The Predator – Du bist sein Geheimnis - RuNyx - E-Book

The Predator – Du bist sein Geheimnis E-Book

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Beschreibung

Duster, Duster, Mafia-Romantik In der dunklen Welt der Mafia ist Tristan Caine eine Bedrohung für alle,  die sich ihm in den Weg stellen: Seine Fähigkeiten sind beispiellos, seine Moral fragwürdig. Er ist gefährlich. Doch das ist auch Morana Vitalio, die Tochter der rivalisierenden Mafiafamilie. Was Tristan mit Waffen kann, kann Morana mit Computern. Als Moranas Codes gestohlen werden, ist sie sich sicher, dass Tristan dahintersteckt. Fest entschlossen, ihn aus Rache zu töten, dringt sie in sein Haus ein. Doch Tristan ist unschuldig. Hass und Anziehung prallen aufeinander, als sie gezwungen sind zusammenzuarbeiten ... Enemies to Lovers trifft auf Forbidden Romance! Vergiss deinen liebsten Bookboyfriend – jetzt willst du nur noch Tristan Caine!  »The Predator nimmt einen mit auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle! Mafia, Enemies to Lovers, Verbotene Liebe, eine Menge Geheimnisse und unerwartete Wendungen sind der Grund, weshalb ich das Buch in einem Rutsch durchgelesen habe!« Jess von @itsjessamess Die Dark Verse-Reihe bei everlove:  Band 1: The Predator – Du bist sein Geheimnis Band 2: The Reaper – Du bist sein Untergang Band 3: The Emperor – Du bist sein Schicksal Band 4: The Finisher – Du bist sein Verhängnis Achtung! Die Romane der Dark Verse-Reihe bauen aufeinander auf. Bitte achte darauf, die Bücher in ihrer vorgegebenen Reihenfolge zu lesen.  

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Aus dem amerikanischen Englisch von Christine Heinzius

 

© RuNyx 2020

Titel der englischen Originalausgabe: »The Predator«, erstmals 2020 im Selfpublishing erschienen

© der deutschsprachigen Ausgabe 2025:

everlove, ein Imprint der Piper Verlag GmbH, Georgenstraße 4, 80799 München, www.piper.de

Für einen direkten Kontakt und Fragen zum Produkt wenden Sie sich bitte an: [email protected]

Redaktion: Svenja Kopfmann

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Character Card: Violeta Garkova/@alvadora_artist

Covergestaltung: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

 

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Widmung

Anmerkung der Autorin

Zitat

Prolog

Alliance

Tenebrae City, 1985

1

Wittern

Heute

2

Kollidieren

3

Schlendern

4

Bluten

5

Warten

6

Beschatten

7

Kämpfen

8

Wenden

9

Bedrängen

10

Schweigen

11

Fallen

12

Rennen

13

Verbinden

14

Beschließen

15

Enthüllen

16

Zittern

17

Fürchten

Tristan, 8 Jahre altTenebrae City

18

Entscheiden

Morana.Heute.

Bonuskapitel 1

Tristan

Szene vor der Restauranttoilette

Bonuskapitel 2

Der Abschluss

Tristan, 25 Jahre

Tenebrae City

Danksagung

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Widmung

Für die Fans.

Für die Leser*innen, die mich über die Jahre begleitet haben.

Ich bin wegen euch hier.

Anmerkung der Autorin

Das ist das erste Buch der Dark-Verse-Serie. Alles an dieser Welt ist düster, brutal und roh. Die Figuren, ihr Verhalten und die Umstände, alles ist das direkte Ergebnis ihrer Welt. Moral ist grau und Menschlichkeit fraglich. Mit jedem Buch werde ich die Dunkelheit und das Gute, das immer noch darin existieren kann, mehr erforschen. Falls du damit jedoch Probleme hast, dann bitte ich dringend darum, innezuhalten. Es gibt Sexszenen, expliziten Inhalt, brutale Bilder und fragwürdige Handlungen. Ich hoffe, es macht dir Spaß, zusammen mit mir in dieses Universum einzutauchen.

Bitte beachte: Da die Protagonistin einen extrem hohen IQ hat, gibt es bei ihr gewisse repetitive Denkmuster. Dinge, die sie faszinieren, wiederholt sie immer und immer wieder.

Deswegen werden bestimmte Sätze in diesem Buch häufiger wiedergegeben.

Zitat

Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.

– Friedrich Nietzsche

Prolog

Alliance

Tenebrae City, 1985

In einer kalten, dunklen Winternacht, als der Wind heulte und der Himmel Graupel weinte, trafen sich zwei Männer des Tenebrae Outfit und zwei Männer vom Shadow Port mitten im Nichts. Dass die beiden Familien seit über zehn Jahren verfeindet waren, beeinträchtigte langsam das Geschäft.

Es war eine kleine Welt, und sie konnten sich nicht länger die Köpfe einschlagen, wenn es größere, lukrativere Geschäfte gab, von denen sie beide profitieren konnten. Es war an der Zeit, die Rivalität eines Jahrzehnts zu beenden und eine Partnerschaft für die Zukunft zu beginnen.

Der Anführer von Shadow Port zitterte unter seinem schweren Mantel, er war an die eisigen Temperaturen in dieser Stadt im Westen nicht gewöhnt. Der Anführer von Tenebrae Outfit lachte. Dort sah man die Sonne sogar noch seltener als er seine Frau. Es wurde jovial geplaudert. Die Begleiter jedes Anführers blieben stumme Beobachter.

Und dann wurde das Geschäft besprochen. Waffen und Alkohol – das war die Fassade dieser Operation. Es war an der Zeit, ein neues Projekt zu beginnen, das erste mit der Familie. Der Anführer aus Tenebrae hatte es vorgeschlagen. Es war ein neuer Handel, in ihrer Welt noch unüblich, doch er hatte eine großartige Zukunft und darin steckte mehr Geld, als sie sich erträumt hatten. Der Anführer von Shadow stimmte zu. Die Männer schworen, alles geheim zu halten, den Handel im Dunkeln zu lassen, alle glauben zu lassen, dass Waffen und Alkohol ihr Hauptgeschäft wären.

Der Anführer aus Tenebrae öffnete den Kofferraum seines Wagens. Zwei kleine Mädchen, nicht älter als acht Jahre, lagen bewusstlos darin, ahnten nicht, was sie erwartete.

Die Anführer lächelten sich an und schüttelten die Hände.

»Auf die Zukunft«, sagte einer.

»Auf die Zukunft«, wiederholte der Andere.

Und so begann die Alliance.

1

Wittern

Heute

Das Messer bohrte sich in ihren Oberschenkel.

Sie sollte gar nicht hier sein.

Der Gedanke ging Morana die ganze Zeit durch den Kopf, ihre Nerven waren angespannt, und sie bemühte sich, unnahbar zu wirken. Sie hob ihr Glas Champagner und tat so, als würde sie daraus trinken, dabei ließ sie den Blick ständig durch die Menge gleiten. Obwohl sie wusste, dass ein paar Schlucke ihre Nerven beruhigen würden, hielt Morana sich zurück. Sie brauchte heute Abend einen klaren Kopf und keinen flüssigen Mut.

Vielleicht.

Hoffentlich.

Die Party auf dem weitläufigen Rasen des Hauses irgendeines Mitglieds der Maroni-Familie war in vollem Gang. Verdammtes Outfit. Gut, dass sie in den letzten paar Tagen so viel wie möglich recherchiert hatte.

Morana schaute sich aus dem Schatten heraus im gut beleuchteten Garten um, entdeckte Gesichter, die sie über die Jahre in den Nachrichten gesehen hatte. Ein paar hatte sie als Kind in ihrem eigenen Zuhause gesehen. Die Soldaten des Outfits schlenderten mit stoischem Gesichtsausdruck herum. Morana sah die Frauen, die meist am Arm ihrer Begleiter hingen.

All ihre Feinde sah sie vor sich.

Morana beobachtete nur und ignorierte das Jucken unter ihrer Perücke. Sie hatte sich große Mühe gegeben, heute Abend wie jemand anderes auszusehen. Das lange schwarze Kleid verdeckte die Messer an ihren Oberschenkeln, eines davon hatte sich verdreht und drohte nun, ihre Haut aufzuschlitzen. Das Armband hatte sie im Darknet erstanden, es enthielt einen versteckten Hohlraum für ein giftiges Aerosol, das nicht auf dem Markt erhältlich war. Und sie hatte ihr blondes Haar fest an den Kopf frisiert und eine seidige, hellrote Perücke darüber gezogen. Ihre Lippen trugen sirenenroten Lippenstift.

