The Extraordinaries – Alte Geheimnisse - T. J. Klune - E-Book

The Extraordinaries – Alte Geheimnisse E-Book

T. J. Klune

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Beschreibung

Es ist kurz vor den Sommerferien, und eine Hitzewelle hat Nova City fest im Griff. Dennoch ist Nick Bell guter Dinge: Mit seinem supersexy Freund Seth und seinen Freundinnen Jazz und Gibby hat er ein Superhelden-Team gegründet, um die Bürger von Nova City zu schützen. Keine Sekunde zu früh, wie sich herausstellt: Simon Burke kandidiert für das Amt des Oberbürgermeisters. Sollte er gewinnen, würde das das Ende der Extraordinaries bedeuten. Doch damit nicht genug: Gerüchten zufolge ist Superschurke Shadow Star aus dem Gefängnis geflohen. Nick und seine Freunde müssen über sich selbst hinauswachsen, um Nova City vor dem Schlimmsten zu bewahren …

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Das Buch

Es sind Sommerferien, und eine Hitzewelle hat Nova City fest im Griff. Dennoch ist Nick Bell guter Dinge: Mit seinem supersexy Freund Seth und seinen Freundinnen Jazz und Gibby hat er ein Superhelden-Team gegründet, um die Bürger von Nova City zu schützen. Keine Sekunde zu früh, wie sich herausstellt: Simon Burke kandidiert für das Amt des Oberbürgermeisters. Sollte er gewinnen, würde das das Ende der Extraordinaries bedeuten. Doch damit nicht genug: Gerüchten zufolge ist Superschurke Shadow Star aus dem Gefängnis geflohen. Nick und seine Freunde müssen über sich selbst hinauswachsen, um Nova City vor dem Schlimmsten zu bewahren …

Die EXTRAORDINARIES bei Heyne:

Band 1: Die Außergewöhnlichen

Band 2: Neue Helden

Band 3: Alte Geheimnisse

Der Autor

Im Alter von sechs Jahren griff T. J. Klune zu Stift und Papier und schrieb eine mitreißende Fanfiction zum Videospiel Super Metroid. Zu seinem Verdruss meldete sich die Videospiel-Company nie zu seiner verbesserten Variante der Handlung zurück. Doch die Begeisterung für Geschichten hat T. J. Klune auch über dreißig Jahre nach seinem ersten Versuch nicht verlassen. Nachdem er einige Zeit als Schadensregulierer bei einer Versicherung gearbeitet hat, widmet er sich inzwischen ganz dem Schreiben. Für die herausragende Darstellung queerer Figuren in seinen Romanen wurde er mit dem Lambda Literary Award ausgezeichnet. Mit seinem Roman Mr. Parnassus’ Heim für magisch Begabte gelang T. J. Klune der Durchbruch als international gefeierter Bestsellerautor. Im Heyne Verlag sind von T. J. Klune außerdem erschienen: Das unglaubliche Leben des Wallace Price, Die unerhörte Reise der Familie Lawson und Aus Sternen und Staub.

T. J. KLUNE

Roman

Aus dem Amerikanischen übersetztvon Michael Pfingstl

Titel der Originalausgabe:

THEEXTRAORDINARIES – HEATWAVEBOOK 3

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Deutsche Erstausgabe 09/2024

Redaktion: Lisa Scheiber

Copyright © 2022 by Travis Klune

Copyright © 2024 der deutschsprachigen Ausgabeund der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Das Illustrat GbR, München

Satz: Schaber Datentechnik, Austria

ISBN 978-3-641-29272-0V001

Für die queeren Kids dieser Welt.

Ich bewundere euch aus tiefstem Herzen, denn ihr seid die wahren Superhelden.

Titel: Genussvolle Glut

Autor: PyroStormLieblingsmensch

Kapitel 37 von?

138.225 Wörter

Pairing: Pyro Storm / OMC

Altersempfehlung: ab 17 (endlich raufgegangen!)

Tags:True Love; Romantik; Pyro Storms sanfte Seite; Happy End; Erster Kuss; Mehr als erster Kuss; Wattewolkenweich; Jede Menge Action; Böser Shadow Star; Bakery AU; Privatdetektiv; Anti-Rebecca-Firestone; Hände unter Klamotten; !!!; Nacktparty und alle sind eingeladen

Kapitel 37: Kein Kapitel

Anmerkung des Autors: Hallo allerseits! Sorry, wenn ihr euch schon auf ein Update gefreut habt. Ich möchte meine Leserinnen und Leser nicht hängen lassen, denn ich weiß, dass unfertige Fics der Fluch der Menschheit sind. Gibt es etwas Schlimmeres, als eine Geschichte zu entdecken, die man liebt, nur um dann festzustellen, dass sie seit sechs Jahren nicht mehr aktualisiert wurde? Ich hasse das. Also, um es noch mal zu sagen: ICHWERDEDIESEGESCHICHTENICHTAUFGEBEN!!!! Versprochen. In den letzten Monaten ist einiges passiert, und mir war nicht danach, viel zu schreiben. Es kann sehr schwer sein, sich auf eine Fic zu konzentrieren, in der es darum geht, Serienmorde aufzuklären und sich in einen Außergewöhnlichen zu verlieben, wenn … die Dinge plötzlich ein bisschen zu real werden.

Ich habe im Moment nicht viel Zeit, um mich hinzusetzen und zu schreiben. In der Schule sind zwar Sommerferien, aber ich habe mehr zu tun denn je. Ich hoffe, dass ich eher früher als später mit der Story weitermachen kann, also lasst die Benachrichtigungsfunktion für diese Fic bitte eingeschaltet. Ich verspreche, sobald ich dazu komme, gibt es feurige Explosionen – auch sexueller Art –, also bleibt dran!

PyroStormLieblingsmensch

Kommentare:

FireStoned 09:25:HASTDUREBECCAFIRESTONEINDENNACHRICHTENGESEHEN??? ISTSIENICHTDASWUNDERBARSTE, WASDERMENSCHHEITJEPASSIERTIST? UNDBEVORDUWASANDERESBEHAUPTEST: FICKDICH!! SIEWIRDDIEBESTEBÜRGERMEISTER-PRESSESPRECHERINALLERZEITENUNDDERGANZENWELT. WIDERSPRUCHZWECKLOS!!!

LostDreamer 09:27: Bist du Nick Bell aus Nova City??? Der die Shadow-Star-Fanfic angefangen und nie fertig geschrieben hat?? Bitte grüße Seth / Pyro Storm von mir!

ExtraAußer 09:29: Das muss Nick Bell sein. Er redet genau wie Nash. Hätte ich gewusst, dass das Ganze »autobiografisch« ist, hätte ich was anderes gelesen, anstatt meine Zeit mit den hormongesteuerten Machtfantasien eines Teenagers zu verschwenden.

PyroStarLover 09:30: Du willst uns hängen lassen, kurz bevor sie endlich Sex haben? Der einzige Grund, warum ich Hunderttausende von Wörtern ertragen habe, war, dass du uns Analsex versprochen hast. Du kannst nicht einfach einen Köder auslegen und dann nicht liefern! Und bist du wirklich Nick Bell? Was ist in der Nacht vom Abschlussball sonst noch passiert? Wer waren die anderen Außergewöhnlichen?

WTF6969 09:31: Wenn du wirklich Nick Bell bist, wie alle glauben, was zum Teufel hast du dann gegen die Polizei? Dein Dad ist Polizist! Hasst du deinen Vater auch?

Anonymchen 09:32: Hast du meine Nachricht bekommen? Bis bald!

TacosSindToll 09:39:WTF6969 kotzt mich so was von an. BESORGDIREINLEBEN, DUVERDAMMTERLOSER. Aaron Bell ist nicht mehr bei der Polizei! Stand überall auf X. PyroStormLieblingsmensch: Schreib, was du willst! Egal ob du Nick Bell bist oder nicht, bleib dir treu!

SoundOfJazz 09:42: Die Kommentare werden allmählich ein bisschen stalkermäßig. Gib Bescheid, wenn ich mich darum kümmern soll. Ich habe neue Louboutins als Ersatz für meine alten High Heels, und weißt du was? Die Sohlen sind rot wie das BLUTUNSERERFEINDE. Toll! Gibby lässt dich grüßen. Sie hat auch noch andere Sachen gesagt, aber ich bleibe lieber positiv. Bye!!

JazzFan12345678 09:49: Ich habe dich nicht grüßen lassen. Jazz hat mich gezwungen, diesen Account einzurichten. Deine Follower sind Weirdos und ich fühle mich nicht wohl dabei.

1

Kurz vor der Dämmerung dehnten und streckten sich die Schatten, als ob die herannahende Finsternis nach allem greifen wollte, während die Hitze des ausklingenden Sommertages ihre glühenden Klauen in das pochende Herz der Stadt grub. Aus den Gullydeckeln quoll Dampf und braunes Wasser, die Luft roch nach Verzweiflung und maroder Infrastruktur.

Menschen eilten über die Bürgersteige, der Schweiß lief ihnen übers Gesicht wie Ströme von Tränen, während sie stumm nach jemandem schrien, der sie vor sich selbst rettete. Staus und Gehupe überall, Fäuste reckten sich wütend aus Autofenstern, links und rechts der Straßenschluchten ragten dunkle Gebäude auf – die Türme der Reichen und Mächtigen, die die Bevölkerung in ihrem teuflischen Griff gefangen hielten. Neonlichter knisterten gegen die heraufziehende Dunkelheit an und erhellten die Gesichter der Verdammten und Vergessenen. Die Hitze, die über diese Stadt aus Stahl und Glas hereingebrochen war, ließ die Luft über dem rissigen Asphalt flimmern.

