The Story Behind Us - Jella Benks - E-Book

The Story Behind Us E-Book

Jella Benks

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Beschreibung

Band 2 der Stories-Reihe von Jella Benks "Du wirst dich wieder verlieben und all die Fehler wiederholen – das ist das Gesetz der Liebe." In Juniper Falls führen Bentley und James die perfekte Beziehung – bis Bentley erfährt, dass James sich heimlich an weit entfernten Universitäten beworben und eine Zusage aus New York erhalten hat. Plötzlich bekommt diese Beziehung mit dem Forever-Stempel Risse. Noch könnte James alles retten, indem er sich für Bentley und gegen New York entscheidet. Einfach, oder? Doch als James seinen Traum von New York nicht aufgeben will, wird aus dem Riss ein tiefer Schnitt – einer, der dramatische Wochen in Bademänteln und radikale Entscheidungen fordert. Für Bentley gibt es nur eine Lösung: einen Kuchenladen kaufen und eine neue Beziehung. Doch zwischen Swift-Songs und Kuchendramen wird eines schnell klar: Herzen heilen nicht auf Knopfdruck, und Kuchen brauchen manchmal ihre ganz eigene Verzierung. #ComingofAge #LoveBombing #ToxicRelationship #FearofLoss #BrokenHeart #BreakUp #CircleofFriends #FirstLove #Meetcute #Valentine

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 493

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Jella Benks

The Story Behind Us

Ausführliche Informationen über unsereAutorinnen und Autoren und ihre Bücher

www.leaf-verlag.de

1. Auflage 2025

Originalausgabe:

Copyright © 2024 by LEAF Verlag, Bücherbüchse OHG, Siebenbürger Straße 15a, 82538 Geretsried, Deutschland

Copyright © 2025 by Jella Benks

Textredaktion: Janina Roesberg, Yvonne Lübben

Coverillustration und -gestaltung: > FAVORITBUERO, München unter Verwendung von Motiven von © Merfin © Olena Vyshynska © CHIARI VFX © -strizh- © loveshiba / Shutterstock

Innengestaltung: LEAF Verlag unter Verwendung von Motiven von stock.adobe.com (© MayaNavits, © Stolenpencil)

Gesetzt aus der der Adobe Caslon

Satz: LEAF Verlag

ISBN 978 3 911244 16 9

Für diejenigen von uns,denen es schwerfällt,für sich selbst einzustehen

Liebe Leser:innen, dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte, deshalb befindet sich auf der letzten Seite eine Contentwarnung.

Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch.

PLAYLIST

PaperRings– Taylor Swift

Impossible – James Arthur

HappyEnding – MIKA

AllTooWell(Taylor’SVersion) – Taylor Swift

OnlyLoveCanHurtLikeThis – Paloma Faith

50 WaystoSayGoodbye – Train

Enchanted – Taylor Swift

Relax, TakeItEasy – MIKA

I’msotired… – Lauv

Burn – Ellie Goulding

StillintoYou – Paramore

LateNightTalking – Harry Styles

GoodGuys – MIKA

HotNCold – Katy Perry

ForgetMe – Lewis Capaldi

Abcdefu – GAYLE

Masterpiece – Jessie J

WelcomeToNewYork(Taylor’sVersion) – Taylor Swift

Inhalt

Oktober

1 Bentley

2

Dezember

3 James

4

5

6 Bentley

Januar

7

8

9 James

10 Bentley

11

12

13

14 James

Damals

15

Februar

16 Bentley

17 James

Damals

18

Jetzt

19 Bentley

20

21

Damals

22

Jetzt

23

24

25

26 James

27

Damals

27 Bentley

März

28

Damals

29 James

Jetzt

30 Bentley

31

32

33 James

Damals

34 Bentley

Jetzt

35

36

Damals

37 James

April

38 Bentley

39

40 James

41

42

43 Bentley

44 James

45

46 Bentley

47

48

49

50 James

51

August

Epilog – Bentley

Nachwort

James’ Checkliste zum Erkennen von Red Flags

Danke

My heart is, and always will be, yours.

Jane Austen

Oktober

Bentley

»Schlechteste. Idee. Aller. Zeiten!«

Das war sie wahrscheinlich.

