The Broken Elf King - Die Chroniken von Avalier 2 - Leia Stone - E-Book

The Broken Elf King - Die Chroniken von Avalier 2 E-Book

Leia Stone

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Beschreibung

Die 19-jährige Kailani hat ihr ganzes Leben unter Menschen mitten in Nightfall verbracht. Weil ihre Tante dringend Medikamente benötigt, begibt sie sich in die Hände des Elfenkönigs Raife Lightstone, der sofort durchschaut, dass Kailani in Wahrheit eine Halbelfe ist. Als seine persönliche Assistentin soll sie so fortan ihre Schulden begleichen. Im Auftrag des Elfenrats soll Kailani eine Partnerin für den König finden, was sich als äußerst schwierig gestaltet. Doch die Zeit drängt, denn der Rat will Raife erst im Kampf gegen die Nightfall-Königin unterstützen, wenn die Zukunft des eigenen Reiches gesichert ist. Kurzerhand gehen Kailani und er daher eine Fake-Ehe ein, mit ungeahnten Folgen ...

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Seitenzahl: 365

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Inhalt

Cover

Weitere Titel der Autorin

Titel

Impressum

Trigger

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DANKSAGUNG

Inhaltsinformation

Weitere Titel der Autorin:

Celestial City – Akademie der Engel: Jahr 1

Celestial City – Akademie der Engel: Jahr 2

Celestial City – Akademie der Engel: Jahr 3

Celestial City – Akademie der Engel: Jahr 3,5

Celestial City – Akademie der Engel: Jahr 4

The Last Dragon King – Die Chroniken von Avalier 1

Leia Stone

Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Michael Krug

Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»The Broken Elf King – Kings of Avalier Book Two«

Für die Originalausgabe:

Copyright ® 2022 by Leia Stone

Published by arrangement with Bookcase Literary Agency

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright ® 2024 by Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München www.guter-punkt.de

Umschlagmotiv: © Fay Lane Book Cover Design

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7517 – 5991 – 5

Sie finden uns im Internet unter one-verlag.de

Bitte beachten Sie auch luebbe.de

Liebe Leser:innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Dazu findet ihr genauere Angaben am Ende des Buches.

ACHTUNG: Sie enthalten Spoiler für das gesamte Buch.

Wir wünschen uns für euch alle das bestmöglicheLeseerlebnis.

Euer Team vom ONE-Verlag

1

Der überdachte Wagen kam mit einem Ruck zum Stehen. Meine Schulter prallte gegen die Person neben mir. Ich hatte kaum eine Entschuldigung gemurmelt, da wurden die Planen auch schon zurückgeschlagen.

»Raus!«, blaffte der Sklavenhändler. Wir alle standen auf. Da man uns die Hände auf den Rücken gefesselt hatte, war das jedoch ziemlich anstrengend und mühsam.

Ich folgte der Reihe meiner Mitgefangenen. Als ich den Rand des Wagens erreichte, sprang ich hinunter und musste bei dem Schmerz, der mir durch die Fersen fuhr, ein Stöhnen unterdrücken. Rasch sah ich mich um und stellte fest, dass wir uns vor den goldenen Toren von Elf City befanden, der Hauptstadt von Archmere. Ich hatte Nightfall bisher nie verlassen. Und so trostlos meine Lage sein mochte, ich wollte wenigstens noch die Sehenswür‍digkeiten zu Gesicht bekommen, bevor ich in ein Leben der Sklaverei verkauft würde. Mein Vater, ein reinblütiger Elf, sprach stets liebevoll von seinem Heimatland, und ich konnte nachvollziehen, warum. Hohe Bäume mit weißen Blüten säumten die äußeren Festungstore. Sanfte Hügel und Berge umgaben uns auf allen Seiten. Ein schlichtweg atemberaubender Anblick.

»Kopf runter«, herrschte der Händler mich an und versetzte mir einen Klaps auf den Hinterkopf.

Plötzlich verfingen sich meine Füße in meinem langen Mantel, und mit einem spitzen Aufschrei stürzte ich. Durch meine auf den Rücken gefesselten Hände konnte ich nicht viel tun, um mich für den Aufprall zu wappnen. Ich drehte das Gesicht zur Seite und straffte gleichzeitig die Schultern, bevor ich hart auf den Steinboden knallte. Schmerzen wallten über die gesamte Vorderseite meines Körpers. Aber dass ich zumindest eine gebrochene Nase verhindern konnte, wertete ich als Sieg. Die anderen blieben stehen und blickten auf mich herab, als ich mich auf die Seite rollte und finster zum Sklavenhändler hochstarrte. Er war groß und kräftig gebaut – ein Mensch, trotzdem stark genug, um mich zu verletzen, wenn ich ihn verärgerte.

Ich stöhnte. Gleich darauf beugte sich der Händler zu mir herab und hievte mich mit einem Griff unter die Achselhöhle hoch.

»Wenn du nicht mal gerade gehen kannst, werde ich nicht viel für dich kriegen«, spie er hervor.

Am liebsten hätte ich ihm einen Schlag gegen die Kehle verpasst, allerdings war das in meiner derzeitigen Lage unmöglich. Ich hätte mich mit einem Kopfstoß begnügt – würde ich dafür nicht vermutlich mit dem Leben bezahlen. Vorerst konnte ich nur darauf hoffen, dass mein neuer Herr ein anständiger Mensch ... äh, Elf sein würde.

Die Reihe meiner Mitgefangenen setzte sich wieder in Bewegung, und ich wurde mitgeschleift. Die Gedanken an einen befriedigenden Kopfstoß ließ ich hinter mir zurück. Diesmal achtete ich aufmerksamer auf meine Schritte.

Was meine Tante wohl gerade tat? Als man mich mitgenommen hatte, hatte sie gekreischt und geweint. Wahrscheinlich war sie inzwischen krank vor Sorge. Ich hatte alle neunzehn Winter meines Lebens in Nightfall verbracht. Als Mischwesen aus Elf und Mensch war ich mit kurzen Ohren gesegnet, deshalb ahnte weder die Königin noch sonst jemand dort, dass ich nicht rein menschlich war.

»Welche Schuld hast du?«, flüsterte eine junge Frau neben mir.

Damit riss sie mich aus meinen Gedanken. Ich schüttelte den Kopf, weil ich nicht verstand, was sie meinte.

»Bei mir ist es Glücksspiel. Ich schulde Bino zwei Goldmünzen«, verriet sie mir mit verdrossener Miene.

Bino betrieb den Poker-Ring in der Taverne. Erst da verstand ich ihre Frage. Sie wollte wissen, warum ich verkauft wurde.

Ich hätte mir nie das Geld für die Medizin meiner Tante leihen sollen. Immerhin hatte ich gewusst, dass ich es niemals zurückzahlen konnte. Aber ich war verzweifelt gewesen, wollte unbedingt, dass sie nicht mehr länger Anfälle erleiden musste. Mir war nie beigebracht worden, meine elfischen Heilkräfte zu nutzen. Deshalb waren wir auf menschliche Heiler und das angewiesen, was ihnen zur Verfügung stand. Meine Tante war wie meine Mutter menschlich, während mein Vater ein Elf gewesen war. Meine Mama war bei meiner Geburt gestorben. Meinen Vater hatte man auf dem Dorfplatz als Eindringling hingerichtet, um ein Exempel an ihm zu statuieren. Er war gekommen, um mich zu sehen. Jetzt hatte ich nur noch meine Tante. Sie war meine einzige Familie.

