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Tauche ein in die Welt von Taylor Swift mit dieser inoffiziellen illustrierten Hommage an ihr Leben und Werk
Taylor Swift ist kein gewöhnlicher Popstar. Einfühlsam und vertraut, vielschichtig und poetisch setzt sich die
begnadete Songwriterin in ihrer Musik mit Liebe, Freundschaft, Liebeskummer, Verlust, Empowerment und Selbstfindung auseinander. In ihren Songs erkennen sich Millionen von Fans wieder.
Welche persönlichen Erfahrungen und musikalischen Einflüsse hinter ihren Liedern stecken, erkundet diese bezaubernd illustrierte, inoffizielle Hommage an die Musikerin, Geschäftsfrau und Katzenliebhaberin.
In Taylor’s Songs tauchst du tief in die Geschichte von Taylor Swifts Leben anhand ihres Songwritings ein. Entdecke, wie sich Taylor von einer „Era“ zur nächsten gewandelt hat, angefangen bei ihrem Debütalbum über Speak Now und 1989 bis hin zu Folklore und Midnights.
Außerdem geht es um Taylors Entwicklung als Frau im Musikbusiness, ihre genreübergreifenden Erfolge, bahnbrechenden Tourneen und ihre leidenschaftlichen Fans. Mit faszinierenden Analysen ihrer Texte, Swiftie-Insidern, Erklärungen zu Fan-Theorien und Easter Eggs, ist dieses Buch ein Must-have für alle Swifties.
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Seitenzahl: 275
PRESTEL
MÜNCHEN · LONDON · NEW YORK
Die Originalausgabe erschien 2024 bei Bantam, einem Imprint von Transworld Publishers, unter dem Titel Into the Taylor-Verse. Taylor Swift’s Songwriting Journey. Transworld Publishers ist Teil der Unternehmensgruppe Penguin Random House.
Text © Satu Hämeenaho-Fox, 2024
Illustrationen © Maddalena Carrai / Illustration X, 2024
Für die deutsche Ausgabe:
© Prestel Verlag, München · London · New York, 2024 in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH Neumarkter Straße 28 · 81673 München
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Projektleitung: Claudia Schönecker
Projektmanagement: Veronika Brandt
Gestaltung: Bobby Birchall, Bobby&Co
Übersetzung aus dem Englischen, Lektorat und Satz: Rotkel Textwerkstatt, Berlin
Herstellung: Luisa Klose
ISBN 978-3-641-32947-1
www.prestel.de
FÜR ALLE SWIFTIES
Einleitung
1Wie alles begann | Taylor Swift
2Ins Rampenlicht | Fearless
3Das letzte Märchen | Speak Now
4I Remember | Red
5Neue Stadt, neuer Sound | 1989
6Snakes and Ladders | reputation
7Was wirklich zählt | Lover
8Into the Woods | folklore
9The Graveyard Shift |evermore
10The Stars Align |Midnights
11Spinning in Her Best Dress |Taylor auf Tour
12Die Geschichte von Taylor Swift aus Sicht der Fans |Die Swifties
13Mastermind| Das Genie Taylor Swift
Anmerkungen
Danksagung
Inspiration und Einflüsse
Über die Autorin
Taylor Swifts Errungenschaften sind legendär. Auch wenn jeder Popstar sein eigenes Krönchen trägt – sie hat alle Tests mit Bravour bestanden: 14 Grammy Awards, 40 American Music Awards, 23 MTV Music Awards und die Ernennung zur TIME Person of the Year 2023. Sie ist die berühmteste Frau der Welt. Doch so clever und fleißig Taylor auch sein musste, um sich all diese Ehrungen zu verdienen, Verkaufszahlen zu knacken und stets im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen – es gibt etwas, das ihr noch wichtiger ist, und das ist es, was sie so besonders macht. Sie schreibt Lieder, die die Gefühlswelt der Menschen so sehr berühren, dass wir im Scherz sagen, sie habe sie nur für uns geschrieben. Obwohl sie eine Berühmtheit ist, fühlt sich ihre Musik stets persönlich an, so als würde sie direkt mit dir sprechen. Und diese emotionale Verletzbarkeit hat sich seit ihrem Debüt 2006 nicht verändert, wenn auch ihr Songwriting insgesamt immer reifer und überzeugender geworden ist.
Lange bevor die Welt ihren Namen kannte, begann die 13-jährige Taylor Alison Swift im Sommer 2003 ihre musikalische Reise auf einer Uferpromenade in New Jersey. Im Schmetterlings-T-Shirt und mit einem eifrigen Lächeln im Gesicht spielte sie ein kurzes Set, darunter auch ihren allerersten selbst geschriebenen Song »Lucky You«. Heute, über 100 Millionen verkaufte Alben später, hat sich diese Promenade in die größten Stadien der Welt verwandelt. An die Stelle des T-Shirts sind maßgeschneiderte Kostüme getreten, und der Eifer ist einer mächtigen Superstar-Aura gewichen. Nach und nach hat Taylor eine erwachsene Version ihrer selbst geschaffen, die sich immer noch so freundlich anfühlt wie das Mädchen im Schmetterlingstop. Sie hat mit ihren Songs, Musikvideos, Looks für den roten Teppich und Bühnenauftritten ein so faszinierendes Universum geschaffen, dass eingefleischte Fans (Swifties) Stunden damit verbringen, zu enträtseln, zu analysieren und vorauszusagen, was sie als Nächstes tun wird. Und wenn man sich einmal darauf eingelassen hat, gibt es viel zu entdecken im Taylorversum. Es umfasst viele Horizonte, von der regnerischen Kleinstadt aus Fearless bis zum nächtlichen Friedhof aus evermore.
