch die konstante leichte Brise leicht außer Kontrolle geraten konnten. Niemand goss mehr Leim in Briefkästen oder demolierte Türschlösser, und das, weil alle im Dorf zusammengelegt hatten und auf das Angebot des Sicherheitsdienstes eingegangen waren, jede Nacht mit zwei bis vier Leuten Streife zu gehen. Sarah hatte längst damit gerechnet, dass früher oder später ein Sicherheitsunternehmen auf die vielen kleinen Berichte über Vandalismus in Palinghuus reagieren und seine Dienste anbieten würde. Auch wenn sie bei der ganzen Sache ein seltsames Gefühl hatte, das sie nicht in Worte fassen konnte, war sie froh, dass sich alle im Dorf wieder sicher fühlen konnten. Allein die Anwesenheit dieser Wachleute sorgte für eine viel gelassenere Atmosphäre als in den Wochen davor.

Kaum waren die Leute von der Security weitergezogen, kam im Saal Unruhe auf. Aufgebrachte Stimmen drangen durch die offenen Oberlichter nach draußen.

»Gehen Sie doch dahin, wo der Pfeffer wächst!«, rief eine Frau.

»Aber ohne uns!«, fügte ein Mann hinzu, der genauso wütend klang.

»Ihr werdet so spielen, wie ich euch das sage«, konterte eine energische Stimme, die sich so anhörte, als würde der Mann mit ein paar Schulkindern reden.

Dann wurden die Stimmen leiser, sodass man nichts mehr verstehen konnte, doch der Tonfall blieb unverändert wütend.

»Das hört sich aber nicht gut an«, meinte Britta skeptisch. »Außer natürlich, das gehört zum Stück.«

Sarah hob nur ahnungslos die Schultern. Minuten später ging die Tür zur ehemaligen Aula auf, und ein Mann und eine Frau kamen nach draußen. Sehr wahrscheinlich handelte es sich um die beiden, die sie eben mit dem anderen Mann hatten diskutieren hören.

»Was ist denn los?«, fragte sie die zierliche Grauhaarige, die ein paar Schritte vor dem Mann ging. »Sind Sie schon fertig? Ich dachte, Sie proben mindestens bis um neun.« Sie sah auf ihre Armbanduhr. »Es ist erst kurz nach sieben.«

»Wir sind fertig, Frau Teufel«, kam die prompte Antwort der älteren Frau. »Fix und fertig.«

Sarah zog argwöhnisch eine Augenbraue hoch. »Darf ich fragen, was das heißt?«

»Das heißt, dass wir nicht länger mitspielen«, warf der hochgewachsene, hagere Mittzwanziger ein, der seine schwarzen Haare zum Dutt hochzusammengebunden hatte. »Und wenn ich an die Gesichter der restlichen Truppe denke, werden die uns in ein paar Minuten folgen. Dann steht Rosenbruck ganz ohne Schauspieler da.«

Die beiden stiegen auf ihre Fahrräder, verabschiedeten sich und fuhren davon. Tatsächlich vergingen nur ein paar Minuten, dann kamen noch drei Frauen und ein Mann aus dem Saal, die untereinander so aufgebracht diskutierten, dass sie von Sarah und Britta gar keine Notiz nahmen. Den beiden blieb auch keine Möglichkeit zu fragen, da die Truppe zielstrebig zu einem Kleinbus auf der gegenüberliegenden Straßenseite ging, einstieg und gleich darauf mit quietschenden Reifen davonfuhr.

Nachdem sie abgefahren waren, atmete Sarah leise seufzend aus. »Das war eigentlich die Fahrt, auf die die ich gewartet hatte«, sagte sie.

»Die ganze Gruppe?«, fragte Britta erstaunt.