Wobei … wir hatten schon echt viele miese gehabt.

Zum Beispiel als wir Darce mit der kleinen Horrorpuppe erschreckt hatten. Sein Gekreische war episch gewesen – ähnlich wie die Spritzer seines Tomatensafts, die anschließend die gesamte Küche geziert hatten. Mein Bruder hatte darauf bestanden, uns jeden einzelnen davon wegputzen zu lassen, dabei war es sein Saftglas gewesen und er hatte es verschüttet. Dafür wusste er bis heute nicht, dass das Video seines Schreis viral gegangen war. Sollte er das irgendwann herausfinden, wäre seine Rache ungefähr so fies wie diese hartnäckigen Tomatensaftflecken, die wir noch nach Wochen überall gefunden hatten.

Aber das war es wert gewesen.

Das würde das hier ebenfalls sein.

»Beschwer dich bei Taylor Swift«, stieß ich aus und mein Atem verwandelte sich augenblicklich in diese weißen Wölkchen, die aussahen wie Zuckerwatte.

»Jetzt gerade liebe ich dich einen Hauch weniger als sonst.« Das Licht der Bodenstrahler brach sich in James’ Augen, traf auf das letzte Aufbegehren, dabei wussten wir beide, dass uns keine Wahl blieb.

»Dafür habe ich dich nie mehr geliebt.« Ich drückte seine Hand.Die Kälte der Nacht hatte sich längst auf jedes Fitzelchen unbedeckter Haut gelegt. Es war so eisig, dass es sich anfühlte, als käme im nächsten Augenblick ein Schneesturm vorbei, um uns unter sich zu begraben. »Los. Bevor wir erfrieren.«

James gab dieses Geräusch von sich, das Lachen und Schnauben zugleich war und in eine Art Grunzen überging. Wie ein lautloser Nachhall meldete sich schon das Ziehen in meinem Magen, dort, wo es immer zog, wenn James so lachschnaubte. Oder er mich ansah wie jetzt.

Früher hatte ich Dutzende dieser Online-Tests gemacht, um herauszufinden, wie man Liebe erkannte. Dabei war die Antwort so einfach: Du liebst ihn, wenn sein Grunzen das beste Geräusch der Welt ist.

»Bereit?«

»Niemals.« Er gab ein weiteres winziges Grunzen von sich.

»Dann los!«, rief ich und setzte mich in Bewegung. Gemeinsam rannten wir lachend über das, was im Sommer noch eine ebenmäßige Rasenfläche gewesen war und jetzt seinen Dornröschenschlaf hielt. James stieß einen Schrei aus, als sich der Untergrund veränderte und in Steinboden überging. Wahrscheinlich hoffte er, dass ich in letzter Sekunde abbrach – und wusste es doch besser. Ich drückte seine Hand, sprang ab und James tat es mir gleich. Einen Moment lang fühlte es sich an, als wäre das hier ein Film und jemand hätte die Slow-Motion-Taste gedrückt. Die Zeit löste sich auf – es gab nur noch James und mich und das Wasser vor uns, das dunkel und träge schimmerte.

Es schien der beste Moment überhaupt zu sein.

Und dann?

Endete er.

Das Wasser, in das wir eintauchten, fühlte sich an wie ein überdimensionaler Piranha, der mir seine Zähne überall gleichzeitig in den Körper rammte. Ich wollte schreien, aber da fand sich keine Luft mehr in mir. In jedem Winkel meines Körpers schrillten Alarmglocken und irgendwo in meinem schockgeeisten Verstand zupfte die Erkenntnis, dass James recht gehabt hatte.Das hier war die schlechteste Idee aller Zeiten gewesen.

»Das war die schlechteste Idee überhaupt!«, kam es wie ein Gedankenecho von ihm. Sein Grunzen hatte er eingetauscht gegen ein heftiges Zähneklappern. Seine nassen schwarzen Locken hingen ihm in die Stirn und im Licht der Poolbeleuchtung wirkte der ockerfarbene Ton seiner Haut dunkler als sonst.