Dieses Buch erkundet Taylors Songwriting Album für Album, angefangen bei den ersten Tagen als Kleinstadtmädchen, von denen ihr Debütalbum Taylor Swift handelt. Wir entdecken, was sie inspiriert: Geliebte und verflossene Musen, ihre Kindheit, historische Persönlichkeiten und das Werk William Shakespeares, um nur ein paar Dinge zu nennen. Taylor schreibt wie keine andere über Erinnerung und Zeit, vor allem in ihren Songs über Herzschmerz. Sie ist eine der besten Storytellerinnen der Welt und verwendet Texte, Liedstruktur, ihre eigene Lebensgeschichte und ein tiefes Verständnis ihrer Fans, um Geschichten über alles Mögliche zu spinnen, vom Verlust der Liebe deines Lebens bis hin zum Umgang mit Hatern.
Taylor ist nicht nur Geschichtenerzählerin, sie ist auch Mastermind. Mit den Easter Eggs, die sie in jedes Album einbaut, hat sie ein ganzes Netz von Verbindungen zwischen ihren Liedern und sich selbst gewoben, von wichtigen Motiven in ihren Texten über bestimmte Symbole und Klänge bis hin zu vielsagenden Farbkombinationen und sogar Frisuren. Auf ihren Tourneen nutzt sie ihr angeborenes Schauspieltalent, um ihre Liveshow lustig und mühelos erscheinen zu lassen, obwohl sie in Wirklichkeit eine Hochleistungssportlerin ist, die eine energiegeladene dreieinhalbstündige Show in High Heels hinlegt. Die Eras-Tour, in die sich Fans mit selbst gemachten Kostümen und Armbändern einbringen, ist zum kulturellen Megaevent geworden. So klug und vorausschauend Taylor auch ist, einige der faszinierendsten Aspekte ihrer Karriere entstanden, als das Schicksal die Karten neu mischte: Als sich die politische Landschaft veränderte; als sich die öffentliche Meinung über Nacht wandelte; als die Pandemie ausbrach. Taylor musste über ihr Image als Amerikas braves Mädchen hinauswachsen und eine komplexere, widerstandsfähigere Version ihrer selbst werden. Während der vielen Höhen und Tiefen bei diesem Abenteuer blieben die Swifties ihr immer treu. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zu diesem Universum, das Taylor geschaffen hat. Die Beziehung zwischen Taylor und ihren Fans ist berüchtigt: Sie hört zu, ist aufmerksam und überlegt genau, was sie als Nächstes zu bieten hat.
Egal, ob du ein ganz neuer Fan bist oder schon lange dabei – put on your best dress – und mach dich auf die Reise zu den Sternen. Zeit für einen Ausflug ins Taylorversum.
Taylor Swift ist einer Kleinstadt aufgewachsen. Wie so mancher geborene Star konnte sie es kaum erwarten, die Welt jenseits des Einkaufszentrums und der Methodistenkirche, der Highschool und der Tribüne des Footballplatzes zu erkunden. Diese frühen Jahre sind ein Teil von ihr, nicht nur als Kindheitserinnerungen, sondern durch ihr erstes Album, Taylor Swift. Es ist das einzige Album ohne eigenen Abschnitt auf der Eras-Tour, wobei die meisten der Lieder in dem Teil der Show gespielt werden, in dem Taylor das Publikum mit Songs außerhalb der festen Setlist überrascht. Die Themen und Anspielungen auf ihrem Debütalbum sind einfacher gestrickt als später in ihrem reiferen Songwriting, aber es ist und bleibt Taylor Swift. Die Szenen sind so gestaltet und die Geschichten so erzählt, dass sie wie Sirenengesänge hypnotisieren. Taylor trägt zu schwarzen Kleidchen (und Jeans – die sind einfach immer in) lieber Cowboystiefel als High Heels. Die Geschichten drehen sich um das immer aktuelle Thema der Sehnsucht nach Liebe. Taylor wird die prägenden Erlebnisse aus ihrem Debütalbum auf unterschiedliche Art und Weise immer wieder erzählen: Der Freund aus der Heimatstadt mit dem Chevy-Truck in »’tis the damn season« (evermore) stammt direkt aus »Tim McGraw«, während »Midnight Rain« (Midnights) sich mit der Wahl zwischen einem traditionellen Leben und den Verlockungen des Ruhmes auseinandersetzt. Taylor Swift nimmt uns mit in den Sommer, in dem sie ihre Entscheidung traf.