»Wer wird uns beschützen?«, riefen die Menschen klagend, den angstvollen Blick auf den dunkler werdenden Himmel gerichtet. »Wer wird der Held sein, nach dem wir uns so sehr sehnen? Wenn es nur jemanden gäbe, der das Zeug hat, der Held zu sein, den wir verdienen! Nein, der Held, den wir brauchen.«

Dies war eine kranke Stadt, Tumore hatten sich längst in ihre Knochen und das Bindegewebe gefressen, ohne Hoffnung auf Heilung. Eine Stadt, die in einem Krieg um ihre Seele gefangen war. Wie ein dünner Lichtstrahl, den die Schatten des Bösen vollends zu verschlingen drohten, während Wahrheit und Gerechtigkeit immer weiter an Gewicht verloren und die Waage Richtung Chaos ausschlug.

Aber die Stadt war nicht allein. Sie hatte jemanden, der sie liebte. Jemanden, der sein Leben geben würde, um sie zu retten.

Auf dem Dach eines flachen Gebäudes, das früher ein Joghurt-Laden gewesen und jetzt eine Hipster-Café-Lounge mit Holzstämmen anstelle von Stühlen war, kauerte eine Gestalt wie ein Wasserspeier und beobachtete, wie Hunderte von Jahren Menschheitsgeschichte binnen eines Wimpernschlags vorbeizogen. Der Held der Stadt drehte den Kopf ein Stück, die weißen Linsen seines Helms blitzten auf, während sich der entblößte Mund zu einem wütenden Knurren verzog.

»Dies ist meine Stadt«, fauchte er bedrohlich. »Und ich werde alles tun, um ihre Bevölkerung zu schützen.« Sein Kopf ruckte hoch, als er in der Ferne einen Schrei hörte.

»Horch! Ein Verbrechen ist im Gange.« Er blickte in die Ferne, die Lichter eines nahe gelegenen Mobilfunkmasten blinkten rot, als wollten sie sagen: Ich bin der Puls von Nova City, schwach und unbeständig. Könnte mein Licht doch nur ewig brennen!

»Ja«, flüsterte der Held. »Ich höre dich. Ich sehe dich.« Er erhob sich langsam, seine starken Muskeln bewegten sich sexy unter dem Kostüm, das ein Symbol für Freiheit, Hoffnung und Gerechtigkeit war. Er atmete tief ein. »Und ich kann dich riechen! Aber, Moment, außerdem auch schmecken? Oh mein Gott, was zum Teufel ist das? Verdammte Scheiße, es ist überall.« Er würgte. »Es verklebt meine Luftröhre! Ist jemand gestorben und ins Trinkwasserreservoir gefallen, wo seine aufgedunsene Leiche bald in einer Gasexplosion alles vergif… Nein. Konzentrier dich. Die Dunkelheit hat ihren Weg in die …«

»Jetzt mach mal halblang«, sagte eine andere Stimme. »Ich liebe dich, aber du quasselst seit einer Viertelstunde vor dich hin. Und obwohl ich deine Kreativität zu schätzen weiß, sollten wir uns besser beeilen, bevor die Diebe mit den Juwelen abhauen.«

Der Außergewöhnliche, bekannt als der Wächter, verlor das Gleichgewicht, fiel rücklings auf das Dach und blinzelte erschrocken in den Nachthimmel hinauf. Einen Moment später versperrte die Silhouette einer vertrauten Gestalt ihm die Sicht: dunkle, ins Gesicht hängende Locken, dazu ein schickes schwarzes Kostüm mit roten Paspeln an den Beinen und dem Oberkörper. Auf der Brust prangte ein Flammensymbol, das Erkennungszeichen des Helden.

»Pyro Storm«, drang die modulierte Stimme des Wächters aus seinem azurblauen Helm. Er ignorierte die angebotene Hand und stand auf. »Ich wusste, dass du hier sein würdest.«

Seth blinzelte. »Das will ich doch hoffen. Immerhin sind wir zusammen hergekommen. Wäre schon seltsam, wenn ich plötzlich verschwinden würde.«

»Wäre es das?«, zischte der Wächter. »Oder ist das alles nur Teil deines Plans, mich allein zu erwischen, damit du dich mit mir vergnügen kannst?« Er trat einen Schritt von dem Außergewöhnlichen zurück. Und noch einen. Bis er mit den Fersen an einem Dachvorsprung hängenblieb, sich im Fallen herumdrehte und seinen Sturz gerade noch vor der Dachkante abfangen konnte.

»Du hast mir eine Falle gestellt, Pyro Storm«, sagte er über die Schulter. »Ich bin einem Ruf gefolgt, weil ich dachte, es wäre ein Bürger, der gerettet werden muss, aber stattdessen warst du es. Du, mit deinem unbestechlichen Gerechtigkeitssinn und deinem zum Sterben schönen Antlitz. Mein ganzer Körper kribbelt vor angestauter Lust und Erregung.«

»Tatsächlich?«, fragte Seth, während sein schwarz-roter Helm von den Fingern seiner linken Hand baumelte. »Für jemanden, der sich angeblich noch nicht sicher ist, gibst du erstaunlich eindeutige Signale.«

»Schurke!«, schrie der Wächter und schnappte nach Luft. »Wie kannst du es wagen, mich einfach anzusprechen?« Der Modulator ließ seine Stimme klingen, als würde er fünfzig Zigarren am Tag rauchen. »Wage ja nicht, mir mit deinem Feuer das Kostüm vom Leib zu brennen, damit ich nackt und hilflos vor dir stehe, obwohl ich mehr als gewillt bin mitzumachen. Ich sage das nur, weil Einvernehmen wichtig ist, auch bei Rollenspielen. Mein Safeword ist übrigens Schlachtplatte, und nein, du darfst nicht fragen, warum.«

»Weil du gerne Wurstaufschnitt von einem Holzbrett isst.«

»Genau.«

»Nick, du kannst nicht einfach …«

Nick hustete.

»Nicky, du musst …«

Er hustete lauter. Hoffentlich würde Seth das Signal endlich verstehen, denn sein Hals schmerzte bereits.

Seth verdrehte die Augen. »Wächter.«

»Schon besser. Danke. Wir haben es doch oft genug besprochen: Wenn ich mein Kostüm und den Helm trage, bin ich nicht mehr Nick, sondern der Wächter. Trage ich das Kostüm, den Helm aber nicht, bin ich Nick, weil du dann mein Gesicht sehen kannst. Oder ich trage keines von beidem und bin splitterfasernackt. Dann darfst du mich nennen, wie immer du willst.« Nick zwinkerte. Da fiel ihm wieder ein, dass Seth das Zwinkern gar nicht sehen konnte, weil er ja seinen Helm trug.

»Ich habe dir gerade zugezwinkert«, erklärte der Wächter. »Nur falls du dich wunderst.«

»Oh«, machte Seth. »Tue ich gar nicht, aber danke für die Klarstellung. Das ändert alles.«

Der Wächter zog seinen Helm aus, und die Welt um ihn herum verlor ein wenig an Kontur. (Der Helm hatte ziemlich starke Linsen, die Nick weiter sehen ließen und außerdem schärfer. Am liebsten hätte er ihn immer getragen, was er aus Gründen, die sich seinem Verständnis entzogen, nicht durfte.) Dann legte Nicholas Bell seinen Helm auf dem Dach ab und wandte sich seinem Freund zu. »Es war keine Viertelstunde.«

»Stimmt«, bestätigte Seth Gray mit einem Schmunzeln. »Eher zwanzig Minuten. Ich bin nicht sicher, ob es wirklich eine gute Idee ist, wenn ein Superheld seine Pläne über so eine lange Zeitspanne laut rezitiert. Was, falls jemand zuhört?«

Nick zuckte zusammen. Daran hatte er gar nicht gedacht. Anscheinend war ihm das Wächtersein ein bisschen zu Kopf gestiegen. Wie jedes Mal. Und diesmal mehr als nur ein bisschen.

Es war erst einen Monat her, dass er nach Gibbys Abschlussfeier nach Hause gekommen war und auf dem Küchentisch ein Paket vorgefunden hatte. Darin befand sich ein Brief von Miss Raten, der Außergewöhnlichen-Dragqueen, die ihre Gegner mit bissigen Kommentaren genauso gründlich grillte wie mit Stromstößen. Sie trug Armreifen und hatte kilometerlange Beine. Armreifen standen Nick nicht, und seine eigenen Beine waren blass und dünn, die Knie knorrig, und auf der Innenseite des rechten wuchs ein einsames, unfassbar langes Haar. Was umso ärgerlicher war, da Nick auf der Brust kein einziges hatte.

Der Brief war süß und wunderbar gewesen, aber noch nicht das Beste. Nein, das Beste war das Kostüm, das Miss Raten unter Mithilfe von Nicks Freunden für ihn entworfen hatte: Blau und Weiß mit einem dazu passenden Helm.

Und hier stand Nick nun in all seiner Pracht. Auch wenn Pracht vielleicht etwas übertrieben war. Denn wenn man beschloss, ein echter Außergewöhnlicher zu sein, musste man ein hautenges Kostüm tragen, um ernst genommen zu werden. Das Problem dabei war nur, dass Nicks Körper seltsam geformt war und sich Bereiche, die sich eigentlich ausbeulen sollten – Oberarme, Brustmuskeln und ja, auch der Schritt –, bei ihm überhaupt nicht ausbeulten.