Sie war nicht sie selbst. Aber das war nötig. Diesen Abend plante sie seit Tagen und vertraute darauf, dass dieser Plan aufging. Sie durfte es nicht vermasseln. Nicht jetzt, wo sie ihrem Ziel so nah war.

Sie betrachtete das Anwesen, das hinter der Menschenmenge aufragte. Es war ein Riese. Anders konnte man es nicht sagen. Wie eine alte Burg, tief in den schottischen Highlands – ein merkwürdiger Hybrid aus einem modernen Anwesen und einer uralten Burg – ein Riese eben. Ein Riese, in dessen Bauch etwas verborgen lag, das sie wollte.

Die kühle Luft duftete nach Nachtblüten, und Morana schüttelte heimlich die Kälte ab, die langsam über ihren Körper kroch.

Das laute Lachen eines Mannes weckte ihre Aufmerksamkeit, und ihr Blick blieb an dem muskulösen, grauhaarigen Mann hängen, der in der nördlichen Ecke des Anwesens mit anderen Männern lachte. Sein Gesicht war voller Falten, seine Hände, soweit sie sehen konnte, sauber.

Oh, wie viel Blut an diesen Händen klebte. So viel Blut. Nicht, dass es bei irgendjemandem in ihrer Welt anders wäre. Aber er hatte sich als der Blutigste von allen, inklusive ihres Vaters, herausgestellt. Lorenzo »Bloodhound« Maroni war der Boss von Tenebrae Outfit, seine Karriere dauerte schon über vierzig Jahre, sein Vorstrafenregister war länger als ihr Arm, seine kaltblütige Haltung wurde in ihrer Welt bewundert. Morana hatte zu oft mit Leuten wie ihm zu tun gehabt, als dass sie sich davon einschüchtern ließ. Oder zumindest zeigte sie es nicht.

Neben Lorenzo stand sein ältester Sohn Dante »The Wall« Maroni. Auch wenn sein hübsches Gesicht manche Leute täuschte, hatte Morana genug recherchiert, um ihn nicht zu unterschätzen. Er war wie eine Mauer gebaut, sehr muskulös und überragte fast jeden. Wenn man den Gerüchten Glauben schenken konnte, spielte er seit knapp zehn Jahren eine Schlüsselrolle in der Organisation.

Morana gab vor, an ihrem Champagner zu nippen, als eine Frau, die in ihre Richtung sah, sie höflich anlächelte. Dann ließ sie ihren Blick endlich zu dem Mann wandern, der stumm neben Dante stand. Tristan Caine.

Er war eine Anomalie. Das einzige Mitglied, das nicht blutsverwandt, aber im Blut der Familie eingeschworen war. Das einzige nicht blutsverwandte Mitglied so weit oben im Outfit. Niemand wusste, wie weit oben er in der Hierarchie stand, aber es war bekannt, dass er sehr weit oben stand. Jeder hatte eine Theorie, wieso, aber niemand wusste es sicher.

Morana betrachtete ihn. Er war groß, nur wenige Zentimeter kleiner als Dante, trug einen legeren schwarzen Anzug mit Weste aber ohne Schlips. Sein dunkelblondes Haar war fast braun und sehr kurz geschnitten, seine Augen wirkten aus der Entfernung hell. Morana wusste, dass sie blau waren. Ein auffallendes Blau. Sie hatte Fotos von ihm gesehen, immer Schnappschüsse, auf denen er überraschend ausdruckslos schien. In ihrer Welt war Morana an leere Gesichter gewöhnt, aber er trieb es auf die Spitze.

Sein muskulöser Körper war attraktiv, aber das war nicht der Grund, warum Morana nicht wegschauen konnte. Es lag an den Geschichten, die sie in den letzten Jahren über ihn gehört hatte, vor allem, wenn sie Gespräche belauscht hatte – und zwar besonders die ihres Vaters.

Es hieß, Tristan Caine wäre der Sohn von Lorenzo Maronis persönlichem Leibwächter, der vor fast zwanzig Jahren gestorben war, als er seinen Boss beschützt hatte. Tristan war jung gewesen, seine Mutter schien nach dem Tod ihres Mannes verschwunden zu sein.

Lorenzo hatte den Jungen aus unbekannten Gründen unter seine Fittiche genommen und ihn persönlich ins Geschäft eingeführt. Und heute war Mr Caine ein Sohn von Bloodhound Maroni. Manche behaupteten, Maroni zöge ihn sogar seinem eigenen Fleisch und Blut vor. Tatsächlich hieß es, dass Tristan nach Maronis Ruhestand der Boss vom Outfit werden würde und nicht Dante.

Tristan »the Predator« Caine.

Man nannte ihn den Predator, das Raubtier. Sein Ruf eilte ihm voraus. Er ging selten auf die Jagd, aber wenn, war sie schnell vorbei, denn er zielte direkt auf die Halsschlagader. Keine Ablenkung. Kein Spielen. Ungeachtet seines gelassenen Äußeren war der Mann tödlicher als das Messer, das ihr in den Oberschenkel drückte.

Er war auch der Grund, warum sie auf der Party war.

Denn sie würde heute Tristan Caine töten.

*

Das Leben als Tochter des Boss der Shadow-Port-Familie hatte sie für vieles vorbereitet. Aber nicht hierfür. Obwohl Morana inmitten von Verbrechen aufgewachsen war, war sie überraschend stark von der Hässlichkeit der Welt abgeschirmt worden. Sie war zu Hause unterrichtet worden, war dann zur Universität gegangen und arbeitete jetzt als freiberufliche Developerin. Alles ganz simpel.

Genau deswegen war sie nicht für das hier gemacht. Sie war nicht darauf vorbereitet, in das Haus der Feinde ihres Vaters und damit auch ihrer eigenen, einzudringen. Und sie war definitiv nicht darauf vorbereitet, besagten Feind zu töten.

Vielleicht musste sie ihn gar nicht töten. Vielleicht würde eine Entführung genauso gut funktionieren.

Als ob.

Über eine Stunde lang beobachtete Morana Caine vorsichtig, ohne aufzufallen, wartete darauf, dass er sich bewegte. Und dann – endlich –, nachdem er die ganze Zeit mit einem düsteren Stirnrunzeln auf seinem hübschen Gesicht an Maronis Seite geblieben war, ging er zur Bar.

Morana überlegte, ob sie ihn draußen stellen oder abwarten sollte, dass er ins Haus ging. Nach einem kurzen Augenblick der Unsicherheit entschied sie sich für die zweite Option. Die erste war viel zu gefährlich, und sie wäre für alle sichtbar, was nicht nur einem Todesurteil gleichkäme, sondern auch einen Krieg zwischen den beiden Familien auslösen würde. Einen Mafiakrieg. Allein beim Gedanken an all die gruseligen Geschichten, die sie über die Jahre gehört hatte, schüttelte es sie.

Ob es klug war, den Mann töten zu wollen?

Vielleicht nicht, aber sie musste ins Haus und herausfinden, wo er ihren Code versteckte.

Es hatte alles als eine Mutprobe ihres Ex-Freundes Jackson (von dem niemand etwas wusste) angefangen. Da er selbst ein Programmierer war, hatte er sie herausgefordert, das komplexeste Programm zu schreiben, zu dem sie fähig war. Da sie Herausforderungen liebte, hatte sie sie angenommen.

Dieser Code war ihr Frankenstein. Ein mächtiges Monster, das außer Kontrolle geraten war. Er konnte jeden digital auslöschen, jedes schmutzige Geheimnis aus den tiefsten Tiefen des Netzes bergen und ganze Regierungen, komplette Mafiafamilien zerstören, sollte er in die falschen Hände fallen.

Blöderweise war er in die schlimmsten Hände überhaupt gefallen. Ihr Arschloch-Ex hatte den Code gestohlen, als sie ihn vor drei Wochen abserviert hatte, und hatte sich auf und davon gemacht.

Erst als sie dann nach ihm recherchiert hatte, hatte sie entdeckt, dass Jackson tatsächlich vom Outfit geschickt worden war, um sich ihr zu nähern. Genauer gesagt, von Mr Caine. Wie er von ihren Fähigkeiten und dem Code erfahren hatte, wusste sie nicht.

Sie war erledigt. Komplett erledigt.

Sie konnte es unmöglich ihrem Vater erzählen. Auf keinen Fall. Sie hatte gegen zu viele Regeln verstoßen: einen Außenseiter gedatet, eine völlig ungeschützte Zeitbombe programmiert … Aber am allerschlimmsten war, dass sie wusste, wo der Code gelandet war. Ihr Vater würde sie töten, ohne mit der Wimper zu zucken.