»Nein, nur der Mann«, antwortete sie. »Ihn sollte ich nach Hamburg zum Flughafen fahren, weil er morgen früh für Dreharbeiten in München sein muss, ehe er dann morgen Abend für die weiteren Proben wieder herkommen wollte.« Sie schüttelte den Kopf. »So, wie es jetzt aussieht, werde ich ihn morgen auch nich am Flughafen abholen können.«

»Ach, vielleicht raufen sie sich ja noch zusammen«, meinte ihre Freundin und lächelte sie aufmunternd an.

Gerade wollte Sarah ihr zustimmen, da kam ein Mann mit wallendem grauem Haar aus dem Saal und schimpfte: »Un-glaub-lich! So etwas habe ich in meiner ganzen Karriere noch nicht erlebt. So viele Dilettanten auf einem Haufen!«

»Das muss wohl dieser Rosenbruck sein«, raunte Britta ihr zu, Sarah nickte nur knapp.

Der Mann kam auf sie zu und schaute sich suchend um. »Sind sie alle weg?«

»Ich fürchte ja«, sagte Sarah. »Zwei sind mit dem Fahrrad abgefahren, der Rest mit einem Bus.«

»Das ist auch besser so«, knurrte der Mann. »Sonst hätte es vielleicht noch Tote gegeben.«

»Sind Sie Herr Rosenbruck, der Regisseur?«, fragte Britta interessiert.

»Ja«, erwiderte er nur und schnaubte vor sich hin, als würde er überlegen, an wem oder was er seine Wut auslassen konnte.

»Ähm ... dürfen wir fragen, was vorgefallen ist?«, erkundigte sich Sarah zurückhaltend. »Oder zumindest, ob das, was vorgefallen ist, irgendwelche Auswirkungen auf die Planungen des Strandfestivals hat?«

»Sie wollen wissen, was da drinnen vorgefallen ist?«, wiederholte Rosenbruck, wobei seine Augen wütend funkelten.

Sie nickte zögerlich.

»Diese Truppe hat sich einfach quergestellt! Diese angeblichen Profis haben bewiesen, dass sie blutige Amateure sind!«, antwortete er laut. »Ich wollte nichts weiter, als dass sie bei dieser Aufführung ihre Texte rückwärts sprechen, und schon habe ich eine Revolution am Hals!«

»Rückwärts sprechen?«, wiederholte Britta irritiert. »Warum denn das?«

»Es sollte ein anderer Ansatz für mein Stück werden«, erklärte er. »Meine Art, den Retro-Gedanken akustisch umzusetzen. Um zu zeigen, dass dieses Stück zwar schon einige Jahre alt ist, aber eigentlich zeitlos ist, was seine Aussage betrifft. Die wäre dadurch den Zuschauern bewusster vor Augen geführt worden als bei einer konventionellen Aufführung.« Er zuckte mit den Schultern, als könnte er nicht verstehen, wieso er so etwas überhaupt noch erklären musste.

Britta und Sarah sahen sich an, verkniffen sich aber jede Nachfrage, weil sie sich nicht sicher waren, ob die bei Rosenstock nicht in den falschen Hals geriet.

»Dann sind die Proben für heute Abend also beendet«, sagte Sarah schließlich. »Brauchen Sie zufällig ein Taxi? Ich hatte einen Ihrer Schauspieler fahren sollen, aber der ist mit seinen Kolleginnen weggefahren. Daher bin ich momentan frei.«

Rosenbruck betrachtete sie auf eine Weise, die ihr das Gefühl gab, dass er weder sie noch ihre Frage wahrgenommen hatte, sondern mit seinen Gedanken ganz woanders war. Doch auf einmal nickte er. »Ja, Sie können mich zu meinem Hotel fahren. Die Adresse gebe ich Ihnen gleich.«

»Zum Hotel? Geht klar.«

»Aber da warten Sie dann auf mich, weil Sie mich anschließend zum Flughafen fahren werden«, fuhr der Regisseur fort. »Ich will nicht noch eine Nacht hier verbringen. Ich will nach Hause, in meine eigenen vier Wände.«

»Wann kommen Sie denn wieder?«, erkundigte sich Sarah in der Hoffnung, dass der schlimmste Fall noch nicht eingetreten war.