(Als er das Kostüm das zweite Mal anprobierte, diesmal vor dem Spiegel, stopfte er sich eine dicke Socke in die Unterhose. »Ach, das meinst du?«, sagte er zu seinem Spiegelbild. »Keine Sorge, das ist nur mein Penis. Und ja, er ist so groß.« Dann war sein Vater ohne Anklopfen hereingekommen. Die Stille, die darauf folgte, war gigantisch. Sein Vater hatte das Zimmer im Rückwärtsgang wieder verlassen und sie hatten nie wieder darüber gesprochen. Und Nick hatte nie wieder Socken in seine Unterhose gestopft.)

Es gab also einen Grund, warum Nick sich in hautengen Ganzkörperanzügen nicht wohlfühlte: Die Dinger überließen nichts der Fantasie.

»Bück dich«, verlangte Nick.

Seth sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Was?«

»Ich möchte dir etwas zeigen. Es hat nichts mit Sex zu tun. Vertrau mir.«

»Ja, schon klar«, erwiderte Seth. »Das letzte Mal, als du das gesagt hast, hast du danach zum Besten gegeben, ich zitiere: Sieht so aus, als hätte jemand sexy Sahnetorte bestellt.«

Nick prustete. »Ich bin nun mal lustig. Und erotisch.«

Seth seufzte. »Es wäre sogar noch lustiger gewesen und möglicherweise auch erotischer, wenn meine Tante und mein Onkel nicht in Hörweite gewesen wären.«

Nicks Miene verfinsterte sich. Ein Glück, dass seine rot glühenden Wangen in der heraufziehenden Dunkelheit nicht zu sehen waren. »Woher hätte ich denn wissen sollen, dass die beiden sich schon wieder in ihrem eigenen Wohnzimmer herumtreiben? Dass Martha sofort die Frischhaltebeutel aus der Küche geholt und angeboten hat, Lecktücher daraus zu machen, war außerdem völlig überflüssig. Das nehme ich ihr wirklich übel. Und meinem Dad.«

Vor allem seinem Dad, denn schließlich war er es gewesen, der die Grays in die Wunderwelt von DYI-Safer-Sex eingeführt hatte.

Seth senkte den Blick. »Sei lieber froh, dass sie noch nicht angefangen hat, diese Hundeleine für mich zu häkeln, die sie sich aus irgendeinem Grund in den Kopf gesetzt hat. Seit sie zu Recherchezwecken in einem Sexshop war, ist sie nicht mehr dieselbe.«

Nick stöhnte. »Oh mein Gott, ich hasse mein Leben. Aber jetzt hör mit den Ablenkungsmanövern auf und bück dich.«

Seth bog die Schultern nach vorn und beugte sich ein Stück vornüber. »So?«

Er nickte. »Jetzt fahr dir mit der Hand über die Brust und den Bauch.«

Seth sah ihn fragend an. »Das klingt nach einem Sexspiel.«

Tat es wirklich, aber Nick ließ sich nicht abschrecken. »Halt gefälligst deine schmutzige Fantasie im Zaum, Gray. Wenn das ein Sexspiel wäre, würdest du es spätestens jetzt merken.«

»O…kay.« Seth ließ seine Hand über das Brustbein bis hinunter zum Bauch gleiten, machte kurz über dem Schamhaaransatz kehrt und bewegte die Hand zurück zur Brust. »Und jetzt?«

Der Anblick der schwarz behandschuhten Hand auf der breiten Brust seines Superhelden-Lovers bescherte Nicks Gehirn einen Beinahe-Kurzschluss. Alle Pornos, die er je im Leben gesehen hatte, waren nichts im Vergleich zu Seths dunklen Locken und dem wie aus Granit gemeißelten Kiefer. Nick wusste, dass man andere Menschen eigentlich nicht zum Lustobjekt degradieren sollte, aber er war machtlos dagegen.

»Ja«, murmelte er. »Genau so.«

»Nick«, sagte Seth genervt.

»Ich habe überhaupt keine schmutzigen Gedanken!«, blaffte Nick. »Ich … bewundere nur die Aussicht!« Schließlich nahm er die gleiche Haltung ein wie Seth und fuhr sich ebenfalls mit der Hand über Brust und Bauch. »Siehst du jetzt, was ich meine?«

»Ähm … Nein?«

»Das da«, beharrte Nick. »Wenn du dich in deinem Kostüm vornüberbeugst, bleibt dein Bauch flach, weil du ein Sixpack hast. Wenn ich das Gleiche mache, sieht man noch nicht mal ein Onepack! Ich dachte, Außergewöhnliche haben von Natur aus einen Waschbrettbauch!«

»So funktioniert das aber nicht«, widersprach Seth.

»Behauptest du«, entgegnete Nick und funkelte seinen Bauch an wie den schlimmsten Verräter der Menschheitsgeschichte. »Als du ein Außergewöhnlicher wurdest, bist du außerdem zum Sexgott mutiert. Seit ich ein Außergewöhnlicher bin, habe ich Probleme mit meinem Körperbild. Ja, ich hatte gestern Nachos zum Abendessen, und ja, es war zu wenig Käse dran, also habe ich noch welchen aus dem Kühlschrank geholt, aber trotzdem! Ich war letzte Woche fast einen halben Kilometer joggen und musste nur zweimal anhalten, um wieder zu Atem zu kommen.«

»Ich weiß«, erwiderte Seth. »Ich war dabei, schon vergessen? Du hast dich die ganze Zeit über beschwert.«

Nick schniefte. »Verdammt richtig. Joggen ist Zeitverschwendung, und du solltest eigentlich ein schlechtes Gewissen haben, weil du mich dazu gezwungen hast.« Er befühlte noch einmal seinen Bauch und richtete sich dann wieder auf. »Vielleicht braucht mein Kostüm einfach einen anderen Schnitt. Was hältst du von Baggystyle? Ich habe einen Test in der Cosmo gemacht, und das Ergebnis lautete, dass das am besten zu meinem Körper passen würde.« Er runzelte die Stirn. »Außerdem stand drin, ich wäre eine freigeistige Frau, die sich von gesellschaftlichen Normen nicht einschränken lässt. Also, wie lautet deine Meinung dazu?«

Seth kicherte und kam mit einem eigenartigen Leuchten in den Augen auf Nick zu. Dann legte er seinen Helm neben den von Nick und beugte sich ganz nahe heran. Nicks Puls beschleunigte ein klein wenig wie immer, wenn Seth in der Nähe war. Aber so nahe, dass Nick die kaum erkennbaren Sommersprossen auf Seths Nase und Wangen zählen konnte? Mann, das haute ihn schlicht um!

Seth küsste ihn, seine Lippen waren leicht aufgesprungen. Nick erwiderte den Kuss und spielte mit Seths Zunge, während ihm der Schweiß über den Rücken lief. Die Hitzewelle, die vor ein paar Wochen über Nova City hereingebrochen war, hatte kein bisschen nachgelassen. Nach dem bitterkalten Winter voller Schneestürme und dem darauffolgenden nassen Frühling legte der Sommer sich nun umso mehr ins Zeug: brüllende Hitze und eine Luftfeuchtigkeit zum Umfallen. Hätte Nick nicht beschlossen, ein Außergewöhnlicher zu werden, wäre er bis zum Ende der Sommerferien im Haus geblieben, und zwar bei voll aufgedrehter Klimaanlage.

Es war sein letztes Schuljahr, überlegte Nick gerade, während Seth an seinen Lippen kaute. Das Ende einer Lebensphase und der Anfang einer neuen, doch Nick war kein Fan von Veränderung. Dank der neuen Medikamente hatte er seine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung zwar gut im Griff, aber er brauchte nun mal Routine, damit die Dinge in seinem Leben nicht aus dem Ruder liefen. Klar brach immer wieder mal das übliche Gedankenchaos in Nicks Kopf aus und durchkreuzte alle seine Pläne, aber er strengte sich an, so gut er konnte. Das musste er auch, wenn er ein Doppelleben als freundlicher Schüler (tags) und Superheld (nachts) führen wollte.

Nick besaß sein Wächter-Kostüm jetzt fast einen Monat lang, hatte aber noch nicht allzu viele Heldentaten vollbracht. Sein Dad sagte, er wäre noch nicht bereit, um allein Menschenleben zu retten. Ganz egal wie sehr Nick bettelte, als Wächter auf Patrouille gehen zu dürfen, Aaron Bell hielt jedes Mal dagegen, dass er sich erst langsam an seine neue Rolle gewöhnen müsse. »Außerdem«, fügte Aaron stets hinzu, »bist du immer noch der Leiter des Leuchtturms. Diese Aufgabe ist mindestens genauso wichtig.«

Heldentum war unendlich viel komplizierter, als Nick gedacht hatte. Er musste nicht nur gute Taten vollbringen, sondern gleichzeitig auch noch Nick Bell sein. Dabei sah es in den Comics immer so einfach aus. Doch in der Realität musste er nicht nur ein hautenges Kostüm tragen, sondern sich gleichzeitig Sorgen darüber machen, ob er es aufs College schaffen würde. Und ob Seth in seinem letzten Jahr wieder die Centennial High (Heimat der Fighting Wombats!) würde besuchen dürfen, nachdem er sich als Pyro Storm zu erkennen gegeben hatte. Und er musste sich den Kopf darüber zerbrechen, wie er die erste Stunde im Vertiefungskurs Geschichte überleben sollte. Dass Gibby ab Herbst auf die NCU gehen würde, war inzwischen sicher, womit sie schon mal eine weniger waren. Würde Nick das letzte Schuljahr allein mit Jazz bestreiten müssen? Würde niemand ihnen im Kampf gegen all die Gerüchte um die Ereignisse am Abend des Abschlussballs beistehen?