»Fünf Goldmünzen. Beim Apotheker«, antwortete ich verspätet.

Der Betrag schien meine Leidensgefährtin zu überraschen. Bestimmt fragte sie sich, ob ich ein Abhängigkeitsproblem hatte. Wenn es nur so wäre – das wäre einleuchtender als die Frage, warum die Königin halsabschneiderische Preise für lebensrettende Arzneien verlangte. Manchmal glaubte ich, es diente dazu, die Erkrankten auszusieben. Wenn die Schwachen und Armen starben, weil sie sich keine Heilmittel leisten konnten, würde sie ein gestärktes, vollkommenes Volk erhalten. Die meisten Untertanen verabscheuten Königin Zaphira. Für ihren wahnwitzigen Plan, das gesamte Reich zu vermenschlichen und jeglichen magischen Einschlag zu beseitigen. Die Nekros, Elfen, Fae, Wölfe und sogar das Drachenvolk sollten restlos aus Avalier verschwinden, wenn es nach der Königin ging.

»Meine Tante ist krank. Sie braucht teure Arznei«, erklärte ich der jungen Frau.

Die Anfälle meiner Tante hatten begonnen, als ich zwölf war, zuerst vereinzelt und kurz. Aber sie waren zunehmend schlimmer geworden, und vom letzten hatte sich ihr Bein nicht richtig erholt. Seither schleifte sie es beim Gehen nach. In einem Mond würde sie weitere Arznei benötigen.

»Genug gequatscht!«, blaffte der Händler. Die junge Frau und ich traten einen Schritt auseinander, schauten nach vorn und ließen den Anblick, der sich uns bot, auf uns wirken.

Die Elfenstadt war wunderschön. Gebaut aus Erlenholz, mit Verzierungen aus Gold und Halbedelsteinen. Die hohen Spitzbögen verschlugen mir die Sprache, und die Sonne ließ das Gold und die Steine funkeln und glitzern. Während wir die Stadt durchquerten, war ich jedoch so tief in meine Gedanken versunken gewesen, dass ich kaum etwas davon mitbekommen hatte. Dann erreichten wir eine Pforte an der Seite des großen weißen Palasts.

»Dienstboteneingang«, sagte ein Wächter. Ich schaute zu der Stimme auf.

Man sollte sich von niemandem einreden lassen, alle Elfen wären groß und schlank. Der Mann, der den Eingang bewachte, entpuppte sich als das Gegenteil. Ein kleiner, gedrungener Kerl mit Hakennase und eisblauen Augen starrte mich finster an. Das golden-weiße Haar trug er als Pferdeschwanz und an den Seiten geflochten. Mein Blick fiel auf das Schwert an seiner Hüfte. Unwillkürlich fragte ich mich, ob er damit überhaupt umgehen konnte.

Dieser Typ konnte auf keinen Fall der Garde des Königs angehören. Die sogenannten Bogner waren bekannt für ihre lautlosen, tödlichen Angriffe aus Baumkronen. Dieser Kerl sah so aus, als könnte er nicht mal einen Baum erklimmen.

Aus dem Nichts tauchte der Händler auf, packte mich am Genick und drückte meinen Kopf so jäh nach unten, dass mir Schmerzen durch den Hals schossen. »Ich reiße dir deine hübschen Augen aus dem Schädel, wenn du das Gesicht nicht unten lässt.«

Zischend ballte ich die Hände hinter mir zu Fäusten. Dieser Rattenarsch ging mir so allmählich wirklich auf die Nerven. Ich mochte in die Sklaverei verkauft worden sein, doch das bedeutete noch lange nicht, dass er mich als Fußabtreter benutzen konnte. Ich wollte ihm schon meine Meinung sagen, da ließ er mich los.

Ich stolperte nach vorn. Mein Gesicht fühlte sich vor lauter Zorn heiß an, doch ich holte scharf Luft und atmete tief durch, um mich zu beruhigen.

Wir wurden zunächst durch eine Halle gescheucht, die genauso kunstvoll verziert war wie die Außenseite des Palasts, und landeten schließlich in einem großen offenen Lagerraum mit einer Decke, die gut und gern zwei Stockwerke hoch war. In einer Ecke türmten sich Säcke mit Mehl und Reis, in der anderen stapelten sich Töpfe und Pfannen. Wir reihten uns an der hinteren Wand auf. Ich schaute nach oben zu den Fenstern im ersten Stock und erblickte Leute, die auf uns herabstarrten.

Unsere neuen Meister?

Über das Dasein als Sklavin wusste ich nicht das Geringste. Ich selbst hatte nie eine Dienerin gehabt. Aber ich wusste, wie man kochte und putzte. Viel schwieriger als das konnte es nicht sein.

Oder?

»Euch werden die Fesseln abgenommen, damit die Obermagd euch auf Krankheiten untersuchen kann. Danach werden euch eure neuen Aufgaben hier im Palast zugewiesen«, verkündete der Händler laut und riss mich damit aus meinen Gedanken. »Wenn ihr versucht zu fliehen, töte ich euch, und die Schuld geht auf eure nächsten Angehörigen über.«

Wir würden im Palast arbeiten? Das fand ich irgendwie aufregend. Als mein Blick auf den Stapel der Säcke mit Mehl und Reis fiel, hoffte ich jedoch, nicht der Küche zugeteilt zu werden. Kochen machte mir nichts aus, aber der Abwasch kam dem Hades gleich. Und bei pampigem Essen gruselte es mich. Am liebsten würde ich in der Bibliothek arbeiten, oder auch mit den Heilern. Als Halbelfin ohne Ausbildung konnte ich zwar nicht selbst heilen, aber ich würde zu gern lernen, auf andere Weise zu helfen.

An der Hochschule von Nightfall hatte ich Biologie studiert, um ein Heilmittel für meine Tante zu finden. Doch diese Chance war mir genommen worden. Fast zwei Winter Unterricht, Hausaufgaben und Lernen – alles umsonst.

Mit einem Klick öffneten sich meine Fesseln, und kurz darauf wurden sie entfernt. Ich rollte die Schultern. Nach den Verspannungen der stundenlangen Reise entlockte mir die schmerzliche Erlösung ein Stöhnen. Für den Bruchteil eines Augenblicks wollte ich wie ein Kaninchen durch den Raum ins Freie und in den Wald flüchten. Ich spähte zur Tür, an der zu beiden Seiten je ein Bogner stand, groß, still und regungslos, Pfeile bereits angelegt.

Ich schluckte.

Dann betrat eine alte Frau den Raum, das weiße Haar zu einem festen Dutt hochgesteckt. Sie trug die Uniform einer Magd, aus blauer Baumwolle mit einer weißen Schürze, und hielt einen kleinen Stock in der Hand.

