2,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 2,99 €
Weil ich dich begehre ...
Nach ihrer ersten Begegnung gerät Francesca immer tiefer in den Bann des attraktiven Ian. Und obwohl sie sich einerseits nach seinen Küssen, seinen Berührungen sehnt, gibt es eine dunkle Seite an ihm, die sie erschauern lässt. Denn er ist ein Mann, der sich nimmt, was er will ... Doch als Ian bemerkt, wie unschuldig Francesca wirklich ist, ahnt er, dass er nicht zu weit gehen darf. Aber ist es dafür nicht längst zu spät?
Dieses E-Book ist nach "Weil du mich verführst" der zweite Teil der fesselnden Liebesgeschichte von Francesca und Ian. Lassen Sie sich verführen von einer Welt voller Erotik, Leidenschaft – und Liebe. Wie es weitergeht, erfahren Sie in "Weil du mich willst" ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 159
Buch
Die attraktive Malerin Francesca Arno erhält den Auftrag ihres Lebens: Sie soll für die Lobby eines brandneuen Wolkenkratzers ein Gemälde erschaffen. Auf einer Party lernt sie kurz darauf den Auftraggeber und Besitzer des Gebäudes kennen – und verfällt ihm auf den ersten Blick. Denn der rätselhafte Ian Noble ist nicht nur reich und gut aussehend, sondern übt sogleich eine starke, faszinierende Anziehungskraft auf Francesca aus, der sie sich nicht entziehen kann … und will. Auch Ian kann Francesca nicht widerstehen: Sie verkörpert die reine Unschuld. Aber er spürt, dass tief in ihrem Inneren eine Leidenschaft schlummert, die nur darauf wartet, geweckt zu werden …
Autorin
Die amerikanische Erfolgsautorin Beth Kery liebt Romane – je erotischer, desto besser. Mit ihrer E-Book-Serie Temptation, der leidenschaftlichen Liebesgeschichte von Francesca und Ian, stürmte sie die New-York-Times-Bestsellerliste und schrieb sich in das Herz von Tausenden begeisterten Leserinnen.
BETH KERY
Temptation
Weil ich dich begehre
Part 2
Übersetzt von Lina Kluge
KAPITEL 3
Francesca hatte bereits geahnt, dass es keine gute Idee war, für jemanden wie Ian Noble zu arbeiten. Wann immer sie dieses geheimnisvolle Glitzern in seinen kobaltblauen Augen bemerkt hatte, war ihr klar gewesen, dass sie jemandem wie ihm nicht gewachsen war. Hatte er sie auf seine diskrete Art und Weise nicht sogar davor gewarnt, dass er gefährlich war?
Und nun hatte sie den Beweis dafür: knapp neunzig Kilo erregter Männlichkeit, die sie gegen die Wand drückten. Er stürzte sich auf sie, als wäre sie seine Henkersmahlzeit.
Fest schlossen sich seine riesigen Hände um ihre Brust, ehe er ein weiteres Mal fest an ihrer Brustwarze sog, worauf die Lust scharf durch ihren Unterleib zuckte. Sie schnappte nach Luft und ließ den Kopf gegen die Wand sinken. Noch nie war sie so erregt gewesen. Seine Finger lagen noch immer auf dem Stoff ihrer Jeans, pressten sich auf ihr Geschlecht und trieben ihre Erregung in neue, ungekannte Höhen.
»Ian!«, stieß sie mit bebender Stimme hervor.
Er hob den Kopf und blickte auf sie hinab. Ihre Brustwarze, lang und hart von der leidenschaftlichen Liebkosung seiner Lippen, schimmerte in einem feuchten Dunkelrot. Der Anblick entlockte ihm ein lustvolles Stöhnen, und sein Körper versteifte sich.