Nick wusste nicht, wie er das schaffen sollte. Die Aufgabe fühlte sich zu groß an, zu erdrückend. Sicher, er war dankbar, dass es Juni war. Gleichzeitig wusste er, dass er irgendwann der Realität ins Auge blicken musste, dass die Dinge sich änderten und auseinanderbrachen. Und es gab nichts, was er dagegen tun konnte.

»Du denkst zu viel nach«, flüsterte Seth an seinen Lippen.

Nick machte sich seufzend von ihm los. »Ja, stimmt. Sorry. Aber du weißt ja: Ich habe immer Gedanken, und diese Gedanken haben wieder andere Gedanken.«

Seth lächelte. »Ich weiß, Nicky. Möchtest du über irgendwas reden?«

»Nur über denselben Kram wie immer: alles und nichts gleichzeitig.«

»Wir werden schon eine Lösung finden«, erwiderte Seth und drückte Nicks Hand. »Lass uns später darüber sprechen. Aber jetzt müssen wir uns konzentrieren, okay?«

Nick fühlte sich schon ein wenig entspannter. Er nickte. »Richtig. Konzentration. Bin dabei.«

Er hatte etwas zu beweisen, und zwar, dass er es draufhatte.

Seth ging um ihn herum an die Dachkante und spähte hinunter auf die Straße. »Gut. Jetzt sag mir, was du glaubst, dass wir tun sollten.«

Nick stellte sich neben Seth und folgte seiner Blickrichtung. Ihnen gegenüber befand sich ein weiteres Gebäude, es war etwas flacher als das, auf dem sie standen. Neben der metallenen Zugangstür auf dem Dach ratterte eine alte Klimaanlage vor sich hin.

»Wir könnten durch diese Tür da reingehen«, antwortete er. »Damit vermeiden wir die Fenster, an denen jemand uns sehen könnte.«

»Sie ist verriegelt und abgeschlossen«, entgegnete Seth. »Wie kommen wir rein und richten dabei möglichst wenig Sachschaden an?«

Nick überlegte und musterte die Klimaanlage. Sein Blick wanderte über das Dach, bis er einen Lüftungsschacht mit einem Gitter darüber entdeckte. »Da«, sagte er. »Wir könnten durch den Schacht rein.«

Seth nickte. »Glaubst du, du passt da durch?«

»Was für eine fiese Frage.«

Seth verdrehte die Augen. »Du weißt, was ich meine.« Er stieß Nick mit der Schulter an. »So was probiert man nicht einfach, nur um dann zu merken, dass man feststeckt. Denk nach, Nicky. Was tut man, wenn man in ein Gebäude reinkommen muss, in dem man noch nie war?«

»Seine Kräfte benutzen«, antwortete Nick wie automatisch. »Mir selbst eine Tür machen.« Bilder gingen ihm durch den Kopf, wie er vor einer Ziegelmauer stand und mit einer schlichten Handbewegung eine Öffnung für sich machte.

Seth erstickte die Idee im Keim. »Ohne Kräfte. Du darfst dich nicht immer nur auf sie verlassen. Es kann Situationen geben, in denen sie gegen dich arbeiten.« Er überlegte. »Oder du sie nicht ausreichend unter Kontrolle hast.«

Nick schaute ihn finster an. »Ich habe meine Kräfte vollständig unter Kontrolle. Sieh her.« Er sah sich nach einem geeigneten Demonstrationsobjekt um. Ein paar Meter weit weg stand ein Plastikeimer, den jemand anscheinend dort vergessen hatte. Der Griff war verrostet, das Plastik gesplittert. Nick holte tief Luft und hob die Hand. In seinem Kopf glomm ein Funke auf, warm und süß. Nick hielt ihn fest und schob. Ein Zittern wie von einem leichten Kopfschmerz durchzuckte ihn.

Der Eimer wackelte und erhob sich schließlich in die Luft, wo er in anderthalb Meter Höhe stehen blieb. »Siehst du?«, sagte Nick, während ihm eine Schweißperle über die Stirn lief. »Kinderleicht. Ich hab’s echt drauf. Ich bin richtig gut gewor…«

Der Funke in seinem Kopf pulsierte und der Eimer schoss in hohem Bogen davon, um drei Dächer weiter scheppernd wieder aufzuschlagen.

Nick ließ seufzend den Kopf hängen. »Okay, es gibt noch ein paar Baustellen, aber trotzdem! Wozu bin ich ein Außergewöhnlicher geworden, wenn ich dann keiner sein darf?«

»Es gehört aber noch mehr dazu«, erwiderte Seth, und das nicht zum ersten Mal. Nicht mal zum zehnten. »Superkräfte zu haben, ist schön und gut, aber du darfst dich nicht ausschließlich auf sie verlassen. Du musst auch nachdenken. Und da das niemand so gut kann wie du, wirst du es schaffen. Komm schon. Wir können weder übers Dach rein noch durch die Vordertür. Und die Seiteneingänge sind verriegelt. Also, wie gehst du vor?«

Nicks Gesicht hellte sich auf. »Der Leuchtturm!«

»Genau.« Seth deutete auf Nicks Helm. »Dann mal los.«

Nick setzte ihn auf. Lichter explodierten vor seinen Augen, und seine Sicht wurde schärfer. Codezeilen rasten vorbei wie ein Wasserfall und verschwanden, dann erschienen zwei Worte. Sie blinkten himmelblau.

WILLKOMMEN, WÄCHTER.

Nick grinste. Das war mit Abstand das Coolste, was er je gesehen hatte. Gibby war ein verdammtes Genie, was Technikkram betraf, und diesmal hatte sie sich selbst übertroffen.

»Leuchtturm«, sagte der Wächter, jetzt wieder mit modulierter Stimme, »hört ihr mich?«

Nichts.

Der Wächter runzelte die Stirn und klopfte an seinen Helm. »Leuchtturm, hier ist der Wächter. Könnt ihr mich hören?«

Stille.

»Was zum Teufel«, murmelte er. »Sie sollen doch …«

»Hier Leuchtturm«, knisterte Jasmine Kensingtons Stimme in seinen Ohren. »Wir hören dich laut und deutlich. Entschuldige bitte. Gibby hat auf den Sandsack in Seths Keller eingeschlagen, und dann fing sie an zu schwitzen, und du weißt ja, was das bei mir auslöst.«

»Sie haben Sex in unserem geheimen Unterschlupf«, sagte der Wächter zu Seth.

Seth warf die Hände in die Luft.

»Haben wir nicht«, schnauzte Gibby. »Es war nur Vorspiel. Glaub mir, wenn es Sex gewesen wäre, wäre Jazz noch viel mehr aus der Puste, denn ich kann diese Sache mit meinen Fingern, die …«

»Gibby, was soll der Mist?«, knurrte der Wächter. »Hört auf rumzumachen, während wir versuchen, einen Juwelenraub zu verhindern! Ich brauche den Bauplan des Gebäudes.«

»Schon dabei«, sagte Jazz, ganz der Profi. »Was soll … Gibby, du bringst uns noch in Schwierigkeiten. Oh … wow, mach das noch mal!«

»Die Baupläne!«, brüllte der Wächter.

Seth seufzte. »So viel zum Überraschungsmoment.«

»Richtig, die Pläne«, sagte Gibby, und Nick konnte das zufriedene Grinsen in ihrer Stimme hören. »Besorgen wir. Wie lautet die Adresse?«

Der Wächter schaute Seth an.

Der zuckte nur die Achseln und sagte: »Tja, wie lautet sie? Auf all diese Dinge musst du achten, auf jedes noch so kleine Detail. Du weißt nie, wann du Verstärkung brauchen wirst, und solltest dich nicht immer auf den Tracker in deinem Anzug verlassen. Was, wenn er gerade nicht funktioniert? Weil beispielsweise ein Außergewöhnlicher das Stromnetz stört und die Kommunikation ausgefallen ist? Was tust du dann?«

»Genau«, murmelte der Wächter. Er ging zum rechten Dachrand und blickte hinunter zur Straße. Menschen liefen auf den Bürgersteigen umher, ohne zu ahnen, dass ein Außergewöhnlicher sie von oben beobachtete. Dazu das unangenehme Hupen von Autos im Stau. Es gab keinen vergleichbaren Ort auf der Welt, und obwohl Nova City Nick mehr als einmal eine ordentliche Ohrfeige verpasst hatte, würde er immer tun, was er konnte, um seine geliebte Stadt zu beschützen.

»Wir befinden uns an der Ecke Zehnte und Marketplace.« Er warf einen Blick auf die Nummern an den Gebäuden auf der anderen Straßenseite. Alle waren gerade. Die Zahlen gingen links hoch und rechts runter. Nick dachte an ihre Ankunft. Da hatte er doch die Hausnummer des Gebäudes gesehen, oder? Wie lautete sie? Denk nach, denk nach, denk … Ah! Er grinste. »1757 Marketplace. Nein, warte, das ist das Gebäude, auf dem wir gerade stehen. 1759 Marketplace.«

Seth drückte seine Schulter. »Gut gemacht, Wächter.«

»1759 Marketplace«, zwitscherte Jazz in sein Ohr. Durch die Helmlautsprecher konnte er hören, wie ihre Finger über die Tastatur flogen. »Und da … sind wir auch schon.«

Der Wächter blinzelte gegen die plötzliche Helligkeit in seinem Helm an. Das Licht wurde etwas schwächer, und als er wieder klar sehen konnte, erschien vor ihm ein dreidimensionaler Plan des Gebäudes, in das sie eindringen mussten. »Gibt es einen Weg hinein, ohne Türen zu benutzen?«, fragte der Wächter. »Und der keinen Alarm auslöst?«

»Gibby, findest du irgendwas?«, fragte Jazz.