Sie wusste es, und ehrlich, es war ihr egal.

Aber Unschuldige und zufällig Anwesende sollten nicht durch ihre Fehler ihr Leben verlieren.

 

Dann, nach Wochen der Recherche und des Stalkings, hatte sie eine Einladung zu dieser Party in Tenebrae gefälscht. Ihr Vater dachte, sie würde dort ihre nicht existierenden Collegefreunde treffen. Ihr Leibwächter dachte, sie schliefe in einer verschlossenen Hotelsuite ihren Rausch aus. Sie war ihnen entflohen und war tief in die Höhle des Feindes vorgestoßen. Sie musste diesen Code holen und dann verschwinden. Und bei all dem musste sie den Predator ausschalten.

Der einzige Weg war, ihn zu töten.

Wenn sie daran dachte, wie er alles mit Jackson geplant hatte, kochte Wut in ihr hoch.

O ja, ihn zu töten wäre kein Problem. Der Drang wurde jedes Mal, wenn sie an den kranken Mistkerl dachte, stärker. Morana biss die Zähne zusammen.

Endlich, nachdem er einen Scotch auf ex getrunken hatte, ging Caine auf das Anwesen zu.

Showtime.

Morana nickte und stellte ihr Glas auf dem Tablett eines der vielen Kellner ab und folgte ihm leise. Sie blieb im Schatten, wo sie dank ihres dunklen Kleides nicht auffallen würde, und ging ihm auf einem Weg entlang hinterher, an dessen Rand die Büsche immer dichter wurden. Nach nur wenigen Schritten war die Party hinter ihr außer Sichtweite. Caine – wegen seiner hohen, breiten Figur nicht zu übersehen – eilte schnell auf die Treppe vorm Haus zu. Er nahm immer zwei Stufen auf einmal.

Hastig stöckelte sie auf ihren Absätzen hinterher, bemüht, ihn nicht aus den Augen zu verlieren, blickte sich um und ging gebückt die Treppe hinauf. Links sah sie die Party und Wachen rund um den Rasen. Erstaunt über die fehlende Security am Haus selbst, trat Morana durch die riesigen Doppeltüren ein.

Und sah eine Wache durch die Lobby direkt auf sie zukommen.

Im Adrenalinrausch duckte sie sich hinter die erstbeste Säule, die sie sah, und ließ ihren Blick durch die enorme Lobby mit ihrem pompösen Kronleuchter schweifen. Dann entdeckte sie Caine, der links einen Korridor betrat und am Ende verschwand.

Gerade wollte sie ihm folgen, als sie plötzlich eine Hand spürte, die an ihrem Arm zog.

Der große Wachmann sah sie stirnrunzelnd an. »Haben Sie sich verlaufen, Miss?«, fragte er mit misstrauischem Blick.

Bevor sie es sich anders überlegen konnte, griff Morana die Vase neben sich und donnerte sie ihm auf den Kopf. Der Wachmann riss die Augen auf, dann sackte er zusammen, und Morana floh fluchend.

Scheiße, Scheiße, Scheiße.

Das war schlampiger gewesen, als es ihr gefiel.

Sie atmete tief ein und konzentrierte sich auf die Aufgabe, die vor ihr lag, schlich gebückt auf den Korridor zu. Dort zog sie ihre Schuhe aus, um kein Geräusch zu machen, und lief los. Innerhalb von Sekunden war sie irgendwo hinten im Haus abgebogen und stand vor einer Treppe, die zu einer einzigen Tür führte.

Sie schluckte und stieg mit pochendem Herzen die Stufen hoch.

Oben angekommen, schlich sie auf Zehenspitzen zur Tür. Sie atmete tief ein, zog das Messer aus der Scheide an ihrem Oberschenkel – wo sie bereits eine kleine Wunde spürte –, dann schlüpfte sie in ihre Schuhe und öffnete die Tür.

Sie streckte den Kopf hinein und blickte sich im halbdunklen Zimmer – anscheinend ein Gästezimmer – um. Es war leer. Stirnrunzelnd trat sie ein und schloss leise die Tür.

Die gegenüberliegende Tür öffnete sich, bevor sie sich auch nur ihre Umgebung hatte anschauen können. Mit klopfendem Herzen kauerte sie sich in eine Ecke und beobachtete den Mann, der aus dem Bad kam und seine Anzugjacke aufs Bett warf. Morana musterte die Hosenträger, die sich schwarz von seinem weißen Hemd abhoben, es war oben aufgeknöpft und spannte sich fest über die breite Brust. Eine sehr muskulöse Brust.

Mit Sicherheit hatte er auch genauso definierte Bauchmuskeln.

Sie hasste sich dafür, es überhaupt zu bemerken, aber sie musste zugeben, dass der Mann sehr, sehr attraktiv war. Zu schade, dass er außerdem ein Mistkerl war.

Er nahm sein Handy aus der Hosentasche und wischte konzentriert darauf herum.

Sie betrachtete seinen ihr zugewandten, muskulösen Rücken und stand im Schatten auf.

Jetzt oder nie.

Sie setzte sich langsam in Bewegung und näherte sich ihm von hinten, die Hand mit dem Messer zitterte leicht. Sie traute sich kaum zu atmen, um ihn nicht auf dem letzten Meter noch zu warnen. Fast zwei Schritte hinter ihm setzte sie das Messer auf seinen Rücken, direkt über der Stelle, an der sich sein Herz befinden musste und sagte so kalt wie möglich: »Eine Bewegung, und Sie sind tot.«

Sie sah, wie sich seine Rückenmuskeln, noch bevor sie etwas gesagt hatte, einer nach dem anderen anspannten. Es hätte sie fasziniert, hätte sie nicht solche Angst und Wut empfunden.

»Interessant«, bemerkte er gelassen, als läge sein Leben nicht in ihren zitternden Händen.

Sie packte das Messer fester. »Handy runter und Hände hoch«, befahl sie.

Er gehorchte, ohne zu zögern, und seine Stimme brach die angespannte Stille. »Da ich noch nicht tot bin, vermute ich, dass Sie etwas wollen.«

Der vollkommen unbeeindruckte Tonfall beruhigte ihre Nerven nicht gerade. Warum traf ihn das nicht wenigstens ein bisschen? Sie könnte ihn aufschlitzen. Übersah sie etwas?

Schweiß lief ihr über den Rücken, ihre Perücke juckte, aber sie konzentrierte sich auf seinen Rücken. Sie zückte von ihrem anderen Oberschenkel ein zweites Messer und presste es an seine Seite, direkt an die Niere. Sein Rücken spannte sich etwas mehr an, aber seine Hände regten sich nicht. Nach wie vor blieb er aufrecht stehen.

»Was wollen Sie?«, fragte er, die Stimme so unerschütterlich wie seine Hände.

Morana holte tief Luft, schluckte, dann sagte sie: »Den USB-Stick, den Jackson Ihnen gegeben hat.«

»Welcher Jackson?«

Morana bohrte die Klinge zur Warnung etwas tiefer. »Tun Sie nicht so, als wüssten Sie nicht, worum es geht, Mr Caine. Ich weiß alles über Ihre Deals mit Jackson Miller.« Sein Rücken blieb angespannt, ihre Messer kurz davor, durch die Haut zu dringen. »Also, wo ist der Stick?«

Es herrschte kurz Stille, dann bewegte er seinen Kopf nach links. »In meiner Jacke. Innentasche.«

Morana war überrascht. Sie hatte nicht erwartet, dass er so einfach nachgeben würde. Vielleicht war er unter all diesem Machomüll eigentlich ein Warmduscher. Vielleicht waren all die Gerüchte und Erzählungen gelogen.

Sie sah zur schwarzen Jacke auf dem Bett … und in dem Sekundenbruchteil, in dem sie abgelenkt war, geschah es.

Ihr Rücken knallte gegen die Wand neben der Tür, ihre rechte Hand mit dem Messer wurde mit einem festen Griff an die Wand gepresst. Ihre linke Hand mit dem Messer lag an ihrem eigenen Hals, von einem viel stärkeren und wütenderen Tristan Caine kontrolliert.

Morana schaute ihm in die Augen – seine sehr blauen, sehr genervten Augen –, verblüfft über diese Wende. Darauf war sie nicht vorbereitet gewesen.

Scheiße, sie war so was von nicht darauf vorbereitet.