»Ich müsste ein verdammter Roboter sein, wenn ich so etwas verschmähen würde«, stieß er mit leiser, rauer Stimme hervor. Beim Anblick seiner Miene, verloren in seiner Lust und zugleich voll und ganz auf das konzentriert, was er vor sich sah, spürte sie, wie sich etwas tief in ihrem Innern regte. Wer war dieser Mann? Instinktiv spürte sie den stummen Kampf, den er ausfocht, hasste die Qualen seiner Seele. Sie legte ihre Hand auf seinen Hinterkopf und strich ihm mit den Fingern durchs Haar, das sich genauso seidig und dick anfühlte, wie sie vermutet hatte. Sein Blick richtete sich auf sie, doch sie drückte seinen Kopf wieder nach unten.
»Es ist gut, Ian.«
Seine Nasenflügel bebten. »Es ist gar nicht gut. Du hast doch keine Ahnung, was du da sagst.«
»Aber ich weiß, was ich empfinde«, flüsterte sie. »Und wer könnte es besser wissen als ich?«
Für den Bruchteil einer Sekunde schloss er die Augen, ehe er sie ein weiteres Mal auf den Mund küsste, die Hüften nach vorn wölbte und seine Erektion gegen ihr weiches, williges Fleisch drückte. Francesca legte die Finger um seinen Hinterkopf und klammerte sich an ihm fest. Es war, als verliere sie sich in ihm und in ihrer wachsenden Lust gleichermaßen. Vage registrierte sie Schritte vor der Tür.
»Oh. Da bist du ja … Entschuldigung.« Die Schritte wurden leiser.
Ian hob den Kopf und sah ihr in die Augen, während er sein Gewicht leicht verlagerte, sodass ihre nackte Brust verdeckt war, ehe er eilig den Stoff ihrer Jacke darüberzog.
»Qu’est-ce que c’est?«, fragte er. Erstaunt, ihn Französisch sprechen zu hören, sah sie sich um.
Die Schritte verstummten. »Je suis désolé. Dein Handy klingelt die ganze Zeit in der Garderobe. Offenbar muss Lin dich wirklich dringend sprechen.«
Sie erkannte Luciens Stimme. Sie klang leicht gedämpft, als hätte er ihnen den Rücken zugekehrt. Noch immer war Ians Blick auf sie gerichtet, und sie spürte seine Erektion an ihrem Körper.
»Ich hätte sie sofort zurückrufen sollen. Das war unhöflich von mir. Und nachlässig«, gab Ian zurück, ohne den Blick von ihr zu lösen.
Francesca hörte abermals Schritte, dann wurde eine Tür zugeschlagen. Ian ließ von ihr ab.
»Ian?« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Sie fühlte sich seltsam, losgelöst und schlaff, so als wäre Ians Körper das Einzige gewesen, was sie auf den Beinen gehalten hatte. Haltsuchend streckte sie die Hand nach der Wand aus. Augenblicklich schnellte sein Arm vor, umfasste ihren Ellbogen und musterte sie eindringlich.
»Alles in Ordnung?«, fragte er barsch.
Sie nickte verblüfft. Es klang fast, als wäre er wütend.
»Tut mir leid. Das hätte nie passieren dürfen. Das war nicht meine Absicht«, stieß er, plötzlich ernüchtert, hervor.
»Oh.« Ihre Gedanken überschlugen sich. »Bedeutet das, dass es nie wieder vorkommen wird?«
Seine Miene wurde ausdruckslos.
Was um alles in der Welt denkt er gerade?, fragte sie sich verzagt.
»Diese Männer, mit denen du zusammenlebst … Schläfst du einem von ihnen? Oder gar mit allen?«
Sie starrte ihn fassungslos an.
»Wie bitte? Wie kannst du mir so eine Frage stellen? Natürlich schlafe ich nicht mit ihnen. Die drei sind meine Mitbewohner, meine Freunde!«
Mit zusammengekniffenen Augen ließ er den Blick über ihr Gesicht und ihre Brüste schweifen. »Und das soll ich dir glauben? Du lebst mit drei Männern unter einem Dach, und das Ganze ist rein platonisch?«
Kalte Wut brandete jäh in ihr auf und verdrängte den Nebel der Begierde. Was sollte das? Versuchte er sie mit Absicht zu beleidigen? Und das Schlimmste war, dass es offenbar auch noch funktionierte. Was für ein elender Dreckskerl! Wie konnte er ihr so etwas Gemeines ins Gesicht sagen … nach allem, was er gerade getan hatte?