»Ich bin Frau Tirth und die Obermagd von Schloss Archmere. Ich werde euch jetzt auf Läuse untersuchen und mich vergewissern, dass ihr keine Einschränkungen habt, die euch von euren Aufgaben hier abhalten.«

Läuse? Igitt. Ich beäugte die junge Frau neben mir, die sich am Kopf kratzte.

Insgesamt waren wir zu neunt, eine Mischung aus Elfen, Fae und Menschen – der Palast musste uns als bunten Haufen für verschiedene Arbeiten gekauft haben. Ich wollte mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber unbedingt mit den Heilern oder mit Büchern arbeiten, wenn es sich irgendwie einrichten ließe.

Ich biss mir auf die Zunge und wartete, während Frau Tirth mit ihrem Stock nacheinander allen durch die Haare fuhr, in ihre Münder spähte und eingehend sowohl die Hände als auch die Füße begutachtete. Als ich an die Reihe kam, knickste ich tief. »Frau Tirth, wäre es unangemessen, Ihnen meine Stärken zu nennen, damit Ihr wisst, wofür ich mich am besten eignen könnte?«

Die alte Frau sah mich mit hochgezogener Augenbraue an, bevor sie nach oben zum Balkon schaute, von wo wir weiterhin von einigen Gestalten mit Kapuzen beobachtet wurden.

»Stärken?«, fragte sie, als sie anfing, mit dem Stock mein braunes Haar zu durchwühlen.

»Ja, meine Dame. Ich kann lesen und schreiben. Außerdem verstehe ich etwas vom Rechnen und von organischer Chemie. Meine Leidenschaft gilt dem Lesen und Heilen.«

Der Stock erstarrte in meinem zerzausten Haar, während die Frau mich anstarrte. Ich wappnete mich für ihre Erwiderung, doch sie brach lediglich in Gelächter aus. Auch der Händler lachte gackernd, und als die anderen Sklavinnen und Sklaven darin einstimmten, lachten plötzlich alle über mich.

»Meine Gute, ich brauche dich nur, um Brot zu backen oder die Toiletten zu putzen«, würgte Frau Tirth meine Hoffnung schließlich ab.

Na ja, den Versuch war es wert gewesen.

Ich spürte, wie der Händler hinter mich trat. »Soll ich sie auf Filzläuse untersuchen?« Er schnaubte, dann landete seine Hand auf meinem Hintern, und er kniff zu.

Heftig.

Obwohl Frau Tirth verärgert über die Äußerung des Mannes wirkte, wusste ich, dass sie nichts unternehmen würde.

All der Zorn, den ich unterdrückte, seit die Leute mich von meiner Tante weggeholt hatten, stieg in mir auf. Rachsüchtige Wut erfasste mich, und etwas in mir zerriss. Ich wirbelte zu dem grässlichen Händler herum. Er starrte mit einem lustvollen Blick auf mich herab. Meine Handfläche schnellte nach oben gegen seine Nase, so wie meine Tante es mir beigebracht hatte. Belohnt wurde ich mit einem befriedigenden Knirschen von Knorpel und Knochen. Als er sich vor Schmerz krümmte und sich das Gesicht hielt, rammte ich das Knie mit voller Wucht in seine Weichteile.

Ein Heulen durchzog den Raum, und kurz darauf kippte der Mann mit hochrotem Gesicht zur Seite.

»Ach du meine Güte«, entfuhr es Frau Tirth hinter mir.

Ich drehte mich zu der Obermagd um. »Er hat ohne Erlaubnis meinen Hintern angefasst. Wird das hier etwa geduldet?«, fragte ich sie in der Hoffnung, mich aus der Strafe herauszureden, die mir vermutlich blühte, weil ich mich gewehrt hatte.

Sie lief hochrot an, und ich bemerkte eine Bewegung oben am Balkon. Eine der Gestalten dort verschwand. Ich wusste, dass ich zu weit gegangen war. Aber verdammt, was der Händler getan hatte, war nicht in Ordnung gewesen, und ich hoffte, Frau Tirth würde es auch so sehen. Von Frau zu Frau.

Sie schluckte schwer. »Wird es nicht«, antwortete sie schließlich.

Plötzlich befanden sich die beiden Bogner hinter mir, griffen mit ihren Händen unter meine Achselhöhlen und schleiften mich zu den Türen.

Mist. Wo waren die auf einmal hergekommen?

Ich versuchte mich zu befreien – leider erfolglos. Sie hoben mich einfach hoch, klemmten mir etwas unter die Achsel, das mir ein Wimmern entlockte, und trugen mich, als wäre ich aus Pergament.

Mein Herz hämmerte wild in der Brust. Ich drehte einem der beiden meinen Kopf zu. »Er hat mich angefasst, das müsst ihr doch gesehen haben. Ich habe ihn ja nicht umgebracht oder so«, stieß ich flehentlich hervor.

Die Doppeltür öffnete sich, und ich wurde durch den kunstvoll verzierten Gang in einen anderen, kleineren Raum gebracht. Dort saß ein Mann hinter einem Schreibtisch. Ein grauer Umhang mit hochgezogener Kapuze verbarg seine Züge.

»Also, ich bin hier offensichtlich neu. Vielleicht könnt ihr dieses Mal darüber hinwegsehen? Jetzt kenne ich die Regeln ja«, sagte ich flehentlich. Zwar konnte ich dem Händler sein Verhalten nicht durchgehen lassen, trotzdem wollte ich nicht dafür gehängt werden, dass ich ihm das Knie in die Nüsse gerammt hatte. Die Bogner stellten mich vor dem Schreibtisch ab und verließen die Kammer.

Steif stand ich da und starrte die Gestalt mit dem Umhang an. »Ich ...«

»Du redest zu viel. Daran müssen wir arbeiten.« Die schroffe Stimme klang kraftvoll. Ich wusste auf Anhieb, dass ich mich vor jemandem befand, der etwas zu sagen hatte.

»Ja ... Herr. Das kann ich machen. Wenn Sie mich am Leben lassen ...« Ich war mir nicht sicher, was ich davon halten sollte, dass man mich zu ihm gebracht hatte.

Der Mann hob seine langen, dünnen Finger und zog die Kapuze zurück – zum Vorschein kamen die ausdrucksstarke Kieferpartie und das wunderschöne Antlitz des verdammten Elfenkönigs.

»Raife Lightstone«, hauchte ich und knickste tief.

Seine blauen Augen wanderten über meinen Körper, als beurteilte er meine Haltung, und ich spürte, wie sich meine Wangen röteten.

»Dein Knicks deutet darauf hin, dass du aus einer hochwohlgeborenen Familie stammst«, bemerkte er.

In Nightfall gab es nicht wirklich Hochwohlgeborene. Wir sprachen vielmehr von gebildet und ungebildet. Und neun von zehn Bewohnern besaßen Bildung, weil die Königin es vorschrieb und sie kostenlos zur Verfügung stellte. Ich galt als arm, aber hochgebildet, also wohl dem, was er unter hochwohlgeboren verstand.