»Was zur Hölle treibt ihr da?«

Wo auch immer sie herkam, Darce’ Stimme war so sanft wie ein Hammerschlag. So sehr ich es mochte, mit meinem Bruder zu streiten, jetzt gerade war ein verdammt mieser Moment dafür. Ich fühlte mich wie ein überdimensionaler Eiswürfel und James’ hysterischem Kichern nach schien sein Verstand ebenfalls eingefroren zu sein. Dieser Umstand hinderte Darce nicht daran, meinen Namen durch den Garten zu brüllen.

»Schwimmen!« Es war ein Kampf – Geist gegen Körper, doch unerklärlicherweise gelang es mir tatsächlich, nicht nur Silben zu formen, sondern ein ganzes Wort. Eine Meisterleistung, die mein Bruder mit einem lapidaren Fluch kommentierte.

»Fuck! Es ist Oktober!«

James’Lachen nahm zu, kaum dass sich unsere Blicke trafen. Besorgniserregend. Genauso wie die Tatsache, dass ich ebenfalls anfing zu kichern.

»Bings!«

Das klang erschreckend nah. Als ich aufsah, erreichte Darce gerade den Pool. Aus einem blassen Gesicht musterten mich wütende braune Augen. Darce und ich besaßen den gleichen hellbraunen Haarton, doch während er seine Haare jeden Tag in dieselbe langweilige Position zwang, brauchte ich das chaotisch kreative Chaos auf meinem Kopf.Irgendwie war das ein Sinnbild für uns beide. Er trug seine blau karierte Schlafanzughose und darüber eines dieser eng anliegenden weißen Shirts, die er zum Schlafen anzog. Offenbar war er auf dem Weg ins Bett gewesen, als er uns im Garten gesehen hatte. Mein Bruder war der geborene Spießer und die meiste Zeit so langweilig, dass ich nie begreifen würde, was seine Freundin Ella an ihm fand. Aber er wusste, wann ich eine meiner Ideen hatte.

Wie er meine Ideen hasste.

So finster, wie er aussah, hatte er gerade den gleichen Gedanken. Ich versuchte wirklich, das Kichern zu stoppen, doch ein Blick zurück zu James und ich war verloren.

»Raus mit euch!«

Eigentlich liebte ich es, Darce zu widersprechen. Aber ernsthaft, mir war so kalt, dass mein Körper kurz davorstand, in Schneeflocken zu zerfallen. Nur deshalb tat ich ausnahmsweise das, was er verlangte. Seinem irritierten Blick nach, als wir anstandslos die Leiter anpeilten, hatte er mit Widerworten gerechnet. Sollte er sich doch mal bei den Temperaturen in den Pool werfen, dann würde er auch keine Reden schwingen.

»Ihr hättet einen Schock bekommen können!«, fuhr er mich an. »Oder einen Herzinfarkt. Oder …« Wohl auf der Suche nach weiteren Horrorszenarien strich er sich durchs Haar und stoppte abrupt, gerade als ich die Leiter erreichte. »Halt! Ihr habt doch noch was an?« Seine Augen weiteten sich entgeistert.

»Klar!« James stieß ein weiteres winziges Grunzen aus. »Pantoffeln.« Er deutete auf die klobigen Filzlatschen an Darce’ Füßen, für die er mindestens ein halbes Jahrhundert zu jung war, und ich lachte so sehr, dass ich an der Haltestange vorbeigriff.

»Ich hasse euch beide.« Darce wendete sich ab und ging Richtung Terrasse. »Wenn ihr Kitty weckt, dürft ihr die nächsten zwei Stunden Einschlafgeschichten erzählen!«

»Oder wir zeigen ihr ein Foto von dir, das ist einschläfernd genug.«

Darce drehte sich nicht mal zu mir um, als er mir seinen ausgestreckten Mittelfinger präsentierte. Unterdessen bekam ich die Leiter zu packen und kämpfte mich hoch, während die Schwerkraft alles daran setzte, mich im Wasser zu behalten.

»Scheiße, ist das kalt.« Wahrscheinlich hatte ich schon klügere Sätze von mir gegeben, aber ich hatte nie zuvor so gefroren.

