THE DIVINE CHRONICLES 5 - SCHÖPFUNG - M.R. Forbes - E-Book

THE DIVINE CHRONICLES 5 - SCHÖPFUNG E-Book

M.R. Forbes

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Beschreibung

FREUND ODER FEIND? Mein Name ist Landon, doch unter Engeln und Dämonen kennt man mich als "Diuscrucis". Ich bin der Ausgleich zwischen diesen beiden Welten. Und wieder einmal muss ich eingreifen, denn keine Seite darf gewinnen. Es würde den Untergang der Welt bedeuten. Seltsame Dinge tragen sich zu: In New York werden Studentinnen bestialisch von Dämonen abgeschlachtet. Tausende Kilometer entfernt paktiert zeitgleich ein begnadeter Wissenschaftler mit Engeln. Gemeinsam arbeiten sie an einem geheimen Projekt, welches die Macht hat, Wissenschaft mit dem Übernatürlichen zu vereinen. Der Kampf zwischen Himmel und Hölle steht kurz bevor. Mir bleibt nur eine Möglichkeit diesen Krieg noch zu verhindern. Doch dafür muss ich mich mit dem Feind verbünden … Fünfter Teil der Dark Urban Fantasy Reihe von Michael Forbes.

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Seitenzahl: 417

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Deutsche Erstauflage

Titel der englischen Originalausgabe:

THE DIVINE CHRONICLES – EVOLUTION

1. Auflage

Veröffentlicht durch den

MANTIKORE-VERLAG NICOLAI BONCZYK

Frankfurt am Main 2021

www.mantikore-verlag.de

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe

MANTIKORE-VERLAG NICOLAI BONCZYK

Text © M.R. Forbes 2014

Deutschsprachige Übersetzung: Deborah Barnett

Lektorat: Anja Koda

Satz: Karl-Heinz Zapf

Cover- und Umschlaggestaltung: Jelena Begović und Matthias Lück

VP: 317-181-01-02-0721

eISBN: 978-3-96188-138-3

M. R. Forbes

SCHÖPFUNG

– THE DIVINE CHRONICLES –

Roman

INHALT

EINS

ZWEI

DREI

VIER

FÜNF

SECHS

SIEBEN

ACHT

NEUN

ZEHN

ELF

ZWÖLF

DREIZEHN

VIERZEHN

FÜNFZEHN

SECHZEHN

SIEBZEHN

ACHTZEHN

NEUNZEHN

ZWANZIG

EINUNDZWANZIG

ZWEIUNDZWANZIG

DREIUNDZWANZIG

VIERUNDZWANZIG

FÜNFUNDZWANZIG

SECHSUNDZWANZIG

SIEBENUNDZWANZIG

ACHTUNDZWANZIG

NEUNUNDZWANZIG

DREISSIG

EINUNDDREISSIG

ZWEIUNDDREISSIG

DREIUNDDREISSIG

VIERUNDDREISSIG

FÜNFUNDDREISSIG

SECHSUNDDREISSIG

SIEBENUNDDREISSIG

ACHTUNDDREISSIG

NEUNUNDDREISSIG

VIERZIG

EINUNDVIERZIG

ZWEIUNDVIERZIG

DREIUNDVIERZIG

VIERUNDVIERZIG

FÜNFUNDVIERZIG

SECHSUNDVIERZIG

SIEBENUNDVIERZIG

ACHTUNDVIERZIG

NEUNUNDVIERZIG

FÜNFZIG

EINUNDFÜNFZIG

ZWEIUNDFÜNFZIG

DREIUNDFÜNFZIG

VIERUNDFÜNFZIG

FÜNFUNDFÜNFZIG

SECHSUNDFÜNFZIG

SIEBENUNDFÜNFZIG

ACHTUNDFÜNFZIG

ÜBER DEN AUTOR

EINS

Am Anfang war Gott. Niemand weiß, wo Er herkam. Das Einzige, was wir wissen, ist, dass Er da war. Dass es ihn immer gegeben hat.

Nach Gott kamen die Seraphen, die Engel. Seine Kämpfer. Seine Armee. Er hat sie aus einem bestimmten Grund erschaffen.

Er hat sie erschaffen, damit sie das Biest bekämpfen: eine fremde Kreatur von einem anderen Ort, einem anderen Universum, eine Bedrohung für all das, was existiert.

Das Biest hatte Ihn um seine Hilfe gebeten, und in seiner Gutmütigkeit hat Er sie ihm gewährt.

Bis das Biest seinen Verstand verloren hat.

Bis das Biest versucht hat, alles zu zerstören, was Er geschaffen hatte.

Aus dem Sieg über das Biest erwuchs der mächtigste Seraph, Luzifer, und in seinem Schatten ein weiterer Engel, Malize.

Nur war er gar kein Engel …

Das Universum verlangt in allen Dingen ein Gleichgewicht und die Güte von Gott bildet hier keine Ausnahme.

Luzifer wandte sich gegen ihn, betrog ihn und fiel.

Um das Gleichgewicht zu halten, wurde die Hölle geschaffen.

Um das Gleichgewicht zu halten, folgte schon bald das Fegefeuer.

An diesem neuen Ort in der Unterwelt lechzte Luzifer nach dem, was Er geschaffen hatte. Er lechzte danach, eigenes Leben zu erschaffen.

Lechzte danach, zu zerstören, was Er geschaffen hatte.

Die Dämonen waren geboren.

Der Krieg begann.

Die Dämonen kamen auf die Erde, um Chaos und Zerstörung zu verbreiten. Die Engel stiegen vom Himmel herab, um sie zu bekämpfen.

Um das Gleichgewicht zu halten.

Jahrtausende vergingen.

Der Krieg wütete unaufhörlich.

Die Menschheit entwickelte sich weiter, blühte auf, war fruchtbar und vermehrte sich.

Die Welt gehörte ihnen, oder zumindest dachten sie das. Heimlich, im Verborgenen, ging der Krieg weiter. Unter allem ruhte das Gleichgewicht, ein Universum, das auf einer Nadelspitze balancierte.

Ein richtiger Stoß in die Arme der Dämonen, die Versklavung der Menschheit, die Verwüstung der Erde.

Ein richtiger Stoß, um die Gläubigen zu ihrem Schöpfer zu bringen, alle anderen würden der Verwüstung zum Opfer fallen, nicht mehr wert als Futter für die Dinge, die blieben.

Mein Name ist Landon Hamilton.

Einst war ich nicht mehr als ein Mann.

Einst war ich ein Diuscrucis: Meine Seele war ein perfektes Gleichgewicht aus Mensch, Dämon und Engel. Ich war ein Krieger des Fegefeuers, ein Held für die Menschheit.

Einst habe ich einen Gott bekämpft und gewonnen.

Einst war ich selbst ein Gott gewesen.

Das war in der Vergangenheit und die Vergangenheit liegt hinter mir.

Heute: Mein Name ist Landon Hamilton. Ich bin kein Mensch, kein Gott, kein Engel oder Dämon, nicht einmal mehr ein Diuscrucis, obwohl mir der Titel noch gehört.

Ich bin nur Landon.

Ein in die Jahre gekommener Veteran. Ein alter Hund mit neuen Tricks.

Der Krieg wütet weiter.

Das Gleichgewicht muss gehalten werden.

Die Zukunft der Menschheit hängt davon ab. Hängt von mir ab.

Hängt von uns ab.

Wenn du das hier gefunden hast. Wenn du das hier liest. Wenn du diese Worte sehen und verstehen kannst. Wenn du dich dem Kampf anschließen willst.

Finde mich.

ZWEI

Der Wind fegte durch die Abstände zwischen den Hochhäusern, traf meine linke Seite, wirbelte meine Haare durcheinander und ließ meinen geöffneten Mantel gegen meine Hüfte schlagen. Ich konnte den Sog fühlen und hörte das Pfeifen in meinen Ohren.

Ich war froh, dass ich die Kälte nicht spürte.