»Gar nicht.«

Jetzt war eingetreten, was sie bis zu diesem Moment nicht hatte wahrhaben wollen. Das Stück war damit soeben abgesagt worden, und folglich würde es am Sonntagabend keine Aufführung geben. Das war das letzte Mal bei einer Sturmflut irgendwann in den Achtzigern vorgekommen.

»Werfen Sie Ihren Gebührenzähler schon mal an«, sagte er und zeigte auf Sarahs Taxi. »Ich muss noch meine Sachen zusammenpacken.« Mit diesen Worten machte er kehrt und ging zurück in den Saal.

»Wir haben kein Stück!«, flüsterte Sarah erschrocken, als der Mann im Gebäude verschwunden war.

»Wir werden schon was auf die Beine stellen« meinte Britta zuversichtlich. »Irgendwas ergibt sich doch immer.«

Sarah sah ihre Freundin verwundert an. »Verrätst du mir, wie viele Theaterstücke du innerhalb von drei Tagen schon auf die Beine gestellt hast?«, fragte sie kopfschüttelnd.

»Ich? Noch keins, aber es gibt für alles ein erstes Mal«, erwiderte Britta mit einer schier unerschütterlichen Gelassenheit. »Du wirst schon sehen.«

Sie würde schon sehen, ging es Sarah durch den Kopf. In dem Punkt lag Britta auf jeden Fall richtig: Sie würde wirklich schon sehen. Aber sie hatte nicht das Gefühl, dass es etwas Gutes war, das sie sehen würde ...

1. Kapitel

Dass Brittas Worte sich bewahrheiten würden, darauf hätte Sarah selbst am nächsten Morgen nicht einen Cent verwetten wollen, weil sie sich absolut sicher gewesen wäre, diesen Cent zu verlieren. Noch um fünf vor zehn an diesem Donnerstagmorgen gab es für sie keinen Grund, von ihrer Überzeugung abzurücken. Wie sollte man innerhalb von zwei Tagen eine Theatertruppe auftreiben, die am Sonntag auf dem Strandfestival auftreten konnte? Theaterveranstaltungen wurden Monate im Voraus geplant, selbst große Häuser hatten nicht einfach ein Reservestück in der Schublade, das aufgeführt werden konnte, wenn Krankheit oder andere Umstände die eigentliche Aufführung verhinderten.

Ihre Überzeugung sollte aber schon Minuten später ins Wanken geraten, als sie die Apotheke in Aurich betrat, in der eine Reihe von Medikamentenbestellungen darauf warteten, von Sarah abgeholt zu werden. Schon vor einer Weile hatte sie mit der in Palinghuus praktizierenden Hausärztin Dr. Jakobi vereinbart, ein- bis zweimal in der Woche die gesammelten Rezepte für all die Leute im Dorf einzulösen, für die der Weg nach Aurich zu umständlich oder zu beschwerlich war.

Als sie in der Schlange wartete, bekam sie unwillkürlich die Unterhaltung der beiden Frauen hinter sich mit. »Hast du schon das von dem Wasserrohrbruch letzte Nacht gehört? Und das, wo sie am Sonntag Möwen morden mittags aufführen wollten?«

»Was is'n passiert?«, fragte die andere, etwas ältere Frau, wie ein Blick über Sarahs Schulter erkennen ließ.