Hinter mir erklang erneut James’ Zähneklappern. Sein Arm strich über meinen, als er sich ebenfalls aus dem Pool zog. »Aber das war es wert, oder?«

Ich sah zu ihm und trotz der Kälte versank ich einen Augenblick lang im Blitzen seiner braunen Augen. »Wie immer.«

»Du sollst Greg anrufen.«

»Und du brauchst nur vier Worte, um einen passablen Morgen zu ruinieren.« Ich machte einen Schritt zur Seite, um an Darce vorbei zur Quelle der Freude zu gelangen, doch der trat mir wie ein nervtötendes Spiegelbild erneut in den Weg. Offenbar war er noch wütend wegen letzter Nacht. Von mir aus. Mit seiner Wut konnte ich überraschend gut umgehen – war sicher so ein Geschwisterding.

»Wenn Greg dich nicht erreicht, ruft er mich an«, setzte Darce erneut an und seine finstere Miene bildete den maximalen Kontrast zu der weißen, eleganten Küche. »Ich habe genug Stress mit ihm, da will ich nicht auch noch deine Kämpfe übernehmen.«

Er erntete ein Augenrollen. »Glaube mir, du wärst die letzte Person, die ich gegen unseren Onkel ausschicke. Wenn ich jemanden auswähle, um gegen ihn zu kämpfen, wäre das Ella-Bella.«

»Gute Wahl«, kam es vom Marmorküchentresen, wo Ella auf einem der Barhocker saß und augenscheinlich dabei war, ihr Chaos an heutigen Arbeitsaufträgen zu managen. Ihre dunkelgrünen Augen starrten auf das Handy, während ihr blasses Gesicht und ihr nachlässig gebundener Zopf dafürsprachen, dass sie zu wenig Schlaf bekommen hatte.

Darce hob die linke Augenbraue, verkniff sich aber jeden Kommentar. Er würde sie sicher ebenfalls ausschicken. Tauchte sie auf, spannte sich der Kiefer unseres Onkels an, als wäre er ein Nussknacker. Normalerweise schaffte es nur sein Handy, Gregs ellenlange Monologe zu unterbrechen. Doch sobald Ella ihm eines dieser zuckersüßen Leck-micham-Arsch-Lächeln zuwarf, stolperte er über seine Worte, verhaspelte sich in seinen Argumenten und trat innerhalb von Minuten die Flucht an. Ja, ich hätte mein gesamtes Erbe auf Ella gesetzt.

»Geh mir endlich aus dem Weg!«, fuhr ich Darce an, der meinen Schritt zur Seite erneut wie ein Spiegelbild nachahmte. »Ich will an die Maschine!«

»Versprich mir erst, dass du Greg anrufst!«

»Mach ich«, gab ich zurück, »ungefähr dann, wenn die Hölle zufriert und ich keine Lust mehr habe, dort Schlittschuh zu fahren.«

Nun hob sich auch Darce’ zweite Augenbraue. Wir wussten beide, dass ich niemals genug vom Schlittschuhfahren bekam. »Dann verabschiede dich von der Kaffeemaschine!«, sagte der nervigste Bruder aller Zeiten und blieb im Weg stehen.

Ich war der klügere von uns.

Und der attraktivere.

Fand zumindest ich.

Auf jeden Fall war ich der lustigere, aber Darce war mir körperlich diesen nervigen Hauch voraus. Das kam davon, wenn man im Sommer ungesund viel Zeit damit verbrachte, im Pool hin- und herzuschwimmen. Dieser ärgerliche Umstand sorgte nun dafür, dass er mich mit einer beeindruckenden Leichtigkeit fortschob. Weg von der Kaffeemaschine.

Dabei liebte ich dieses verdammte Ding!

»Ella!« Vielleicht war es ein winziges Stück erbärmlich, dass ich die Freundin meines Bruders als Verstärkung einforderte. Aber sie würde er sicher nicht zur Seite drängen. Außerdem war sie fast genauso lang schon mit mir befreundet.

»Haltet mich da raus.«

Natürlich. Ich ahnte, dass sie versuchte, mit dem Küchentresen zu verschmelzen. Das Problem mit Verbündeten war, dass sie unzuverlässig wurden, wenn Gefühle ins Spiel kamen. Vor einem halben Jahr hätte sie begeistert die Gelegenheit ergriffen, Darce an die Wand zu spielen. Nun wollte ich lieber nicht wissen, was die beiden an der Wand trieben … Urgh. Ekliges Kopfkino.