Es war spät, drei Uhr morgens. Die Stadt schlief nicht. Diese Stadt schlief nie. Es war jedoch still, die meisten Menschenansammlungen bestanden aus nächtlichem Partyvolk, Leuten, die mit ihren Hunden spazieren gehen und Ähnlichem. Ich manövrierte um sie herum, ohne ihnen groß meine Aufmerksamkeit zu schenken. Ich war einer von ihnen und gleichzeitig hatte ich nichts mit ihnen gemeinsam.

Ich ging an einer steinernen Fassadenecke vorbei und spähte in die dunkle Gasse. Mein Magen knurrte aus Protest, eine Erinnerung daran, dass ich etwas essen musste. Ich hoffte, dass mich das Geräusch nicht verraten würde.

Ich ging weiter.

Erst drei Häuserblocks später kamen sie, insgesamt sechs, einer aus einer anderen Gasse, einer von der gegenüber liegenden Seite und drei von dem Dach zu meiner Linken. Es war ein langer Fall, aber sie konnten ihn verkraften. Sie waren Dämonen.

Vampire.

»Hast du dich verlaufen, Fremder?«, fragte der offensichtliche Anführer.

Er war gutaussehend, in Kakihose und einem Poloshirt. Ich erinnerte mich daran, ihn in der Bar gesehen zu haben. Er musste eine Straße weiter oben genommen haben, um mich zu überholen, und ist dann umgekehrt und zurückgekommen. Ich war nicht überrascht. Das war typisch.

Zwei Jahre war es her, als ich die Macht eines Gottes in meinen Händen gehalten hatte.

Zwei Jahre, seit ich sie abgelehnt habe.

Zwei Jahre, seitdem ich wiedergeboren wurde, nicht länger ein Geschöpf der Göttlichen.

Es war seltsam, dass es immer solche Situationen waren, die mich reflektieren ließen, die stets Erinnerungen an Charis und Clara, meine Frau und Tochter, brachten. Ich konnte nicht anders über sie denken, obwohl Charis und ich niemals wirklich verheiratet gewesen waren, niemals intim geworden waren. Auch wenn Clara nicht viel mehr als eine Erfindung des Gefängnisses gewesen war, in dem wir zusammen gefangen gewesen waren, eine Manifestation unserer Macht. Auf eine gewisse Art und Weise war es wie eine endlose Schleife. Ich denke, es lag daran, dass ihre Geister mich daran erinnerten, wieso ich noch immer hier war. Warum ich geblieben bin.

»Ich habe dich gefragt, ob du dich verlaufen hast«, wiederholte der Vampir. Er war selbstbewusst, und wieso sollte er das nicht sein? Ich war umzingelt.

Sie hatten ihre Krallen nicht ausgefahren, noch nicht. Ich war sicher, dass sie annahmen, es nur mit einem weiteren Sterblichen zu tun zu haben, einem Stück Fleisch. Mein Alter und meine geschmeidige Statur suggerierten, dass ich nicht die verdorbene Kraft des Biestes in mir trug, die die Hälfte ihrer Nahrungskette vergiftet hatte.

Vor zwei Jahren hätten sie mich als einen Engel oder Dämon gesehen. Vielleicht hätten sie sogar gewusst, wer ich bin. Diese Tage waren vorbei. Sie sind mit Charis und Clara gestorben. Ich war jetzt anders.

Neu.

»Ich weiß genau, wo ich bin.«

Polo sah seine Gehilfen an, leicht verwirrt wegen meines unerwarteten Selbstbewusstseins. Sie konnten nicht wissen, wie ich aussah, was ich war.

»Fesselt seine Hände und durchsucht ihn«, sagte Polo schließlich und gestikulierte mit seinen Fingern. »Wenn dein Blut rein ist, wirst du eine nette Mahlzeit sein.«

Ich legte meine Hände auf meinen Rücken, hielt sie zusammen, um ihnen das Fesseln zu erleichtern.

»Was tust du da?«, fragte Polo. Seine Stimme zitterte leicht. Unsicher. Die meisten Menschen boten sich nicht freiwillig als Vampirfutter an.

Ich fühlte, wie ein paar raue Hände sich meine Handgelenke schnappten. Ich hatte meine göttliche Kraft aufgegeben. Das bedeutete nicht, dass ich machtlos war.

Ich verlagerte mein Gewicht, zerrte und zog an dem Vampir hinter mir, schwenkte ihn wie einen Fleischhammer und warf ihn in seinen Partner zu meiner Linken. Sie stürzten zu Boden, die anderen fauchten und entblößten ihre Zähne und Krallen, ihre Augen verwandelten sich in leeres Schwarz.

Sie griffen mich an.

Ich kauerte mich in eine Verteidigungshaltung, ließ Polo nicht aus den Augen und beobachtete die anderen aus meinen Augenwinkeln heraus. Der Vampir war eine verschwommene Form zu meiner Linken, und ich fasste seinen Arm mit meiner linken Hand und seine Brust mit meiner rechten. Ich verwendete seine eigene Masse und Trägheit gegen ihn, änderte seine Richtung und vergrub ihn im Zement.

Sein Genick brach mit einem feuchten Knacken.

Ich duckte mich, griff in meine Tasche und drehte mich erneut, während ich meine Hände dem herankommenden Angreifer entgegenstreckte.

Er fand sich auf einer vier Fuß langen römischen Spatha aus Obsidian aufgespießt wieder, die sowohl mit dämonischen Runen als auch mit Seraphen-Schriftzeichen verziert war. Mühelos bohrte sie sich zwischen seine Rippen und kam hinten am Rücken wieder raus. Ich befreite ihn, stieß ihn fort und blieb mit einem kleinen, schwarzen Stein in meinen Händen zurück, den ich fest umschlossen hielt. Gleichzeitig rollte ich mich nach rechts, um dem fallenden Vampir auszuweichen, der gerade weihrauchdampfend verstarb. Erneut kam ich auf meine Beine mit einer Klinge in meinen Händen.

Ich wurde von einer einzigen Masse aus Zähnen und Klauen begrüßt. Die restlichen Vampire gaben alles, um mich dingfest zu machen. Ihr Angriff war organisiert und grausam. Sie wussten genau, was sie taten. Sie wussten zu kämpfen.

Einst war die Seele eines jahrhundertealten Engels mit meiner eigenen vereint gewesen. All ihre Erinnerungen und all ihr Wissen hatten mir gehört. Sie war ein intimer Teil von mir gewesen, eine Vertraute und eine Freundin. Obwohl Josette nicht mehr da war, bestanden die Erinnerungen fort, hallten in meinem Geist nach.

Sie hatten keine Chance.

Einen Vampir traf die Klinge aus Obsidian direkt ins Herz, einen anderen in den Magen, und ein dritter versuchte davonzulaufen. Ich warf die Spatha, die ihn im Rücken traf. Er fiel auf den Gehsteig und verbrannte zu Asche. Bisher hatte ich Polo in Ruhe gelassen, jetzt griff ich ihn an der Kehle und warf ihn gegen die Mauer. Er knallte hart dagegen und rutschte zu Boden, seine Klauen zogen sich ein, seine verängstigten Augen nahmen wieder ein normales Braun an.

»Diuscrucis?«, vermutete er etwas zu spät.

»Ich suche nach Randolph.«

»Hearst? Warum?«

»Er hat versucht, die Solen-Familie neu zu gruppieren.«

Sie war einst die stärkste Vampir-Familie im Nordosten gewesen, bis ihr Patriarch, Merov, sich mit seiner Tochter angelegt hatte und verlor. Die Familie hatte sich ihr angeschlossen, doch sie war in die Hölle gegangen und hatte sie ohne Führung zurückgelassen.

Rebecca.

Sie war der Grund gewesen, dass das Biest befreit werden konnte.

Sie war auch teilweise der Grund gewesen, dass es besiegt werden konnte.

Ich hatte seither nicht mehr an sie gedacht.