»Alles unter Wasser is passiert«, sagte die erste Frau. »Da is'n Rohr im Erdgeschoss geplatzt, und nu steht alles knöcheltief unter Wasser. Un alle Sessel sin pitschnass. Der Parkettboden is auch hinüber.«

»Un das Stück?«

»Fällt aus, is doch klar«, antwortete die erste Frau. »Oder willst du dich im Taucheranzug da hinsetzen, damit du nich nass wirst?«

»Schade«, beklagte sich die zweite Frau. »Und ich wollt so gern die Sakowski mal live auf der Bühne erleben.«

»Tja, da wird wohl nix draus. Da muss schon 'n Wunder geschehen.«

Sarah zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen, schließlich drehte sie sich um und fragte: »Nich, dass ich Sie belauschen wollte. Aber wo is dieser Saal denn, von dem Sie gesprochen haben?«

»Gleich gegenüber, wenn Sie aus der Apotheke kommen. Der Johann-Johannsen-Saal. Können Sie gar nich übersehen.«

Tatsächlich konnte man den Saal nicht übersehen, sofern man wusste, wo er zu finden war. Als Sarah mit etlichen Tragetaschen bepackt die Apotheke verließ, entdeckte sie den Johann-Johannsen-Saal erst auf den zweiten Blick. Grund dafür war in erster Linie, dass sich der Eingang zwischen einem Matratzendiscounter und einem leer stehenden Ladenlokal befand und das Schild über dem Eingang etwas klein geraten war. Die Tür stand offen, und von drinnen waren Stimmen zu hören, also betrat Sarah den langen Korridor, der mit rotem Teppich ausgelegt war. Die Wände waren mit Theaterplakaten aus aller Welt beklebt, aber zwischendurch fand sich auch das eine oder andere Poster, das von einer Aufführung in diesem Saal hier stammte.

Nach einigen Metern gelangte sie in eine Art Foyer, das in dunklen Rot- und Brauntönen gehalten war. Links befand sich die Kasse, rechts war eine Bar. Irritiert sah Sarah sich um, da es nur eine breite Treppe gab, die nach unten führte, aber keine Tür, durch die man in den Saal gelangen konnte. Dann verdrehte sie die Augen, stöhnte ungläubig über ihre eigene Gedankenlosigkeit und ging zur Treppe.

Der Saal befand sich im Keller, so wie man es von anderen Theatern kannte. Nicht gerade das, was Sarah behagte, aber sie war ja nicht hier, um eine Vorführung zu besuchen – was sie vermutlich auch nicht durchgehalten hätte, da sie sich ständig vor Augen gehalten hätte, dass der Weg nach draußen bei einem wie auch immer gearteten Ernstfall ausschließlich über diese eine Treppe führte. Sie neigte nicht zur Schwarzmalerei, aber hier und jetzt konnte sie nicht anders, als sich auszumalen, wie der Keller zur Todesfalle werden würde, wenn ein Brand nicht dort unten, sondern im Erdgeschoss ausbrach und es kein Entkommen mehr gab. Aber allzu lange wollte sie sich ohnehin nicht hier aufhalten, also würde sie das durchstehen.

Nachdem sie den ersten Treppenabsatz erreicht hatte, ging es nach einem Knick nach links weiter nach unten. Nur ein paar Stufen tiefer standen eine kleine zierliche Frau und ein Bär von einem Mann und unterhielten sich. Das untere Ende der Treppe war von hier oben aus nicht eindeutig auszumachen, da dort alles unter Wasser stand.

Die schmächtig wirkende Frau schüttelte wiederholt den Kopf. »Das ist eine Katastrophe«, sagte sie. »Seit weiß Gott wie vielen Stunden steht das Wasser hier und ruiniert uns die gesamte Einrichtung. Die Versicherung wird begeistert sein, für das alles aufzukommen.«

»Ganz abgesehen davon, wie lange der Laden geschlossen bleiben muss, bis das alles renoviert ist«, stimmte der Mann ihr zu. »Und das, wo wir am Sonntag mit den Möwen groß auftrumpfen wollten. Die Sakowski bekommen wir so schnell nicht wieder.«

»Ähm ... entschuldigen Sie?«, rief Sarah ihnen vom Treppenabsatz zu.

