Teufelskälte - Gard Sveen - E-Book
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Gard Sveen

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Beschreibung

"Hier kommt ein neuer heißer Krimi-Stoff aus dem hohen Norden." Brigitte, Angela Wittmann Wie sehr kann man sich selbst hassen? Nie war Tommy Bergmann verzweifelter, nie einsamer. Da wird sein schlimmster Albtraum wahr. Er hielt seinen ersten Fall für gelöst. Doch nun geht das Morden wieder los. Auf die gleiche Weise wie damals. Hat er den falschen eingesperrt? Ist der wahre Mörder seit Jahren auf freiem Fuß? Hat er als Kommissar auf ganzer Linie versagt? Bergmanns neue Kollegin entdeckt eine Spur. Sie ist eine Frau nach seinem Geschmack: klug, verletzlich und schön. Doch sie hat einen Hang zu den falschen Männern.

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Das Buch

Eine Prostituierte wurde auf brutale Weise ermordet. Kommissar Tommy Bergmann steht vor einem Rätsel: Der Mord weist große Ähnlichkeit zu einer Reihe von Morden an jungen Mädchen in den Achtzigerjahren auf. Doch der Täter befindet sich im Hochsicherheitstrakt einer psychiatrischen Anstalt. Hat der Verurteilte einen Komplizen, der sich noch auf freiem Fuß befindet, oder ist er in Wirklichkeit ganz und gar unschuldig?

Zusammen mit seiner neuen Kollegin Susanne Bech rollt Tommy Bergmann den alten Fall erneut auf. Die stolze und verletzliche Frau fasziniert ihn, und er entwickelt Gefühle für sie. Schon bald stößt Susanne Bech auf einen groben Fehler in den alten Ermittlungen. Und so werden Tommy Bergmanns schlimmste Befürchtungen wahr.

Der Autor

GARD SVEEN, geboren 1969, ist Staatswissenschaftler und arbeitet als Seniorberater im norwegischen Verteidigungsministerium.

Sein Debüt Der letzte Pilger wurde mit dem Rivertonpreis 2013 und dem Glass Key Award 2014 ausgezeichnet. Er stand damit wochenlang auf der Spiegel-Bestsellerliste. Gard Sveen lebt in Ytre Enebakk, einem kleinen Ort in der Nähe von Oslo.

Gard Sveen

TEUFELS-KÄLTE

Kriminalroman

Aus dem Norwegischen von Günther Frauenlob

List

Die norwegische Originalausgabe erschien 2015unter dem Titel Helvete åpentbei Vigmostad & Bjørke, Bergen

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ISBN: 978-3-8437-1505-8

© 2015 by Gard Sveen© der deutschsprachigen AusgabeUllstein Buchverlage GmbH, Berlin 2017Covergestaltung: Cornelia Niere, MünchenUmschlagabbildungen: © Andrew Astbury/shutterstock

E-Book: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

Aber sorge dich nicht um mich, mein Freund, denn ich habe bereits die Hölle gesehenoffen liegen.

1988

1

Ein Erlöser ist uns geboren, dachte Tommy Bergmann.

Er warf einen Blick durch die Scheiben des dicht an der Straße stehenden Hauses. Hinter dem mittleren Fenster brannte Licht, ein einzelner Weihnachtsstern aus goldenem Messing strahlte in das Winterdunkel.

Ein paar Meter oberhalb des Hauses stand ein Mann. Dunkel gekleidet, den Körper etwas gebeugt, sah er aus, als würde er das Auto kaum bemerken. Tommy Bergmanns Partner, der alte Kåre Gjervan, hielt den Wagen an und legte den Leerlauf ein. Der Mann am Straßenrand bewegte nun langsam den Kopf und sah in Richtung des Streifenwagens. Auf der Windschutzscheibe klebte matschiger Schnee. Gjervan stellte den Scheibenwischer schneller. Der Mann blieb regungslos stehen und starrte vor sich hin, auch der Hund neben ihm stand wie versteinert da, den Blick fest auf das Licht der Scheinwerfer gerichtet, das sich durch den dicht fallenden Schnee bohrte, als wäre die Welt nicht mehr als eine Schneekugel, frei von jeder Bosheit.

