The Line We Don't Cross - Mia Kingsley - E-Book

The Line We Don't Cross E-Book

Mia Kingsley

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Beschreibung

Wie weit würdest du für Geld gehen? Norah Die Nachricht, dass mein Vater gestorben ist, war eine Erleichterung für meine gequälte Seele. Endlich hat der Mistkerl bekommen, was er verdient. Dann las ich die Fußzeile: Testamentsverkündung in drei Tagen. Anwesenheit zwingend notwendig. Ich wollte das Geld des alten Mannes nicht und ich hatte mir geschworen, nie wieder einen Fuß über die Schwelle seines Hauses zu setzen. Auf der anderen Seite wusste ich von dem Aktenschrank mit seinen ganzen Papieren, Akten und Unterlagen. Ein letzter Besuch, um endlich Antworten auf die Fragen zu bekommen, die das Monster mir nie beantwortet hatte. Und ein letztes Mal meinen Bruder sehen. Ich vermisste ihn so sehr. Reed Bitte komm nicht her. Sei klüger als ich. Fall nicht auf den verdammten letzten Trick des alten Mannes herein und bleib weg. Du hast dir nie viel aus Geld gemacht. Ich bete zu Gott, dass es noch immer so ist … Dark Romance. Düstere Themen. Eindeutige Szenen. Deutliche Sprache. In sich abgeschlossen.


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Seitenzahl: 224

Veröffentlichungsjahr: 2019

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THE LINE WE DON’T CROSS

MEHR ALS EIN SPIEL

MIA KINGSLEY

DARK ROMANCE

INHALT

The Line We Don’t Cross

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

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Über Mia Kingsley

Copyright: Mia Kingsley, 2019, Deutschland.

Coverfoto: © Mia Kingsley

ISBN: 9783963704550

Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nachdrücklich nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet.

Sämtliche Personen in diesem Text sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig.

Black Umbrella Publishing

www.blackumbrellapublishing.com

THE LINE WE DON’T CROSS

MEHR ALS EIN SPIEL

Wie weit würdest du für Geld gehen?

NORAH

Die Nachricht, dass mein Vater gestorben ist, war eine Erleichterung für meine gequälte Seele. Endlich hat der Mistkerl bekommen, was er verdient.

Dann las ich die Fußzeile: Testamentsverkündung in drei Tagen. Anwesenheit zwingend notwendig.

Ich wollte das Geld des alten Mannes nicht und ich hatte mir geschworen, nie wieder einen Fuß über die Schwelle seines Hauses zu setzen. Auf der anderen Seite wusste ich von dem Aktenschrank mit seinen ganzen Papieren, Akten und Unterlagen. Ein letzter Besuch, um endlich Antworten auf die Fragen zu bekommen, die das Monster mir nie beantwortet hatte.

Und ein letztes Mal meinen Bruder sehen. Ich vermisste ihn so sehr.

REED

Bitte komm nicht her. Sei klüger als ich. Fall nicht auf den verdammten letzten Trick des alten Mannes herein und bleib weg. Du hast dir nie viel aus Geld gemacht. Ich bete zu Gott, dass es noch immer so ist …

Düstere Themen. Eindeutige Szenen. Deutliche Sprache. In sich abgeschlossen.

KAPITEL1

REED

Die Sonne war längst untergegangen, als das Flugzeug landete. Unzählige Menschen drängten sich mit mir durch die schmalen Flure, an den Kontrollen vorbei zum Kofferband. Ich hatte nur Handgepäck dabei, weil ich nicht plante, lange zu bleiben.

So ganz war mir immer noch nicht klar, wie der Hurensohn mich überhaupt überzeugt hatte, zu kommen.

Natürlich weißt du es, wisperte die Stimme in meinem Hinterkopf. Mehr als sechzehn Jahre und du hast die gleiche erbärmliche Schwachstelle wie früher, Norah. Einfach jämmerlich.

Obwohl ich keine Ahnung hatte, wie mein Kontakt in Portland aussah, erkannte ich den Mann sofort. Er nickte knapp, reichte mir einen Autoschlüssel und verschwand wieder zwischen den Reisenden.

Im Laufen holte ich mein Handy aus der Hosentasche und rief die E-Mail mit der Parkplatznummer auf.