Morana schluckte. Noch stärker presste er die Klinge des Messers in ihrer eigenen Hand an ihren Hals. Sie fühlte das kalte Metall bedrohlich auf ihrer Haut. Mit seiner zweiten Hand, groß und rau, hielt er ihre zweite Hand über ihren Kopf, seine Finger wie Handschellen um ihr Handgelenk. Sie spürte seinen viel größeren, muskulösen Körper an sich gedrückt, seine Brust warm an ihrer bebenden Brust, sie roch den Moschusduft seines Parfüms, seine Beine blockierten ihre, sodass sie völlig unfähig war, sich zu bewegen.

Sie schluckte, sah ihm in die Augen und richtete sich so gut es ging auf. Wenn sie sterben musste, würde sie nicht wie ein Feigling sterben, besonders nicht in den Händen von jemandem wie ihm.

 

Er lehnte sich vor, sein Gesicht nur noch Zentimeter von ihrem entfernt, seine Augen kalt und seine Stimme brutal: »Dieser Punkt, genau hier«, sagte er ruhig und presste die Messerspitze an eine Stelle direkt unter ihrem Kinn. »Das ist ein einfacher Punkt. Ich steche dort hinein, und Sie sind tot, noch bevor Sie blinzeln können.«

Ihr drehte sich der Magen um, aber sie biss die Zähne zusammen, wollte keine Angst zeigen und lauschte stumm, während er das Messer an den zarten Puls mitten am Hals führte. »Dieser Punkt. Wenn ich den erwische, sind Sie sofort tot, aber es wird nicht gerade sauber sein.«

Ihr Herz hämmerte vor Rachegelüsten in ihrer Brust, ihre Handflächen schwitzten nach einem Blick in seine Augen.

Er bewegte das Messer erneut, an eine Stelle unten am Hals. »Und dieser Punkt … Wissen Sie, was passiert, wenn ich hier zusteche?«

Morana schwieg weiter, beobachtete ihn nur, sein Tonfall höhnisch, fast verführerisch trotz der Todesdrohung.

»Sie spüren den Schmerz«, fuhr er ungerührt fort. »Sie verbluten und werden jeden einzelnen Tropfen, der Ihren Körper verlässt, spüren.« Seine Stimme hauchte über ihre Haut. »Der Tod wird kommen, aber viel, viel später. Und der Schmerz wird unerträglich sein.«

Er drückte das Messer fest an diese Stelle, seine Stimme wurde plötzlich eiskalt. »Nun, wenn Sie das nicht wollen, dann sagen Sie mir, wer Sie geschickt hat und von welchem Stick Sie reden.«

Morana blickte ihn verwirrt an, dann begriff sie. Er erkannte sie nicht. Natürlich nicht. Sie waren sich noch nie begegnet, und dieses erste Treffen war nicht gerade sehr gelungen. Er hatte sie wahrscheinlich nur mal auf Fotos gesehen, ähnlich wie sie ihn.

Morana leckte ihre trockenen Lippen und flüsterte: »Der Stick gehört mir.«

Er kniff die Augen zusammen. »Ach wirklich?«

Sie folgte seinem Beispiel, und die Wut, die von der Angst kurz vertrieben worden war, kehrte mit Wucht zurück. »Ja, wirklich, Arschloch. Ich habe mir den Hintern für diesen Code abgearbeitet, und Sie werden ihn bestimmt nicht benutzen. Jackson hat ihn mir gestohlen, und ich bin den ganzen Weg von Shadow Port hergekommen, weil ich ihn zurückhaben will.«

Es war kurz still, dann glitt sein Blick über ihr Gesicht, und Überraschung blitzte in seinen Augen auf. »Morana Vitalio?«

Morana nickte knapp, achtete dabei auf das Messer an ihrem Hals.

Er musterte sie von Kopf bis Fuß, sein Blick blieb an ihrer Perücke und ihren Lippen hängen, nahm jeden Zentimeter von ihr auf, bevor er ihr wieder in die Augen schaute. »Na sieh mal an«, murmelte er vor sich hin und zog die Klinge etwas zurück, sein raues Kinn entspannte sich jetzt, da er ihre Identität kannte.

Gerade als sie ihn bitten wollte, das Messer wegzunehmen, klopfte es laut an die Tür direkt neben ihnen. Morana machte ein überraschtes Geräusch, und er ließ ihre Hand über ihrem Kopf los und legte sie über ihren Mund.

Ernsthaft? Was dachte er, würde sie tun? Im Outfit-Haus um Hilfe schreien?

»Tristan, hast du jemanden im Haus gesehen? Irgendwer hat Matteo unten einen übergezogen.« Eine schwere Stimme mit einem leichten Akzent war von der anderen Seite der Tür zu hören.

Morana spürte einen Kloß im Bauch, und sie riss die Augen auf.

Doch Caine blickte sie nur weiter an und zog die rechte Augenbraue hoch, während er antwortete, ohne den Augenkontakt zu unterbrechen. »Nein, habe ich nicht. Ich bin in ein paar Minuten unten.«

Morana hörte Schritte, die sich entfernten, und nach ein paar Sekunden nahm er die Hand von ihrem Mund. Sein Körper blieb jedoch an ihren gepresst.

»Würden Sie bitte das Messer wegnehmen?«, fragte sie leise, ihr Blick bohrte sich in seinen.

Seine rechte Augenbraue hob sich noch mehr, dann lehnte er sich zurück, das Messer blieb exakt wo es war. »Sie sollten es besser wissen, als das Haus des Feindes ganz allein und ohne Schutz zu betreten. Und Sie sollten es besser wissen, als sich an ein Raubtier anzuschleichen. Wenn wir einmal Blut gerochen haben, geht es nur noch um die Jagd.«

Morana biss die Zähne zusammen, ihre Hand juckte, und sie wollte nichts lieber tun, als ihm und seiner herablassenden Art eine Ohrfeige zu verpassen. »Ich will diesen USB-Stick zurück.«

Er schwieg, dann trat er zurück, ließ ihre Arme los, aber nahm ihr die Messer ab. »Es war dumm hierherzukommen, Ms Vitalio«, sagte er leise und sah sie an. »Hätten meine Leute Sie gefunden, wären Sie tot. Hätten Ihre Leute es herausgefunden, wären Sie tot. Wollten Sie einen Krieg vom Zaun brechen?«

Heuchler. Morana machte einen Schritt auf ihn zu, es trennten sie nur noch wenige Zentimeter, und sah ihn düster an. »Ich bin ohnehin tot, daher war es nicht so dumm. Haben Sie eine Vorstellung davon, was das, was sich auf dem Stick befindet, leisten kann? Stellen Sie sich diesen Krieg vor, den ich angeblich will, aber zehnmal schlimmer.« Sie atmete tief ein, versuchte, ihn zu überzeugen. »Hören Sie, geben Sie mir einfach den Code, dann zerstöre ich ihn und verschwinde.«

Minutenlang herrschte gespannte Stille, er betrachtete sie nachdenklich, was ihr etwas unangenehm war. Dann reichte er ihr die Messer. »Unter der Treppe befindet sich eine Tür, die führt zum Tor. Verschwinden Sie von hier, bevor Sie jemand sieht und Chaos ausbricht. Das ist meine erste ruhige Nacht seit Monaten und das Letzte, was ich will, ist, Ihr Blut aufzuwischen.«

Morana nahm die Messer entgegen. »Bitte.«

Zum ersten Mal sah Morana etwas anderes in seinen Augen aufblitzen. Er verschränkte die Arme vor der Brust und blickte sie mit schräg gelegtem Kopf an. »Gehen Sie durch diese Tür.«

Sie seufzte, wusste, dass sie geschlagen war. Sie konnte nichts mehr tun. Und nach Hause zu gehen würde bedeuten, es ihrem Vater zu erzählen, was wiederum gleichbedeutend mit Tod oder Exil war.

Scheiße.

Nickend nahm sie die Demütigung hin, drehte sich auf dem Absatz um, griff nach der Klinke.

Immer noch spürte sie seinen Blick auf sich. »Ms Vitalio?«

Sie drehte sich zu ihm um, in seinen Augen glitzerte etwas, das ihr Herz stolpern und ihren Magen zucken ließ.

Kurz schwieg er, sah sie lange und durchdringend an, dann erst fuhr er fort: »Sie stehen in meiner Schuld.«

Morana war erstaunt, verstand nicht, was er meinte. »Wie bitte?«

Sein Blick wurde noch intensiver, seine blauen Augen brannten. »Sie stehen in meiner Schuld«, wiederholte er.