Zumindest bis vor Kurzem. Nicht, bis ich herausgefunden hatte, dass Merovs vormaliger Buchhalter versuchte, sich an die Spitze der noch verbliebenen Solen-Familie zu setzen. Er muss gewusst haben, dass solch ein Versuch meine Aufmerksamkeit erregen würde. Er zählte wahrscheinlich darauf. Wenn er eine Idee hätte, wer ich war und wo ich mich aufhielt, hätte er mich einfach anrufen oder mir eine Postkarte schicken können. Die Göttlichen sahen mich jetzt nur noch als einen Mensch. Das machte es einfach, sich anzupassen, zu verschwinden.

»Sie werden ihn nicht akzeptieren«, erwiderte Polo. »Er ist ein Erbsenzähler, kein Alpha. Darüber musst du dir keine Sorgen machen.«

»Verteidigst du ihn?«

»N…Nein. Ich kenne Hearst. Er ist ein Verkäufer. Er hat immer etwas Bestimmtes im Sinn.«

»Das ist der Grund, warum ich mit ihm reden muss. Warum beinhaltet sein Vorhaben mich?«

»Ich weiß nicht, was du meinst.«

»Weißt du, wo ich ihn finden kann?«

Polos Augen sprangen hin und her, als ob er erwartete, dass er aus der Dunkelheit auftauchen würde. »Er mag die Strip-Clubs. ‚Lagerbestand‘ nennt er sie. Versuch das Penthouse.«

Sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Er war ängstlich gewesen, aber jetzt, da er mir gesagt hat, was ich wissen wollte, war er panisch. Seine Hände bewegten sich über den Zement in seinem Versuch, sich weiter von mir wegzubewegen.

Ich würde ihn nicht töten. Es gab keinen Grund.

Ich drehte mich um und ging fort, blieb nur kurz stehen, um die Spatha zu holen und sie zurück an ihren Platz zu stecken. Ich machte mir keine Sorgen, Polo könnte jemandem erzählen, dass er mich gesehen hat oder wusste, wie ich aussah.

Kurz nachdem er mich aus den Augen verloren hat und ich ihn auch nicht mehr sah, würde er alles im Zusammenhang mit mir vergessen.

Das war eine von Malizes Fähigkeiten gewesen, und ich war schlau genug, mir diese zu sichern, als ich wiedergeboren wurde. Die Anonymität gab mir Zeit zum Schlafen und Ausruhen und zum Nachdenken, ohne dabei Sorge haben zu müssen, von Dämonen angegriffen oder von Engeln belästigt zu werden. Sie ließ mich im Verborgenen und in Sicherheit bleiben. Sie machte es so gut wie unmöglich, mich zu finden.

Gleichzeitig erlaubte sie mir, mich näher bei den Leuten aufzuhalten, die ich beschützte. Sie gab mir das Gefühl, menschlich zu sein, weil ich immer ich selbst sein konnte. Ich wusste von dem Biest, dass dies das Geheimnis war, um das Gleichgewicht aufrechterhalten zu können. Er hatte vergessen, wer er war, für was er gekämpft hatte. Ich konnte es mir nicht erlauben, dass mir dasselbe passierte. Ich konnte noch immer die Zerstörung sehen, die sein Versagen mit sich brachte. Ich konnte noch immer die Leere spüren. Als er die eine verlor, die er liebte, hatte er alles verloren. Ich hatte jene verloren, die ich liebte, und ich hatte überlebt. Es war nicht immer einfach und es gab Zeiten, da schmerzte es, als ob es gerade eben erst passiert ist, aber ich hatte mich geweigert aufzugeben. Es war die Verantwortung, die ich übernommen habe, der Job, den ich akzeptiert habe. Wenn ich es nicht schaffte, in mir ein Gleichgewicht zu halten, würde nicht nur ich leiden.

Ich schloss meine Augen, ein Bild von Charis und Clara erschien in den Ecken der Dunkelheit. Ich hatte überlebt, weil es jemand musste. Ich hatte überlebt, damit sie unter den Sternen leben konnten, wissend, dass sie nicht versagt hatten.

Ich sah nach oben in den Nachthimmel, dieselben Sterne, die durch die Wolken kaum sichtbar waren. Vielleicht würde ich ihr eines Tages dort Gesellschaft leisten, wenn die Menschheit stark genug war, um sich in dem Krieg zwischen Himmel und Hölle selbst zu verteidigen.

Eines Tages, aber nicht heute.

DREI

‚Das Penthouse‘ war die Abkürzung für den Penthouse Executive Club. Es war ein gehobener ‚Gentlemans‘-Club an der 11ten und 45ten, nicht weit entfernt von der Stelle, wo die Intrepid am Hafen lag. Obwohl ich nie dort gewesen war, wusste ich, wo der Club sich befand. Ich wusste, wo alles war in dieser Stadt.

Ich beobachtete den Eingang von der gegenüberliegenden Straßenseite aus, verborgen im Schatten einer dunklen Ecke. Ich konnte noch immer den Wind in meinen Ohren hören und ihn in meinen Haaren spüren. Gegenüber von mir wartete eine Schlange Limousinen am Eingang des Clubs, ihre Fahrer standen geduldig auf der Beifahrerseite, bereit, die Passagiere in Empfang zu nehmen, sobald diese durch die Türen kamen. Genau wie ich, schienen sie der Kälte gegenüber immun zu sein. Einige waren es, weil sie unter ihren Tuxedos und Wollmänteln weitere Schichten Kleidung trugen.

Einige waren es, weil sie nicht menschlich waren.

Ich konnte die Göttlichen nicht mehr spüren, nicht in einer Form aus Hitze und Kälte, Himmel und Hölle, die meine Seele kitzelte. Was ich konnte, war, sie zu sehen in einer Art und Weise, wie es der schwächste Erwachte Mensch konnte. Wenn ich sie ansah, erkannte ich, was sie waren. Unter den fünf Fahrern befand sich ein Umgewandelter, ein Mensch, der seine Seele an einen Dämon im Austausch für Macht verkauft hatte, und ein Vampir, der gegen die Motorhaube eines klassischen Rolls lehnte und arrogant durch die Gegend schaute.

Ich konnte erahnen, welches Auto Hearst gehörte.

Es war drei Uhr morgens und der Club würde bald schließen. Es gab keinen Grund, hineinzugehen und das Leben von sterblichen zu riskieren. Stattdessen beobachtete ich die wenigen Fußgänger, die Menschen, die in den Club gingen und herauskamen, und die Bewegungen der Fahrer.

Als ich eine Lücke entdeckte, trat ich aus dem Schatten hervor und ging auf den Vamp zu. Während ich mich bewegte, verwandelten sich meine Jacke und meine Jeans in einen schicken Smoking und einen Mantel, die der Standardkleidung der Fahrer ähnelte.

»Hey, Kumpel«, sagte ich, während ich direkt auf den Vamp zuging. Er reagierte kaum, lediglich seine Augen bewegten sich nach links, damit er mich sehen konnte.

»Brauchst du was?« Er war groß und dünn und hatte etwas Sanftes an sich. Ich starrte ihn für einige Sekunden an. Er war nicht rein.

Als das Biest aus seinem Gefängnis entkommen war, hatte seine Macht damit begonnen, diese Welt zu überfluten. Diese Macht hatte die Menschheit infiltriert, war in ihre Seele geflossen und hatte jene beeinflusst, die selbst in einer noch so dürftigen Art und Weise von göttlicher Herkunft waren, was eine größere Menge darstellte als man wohl vermuten mag. Einige wurden krank und starben. Einige blieben unberührt.

Einige bemerkten nichts und wurden gleichzeitig zu Gift für die Kreaturen von Luzifer, die menschliches Blut zum Überleben brauchen.

Einige, weniger als ein Prozent, verwandelten sich.

In was sie sich verwandelten, war von ihrer Herkunft abhängig, und in den meisten Fällen bedeutete es, dass sie zu irgendeiner Art Dämon wurden. Schließlich waren die Teufel und Vampire und Werwölfe die Vergewaltiger.