Noch Jahre später phantasierte Tommy davon, was gewesen wäre, wenn er in diesem Augenblick einfach aus dem Auto gestiegen und davongelaufen wäre, in die andere Richtung, zurück in die Stadt, so weit seine Beine ihn tragen konnten.

Kåre Gjervan fluchte leise vor sich hin, wie er es schon an der Tankstelle in Mortensrud getan hatte, als Tommy den Funkspruch der Zentrale entgegengenommen hatte. Ihre Schicht war fast um, sie hatten nur noch eine Stunde, aber Tommy war langweilig, so dass er nicht gewartet hatte, bis ein anderer Wagen sich meldete. Er war nicht wie der alte Gjervan, der nur Däumchen drehte und es nicht erwarten konnte, wieder zurück zu Frau und Kindern zu kommen, Tommy war dreiundzwanzig und wollte etwas erleben.

Gjervan klopfte mit der Hand ein paarmal auf den Schaltknüppel, so dass das Klicken seines Eherings metallisch durch den Wagen hallte.

»Los, sieh zu, dass du die beiden da ins Auto kriegst«, sagte er.

Als Tommy die Tür öffnete, kam Leben in den Mann am Straßenrand.

Er stieg ein, und sie fuhren noch ein paar Minuten durch die Dunkelheit, bis auch die letzten Häuser hinter ihnen lagen. Um sie herum war jetzt nur noch dichter, schwarzer Wald. Irgendwann löste sich auch der Weg im Nichts auf, als wären sie am Ende der Welt angekommen. Nur das Licht der Scheinwerfer, das auf die Nadelbäume fiel, verriet, dass es da draußen noch weiterging. Der nasse Hund, ein Labrador, legte den Kopf zur Seite, als Tommy sich umdrehte. Die Schnauze war noch immer schwarz vom Blut. Der Mann auf dem Rücksitz starrte durch die Windschutzscheibe.

»Was haben Sie da im Wald eigentlich gemacht?«, fragte Tommy leise.

Er erhielt keine Antwort.

Kåre Gjervan justierte den Rückspiegel und betrachtete den Mann, der aus einem der Häuser an der Straße in der Zentrale angerufen hatte.

»Das ist wirklich …«, sagte der Mann auf dem Rücksitz.

Er machte eine Pause, schloss die Augen.

»Ich sage Ihnen, das ist wirklich … ein Werk des Teufels.«

2

Trotz des kräftigen Lichtscheins der Maglite wirkte alles um sie herum schwarz. Tommy Bergmann dachte für einen Moment, dass es tief im Wald keine Farben gab und die Sonne nicht einmal im Sommer bis hierher vordringen würde, so dicht wie die Nadelbäume standen. Kåre Gjervan setzte umständlich einen Fuß vor den anderen, hielt aber ein gleichmäßiges Tempo. Der Mann, der die Meldung gemacht hatte, war ein Stück weit vor ihnen, der Hund zog ihn unerbittlich vorwärts. Tommy fiel ein paar Meter zurück und umklammerte seine Maglite noch fester. Es gurgelte unter seinen Füßen, eiskaltes Wasser drang in seine Marschstiefel, und ein moderiger Geruch stieg vom Boden auf. Er ging, so schnell er konnte, um zu Gjervan aufzuschließen. Als er dicht hinter ihm war, hörte er irgendwo weiter vorn den Mann rufen.

»Hier rüber!« Er konnte den Hund jetzt kaum mehr zurückhalten. Tommy versuchte, möglichst wenig zu denken.