Ihre Lippen zuckten. »Warum?«

»Weil ich Sie am Leben gelassen habe«, verkündete er. »Wäre irgendjemand anderes hier gewesen, würden Sie jetzt nicht mehr atmen.«

Morana runzelte verwirrt die Stirn. Sein Mund zuckte, und er schaute sie weiter mit einem Blick an, den sie nicht ergründen konnte.

»Ich bin kein Gentleman, der Ihnen eine Freikarte gibt«, sagte er ruhig. »Sie stehen in meiner Schuld.«

Damit trat er ganz nah an sie heran. Morana schluckte, ihre Hand umklammerte die Türklinke, ihr Herz pochte, und sie legte ihren Kopf zurück, um ihm weiter in die Augen sehen zu können.

Lange starrte er einfach nur auf sie herab. Dann lehnte er sich vor, ohne den Blick von ihr zu wenden, und sein Moschusduft drang in ihre Nase. »Und eines Tages«, flüsterte er, »werde ich sie einlösen.«

Moranas Atem stockte.

Dann lief sie aus dem Zimmer.

2

Kollidieren

Mein Gott, sie sollte wirklich nicht hier sein.

Das könnte der Titel ihrer Autobiografie werden, so oft wie sie in solche Situationen geriet. Sie war sicher, dass sich viele Leute dafür interessieren würden, sollte sie jemals eine schreiben. Denn wie viele geniale Mafiatöchter boten schon ihr Leben der Öffentlichkeit in einem Buch dar? Es könnte sogar ein Bestseller werden, wenn sie lange genug lebte, um es zu schreiben. So wie es jetzt gerade lief, bezweifelte sie jedoch, dass sie es überhaupt heil nach Hause schaffen würde.

Die Angst lag schwer in ihrem Magen und drohte, ihre Knie einknicken zu lassen, als sie auf zittrigen Beinen auf das verlassene Gebäude zuging. Sie war ein Genie, aber verdammt, was für eine Idiotin sie war. Eine echte Weltklasse-Idiotin. Eine Idiotin, die nicht einmal den betrügerischen Ex-Freund auf dem Handy blockiert hatte. Eine Idiotin, die es ebendiesem bescheuerten Ex erlaubt hatte, eine Nachricht zu hinterlassen. Eine Idiotin, die sich diese aus irgendeinem dummen Grund angehört hatte.

Als sie in ihrem Zimmer am Laptop versucht hatte, die katastrophale Wirkung ihres Codes zu blockieren, hatte Jackson eine Nachricht für sie hinterlassen.

Sie hatte immer noch seine panische Stimme im Ohr, mit der er die Worte hektisch geflüstert hatte. Diese geflüsterten Worte ließen sie erschauern. Wort für Wort erinnerte sie sich an die gesamte Nachricht, weil sie sie zehnmal angehört hatte. Nein, nicht aus Liebe zu ihm, sondern weil sie überlegt hatte, was sie tun sollte.

Sie war so blöd.

Seine panische Stimme klang noch in ihrem Kopf nach.

»Morana! Morana, bitte, du musst mir zuhören. Ich brauche deine Hilfe. Es geht um Leben und Tod. Der Code … der Code ist … Es tut mir so leid. Bitte triff mich an der Kreuzung Huntington und 8th. Da ist eine Baustelle. 18 Uhr. Ich werde mich im Gebäude verstecken und auf dich warten. Ich verspreche, ich werde alles erklären, aber komm. Bitte. Ich schwöre, sie werden mich umbringen. Bitte, bitte. Der Code ist …«

Und an dieser Stelle brach die Nachricht ab.

Morana hatte eine Stunde auf ihr Handy gestarrt und die Möglichkeiten erörtert. Und die Möglichkeiten waren sehr einfach.

Möglichkeit eins – es war eine Falle.

Möglichkeit zwei – es war keine Falle.

Einfach und doch völlig verwirrend. Jackson war eine absolute Schlange, das wusste sie. Es bestand die Chance, dass man ihn bezahlt hatte, um diese Nachricht zu hinterlassen, genau wie er bezahlt worden war, um sie auszuspionieren. Er hatte über Wochen Zuneigung vorgespielt. Was bedeutete dagegen ein panischer Anruf von wenigen Sekunden? Er hatte sie einmal getäuscht. Aber wollte er sie erneut täuschen? Könnte es eine Falle sein?

Doch das ließ sie stutzen. Wer sollte für sie eine Falle bauen? Das Outfit? Sie war gerade erst letzte Woche in ihrem Schlupfwinkel gewesen. Sie hatte sich in die Höhle des Löwen gewagt, war dem berüchtigten Predator allein gegenübergetreten und unversehrt herausgekommen. Sie wusste, dass das Outfit auf keinen Fall einen Mafiakrieg starten wollte, sonst hätte Caine ihren kleinen Besuch noch am Abend selbst öffentlich gemacht. Aber das hatte er nicht. Er hatte sie gehen lassen. Es ergab also keinen Sinn, dass sie ihr jetzt eine Falle stellten.

Aber wenn es nicht das Outfit war, wer sonst sollte Jackson für einen gefälschten, panischen Anruf bezahlen? War es überhaupt eine Falle? Könnte es sein, dass sie übervorsichtig war? Hatte er tatsächlich Angst, oder tat er nur so?

Morana konnte sich leider nicht den Luxus leisten, es drauf ankommen zu lassen. Denn falls er Angst hatte und falls er wirklich etwas über den Code wusste, dann musste sie ihn treffen. Sie musste ihn reden lassen. Sie musste den Code zurückbekommen, egal wie.

Nicht dass dieser Ansatz beim letzten Mal sonderlich gut geklappt hätte.

Der Gedanke, dass sie seiner Gnade ausgeliefert gewesen war, belastete sie immer noch. Tristan Caine. Der Mann, der für seine Skrupellosigkeit bekannt war. Er hatte sie mit ihrem eigenen Messer am Hals an die Wand gepresst.

Und er hatte sie gehen lassen. Tatsächlich hatte er sie zu der Tür gebracht, die sie in die Freiheit entließ, hatte ihr eine Flucht aus dem Haus der Maroni ermöglicht, und das mitten während einer Party.

Sie erinnerte sich daran, wie fassungslos sie gewesen war, als sie zurück zum Hotel gefahren war. Fassungslos über ihren eigenen Mut. Fassungslos über ihren vergeblichen Versuch. Fassungslos, wie knapp es gewesen war. Fassungslos wegen ihm.

Bei ihrem kurzen Aufeinandertreffen hatte etwas in der Luft gelegen, weswegen Tenebrae ihr noch immer in den Knochen steckte. Es war eine Woche her, seit sie wieder nach Hause zurückgekehrt war, eine Woche, seit sie auf das Maroni-Gelände gelangt war, eine Woche seit ihrem vergeblichen Versuch, den USB-Stick zurückzuerlangen. Eine Woche, seit sie die Wahrheit vor ihrem Vater verbarg. Falls er es herausfand, wäre die Hölle los …

Morana schüttelte diese Gedanken ab, straffte die Schultern und spürte das beruhigende, kalte Metall an der Taille, wo sie ihre kleine Beretta eingesteckt und ein einfaches gelbes Top darüber gezogen hatte. Außer den Schlüsseln zu ihrem roten Mustang Cabrio trug sie nichts, ihr Handy steckte in der weiten schwarzen Hose, ihre Hände waren frei.

Nach der letzten Woche hatte sie ihre bisher blonden Haare kastanienbraun gefärbt, um den fiesen Nachhall des Treffens loszuwerden. Sie wechselte oft die Haarfarbe. In ihrem Leben gab es so viel, das sie nicht kontrollieren konnte, daher mochte sie es, ihr Aussehen bestimmen zu können. Ihre jetzt dunklen Locken waren zu einem hohen Pferdeschwanz zusammengenommen, sie trug ihre Brille und sogar Ballerinas, für den Fall, dass sie rennen musste.

Ihrem Vater hatte sie gesagt, sie würde in die Stadt einkaufen fahren, und sich auf den Weg gemacht, bevor seine Wachleute reagieren und mitkommen konnten. Das hatte sie in der Vergangenheit schon so oft gemacht, dass es ihm nur noch mahnende Blicke abrang.

Ihrem Vater ging es weniger um ihre Sicherheit als um Kontrolle. Seine Kontrolle über seine Männer, ihre Bewegungen und über Druckmittel gegenüber seinen Feinden. Sie hatten schon vor langer Zeit aufgehört, so zu tun, als wüssten sie das nicht. Und seit Langem empfand sie keine Enttäuschung mehr. Sie war jetzt irgendetwas zwischen furchtlos und waghalsig. Dass sie hierherkam, war genau das.