»Da«, sagte Gibby. »Siehst du den Lüftungsauslass in der Nähe des Dachs?«

»Ja«, antwortete der Wächter, während sein Herz pochte vor Aufregung. »Passen wir da durch?«

»Höchstwahrscheinlich«, antwortete Jazz. Der Plan zoomte auf das Lüftungssystem. »Könnte ein bisschen eng werden, aber es müsste gehen. Einen Moment. Gibby, mach bitte dieses Liniending.«

»Dieses Liniending«, wiederholte Gibby mit einem Schnauben. »Oh, wie ich dich liebe, Jazz. Bin schon fertig.« Einen Moment später erschien ein roter Punkt am Eingang des Lüftungsschachts, von dem aus eine Linie zuerst nach rechts, dann nach links, dann wieder zweimal rechts zum Zentrum des Gebäudes führte. »Da. Hier sollte ein Gitter in die Decke eingelassen sein, durch das ihr wieder rauskommt.«

»Sicherheitssystem?«, fragte der Wächter.

»Alt«, antwortete Jazz. »Sieht aus, als ob es nur Alarm schlägt, wenn die Eingangstür unten nach Geschäftsschluss geöffnet wird. Es wurde seit 2004 nicht mehr aktualisiert.«

Der Wächter nickte. »Gut. Die Stadt ruft nach mir. Ich höre sie und werde alles tun, was ich kann, um sie zu retten.«

Stille.

Der Wächter klopfte wieder an seinen Helm. »Habt ihr das verstanden?«

»Haben wir«, bestätigte Jazz. »Wir wussten nicht, ob noch mehr kommen würde, wie sonst immer. Sagst du normalerweise nicht noch was über ein krankes Herz und das schwelende …«

»Keine Zeit!«, unterbrach der Wächter. »Sondern Zeit, den Müll … Moment, ich muss mir was anderes einfallen lassen, etwas ohne das Wort ›Zeit‹ zu wiederholen. Okay, wartet. Ich … nur noch eine Sekunde … Yes!«

Nick straffte die Schultern. »Ihr wollt Wertsachen stehlen, die euch nicht gehören? Mal sehen, was ihr sagt, wenn ich euch in den Allerwertesten trete!«

Er wartete auf tosenden Beifall.

Es kam keiner.

Er ließ die Schultern hängen. »Ach, kommt schon. Der Spruch war Spitzenklasse.«

»Das ist die neue Spitzenklasse?«, fragte Gibby. »Okay, mein Fehler. Du bist ein wirklich toller Superheld! Ich habe noch nie so einen krassen …«

»Ich hasse euch alle«, murmelte der Wächter.

Seth setzte seinen Helm auf und ging online. Die Linsen erstrahlten in einem bedrohlichen Rot. »Leuchtturm«, sagte er, »hier ist Pyro Storm. Wir gehen jetzt rein. Haltet euch bereit. Zeit zu brennen.«

»Was zum … Ich habe diesen Spruch erfunden. Warum klingt er so viel cooler als meiner? Ich verlange, dass ihr sofort bestätigt, wie toll mein Wertsachen-Allerwertesten-Wortspiel war!«

Anscheinend war der Schachteingang doch nicht so groß, wie er auf dem Plan ausgesehen hatte. Wenn sie das hier hinter sich hatten, würde der Wächter beim Bauamt einen Antrag stellen, alle Lüftungsschächte in Nova City so zu verbreitern, dass gewisse Situationen (so wie die, in der er gerade steckte) zukünftig nicht mehr auftreten konnten.

»Du musst fester gegen meinen Hintern drücken«, keuchte er, während die Schachtwände seine Schultern und den Brustkorb bereits bedrohlich quetschten und seine Beine ohne jeden Halt herumzappelten. Eigentlich hatte er ja fliegen wollen, aber abgesehen von dem einen Mal, als er nach einem Sprung von einem Hausdach kurz geschwebt war (eine lange Geschichte), hatte er das Fliegen noch nicht richtig drauf. Oder das Schweben. Er konnte ja nicht mal besonders hoch springen.

Der Wächter zog seinen Bauch ein und wünschte, seine Rippen wären aus Gummi. Pyro Storm schob, und gerade als der Wächter glaubte, für immer festzustecken, schoss er vorwärts wie ein Korken. Er landete unsanft und kniete sich schließlich auf alle viere, wobei er mit dem Rücken an der Schachtdecke anstieß.

»Ich bin drin«, keuchte er. »Leuchtturm, könntet ihr … Oh, sorry.«

»Was ist passiert?«, fragte Jazz.

»Er hat mich ins Gesicht getreten«, stöhnte Pyro Storm.

Der Wächter zwängte sich ein Stück tiefer in den Schacht, um Pyro Storm mehr Raum zu geben. »Es war ein Unfall. Ich kann nichts dafür, dass ich lange Beine habe wie ein Tänzer.«

»Wie bitte?«, prustete Jazz. »Ich habe dich tanzen sehen. Für einen schwulen Mann tanzt du, als hättest du Gelenkrheuma im fortgeschrittenen Stadium.«

»Blödsinn«, schnauzte der Wächter, während sich der Schweiß in seinem Nacken sammelte. »Wie kannst du es wagen, völlig überkommene Klischees über queere Menschen zu verbreiten? Willst du dich als Nächstes auch noch über meinen Kleidungsstil äußern?«

»Na hör mal«, prustete Gibby. »Hast du deine Klamotten schon mal im Spiegel gesehen?«

»Gibby!«

»Ist ja gut. Also, du musst ein Stück krabbeln und an der nächsten Ecke nach rechts … Genau da.«

Der Wächter kroch durch die Öffnung zu seiner Rechten, Pyro Storm folgte ihm dicht auf den Fersen. Dann hielt er keuchend inne und wünschte, er könnte den Schacht mit seiner Telekinese ein bisschen verbreitern. Es fehlt nur ein kleines Stück, dann könnte er vornübergebeugt gehen, anstatt zu krabbeln wie ein Kleinkind. Aber das Aufweiten würde zu viel Lärm machen und sie nur verraten. Dieses Risiko konnte er nicht eingehen. Nicht, solange die Schurken mit ihnen in diesem Gebäude waren.

»Links«, sagte Gibby, als der Wächter zu einer weiteren Abzweigung kam.

»Schon dabei«, erwiderte er, bog nach links ab und bemühte sich, so leise zu sein, wie er irgend konnte. Was natürlich dazu führte, dass sich jedes Aufsetzen seiner Knie für ihn anhörte, als würde eine Büffelherde durch einen Antiquitätenladen voller zerbrechlicher Glasfiguren trampeln.

»Wir haben vier gezählt, alle bewaffnet«, flüsterte Pyro Storm gerade über die Helmlautsprecher. »Wie vermeidest du, angeschossen zu werden?«

»Indem ich nicht frontal angreife«, flüsterte der Wächter zurück. »Wenn wir uns ihnen von oben oder von hinten nähern, haben wir die Chance, sie auszuschalten, ohne dass auch nur ein einziger Schuss fällt.«

»Richtig. So dauert es zwar etwas länger, aber das ist es wert, um mögliche Verletzungen oder den Verlust von Menschenleben zu vermeiden. Was, wenn Unschuldige involviert sind? Sagen wir, ein Wachmann, der als Geisel genommen wurde. Was tust du dann?«

»Sie um jeden Preis beschützen«, antwortete der Wächter, und seine Aufregung stieg wieder. »Sie haben oberste Priorität. Die Juwelen sind höchstwahrscheinlich versichert und es ist wichtiger, Menschenleben zu retten als ein paar Steine, auf die irgendwelche Weirdos stehen, nur weil sie so schön glänzen.«

»Richtig. Erst die Menschen, dann der Besitz. Dabei dürfen wir allerdings nicht vergessen, dass jemand die entstandenen Schäden auch wieder beseitigen muss, und wir wollen anderen keine zusätzliche Arbeit machen, wenn es sich vermeiden lässt.«

Der Wächter stieß sich den Musikantenknochen an einer Ecke des Schachts und zuckte zusammen. »Altruistisch zu sein, ist echt schwer. Wenn wir uns nicht um alles und jeden kümmern müssten, würde das die Dinge erheblich erleichtern.«

Pyro Storm kicherte. »Das ist es, was einen Superhelden ausmacht.«

»Ich weiß. Aber was wäre, wenn …«

Das Metall unter ihm knarrte gefährlich und der gesamte Schacht begann zu wackeln. »Ähm«, sagte der Wächter und schaute entsetzt nach unten. »Ist das normal oder …?«

Der Wächter – also Nick – war ein Meister des Fallens: von einer Brücke, von einem Dach, sogar aus dem eigenen Bett. Deshalb war es eigentlich kein Wunder, als das Rohrsystem unter ihm mit einem metallischen Kreischen zusammenbrach und er mit dem Gesicht voraus auf den drei Meter entfernten Zementboden zuraste. »Oh, scheiße, scheiße, scheiße!«

Er riss schützend die Hände hoch, während in seinem Kopf ein Funke explodierte. Dann schloss er die Augen und hoffte, seine Leiche würde ausreichend intakt bleiben, damit er in einem offenen Sarg beerdigt werden konnte, während die Trauergäste schluchzten und jammerten, dass er viel zu früh von ihnen gegangen sei, er, der Beste von allen, und wie sollen wir nur ohne Nicholas Bell weiterleben?