»Oh mein Gott«, flüsterte er nur eine Minute später leise vor sich hin. »Hilf mir.« Die beiden vor ihm hatten vor einer Gruppe sehr dicht stehender Fichten angehalten. Kåre Gjervan bewegte langsam seine Taschenlampe und wartete dann ein paar Sekunden, als wollte er sich sammeln. Tommy blieb auf dem schmalen Pfad hinter ihm stehen. Der Mann musste seinen Hund mit aller Macht zurückhalten. Gjervan beugte sich vor und entfernte ein paar Äste und Zweige. Dann richtete er sich abrupt auf und taumelte ein paar Schritte zurück. Seine Taschenlampe fiel zu Boden. Tommy legte die Finger noch fester um seine Lampe und schloss zu den beiden Männern auf.

Obwohl sie schon Tage dort liegen musste, war Kristiane Thorstensen anhand der Fahndungsfotos leicht zu erkennen. Sie lag in zwei zusammengeklebten Müllsäcken unter ein paar Ästen und Zweigen. Der Hund hatte den obersten Teil des einen Sacks aufgerissen, so dass der Kopf sichtbar war. Auch an anderen Stellen war das Plastik zerrissen, vermutlich hatten sich irgendwelche Vögel über sie hergemacht. Der Kopf war unversehrt, sie hatte blaue Flecken, sah aber besser aus, als Tommy es befürchtet hatte. Gjervan ging in die Knie und berührte den Anhänger, den sie um den Hals trug. Ein Taufschmuck. Tommy schloss die Augen und versuchte, sich einzureden, dass der Tod sicher schnell eingetreten war.

Als die Spurensicherung kam und die Kriminaltechniker die Müllsäcke entfernten, schwand diese Hoffnung.

Ihr Körper war dermaßen malträtiert worden, dass Tommy nur noch an das Böse in der Welt glaubte.

Er konnte seinen Blick nicht von der linken Hälfte ihres Brustkorbs abwenden.

Einer der Techniker ließ das Wort »Trophäenjäger« fallen und sagte, dass man solche wie den zum Tode verurteilen müsse, danach spürte Tommy nur noch Kåre Gjervans Arm um seine Schultern, bevor alles schwarz wurde.

3

Sie fuhren schweigend über den Enebakkveien zurück in Richtung Stadt. Kåre Gjervan hielt an der Shell-Tankstelle in Mortensrud und parkte den Wagen im Dunkel hinter der Schmalseite des Gebäudes, exakt die Stelle, an der er zuvor schon gestanden hatte. Er nahm das Funkgerät und rief die Zentrale. Mit ruhiger Stimme sagte er nur »Adresse« und wartete darauf, dass der Mann in der Zentrale verstand, was er meinte. Wie an jedem anderen Abend hörten genug Journalisten den Polizeifunk ab, und denen wollte der alte Gjervan nicht in die Karten spielen. Dann fragte er nach dem Namen des Pastors der Gemeinde in Oppsal und bat die Zentrale, ihn anzurufen. Warum?, fragte Tommy sich und dachte, dass die erste Welle der Hyänen jetzt sicher bereits auf dem Weg in den gutsituierten Vorort Godlia war.

Er beobachtete Gjervans Hände, als dieser sich etwas notierte. Sie waren vollkommen ruhig, als schriebe er zu Hause am Esstisch Weihnachtskarten. Tommys Brustkorb krampfte sich zusammen. Er war dreiundzwanzig Jahre alt und hatte nie zuvor einen Toten gesehen, geschweige denn ein Mordopfer. Und jetzt?, dachte Tommy. Jetzt musste er auch noch den Eltern gegenübertreten, die ihr Kind verloren hatten.

»Willst du was essen?«, fragte Gjervan und öffnete die Wagentür.

Tommy schüttelte den Kopf.

»Du musst was essen.«

Tommy schüttelte noch einmal den Kopf, blieb im Auto sitzen, schloss die Augen und versuchte, seinen Atem zu kontrollieren.