Nach allem, was sie ihm erlaubt hatte …
Sie löste sich von der Wand und trat vor ihn. »Du hast mich gefragt, und ich habe wahrheitsgetreu geantwortet. Es ist mir egal, ob du mir glaubst oder nicht. Mein Liebesleben geht dich nichts an.«
Sie wandte sich zum Gehen.
»Francesca.«
Sie blieb stehen, weigerte sich jedoch, sich zu ihm umzudrehen. Demütigung mischte sich unter ihre Wut. Wenn sie jetzt in dieses bildschöne, selbstgefällige Gesicht blickte, bestand die Gefahr, dass sie vollends explodierte.
»Ich habe nur gefragt, weil ich einschätzen wollte, wie … erfahren du bist.«
Sie fuhr herum und starrte ihn verblüfft an. »Ist das wichtig für dich? Erfahrenheit?«, erwiderte sie und wünschte, der Schmerz, der sie bei seinen Worten durchzuckt hatte, spiegle sich nicht in ihrem Tonfall wider.
»Ja«, antwortete er. Knallhart. Unnachgiebig. Einfach nur Ja. Du spielst nicht in meiner Liga, Francesca. Du bist nur ein tollpatschiges, dummes Mädchen, das früher mal ein paar Kilo zu viel auf den Rippen hatte.
Seine Züge verhärteten sich, und er wandte den Blick ab.
»Ich bin nicht so, wie du denkst. Ich bin kein netter, freundlicher Mann«, sagte er, als erkläre das alles.
»Nein«, bestätigte sie ruhiger, als sie es in Wahrheit war. »Das bist du allerdings nicht. Kann sein, dass dir das keiner deiner Speichellecker je gesagt hat, aber es gibt keinen Grund, auch noch stolz darauf zu sein, Ian.«
Diesmal machte er keine Anstalten, sie zurückzuhalten, als sie aus dem Zimmer floh.
Francesca saß am Küchentisch und beobachtete mit düsterer Miene, wie Davie seinen Toast mit Butter bestrich.
»Wieso hast du denn so miese Laune? Nicht dass sie gestern wesentlich besser gewesen wäre, aber trotzdem. Macht dir das Wetter immer noch zu schaffen?«, fragte Davie. Sie war gestern nach der Vorlesung direkt nach Hause gekommen, statt in Ian Nobles Penthouse zum Malen zu fahren.
»Nein, mir geht’s gut«, erwiderte sie mit einem zuversichtlichen Lächeln, das Davie ihr jedoch keine Sekunde abzunehmen schien.
Im ersten Moment war sie bestürzt und verärgert über das gewesen, was Ian vor zwei Tagen in seinem Fitnessraum gesagt – und getan – hatte, doch inzwischen hatte sich ein Anflug von Besorgnis unter ihre Gefühle gemischt. Hatte der Vorfall womöglich ihren Auftrag in Gefahr gebracht? War sie durch ihre mangelnde »Erfahrung« weniger wertvoll und damit überflüssig für ihn? Was, wenn er ihre Vereinbarung für nichtig erklärte und sie die Studiengebühren nicht bezahlen konnte? Sie war schließlich keine Angestellte bei Noble mit einem richtigen Arbeitsvertrag, sondern er war lediglich ihr Mäzen. Außerdem galt Ian als Tyrann, wie er im Buche stand, oder?
Die Vorstellung, welche Auswirkungen sein Kuss auf ihr Arbeitsverhältnis gehabt haben könnte, hatte ihr am Vortag so zugesetzt, dass sie sich nicht dazu hatte durchringen können, in seine Wohnung zu fahren und an dem Gemälde weiterzuarbeiten.
Davie legte den Toast auf ihren Teller und schob ihr das Marmeladenglas zu.
»Danke«, murmelte Francesca und griff lustlos nach ihrem Messer.