Nachdem sie die Baustelle durch das Eisentor betreten hatte, das das unfertige Gebäude von der leeren Straße trennte, schaute sie sich um. Die Sonne stand tief, bereit, jeden Moment hinter dem Horizont zu verschwinden, noch bot sie gerade genug Licht, sodass das Gebäude lange, unheimliche Schatten warf, der Himmel verfärbte sich langsam von Lila zu einem kalten Grau, während der Mond auf seinen Auftritt wartete.

Morana spürte den kühlen Wind auf der Haut, und vor lauter Gänsehaut stellten sich die Haare an ihren nackten Armen auf wie kleine Soldaten vor einer Schlacht. Aber es war etwas anderes, das sie wirklich gruselig fand. Adler. Dutzende. Sie kreisten wieder und wieder über dem Gebäude, riefen einander etwas zu, ihr Stimmengewirr verlor sich in ihrem Flügelgeflatter im Wind.

Es dämmerte, und sie kreisten weiter über dem hohen Gebäude, was Morana etwas darüber verriet. Es war keine normale Baustelle. Irgendwo dort befand sich eine Leiche. Ein weiterer Blick gen Himmel zu den Vögeln – und vor allem wie viele es waren – machten ihr klar, dass es mehr als eine Leiche war.

Sie sollte wirklich nicht hier sein.

Um die plötzliche Angstattacke zu unterdrücken, schaute Morana auf die Uhr. 18 Uhr. Es war Zeit.

Wo zum Teufel steckte Jackson?

Sie erschrak, als plötzlich ihr Handy in ihrer Hosentasche klingelte. Um ihr rasendes Herz zu beruhigen, atmete sie aus, fischte es aus der Tasche und sah auf die Nummer. Jackson. Sie nahm den Anruf an.

»Morana?«, hörte sie Jacksons bekannte Stimme flüstern.

Sie runzelte die Stirn. Warum flüsterte er?

»Wo bist du?«, fragte sie ruhig und schaute sich nach etwas Ungewöhnlichem um. Also irgendetwas Ungewöhnlichem außer den verdammten Adlern.

»Bist du allein gekommen?«, fragte Jackson.

Morana war alarmiert. »Ja. Sagst du mir jetzt endlich, was los ist?«

Da sah sie Jacksons Kopf hinter der Tür zum Gebäude herausschauen. »Komm schnell rein«, hörte sie am Handy.

Moranas Blick wanderte zu dem unfertigen Gebäude, das wie ein schäbiges Monster in den Himmel ragte, umkreist von den Vögeln des Todes. Wäre das hier ein Film, würde sie über diesen Ort voller Klischees lachen. Doch das Letzte, was sie im Moment tun wollte, war lachen. Das hier war wirklich beängstigend. Und irgendetwas stimmte überhaupt nicht.

»Ich bewege mich keinen Zentimeter, solange du mir nicht sagst, worum es hier geht«, verkündete Morana und bliebt vor dem Gebäude stehen.

Noch einmal sah Jackson aus der Tür. »Verdammt, Morana!«, fluchte er zum ersten Mal laut und offensichtlich nervös. »Sie will nicht reinkommen!«

Morana verstummte, als sie hörte, wie Jackson den letzten Teil jemandem hinter sich zurief, und sofort hatte sie das Gefühl, dass er sie zum zweiten Mal verraten würde. Dieser Scheißkerl! Er hatte ihr eine Falle gestellt. Ohne noch eine Sekunde zu zögern, kauerte sie sich hinter Schutt auf den Boden und zog die Pistole aus ihrem Hosenbund, entsicherte sie und streckte die Arme aus, bereit, sofort zu zielen und zu schießen. Ihr Herz pochte in ihrer Brust, sie atmete schwer, während Adrenalin durch ihren Körper rauschte. Alles hier, außer dem Geräusch ihres eigenen Atems, war zu leise. Abgesehen von den Adlern. Sie machten ihre eigenen Geräusche, im Himmel direkt über ihrem Kopf umkreisten sie das Gebäude, das nach Tod stank.

Sie musste zurück zu ihrem Wagen. Sie blickte zum Tor und schätzte die Entfernung – es war fast hundert Meter weit weg. Mist. Sie würde auf keinen Fall ohne Deckung bis dorthin laufen können, ohne erschossen zu werden, sollte jemand bereits auf sie zielen.

Denk nach.

»Morana!«

Sie blieb unten, hörte, wie Jackson ihren Namen rief, seine Stimme kam aus der Richtung des Gebäudes.

»Wir tun dir nichts! Wir wollen nur reden!«

Klar, und sie war die Kaiserin von China.

Wütend knirschte sie mit den Zähnen, hatte das starke Bedürfnis, ihn zu schlagen. Oh, wie gern sie ihm jetzt eine verpassen würde.

»Ich weiß, dass du gern Spiele spielst, Babe, aber das hier ist keins!«

Sie hasste es, hasste es wie die Pest, wenn er sie »Babe« nannte. Es machte aus ihr eines dieser Flittchen, die in ihrer Welt an den Männern hingen. Sie hätte ihn niederschlagen sollen.

»Hör mal, ich weiß schon«, redete Jackson weiter, seine Stimme näherte sich ihrem Versteck. »Ich weiß, dass du mich hasst, weil ich den Code genommen habe, aber es ging einfach nur um Geld, Babe. Ich mochte dich wirklich. Wir können dir helfen, wenn du uns hilfst.«

War er high?

Ihr Griff um die Pistole wurde fester.

Ein Schuss fiel. Die Adler drehten durch.

Morana zuckte zusammen und blickte nach oben, wo die Adler völlig panisch wild durcheinanderflogen, sie spürte, wie ihr Herz im Rhythmus ihrer Flügelschläge schlug. Sie wartete, dass Jackson weitersprach, aber das tat er nicht. Das ängstliche Gefühl, das sich in ihrem Magen ausgebreitet hatte, wurde stärker.

»Ich mochte Sie mit der Perücke lieber.«

Ihr Atem stockte als sie die Stimme hinter sich hörte. Die Stimme, die sie seit einer Woche nicht vergessen konnte. Die Stimme, die ihr Tötungsvarianten zugeflüstert hatte als wäre es Liebesgeflüster. Die Stimme, die nach hartem Whiskey und Sünde klang.

Sie blickte auf und direkt in den Lauf einer Glock, die auf ihren Kopf zeigte. Langsam wanderte ihr Blick nach oben über die sicheren, ruhigen Finger, die entblößten, muskulösen Unterarme, die schwarzen Hemdsärmel waren hochgekrempelt, hoch zu den Schultern, von denen sie wusste, dass sie stark genug waren, um sie nutzlos an eine Wand zu drücken, über die Bartstoppeln am eckigen Kinn und schließlich bis zu seinen Augen. Seinen so blauen Augen. Seinen blauen, komplett ausdruckslosen Augen.

Der Augenblick hatte lediglich eine Sekunde gedauert, eine Sekunde der weiblichen Anerkennung, dann erinnerte sie sich daran, wer er war. Sie schwang den Arm hoch und richtete ihre Pistole auf sein Herz, seine zeigte weiter auf ihren Kopf, ein stummes Patt.

Morana stand auf, hielt weiter Blickkontakt, ihr Arm zuckte nicht, dann legte sie ihren Kopf schräg. »Ich mochte Sie weit weg lieber.«

Sein Gesichtsausdruck blieb versteinert, seine Augen wurden etwas schmäler. Ein paar Minuten standen sie schweigend da, ihre Waffen aufeinandergerichtet, dann wurde Morana bewusst, dass das ziemlich sinnlos war. Sie wusste, er würde sie nicht umbringen. Dazu hatte er letzte Woche viel Zeit gehabt und hatte es nicht getan.

»Wir wissen beide, dass Sie mich nicht erschießen werden, stecken wir also die Waffen weg, okay?«, schlug sie locker vor, dabei blinzelte sie nicht, um ihm keine Chance zu geben.

Seine Lippen lächelten, aber seine Augen nicht. Er hob seinen Arm, zog ihn zurück, schwenkte sozusagen die weiße Fahne, daraufhin ließ sie ihre Waffe sinken, behielt ihn aber im Blick. In dem Augenblick, in dem ihre Waffe sank, trat er näher, legte seine Pistole zwischen ihre Brüste, sein Gesicht nur Zentimeter von ihrem entfernt, der Geruch seines Schweißes und seines Parfüms mischten sich, jeder Fleck in seinen blauen Augen strahlte, obwohl es um sie herum dunkel geworden war.