Das Album ist einerseits für Swift-Historiker interessant, die nach den Ursprüngen suchen, es steht als Werk mit beeindruckendem Songwriting aber auch für sich selbst. Taylor war erst 16, als ihr mit ihrem Namen betiteltes Debütalbum herauskam. Wie die meisten Teenager beobachtete sie die Menschen in ihrem Umfeld genau, und ihre ersten Geschichten spielen in einer Welt, die ihrem Heimatort Wyomissing in Pennsylvania (11.122 Einwohner) oder Hendersonville (62.257 Einwohner), wo sie zur Highschool ging, auffallend ähnlich ist. Als Taylor Swift herauskam, war Taylor ein aufgehender Stern am Himmel der weltberühmten Musikszene Nashvilles (689.447 Einwohner) – ein Ort, in dem Songwriting-Talent seit jeher respektiert wird. Im zarten Alter von 14 hatte sich Taylor einen Plattenvertrag als Songwriterin gesichert und würde niemals vergessen, dass es ihr Talent zum Geschichtenerzählen und zum Erfinden von Fantasiewelten war, das ihr zum Ruhm verhalf.1 Ihre zweitwichtigste Fähigkeit war ihr unbändiger Elan, der ihr half, als sie auf Radiotournee ging und sich bei den Programmleuten vorstellte, also denen, die entscheiden, was im Radio gespielt wird. Es ist für keinen Künstler einfach, vor einer Handvoll Erwachsener in einem Konferenzraum einen großartigen Auftritt hinzulegen, aber Taylor verfügte über ein natürliches Selbstvertrauen, das dazu beitrug, dass sich diese wichtigen Branchenvertreter für sie erwärmten, vor allem, als sie immer wieder zurückkam und sie mit neuen Songs und einer weiteren Stunde in ihrer höflichen, lächelnden Gesellschaft verwöhnte.2 Sie standen vielleicht gerade in einem Konferenzraum in Downtown Nashville, aber Taylors Musik entführte sie an einen völlig anderen Ort.
Mit ihrem Debütalbum nimmt uns Taylor mit in eine idyllische Kleinstadt an einem See, wo die Leute in Pick-up-Trucks herumfahren und die erste Liebe für die Ewigkeit sein kann – vorausgesetzt, die andere Person behandelt dich gut. Die ersten Zeilen des ersten offiziellen Taylor-Swift-Songs, »Tim McGraw« entführen uns in eine Sternennacht in Georgia. Dein Crush sieht dir in die Augen und sagt dir, wie schön sie sind. Wer wäre nicht gern an diesem Ort, am besten für immer? Taylor kreiert ein Paradies der Seitenstraßen und Veranden, sicher und gemütlich wie unsere ersten romantischen Tagträume. Wenn sich das anhört wie eine musikalische Umarmung, dann war Taylor der gleichen Meinung. Bei ihrer ersten Tour ging sie mitten in »Tim McGraw« runter zum Publikum, um ihre Fans zu umarmen und ihnen fürs Kommen zu danken. Danach sprang sie wieder zurück auf die Bühne, um das Lied über die Eindrücklichkeit der ersten Liebe nahtlos zu beenden. Das Lied ist auch ein Leitbild für Taylor Swifts Songwriting-Prozess: Wie alle (gequälten) Poeten kann sie blumige Vergleiche erfinden – doch sie gibt ihnen eine neue Wendung. Der Junge, den sie mag, vergleicht ihre Augen mit funkelnden Sternen, wie Romeo Julias Augen in der berühmten Balkonszene. Doch anstatt ihn anzuhimmeln, schimpft Taylor ihn scherzhaft dafür, ihr mit Sprüchen zu kommen. Wenn ihr erstes Album auch erste Romanzen und das, was kommen könnte, idealisiert, hat Taylor es nicht mit vor großartigen, schwülstigen Metaphern über die Liebe strotzenden Songs gefüllt. Stattdessen baut sie aus konkreten, bedeutungsvollen Erinnerungen an eigene Erfahrungen ein ganzes Universum, vom Kleinen Schwarzen, in dem sie mit dem Jungen in »Tim McGraw« tanzt, bis hin zu dem Schal, den sie später in der Wohnung von irgendjemandes Schwester liegen lässt.
Was Opener betrifft, ist »Tim McGraw« thematisch der perfekte Startschuss für das Album und für ihre gesamte darauffolgende Karriere. Es geht um eine wahre Teenager-Erfahrung, aber es geht auch um Taylors größeren Traum: Für ihre Musik respektiert zu werden. Das Lied steckt voller Metaphern für Taylors Wunsch nach Anerkennung ihres lyrischen Talents. Bei ihr scheinen der Mond und die Sterne nicht einfach. Sie strahlen wie Rampenlicht. Sie sagt nicht einfach »hör mir zu«, sie sagt, dass du sie eines Tages im Radio hören wirst. Tatsächlich taucht das Wort »Radio« in vier der Songs von Taylor Swift auf, ein klarer Beweis dafür, was sie im Sinn hatte. Die Wortwahl lässt darauf schließen, wo sie damals stand. Im Laufe dieses Buches werden wir entdecken, dass Taylors Worte eine tiefe persönliche Bedeutung haben und auch viel von ihrem Lebensweg offenbaren – Taylor war ein Teenager, als sie Taylor Swift schrieb, es ist also nur natürlich, dass das Wort »girl« in fünf Songs des Albums vorkommt; es war Taylors Welt. Im Laufe der Zeit wird sich die Art, wie sie »girl« verwendet, dramatisch ändern, vor allem im Konflikt zwischen dem »guten Mädchen« und dem »bösen Mädchen«, der ihre Karriere durchziehen wird. Ein Mädchen zu sein, ist hier jedoch noch nicht kompliziert. Wenn du ein Mädchen bist, bist du nach Taylors Logik genau dort, wo du hingehörst: am See, mit deinem Crush, im Mondschein. Das subtil Geniale an ihrer Wortwahl in »Tim McGraw« ist, dass man nicht unbedingt im echten Rampenlicht stehen wollen muss, um Taylors Sehnsucht zu teilen: Wir wollen uns einfach als etwas Besonderes fühlen. Die hellen Scheinwerfer des Ruhms stehen für Taylor noch in den Sternen – diese funkeln jedoch bereits in den Texten des ganzen Albums. Bis jetzt ist sie noch eine Teenagerin, die in ihrem Zimmer auf dem Boden sitzt und Lieder schreibt, die hoffentlich irgendjemandem gefallen werden.