»Iss«, befahl Davie, »dann fühlst du dich gleich besser.«
Davie war fünf Jahre älter als Francesca, Caden und Justin und eine Kombination aus älterem Bruder, Freund und Muttertier für sie alle. Er hatte Justin und Caden kennengelernt, als er an die Northwestern zurückgekehrt war, um seinen MBA zu machen. Die beiden Jungs, die denselben Studiengang belegten, hatten Davie in ihren Freundeskreis aufgenommen, zu dem auch Francesca gehörte. Dass er Kunsthistoriker und an die Universität zurückgekehrt war, um sich die nötigen Kenntnisse anzueignen, um seine Einzelgalerie zu einer Kette auszubauen, hatte ihn und Francesca auf Anhieb zusammengeführt.
Nachdem die drei Jungs ihren Abschluss und Francesca ihren Bachelor in der Tasche gehabt hatten, hatte Davie ihnen angeboten, in das Reihenhaus in Wicker Park einzuziehen, das er von seinen Eltern geerbt hatte und das mit seinen fünf Zimmern und vier Bädern viel zu groß für ihn allein war. Außerdem hatte Davie sich nach Gesellschaft gesehnt, wie Francesca wusste. Er neigte zum Trübsinn und versprach sich vom Leben in einer WG, seine Stimmungsschwankungen besser in den Griff zu bekommen. Davies Eltern hatten jeden Kontakt zu ihm abgebrochen, als er ihnen im Teenageralter gestanden hatte, dass er schwul sei. Kurz vor ihrem Tod bei einem Bootsunfall an der mexikanischen Küste vor drei Jahren hatten sie gerade begonnen, langsam wieder aufeinander zuzugehen und eine Versöhnung anzustreben – eine Tatsache, die Davie traurig und dankbar zugleich machte.
Davie sehnte sich nach einer festen Partnerschaft, war in seinen Bemühungen jedoch ähnlich erfolglos wie Francesca. Sie beide standen sich sehr nahe und spendeten einander Trost bei den vielen bitteren und enttäuschenden Versuchen, einen passenden Menschen zu finden, dem sie ihre Liebe schenken konnten.
Alle vier waren gute Freunde, doch Francesca und Davie ähnelten einander in punkto Geschmack und Temperament am meisten, wohingegen Justin und Caden vielmehr die typischen Leidenschaften heterosexueller Mittzwanziger verbanden – ein lukrativer Job, Ausgehen, Spaß und möglichst viel Sex mit scharfen Frauen.
»War das Noble vorhin am Telefon?«, erkundigte sich Davie und warf einen Blick auf Francescas Handy auf dem Tisch. Verdammt. Er hatte den Anruf, der sie so aus der Bahn geworfen hatte, also doch gehört.
»Nein.«
Davie warf ihr einen vielsagenden Blick zu, den sie mit einem Seufzer quittierte.
Caden und Justin hatte sie nichts davon erzählt, was in Ian Nobles Fitnessraum vorgefallen war – die beiden arbeiteten bei renommierten Investmentfirmen und löcherten sie ohnehin die ganze Zeit mit Fragen nach dem großen Finanzgenie. Sie würde ihnen ganz bestimmt nicht auf die Nase binden, dass ihr Idol sie an die Wand gedrückt und geküsst hatte, bis ihre Beine nachzugeben drohten. Auch Davie hatte sie den Vorfall bislang verschwiegen, was ein klares Anzeichen war, wie sehr ihr all das immer noch zusetzte.
»Das war Lin Soong, Nobles Allzweckwaffe«, erklärte sie und biss in ihren Toast.
»Und?«
Sie kaute und schluckte. »Sie wollte mir nur sagen, dass Ian Noble entschieden hat, mich wegen des Bildes unter Vertrag zu nehmen und die gesamte Summe im Vorhinein zu bezahlen. Sie hat mir versichert, dass die Modalitäten sehr großzügig seien und Noble unter keinen Umständen zurücktreten könne. Selbst wenn ich das Bild nicht zu Ende male, darf ich das Geld dafür behalten.«
Davie riss vor Überraschung die Augen auf, und der Toast entglitt seinen schlaffen Fingern. Mit seinem dunklen Haar, das ihm ins Gesicht fiel, und seiner frühmorgendlichen Blässe wirkte er eher wie achtzehn statt wie achtundzwanzig.