Der schwarze Porsche war zwischen den anderen Autos kaum zu verfehlen, da er der einzige nicht von Rost zerfressene Wagen in einem Radius von zwei Meilen war. Ich stieg ein und korrigierte die Sitzposition nach hinten, um mir nicht die Knie zu stoßen. Dann beugte ich mich über den Beifahrersitz und öffnete das Handschuhfach.

Wie erwartet, lagen die Glock und drei Ersatzmagazine darin. Die schiere Gegenwart der Pistole besserte meine Laune. Ich war nicht mehr der Halbstarke, der damals Hals über Kopf von zu Hause weggelaufen war, sondern hatte Mittel und Wege, das zu bekommen, was ich wollte.

Dass der alte Sack wirklich tot war, würde ich erst glauben, wenn ich seine Leiche sah – und für den Fall, dass er noch am Leben war, würde ich nachhelfen.

Ich nahm die Waffe und schob sie zusammen mit den Magazinen in meine Reisetasche.

Eigentlich hatte ich mir ein Hotel nehmen wollen, doch jetzt verlockte mich die Vorstellung, heute Nacht alles hinter mich bringen zu können.

Bevor ich den Wagen startete, kratzte ich mich am Kinn. Das Schaben der Bartstoppeln erinnerte mich daran, dass ich es versäumt hatte, mich zu rasieren – schon wieder.

Die letzten Tage wären auch ohne die Nachricht, dass mein Erzeuger gestorben war, anstrengend gewesen. Ich hatte zu viel zu tun, um überhaupt hier zu sein.

Als ich den Wagen Richtung Ausfahrt lenkte, ertappte ich mich dabei, wie ich nach Norah Ausschau hielt. Laut des letzten Dossiers, das ich gelesen hatte, hielt sie sich momentan in Chicago auf. Vielleicht würde sie ebenfalls mit dem Flugzeug kommen und ich konnte sie mitnehmen. Die Stimme im Hinterkopf, die mich darauf hinwies, wie dumm diese Idee war, ignorierte ich getrost. Ich konnte mir inzwischen selbst genug vertrauen, um mit ihr alleine zu sein. Alles andere wäre lächerlich. Sie war meine Schwester, verdammt.

Halbschwester, korrigierte die nervtötende Stimme.

Es machte keinen Unterschied, versicherte ich mir selbst. Und ich war kein notgeiler Teenager mehr.

Trotzdem trat ich sicherheitshalber das Gaspedal durch, um nicht der Versuchung zu erliegen, auf sie zu warten. Norah war bereits als Kind nie pünktlich gewesen. Wer wusste schon, wann sie auftauchte. Und überhaupt: Wenn sie klüger war als ich, würde sie sich von Fleming Manor fernhalten.

Die Fahrt bis Northport würde knapp zwei Stunden dauern. Trotzdem ließ ich das Radio ausgeschaltet. Mir ging viel durch den Kopf und ich wollte in Ruhe über alles nachdenken.

Die ersten sechzig Minuten vergingen schnell, da viel Verkehr herrschte und ich oft die Straßen wechseln musste, doch dann ging es geradewegs Richtung Einsamkeit. Die Fahrstreifen wurden schmaler und begannen, sich durch die etwas bergigere Landschaft zu schlängeln.

Die Scheinwerfer schnitten durch die Dunkelheit und ich wollte es nur noch hinter mich bringen. Was hatte es mit diesem ominösen Testament auf sich und warum interessierte es mich überhaupt?

Ich kannte die Gegend hier wie meine Westentasche und fuhr schneller, das Geschwindigkeitslimit bewusst ignorierend. Je näher ich dem Anwesen meines Vaters kam, das jetzt vermutlich zur Hälfte mir gehörte, desto beklommener wurde ich.

Obwohl ich inzwischen über dreißig war, konnte ich nie abschütteln, wie drückend und verpestet die Atmosphäre in dem Haus war, in dem ich aufgewachsen war. Es fühlte sich nicht an, als würde ich heimkommen, sondern als würde ich an der Höllenpforte klopfen und um Einlass bitten.

Wie lange ich nicht mehr hier gewesen war, erkannte ich schlagartig, als das große Tor in Sicht kam. Ich musste nicht klingeln, um hereingelassen zu werden. Stattdessen hing das rostige Tor schief in den Angeln und war bloß zur Seite geschoben worden.