»Kann ich nicht, Ella-Bella. Du bist jetzt Teil von uns. Sag deinem Freund, dass der Morgenkaffee ein gottverdammtes Menschenrecht ist!«

»Darce …« Immerhin versuchte sie nun, ihn zu erreichen und sie hatte diesen Tonfall drauf, den ihre Stimme regelmäßig annahm, wenn sie uns daran erinnern wollte, dass wir keine Kinder mehr waren. Bei mir stieß sie damit auf Granit, aber Darce reagierte darauf wie ein dressiertes Hündchen. Grummelnd nahm er seine Arme herunter und nach einem langen Blick zu Ella trat er mir tatsächlich aus dem Weg.

Okaaaay? Vielleicht erwies es sich als strategische Meisterleistung, die beiden verkuppelt zu haben. Immerhin bekam ich, was ich jetzt am meisten auf der Welt brauchte. Koffein!

Kaum dachte ich das, legten sich von hinten zwei Arme um mich. Die besten der Welt. Die liebte ich sogar mehr als Koffein.

»Du hättest im Bett bleiben können.« Ich drehte mich zu James und hauchte ihm einen Kuss auf die vollen Lippen. Ernsthaft, hatte es je perfektere Lippen gegeben? »Ich wollte uns nur Kaffee besorgen.«

»Ohne dich war es darin zu leer und zu unbequem.« Grinsend strich er mir durchs Haar und drehte eine meiner Strähnen spielerisch um seinen Finger. »Außerdem singt Kitty Old McDonald.« Es flackerte in dem Nussbraun seiner Augen. Wir vergötterten Kitty – weil man sie einfach lieben musste –, aber sie sang ständig die Strophe mit den Hühnern. Wirklich immerzu. Bisher waren mir Hühner gleichgültig gewesen, doch irgendwann zwischen der tausendsten und der zehntausendsten Wiederholung hatte ich gelernt, ihr schrilles Cluck-Cluck zu hassen.

»Streitet ihr wegen des Pools gestern?« James sah von mir zu Darce und erinnerte mich daran, dass ich uns lieber schnell mit Kaffee versorgte, damit wir von hier verschwinden konnten.

»Nein, heute ist es eine Diskussion übers College«, kam es von Darce, während ich mir zwei Tassen aus dem Schrank schnappte.

Ich spürte James’ Blick auf mir und sein Schweigen war verräterisch.

College.

Ganz sicher nicht!

»Nope«, brachte ich mich ein. »Diskussion würde bedeuten, dass es eine abstruse Chance gibt, dass ich mich dafür entscheide. Gibt es aber nicht.«

»Greg sagt, du warst nicht bei dem Termin mit den Studienberatern, den er für dich organisiert hat.«

»Warum ihre Zeit und meine Nerven verschwenden? Ich geh auf kein College.« Grimmig stellte ich die Tassen unter die Maschine und drückte die Tastenkombination einen Hauch fester als nötig.

Ich hasste dieses Thema.

Warum akzeptierte Greg nie eine meiner Entscheidungen?

Und weshalb musste Darce ständig tun, als wäre er für mich verantwortlich?

Ich war erwachsen!

»Wenn du dich jetzt reinkniest, bekommst du noch eine vernünftige Bewerbung zustande.« Er konnte es nicht lassen. »Nutz den Tag und schau dir die Studienprogramme an. Vielleicht findest du etwas, das dir gefällt.« Dass er sich bemühte, verständnisvoll zu klingen, machte es nur noch schlimmer. Damit drängte er mich, die Rolle einzunehmen, die jeder von mir erwartete – die des kindischen Sturkopfs. Doch für Diplomatie ließ dieses Thema keinen Raum. Schon jetzt brodelte die Wut in mir heißer als die schwarze Flüssigkeit, die in die Tassen vor mir lief.

»Unnötig. Ich weiß, was ich mache.«

»Eure Partyplanersache?« Darce gab ein Stöhnen von sich, das klang, als wäre er ein überdimensionaler Luftballon, dem die Luft ausging. »Wie viele Partys wurden bisher bei euch gebucht?«

Drei.