Gott hatte seine Engel davon abgehalten, sich mit den Menschen einzulassen, und soweit ich wusste, gab es nur einen Sterblichen, der engelsgleiche Fähigkeiten geerbt hatte.

Er war in Frankreich, verliebt in seine Schwester.

»Kalte Nacht«, sagte ich.

Jetzt drehte er seinen Kopf. »Ich bin nicht in Stimmung für Small Talk, Kumpel.«

Das letzte Wort hörte sich wie ein Fluch an.

»Ich auch nicht.«

Ich hatte meinen Arm um seine Schulter gelegt, bevor er reagieren konnte und drehte ihn weg, damit wir für die anderen Fahrer nicht zu sichtbar waren. Ich schlug hart seitlich gegen seinen Kopf, gegen seine rechte Schläfe, hielt sein Gewicht, als er sein Bewusstsein verlor. Ein echter Dämon würde niemals so schnell ohnmächtig werden. Halb schleppend, halb tragend brachte ich ihn zu dem hinteren Teil des Wagens, dabei hielt ich ihn fest und unterhielt mich mit ihm, als ob wir alte Freunde waren. Er hing schlaff in meinen Armen und ich fand die Schlüssel in seinen Taschen und öffnete den Kofferraum. Ich behielt die anderen Fahrer im Auge, überprüfte, ob uns auch niemand beobachtete und warf ihn dann schnell hinein. Ich schlug den Kofferraum zu und lehnte mich einige Minuten dagegen, um sicherzustellen, dass niemand den Austausch bemerkt hatte. Als alles ruhig blieb, ging ich zu der Fahrerseite und setzte mich hinter das Steuer.

Ich schaute in den Spiegel, positionierte die Fahrermütze so, dass sie tiefer über meinen grauen Augen hing und schuf so einen Schatten, der mich für etwa drei Sekunden verbergen würde. Das war die Zeit, die ich benötigte, um sicherzustellen, dass Hearst keinen Bodyguard dabei haben wird.

Dann wartete ich.

VIER

Ich musste nicht lange warten.

Die hintere Tür des Rolls öffnete sich und Randolph Hearst ließ sich auf den Rücksitz fallen. Ich schielte nach hinten, sah keine Begleitung, als er die Tür schloss.

»Warum zur Hölle füttere ich dich, äh?«, fragte er. »Du solltest die gottverdammte …«

»Randolph.«

Hearst lächelte. »Landon. Ich habe mich schon gefragt, wann du meine Nachrichten erhalten würdest.«

Er war alt, mit dünnem, weißem Haar und vielen Falten. Jedes Mal, wenn ich ihn sah, erinnerte er mich an meinen Onkel Luther, sanft und leicht zu unterschätzen.

Ich wusste, dass Hearst diesen Eindruck mochte, weil er nicht der Stärkste war, und das musste er auch nicht sein. Er wusste zu manipulieren und er wusste, wo er zustechen musste, sobald du ihm den Rücken zudrehst.

Das machte ihn um einiges gefährlicher als Merov jemals gewesen ist.

»Deine Jungs spät in der Nacht loszuschicken, um Betrunkene zu entführen … Nicht deine einfallsreichste Idee.«

Er lachte. »Ich hätte aufgehört, aber niemand scheint zu wissen, wo du lebst. Wie auch immer, einfach ist stets besser, und ich musste sichergehen, dass du zuerst Fragen stellen würdest.«

Seine Stimme war rau, mit einem schweren New Yorker Akzent. Er würde einen großartigen Paten abgeben.

»Anstatt dich einfach zu töten?«

»Es ist besser, dass du es nicht einmal versuchst.«

»Die Solen-Familie wieder zusammenzubringen, ist nicht der Weg dies zu verhindern.«

»Vertrau mir, wenn ich sage, dass du größere Probleme hast.«

»Ich nehme an, dass ist der Grund, wieso du reden wolltest?«

»Das ist er.« Er sah aus dem Fenster. »Nachdem du meinen Fahrer anscheinend außer Gefecht gesetzt hast, würde es dir etwas ausmachen, mich nach Hause zu bringen? Ich bin sicher, dass du bereits weißt, dass ich Merovs alte Hütte renoviert habe.«

»Warum nicht?« Sobald ich weg war, würde er sich erinnern, dass wir geredet haben. Er würde aber nicht wissen, wann und wo.

»Du bist ein echter Gentleman.«

Ich ließ den Wagen an und fädelte mich in den Verkehr.

»Also, rede.«

»Hast du jemals von Matthias Zheng gehört?«

»Kann ich nicht behaupten.«

»Er ist ein Chinese-Amerikaner in dritter Generation. Er hat einen Doktortitel in Engineering von der Stanford. Danach arbeitete er in einem Labor in New Mexico für die Regierung. Wie meine Leute herausfinden konnten, hatte das Startup für das Militär an irgendeiner fortschrittlichen Robotertechnik gearbeitet.«

Ich lachte. »Seit wann interessiert es Vampire, was irgendeine militärische Regierung tut?«

»Es interessiert mich nicht, was das Militär macht. Ich interessiere mich für Matthias Zheng. Wenn man alles glauben darf, ist der Mann ein Genie, vielleicht sogar so schlau wie ich.« Es folgte ein raues Lachen. »Er wurde bei Gesprächen mit dem Feind beobachtet.«

»Mit den Engeln? Er ist ein Erwachter?«

»Nicht, wenn ich nach meinen Quellen gehe. Nur ein gewöhnlicher Kerl, so wie du anscheinend auch. Offensichtlich kann das Aussehen trügen.«

»Ich bin ein besonderer Fall.«

»Vielleicht bist du nicht so speziell wie du denkst. Wie auch immer, du kennst Valerix?«

»Den Großdämon der Westküste? Sie verhält sich schon seit einer Weile ruhig.« Wenn ein mächtiger Dämon wie sie sich ruhig verhielt, bedeutete es, dass sie etwas im Schilde führt. Indem ich Randolph dies mitteilte, machte ich ihm auch deutlich, dass ich Valerix im Auge behielt.

»Sie war es gewesen, die mir gesagt hat, dass ich dich finden muss und dir diesen Hinweis geben soll. Wenn ein Großdämon beunruhigt ist, muss etwas dran sein, oder?«

»Oder es könnte eine Falle sein.«

Hearst lachte. »Wie zur Hölle sollten wir dir eine Falle stellen? Wir wissen nicht einmal, wo du zu finden bist, seit dem ganzen Scheiß mit dem Biest.«

Ich drehte meinen Kopf und sah ihn an. »Das bedeutet nur, dass ihr euch mehr anstrengen müsst. Ich bin kein Idiot, Randolph. Mich dazu zu bringen, mich zu zeigen, wäre der erste Schritt in jedem Plan.«

Er streckte seine Hände aus, versuchte unschuldig auszusehen. Als ob ein Vampir jemals unschuldig aussehen könnte. »Sie wollte, dass ich dir von Zheng erzähle. Du kennst mich, Landon. Ich bin ein Überlebenskünstler. Ich fange nichts mit deiner Sorte an, ohne wirklich triftige Gründe. Und die gibt es nicht, noch nicht zumindest.«

Ich konnte dieser Logik nichts entgegensetzen. Nachdem er keine gewaltigen Kräfte besaß, musste er sich damit begnügen, geduldig zu sein und extrem berechnend, wenn er einen Teil des Kuchens abbekommen wollte. Ich war noch immer eine zu große Unbekannte für ihn, um solch ein Risiko einzugehen.

»Du hast mir einen Namen gegeben und ihm unterstellt, ein Fan von Gott zu sein. Du hast mir nicht alles gesagt, was du weißt.«

»Scharfsinnig, wie immer. Valerix hat gesagt, dass sie einen Sukkubus in das Gebäude geschickt hat, wo er lebt, und sie dort als eine seiner Nachbarinnen untergebracht ist. Sie hat alle ihre Tricks an ihm versucht, und er hat sie verscheucht wie irgendeine Mücke oder so was in der Art. Also dachte sie, vielleicht steht er auf Jungs. Nichts. Er ist immun gegen dämonische Macht.«

Ich schaute wieder zu ihm nach hinten. Es war unmöglich für jemanden, immun zu sein und nicht Göttlich.