Der Wagen rollte den Weg hinauf, dessen Kies früher bis zur Perfektion geharkt gewesen und nun mit Unkraut überwuchert war.

Im oberen Stockwerk waren mehrere Scheiben zerbrochen und die Fenster von innen zugenagelt worden. Die Stufen zur Tür waren mit Moos zugewachsen, die Farbe blätterte überall ab.

Über der Tür hatten stets drei Lampen gehangen und das Familienwappen beleuchtet. Das Wappen war weg, nur eine der Lampen brannte – wobei es mehr eine Art Flackern war.

Eine lange Zeit saß ich hinter dem Steuer und schaute zum Haus hoch. Ich hatte es hell erleuchtet und voller Leben erwartet, wie bei den Dinnerpartys, die mein Vater gegeben hatte.

Stattdessen war alles dunkel und verrottet – wie seine Seele vermutlich zu Lebzeiten ausgesehen hatte.

Ich nahm meine Tasche und stieg aus. Der Atem kondensierte vor meinen Lippen, die Kälte kroch unter mein Jackett. Im Flieger und am Flughafen war mir warm gewesen, sodass ich nicht bemerkt hatte, wie kalt es eigentlich in Maine war.

In der Ferne hörte ich das Meer rauschen und die Wellen gegen die Klippen schlagen. Uns wäre vermutlich allen geholfen, wenn wir das verdammte Haus einfach nach hinten schieben könnten. Immer weiter, bis es ins Meer fiel und auf Nimmerwiedersehen verschwand.

Jeder Muskel in meinem Körper war angespannt, als ich die Stufen nach oben stieg. Ein überreizter Nerv sorgte für ein Zucken im rechten Augenlid und ich biss die Zähne aufeinander. Es kostete mich viel Kraft, die Waffe in der Tasche zu lassen und sie nicht bereits im Anschlag zu haben, wenn ich die Tür öffnete.

Als ich klopfen wollte, schwang die schwere Holztür nach innen, weil sie gar nicht geschlossen gewesen war. Für einen Moment schalt ich mich. So wie das Haus aussah, sollte es mich nicht überraschen, dass keine Dienstboten anwesend waren.

Ich erwartete beinahe, Norahs Lachen zu hören, und die Zehnjährige in den opulenten Kleidern zu sehen, in die mein Vater sie immer für seine Partys gezwungen hatte, wie sie durch die Gänge rannte und Fangen mit mir spielen wollte.

Stattdessen war alles dunkel und roch muffig.

Ich trat ein und schloss die Tür hinter mir.

Schritte näherten sich aus dem Westflügel und ich schaute in die Richtung, um keine unangenehme Überraschung zu erleben.

»Schön, dich zu sehen.« Ein Mann mit hellen Haaren trat in den Flur.

Seine Gesichtszüge waren mir vage vertraut und trotzdem brauchte ich einen Moment. »Atlas?«

Er lächelte. »Reed. Es ist lange her.«

»Was zum Teufel machst du hier?« Ich wollte nicht so harsch sein, aber Atlas Thompson hatte schon als Kind meine Geduld überstrapaziert. Und dann als Teenager noch schlimmer. Sein Vater war der Verwalter des Anwesens gewesen und Atlas war herumgelaufen, als würde Fleming Manor ihm gehören. Er hatte stets versucht, sich anzubiedern. Vor allem Norah gegenüber.

Je älter er geworden war, desto offensichtlicher war seine Vorliebe für sie gewesen. Ich hatte zugesehen, dass sie niemals – unter keinen Umständen – mit ihm alleine gewesen war.

Er trat näher. Ich wusste nicht, wen er mit dem maßgeschneiderten Anzug täuschen wollte, denn ich sah immer noch den kleinen dünnen Jungen, der so gern etwas Besseres als ich gewesen wäre. Mit einem selbstgerechten Lächeln erklärte er: »Keine Sorge. Ich bin in offizieller Funktion hier. Als der Anwalt deines Vaters.«

Ich lachte. Abrupt und bitter. »Warum habe ich überhaupt gefragt? Du hast dich also tatsächlich bei ihm eingeschleimt, nachdem Norah und ich verschwunden sind? Geschickt – wirklich! Endlich hat der Drecksack den Sohn bekommen, den er nie hatte, was?«

Für einen kurzen Moment wurden seine Augen schmal, aber im Gegensatz zu früher hatte er sich viel besser im Griff. »Möchtest du einen Drink?«

Da er sich einfach abwandte und den langen Flur hinunterging, blieb mir nichts Anderes übrig, als ihm zu folgen. Mit einem Fluch auf den Lippen fasste ich den Griff meiner Reisetasche fester und ging hinterher.