»Können wir Ihnen behilflich sein?«, fragte die Frau, die sich als Erste zu ihr umdrehte. »Wenn es um die Vorstellung am Sonntag geht – die fällt leider aus.«

»Um diese Vorstellung geht es tatsächlich«, antwortete Sarah. »Ich kann Ihnen nichts versprechen, aber es könnte sein, dass ich Ihnen aus der Klemme helfen kann.«

Die beiden sahen sie skeptisch an. »Wer sind Sie? Und warum sollten Sie uns helfen wollen?«

»Na ja«, meinte sie mit einem Schulterzucken. »Weil wir selbst gerade in einer Klemme stecken.«

»Was höre ich da?«, fragte Britta erstaunt, als sie wie verabredet am Mittag ins Lokal Klabauterfrau kam und sich zu Sarah an den Tisch setzte. »Du hast im Alleingang das Strandfestival gerettet?«

Sarah riss entsetzt die Augen auf. »Wer erzählt denn so was?«

»Du kennst doch die Gerüchteküche«, sagte ihre Freundin und musste lachen. »Jeder dichtet was dazu, bis man schließlich für dich ein Denkmal errichten will, weil du nebenbei auch noch eine Sturmflut abgewehrt hat.« Sie nickte der Wirtin zu, die ihr ein Bier an den Tisch brachte und die Essensbestellung notierte. »Und jetzt erzähl mir, was du wirklich getan hast.«

»Eigentlich nich viel«, räumte Sarah bescheiden ein. »Ich habe zufällig eine Unterhaltung mitbekommen, bin der Sache nachgegangen und habe dann einen Vorschlag gemacht, der letztlich einstimmig angenommen wurde.« Sie berichtete von der Begebenheit in Aurich. »Ich habe vorgeschlagen, dass sie ihr Stück doch stattdessen beim Strandfestival aufführen können, schließlich klafft bei uns ja diese Lücke im Programm, seit unser Stück nich mehr stattfindet. Die Theaterchefin und der Regisseur haben sich mit dem Festivalkomitee zusammengesetzt ...«

»Zu dem du zufälligerweise auch gehörst«, warf Britta grinsend ein.

»... und nachdem alle Fragen geklärt waren, stand einer Einigung nichts mehr im Weg«, fuhr Sarah fort. »Das eigentliche Problem betraf die Zuschauer, die schon alle im Voraus ihre Karten gekauft hatten. Aber der Saal in Aurich ist für zweihundert Besucher ausgelegt, während wir auf unserem Festival fünfhundert Plätze zur Verfügung haben. Wir dürften aber sogar doppelt so viele Karten verkaufen, also handeln wir uns nich irgendwelche Probleme ein, wenn wir einfach zweihundert Stühle mehr aufstellen.«

»Und was ist, wenn jemand das andere Stück gar nicht sehen will?«, wollte Britta wissen. »Bekommt derjenige dann sein Geld zurück?«

»Wir hoffen darauf, dass die Leute die Alternative annehmen«, räumte Sarah ein. »Und dass der Name Agnes Sakowski genug Strahlkraft besitzt, damit alle auf ihren Plätzen bleiben, wenn ein anderes Stück als das erwartete anfängt. Wenn sie wüssten, was ihnen erspart geblieben is, dann würden sie allein schon aus Dankbarkeit sitzen bleiben.«

»Agnes Sakowski spielt mit? Und tritt hier bei uns auf?«, fragte Britta und begann vor Freude förmlich zu strahlen. »Das ist ja verrückt.«

Sarah zog verdutzt die Augenbrauen hoch. »Irgendwas muss ich da verpasst haben. Is diese Agnes Sakowski wirklich so bekannt?«

»Das kann man sagen«, bestätigte Britta. »Erst vor Kurzem hat sie für einen ihrer Filme alle möglichen Preise abgeräumt. Das war überall in den Prominews.«