Während der Sound von Taylor Swift mit seinen Gitarren und dem live eingespielten Schlagzeug sehr organisch ist, ist die Geschichte, wie das Album bekannt wurde, recht digital. Eine neue Technologie kam genau zum richtigen Zeitpunkt für jemanden, der mit Gleichgesinnten in Kontakt treten wollte: die sozialen Medien. Eine Zeit davor ist nur schwer vorstellbar, doch die sozialen Medien und Taylor waren zur selben Zeit jung. Wie jeder Teenager zu dieser Zeit postete sie über ihr Leben, wobei aus dem Schulalltag schnell ein Leben im Tourbus wurde, komplett mit zeitgemäß geglättetem Haar und dick aufgetragenem Eyeliner (das YouTube-Make-up-Tutorial war noch nicht erfunden). Es war günstig, dass Taylor ihre Karriere als Songwriterin zu einer Zeit begann, in der die Kultur weniger förmlich und glamourös wurde und eher auf sympathische Stars setzte. Taylor baute ihr Imperium auf, indem sie nicht nur die Hände jedes Programmverantwortlichen in Nashville schüttelte, sondern auch über Social Media und persönlich mit ihren Fans, Mädchen für Mädchen, in Kontakt trat. Ein Fan namens Holly Armstrong kommt im Jahr 2021 im Podcast The Swift Legacy, der sich auf Taylors frühere Musik konzentriert, zu Wort.3 Sie erzählt, wie sie mit 12 Jahren Taylor, die damals 13 war, an einer Uferpromenade spielen sah. Ihr Set enthielt den unveröffentlichten Song »Lucky You« und eine Coverversion von Country-Legende Patsy Cline. Danach stellte Holly sich zusammen mit drei weiteren Leuten an, um mit dieser coolen neuen Sängerin zu sprechen. Sie unterhielten sich über alltägliche Dinge wie ihre Lieblingsfarbe (Lila) und ihre Oberteile (auf Hollys stand »American Girl« und auf Taylors war ein rosa Schmetterling aufgedruckt). Nach der kurzen Unterhaltung hatte Holly das Gefühl, eine neue Freundin gewonnen zu haben und wurde treuer Fan. »Ich glaube nicht, dass sich Taylor vorstellen konnte, jemals so bekannt zu werden, wie sie es jetzt ist. So denkt niemand. Du freundest dich mit jemandem an, der Gitarre spielt und Musik macht, also denkst du, cool, das will ich mir anhören.« Holly war nur eines der Mädchen, auf die Taylor ihren Scheinwerfer richtete und die ihren Freundinnen von diesem Album voller Songs über Mädchen wie sie erzählten. Sie riefen über das Festnetz beim Radiosender an und wünschten sich ihre Lieder. Und mithilfe der neuen Technologie, die gerade erst verfügbar geworden war, gingen sie online (Stichwort Einwahlton, denn wir schreiben das Jahr 2003) und kommentierten auf Taylors My-Space-Seite, in der Hoffnung, dass sie antworten würde.
Kurz vor der Veröffentlichung von Taylor Swift waren die Methoden, ein Popstar zu werden, ganz anders als heute. Seine Lieblingssängerin sah man normalerweise entweder im Fernsehen oder auf dem Cover einer Zeitschrift, wo sie in vollem Glanz erstrahlte; das Interview wurde von Publizisten entschärft und von Redakteuren gekürzt. Zwischen Prominenten und Fans standen viele Gatekeeper, darunter auch diejenigen, die die Plattenindustrie leiteten und auswählten, wer die Glücklichen waren, die einen Vertrag bekamen. Sich in diesem Dschungel von Erwachsenendruck zurechtzufinden, ist von einem 16-jährigen Mädchen viel verlangt. Der Übergang von der Nichtexistenz sozialer Medien zu einem Portal wie MySpace war ein riesiger Technologiesprung, für den Taylor genau das richtige Alter und die richtige Veranlagung hatte, um daraus einen Vorteil zu ziehen. Sarah Carson schrieb 2021 in dem Magazin New Statesman über die glühenden Tage als Taylor-Swift-Fan vor Fearless und beschrieb die Anziehungskraft einer Sängerin, die solch schwärmerische, in einem fast mythischen Amerika spielende Musik schrieb, aber gleichzeitig wie ein normales Mädchen im Internet postete. In einem von Taylors Posts stand: »Sitze im Klassenzimmer und schreibe Zettel mit meiner ebenso psychotischen rothaarigen besten Freundin.«4 Auf MySpace fluchte Taylor sogar gelegentlich – etwas, das sie auf ihren Alben, bis auf reputation, vermied. Das zeigt, dass Taylor die sozialen Medien genau wie jedes andere Mädchen zu dieser Zeit nutzte, die Grenzen ihrer Ausdrucksmöglichkeiten austestend. Sie ließ ihre Fans daran teilhaben, wer sie war, wenn keine Erwachsenen dabei waren. Sarah schreibt: »Nur die Hälfte der Anziehungskraft ging von der Musik aus […] Die andere Hälfte war – und ist für viele Fans nach wie vor – zu versuchen, sie zu verstehen. Wir suchten nach versteckten Bedeutungen in ihren Texten, entschlüsselten die geheimen Botschaften, die sie in den Liner Notes (den Texten im CD-Booklet) versteckte, und entwickelten Insider-Witze und Fan-Theorien.«5 Diese geheimen Botschaften, seien sie tatsächlich verschlüsselt oder einfach nur für wenige Aufmerksame versteckt, sind zu einem wichtigen Kommunikationsmittel zwischen Taylor und ihren Fans geworden. Sie hat eine perfekte Balance geschaffen: Zwischen ihren einladenden Texten und ihrer herzlichen Art hat man das Gefühl, sie persönlich zu kennen, aber sie streut auch immer wieder Rätsel und Geheimnisse in ihre Arbeit ein, um den natürlichen menschlichen Drang zum Entschlüsseln und Entziffern anzuregen.