Falls man Darce’ Geburtstagsparty mitzählte, die Ella bei mir in Auftrag gegeben hatte.

»Viele.« Als wenn ich mir von ihm in die Karten schauen ließ.

»Klar.« Vier Buchstaben und jeder davon triefte vor Sarkasmus. Er sah zu Ella. »Angeblich machst du doch ihre Abrechnungen. Wie viele Rechnungen haben die beiden bei dir eingereicht?«

Das Handy in ihrer Hand hatte sie mittlerweile durch ein Glas Milchschaum ausgetauscht, in dem sich irgendwo eine mikroskopisch winzige Menge Koffein versteckte. Ich würde nie verstehen, wie man das einem Kaffee antun konnte.

»Ihr sollt mich da raushalten«, wiederholte Ella, während ihre Fingerspitzen nervös gegen das Glas trommelten. Ein Zeichen, dass sie schon wieder zu spät dran war für einen ihrer unzähligen Jobs. »Das gilt besonders für dich.« Sie warf Darce einen ihrer grimmigsten Ella-Blicke zu und dafür schickte ich ihr in Gedanken ein High Five.

»Das ist unfair«, protestierte er. »Warum unterstützt du ihn und nicht mich?«

Ihr Blick wanderte nun von ihm zu mir und sie bekam ein stilles Flehen. Wenn Darce erfuhr, dass die einzige eingereichte Rechnung eine benutzte Serviette war, auf die ich einen Betrag gekritzelt hatte – der gefühlt einigermaßen hinkam –, war ich dran. Ihrer strengen Miene nach wusste sie, dass diese Zahl geschönt gewesen war.

Aber sie hätte theoretisch hinkommen können.

Sie blieb die beste Ella der Welt und nahm einen großen Schluck ihres Milchschaums mit Espressohauch, um ihre Antwort hinauszuzögern.

DerArtnach, wie Darcefinsterdie Lippenaufeinanderpresste, ahnte er wohl, dass sie Zeit schindete. »Also«, stieß er aus. »Weshalb stehst du ihm bei?«

Sie setzte das Glas ab und eine winzige Spur Schaum blieb auf ihren Lippen zurück. »Welpenschutz.«

So schnell nahm meine Ella-Liebe ein wenig ab.

»Schlecht gelaufen. Du bist meine Freundin, also musst du auf meiner Seite stehen.« Darce’ Mundwinkel fuhren auf diese spielerische Weise hoch, wie sie es regelmäßig taten, wenn die beiden sich einen dieser Was-auch-immer-es-war lieferten.

»Mach so weiter und du wirst mich heute Nacht sicher nicht auf deiner Seite finden.« Da war es wieder – Ellas zuckersüßes Lächeln, das sich anfühlte wie der ultimative ausgestreckte Mittelfinger.

Doch Darce bewies erneut, dass er nicht nur bei seinen Pantoffeln sonderbare Vorlieben besaß. Ungerührt beugte er sich zu Ella und küsste den Milchschaum von ihrer Lippe.

»Du würdest was verpassen«, raunte er ihr leider nicht so leise zu, wie ich mir das gewünscht hätte und so sorgte es in mir für dezente Übelkeitsanfälle.

James sah zu mir, nickte demonstrativ in Richtung Kaffeebecher und machte deutlich, dass das hier die Chance zur Flucht war. Ich schnappte mir unsere Becher und James setzte sich in Darce’ Rücken in Bewegung. Er war wie ein sexy Ninja und ich gab mein Bestes, es ihm gleichzutun.

Lautlos.

Langsa…

»Hey!« Darce fuhr herum und stoppte mich so heftig, dass meine rechte Hand einen Schwall heißen Kaffee abbekam.

Irgendwie hasste ich diesen Morgen.

Oder der mich.

»Wir sind noch nicht fertig.« Er verschränkte die Arme vor seiner Brust. »Wann habt ihr die letzte Party gegeben? Vor zwei Monaten?«

Sicherheitshalber schwieg ich. Eigentlich liebte ich es, dass James einen halben Kopf kleiner war, aber gerade hätte ich nichts dagegen gehabt, hinter ihm zu verschwinden.