Es sei denn, sie waren wie ich.

»Ist wie ein Arschtritt, oder?«, fragte er. »Im Westen geht etwas vor sich, Diuscrucis. Die Engel verhalten sich seit zwei Jahren still. Sie überlassen es dir, das Chaos, welches das Biest angerichtet hat, aufzuräumen und alles wieder in Ordnung zu bringen. Das sind zwei Jahre, in denen sie Zeit hatten, in denen sie sich vorbereiten konnten. Um uns zu zerstören … oder um dich zu zerstören.«

Oder beides.

»Wenn du mehr Informationen möchtest, musst du mit Valerix reden.« Er griff in die Tasche seines Jacketts und hielt mir ein Stück Papier hin. »Ihre Adresse. Sie erwartet, dass du ihr irgendwann einen Besuch abstatten wirst.«

Ich nahm es. Es fühlte sich wie eine mögliche Falle an, aber der Gedanke, dass es jemand anderen da draußen gab mit Immunität gegen das Göttliche, der mit den Engeln zusammenarbeitet … das war eine Kuriosität und ich war sehr neugierig.

»Ich bin sicher, du kennst den Rest der Strecke«, sagte ich, während ich das Auto mitten auf der Straße anhielt. Wir waren noch immer gute zehn Häuserblocks von Merovs Penthouse in Uptown entfernt.

»Wohin gehst du?«, wollte Randolph wissen.

»Dir war aufgetragen worden, eine Nachricht zu überbringen, und das hast du getan. Ich werde sehen, was ich herausfinden kann.« Ich öffnete die Tür und stieg aus. Ich lehnte mich nochmals hinein und sah den Vampir an. »Pass auf dich auf, Randolph. Die Familie wieder zusammenzubringen … das ist gefährlich.«

Er schaute mich finster an, offensichtlich unglücklich darüber, die Wahl treffen zu müssen, entweder den Rest des Weges zu laufen oder sich selbst nach Hause zu fahren. »Du weißt, dass ich mich immer vorsichtig verhalte.«

Ich knallte die Tür zu und ging fort, den Weg zurück, den wir gekommen waren.

Das wusste ich.

Und das war der Grund für meine Nervosität.

FÜNF

Die Eckwohnung in einem heruntergekommenen Gebäude im Theater Distrikt war meine gegenwärtige Bleibe. Es war ein unscheinbares, anspruchsloses, kleines Loch in der Wand, das nur durch eine eingeritzte Adresse im Eckpfeiler markiert wurde. Eine nie verschlossene Haustür erlaubte Einlass in das Gebäude. Noch gewöhnlicher ging es nicht, und es war die reinste Form von sich-in-aller-Öffentlichkeit-verstecken.

Ich ging in das mit Postfächern bestückte Foyer und dann durch die zweite Tür in den Treppenaufgang. Die Treppen führten hinauf bis in den dreiundvierzigsten Stock, und alles um mich herum war dunkel und still. Ich legte meine Hand auf meinen Bauch, als er erneut knurrte, und stieg dann zu meinem Apartment im zehnten Stock hinauf. Ich hätte den Aufzug nehmen können, aber der war alt und launisch und würde unweigerlich die Aufmerksamkeit der Nachbarn auf mich ziehen. Ich erreichte die obere Stufe und ging um den Bannister herum, schaute dabei den bekannten Flur hinab, mit dem verhältnismäßig neuen Teppich und dem hartnäckigen Geruch nach Farbe, obwohl die Wand bestimmt seit mindestens zehn Jahren keinen neuen Anstrich gesehen hatte. Ich hielt innen, als ich bemerkte, dass meine Tür einen Spalt offen stand.

Wer würde sich um diese Zeit in meiner Wohnung aufhalten?

Es gab insgesamt nur drei Leute, die überhaupt wussten, wo ich wohnte. Dante würde niemals die Tür benutzen, Elyse erledigte gerade etwas in Südafrika und Obi wusste es besser, als einfach unangemeldet vorbeizuschauen.

Es war eine weitere Kuriosität.

Ich ging weiter, gleichmäßig und ruhig.

Es war hier zu eng, das Schwert würde nicht viel nützen, daher suchte ich nach der Wurzel meiner Macht im Kern meiner Seele und zog sie wie ein elastisches Band durch meinen Körper, in meine Muskeln, verstärkte meine Kraft und meine Geschwindigkeit. Das genügte, damit mein rund siebzig Kilo schwerer Körper es mit einem Göttlichen aufnehmen konnte. Ich erreichte meine Tür und legte die Hand dagegen, lauschte einige Sekunden, bevor ich sie aufstieß. Das laute Quietschen der eingerosteten Türangeln gab jedem Eindringlig genug Warnung, dass ich nach Hause kam. Ich trat über die Schwelle und pausierte, atmete die Luft ein.

Parfüm?

Mein Apartment konnte man als spartanisch bezeichnen. Ich besaß ein Schlafzimmer mit einer Matratze auf dem Boden und ein Wohnzimmer mit einem Sofa und einem Tisch, den ich bei der Wohlfahrt gekauft habe. Einige Handtücher und das übliche Waschzeug lagen in meinem Bad. Dann gab es noch einen Kühlschrank, dessen Tiefkühlfach mit Eis vollgestopft war, und einen Ofen, der nicht benutzt wird. Darüber hinaus war die Küche weitgehend leer. Für die meisten war das wohl eher erbärmlich, doch ich brauchte nicht viel. Kleidung war kein Thema und ich schaute kein Fernsehen. Ich versteckte meinen Laptop in der Decke, wenn ich nicht zu Hause war, und die restliche Einrichtung lagerte im Keller in einer angemieteten Einheit.

Eine Handtasche lag in der Ecke des Sofas.

Der Wasserhahn lief im Badezimmer.

Wer immer da war, war weiblich, und nicht sehr schlau. Das laufende Wasser hatte mein Eintreten übertönt. Leise schlich ich zu der Badezimmertür und drückte mich gegen die Wand. Der Wasserhahn wurde abgestellt, ich hörte Hände am Handtuch. Die Tür öffnete sich und ich verschwand hinter ihr.

Ich sah sie durch die Ritze. Mittelgroß, schulterlanges, braunes Haar, modern geschnitten. Schmale Statur und Brüste, die dazu nicht im Verhältnis standen. Sie trug einen kastanienbrauen Pulli und Jeans.

Sie war nicht Göttlich.

Als sie bemerkte, dass die Tür offen stand, holte sie unter ihrem Pulli eine Waffe hervor und bewegte sich damit wie jemand, der sich mit Waffen auskannte.

Ich schloss die Badezimmertür hinter ihr, griff ihr Handgelenk, als sie sich umdrehte und auf mich zu zielen versuchte. Ich drückte gegen den Nerv an ihrem Handgelenk und zwang sie so, die Waffe auf den Linoleumboden fallenzulassen.

»Ich hätte geklopft, aber ich wohne hier. Wer bist du?«

Sie hatte braune Augen und ein hübsches Gesicht. Ihr Gesicht spannte sich im selben Moment an, als sie versuchte, mir aufs Kinn zu schlagen. Ich ließ den Schlag zu und schaute sie weiter regungslos an. Sie versuchte, gegen mein Knie zu treten, und ich wich gerade weit genug aus. Sie traf mein Bein, hart genug für einen blauen Fleck, der sich binnen Sekunden wieder heilen würde.

Ich ließ ihr Handgelenk los.

»Es ist nicht wirklich höflich, jemanden in seinen eigenen vier Wänden anzugreifen«, sagte ich.