Einen Moment lang verblasste alles um Nick herum: das Gebäude, das mit ihm herabstürzende Metall, die Tatsache, dass er sich heute beweisen wollte – alles. Es gab nur noch ihn selbst und dieses explodierende Licht, das nie wirklich das tat, was er wollte. Er griff danach.

Bitte, sagte er – entweder laut oder in Gedanken, er wusste es nicht. Dann drückte er das Licht an seine Brust, rollte sich darum zusammen und hielt es fest. Bitte!

Als Nick merkte, dass er sich doch nicht in einen Haufen aus Knochen und freiliegender Gehirnmasse verwandelt hatte, öffnete er die Augen und fand sich eineinhalb Meter über dem rissigen Zementboden schwebend wieder. Die Metalltrümmer um ihn herum taten das Gleiche. Staunend berührte er eines davon und beobachtete, wie es sich langsam wegdrehte. »Ich kann es«, flüsterte er ergriffen. »Fresst Staub, ihr verdammten …«

Dann fiel er die restliche Strecke bis zum Boden und landete hart, während rings um ihn die Metallteile aufschlugen. »Aua«, stöhnte er. »Gottverdammt, tut das weh! Leuchtturm, der Wächter ist abgestürzt. Ich wiederhole, der Wächter ist abgestürzt und schwer verletzt. Schickt einen Sanitäter und eventuell einen Priester, der die letzte Ölung vornimmt.«

Er rollte sich auf den Rücken und zog eine Grimasse wegen der Schmerzen in seiner Brust und an seinen Knien. Als Pyro Storm an der Kante des durchgebrochenen Lüftungsschachts erschien, winkte der Wächter matt. Durch den Nebel seiner Schmerzen sah er, wie Pyro Storm mit einem Salto aus dem Schacht sprang und sanft zu Boden schwebte.

Pyro Storm kniete sich neben ihn und streichelte sein Gesicht. »Keine Sorge, dir ist nichts passiert. Es waren nur anderthalb Meter.«

»Aber über verflucht hartem Untergrund«, entgegnete der Wächter. »Schau. Hart wie Beton!«

»Das sehe ich. Muss der härteste Beton im gesamten Universum sein.«

Der Wächter schob Pyro Storms Hände weg. »Jaja. Mach dich nur lustig. Ich lach mich tot.« Er stand auf und verzog das Gesicht. Dann fiel ihm wieder ein, was er soeben vollbracht hatte, und alles war vergessen.

»Mann, ich bin geschwebt!«, jubelte Nick. »Zugegeben, es passiert immer nur dann, wenn ich unabsichtlich irgendwo runterfalle, aber trotzdem.«

»Vielleicht solltest du deinen Namen in Schweber ändern«, meinte Gibby über die Funkverbindung. »Das wird alle Feinde in Angst und Schrecken versetzen.«

Der Wächter ignorierte sie.

»Bist du bereit?«, fragte Pyro Storm und musterte ihn von oben bis unten. »Oder sollen wir das Ganze lieber abblasen?«

Er schüttelte den Kopf. »Mir geht’s gut. Machen wir weiter.«

Er schaute sich um und sah, dass sie sich in einem großen Raum befanden, der anscheinend als Lager genutzt wurde. Die Wände waren von Regalen voller Farbdosen und Reinigungsmittel gesäumt, die einen strengen Geruch verströmten, und direkt vor ihnen befand sich eine Tür. Nick rannte darauf zu in der Absicht, sie mit einem coolen Spruch aufzureißen, der die bewaffneten Einbrecher vor Angst erzittern lassen würde, da fiel ihm wieder ein, was Seth ihm eingeschärft hatte. Der Wächter bremste ab, legte den Kopf an die Tür und versuchte festzustellen, ob jemand auf der anderen Seite den Lärm gehört hatte.

Er erschrak sogar nur ein ganz kleines bisschen, als Pyro Storm neben ihm erschien. »Gut«, sagte er mit einem kleinen Lächeln. »Anstatt die Tür einfach aufzustoßen, denkst du voraus und gehst es langsam an. Du wirst nicht jedes Mal Gelegenheit dazu haben, aber wenn du dir Zeit nimmst, zahlt es sich am Ende immer aus. Was hörst du?«

»Nichts. Keine Stimmen. Nichts rührt sich.«

»Und das bedeutet?«

Der Wächter trat von der Tür zurück. »Entweder sind sie so weit weg, dass sie uns nicht gehört haben, oder sie stellen uns eine Falle.«

»Exakt«, bestätigte Pyro Storm. »Gibby, noch einmal die Pläne, bitte. Nur das Innere des Gebäudes. Zeig uns, wo wir sind. Sieht aus wie ein Lagerraum.«

Im Helm des Wächters erschien erneut der Grundriss. Das Bild zoomte heran und zeigte zwei blinkende Punkte in der westlichen Ecke.

»Ich habe euch gefunden«, sagte Gibby. »Ihr seid ein bisschen vom Kurs abgekommen, aber … Moment.« Aus den Lautsprechern ertönte das Geräusch von Fingern, die über eine Tastatur flogen. Der Grundriss drehte sich um hundertachtzig Grad und zeigte einen weißen Punkt auf der Südseite des Gebäudes. »Dort müsst ihr hin. Die Juwelen sind dort, und die Diebe auch, falls sie euch nicht gehört haben.« Dann verschwand die Projektion wieder.

»Durch diese Tür«, sagte der Wächter, »danach den Flur entlang und die letzte Tür rechts, dahinter liegt der Ausstellungsraum.«

Er legte die Finger auf den Türknauf und begann zu drehen, aber Pyro Storm hielt seine Hand fest. »Immer schön langsam und vorsichtig«, sagte er.

Der Wächter nickte. »Wenn wir nur Blendgranaten hätten«, murrte er. »Wir könnten einfach eine davon werfen und Bamm! Keiner der Schurken sieht mehr was.«

»Das haben wir doch schon besprochen«, erklärte Pyro Storm geduldig. »Wir waren uns einig, dass die Vorstellung, wie du mit einer Granate hantierst, schlicht zu beängstigend ist.«

»Sie würde dir wahrscheinlich direkt vor der Nase explodieren«, warf Jazz ein. »Und ich mag dein Gesicht so, wie es ist. Also.«

»Jaja.« Der Wächter drehte den Türknauf, so leise er konnte. Als er das Klicken des Riegels hörte, zog er die Tür einen Spaltbreit auf und spähte in die Dunkelheit auf der anderen Seite. Der Korridor war menschenleer. Nur ein paar Türen, drei auf der linken und zwei auf der rechten Seite. Keine Bewegung, kein Geräusch. Er sah zu Pyro Storm und grinste. »Ist es schlimm, dass ich mir fast wünsche, die Diebe hätten uns aufgelauert? Ein Kampf in einem beengten Flur wäre doch der Hammer, oder?«

Gibby stöhnte. »Du hast im Freien schon Probleme, Wächter. Bei einem Flurkampf würdest du nur ordentlich den Hintern versohlt bekommen.«

Der Wächter schnaubte. »Niemand versohlt mir den Hintern. Ich tue nur manchmal so, als würde ich verlieren, um meinen Gegner in falscher Sicherheit zu wiegen.«

»Oh«, machte Gibby. »Wenn das so ist, machst du deine Sache wirklich gut.«

»Danke … Moment, was genau willst du damit …«

Pyro Storm räusperte sich.

»Richtig«, sagte der Wächter. »Wir sind gerade mitten in einem Einsatz. Konzentration.«

Er zog die Tür auf und huschte lautlos hinaus auf den Flur, während Pyro Storm jede seiner Bewegungen genau beobachtete. Der Wächter wusste, dass Pyro Storm auf seiner Seite war, aber er wollte ihn stolz machen, er wollte ihm zeigen, dass er sich auf ihn verlassen konnte.

Nick versuchte es an der ersten Tür. Abgesperrt. Das Gleiche bei der zweiten. Und der dritten. Am Knauf der vierten drehte er nur noch halbherzig, da er schon ahnte, dass sie wahrscheinlich genauso verschlossen war. Erst bei der letzten Tür auf der rechten Seite blieb er stehen. Sie hatte ein rechteckiges Sichtfenster. Der Wächter drückte sich an die Wand und reckte den Hals, um durch das Glas zu spähen.

Der Atem stockte ihm in der Brust.

Er sah drei von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidete Gestalten mit Gesichtsmasken. Alle trugen Waffen und Taschenlampen, deren Strahlen kreuz und quer durch den Raum hüpften. Zwei der Einbrecher standen mit dem Rücken zur Tür, die Köpfe dicht beieinander, als würden sie miteinander sprechen.

Vielleicht war das Überraschungsmoment doch noch auf ihrer Seite.

Da machte die dritte Gestalt einen Schritt zur Seite und gab den Blick frei auf das, weswegen sie gekommen waren: eine Vitrine, darin lag ein rotes Samtkissen, auf dem ein großer Diamant glitzerte. Ein Taschenlampenstrahl fiel darauf und wurde in alle Farben des Regenbogens gebrochen. Einer der Räuber beugte sich vor, stützte die Hände auf die Knie und starrte den Diamanten an.

Drei Diebe.

Es sollten aber vier sein.

Der Wächter sah Pyro Storm an. »Wo ist der vierte?«

Pyro Storm nickte. »Gute Frage. Manchmal muss man den Plan spontan ändern und dann irgendwie mit den Folgen zurechtkommen. Du weißt, dass es vier sind, aber du kannst nur drei sehen. Was tust du?«

Der Wächter schaute wieder durch das Fenster. Alle drei standen jetzt um den Diamanten herum. Sie sahen aus, als warteten sie auf etwas. Er wollte gerade zu Pyro Storm sagen, dass sie die Gelegenheit nutzen sollten, solange der vierte Einbrecher sonst wo war, als er aus dem Augenwinkel sah, wie die Schatten neben ihm sich bewegten.