»Ja, Herr.« Weil er gesagt hatte, dass ich zu viel redete, antwortete ich knapp.

Als er aufstand, erstarrte ich, verblüfft darüber, dass er mich um mindestens anderthalb Köpfe überragte – und das wollte etwas heißen, denn für eine Frau war ich ziemlich groß. Er trat hinter dem Schreibtisch hervor und baute sich vor mir auf. »Wie heißt du?«

»Kailani Dulane, Herr.«

»Weißt du, welche Gabe alle Könige von Avalier besitzen?«, fragte er, und ich wusste, worauf er hinauswollte.

Oh Schöpfer.

Ich schluckte schwer. König Valdren vom Drachenvolk, König Lucien Thorne von den Fae, König Axil Moon von den Wölfen und König Raife Lightstone von den Elfen besaßen alle die Gabe, Lügen zu wittern.

»Ihr könnt Lügen riechen«, sagte ich.

Er wirkte überrascht. »Du bist ja wirklich gebildet.«

In der Bibliothek von Nightfall gab es Bücher über jedes magische Volk. Sie förderten den Plan der Königin, sie allesamt auszurotten. Je mehr wir über die Völker wussten, desto besser konnten wir ihnen schaden und sie letztlich auslöschen.

»Ich stelle dir jetzt eine Reihe von Fragen«, kündigte er an, während er langsam im Kreis um mich herumging. »Deine Antworten entscheiden über dein Schicksal.«

Ein Schwindelgefühl überkam mich, aber ich nickte.

Er atmete durch die Nase ein. »Halbelfin?«, fragte er und klang dabei zufrieden.

»Ja, Herr. Mein Vater«, fasste ich mich so kurz wie möglich.

»Sein Name?«

Ich schluckte schwer. »Rufus Dulane. Er hat im Fischerdorf King’s Burrow gelebt.«

Offenbar zufrieden mit der Antwort nickte er.

»Warum bist du in die Sklaverei verkauft worden?«, erkundigte er sich.

Ich seufzte. »Ich habe ein Darlehen aufgenommen, das ich nicht zurückzahlen konnte.«

»Offensichtlich.« Er klang verärgert über meine seichte Erwiderung. »Wofür?«

Die Eindringlichkeit der Frage gefiel mir nicht, doch ich wusste, dass ich nur ehrlich antworten konnte. Mein Leben lag in seinen Händen. »Für lebensrettende Arzneien für meine Tante.«

Verwirrt runzelte er die Stirn. Natürlich konnte er das nicht nachvollziehen. In Archmere brauchten die Leute keine Arzneien. Kranke wurden einfach geheilt. Kostenlos. Für seinesgleichen war das so selbstverständlich wie Atmen.

»Hast du gewusst, dass du das Darlehen nicht zurückzahlen können würdest, wenn du es aufnimmst?«, fragte er.

Da knurrte ich leicht und sah ihm in die Augen. »Ja«, erwiderte ich gereizt. »Aber ich musste meiner Tante helfen.«

Er schien meine Antwort abzuwägen.

»Wie denkst du über die Elfen?«

Ich runzelte die Stirn. »Das ist eine weitgefasste Frage. Ich ...«

»Ich muss wissen, ob ich jemanden einstelle, der mein Volk und mich hasst«, stellte er klar. »Du bist in Nightfall unter der Herrschaft der Königin aufgewachsen.«

Also dachte er daran, mich einzustellen? Nicht daran, mich hinzurichten? Das erleichterte mich. Vielleicht würde ich doch nicht am Strick enden.

Ich nickte. »Ich finde, die Elfen haben es gut. Sie werden kaum krank und können mühelos heilen. Darum beneide ich sie und wünsche ihnen nichts Böses.«

Er runzelte die Stirn. »Du beneidest uns um eine Fähigkeit, die du besitzt?«

Ich spürte, wie sich meine Wangen röteten. »Sie ist nie erblüht. Mein Vater ist gestorben, bevor er mich ausbilden konnte, und ... meine Magie hat sich nie eingestellt.«

Die Elfen nannten es Erblühen, wenn sich ihre Magie zeigte, in der Regel im Alter von etwa fünf Wintern bei Beginn der Ausbildung.

Er trat vor mich hin, straffte die Schultern und sah mir unverwandt in die Augen. »Na schön. Und wie denkst du über die Königin von Nightfall?«

Ich versteifte mich und hielt den Atem an. Es war kein Geheimnis, dass die Königin die gesamte Familie des Elfenkönigs ermordet hatte, als er vierzehn Winter alt gewesen war. Sieben Geschwister. Nur er hatte überlebt. Er hasste sie abgrundtief, das wusste ich. Dasselbe galt für mich – aber es laut auszusprechen, wäre Hochverrat.

Ich spähte über die Schulter und vergewisserte mich, dass die Tür geschlossen war. Schlechte Worte gegen die Königin wurden schnell geahndet, deshalb waren mir noch nie welche über die Lippen gekommen, nicht mal vor meiner Tante. Wir murrten zwar über den Mangel an Unterkünften oder Behandlungen und schimpften über einige der Handlungen der Armee, aber nie über sie. Raife Lightstone verengte die Augen zu Schlitzen.

»Wie denkst du über die Königin von Nightfall?«, wiederholte er mit Nachdruck.

Ich holte tief Luft. »Ich hasse sie. Und ich wünschte, sie würde einfach sterben, damit wir alle in Frieden leben könnten«, stieß ich schnell hervor, bevor ich mir die Hände auf den Mund klatschte.

Einen Moment lang trat ein halbherziges Grinsen in seine Züge, ehe es wieder verschwand. »Sehr gut. In dem Fall möchte ich dich als meine neue persönliche Assistentin einstellen. Meine Letzte ist inzwischen vermählt und nicht länger in meinem Dienst«, erklärte er, während er hinter den Schreibtisch zurückkehrte und auf einem Blatt Pergament kritzelte.

Erleichterung durchflutete mich. Persönliche Assistentin des Königs? Das klang bedeutender, als Aborte zu putzen oder Brot zu backen. »Es ... es wäre mir eine Ehre.«

»Ich brauche jemanden, der gebildet ist«, erwiderte er, ohne von dem Pergament aufzuschauen. »Der schnell mitschreiben, Bücher lesen, Neues in Erfahrung bringen und es mir mitteilen kann.«

Vor Freude hätte ich um ein Haar einen Luftsprung gemacht. »Ich lese unheimlich gern. Ein Buch am Tag über alles Mögliche und zum Vergnügen sogar Geschichten.«

Bei meinen Worten schaute er auf und schob das Pergament, auf das er geschrieben hatte, über den Tisch. Er reichte mir eine Feder und Tinte. »Mach schnell.«

Ich hatte keine Ahnung, worum es ging. Wollte er mich auf die Probe stellen? Eigentlich arbeitete ich unter Druck gut. Ich ließ mich auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch nieder, ergriff die Feder und das Pergament.