Kurz darauf stellte sich heraus, dass sie sich an diesem ersten Adventssonntag mit dem Aushilfspastor der Oppsaler Gemeinde begnügen mussten. Der Mann, den sie abholten, war kaum älter als Tommy. Auf dem Weg in Richtung Godlia versuchte er, das Gespräch auf Kristiane zu lenken, als wäre sie noch am Leben. »Sie geht doch auf die Schule in Vetlandsåsen und spielt Handball, oder?« Dann sagte er leise: »Es ist nicht immer leicht, an Gott zu glauben. Wenn so etwas …«, er verstummte abrupt.

Tommy wünschte sich, niemals anzukommen, als der Wagen in die Straße Skøyenbrynet einbog und Gjervan vor dem rot gestrichenen Haus der Familie Thorstensen anhielt. Was hatten sie der Familie zu bieten, fragte Tommy sich verzweifelt. Sie waren doch nur drei Menschen in einem Streifenwagen. Ein junger Hüpfer, frisch von der Polizeischule, ein leichenblasser Aushilfspastor, der seinen Glauben an Gott verloren zu haben schien, und der alte Kåre Gjervan. Wenn überhaupt, dann konnte nur er Halt bieten.

Tommy glaubte ein Gesicht am Küchenfenster gesehen zu haben, als sie an der kahlen Hecke entlanggingen. Das Haus sah beinahe verlassen aus, nur die Lampe über der Tür brannte. Einen Moment lang dachte er daran, dass die Hochhaussiedlung, wo er selbst aufgewachsen war, nicht einmal einen Kilometer entfernt lag. Trotzdem war das hier eine ganz andere Welt, geprägt von Wohlstand, wie er ihn vermutlich nie erleben würde. Eine Welt, die sich in wenigen Sekunden in einen Scherbenhaufen verwandeln würde.

Als sie auf der Treppe standen, konnte er seinen Blick nicht von der Keramiktafel losreißen, die vermutlich eines der Kinder, vielleicht Kristiane, in der Grundschule gemacht hatte. Große, glasierte, blaue Buchstaben: Hier wohnen Alexander und Kristiane, Per-Erik und Elisabeth Thorstensen. Dieses Schild mussten sie jetzt abnehmen. Kristiane würde nie wieder nach Hause zurückkehren, nie mehr hier auf der Treppe stehen.

Durch das Küchenfenster sah er einen Adventsleuchter auf dem Tisch stehen. Eine Kerze brannte. Erst dachte Tommy, wie absurd es doch war, eine Kerze anzuzünden, wenn ein Kind vermisst wurde. Eine Tochter. Aber was wusste er schon? Vielleicht war das ihre Art, sich an die Normalität zu klammern und darauf zu hoffen, dass sie noch lebte. Aus dem Windfang war ein dumpfes Geräusch zu hören. Tommy schluckte, sein Puls beschleunigte sich, und er sah zum Pastor hinüber, der im Schein der Außenleuchte noch blasser aussah als zuvor.

Alle drei traten einen Schritt zurück, als die Tür geöffnet wurde. Ein Mann kam zum Vorschein. Kåre Gjervan räusperte sich und fragte dann in ruhigem Tonfall: »Per-Erik Thorstensen?«

Der Mann nickte kaum sichtbar und musterte sie.

Gjervan räusperte sich noch einmal.

»Ja?«, entgegnete Per-Erik Thorstensen mit brüchiger Stimme. Die ersten Tränen traten ihm in die Augen, als hätte ihm der Anblick der Polizisten und des Pastors in seiner grünen Outdoorjacke alles gesagt, was er wissen musste. Trotzdem lag in seiner Stimme ein Anflug von Hoffnung, dass an diesem ersten Advent vielleicht doch noch ein Wunder geschehen war.

Hinter Per-Erik Thorstensen waren vorsichtige Schritte zu hören. Eine Frau kam die Treppe aus dem ersten Stock herunter. Sie blieb in der Tür zum Windfang stehen, die Hände vor dem Gesicht.

»Es tut mir leid«, sagte Kåre Gjervan.

Ein Schauer lief Tommy über den Rücken, als die Frau zu schreien begann.