Panik flammte auf und schnürte ihm die Kehle zu.

Owen!, dachte der Wächter. Das Wort überstrahlte jeden klaren Gedanken wie ein dunkler Stern. Oh mein Gott, es ist …

Es war nicht Owen. Er hatte sich getäuscht.

Die letzte Tür auf der linken Seite war jetzt offen – die, die er nicht richtig überprüft hatte. Der vierte Räuber stand dort und hielt seine Waffe auf Pyro Storms Kopf gerichtet, die Augen unter seiner Skimaske waren zusammengekniffen, und den Mund hatte er zu einem sadistischen Grinsen verzogen.

»Sieh an, sieh an«, sagte er mit krächzender Stimme. »Was haben wir denn hier?«

»Scheiße«, keuchte der Wächter.

Der Kerl stieß ihn unsanft vorwärts, und der Wächter stolperte durch die Tür. Die drei Räuber vor der Diamantenvitrine drehten sich um.

»Seht mal, was ich gefunden habe, Jungs«, sagte ihr Entführer, den Lauf seiner Waffe immer noch an Pyro Storms Kopf gepresst. »Sieht aus, als hätten wir Zaungäste.«

»Zaungäste?«, erwiderte der Wächter. »Ich weiß nicht mal, was das bedeuten soll.«

»Schlaue Kommentare helfen uns im Moment nicht weiter«, flüsterte Pyro Storm, während der Mann sie nebeneinander stellte und langsam im Kreis um sie herumging, seine Pistole stets auf sie gerichtet. Auch die anderen drei hoben ihre Waffen.

Der vierte Mann stieß ein wahnsinniges Lachen aus. »Ihr seid direkt in die Falle gelaufen!«

Der Wächter starrte ihn an. »Wovon zum Teufel redest du?«

»Der Diamant ist uns egal. Ihr beide seid viel mehr wert als dieser Stein. Glaubt mir, unser Boss kann es kaum erwarten, euch in die Finger zu bekommen.«

Einer der Männer beugte sich dicht an den Wächter heran und zischte: »Ich hoffe, der Boss überlässt ihn mir. Dann kann ich ihm die Haut von den Knochen ziehen und sehen, was für Geräusche er macht.«

»Wow«, sagte der Wächter. »Das war selbst mir ein bisschen zu gruselig. Vielleicht solltest du einen Gang runterschalten? Du klingst wie ein Psycho.«

»Ich bin ein Psycho. Deshalb nennen mich auch alle so. Kannibalen-Psycho, genauer gesagt.«

»Genug«, sagte einer der drei anderen. »Zeit, es zu beenden.« Er hob seine Waffe und zielte auf Pyro Storms Kopf.

»Versuch’s nur«, knurrte der Wächter. »Es wird das Letzte sein, was du tust.«

Der Mann schaute ihn an und zuckte die Achseln. »Wenn du meinst«, erwiderte er und drückte ab.

Die Zeit verlangsamte sich. Der Wächter hörte seinen eigenen Puls rauschen, während die Farben um ihn herum zerflossen wie Wachs. Die Luft zwischen den beiden Superhelden und den Schurken kräuselte sich wie die Oberfläche eines Sees. Dann ruckte der Wächter mit dem Kopf. Kannibalen-Psycho wurde gegen die Wand geschleudert und blieb reglos am Boden liegen, während der Wächter sich auf das Geschoss konzentrierte, das auf Pyro Storms Kopf zuraste.

Der Funke in seinem Kopf erstrahlte – hell, vertraut, sein.

Die Kugel blieb stehen und richtete sich auf den Mann, der die Waffe abgefeuert hatte. Auf den Mann, der versucht hatte, dem Wächter alles zu nehmen.

»Nimm das«, knurrte er, dann sauste die Kugel los und traf den Schützen genau zwischen den Augen.

2

Der Mann schielte blinzelnd auf das Projektil zwischen seinen Augen. Es war keine Kugel, sondern ein grüner Gummipfeil mit einem Saugnapf als Spitze.

»Du hast mich umgebracht?«, keuchte er entsetzt. »Was zum Teufel soll das, Nicky?« Ein Ploppen ertönte, als er den Pfeil von seinem Nasenrücken zupfte. Als Nächstes zog Aaron Bell sich die Skimaske vom Kopf und starrte seinen Sohn mit zerzausten, schweißverklebten Haaren an. »Wir haben x-mal darüber gesprochen. Ich kann nicht fassen, dass ich es tatsächlich wiederholen muss: Wir. Töten. Nicht.«

Unterdessen erhob sich der Komplize, der gegen die Wand geschleudert worden war, stöhnend vom Boden. »Großer Gott, meine Knochen. Meine armen alten Knochen.«

Der Wächter warf einen Blick über die Schulter und sah, wie Miles Kensington grimassierend die Maske vom Kopf zog. »Als Jasmine mich bei unserem Papa-Tochter-Date gefragt hat, ob ich Nick beim Training unterstützen möchte, war keine Rede von Gegen-die-Wand-geschleudert-Werden und dergleichen«

Der Wächter verdrehte die Augen. »Daran hätten Sie denken sollen, bevor Sie sich als Kannibalen-Psycho ausgegeben haben.«

»Okay«, warf Trey Gibson ein und schob seine Maske gerade so weit hoch, dass sie wie ein Turban auf seinem Kopf thronte. »Ich hätte da auch etwas anzumerken: Man stützt sich nicht mit beiden Händen auf die Knie, wenn man in einer Hand gleichzeitig eine Waffe hält. Die Gefahr, dass sich dabei versehentlich ein Schuss löst, ist viel zu groß! Die Filme lügen, und Hollywood sollte sich schämen. Habe ich recht, Gibster?«

»Dass Hollywood lügt?«, fragte Gibby über die Funkverbindung. »Ja, Dad.«

»Ha!«, rief der vierte Gangster und richtete seine Gummipfeilpistole auf die anderen im Raum. »Die Gelegenheit für meinen Verrat ist gekommen. Endlich kann ich …«

»Seth?«, tönte eine Stimme aus Pyro Storms Helmlautsprecher. »Hier spricht Martha. Entschuldige die Störung, wo ihr doch gerade so viel Spaß habt. Aber kannst du deinem Onkel bitte sagen, dass er noch Toilettenpapier besorgen soll, wenn er mit seinem Verrat fertig ist? Ich habe es vorhin beim Einkaufen vergessen. Und sag ihm außerdem, dass er wirklich Ärger bekommt, wenn er aus Kostengründen wieder das billige, einlagige kauft.«

Bob Gray zog sich die Maske vom Kopf. »Verflucht. Jetzt kann ich meinen tollen Verrat wohl vergessen.«

»Wow«, keuchte Miles und hüpfte freudig durch den Raum. »Ich glaube, meine Rückenschmerzen sind weg! Wer hätte gedacht, dass man nur mittels Telekinese gegen eine Wand geschleudert werden muss? Nehmt das, überteuerte Chiropraktiker!«

Der Wächter warf verärgert die Hände in die Luft. »Sie sind die schlechtesten Pseudoschurken, die sich je im Pseudoschurken-Geschäft versucht haben. Ich erkläre die Übung hiermit beendet. Wächter over.« Er zog seinen Helm aus und funkelte Aaron an.

»Sie wurden gerade von Ihrem Sohn getötet«, sagte Trey zu Dad. »Erinnert an Shakespeare, finden Sie nicht?«

Dad seufzte. »Ja, an der moralischen Einstellung müssen wir noch arbeiten. Ich hätte gedacht, jemanden zu ermorden, würde sich von selbst verbieten. Aber da habe ich mich anscheinend getäuscht.«

Bevor Nick eine bissige Erwiderung geben konnte, die Aaron ausreichend Gesprächsstoff für seine nächste Therapiesitzung verschaffen würde, zog Seth seinen Helm aus und fragte: »Nick, bist du schon dahintergekommen, an welcher Stelle der entscheidende Fehler passiert sein könnte?«

»Die vierte Tür«, brummte er mit einem Nicken. »Ich habe sie nicht überprüft.«

»Genau dort habe ich mich versteckt«, erklärte Miles schadenfroh. »Und du weißt, dass du eigentlich leise sein solltest, oder?«

Nick stöhnte. »Es lag nur daran, dass ich immer noch keine Bauchmuskeln habe. Und nein, Sie dürfen mich nicht fragen, was zum Teufel das damit zu tun hat. Hat es, und damit basta.«

»Du könntest im Baseballstadion die Tribüne rauf und runter rennen«, schlug Dad vor. »Das macht fit. Erwarte nur nicht, dass ich mit dir trainiere, denn das machen meine alten Knie nicht mehr mit.« Er machte Anstalten, den Reißverschluss seines Overalls zu öffnen.

Nick starrte ihn entsetzt an. »Dad, nein.«

»Dad …«, begann Aaron.

»Lassen Sie’s gut sein«, warf Miles ein. »Ich übernehme das.« Er stellte sich vor die beiden jugendlichen Superhelden und verschränkte die Arme vor der Brust. Dabei schien es sich um ein zuvor verabredetes Zeichen zu handeln, denn die anderen drei Gangster warfen sich ebenfalls in Pose: Trey stemmte die Hände in die Hüften, Bob ließ seinen Gummigeschoss-Blaster lässig vom Abzugsfinger baumeln, und Dad jonglierte mit dem Pfeil, der vorhin noch auf seinem Nasenrücken geklebt hatte.