Langsam lehnte er sich vor, sprach sanft, sein Blick hart und stetig auf ihre Augen gerichtet, seine Worte ließen ihren Atem stocken. »Es gibt Stellen an Ihrem Körper, die ich kenne«, sagte er, seine freie Hand legte sich um ihren Nacken, der Griff war fest, fast bedrohlich, die Waffe immer noch über ihrem rasenden Herzen. »Stellen, die Sie nicht kennen. Stellen, an denen ich Sie anschießen kann, ohne dass Sie sterben werden.«

Er lehnte sich noch weiter vor, sein Flüstern wie ein Geist über ihrer Haut. Sie reckte den Hals, um ihm weiter in die Augen zu sehen, während seine Hand weiterhin ihren Nacken festhielt. Er überragte sie, behielt sie im Auge. »Der Tod ist nicht das Hauptgericht, Süße. Er ist das Dessert.« Seine Augen wurden noch kälter, sein Tonfall eisig, seine Finger zuckten warnend in ihrem Nacken. »Machen Sie nie den Fehler zu glauben, Sie würden mich kennen. Es könnte Ihr letzter sein.«

Ihr Herz schlug wie bei einem wilden Tier, das um sein Leben rennt. Obwohl ihre Brust wegen etwas bebte, worüber sie nicht näher nachdenken wollte, war Morana über Caines pure Dreistigkeit, seine schiere Arroganz erstaunt. Wieso benahmen sich alle Männer um sie herum, als wären sie zum Arschloch des Jahres nominiert?

Sie spannte ihren Rücken an, und wie aus einem Reflex heraus schoss ein Arm vor, ihr Bein hakte sich um sein Knie, klassisches Selbstverteidigungstraining übernahm ganz instinktiv für einen Moment. Ihr Bein zog, ihr Arm drückte gegen sein Gewicht, sodass er auf dem harten Boden landete. Ein Gefühl des Triumphes breitete sich in ihr aus, als sich auf seinem Gesicht kurz Überraschung zeigte. Mit einer geschmeidigen Bewegung, die sie bei jedem anderen bewundert hätte, war er sofort wieder auf den Beinen. Aber sie war noch nicht fertig.

Jetzt rückte Morana ihm auf die Pelle, stupste ihn einmal mit dem Finger in die harten Bauchmuskeln unter seinem schwarzen Hemd. Ihren Kopf hatte sie nach hinten gelegt, um ihm weiter in die Augen zu sehen, ihre Stimme kälter als seine. »Machen Sie nie den Fehler, zu glauben, Sie würden mir Angst machen. Es wird Ihr letzter sein.«

Er biss die Zähne zusammen, blickte ihr weiter in die Augen, die Spannung zwischen ihnen zum Schneiden dick. Sein Ausdruck blieb eisig. Sie spürte Feuer in ihren Adern, während ihre Brust sich hob und senkte.

Dann unterbrach eine andere Stimme den angespannten Moment. »Ich muss schon sagen, dass man wirklich selten auf jemanden trifft, der keine Angst vor Tristan hat, noch dazu eine Frau.«

Morana drehte sich um und sah Dante Maroni, der ein paar Schritte entfernt dastand, sein kräftiger Körper steckte in einem Anzug, der überhaupt nicht hier auf die Baustelle passte, sondern eher zu der Party, bei der sie ihn letzte Woche gesehen hatte. Sein dunkles Haar war perfekt gestylt zurückgekämmt und betonte hohe Wangenknochen, um die ihn Models weltweit beneideten. Er war glatt rasiert, hatte mediterran gebräunte Haut. Zwei große Silberringe schmückten seinen rechten Zeigefinger und den linken Mittelfinger. Trotz allem musste Morana zugeben, dass Dante Maroni ein schöner Mann war.

Jetzt trat er vor, streckte seine Hand aus, und auf seinem Gesicht lag ein strahlendes Lächeln, dem sie kein bisschen vertraute. Morana würde ihren Uniabschluss darauf verwetten, dass er jeden Monat dafür bezahlte.

»Dante Maroni«, er sprach zur Vorstellung sanft und höflich, hielt ihre Hand fest in seiner großen, glatten. Seine braunen Augen verrieten jedoch sein Lächeln. »Es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen, Ms Vitalio. Ich wünschte nur, es wäre unter anderen Umständen.«

»Ich wünschte, es wäre gar nicht dazu gekommen«, schoss Morana unwillkürlich zurück.

Jahre der Feindschaft hatten Spuren hinterlassen, außerdem wusste sie, dass dieser Mann möglicherweise den Drang und die Macht hatte, sie zu zerstören. Und dass er wahrscheinlich Jackson erschossen hatte. Denn sie war sich ziemlich sicher, dass dieser tot war.

Dante Maroni betrachtete sie mit seinen dunklen Augen und strahlte sie erneut an. »Furchtlos, wie bereits gesagt. Das kann gefährlich sein.«

Das sollte sie sich tätowieren lassen. Vielleicht würde sie dann selbst darauf hören.

Langsam verlor sie die Geduld, sah sich um und bemerkte, dass niemand sonst in der Nähe war. Okay. Sie befand sich also auf einer verlassen Baustelle, zusammen mit zwei berüchtigten – sehr berüchtigten – Mafiosi, die zufällig auch die Feinde ihrer Familie waren und die sie aus irgendeinem Grund hierhergelockt hatten. Nicht gerade der sicherste Ort, aber sie hatten sie nicht getötet. Noch nicht. Das musste doch etwas bedeuten, oder?

»Warum bin ich hier, Mr Maroni?«, fragte sie genervt, wollte all das wirklich begreifen. »Und wo ist Jackson?«

»Dante, bitte«, korrigierte er sie lächelnd.

Caine trat hinter ihr vor und neben seinen Blutsbruder, die Arme vor der muskulösen Brust verschränkt, nicht der Hauch eines Lächelns auf dem Gesicht. Unter den Ärmeln lugte eine Tätowierung hervor.

Sie betrachtete die beiden Männer, beide berüchtigt, beide skrupellos, und sah den starken Kontrast zwischen ihnen. Es war nichts, das sie genau benennen konnte, abgesehen von dieser Intensität von Mr Caine, die der andere Mann nicht hatte. Die Intensität mit der er sie ansah, mit einem hübschen und vollkommen ausdruckslosen Gesicht.

Sie löste sich von seinem Gesicht und sah zu Dante, spürte, wie sich Caines Intensität auf ihrer Haut einbrannte, dort, wo sein Blick sie berührte.

Dantes Blick war im Vergleich zahm.

Sie konzentrierte sich und biss die Zähne zusammen. »Dante.«

Der Mann seufzte, hielt weiter ihre Hand. »Jackson ist tot.«

Moranas Magen zuckte, aber mehr nicht. Sie fragte sich, was das über sie als Mensch aussagte. Sie wollte sich schlecht fühlen, aber aus irgendeinem Grund tat sie das nicht.

Sie nickte bloß, sagte nichts, wusste nicht, was sie sagen sollte, ohne ihre fehlende Reaktion auf den Tod ihres Ex-Freundes zu offenbaren.

Dante nickte, er drückte ihre Hand und sprach, während Mr Caine neben ihm schwieg und sie wie ein Falke beobachtete. »Wir mussten Sie treffen, ohne Alarm auszulösen«, begann Dante, »und die einzige Möglichkeit war, dass Jackson Sie hierherruft.«

»Warum müssen Sie mich treffen?«, fragte Morana und vermied es bewusst, den anderen, stummen Mann anzusehen.

Dante zögerte kurz.

Dann, zum ersten Mal seit dem Auftauchen seines Blutsbruders, sprach Mr Caine mit dieser rauen, tiefen Stimme. »Wegen des Codes.«

Ihr Herz stockte, sie sah ihn fragend an. »Das müssen Sie mir erklären«, forderte sie.

Caine schaute sie gelassen an, jedenfalls so gelassen es mit diesen Augen, die sie ständig einem Röntgenblick unterzogen, möglich war. »Sie glauben, ich hätte den USB-Stick mit dem Code«, sagte er.

Morana runzelte die Stirn. »Ich weiß, dass Sie ihn haben.«

»Woher?«, fragte Dante.

Morana musterte die beiden Männer eine Sekunde lang, blinzelte mehrmals verwirrt, bevor sie weitersprach. »Als Jackson mir den Code gestohlen hat«, begann sie und schaute von einem zum anderen, »habe ich sein Handy getrackt und seine Bewegungen, seit er mich getroffen hatte. Sie haben zu Ihnen geführt«, endete sie und deutete auf Caine.