Sie erwiderte nichts. Stattdessen griff sie erneut nach der Waffe, hob sie auf und hielt den Lauf an meine Brust. Ich versuchte nicht, sie aufzuhalten. Sie konnte mir so oder so nicht wehtun.

»Können wir darüber reden …«

Der Knall der Waffe ließ meine Ohren klingeln. Ich fühlte, wie die Kugel sich in mich bohrte und durch mich hindurch ging, an meinem Rücken austrat und sich in die Wand bohrte. Ich schloss meine Augen und atmete tief ein, fühlte, wie die Energie sich um die Wunde legte und alles wieder an seinen Platz beförderte. Ich hatte bereits Schmerzen durchlebt, die tausendmal schlimmer waren als erschossen zu werden.

Sie ließ die Waffe fallen und trat zurück.

»Heilige Scheiße«, sagte sie und sprach zu ersten Mal. »Du meinst, das ist die Wahrheit?«

»Dass es nicht höflich ist, jemanden in seinem eigenen Haus anzugreifen? Das wird normalerweise als gute Manieren angesehen.«

Sie wich weiter zurück. Ich hob ihre Waffe auf und hielt sie ihr hin.

»Was, wenn es nicht wahr gewesen wäre?«, wollte ich wissen. Ich hatte eine Ahnung, was sie gemeint hatte. »Dann läge ich jetzt tot auf dem Boden.«

»Das kann nicht wahr sein«, sagte sie. »Das kann es nicht.« Sie blinzelte einige Male.

»Du bist aus einem bestimmten Grund hergekommen.« Wie hat sie mich gefunden? Woher wusste sie, wer oder was ich war? Was zur Hölle war hier los?

»Ich … Ich …«

»Hast du einen Namen?«

»Rosita. Rosita Marquez. Du kannst mich Rose nennen.« Sie erreichte das Ende des Sofas und ließ sich darauf fallen, neben ihre Handtasche. »Bitte töte mich nicht.«

»Warum sollte ich das tun?« Mein Magen knurrte wieder. »Ich hol mir etwas Eis aus dem Gefrierfach. Willst du einen Löffel?«

Ihre Augen folgten mir auf meinen Weg in die kleine Küche.

Als ich mich selbst Neu-machte, habe ich die meisten Eigenarten übernommen, die mich ausgemacht hatten, bevor ich starb. Charakteristika, die mich mehr zu einem Menschen machten als zu einem Soldaten des Fegefeuers. Dazu zählten Hunger und Durst und das Bedürfnis nach Schlaf, auch wenn er nicht wirklich viel brachte. Das half mir, mich zu erden, half mir, mich daran zu erinnern, für was ich das alles tat. Als Nebeneffekt hat es meine innige Liebe für Eiscreme zurückgebracht, jetzt noch ausgearteter aufgrund der Tatsache, dass ich so viel essen konnte wie ich wollte, ohne an Gewicht zuzunehmen.

Ich legte die Waffe in die Spüle, fand einen Becher Minze mit Schokoladenchips im Gefrierfach, zog zwei Löffel aus der Schublade und setzte mich zu Miss Rosita Marquez auf die Couch, wer immer sie auch war.

»Löffel?«, fragte ich und hielt ihr den Löffel hin. Ich saß neben ihr. Wir waren weit genug auseinander, dass wir uns nicht berührten, aber nahe genug, dass sie mitnaschen konnte, wenn sie wollte. Sie griff langsam danach, nahm ihn mir ab, als ob ich ihr Gift angeboten hätte. Ihre Augen klebten an meinen.

»Du bist Landon Hamilton?«

»Ja. Woher kennst du den Namen?«

Tränen schossen in ihre Augen. »Ich kann nicht glauben, dass ich dich gefunden habe.«

Ich nahm einen Löffel Eis, schob ihn mir in den Mund und starrte sie an.

Sie hob ihren Arm und wischte sich mit dem Ärmel ihres Pullis über die Augen. »Es tut mir leid. Du musst denken, dass ich verrückt bin. Es tut mir leid, dass ich auf dich geschossen habe.« Sie steckte den Löffel in das Eis und nahm einen kleinen Bissen. »Wie ich bereits sagte, mein Name ist Rosita Marquez. Meine Schwester war Anita Marquez. Wir waren Zwillinge …«

Ich schluckte und hob meine Hand. »Bitte, Rosita. Fang in der Mitte an. Woher weißt du, wer ich bin?«

Sie holte tief Luft und schloss ihre Augen. Ihre Stimme war weich und flach, während sie die Worte eines anderen aus ihrem Gedächtnis heraus rezitierte. »Wenn du das hier gefunden hast. Wenn du das hier liest. Wenn du diese Worten sehen und verstehen kannst. Wenn du dich dem Kampf anschließen möchtest. Finde mich.«

Ich starrte sie an, fühlte, wie mein Körper taub wurde. Obi hatte mir vor rund zwei Jahre geholfen, die Webseite im Darknet zu erstellen. Sie war der Topf mit Gold am Ende eines langen, verdrehten Regenbogens. Eine Mutprobe, um die richtigen Menschen in den Krieg zu führen, der erste Schritt in meiner Bestrebung, die Reihen meiner Rebellion zu füllen und die Fehlertoleranz hinzufügen, die dem Biest gefehlt hatte.

Zwei Jahre, und niemand hatte mich bisher gefunden.

Zwei Jahre, und niemand hatte bisher die Seite gefunden.

Ich hatte aufgegeben, sie vergessen, akzeptiert, dass die Erwachten nicht kämpfen wollten. Das die Menschheit einfach noch nicht bereit dazu war. Bis heute.

SECHS

»Ich kann nicht glauben, dass du sie gefunden hast«, sagte ich. Meine Hände zitterten, das Eis in ihnen schwankte hin und her wie ein Schiff. »Wer bist du?«

»Ich habe dir bereits gesagt, mein Name …«

»Nein, ich meine … Wer bist du?«

»Das habe ich versucht dir zu erklären. Das Ganze ist sehr seltsam.«

»Du weißt über die Göttlichen Bescheid?«

»Ich weiß über die Dämonen Bescheid.« Sie griff in ihre Handtasche und zog ihr Handy heraus. Sie machte es an und öffnete ein Foto, auf dem sie neben einer identischen Version ihrer selbst stand, die nur ihre Schwester sein konnte. Sie hatte sogar dieselben Brustimplantate. »Meine Schwester Anita. Sie wurde von einem getötet, vor sechzehn Monaten.«

Ich wollte gerade noch einen Löffel Eiscreme nehmen, hielt mich aber zurück. Manchmal war es einfach, zu vergessen, was Empathie bedeutete. Ich legte das Eis beiseite, nahe genug in ihrer Nähe, falls sie noch etwas wollte. Ich hielt meinen Appetit für den Moment zurück.

»Tut mir leid. Erzähl mir davon.«

»Anita und ich gingen beide auf die MIT. Wir waren dabei einen Abschluss in Engineering zu machen. Ich sollte sie nach einer Klasse in der Bücherei treffen, als sie mir textete und mitteilte, dass sie den tollsten Typen getroffen habe. Sie sagte, dass sie die Bücherei früher verlassen würde, damit sie nach Hause gehen konnte, um sich umzuziehen, dass ein Typ namens Jonathan sie um sieben abholen würde. Sie würden zusammen in einem Restaurant in der Nähe zu Abend essen. Nur ein Date, weißt du? Ich dachte mir damals nichts dabei. Ich schrieb ihr zurück und sagte ihr, ich wäre glücklich, dass sie jemanden getroffen hat und dass ich sie später sehen würde. Wenn wir uns nicht zum Lernen treffen würden, dachte ich mir, dann gehe zurück ins Labor und mache ein paar Extrastunden.«

Ich brauchte keinen Abschluss in Engineering, um zu wissen, was jetzt folgen würde. »Sie kam nie nach Hause?«