Atlas betrat den großen Salon. Ein weiterer Raum, der ehemals prunkvoll gewesen war. Nun flackerten hier ein paar Kerzen und die meisten Möbel waren mit Plastikfolie abgedeckt. Die nackten Wände irritierten mich, da mein Erzeuger immer stolz auf seine Kunstsammlung gewesen war.

Atlas goss an dem Servierwagen zwei Gläser voll.

»Eigentlich hatte ich nicht vor, zu bleiben.«

Mit den Drinks in der Hand drehte er sich um. »Ich bedaure, aber wir müssen warten, bis Norah hier ist. Eine Klausel, die dein Vater festgelegt hat. Wir können die Angelegenheit nur regeln, wenn ihr beide anwesend seid.«

Die Neugier brannte ein Loch in meinen Magen, aber ich konnte mich kontrollieren. Von Atlas würde ich keine Antworten bekommen, solange er sich am längeren Hebel sah, und ich wollte ihm nicht die Genugtuung geben, seine flüchtige Machtposition auszuspielen, indem ich nachfragte.

»Wann hast du Norah das letzte Mal gesehen?«, wollte er wissen, als er mir eines der Gläser reichte.

»Es ist eine Weile her«, erwiderte ich unbestimmt. Es war mehr als sechzehn Jahre her, aber das ging ihn einen Scheißdreck an. Ich hatte immer zwei oder drei Privatdetektive auf der Kurzwahltaste, wenn ich wissen wollte, wo meine Schwester sich herumtrieb, allerdings hatte ich absichtlich in all der Zeit darauf verzichtet, mir Fotos von ihr anzusehen. Es war besser so.

Halbschwester, korrigierte die Stimme in meinem Kopf pedantisch.

Atlas grinste, als würde er wissen, was in mir vorging. Er trank einen Schluck und ging zum Fenster. »Ich habe sie vor drei Jahren zufällig in Vegas getroffen. Seitdem frage ich mich die ganze Zeit, wie sie noch schöner als früher geworden sein kann.«

Meine Knöchel traten weiß hervor und ich musste mich überwinden, einen Schluck zu trinken. Alles in meinem Mund zog sich zusammen. Warum servierte Atlas solch billigen Fusel? Ich ging hin und musterte die Flasche, ehe ich sie mit einem Seufzen wegstellte, genau wie das Glas. Trinken konnte ich auch noch, wenn ich wieder zu Hause war.

»Wann erwartest du Norah?«

Er drehte sich zu mir. »Ich dachte, du könntest mir das verraten. Ihr zwei standet euch immer so … nah. Du warst stets eifersüchtig, wenn ich in ihrer Nähe war.«

»Es war weniger Eifersucht als gesunder Menschenverstand. Wenn wir ohnehin warten müssen, werde ich jetzt in mein Zimmer gehen.«

»Dein Zimmer ist nicht mehr da.«

Ich hob eine Augenbraue. »Wohin hat er die Sachen geräumt?«

»Nirgendwohin. Er hat die Tür zumauern lassen, nachdem ihr verschwunden seid. Ihr habt ihm das Herz gebrochen.«

»Ihm? Oder dir? Die Sache ist nämlich, dass der alte Mistkerl kein Herz hatte.« Ich blieb in der Tür stehen. »Dann werde ich mir wohl eines der Gästezimmer suchen.«

»Halt dich an den Westflügel. Dort gibt es noch Strom und fließendes Wasser.«

Mir lag die Frage auf der Zunge, was zum Teufel passiert war, doch ich schluckte sie hinunter. Stattdessen verließ ich den Salon.

Im Haus war es ebenso bitterkalt wie draußen. Ich stieg die Treppe nach oben und hielt mich rechts, ging mit vorsichtigen Schritten den dunklen Korridor entlang. Auch hier waren die Wände nackt. Ich bemerkte es, während ich mein Handy als Taschenlampe benutzte. Zwar hatte ich nach dem Lichtschalter getastet, doch es war nichts passiert, als ich ihn umgelegt hatte.