Taylor machte sich einen Namen in der Country-Welt, wobei die meisten ihrer frühen Fans nicht unbedingt auf dieses Genre standen, das sich eher an deren Eltern richtete. Es war Taylor, die ihre Fans durch die bloße Kraft ihrer Musik und ihrer Persönlichkeit dazu brachte, zum Country zu konvertieren. Da sie in Pennsylvania und nicht in einem der typischen Country-Staaten aufwuchs, hatte sie wahrscheinlich von außen beobachtet, welche Elemente in diesem Genre funktionieren, und sich diese für ihre Zwecke herausgepickt. Eine begabte Geschichtenerzählerin wie Taylor weiß, wie man den Zuhörern die Skepsis austreibt. Um als Country-Sängerin glaubwürdig zu sein und diese Lieder über Pick-up-Trucks an den Mann zu bringen, musste Taylor ein paar Nashville-ismen annehmen, etwa einen näselnden Südstaatenakzent. Schon zu Beginn ihrer Karriere hatte sie begriffen, dass das Kreieren einer Kunstfigur ein wichtiges Element des Musik-marketings ist, was letztlich nur eine andere Art des Storytellings darstellt. Diese Persona ist eng mit ihrer Musik und ihren Texten verwoben und wurde auf Taylor Swift auf eine Grundbotschaft reduziert: Ein anständiges Mädchen, dessen Welt immer noch aus ihrer kleinen Heimatstadt, den Nachbarn und der Straße besteht, in der sie lebt. Taylor wird später dazu sagen: »Es gibt bei mir eine interessante Zeitverzögerung, was emotionales Wachstum angeht. Weil ich meine Alben immer ein paar Jahre vor ihrer Veröffentlichung geschrieben habe, scheine ich immer zwei, drei Jahre jünger zu sein als ich tatsächlich bin.«6 Obwohl Taylor so jung war, war sie doch etwas älter als viele ihrer Fans, als Taylor Swift herauskam – und ein, zwei oder drei Jahre sind eine sehr lange Zeit, wenn man 16 ist. Einer der Gründe, warum Taylor für viele Mädchen zum Vorbild und zur »großen Schwester« wurde, ist die Zärtlichkeit und Vertrautheit, mit der sie über ihre eigene unmittelbare Vergangenheit sang, während man gleichzeitig ihr Leben auf MySpace und Tumblr oder zunehmend in den Schlagzeilen verfolgen konnte. Die Songs, die später zu einem plattformübergreifenden Swift-Universum werden sollten, verblüfften die anderen Teenager an Taylors Schule, die sie bei Talentshows und Versammlungen singen hörten. Die Entscheidung, Songs in einem Genre zu schreiben, das in der Emo-Hochphase der frühen 2000er-Jahre nicht gerade als cool galt, führte dazu, dass Schulkameraden ihr sagten, sie solle doch »diesen Country-Piep singen« (Taylors Zensur).