»Wieso führst du dich dann auf, als müsstest du zu einem Begräbnis? Das sind doch wunderbare Neuigkeiten, oder etwa nicht?«
Francesca warf ihren Toast auf den Teller. Ihr Appetit war schlagartig verflogen, als ihr die Bedeutung dessen aufging, was Lin ihr soeben in freundlich-professionellem Tonfall erläutert hatte. »Dieser Mann muss jeden unter Kontrolle haben«, murmelte sie.
»Wovon redest du da, Cesca? Wenn die Klauseln in diesem Vertrag tatsächlich so sind, wie seine Assistentin sagt, gibt er dir praktisch einen Freifahrtschein. Du bekommst das Geld, selbst wenn du nie wieder einen Fuß in seine Wohnung setzt.«
Sie trug ihren Teller zur Spüle.
»Genau«, stieß sie halblaut hervor und drehte den Wasserhahn auf. »Ian Noble weiß ganz genau, dass dieser Vertrag die einzige Garantie dafür ist, dass ich wiederkomme und das Projekt zu Ende bringe.«
Davie schob seinen Stuhl zurück und musterte sie. »Ich werde nicht ganz schlau aus dir. Willst du damit etwa sagen, du hättest ernsthaft in Erwägung gezogen, das Bild nicht zu Ende zu malen?«
Noch während sie überlegte, was sie darauf antworten sollte, kam Justin Maker in Jogginghosen, mit nacktem Oberkörper und verquollenen Augen hereingeschlurft.
»Kaffee. Dringend«, krächzte er und riss den Küchenschrank auf. Francesca warf Davie einen flehenden Blick zu, in der Hoffnung, dass er begriff: Sie wollte dieses Thema jetzt nicht vertiefen.
»Wart ihr beide gestern Abend wieder mal die Letzten im McGill’s?«, fragte sie und reichte Justin die Sahne.
»Nein. Wir waren schon um ein Uhr zu Hause. Aber rate mal, wer am Samstag dort spielt.« Er nahm das Sahnekännchen entgegen. »Die Run Around Band. Und danach ist Pokerabend. Lasst uns doch alle zusammen hingehen.«
»Eher nicht. Ich habe ein wichtiges Projekt, das am Montag fertig sein muss, außerdem bin ich nicht so daran gewöhnt, bis in die Puppen aufzubleiben und am nächsten Tag früh aufzustehen, wie du und Caden«, wiegelte sie ab und wandte sich zum Gehen.
»Ach, komm schon, Cesca. Es wird bestimmt lustig. Ist schon eine Ewigkeit her, seit wir das letzte Mal zu viert auf der Piste waren«, beharrte Davie zu ihrer Überraschung. Wie bei ihr hatte auch sein Bedürfnis nach wilden Partynächten seit dem Abschluss massiv nachgelassen. Doch seine hochgezogene Braue verriet ihr, dass er darauf hoffte, ein gemeinsamer Zug um die Häuser ermutige sie, ihm zu erzählen, was ihr auf der Seele lag.
»Ich überlege es mir«, versprach Francesca und verließ die Küche.
Doch das tat sie nicht. Sie war mit den Gedanken längst bei der Frage, was sie zu Ian Noble sagen würde, wenn sie ihm in seinem Penthouse über den Weg laufen sollte.
Leider war weit und breit nichts von ihm zu sehen, als sie an diesem Nachmittag seine Wohnung betrat; nicht dass sie ernsthaft damit gerechnet hätte. Normalerweise war er um diese Uhrzeit nie zu Hause. Unentschlossen, was sie wegen des Kusses unternehmen sollte – von ihrer Zukunft einmal ganz abgesehen –, betrat sie ihr Atelier.