»Dad, doch«, sagte Miles und zog den Reißverschluss seines schwarzen Overalls auf, genau wie die anderen drei. DAD-SQUAD stand auf dem T-Shirt zu lesen, das er darunter trug.

Nick stöhnte. »Ich finde es ja gut, wenn alte Leute mal was Neues probieren, aber war das wirklich nötig?«

»Und wie«, erwiderte Dad gut gelaunt.

»Meines hat sogar Glitzer-Buchstaben«, fügte Trey stolz hinzu. »Aysha meint, sie bringen meine Augen besser zur Geltung. Außerdem halten wir beide nichts von toxischer Männlichkeit – Glitzer ist für alle!«

Ein wenig nervös warf Bob ein: »Seth, ich hoffe du hast nichts dagegen, dass ich auch so eines trage. Streng genommen bin ich natürlich nicht dein Dad, aber …« Er betrachtete die Aufschrift auf seiner Brust. »Onkel-Squad hätte sich komisch angehört, finde ich.«

Seth ging zu ihm und schloss ihn in eine feste Umarmung. »Dein T-Shirt ist genau richtig«, flüsterte er. »Sogar mehr als das.«

»Wirklich?«, fragte Bob strahlend. »Ich habe so gehofft, dass du das sagen würdest.«

Nick überließ die Dilettanten im Raum sich selbst und wandte sich stattdessen dem Diamanten in der Vitrine zu. »Wo habt ihr den her? Der ist doch nicht etwa echt, oder?«, fragte er und drückte sich die Nase an der Scheibe platt. »Mann, wie der glänzt. Ich will ihn haben.«

»Von Miss Raten«, antwortete Aaron und stellte sich neben ihn. »Mateo verwendet ihn für seine Dragshow. Sie heißt Diamonds are a girl’s best friend.«

Nick seufzte. »Ich fürchte, er ist ein bisschen in dich verknallt.«

Aaron nickte ernst. »Das könnte sein. Ich bin eben sehr attraktiv.«

»So was will ich nicht hören, Dad. Das ist eklig!«

»Danke, Sohn.«

»Du kannst nicht mit Miss Raten rummachen«, sagte Nick panisch. »Ich bin und bleibe der einzige Queer in unserer Familie. Wie kannst du es wagen, mir meinen Thron streitig zu machen?!«

»Oder«, entgegnete Dad, »es steht mir frei, zu lieben, wen ich will. Und wenn dieser jemand zufällig Mateo ist, dann …«

»Als ob du mit einer Dragqueen zurechtkommen würdest. Die verspeist Typen wie dich zum Frühstück.« Er sah Aaron mit zusammengekniffenen Augen an. »Sag jetzt nicht, dass du dir genau das von eurer zukünftigen Beziehung erhoffst.«

Nick wandte sich schnaubend ab und ließ den Blick über die Gruppe schweifen: Miles machte Hampelmänner und rief, sein Chiropraktiker würde ihm das niemals glauben. Trey streichelte aus einem unerfindlichen Grund nach wie vor die Glitzerbuchstaben auf seinem T-Shirt. Bob stand grinsend neben Seth, einen Arm um dessen Schulter gelegt.

Da vergaß er für einen Moment Aarons erzieherische Fehltritte und war überwältigt, wie viel Glück er im Grunde genommen hatte (es war nicht das erste Mal, aber in diesem Moment sah er es klarer denn je): Seit die Erwachsenen die Wahrheit wussten, hatte es keinen einzigen Moment mehr gegeben, in dem Nick sich nicht geliebt und wertgeschätzt gefühlt hatte. Diese Wertschätzung ging sogar so weit, dass die Oldies sich die Nacht in einem leer stehenden Gebäude um die Ohren schlugen, das Bob mithilfe seiner beruflichen Verbindungen als Hausmeister für Nicks Training ausfindig gemacht hatte. Aaron und die anderen Mitglieder der bescheuerten Dad-Squad waren nur hier, um Nick dabei zu helfen, der Held zu werden, der er so gerne sein wollte. Keiner musste, und doch waren alle gekommen. Das Vertrauen, das sie in ihn setzten, rührte Nick zutiefst. Nur seine Mom fehlte noch, dann wäre der Moment vollends perfekt gewesen.

Und Dad gab sich wirklich Mühe. Seit er den Polizeidienst quittiert hatte und eine Therapie begonnen hatte, wirkte er irgendwie fröhlicher als früher, ja fast unbeschwert. Dass er gerade versucht hatte, Seth zu erschießen – geschenkt. Streng genommen hatte er damit sogar etwas gegenüber Nick wiedergutzumachen. Der perfekte Moment also, ihn zu fragen.

»Was meinst du, Dad? Bin ich jetzt gut genug, um allein auf Patrouille zu gehen?«

Alle im Raum verstummten. Aaron runzelte die Stirn und legte Nick beide Hände auf die Schultern. Nach kurzem Zögern antwortete er: »Ich weiß, dass du glaubst, du wärst bereit. Mir ist nicht entgangen, wie du dich in den letzten Wochen dafür angestrengt hast …«

»Aber«, sagte Nick, weil er wusste, dass eines kommen würde.

»Aber«, sprach Dad weiter, »wir müssen vorsichtig sein. Du hast gesehen, was passiert ist, seit Seth sich öffentlich zu erkennen gegeben hat. Bist du bereit, das Risiko einzugehen, dass das Gleiche in deinem Leben geschieht?«

»Es ist aber schon besser geworden«, warf Bob ein. »Seit wir eine geheime Telefonnummer haben, bekommt Seth nicht mehr so viele Todesdrohungen, und an unserem Haus hat schon seit zwei Wochen niemand mehr etwas kaputt gemacht. Die Überwachungskameras scheinen tatsächlich etwas zu nützen.«

»Und leider ist das noch nicht einmal alles«, ergänzte Trey nachdenklich. »Du weißt genauso gut wie wir, dass du und dein Dad es nicht nur mit Vandalismus zu tun bekommen würden.«

»Burke«, knurrte Nick und spürte die altvertraute Wut in sich aufsteigen.

»Burke«, bestätigte Trey. »Seit er seine Kandidatur für das Bürgermeisteramt bekannt gegeben und verkündet hat, dass er Außergewöhnliche heilen …« Er verstummte und schüttelte den Kopf. »Nein, nicht heilen. Du und Seth und all die anderen, ihr seid nicht krank, sondern nur anders.«

»All das ist mir vollauf bewusst«, räumte Nick ein. »Trotzdem kann ich mich nicht ewig verstecken.«

»Das sehe ich genauso«, bestätigte Aaron. »Aber bist du wirklich schon bereit dafür, wenn all das mit einem Schlag Realität wird? Wenn nicht mehr mit Gummipfeilen auf dich geschossen wird, sondern mit scharfer Munition? Vergiss die Brücke, vergiss den Abschlussball, denn was dann kommt, ist etwas völlig anderes. Kannst du angesichts all dessen wirklich mit voller Überzeugung sagen, dass du bereit bist?«

Nick öffnete den Mund und wollte schon Ja! rufen, doch er hielt inne. Telekinese war eine vertrackte Sache, und wenn er ehrlich war, hatte er sie immer noch nicht richtig im Griff. Als Eis und Rauch den Abschlussball der Centennial High angriffen, war er zwar ganz gut zurechtgekommen, aber konnte er das auch wiederholen? Noch dazu auf Abruf?

Er seufzte und scharrte mit dem Fuß. »Ich weiß es nicht.«

Aaron legte ihm einen Arm um die Schulter. »Mach dir nicht zu viele Gedanken, okay? Du bekommst den Bogen schon noch raus. Ich mache dir einen Vorschlag: Bringen wir erst mal die Sommerferien hinter uns, und dann, kurz bevor die Schule wieder anfängt, reden wir noch einmal darüber.«

»Schön«, brummte Nick. »Ich nehme dich beim Wort: Am Ende der Sommerferien reden wir noch mal.« Er senkte den Blick. »Vielleicht könnten wir bis dahin trotzdem mit den Übungen weitermachen. Wenn du willst, meine ich. Mir … gefällt es, solche Sachen mit dir zu unternehmen.«

»Mir auch, Kleiner«, flüsterte Dad. »Und falls ich es heute noch nicht gesagt haben sollte: Ich bin sehr stolz auf dich.«

»Danke, Dad«, flüsterte Nick zurück.

»Ich liebe uns alle«, erklärte Miles, den Blick auf Nick und seinen Dad gerichtet. »Wir sind die Besten. Scheiß auf Simon Burke, denn was auch immer er vorhat, er wird nicht weit kommen. Nicht, solange es unsere Töchter, Pyro Storm, den Wächter und die Dad-Squad gibt!«

»Dads, nein«, stöhnte Nick.

»Dads, doch!«, rief die Squad.

Er mochte sie. Alle. Wirklich.

Die Dad-Squad hatte vor, den Mehr-oder-weniger-Erfolg der Trainingseinheit mit ein paar Bier zu feiern. Sie versprachen, es nicht zu übertreiben, und bevor sie gingen, erinnerte Miles Nick und Seth daran, dass sie am nächsten Tag pünktlich um achtzehn Uhr im Haus der Kensingtons zu Jazz’ siebzehntem Geburtstag erwartet wurden.

»Verspätet euch ja nicht«, schärfte er ihnen ein, während sie noch auf dem Bürgersteig vor dem verlassenen Gebäude standen. »Ihr glaubt, Burke ist gefährlich? Ich sage euch, sein Zorn ist nichts im Vergleich zu dem meiner Tochter, wenn etwas nicht nach ihren Vorstellungen läuft.«