Taylor hatte schon früh die Erfahrung des Außenseitertums gemacht (der erste Song für Taylor Swift handelte von Einsamkeit: »The Outside«), und suchte sich ihre Zugehörigkeit woanders. Sie sagt: »Ich führte ein Doppelleben. Tagsüber redete ich mit Leuten, ging in die Schule, lernte für Tests und war in Jungs verknallt, nach der Schule ging ich dann in die Music Row in Nashville und schrieb Songs darüber.«7 Eine Außenseiterin zu sein befeuerte ihr Songwriting, und sie ist nie so richtig darüber hinweggekommen: Die Einsamkeit ist auch in jeder Phase der kurzen Lebensgeschichte in »You’re On Your Own, Kid« (Midnights) zu spüren. Sie bestärkte sich auch in ihrer Zielstrebigkeit. Auf die Frage, wie sie mit noch nicht einmal 13 Jahren den Mut hatte, auf Plattenlabels zuzugehen, antwortet sie: »Ich wusste, dass ich niemals eine solche Ablehnung erfahren würde, wie die in der Schule. Denn wenn du in der Musikindustrie ein Nein kassierst, sind sie dabei wenigstens höflich.«8 Andere Mädchen spürten, dass Taylor Anschluss suchte. Als ihr erstes Album herauskam, hielt sie lange Meet-and-Greet-Sessions ab, bei denen sie sich bis zu vier Stunden am Stück mit ihren Fans traf und unterhielt. Wenn Fans sie um ein Autogramm baten, bekamen sie oft eine ganze Seite mit persönlichen Nachrichten, in denen Taylor hofft, dass sie ein gutes Schuljahr hatten und sich bald wiedersehen würden. Als ihre Fanzahlen später in die Millionen gehen, kann Taylor zwar nicht mehr alle umarmen oder jede Mail beantworten, aber sie wird sich immer noch bemühen, eine persönliche Verbindung herzustellen. Heutzutage kommentiert sie vielleicht einen besonders kreativen TikTok-Beitrag oder schickt ein Carepaket an jemanden, der an seine College eine Taylor-Swift-Society gegründet hat. Auch die Art, wie sie singt, spiegelt das wider: Sie ist für ihren direkten, schnörkellosen Gesangsstil bekannt, der sich anfühlt, als würde sie neben einem stehen und sich mit einem unterhalten, mit Seufzern und Lachern – etwas, das sie in zukünftigen Alben perfektionieren und uns damit umhauen wird. Und dann gibt es noch die Easter Eggs – verschlüsselte Nachrichten, die nur Fans verstehen. Am Anfang waren dies versteckte Hinweise in den Liner Notes – mittlerweile geht es so weit, dass die Anzahl der Vögel im Hintergrund eines ihrer Instagram-Selfies Aufschluss über die nächste Platte geben kann.
Taylor begegnete ihren Fans immer mit offenen Armen, und tut das auch weiterhin mit jedem neuen Album, sei es brandneues Material oder eine langersehnte Neuveröffentlichung. Aber warum fühlt sich der Ort, den ihre Musik schafft, so sicher und gemütlich an? Es liegt zwar auf der Hand, dass das Album eines Teenagers aus Teenager-Perspektive geschrieben ist, wenn man aber Taylors erstes Album mit denen vergleicht, die sie dazu inspirierten, etwa Blue von LeAnn Rimes, wird klar, dass das nicht unbedingt der Fall sein muss. Junge Mädchen werden öfter dazu gebracht, aus einer reiferen Perspektive zu singen, um ihr Publikum zu erweitern. Blue ist voller Anspielungen darauf, deinen Mann zu lieben und eine Frau zu sein, was aus dem Mund einer 13-Jährigen etwas seltsam klingt. Taylor schlug einen anderen Weg ein. Sie schrieb neue klassische Songs, die Menschen aller Altersklassen problemlos mitsingen können, egal ob sie immer noch jung sind oder diese unschuldige Zeit Teil ihrer Erinnerungen ist. Taylor Swift hatte vor allem auf Mädchen eine so große Wirkung, weil das Album in einer Welt angesiedelt ist, in der Mädchen die Regeln machen. Selbst heutzutage gibt es relativ wenige Vorbilder für Mädchen. Zeitschriften für Twens haben immer noch Taylor (mittlerweile in ihren Dreißigern) auf dem Cover, weil niemand nachrückte, um ihren Platz einzunehmen. In Taylor Swift geht es um eine Welt, in der das übliche Machtungleichgewicht nicht existiert. Der Text von »Stay Beautiful« beschreibt ein Viertel, in dem Mädchen an Straßenecken abhängen und sich darüber unterhalten, ob ein bestimmter Junge weiß, dass er gut aussieht oder nicht. Es ist eine Welt, in der Mädchen das Hinterherschauen übernehmen. Die Country-Musikindustrie lehnte Taylor zunächst mit der Begründung ab, weil »Mädchen keine Country-Musik hören«. Es bedurfte ihrer kraftvollen künstlerischen Vision und eines Siebenfach-Platin-Debütalbums, um sie umzustimmen.