Es handelte sich tatsächlich um einen Test. Und obendrein in drei verschiedenen Sprachen!

Schöpfer sei Dank beherrschte ich sie alle.

»Ich habe seit mehreren Wintern kein schriftliches Elfisch mehr gesehen«, gestand ich. Als ich die Feder in die Tinte tauchte, war ich dankbar für meine Neugier auf die Sprachen überall im Reich, denn ich hatte sie alle studiert.

Die erste Aufgabe hatte er auf Altelfisch verfasst. Sie war einfach. Es ging um ein sinkendes Fischerboot im Gebiet von Fallenmoore. Die Frage war, ob der Elfenkönig das Recht hatte, es zu bergen, oder ob er davor die Erlaubnis von König Moon brauchte. Höchstwahrscheinlich sollte damit festgestellt werden, ob ich die Sprache verstand.

Ich antwortete und widmete mich dem nächsten Punkt. Diesmal handelte es sich um Neuelfisch. Wieder eine einfach zu beantwortende Frage. Zuletzt folgte eine Rechenaufgabe auf Avalerisch, der gemeinsamen Sprache aller Völker von Avalier.

Ich löste sie mühelos und schob das Pergament über den Tisch zurück.

Der König zog die Augenbrauen hoch. »Das war schnell.«

Ich zuckte mit den Schultern.

Er warf einen Blick auf das Pergament, nahm die Feder und schrieb ein paar Anmerkungen neben meine Lösung der Rechenaufgabe, als beurteilte er sie. »Gut gemacht.«

Ich strahlte.

Er faltete die Hände vor sich. »Mein Rat besteht darauf, dass ich in naher Zukunft heirate. Demnächst beginnt die Brautschau. Du musst für mich genaue Notizen über jede Frau anfertigen, mit der ich mich treffe, und mir anschließend bei der Entscheidung helfen, mit welcher ich mich vermählen soll.«

Mir drohten die Augen aus dem Kopf zu fallen.

»Ihr ... Ihr wollt, dass ich Euch helfe, eine Gemahlin auszuwählen?«

Unbekümmert nickte er. »Das ist die einzige Möglichkeit, mir den Rat vom Leib zu halten.«

Na, die Dame kann sich aber glücklich schätzen. Er schien ja wirklich unbedingt heiraten zu wollen.

»Äh, sicher, das kann ich.« Tatsächlich hätte ich so ziemlich alles getan, um hier unbeschadet rauszukommen. »Welche Aufgaben habe ich noch? Ich möchte sie mir aufschreiben«, sagte ich zu ihm.

Davon wirkte er beeindruckt. Er reichte mir ein frisches Pergament und einen Federkiel. Ich hielt fest, was er mir bereits mitgeteilt hatte.

Gemahlin finden.

»Du wirst mich zu Besprechungen begleiten und dort an die Namen und Zuständigkeiten der Teilnehmer erinnern. Ich würde gern auch die Geburtstage meines Stabs kennen, es ist jedoch zu mühsam, sie mir alle zu merken.«

»Natürlich.«

Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück. »Ach ja, und mein alter Vorkoster ist gestorben. Du wirst für ihn einspringen müssen, bis ich einen neuen einstellen kann.«

Ich erstarrte. Königliche Vorkoster übten eine der gefährlichsten Tätigkeiten im Reich aus. Sie fielen immer wieder Giftangriffen zum Opfer.

»Ihr ... konntet ihn nicht heilen?«

Er runzelte die Stirn. »Nicht rechtzeitig. Es ist ein verbreiteter Irrtum, dass Elfen alles heilen können und niemals krank werden.«

»Wie wäre es mit einer oder einem der anderen Sklaven, die Ihr gerade gekauft habt?« Insgesamt waren wir acht.

Er schüttelte den Kopf. »Denen vertraue ich nicht.«

Bedeute das etwa, dass er mir vertraute? Und wenn ja, warum?

Aber gut, es war ja nur vorübergehend, bis er einen dauerhaften Ersatz finden konnte.

Gemahlin finden.

Namen und Geburtstage merken.

An Besprechungen teilnehmen.

Vorkosterin.

»Sonst noch was, Herr?«

Er nickte. »Wenn ich dir vertrauen soll und du eng mit mir zusammenarbeitest, musst du ein Unbedenklichkeitsgelübde ablegen.«

Meine Augenbrauen wanderten hoch. Ich hatte zwar keine Ahnung, was das sein sollte, doch ich wusste, dass sowohl Elfen als auch Fae Gelübde überaus ernst nahmen.

»In Ordnung«, willigte ich zurückhaltend ein. Noch vor zehn Minuten hatte ich meinem Entführer das Knie in die Kronjuwelen gerammt, und plötzlich führte ich ein Vorstellungsgespräch mit dem König der Elfen.

Was für ein Tag.

Er räusperte sich. »Eine Sache wäre da noch ...«

Ich wappnete mich. Er wirkte mit einem Mal etwas unbehaglich.

»Bist du unverheiratet?«

Oh, eine einfache Frage. »Ja. Bin ich. Mir ist noch nie ein Mann begegnet, den ich lang genug ertragen konnte, um ihn zu heiraten.«

Das halbherzige Grinsen erschien wieder, und er nickte. »Keine Kinder?«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein.«

Darüber wirkte der König erleichtert. »Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die dich tagein, tagaus in Anspruch nehmen wird. Ich fürchte, eine Familie würde dich daran hindern, mir angemessen zu dienen.«

Ich nickte. »Das kann ich uneingeschränkt, Herr.«

Ich war eine Zwangsbedienstete, die fünf Goldmünzen abarbeiten musste. Meine Familie konnte ohnehin nicht zu mir ziehen.

Ich räusperte mich. »Wie läuft das mit der Bezahlung?«

Er legte den Kopf schief und wirkte bei der Frage gelöster. Über Geld zu reden, schien ihn nicht zu stören. »Ich zahle heute deine Schulden an den Händler. Danach arbeitest du eine Goldmünze pro Winter ab.«

Also fünf Winter. Ich würde fünf Winter brauchen, um Arznei für drei Monde für meine Tante abzuarbeiten. Zorn breitete sich in mir aus. Nicht auf den König, sondern auf den Apotheker, der so viel für das lebensrettende Mittel verlangt hatte.

»Wie hoch sind deine Schulden?«, erkundigte er sich.

Ich seufzte. »Fünf Goldmünzen.«

Er wirkte nicht entsetzt. Vielleicht landeten Leute mit wesentlich höheren Schulden bei ihm und arbeiteten bis zum Ende ihrer Tage unter seiner Herrschaft. Aber ich wollte ein eigenes Leben. So dankbar ich für die Position war, als wahre Leidenschaft hätte ich es nicht bezeichnet, für fünf Winter das Essen des Königs zu kosten und ihm bei der Brautschau zu helfen. Wenn ich Archmere verlassen könnte, würde ich vierundzwanzig Winter alt sein. Zu alt, um noch Heilerin zu werden?