Fünf Minuten später war sie voll und ganz in ihre Arbeit vertieft. Nicht Ian Noble hatte die Entscheidung über die Zukunft des Gemäldes getroffen. Und auch Francesca nicht, sondern das Bild selbst. Es schien, als wäre es ein Teil von ihr geworden. Sie musste es zu Ende bringen.
Stundenlang malte sie fieberhaft und tauchte erst aus ihrer kreativen Trance auf, als die Sonne allmählich hinter den Wolkenkratzern versank.
Mrs Hanson rührte in einer Schüssel, als Francesca die Küche betrat, um sich etwas zu trinken zu holen. Der Raum erinnerte sie an die typisch englischen Landhausküchen: Er war riesig und mit sämtlichen Annehmlichkeiten ausgestattet, dennoch verströmte er eine herrliche Behaglichkeit. Sie liebte es, mit Mrs Hanson hier zu sitzen und zu plaudern.
»Es war ja so still. Ich habe gar nicht gemerkt, dass Sie hier sind«, rief die ältliche Haushälterin.
»Ich habe gearbeitet«, gab Francesca zurück und trat vor den riesigen Edelstahlkühlschrank. Mrs Hanson hatte ihr gleich am ersten Tag eingebläut, sich wie zu Hause zu fühlen. Als sie das erste Mal den Kühlschrank geöffnet hatte, war ihr beim Anblick des Regals voller Mineralwasserflaschen und des mit Frischhaltefolie abgedeckten Tellers voll Zitronenscheiben die Luft weggeblieben. »Ian hat gesagt, Sie trinken am liebsten Mineralwasser mit einer Zitronenscheibe. Ich hoffe, die Marke schmeckt Ihnen«, hatte Mrs Hanson besorgt gesagt.
Wann immer sie seitdem den Kühlschrank öffnete, spürte sie dieselbe Wärme in ihrem Innern wie an jenem ersten Tag, als ihr bewusst geworden war, dass Ian sich ihr Lieblingsgetränk gemerkt hatte.
Wie jämmerlich, dachte sie nun und nahm eine Flasche heraus.
»Möchten Sie etwas essen?«, erkundigte sich Mrs Hanson. »Es wird noch eine Weile dauern, bis Ian zu Abend isst, aber das braucht Sie ja nicht daran zu hindern.«
»Nein, ich bin nicht hungrig. Trotzdem danke.« Sie zögerte. »Das heißt, Ian ist in der Stadt? Kommt er später her?«, platzte sie heraus.
»Ja, er hat heute Morgen gesagt, dass er kommt. Normalerweise muss sein Essen um Punkt halb neun Uhr abends auf dem Tisch stehen, ob nun hier oder im Büro. Ian legt großen Wert auf seine Gewohnheiten; schon seit er ein kleiner Junge war.« Mrs Hanson sah sie an. »Wieso setzen Sie sich nicht und leisten mir ein bisschen Gesellschaft? Sie sehen so blass aus, meine Liebe. Sie arbeiten zu viel. Ich setze Wasser auf und mache uns eine schöne Tasse Tee.«
»Okay.« Francesca setzte sich auf einen Barhocker vor der Kücheninsel. Nun, da ihr kreativer Adrenalinschub abebbte, fühlte sie sich etwas wacklig auf den Beinen. Außerdem hatte sie in den letzten beiden Nächten nicht sonderlich viel Schlaf bekommen.
»Wie war Ian denn als Junge?« Sie konnte sich die Frage nicht verkneifen.
»Oh, in meinem ganzen Leben habe ich noch nie so eine alte Seele mit einem so jungen Gesicht gesehen«, gab Mrs Hanson mit einem betrübten Lächeln zurück. »Er war sehr ernst. Und geradezu beängstigend klug. Ein bisschen schüchtern, aber wenn er einen erst einmal ins Herz geschlossen hatte, war er herzzerreißend süß und loyal.«
Francesca versuchte sich den ernsten, dunkelhaarigen, scheuen Ian vorstellen. Allein beim Gedanken daran zog sich ihr Herz schmerzhaft zusammen.