Meine Schritte hallten durch den leeren Flur. An den Wänden waren die Umrisse der Gemälde zu sehen, die dort lange gehangen hatten.

Ich musste einen Bogen um eine Pfütze machen, da das Dach offensichtlich undicht war. Spontan entschied ich mich für das letzte Gästezimmer im Gang und öffnete die Tür. Eine Treppe führte vom Balkon nach unten in den Garten. Ich stellte meine Tasche ab und zog meine Jacke über, um nach draußen zu gehen.

Die Wellen schlugen gegen die Klippen und die Aussicht war genauso überwältigend, wie ich sie in Erinnerung hatte. Ich zündete mir eine Zigarette an, holte mein Handy aus der Tasche und wählte Trips Nummer.

»Boss?«, bellte er knapp ins Telefon.

»Es wird länger dauern, als ich dachte.«

»Probleme?«

Ich starrte aufs Meer. »Nicht mehr als erwartet. Ich möchte, dass du alles über Atlas Thompson herausfindest.«

»Atlas Thompson«, wiederholte er. »Geht klar.«

»Wie sieht es auf deiner Seite aus?«

»Wir haben dem Rebel Heads MC unser Geschenk zukommen lassen.«

»Perfekt. Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann.« Ohne mich zu verabschieden, legte ich auf. Trip hatte für Sentimentalitäten ohnehin nichts übrig.

Ich genoss die Stille und die Zigarette, schaute gedankenverloren aufs Meer, bis mir kalt wurde. Trotzdem ging ich nicht wieder ins Haus, weil ich wusste, dass ich unter seinem Dach nicht würde schlafen können.

Ich stand noch da, als es am Horizont hell wurde, und ich ein Motorengeräusch hörte. Mit großen Schritten umrundete ich das Haus, bis ich praktisch in der Hecke stand, die den Garten vor neugierigen Blicken schützte.

Ein schwarzer Mittelklassewagen hielt vor dem Anwesen. Der Fahrer stieg aus und öffnete die hintere Tür.

Norah kletterte aus dem Auto, ein atemberaubendes Lächeln auf den Lippen. Ich zog mich in den Schatten zurück, bevor sie mich sehen konnte. Ihr Anblick wirkte wie ein Schlag in den Magen.

Shit. Wieso hatte ich gedacht, dagegen gewappnet zu sein?

Ich hätte nicht herkommen sollen.

KAPITEL2

NORAH

»Wir sollten tanzen gehen«, schlug die Blondine aus der Truppe vor und sah mich an, als würde sie meine Bestätigung brauchen.

»Warum nicht?« Ich zuckte mit den Achseln.

Es war nicht schwer, sich unauffällig in die Gruppe einzufügen. Ich hatte zitternd und weinend auf dem Parkplatz gewartet, bis die perfekten Alibi-Freundinnen aufgetaucht waren. Die übliche Geschichte später, wie ich herausgefunden hatte, dass mein Freund mich betrogen und verlassen hatte, dabei hatte ich bloß mit ihm ausgehen und mich amüsieren wollen.

Das Ergebnis war in neunzig Prozent der Fälle das gleiche: Sie hakten sich bei mir unter und schleppten mich mit in den Klub, um mich aufzuheitern. Dem Arschloch konnte ich auch morgen hinterhertrauern. Heute Nacht wurde gefeiert, damit ich ihn vergaß.

Es war leichter, Opfer auszusuchen, wenn ich von meinen »Freundinnen« umgeben war. Das erregte weniger Misstrauen, als eine Frau, die ganz alleine unterwegs war. Auch Männer waren in den letzten Jahren vorsichtiger geworden.

Die Frauen hatten sicher ihre Ehemänner und Kinder in ihren Vorstadthäuschen mit den weißen Zäunen zurückgelassen und benahmen sich jetzt wieder wie Teenager.

Die Brünette mit der langen Nase winkte ab. »Oder wir gehen in einen Stripklub.«

Ich zog einen Fünfzig-Dollar-Schein aus der Tasche der Jeansjacke, die ich am frühen Nachmittag in einem Diner gestohlen hatte. »Warum trinken wir nicht erst einmal etwas? Ich gebe eine Runde aus.«

Die Frauen grölten vor Begeisterung und stellten damit sicher, dass kaum ein Mann in dieser Absteige unsere Anwesenheit ignorieren konnte.