»Bist du enttäuscht von der fünfwinterlichen Aufgabe?« Er verengte die Augen zu Schlitzen. Argwohn sprach aus ihnen. Den Grund konnte ich mir nicht recht erklären. War ja nicht so, als könnte ich ihn belügen.

»Nur etwas überrascht von der Dauer«, antwortete ich ehrlich. »Ich hatte gehofft, Heilerin zu werden ... Dafür war ich an der Hochschule und kann es kaum erwarten, dorthin zurückzukehren.« Ich rieb mir den Nacken und zuckte vor leichten Schmerzen zusammen, weil ich vergessen hatte, wie grob mich der Händler zuvor an der Stelle gepackt hatte.

Diesmal trat Verständnis in seine Augen, gefolgt von etwas Mitgefühl. »Wir studieren hier zwar nicht Medizin wie in Nightfall, aber du kannst mich bei meinen Heilrunden begleiten und Fragen stellen, solange sie nicht zu aufdringlich und ablenkend sind.«

Hoffnung stieg in mir auf. »Herr, das wäre wundervoll.«

Alle Elfen besaßen Heilfähigkeiten, mochten sie noch so gering sein, doch sie erblühten nur durch Übung und Lernen. Ich hatte dieses Privileg nie genossen. Deshalb war meine Magie so gut wie tot. Trotzdem wäre es toll, in irgendeiner Weise auf einer Krankenstation zu arbeiten.

»Eins noch.« Er stand auf, kam um den Schreibtisch herum und strich mit der Hand über meinen Nacken. Ein Schauder lief mir die Wirbelsäule runter, und die vom Händler verursachten Schmerzen verpufften. Raife zuckte kurz zusammen, dann setzte er sich wieder, ergriff die Feder und kritzelte eine Notiz.

Hatte er mich gerade geheilt? Mit einer einzigen Berührung?

»Vielen Dank«, sagte ich leise.

»Du kannst dich jetzt in deine Unterkunft zurückziehen«, erwiderte er, ohne von dem Pergament aufzuschauen. »Richte dich ein. Ich lasse dich gleich morgen früh holen. Gib das hier Frau Tirth.« Er reichte mir den Brief, den er geschrieben hatte.

Mir wurde klar, dass er mich gerade entlassen hatte, und ich nahm das Pergament entgegen.

Persönliche Assistentin des Königs?

Volltreffer!

Frau Tirth erwartete mich vor dem königlichen Arbeitszimmer. Als ich ihr den Brief reichte, runzelte sie die Stirn.

»Das ist nicht die Handschrift des Königs«, stellte sie fest.

Ich spähte über ihre Schulter und errötete. Verflixt, ich hatte ihr die Liste meiner Aufgaben gegeben. Rasch riss ich sie ihr aus den Händen und reichte ihr stattdessen das Schriftstück vom König.

Als sie es überflog, trat ein Ausdruck der Überraschung in ihr Gesicht. »Neue persönliche Assistentin.«

»Ja. Und dabei dachte ich, es könnte mich Kopf und Kragen kosten, dass ich mich gegen den Händler gewehrt habe.«

Frau Tirth schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich hast du deshalb diesen Posten bekommen.«

Diesmal schaute ich überrascht drein. »Wie meinen Sie das?«

Sie spähte zurück zum Arbeitszimmer und senkte die Stimme auf ein Flüstern. »Der König kann die Händler nicht ausstehen. Dafür mag er starke Frauen. Bei dir muss er sich keine Sorgen machen, dass du leicht umgebracht werden könntest.«

Was für eine merkwürdige Äußerung. Ich nickte nur.

»Hast du irgendwelche Sachen dabei?«, fragte sie.

Ich schüttelte den Kopf. »Die Schuldner haben mich nichts mitnehmen lassen.«

»Egal. Kleidung, Kost und Logis werden bei dem Posten kostenlos zur Verfügung gestellt.«

Das erleichterte mich.

»Als persönliche Assistentin eines Königs wird von dir erwartet, dass du dich entsprechend kleidest. Immerhin vertrittst du seinen Hof. Keine Baumwolle. Nur Seide und Chiffon. Vorzugsweise mit Spitze. Du wirst dafür mit der Palastnäherin zusammenarbeiten«, erklärte Frau Tirth, während wir durch die Korridore gingen.

Ich liebte schicke Kleidung. Man brauchte mich nicht groß zu zwingen, damit ich Seide und Spitze trug.

»Reden wir über Verhaltensregeln«, fuhr die Obermagd fort. »Als Bedienstete des Königs ist es dir im Dienst untersagt, zu trinken. Fluchen und sonstiges undamenhaftes Benehmen werden ebenfalls nicht geduldet.«

Ich nickte. »Natürlich.«

Dahinter verbarg sich eine Geschichte, ein Grund, warum sie mich eigens darauf aufmerksam machte. Ich geriet in Versuchung, danach zu fragen.

Wir marschierten durch einen weiteren langen Flur, bevor wir an einer schwarz gestrichenen Doppeltür hielten.

»Nur noch rasch das Unbedenklichkeitsgelübde, dann kannst du dich in deiner Unterkunft einrichten.« Frau Ti‍rth lächelte zuckersüß.

Oh. Richtig. Ich hatte beinahe vergessen, dass ich dem zugestimmt hatte. »In Ordnung.«

Frau Tirth hob die Hand und klopfte mit ihrer faltigen Faust an. Die Tür öffnete sich.

Ich schnappte nach Luft, als ich dahinter den König erblickte.

Was zum ... Unwillkürlich spähte ich über die Schulter und fragte mich, wie er vor uns hier eintreffen konnte. Er war doch gerade noch im Arbeitszimmer gewesen. Mein Mund klappte auf, schloss sich, öffnete sich wieder.

Er zwinkerte. »Geheimgänge.«

Das Zwinkern löste etwas in meinem Innersten aus, doch ich verdrängte es. Geheimgänge. Ja, das klang einleuchtend.

Der König trat vom Eingang tiefer in den Raum zurück, wodurch ich einen besseren Blick darauf erhaschen konnte.

Oh. Mit Lichtkristallbetten hatte ich nicht gerechnet! Mein Vater erwähnte sie in den mir hinterlassenen Tagebüchern. Nur durch seine Abschriften hatte ich bisher überhaupt etwas über das Leben und Aufwachsen in Archmere erfahren können. Lichtkristallbetten besaßen heilende und stärkende Eigenschaften. Aber aus irgendeinem Grund hatte ich den Eindruck, sie könnten an diesem Tag einen anderen Zweck erfüllen.

Der König ging zu einem der pechschwarzen Betten, gehauen aus durchscheinendem, rauchfarbenem Stein. Er legte sich flach hinein. Der Raum enthielt sechs Kristallbetten, je zwei in Rosa, Lila und Schwarz, alle groß genug für einen erwachsenen Mann. Mit den weißen Steinböden und den mit hellviolettem Pergament ausgekleideten Wänden, die von goldenen Einsprengseln durchzogen waren, vermittelte die Kammer eine heilsame Beschaulichkeit.

»Leg dich in das andere schwarze Kristallbett«, forderte Frau Tirth mich nun auf.