Eine Sekunde lang herrschte Stille, dann sagte Dante: »Und Sie haben angenommen, dass Tristan Jackson engagiert hat, um Sie auszuspionieren?«

Morana nickte und wurde unsicher. »Ich hatte keinen Grund, etwas anderes anzunehmen.«

»Bloß wusste ich nicht mal, dass es Sie überhaupt gibt«, bemerkte Caine trocken.

Lügner. Sie erinnerte sich, wie seine Augen schmäler geworden waren, als er sie erkannt hatte. Oh, er hatte ganz sicher gewusst, dass es sie gab, aber aus irgendeinem Grund log er.

Sein Blick forderte sie heraus, es ihm offen zu unterstellen, sich zu trauen, zu enthüllen, dass sie uneingeladen Maroni-Eigentum betreten hatte und in diesem Schlafzimmer gewesen war, allein mit ihm.

Sie wandte sich wieder Dante zu, ihre Hände ballten sich zu Fäusten, ihr Gesicht angespannt. »Sie wollen mir also erzählen, Sie hätten Jackson nicht engagiert?«

Dante nickte ernst. »Wir wussten nicht mal, dass dieser Code existiert. Er bietet viel Macht, und wenn er in die falschen Hände fällt, sind unsere beiden Familien ruiniert. Deswegen sind wir nach Westen in Ihre Stadt geflogen. Es war wichtig, Sie zu treffen.«

»Und woher wissen Sie von dem Code?«

Dante zeigte auf Caine. »Tristan hat mir davon erzählt, nachdem Sie ihn letzte Woche angerufen haben, um seine Rückgabe zu fordern. Wir fanden, unter diesen Umständen waren wir Ihnen einen Besuch schuldig.«

Sie hatte ihn angerufen? Sie sah ihn an, versuchte zu erkennen, warum er die Wahrheit vor seinem Blutsbruder verbarg.

Vergeblich.

Morana schnaubte und sah beide an. »Erwarten Sie wirklich, dass ich Ihnen glaube? Nachdem Sie Jackson umgebracht haben?«

»Wir haben Sie nicht umgebracht«, sagte Caine leise.

Sein Blick war hart, gefährlich, und er ließ sie erschauern. Sie versuchte, in ihm bloß Tristan zu sehen, aber konnte es nicht. Er war für sie nicht Tristan, er war Caine, und sie merkte, dass ihr Gehirn langsam, aber sicher von diesem Namen besessen war.

Morana richtete sich auf. »Noch nicht. Woher weiß ich, dass Sie mich nicht noch umbringen werden?«

»Weil wir keinen Krieg vom Zaun brechen wollen.« Dante ließ endlich ihre Hand los und schüttelte den Kopf. »So sehr unsere Familien sich auch hassen, Tatsache ist, dass im Moment, wo äußere Mächte drohen, sich keiner von uns einen Krieg leisten kann. Jackson wurde umgebracht, um ihn zum Schweigen zu bringen. Er dachte wirklich, er hätte mit Tristan verhandelt. Sie umzubringen, würde dagegen unnötige Spannungen verursachen.«

Das klang logisch. Aber sie traute ihnen keinen Millimeter weit. Ihre Augen wurden erneut von den blauen, die sie beobachteten, angezogen.

»Sie sagen also, dass sich jemand die Mühe gemacht hat, Ihnen etwas anzuhängen, sogar Jackson zu engagieren, im Wissen, dass ich nachforschen würde?«

Er zuckte seine breiten Schultern, seinen Blick fest auf sie gerichtet. »Ich habe gar nichts gesagt.«

Wo war all seine Eloquenz über Mord und Totschlag, wenn es ein Publikum gab? Wütend verschränkte Morana die Arme vor der Brust und sah, wie Dantes Blick hin- und herschoss. Caine unterbrach den Augenkontakt kein einziges Mal.

Aus Gewohnheit schob sie die Brille etwas höher. »Und was jetzt? Sollen wir uns zusammentun oder so?«

»Genau, oder so«, antwortete er sehr hilfreich.

Ein Handyklingeln zerriss plötzlich die Stille, und Morana erschrak leicht. Dante nahm sein Smartphone, wechselte einen Blick mit dem immer noch schweigenden Caine, dann entschuldigte er sich und entfernte sich ein paar Schritte. Im selben Augenblick, in dem er um die Ecke verschwand, marschierte Morana auf das Tor zu, hinter dem ihr Wagen parkte und ignorierte Caine hinter sich.

»Sie sollten wirklich nicht gehen, ohne unsere Seite anzuhören«, merkte er an, als sie sich dem Tor näherte.

»Nicht mal, wenn Sie mir eine Million zahlen«, entgegnete sie, ohne langsamer zu werden, ihr kompletter Körper angespannt.

Fast war sie beim Auto angekommen, als sie auf einmal, völlig ohne Warnung, flach auf der Motorhaube lag, die Welt drehte sich, und sie konnte den Nachthimmel über sich sehen – und darin das Gesicht von Caine. Mit einer Hand hielt er ihre über ihrem Kopf fest, mit der anderen Hand drückte er auf ihren Bauch, sodass sie flach liegen blieb.

Sie bockte. Er rührte sich nicht.

Sie wand sich. Er rührte sich nicht.

Sie rang. Er rührte sich nicht.

Im Versuch, die Hände, die wie Handschellen um ihr Handgelenk lagen, zu lösen, donnerte sie auf ihr eigenes Auto, trat, versuchte, in seine Arme zu beißen, aber er ragte über ihr, regungslos, stumm, das Gesicht angespannt.

»Ich will Sie genauso wenig berühren, wie Sie berührt werden wollen«, zischte er rau, sein Atem kitzelte auf ihrem Gesicht, sein Blick war hart.

»Ach, bitte«, sagte Morana sarkastisch und verdrehte die Augen. »Die zweimal, die wir aufeinandergetroffen sind, haben mir gezeigt, wie ungern Sie mich berühren. Mich auf etwas Flaches zu legen ist abscheulich.«

Seine Augen weiteten sich, ein Grinsen verzog seinen Mund, wodurch die Narbe am unteren rechten Mundwinkel sichtbar wurde. »Sie sind überhaupt nicht wie die Frauen, die ich gern flachlege. Ich hasse Sie jedenfalls nicht.«

»Sie hassen mich nicht«, wiederholte Morana.

»Nein«, er schüttelte den Kopf, sein Blick wurde härter, entschlossener, während er tief einatmete. »Ich verachte Sie.«

Morana blinzelte überrascht über den Hass in seiner Stimme und legte die Stirn in Falten. Sie wusste, dass sie keine Fans voneinander waren, aber diesen Hass von ihm verdiente sie nicht. Er kannte sie ja nicht einmal.

Dann stieß sie das hervor, was ihr durch den Kopf ging. »Warum?«

Er ignorierte ihre Frage, lehnte sich vor, sein eisiger Blick ließ einen Schauer über ihren Rücken laufen. Ihre Arme hielt er immer noch über ihr gefangen, als er leise und kraftvoll sprach. »Ich bringe Sie nicht um, weil ich keinen Scheißkrieg will.« Sein Tonfall ließ sie zusammenzucken. Sein Blick ging ihr durch und durch. »Dass ich Ihnen nichts antun darf, heißt nicht, dass ich es nicht tun werde.«

Morana betrachtete ihn, perplex wegen seines extremen Hasses. »Sie kennen mich doch nicht mal!«

Er schwieg lange, die Hand auf ihrem Bauch rutschte tiefer, ihr Herz pochte, als sich Panik in ihr ausbreitete. Sie kämpfte, und seine Hand hielt an, direkt unter ihrem Nabel, die Geste eines Liebhabers, nicht eines Feindes, seinen Blick fest auf sie geheftet.

»Ich habe meine Leute. Mein Revier. Dringen Sie niemals dort ein«, seine Hand schob sich etwas tiefer zu ihrem Hüftknochen, die Drohung war eindeutig und beschleunigte ihren Puls, sein Blick klebte an ihr, seine Stimme nur ein Flüstern direkt an ihrer Haut. »Vergessen Sie das nicht.«

Unverschämter Mistkerl!

Fassungslos wehrte sich Morana heftiger und versuchte, um sich zu treten. »Arschloch!«

Er lehnte sich wieder vor, seine Lippen fast an ihrem Ohr. »Wildkatze.«

Als Schritte zu hören waren, ließ er sie gehen. Er richtete sich auf, und auf seinem Gesicht erschien die ausdruckslose Maske, als wäre es nie anders gewesen, als hätte er sich nie drohend über sie gelegt, als wäre er nicht der widerliche Mensch, der er war.