Ich zog die Jacke aus und hängte sie über den nächstbesten Stuhl. Die Stripklub-Brünette schnappte nach Luft, als sie meine Tattoos sah. Nur wenige Zentimeter meiner Haut waren nicht bedeckt.

»Wow«, murmelte sie und begann, meinen Arm zu streicheln. Dabei schaute sie mir tief in die Augen.

Mit einem Mal erschloss sich mir der Vorschlag mit dem Stripklub und ich schenkte ihr mein bestes Lächeln. Wenn ich keinen passablen Mann fand, würde ich sie als Notfallplan behalten.«

»Sexy«, murmelte sie und leckte sich über die Unterlippe.

»Ja? Wie stehst du denn zu Piercings?«

Ihre Augen wurden praktisch noch in der gleichen Sekunde glasig und ich war mir sicher, dass sie nasser war, als ihr langweiliger Ehemann sie je erlebt hatte.

Nachdem ich ihren Ehering gemustert hatte, strich ich mein Haar zurück und fragte: »Willst du mir tragen helfen?«

»Klar.« Sie folgte mir wie ein Welpe zur Bar und stellte sich so dicht neben mich, dass sie sich förmlich an meine Seite schmiegte, obwohl genug Platz vorhanden war.

Ich legte den Arm um ihre Taille, weil es nichts Besseres als ein wenig angedeutete Lesben-Action gab, um männliche Aufmerksamkeit zu erregen. Meine Lippen dicht an ihrem Ohr fragte ich: »Was trinkt ihr sonst?«

Sie erschauerte und drückte sich näher an mich. »Vielleicht Tequila?«

»Klingt gut.« Ich bestellte sechs Shots beim Barkeeper, als die Brünette ihren Mut zusammennahm und sich zu mir beugte.

»Wo bist du gepierct?«

Ich grinste und brachte mein Gesicht nah vor ihres. So nah, dass ich sie mit spielender Leichtigkeit hätte küssen können – denn sie hielt brav still. Ich leckte mir lasziv über die Unterlippe. »Überall.«

Sie schluckte schwer. »Wow.«

»Hast du einen Namen, Darling?« Ich wickelte eine ihrer Haarsträhnen um meinen Finger. Teure Extensions, wie ich zur Kenntnis nahm. Teure Extensions bedeuteten Geld.

»Emma.« Sie strahlte mich an.

»Süß. Emma.«

»Wie heißt du?«

Wir nahmen jeder drei der Shot-Gläser, nachdem ich bezahlt hatte, und ich entschied spontan, dass ich mich heute sehr wie eine Femme fatale fühlte. Ich dachte an Catherine Tramell und drehte mich zu Emma. »Catherine.«

»Catherine«, wiederholte sie.

»Du darfst Cat zu mir sagen.« Ich zwinkerte ihr zu und Emma schwebte förmlich auf Wolken zurück zu dem Stehtisch, um den ihre Freundinnen sich versammelt hatten.

Die Blondine, die hatte tanzen wollen, schnappte sich ihr Glas, als hätte sie es eilig, und reckte es in die Luft. »Männer sich scheiße.«

»Männer sind scheiße!«, grölte die Gruppe.

Der Tequila brannte in meiner Kehle, aber ich wusste, dass ich viel mehr brauchen würde, um in die Gänge zu kommen.

»Tanzen!«, ordnete die Blondine an und zeigte mit beiden Händen zur Tanzfläche. Glücklicherweise zerrte sie Emma mit sich, sodass ich alleine am Tisch zurückblieb.

Ich musste dem Kerl im Schatten, der mich schon die ganze Zeit beobachtete, schließlich eine Chance geben, mich alleine zu »erwischen«. Selbst wenn er kein Bargeld in der Brieftasche hatte, war da noch die Rolex an seinem Handgelenk.

Neben ihm hatte ich zwei weitere Kandidaten entdeckt, die für meine Zwecke infrage kamen.

Er wartete, bis die Frauen zwischen den anderen Tanzenden verschwunden waren, ehe er auf mich zukam.