Mein Herz hämmerte wild in der Brust, als ich mich dem Bett näherte.

Was genau umfasst dieses Gelübde?

Ich hatte gedacht, es wäre mehr ein Versprechen. Plötzlich jedoch beschlich mich die Sorge, es könnte Magie im Spiel sein. Aber ich wollte diesen Posten unbedingt, und ich hatte nicht die Absicht, dem König irgendwie zu schaden. Also würde ich es wohl einfach hinter mich bringen müssen.

Ich legte mich ins Bett und stellte überrascht fest, dass es sich nicht unbequem anfühlte, obwohl es aus Stein bestand. Es passte sich an meinen Körper an.

Kaum hatte ich mich vollständig ausgestreckt, leuchtete es in einem satten, schwarz-violetten Farbton auf.

»Äh ...«, machte ich.

»Das ist völlig normal.« Frau Tirth tauchte über mir auf. »Das Bett gleicht für das Gelübde lediglich dein Energieprofil mit dem des Königs ab und passt sie an.«

Unsere Energieprofile wurden angeglichen?

Na schön, einfach durchatmen, sagte ich mir und versuchte, mich zu beruhigen. Ich bin hier unter heilenden Elfen, die werden mich schon nicht umbringen. Richtig?

Frau Tirth schaute zum König hinüber. Offenbar zufrieden blickte sie wieder auf mich herab.

»Nenn deinen vollen Namen«, forderte sie mich in ernstem Ton auf.

Ich stieß zittrig den Atem aus. »Kailani Rose Dulane.«

Frau Tirth behielt mich mit stetem Blick im Auge. »Gelobst du, Kailani Rose Dulane, niemals Raife Lightstone, dem König der Elfen, in irgendeiner Form zu schaden?«

»Ja«, antwortete ich und verspürte Erleichterung darüber, dass es sich bloß um ein mündliches Gelübde handelte.

Frau Tirth kniete sich hin, wodurch sie sich nun auf Augenhöhe mit mir befand. Das violette Licht warf gruselige Schatten auf ihr Gesicht. »Gelobst du, niemals an einer Verschwörung zu seinem Schaden oder dem seines Reichs mitzuwirken? Gelobst du, niemals zu versuchen, ihm auch nur ein Haar zu krümmen, oder widrigenfalls dasselbe Schicksal zu erleiden?«

Die Fragen wurden zunehmend unheilvoller, und die schwarz-violette Energie um meinen Körper herum schien sich zusammenzuziehen und mich zu quetschen.

Dasselbe Schicksal erleiden? Wenn ich ihn also verletzte, würde umgekehrt ich verletzt? Dann handelte es sich um mehr als ein Gelübde – es war Magie im Spiel. Aber ich hatte ja tatsächlich nicht die Absicht, dem König irgendwie zu schaden. Und ich stammte aus Nightfall, einem Erzfeind seines Reichs, also würde er mir niemals vertrauen, wenn ich es nicht schwor.

»Ich gelobe es«, sagte ich. Prompt fiel der Druck von mir ab, und das Licht der Kristalle verblasste. Frau Tirth stand auf und trat zurück, als wäre jeder Zweifel an mir ausgeräumt.

Ich setzte mich auf, sah den mittlerweile vor mir stehenden König an und fragte mich, worauf zum Hades ich mich nur eingelassen hatte.

2

Am nächsten Morgen erwachte ich mit der Entschlossenheit, meine Einstellung zu ändern. Ich war keine Sklavin mehr, sondern eine königliche Bedienstete. Die Dauer meiner Tätigkeit betrug fünf Winter, danach könnte ich meine angestrebte Laufbahn als Heilerin fortsetzen.

Ich legte bloß einen kleinen Umweg auf meinem Lebensweg ein.

Nachdem ich mich gewaschen hatte, fand ich ein wunderschönes lavendelfarbenes Seidenkleid auf der Ankleidebank vor. Ich schlüpfte hinein, flocht mir das lange braune Haar über die Schulter und schminkte dezent die Augen und die Lippen.

Persönliche Assistentin des Königs.

All die Tage, die ich Bücher gelesen, Fremdsprachen gelernt, anspruchsvolle Rechenaufgaben gelöst und mich mit Naturwissenschaften befasst hatte, würden sich bald auszahlen.

Ich richtete mich selbstbewusst auf.

Dann klopfte es an der Tür. Als ich öffnete, stand Frau Tirth vor mir.

Sie wirkte angespannt, hatte Schweiß auf der Stirn, und aus ihrem Dutt hatten sich Strähnen gelöst. »Du siehst hübsch aus«, teilte sie mir mit.

»Danke.« Ich lächelte.

Sie stieß den Atem aus, als hätte sie ihn angehalten, bevor sie mir ein Pergament reichte. »Ich komme zu spät zur Einweisung der neu eingestellten Helferinnen und Helfer. Das hier sind der Zeitplan des Königs für diese Woche und die Besprechungsnotizen der letzten. Du musst ihn daran erinnern, was dabei besprochen worden ist, bevor er zur Sitzung geht.«

Ich nickte. Wie beschäftigt musste man sein, um zu vergessen, worüber man erst vor einer Woche geredet hatte?

»Außerdem ist der König hungrig. Du musst sein Essen vorkosten. Komm mit!«, befahl sie barsch und setzte sich den Flur hinunter in Bewegung.

Vorkosterin. Das hatte ich beinahe vergessen.

Rasch schlüpfte ich in die silbernen Sandalen, dann hastete ich hinter ihr her. Während wir zur Küche eilten, überflog ich den Zeitplan.

Sitzung mit dem Bauernbund.

Sitzung mit dem Ältestenrat.

Treffen mit Familien möglicher Gemahlinnen.

Krankenhausrundgang.

Sitzung mit den Bognern.

Mittagessen.

Sitzung mit dem Schatzmeister über Steuern.

Sitzung mit dem Landvermesser.

Sitzung mit dem Bergbaubund.

Abendessen.

Ich wurde schon vom Anblick der Liste der Besprechungen müde. Mir schwirrte der Kopf, als ich mir ausmalte, wie viel ich mir merken müssen würde. Ich hatte gehofft, der König würde eine Schreibmaschine besitzen. Aber angesichts der Feder und des Pergaments auf seinem Schreibtisch, zweifelte ich daran. Bis zum Ende des Tages würde mein Handgelenk ganz schön schmerzen.

Nightfall zeichnete sich durch Technik und Maschinen aus. Erfindungen wurden gefördert. Für Nützliches bezahlte die Königin stattliche Prämien. Aber ich wusste, dass man es außerhalb von Nightfall anders handhabte und »der Zeit hinterherhinkte«, wie wir zu sagen pflegten.

Frau Tirth stürmte in die Küche, wo deren Chef bereits wartete. Mich empfing er mit abschätziger Miene.

»Kailani, das ist Küchenchef Brulier«, stellte sie ihn mir vor.

Nach einem Blick auf mein schönes Kleid und geflochtenes Haar zog er die Augenbrauen hoch. »Neue Vorkos‍terin?«

»Vorläufig. Bis der König jemand anders findet«, erklärte Frau Tirth.