Taylor hat nicht nur einen unverwechselbaren Blick, sondern auch etwas, das typisch ist für große Künstlerinnen und Künstler: Musen. Auf Taylor Swift sind diese Musen fast ausschließlich Jungs, abgesehen von einem süßen Lied über Freundschaft (»I’m Only Me When I’m With You«, inspiriert von Taylors bester Freundin Abigail), das sich auf die Deluxe Edition geschlichen hat. Auch auf Fearless, ihrem nächsten Album, wird Abigail als Muse auftauchen, bald ergänzt durch Liebespartner oder auch verachtete Feinde oder sogar die Medien im Allgemeinen. Musen sind seit jeher Teil des kreativen Prozesses von Malern und Dichtern – ihre Schönheit inspiriert die Künstlerin dazu, einen bestimmten Moment für immer festzuhalten, zum Beispiel, wenn der Junge in »Teardrops On My Guitar« Taylor anschaut und sie schnell lächelt, um ihre Gefühle der unerwiderten Liebe zu verbergen (eine gute Übung, um ihr Pokerface zu wahren, wenn Journalisten sie zum 100. Mal nach ihrem Liebesleben fragen). Mit der Zeit werden sich die Medien auf Taylors Musen und die »wahre Geschichte« hinter den Songs fixieren, während der spannendste Teil eigentlich die Frage ist, wie sie es schafft, all ihre Musen in Kunstwerke zu verwandeln. Taylor lernt, mit den Gerüchten über sie und ihre Musen spielerisch umzugehen: In dem Lied »Is It Over Now? (Taylor’s Version) (From the Vault)« aus dem Album 1989 (Taylor’s Version) macht sie eine Anspielung auf ein tragisches und weitverbreitetes Foto aus dem Jahr 2013, auf dem sie nach einem Streit, der ihre Beziehung beendet hat, sehr traurig in einem Boot sitzt. Eine Muse zu sein, ist nicht immer einfach, wie viele von ihnen lernen mussten. Doch das ist der Preis dafür, dass deine Einzigartigkeit für immer festgehalten wird. Taylor ist nicht die einzige große Künstlerin, deren bedeutendste Werke davon handeln, in einen süßen Jungen verknallt zu sein, denken wir an William Shakespeares Sonette an seinen »schönen Jüngling«. »Shall I Compare Thee To a Summer’s Day« ist fast so romantisch und eingängig wie »Our Song«. Shakespeare und Taylor schrieben beide aus einer Sehnsucht heraus. Während im wirklichen Leben der oder die Angebetete die Macht hat, so hat in der Kunst die Künstlerin das letzte Wort, was Taylor immer wieder betont, indem sie ihre Rechte sowohl als Songschreiberin als auch als rechtmäßige Eigentümerin ihrer Musik einfordert. Wenn ihr danach ist, über wahre Begebenheiten aus ihrem Leben zu sprechen, dann wird sie das tun. Immer wieder greift sie auf ihre persönlichen Erinnerungen zurück und analysiert sich selbst und die Menschen in ihrem Umfeld. In selbstreflexiven Songs wie »Anti-Hero« wird sie sogar zu ihrer eigenen Muse.
Taylor Swift hält den letzten Moment fest, bevor Taylor zur Berühmtheit wird. Auf diesem Album kristallisiert sich das Weltbild heraus, mit dem sie aufgewachsen ist und auf das sie ihr ganzes Leben und ihre Karriere aufbauen wird. Es ist eine einfache Welt, in der Liebe und Familie alles sind, was du brauchst. Auf jedem Album lernen wir mehr über Taylor und darüber, wie ihre ideale Liebe aussieht, häufig über ihre Beziehung zu ihrer Heimat. Die Taylor von »Mine« auf Speak Now, das sie zwischen 18 und 19 Jahren schrieb, würdigt etwa die Schublade in der Wohnung ihres Freundes, in der sie ihre persönlichen Dinge aufbewahrt. Dieses häusliche Bild der Liebe wird immer wiederkehren. Über die Komposition von Lover (2019) sagt Taylor: »Wenn junge Erwachsene vom Leben mit ihrer Familie dazu übergehen, ihr Leben mit jemand anderem zu teilen, ist das eine sehr tiefgründige Sache.«9 Ein Zuhause zu schaffen ist das Herzstück von Taylors Auffassung der idealen Liebe: Die 27-jährige Taylor vom Album reputation wird ein Zuhause und die Hausarbeit mit ihrem Partner teilen; die 30-jährige Taylor von Lover wird das ganze verdammte Haus bauen.
»Mary’s Song (Oh my my my)« thematisiert die ideale Beziehung der 14-jährigen Taylor. Es geht um Heimat und darum, dort zu bleiben: Zwei Menschen lernen sich als Kinder kennen, heiraten jung und verbringen ihr Leben gemeinsam in der gleichen Kleinstadt, in der sie geboren wurden. Sie haben gemeinsame Kindheitserinnerungen, und wenn der Bräutigam die Braut über die Schwelle trägt, dann tut er das in dem Haus, in dem sie sich als Kinder kennenlernten. Ihre Eltern hatten sich schon ausgemalt, dass die beiden sich verlieben würden, als sie erst sieben und neun waren. Es ist so altmodisch und ernsthaft geschrieben und präsentiert (und so gut gemacht), dass es einem den Feminismus aus der Seele spült. Die Teenage-Taylor träumte davon, früh Liebe zu finden und sich auf sie verlassen zu können – ein verständliches Ziel. »Mary’s Song (Oh My My My)« entführt die Hörerinnen und Hörer in eine Fantasiewelt – selbst diejenigen, deren größter Traum nicht darin besteht, ihr Leben auf einer Veranda zu verbringen, verheiratet mit dem ersten Jungen, dem sie je in die Augen gesehen haben. Es ist ein Zeichen dafür, dass Taylors Songwriting-Talent zwar darauf beruht, sich in ihren Songs wiederzuerkennen, sie sich aber nicht allein darauf verlässt. Im Grunde errichtet sie Welten und erzählt Geschichten, und das Einzige, worum sie bittet, ist, dass man seine Ungläubigkeit lange genug aussetzt, um wirklich zuzuhören. Wenn du ihr vertraust, kann sie dich überallhin mitnehmen.
Wohin wird Taylor als Nächstes gehen? An die Spitze.