»Nicht direkt. Sie hat die Wohnung nie verlassen. Anita und ich hatten zusammen ein Haus gemietet, abseits vom Campus. Sie war klug genug, ihm nicht zu sagen, wo sie lebte. Sie war klug genug, sich zu der Verabredung in der Nähe und öffentlich zu treffen. Er musste ihr gefolgt sein oder so was.«

Ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen, sie liefen ihre Wangen hinab und fielen auf ihren Pulli während sie weitersprach. »Ich kam gegen zehn Uhr zu Hause an. Zuerst dachte ich, sie sei nicht da.« Sie errötete und sah zu Boden. »Dann hörte ich sie stöhnen und dachte, vielleicht war das Date besser gelaufen als erwartet. Außer … etwas stimmte nicht. Es ist etwas beschämend, aber ich hatte sie zuvor mit Jungs gehört, und wir waren Zwillinge, daher wusste ich es einfach …«

»Ich rannte nach oben und schrie dabei ihren Namen. Das Stöhnen hörte auf. Sie kam aus ihrem Schlafzimmer, gerade in dem Moment, als ich oben ankam. Sie trug ihre Trainingssachen und sie war verschwitzt. Sie schloss die Tür hinter sich. ‚Was ist los mit dir, Rosie?‘ fragte sie mich. ‚Ich dachte, du seist in Gefahr‘ erwiderte ich. Dann lachte sie. Es klang wie sie, aber es war … ich weiß nicht … komisch. Irgendwas stimmte nicht. ‚Ich gehe Laufen‘ sagte sie, ging die Treppen hinunter und verschwand.«

Sie schüttelte ihren Kopf und wischte sich mit ihrem Sweater über die Augen. Sie schluchzte noch immer heftig. »Ich ging nach unten, um mir etwas zu Essen zu holen, aber ich konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass etwas nicht stimmte. Das Stöhnen, das ich gehört hatte … das hat nicht nach der Sorte Training geklungen, verstehst du? Ich hatte ihre Privatsphäre immer respektiert und sie meine … Eine Panik stieg in mir auf und ich rannte zurück nach oben und öffnete die Tür. Anita war dort, auf dem Bett. Ihr Gesicht war unverletzt, ihre Augen und ihr Mund waren geöffnet, als ob sie gerade den unglaublichsten Orgasmus erlebte.«

Sie sah mich an, Tränen flossen aus ihren Augen, ihre Stimme zitterte, ihre Arme waren mit einer Gänsehaut überzogen.

»Der Rest von ihr … Die Laken waren blutüberströmt, genug, dass es nach unten lief und auf den Boden tropfte. Ihr Körper war aufgerissen von ihrer Vagina bis zu ihrem Brustbein. Was immer das für ein Ding gewesen ist, es hat an ihren Lungen geknabbert, als ich nach oben kam, und andere Teile waren bereits fort.«

Sie hörte auf zu reden, drehte ihren Kopf und übergab sich. Ich beobachtete, wie es auf den Boden spritzte und stand dann leise auf und ging in das Badezimmer, um ein Handtuch zu holen, mit dem sie sich saubermachen konnte.

Ich kannte meine Dämonen. Der Sexteil klang wie ein Incubus. Organe essen? Ein Höllenhund würde auf diese Weise an einem Körper fressen. Ich kannte sonst nichts und niemanden der so was tun würde.

Und dann die Tatsache, dass es das Aussehen der Schwester annehmen konnte. Die Werwölfe konnten sich von einem tierähnlichen Zustand in einen kompletten Menschen wandeln, und eine Zahl von Dämonen konnte sich so verkleiden, dass sie für die Sterblichen und weniger mächtige Göttliche wie jemand anderes aussehen. Sie erhalten aber nicht die Erinnerungen von denen, deren Gestalt sie annahmen, und sie würden es nicht schaffen, die Zwillingsschwester des Opfers zu täuschen, nicht mal für eine Sekunde.

Es gab nichts und niemanden, der das konnte. Zumindest nichts und niemanden, von dem ich bisher gehört hatte.

Es war ein Tag voller Kuriositäten.

Ich holte ein paar Handtücher aus dem kleinen Badezimmer und sah mich dabei für einen Moment im Spiegel. Manchmal war es für mich eine Überraschung, dass ich noch immer wie ein Mensch aussah. Manchmal musste ich mich daran erinnern. Ich starrte mich selbst an, schenkte dabei meinen zerzausten Haaren oder meinem schmalen, gezeichneten Gesicht keine größere Aufmerksamkeit. Ich konzentrierte mich auf meine Augen, hell-graue Augen die komplett einzigartig im Universum waren, soweit mir bewusst war. Augen, die über die Stränge der Macht, die in meiner Seele flossen, hinwegtäuschten.

Sie waren anders. Sie waren aber auch menschlich.

Ich holte tief Luft, blinzelte einige Male und ging dann zurück ins Wohnzimmer.

Sie saß zurückgelehnt auf der Couch, als ich zurückkam, ihre Augen waren geschwollen und ihre Nase lief noch immer. Ich reichte ihr das Handtuch und sie nutzte es, um sich den Rest der Kotze aus dem Gesicht zu wischen. Ich nahm ein zweites Handtuch und legte es auf die Sauerei auf dem Boden.

»Es tut mir leid. Es ist nur …«

Ich setzte mich neben sie und legte meinen Arm um ihre Schultern. »Es tut mir leid, was mit deiner Schwester passiert ist. Ich muss wissen … Wie kannst du sicher sein, dass es ein Dämon gewesen ist?«

Sie lachte dunkel und heftig auf.

»Machst du Witze? Ich wusste nicht, was ich tun sollte, was ich denken sollte, also rief ich die Polizei. Die Dinge wurden danach nur schlimmer, weil sie nicht sehen konnten, was ihr angetan worden war. Ihr Körper war aufgerissen und die Polizei behauptete, sie sei erstochen wurden. Ich sagte ihnen, dass der, der das getan hatte, ihr Aussehen angenommen hatte, und sie wollten mich zum Bluttest schicken, als ob ich auf Drogen oder so was war. Dann redeten sie mit einem Nachbarn, der schwor, dass er eine von uns aus dem Haus hat gehen sehen, in einem Sport-BH und Yoga-Hosen, und sie verhafteten mich als Verdächtige! Dass sie den Todeszeitpunkt auf halb acht festlegten, war der einzige Grund, wieso ich wieder entlassen wurde. Ich war zu diesem Zeitpunkt im Labor gewesen und hatte ein Video, das dies belegte. Dieses kleine Paradox verwirrt sie noch immer. Wie auch immer, ein Detektiv ist dem Fall zugeteilt, aber für ihn ist die Fährte bereits kalt wie Eis.«

Sie wischte sich wieder über die Augen, die Trauer wich langsam harter Wut. »Ich wusste, was ich gesehen hatte, und ich wusste, dass es keinen vernünftigen Weg gab, es zu erklären. Irgendwas hatte meine Schwester getötet und ihr Verlust, die Leere … es zerriss mich genauso wie sie zerrissen wurden war. Ich konnte nicht essen, konnte nicht schlafen, konnte nicht denken. Das Einzige, an das ich denken konnte, war herausfinden zu müssen, was wirklich passiert war, denjenigen zu finden, der das getan hat. Ich ging online, ich recherchierte. Ich entdeckte SamChan und fing an, Dinge über Engel und Dämonen zu sehen, verrückte Scheiße über Vampire und Werwölfe und einen Krieg. Da war dieser Typ, Oblitrix, der ständig fragte, ob Leute so seltsame Dinge gesehen haben. Ein Teil von mir dachte, er ist verrückt, aber nachdem, was ich gesehen hatte, wusste ich, dass er es nicht war. Ich wusste, dass das Zeug über das er sprach, wirklich da draußen war und Anita ihm zum Opfer gefallen war. Ich schmiss die Schule und seitdem verbringe ich täglich jede Stunde damit, irgendwelche Hinweise zu finden, die mich zu dem Ding führen können, das sie getötet hat. Ich fing auch an zu trainieren. Ich nahm Unterricht in Kampfsport, Waffentraining, Bogenschießen und in allem, was mir sonst noch einfiel. Wenn ich den Dämon finden sollte, sollte ich auch fähig sein, ihn zu bekämpfen, oder? Ich schrieb auch Oblitrix an, um ihn zu fragen, was er wusste. Er hat mir einen Code geschickt.«

»Der Code hat dich zu mir geführt.«

»Indirekt. Es war eine Chiffrierung, und keine Leichte zum Knacken. Ich habe Monate gebraucht.«

»Sie sollte dazu dienen, zu sehen, wie ernst es dir ist.«

»Jetzt weißt du, wie ernst.« Sie wischte sich die letzten Tränen weg.