Nur fünf einzelne Worte waren ihrem hysterischen Heulen zu entnehmen.

»Da ist alles meine Schuld!«, rief sie wieder und wieder.

Das ist alles meine Schuld.

Ihr Mann trat vorsichtig ein paar Schritte zurück und sagte, ohne sich umzudrehen:

»Elisabeth, Elisabeth.«

Ihr Schreien wurde daraufhin nur noch lauter. Per-Erik Thorstensen lehnte sich im Flur an die Wand und riss in der Bewegung ein paar Fotografien von der hinter ihm stehenden Truhe. Das Klirren von zerbrechendem Glas mischte sich mit den Schreien von Elisabeth Thorstensen. Kåre Gjervan trat vor und hielt Per-Erik Thorstensen an den Schultern fest.

Tommy wechselte einen Blick mit dem Pastor. Dann bemerkte er, dass es im Haus plötzlich ganz still geworden war. Abgesehen von dem leisen, verzweifelten Weinen von Per-Erik Thorstensen, der sich an die Uniform von Kåre Gjervan lehnte, war kein Laut zu hören. Tommy trat in den Flur. Gjervan nickte in Richtung Küche, die linker Hand lag.

Tommy ging mit raschen Schritten über den dicken, persischen Teppich, der im Flur lag. Lautes Scheppern drang aus der Küche. Er blieb im Türrahmen stehen. Die Kerze flackerte auf dem Küchentisch. Ein Stern lag auf einem der Stühle, zum Aufhängen bereit.

Elisabeth Thorstensen kniete auf dem Boden. Sie hob den Kopf und sah Tommy apathisch an. Für einen Moment war er außerstande, sich zu bewegen. Er studierte ihre Gesichtszüge und war sich beinahe sicher, sie schon einmal gesehen zu haben. Vor langer Zeit. Ein Bild zeichnete sich für ein oder zwei Sekunden ganz deutlich auf seiner Netzhaut ab. Sie war jung, stand in einem langgestreckten Korridor und streckte die Hand zu ihm aus.

Er riss sich von seinen Gedanken los.

»Tun Sie das nicht«, sagte er und deutete auf ihre rechte Hand.

Sie drückte die Klinge des großen Küchenmessers nur noch fester auf ihr Handgelenk. Blut begann zu rinnen, die Pulsader war aber noch unverletzt.

Vorsichtig ging er einen Schritt in den Raum hinein. Die Kieferndielen knarzten unter seinen Stiefeln.

»Fassen Sie mich nicht an«, sagte sie leise. »Fassen Sie mich nicht an, Sie Schwein!«

Ohne einen Laut von sich zu geben, zog sie das Küchenmesser mit aller Kraft quer über ihr Handgelenk. Tommy dachte noch, dass es gut war, dass sie es nicht parallel zu den Sehnen ins Fleisch gebohrt hatte. Die Sehnen waren kaputt, aber das Blut sickerte nur, die Wunde klaffte nicht. Er hockte sich vor ihr hin, konnte aber nicht verhindern, dass sie sich noch ein zweites Mal schnitt. Er packte ihr rechtes Handgelenk und umklammerte es fest. Es wirkte bereits schlaff und kraftlos, das Messer rutschte ihr aus den Fingern, und Tommy schob es mit der anderen Hand weg.

Er presste seine große Hand mit aller Kraft auf ihr dünnes Handgelenk, schwarzes Blut sickerte warm zwischen seinen Fingern hervor.

Ihr Kopf sackte auf seine lederne Uniformjacke. Sie drückte sich an seinen Hals, und er legte seine freie linke Hand auf ihren Rücken und versuchte Kåre Gjervan zu rufen. Leise. Sein Kollege musste die Situation aber bereits erfasst haben, denn hinter sich hörte Tommy Gjervan ein paar Befehle geben. Die Worte Krankenwagen und Skøyenbrynet drangen zu ihm durch.