Der letzte Titel auf Taylor Swift ist das platonische Ideal eines Country-Songs. Begleitet von schneidiger Gitarre, Banjo und Fidel fahren Taylor und der Junge, den sie gerade datet, durch die Seitenstraßen (er sitzt natürlich am Steuer). In der Country-Musik steht das Songwriting an erster Stelle und sie ist – oder war zumindest früher – für ihren Sinn für Humor bekannt. Man könnte meinen, die Idee von »Our Song« sei schon 1000-mal da gewesen: Ein junges Paar hat »sein Lied« noch nicht gefunden, also notieren sie, wie es klingen sollte. Taylor zählt perfekte Bilder der Country-Musik auf: Das Geräusch einer Fliegengittertür, das Klopfen an das Fenster der Freundin (ein Bild, das direkt aus Dawson’s Creek stammt), ihr Lachen, das wir zwar noch nicht zu hören bekommen, das aber auf zukünftigen Alben einen wichtigen Platz einnehmen wird. Einige Teile des Liedes sind abstrakt, wie sein Bedauern darüber, dass er sie beim ersten Date nicht geküsst hat, oder die Art und Weise, wie sie am Telefon flüstern, damit ihre Eltern nichts mitbekommen. Und am Ende bittet Taylor darum, es noch einmal zu spielen, und alles noch mal zu erleben. In einem Songwriting-Trick, der zu ihrem Markenzeichen werden wird, dreht Taylor im letzten Refrain die Perspektive um und sagt, dass sie ihn damals hätte küssen sollen.
Taylors visuelle Darstellungen, von ihrer Mode bis hin zu ihren Musikvideos, haben schon immer ihre Geschichte ergänzt. Trey Fanjoy, der Regisseur von »Our Song«, sagte: »Wir wollten keine weitere Junge-trifft-Mädchen-Geschichte machen.«10 Stattdessen zeigt das Video, wie Taylor sich die Nägel lackiert und in ein altmodisches, rosa Telefon spricht, als würde sie die Geschichte einer Freundin erzählen. Dann sitzt sie im babyblauen Abschlussballkleid mit fluffigem Tüllrock auf der Veranda und singt.11 Eines Tages wird Taylor im Video zu »Look What You Made Me Do« auf einem Scheiterhaufen ihres alten Ichs stehen, und dieses »girly girl« im babyblauen Kleid für tot erklären.12
Wer jetzt glaubt, dass 16-Jährige in süßen Kleidchen, die über Liebe singen, brave Mädchen sind, hat das Draufgängerische an »Our Song« wohl überhört. In »the last great american dynasty« auf folklore wird Taylor später über dieses »Country-Musik-Narrativ« sprechen: »In der Country-Musik geht alles nach dem Motto [singt] ›Der Typ hat dies gemacht, und dann hat die Frau das gemacht und dann haben sie sich getroffen und ihr Kind bin ICH!‹«13 In »Our Song« fällt Taylor die perfekte Metapher und der passende Ohrwurm dazu ein, und am Ende ist die Pointe, dass von all der Musik der Welt kein Lied gut genug ist, um »unser Lied« zu sein. Und ganz am Ende, als die Musik ausklingt, legt sie einen Mic Drop hin: dieses unglaubliche Lied, von dem sie gesprochen hat, das ihre Beziehung definiert? Ach so! Es ist genau dieses Lied.
Ich wollte [»Our Song«] als letztes Lied auf der Platte, weil es im letzten Vers des Refrains heißt: »play it again«. Hoflen wir, dass die Leute den Hinweis wörtlich nehmen und das Album noch einmal spielen.14
Die Lichter gehen aus und die Menge kreischt in freudiger Erwartung. Taylor sieht aus wie ein blonder Klecks, wie sie headbangt wie ein Rockstar und in breitbeiniger Power-Pose dasteht. Von ihrem Gesang ist kein einziger Ton zu hören, während über 10.000 weitere Stimmen das Lied Wort für Wort mitsingen. Die Menge hat sich ihre Fearless-CDs Hunderte Male angehört und jede Zeile auswendig gelernt. Für das theatralische Meisterwerk »Love Story« steigt Taylor auf ein Podest, im weinrot-goldenen Spitzenkleid, wie eine Schauspielerin, die eine Prinzessin auf einem Mittelalterfest spielt. Sie achtet darauf, den Blick von links nach rechts schweifen zu lassen, sodass niemand in der Arena sich übergangen fühlt. Ähnlich kostümierte Tänzerinnen wirbeln um sie herum, im Hintergrund die Projizierung eines Schlosses. Für das bombastische Ende des Songs verschwindet Taylor hinter ihren Tänzern und taucht dann – puff! – in einem weißen Hochzeitskleid wieder auf. Es ist nur einer von vielen Kostümwechseln, darunter eine Marschkapellen-Uniform und mehrere glitzernde Minikleider in Silber, Gold, Rot und Lila. In den zwei Jahren seit Veröffentlichung ihres Debütalbums hat Taylor gelernt, sich zu verwandeln.
Für die Promo von Taylor Swift war Taylor durchgehend auf Tour. Sie lernte – aus dem, was die Fans jeden Abend zum Kreischen brachte, aus den atemlosen Online-Kommentaren der Mädchen, aus den Fan-Mails, die sie, so gut es ging, zu beantworten versuchte. Als sie Fearless schrieb, nahm Taylor die Magie ihres Debütalbums mit – die Intimität, die ehrlichen Gefühle, das Storytelling – und haute voll auf die 13. Damit festigte sie die Treue der Fans, die ihr seit ihrer »Tied Together With A Smile«-Zeit gefolgt waren, und brachte ihr neue Fans ein, die