»Das tue ich. Was ich nicht weiß, ist, was du dir davon erhoffst, indem du jetzt hier bist.«

»Ich habe ein Programm geschrieben und damit angefangen, Morde zu verfolgen, die dem Anitas entsprechen. Ich habe seitdem binnen der letzten zwei Jahre circa alle zwei Wochen den ein oder anderen Treffer in der New England Gegend vermerken können. Ich habe deine Seite letzte Woche gefunden, zusammen mit einer weiteren Chiffrierung, die den Weg zu diesem Apartment wies. Ich war nervös gewesen herzukommen, hatte Angst, dass das, was ich gelesen hatte, der Wahrheit entsprach, und gleichzeitig habe ich gehofft, dass es wahr ist. Nach einem weiteren Treffer hier in Manhattan wusste ich, dass ich herkommen musste. Und jetzt finde ich heraus, dass alles was ich gelesen habe, alles was du geschrieben hast, wirklich die Wahrheit ist! Du hast eine Kugel abbekommen und dann hast du mir Eiscreme angeboten.«

Sie hob erneut ihr Handy nach oben, sodass ich mir das Bild ansehen konnte, das sie zusammen mit ihrer Schwester zeigte.

»Anita wurde mir genommen, wurde zu früh von dieser Welt genommen. Andere Mädchen werden ermordet. Ich weiß, dass du mir helfen kannst, den Dämon zu finden, der sie getötet hat.«

Ich starrte sie an. Nach der Sache mit dem Biest hatte ich beschlossen, dass ich den Menschen am besten helfen kann, indem ich ihnen beibringe, wie sie sich selbst helfen können. Jetzt saß meine erste Schülerin direkt vor mir und ich konnte spüren, wie Panik und Zweifel in meine Seele krochen. Würde ich das Richtige tun, wenn ich sie in all das mit hineinziehe? Wenn sie sterben sollte oder Schlimmeres, und das war mehr als wahrscheinlich, würde es meine Schuld sein? War ich bereit dazu, solch eine Verantwortung zu übernehmen?

»Du weißt, dass mein Kampf nicht nur gegen die Hölle geht? Es gibt Dämonen, viele von ihnen, aber es gibt auch Engel. Sie sind sehr weit entfernt vom Bösen und gleichzeitig hängt der Tod der Menschheit von ihrem Pflichtgefühl ab, in genau derselben Weise wie vom Chaos des Teufels. Wenn du mir helfen willst, musst du ein Teil dieser Welt werden, dieses Kampfes, dieses Krieges. Du musst bereit sein, beide Seiten zu töten. Es geht nicht nur um deine Schwester. Tausende starben in Mumbai wegen dem Biest. Du hast dir die Mühe gemacht, mich zu finden, jetzt musst du dich entscheiden. Wenn ich dir helfe, wird mein Kampf zu deinem Kampf. Es gibt keinen anderen Weg. Wenn du das nicht akzeptieren kannst, dort ist die Tür.«

Sie blinzelte nicht. Sie seufzte nicht. Sie verschwendete keinen Atemzug.

»Ich habe dich gefunden. Ich weiß, worum es bei dir geht. Ich bin hier. Brauchst etwas unterschrieben mit meinem Blut?«

»Nein. Kein Blut. Es würde sowieso nicht bindend sein.«

Ich verbrachte die nächsten zwei Stunden damit, Rose auf den neusten Stand der Entwicklungen zu bringen. Ich gab ihr die grundlegenden Informationen darüber, was ich über Dämonen wusste, und dass ich noch nie von einem gehört hatte, der ihrer Beschreibung entsprach. Der Zeitpunkt bereitete mir Sorgen, denn nach dem, was sie sagte, fingen die Angriffe zu einem Zeitpunkt an, kurz nachdem das Biest befreit worden war. Dies ließ vermuten, dass wir es mit irgendeiner Form eines Wechselbalgs zu tun hatten. Ich dachte nicht, dass neue Dämonenformen durch den Schaden geboren worden waren.

Aber, ich wusste auch nicht alles.

Nachdem das erledigt war, ließ ich sie zurück auf der Couch und ging ins Bett.

Ich musste jetzt nicht schlafen, um stark und wachsam zu sein.

Ich brauchte den Schlaf, um träumen zu können.

In meinen Träumen sah ich Charis und Clara am häufigsten. Sie würden auf mich in einem Meer aus Gras und Blumen warten, eine Picknickdecke ausgebreitet, die Sonne würde scheinen. Es war ein totales Klischee, und irgendwie machte genau das dieses Bild realer und tröstlicher. Wir würden essen und Spiele spielen. Ich würde Clara über die Felder jagen, sie auf den Arm nehmen und sie kitzeln, wenn ich sie eingefangen habe. Ich würde dasitzen, Charis Kopf auf meinem Schoß, und ihr dabei durch die Haare streichen und ihr in die Augen sehen.

Das brachte mir Frieden.

Zu anderen Zeiten würde ich allein durch die Stadt laufen und Josette würde mich finden. Sie würde lachen und ihre Späßchen mit mir machen und mich dazu überreden, mit ihr zu trainieren. Sie würde mich auf meine ganzen Makel in meiner Kampfweise aufmerksam machen und dann würde sie sich rausmogeln, indem sie ihre Engelsflügel benützen würde, um mir auszuweichen.

Das brachte mir Energie.

In den seltensten Fällen würde ich mich gegenüber Ulnyx, dem großen Werwolf, wiederfinden, mein erster wirklicher Feind und am Ende mein größter Verbündeter. Wir würden zusammen in einer Bar sitzen und etwas trinken und er würde mir Geschichten erzählen über seine Eroberungen und mir sagen, dass ich schwach und dumm bin. Er würde die richtigen Knöpfe bei mir drücken und mir die Augen öffnen.

Das bringt mir Stärke.

Dann würde ich aufwachen und bereit sein.

SIEBEN

Rose benutzte den freien Raum in meinem Apartment für Pushups, als ich aus dem Schlafzimmer kam. Es war nicht die Trainingseinheit, die mich überraschte, sondern dass sie sich für diese komplett ausgezogen hatte.

Ich stand im Türrahmen und beobachtete sie beim Pumpen von fünfzig schnellen Wiederholungen. Ihre schlanken, soliden Muskeln spannten sich an und bewegten sich mit jeder Wiederholung, ihre nackte Statur blieb flach und perfekt während der gesamte Runde. Sie schrie vor Erschöpfung auf, als sie den letzten Push-up machte und nutzte den Schwung, um sich vom Boden wegzudrücken. Sie winkelte ihre Knie an und kam in einer fließenden Bewegung zum Stehen. Dann erst bemerkte sie mich.

Sie lächelte, als sie mich sah, nicht ansatzweise beschämt. »Hey Landon, ich hoffe, es macht dir nichts aus. Ich dachte, wenn wir viel Zeit zusammen auf engem Raum verbringen werden, wäre es dumm, mich in deiner Gegenwart unwohl zu fühlen, und ich wollte meine einzige Unterhose nicht vollschwitzen. Außerdem bin ich von Natur aus kein schüchternes Mädchen.«

Sie war hübsch und ich war sicher, dass ihre Implantate ihr von den meisten Männern Aufmerksamkeit brachten.

Ich hatte andere Dinge in meinem Kopf.