Fuck. Er war attraktiv. Sehr, sehr attraktiv. Ein starker, kantiger Kiefer und energische Gesichtszüge. Ein Mann, der Befehle erteilte und es gewohnt war, dass sie befolgt wurden. Helle Haare und Augen – das war gut, denn dann erinnerte er mich nicht an Reed. Mein Magen flatterte, wie immer, wenn ich an meinen Bruder dachte. Halbbruder. Und wie immer verpasste ich mir innerlich aufgrund der – rein körperlichen – Reaktion eine Ohrfeige.

Der Mann kam näher. Der Blick aus seinen blauen Augen erinnerte mich an ein Raubtier. Eines, das ganz weit oben in der Nahrungskette stand.

Das hellblaue Hemd spannte über den Muskeln, die Hose betonte seinen knackigen Hintern. Wann immer ein Mann zu gut aussah, um wahr zu sein, war er es vermutlich auch.

Obwohl ich verführerisch lächelte, meine Brüste vorstreckte und die Wimpern flattern ließ, war ich auf der Hut. Es war sehr gut möglich, dass er und ich das Gleiche wollten. Das wäre gefährlich.

Seine dominante und selbstbewusste Ausstrahlung zog mich an wie das Licht die Motte. Bevor er überhaupt etwas sagte, umfasste er meinen Oberarm. »Komm mit«, sagte er dicht an meinem Ohr. Seine Stimme glich einem rauen Grollen. »Ich will dich ficken.«

»Nicht einmal einen Drink bekomme ich vorher?«, fragte ich und hob eine Augenbraue.

Er lächelte. »Du bekommst alles, was du willst — nachdem mein Schwanz in dir war. Behaupte nicht, du würdest es nicht wollen. Ich habe gesehen, wie du mich studiert hast.«

Sein durch und durch männlicher Duft hüllte mich ein und der feste Druck seiner Finger machte mich an.

»Eigentlich bin ich ein braves Mädchen.«

»Und ich bin sonst ein Heiliger. Jetzt komm.«

Ich kam auf meinen hohen Absätzen kaum mit, so schnell zerrte er mich durch den Klub. Die Aufregung der möglichen Gefahr prickelte durch meine Adern. Vielleicht entpuppte er sich als Psychopath und schnitt mir die Kehle durch. Ich würde es begrüßen, wenn es bedeutete, dass ich nicht zurück nach Northport musste. Zurück nach Hause.

War das nicht, wie Frauen tot in der Gosse endeten? Wenn sie mit einem Fremden mitgingen?

Er bewegte sich mit einer natürlichen Selbstverständlichkeit und stieß eine Tür mit der Aufschrift »Kein Zutritt« auf.

Am Ende des Raumes war eine zweite Tür. Dahinter verbarg sich eine Art Büro. Der Fremde zog mich hinein und kickte die Tür mit dem Fuß ins Schloss.

In der nächsten Sekunde lag ich in seinen Armen. Seine Hände glitten über meinen Arsch. Er presste mich an sich und küsste mich hungrig.

Der Kuss erstickte jeden möglichen Protest und ich ließ die Augen geöffnet, damit mein Gehirn gar nicht erst auf die Idee kam, das Bild des Mannes vor mir durch ein anderes zu ersetzen.

Mit der Zunge teilte er meine Lippen und tauchte in meinen Mund. Seine Finger wühlten sich in mein Haar. Er hielt mich fest. Eigentlich sogar zu fest. Aber es törnte mich nur noch mehr an.

Sein Körper bestand aus festen Muskeln und seiner eisenharten Erektion, die gegen meinen Bauch drückte. Ich war fast einen Kopf kleiner als er und er löste das Problem, indem er mich auf den Schreibtisch setzte, der an der Längsseite des Raumes an die Wand gerückt worden war.

Ich spreizte die Beine, um ihm Platz zu machen, und schlang sie um seine Hüften, als er nah genug war.

Seine Finger wanderten nach unten, packten meinen Nacken. »Bist du bereit, gefickt zu werden?«

»Immer.«

Während er mich mit der einen Hand hielt, öffnete er mit der anderen seine Hose. Ich zog ein Kondom aus dem Ausschnitt meines Kleides und schob meine Schenkel weiter auseinander, damit er sehen konnte, dass ich keine Unterwäsche trug.

»Gieriges Luder«, keuchte er und öffnete mit geübten Bewegungen die silberne Verpackung.