Der Küchenchef hielt mir einen Teller hin. Ich nahm ihn entgegen und beäugte die köstliche Fleischpastete und das Obstkompott.

»Wie viel esse ich davon?«, fragte ich Frau Tirth.

»Einen großen Bissen. Aber versuch, das Gericht nicht zu sehr zu verwüsten. Es muss vorzeigbar bleiben. Falls dir eine bittere oder faulige Note auffällt, meldest du es. Falls dir schlecht oder schwindlig wird oder du dich irgendwie sonst unwohl fühlst, sagst du es sofort.«

Anspannung krampfte mir den Magen zusammen. Ich würde gleich Essen auf Gift überprüfen. Plötzlich empfand ich die Aufgabe nicht mehr als so rosig. Obwohl es auch schlimmer hätte sein können. Ich könnte Geschirr abwaschen müssen wie die junge Frau hinten in der Küche. Ich erkannte sie vom Vortag. Mit ihr hatte ich mich auf dem Weg unterhalten. Wir hatten uns sogar einander vorgestellt.

Ich ergriff die Gabel, schob sie unter die herrlich braune Kruste und stach in ein großes Stück Fleisch samt vor Soße triefender Kartoffeln. Dabei achtete ich darauf, die Kruste oben nicht anzutasten, sondern eine weniger sichtbare Stelle mit auf die Gabel zu nehmen. Ich musste schließlich auch von ihr probieren, um herauszufinden, ob sie Gift enthalten könnte.

Nachdem ich mir den Bissen in den Mund geschoben hatte, kaute ich bedächtig. Aromen breiteten sich über meine Zunge aus, pfeffrig, cremig, köstlich.

»Lecker«, befand ich mit einem wohligen Stöhnen, und der Koch schaute erfreut drein.

»Bitterer Geschmack? Ein Brennen im Hals? Schwindelgefühl? Magenkrämpfe?«, fragte Frau Tirth.

Ich schüttelte den Kopf, und sie zeigte auf das Obstkompott.

Mir wurde eine frische Gabel gereicht, mit der ich ein herzhaftes, in Honig getunktes Stück Melone aufspießte. Ich steckte es mir in den Mund und kaute erneut. Süße erfüllte meinen Gaumen. Ich wartete auf das Einsetzen von Bitterkeit, doch es blieb aus.

Frau Tirth warf einen Blick auf ihre Taschenuhr. »Noch eine Minute.«

Da begriff ich ... Sie warten eine Minute, um zu sehen, ob das Gift zeitversetzt Wirkung zeigen würde.

Mein Herzschlag beschleunigte sich, als auch ich auf irgendwelche Anzeichen wartete. Nach einer Weile musterte sie mich. »Alles gut?«

Ich nickte und zeigte ihr den Daumen hoch.

»Den Teller musst du ihm servieren. Wenn es ein anderer Diener übernimmt, musst du noch mal kosten«, erklärte Frau Tirth.

Oh Mann. Der König schien unter Verfolgungswahn zu leiden. Angeblich galt das ja für die meisten Könige und Königinnen, aber das schien mir übertrieben zu sein. Ungeachtet dessen nickte ich und ergriff den Teller. Frau Ti‍rth zeigte auf eine Doppeltür. »Beim Frühstück kannst du ihm gleich alles Nötige für die erste Besprechung mitteilen. Und viel Glück! Ich muss mich sputen«, sagte sie und machte sich davon. Ich blieb mit einem Teller voll Essen und dem Stapel der Sitzungsnotizen der vergangenen Woche in der Hand zurück.

Schließlich durchquerte ich die geschäftige Küche in Richtung der Doppeltür, die ein Diener für mich öffnete. Er hielt einen Teller, der meinem glich.

Raife saß am Kopfende eines extravagant aussehenden Tischs. Allein.

Argwöhnisch beäugte ich den Diener.

»Ich habe das Essen für den König«, sagte ich laut und energisch. Warum hatte er einen ähnlichen Teller? Hatte er vor, sie im letzten Augenblick auszutauschen? Würde ich gleich an meinem ersten Tag einen Anschlag auf den König vereiteln?

Der Diener nickte. »Und ich habe deinen.«

Hitze kroch mir in die Wangen. Mit einer gemurmelten Entschuldigung betrat ich den Raum.

»Guten Morgen, Herr«, begrüßte ich den König, der gerade Pergamente durchsah.

Er schaute zu mir auf. Wie sein Blick gemächlich über mein Kleid wanderte, ließ mir noch mehr Hitze in die Wangen schießen.

Der Diener stellte meinen Teller vor den Platz links neben dem König.

Ich platzierte meinen vor Raife. »Kein bitterer Geschmack, und mir ist nicht übel geworden«, verkündete ich, bevor ich mich setzte.

Er nickte, beugte sich vor und roch genüsslich an dem Gericht. Als mächtigster Heiler des Reichs konnte er die meisten Gifte wittern, das wusste ich, allerdings gab es auch einige geruchlose.

»Hast du gedacht, der Diener wollte mich vergiften?«, fragte er unverhofft, und ich schluckte schwer, weil ich wusste, dass ich ihn nicht belügen konnte.

Na toll, er hat mich gehört.

»Ja. Es tut mir leid, wenn ich ihn gekränkt habe. Ich wollte nur ...«

»Entschuldige dich nie für den Versuch, mich zu beschützen. Egal, wen du dabei kränkst.«

Oh. Gut, das war erfrischend.

Ich nickte. Er ergriff die Gabel und starrte auf seinen Teller.

Auch ich nahm das Besteck zur Hand, war jedoch gut genug erzogen, um zu wissen, dass ich warten musste, bis er zuerst begann. Er wirkte ... nervös.

Hatte er Angst, das Essen könnte nicht sicher sein? »Herr, ist alles in Ordnung?«

Vielleicht stand mir eine so persönliche Frage nicht zu, doch er kam mir in dem Augenblick so gedankenverloren vor, die Gabel über dem Teller erstarrt.

Schließlich stieß er den Atem aus und schüttelte sich leicht. Er spießte ein Stück Obst auf, steckte es sich in den Mund und kaute. Ich entspannte mich ein wenig und nahm einen Bissen von meinem eigenen Essen.

»Bestimmt weißt du, dass die Königin von Nightfall meine gesamte Familie umgebracht hat, richtig?« Seine Frage kam so unverblümt, dass ich nach Luft schnappte, weil ich nicht dafür gewappnet war.

Warum sprach er das an? Und ausgerechnet beim Frühstück? Ich legte die Gabel weg und sah ihm in die Augen. »Ja, Herr. Jeder weiß das.«

Er nickte. »Weißt du auch, wie sie es getan hat?«

Ich zuckte zusammen. Natürlich nicht. Niemand fragte nach solchen Einzelheiten, wenn man erfuhr, dass eine ganze königliche Familie ausgelöscht worden war. Ich hatte nur gehört, dass die Königin alle ermordet und nur einen übrig gelassen hatte. Ihn.