»Ah, deswegen hab ich davon nichts mitgekriegt«, meinte Sarah ironisch. »Ich muss mir nachher wirklich mal einen Überblick verschaffen, was die Frau so alles gemacht hat. Klingt aber schon mal so, als hätten wir einen dicken Fisch an Land gezogen.« Sie überlegte einen Moment lang. »Aah, jetzt wird mir auch klar, warum die zwei vom Theater und der Regisseur so schnell damit einverstanden waren, dass sie das Stück von Aurich nach Palinghuus verlegen.«

»Weil man so bekannte Leute so schnell nicht dazu überreden kann, in einem Provinztheater aufzutreten«, fügte Britta an. »Das war eine einmalige Chance, und durch den Wasserrohrbruch wäre ihnen die fast entgangen.«

»Dann bin ich ja mal gespannt, ob diese Agnes tatsächlich eine so begnadete Schauspielerin ist«, sagte Sarah und lehnte sich zurück, da die Wirtin an den Tisch kam, um ihnen das Essen zu servieren.

Um die Proben nahtlos fortführen zu können, wurden diese noch am gleichen Tag in die einstige Aula von Palinghuus verlegt. Während fünf der sechs Schauspieler mit einem Shuttlebus nach Palinghuus gebracht wurden, ließ sich Agnes Sakowski von einem Limousinenservice fahren. Angeblich fühlte sie sich in einem Kleinbus unbehaglich, weil sie auf Reisen nicht gern viele Leute um sich hatte. Für Sarah vermittelte das einen ersten Eindruck, der nicht gerade sehr positiv ausfiel, immerhin hätte sie ja auch so etwas Gewöhnliches wie ein Taxi nehmen und sich von Sarah nach Palinghuus fahren lassen können. Dennoch wollte sie der Frau möglichst unvoreingenommen gegenübertreten.

Dass der Regisseur sich von Sarah in ihrem Taxi fahren ließ, hatte in seinem Fall nichts damit zu tun, dass er nicht mit seinen Schauspielern hätte fahren wollen. Er musste lediglich vor den anderen in Palinghuus sein, um sich ein Bild von den örtlichen Gegebenheiten im Probensaal und am Strand machen zu können.

Als Sarah am Nachmittag an der alten Schule anhielt, kam ihr Heinz Behring bereits entgegen. Der Regisseur mit dem schlohweißen Haar war allein schon wegen seiner Körpergröße von fast zwei Metern eine imposante Erscheinung, doch ihn umgab auch eine gewisse Aura. Sarah war sich nicht sicher, ob es Gelassenheit war, geboren aus langjähriger Erfahrung als Regisseur, oder ob es einfach nur an seinen eindringlich dreinblickenden blassblauen Augen lag. Auf jeden Fall war Behring jemand, der Autorität ausstrahlte, jemand, dem man zuhörte, wenn er sprach.

Dieses Empfinden irritierte Sarah, da sie sich für gewöhnlich von nichts beeindrucken ließ und nie nach dem äußeren Schein ging. Sonst wäre sie auch nicht in der Lage gewesen, in so kurzer Zeit doch recht viele Verbrechen aufzuklären. Bei Behring mochte es aber daran liegen, dass der Mann sie an ihren Großvater väterlicherseits erinnerte, wenn auch in einer deutlich jüngeren Version. Ihr Großvater war noch heute jemand, der sagte, wo es langging, und dem die anderen folgten, allen voran ihr Vater, von dem sie das schon als kleines Kind am allerwenigsten erwartet hatte.

»Frau Teufel, schön, dass Sie so schnell kommen konnten«, sagte Behring freundlich, nachdem er eingestiegen war. »Dann können Sie mir ja als Nächstes die Bühne am Strand zeigen.«

»Dafür bin ich hergekommen, Herr Behring«, erwiderte sie und fuhr los. »Und was sagen Sie zum Probenraum? Is der akzeptabel?«