Er drückte seine Hand noch fester auf ihr Handgelenk und ließ den Blick über die Anrichte gleiten. Nur einen Meter von ihm entfernt lag ein Trockentuch. Er versuchte aufzustehen, aber Elisabeth Thorstensen hielt ihn zurück. Er ließ ihr Handgelenk los, brauchte das Tuch als Kompresse. Sie legte ihre rechte Hand an sein Gesicht, ihre Haut war so blass, als würde sie jeden Moment ohnmächtig werden.

»Mein Kind«, sagte sie. »Ich werde mein Kind nie wiedersehen.«

Teil 1

November 2004

1

Der Wecker stürzte zu Boden, als er sein Handy zu erreichen versuchte. Dann dröhnte die Stimme des Wachhabenden, Leif Monsen, in sein Ohr. Als Mitmensch hatte Tommy zu dem fetten Sørländer nicht gerade das größte Vertrauen. Der Mann war infantil und ein ausgemachter Rassist. Aber ging es um die Beschreibung eines Tatorts, war Monsen der Mann, auf den man hören musste. Keiner im aktiven Dienst hatte mehr Erfahrung als er, und wenn Monsen sagte, ein Tatort sehe schrecklich aus, gab es keinen Grund, daran zu zweifeln.

Tommy hörte die Worte Gaffer-Tape, Messer, Hammer und Blut, aber irgendwie drangen sie nicht richtig zu ihm durch. Erst die nächsten Worte rissen ihn wirklich aus dem Schlaf.

»Ich verstehe nicht, wie das sein kann, aber es muss derselbe Mann sein«, sagte Monsen. Seine Stimme klang für einen kurzen Moment verzweifelt. »Ich habe einen Wagen zu dir hochgeschickt.«

Als Tommy den Hörer aufgelegt hatte, hörte er bereits, wie sich ein Diesel näherte. Der Wagen bremste hart ab, und gleich darauf drang ein blaues Blitzen durch die Fenster des Schlafzimmers.

Das Blaulicht zeichnete sich an den Wänden des Svartdalstunnels ab. Der Fahrer schaltete die Sirene über den Knopf auf der Mittelkonsole ein, als er sah, dass am Ende des Tunnels ein Wagen mitten auf der Straße fuhr.

»Sie also sind dieser Bergmann«, sagte der junge Fahrer. Tommy grunzte eine Antwort. Der Zeitpunkt war jetzt wirklich nicht passend, um ein Gespräch zu beginnen. Außerdem war er sich nicht sicher, worauf genau dieser junge Typ da anspielte. Wie weit nach unten reichten die Gerüchte eigentlich?

Seine Grübeleien fanden abrupt ein Ende, da der Wagen gleich darauf vor einem Haus im Frognerveien hielt. Zwei Einsatzfahrzeuge und ein Krankenwagen blockierten die Straße, Blaulicht erhellte die Hauswände ringsherum. Ein Uniformierter stand frierend an der Tür, die Temperaturen waren im Laufe der Nacht deutlich gesunken.

Tommy versuchte möglichst wenig an das zu denken, was ihn in der Wohnung erwartete, er hielt den Blick auf den tiefroten Teppich gerichtet, der sich wie eine Schlange über die Treppe nach oben zog.

Das ist schrecklich hier drinnen, Tommy. Monsens Worte klangen ihm noch in den Ohren.

Der metallische Geruch von Blut war schon am Ende der Treppe deutlich wahrzunehmen. Der Beamte, der dort stand, sah aus, als müsse er sich jeden Augenblick erbrechen.

Die Wohnung war ganz typisch für den noblen Westen der Stadt. Drei hintereinanderliegende Zimmer, weiße Wände und ein Bedienstetenzimmer hinter der Küche. Tommy dachte, dass es sich möglicherweise um eine der Übergangswohnungen von Nobelhuren handelte.

»Sie ist noch immer am Leben«, flüsterte Monsen, der auf ihn zukam und den Satz dann noch einmal wiederholte. »Sie ist noch immer am «

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