Nachdem er das Kondom hastig übergestreift hatte, drang er mit einer ruppigen Bewegung in mich ein. Sein Körper und die dominante Art reichten leider nicht, um über das Cocktailwürstchen hinwegzutäuschen, das er sein Eigen nannte.

Trotzdem stöhnte ich, als hätte ich selten etwas Besseres gefühlt. Um wenigstens auf meine Kosten zu kommen, schob ich die Hand zwischen unsere Körper, während der Kerl pumpte, als hätte er Brennnesseln hinter seinem Arsch und würde sie jedes Mal berühren, wenn er nicht bis zum Anschlag in mir steckte.

Zu meiner Empörung schlug er meine Hand weg. Ich dachte, es wäre vielleicht ein Versehen gewesen, doch kaum, dass meine Fingerkuppen erneut auf meiner Klit lagen, schob er meine Hand wieder weg.

»Böses Mädchen«, grunzte er an meinem Ohr. »Du kommst auf meinem Schwanz, oder gar nicht.«

Ich rollte mit den Augen. Dann würde es wohl auf »gar nicht« hinauslaufen. Da ich wusste, wie sensibel männliche Egos sein konnten, gab ich ein paar lüsterne Geräusche von mir und täuschte vor, völlig von Sinnen zu zittern, als mein Held ganze siebenundzwanzig Sekunden später kam.

Ich zupfte mein Kleid zurecht und packte sein Hemd, um ihn zu küssen. An seinen Lippen flüsterte ich: »Das war umwerfend. Ich kann es kaum erwarten, bis du meine Kinder kennenlernst. Sie brauchen eine vernünftige Vaterfigur.«

Der Kerl rannte förmlich aus dem Raum, noch während er sich das benutzte Kondom vom Schwanz zerrte.

Ich wartete einen Moment, bevor ich ihm folgte und direkt auf den Ausgang zustrebte. Mein Motel war nicht weit von hier, weshalb ich diese Bar ausgesucht hatte.

Ich holte das Bargeld aus der Geldbörse des Mannes und studierte seinen Führerschein. Tristan Romney aus Nevada, wahrscheinlich auf Geschäftsreise und die Frau zu Hause gelassen. Ich schnalzte mit der Zunge und entsorgte die Geldbörse zusammen mit dem Führerschein im nächsten Mülleimer.

Zweitausend Dollar in bar waren im Gegensatz zu dem Cocktailwürstchen ein echtes Highlight. Nicht, dass ich von jedem Mann erwartete, einen Baseballschläger in der Hose zu haben, aber einen winzigen Schwanz zu haben und dann nicht einmal mit Oralsex oder den Fingern auszuhelfen, war wirklich schlechtes Benehmen.

Ich schloss meine Zimmertür auf, schaltete das Licht ein und ging direkt ins Bad. Das nuttige Kleid landete im Papierkorb, die rote Perücke ebenfalls. Ich stellte mich unter die Dusche und wusch einen weiteren Tag ab.

Eigentlich sollte ich bereits seit Stunden in Northport sein, aber ich konnte mich nicht aufraffen. Lange sollte ich es nicht mehr aufschieben. Nicht für den alten Mann, sondern um Reed nicht zu enttäuschen.

Mein Herz fühlte sich an, als würde jemand es kräftig quetschen. Reed. Gott, wie lange war es jetzt her?

Ich trat aus der Dusche und trocknete mich ab. Da ich heute niemanden mehr verführen wollte, entschied ich mich für ein schlichtes Longsleeve zu meiner schwarzen Jeans. Reed wusste nichts von den Tattoos und ich wollte ihn vorsichtig darauf vorbereiten. Möglicherweise war er der größte Spießer auf dem Planeten geworden und mein Anblick würde ihm vielleicht den Schock seines Lebens verpassen. Das konnte ich kaum verantworten.

Ich stieg in meine Boots und zog die Lederjacke über, ehe ich den Rucksack mit all meinen Besitztümern schulterte und das Hotelzimmer verließ.

Auf der anderen Straßenseite war ein Pfandleiher, der rund um die Uhr geöffnet hatte. Da es zu regnen begonnen hatte, eilte ich über die Straße und stellte mich unter das Vordach. Ich bestellte mir ein Taxi und gab in der App direkt mein Ziel an, bevor ich das Geschäft des Pfandleihers betrat.