»Du kannst vor deiner Zukunft nicht davonrennen. Denk endlich darüber nach, was du machen willst.«

»Das weiß ich! Wir wissen es!« Darce hatte ja unbedingt meine Grenze übertreten müssen. Dank ihm wurde aus einem unterdurchschnittlichen Samstagmorgen jetzt ein unterdurchschnittlicher, lauter Samstagmorgen. »Nimm unseren Partyplaner-Service endlich ernst!« Kurz war ich versucht, noch aufzustampfen, der guten alten Zeiten wegen. Aber solche Dinge ließ man, sobald man erwachsen wurde. Wie alles, das Spaß machte. Erwachsenwerden nervte fast so sehr wie Darce, wenn er in diesem Pseudo-Dad-Modus festhing.

Er nahm die Arme herunter, lehnte sich gegen die glänzende Marmortheke und atmete tief ein. »Nein«, sagte er viel zu ruhig. Eigentlich hatte ich erwartet, eine lautstarke Antwort zurückzubekommen. »Du musst ihn ernst nehmen, Bentley. Wenn es wirklich das ist, was du willst.«

Damit bekam er etwas in mir gepackt.

Die Wut in meinem Bauch warf Blasen.

»Natürlich ist es das! Ausgerechnet du schwingst hier Reden? Wie lange willst du noch Kittys Babysitter spielen?«

Nun hatte ich ungerührt auch seine Grenze durchstoßen.

Doch Befriedigung fand ich keine.

Dafür wusste ich zu gut, was es bedeutete, wenn Ella wie jetzt schluckte und ihre Unterlippe bebte.

Das Problem an Darce’Grenze war, dass Ella diese Grenze war.

»E-IIIII-E-I-OOOOO!«, schallte es ausgerechnet nun von der Treppe herab. Uns blieben wohl nur Sekunden, bis Old McDonalds Hühner unsere Ohrmuscheln bluten lassen würden.

»Hey«, flüsterte Darce Ella zu und griff nach ihrer Hand. »Sie wird sich bestimmt bald melden.«

Wieder dieses Schlucken.

»E-IIII-E-IIIIII-OOOOOOO!«

Die Hühner drehten glücklicherweise ab in Richtung Garten.

Ella blinzelte, nickte halbherzig und sprang vom Hocker, als hätte der Feuer gefangen. Daraufhin warf Darce mir den finstersten aller Blicke zu und ich schwieg mich aus – weil ich ihn verdiente.

Vor vier Wochen war Lydia mit ihrem neuen Freund zu einem spontanen Selbstfindungstrip aufgebrochen – leider ohne ihren Töchtern vorher davon zu erzählen. Ella hatte nur eine knappe Notiz auf dem Küchentisch gefunden, dass Lydia Zeit für sich bräuchte, um den Kopf freizubekommen. Seitdem gab es nur hin und wieder Postkarten von irgendwelchen Stränden oder einen kurzen Anruf. Wobei Letztere immer seltener wurden, weil selbst die zenartige Beherrschung, die Ella ihrer Mutter entgegenbrachte, ein Ende gefunden hatte.

Die hauchte gerade Darce einen Kuss auf die Wange. »Du musst Kitty heute nicht abholen. Ich bekomme das hin.«

»Ella!« Jetzt stand er wohl kurz davor, mir dauerhaft das Umgangsrecht mit der Kaffeemaschine zu entziehen. »Hör nicht auf Bings. Er hat keine Ahnung, wovon er spricht!«

Bings.

Ja, es war ernst.

So nannte Darce mich nur, wenn er kurz vorm Platzen stand. Keine Ahnung, ob Ella ihn überhaupt hörte, so schnell, wie sie aus der Küche sprintete. Wenn sie nicht gerade in Darce’ und Kittys Nähe war, rannte sie andauernd zu irgendeiner Arbeit. Damit sie sich und Kitty über Wasser halten konnte, weil Ellas Stolz es ihr unmöglich machte, Geld von Darce anzunehmen.

Gott, ich war so ein Arschkrapfen, wenn ich morgens kein Koffein bekam.

»Geh schon.« James nahm mir die Becher ab und nickte in die Richtung, in die Ella verschwunden war.

Ich hasste Entschuldigungen. Zumindest wenn ich der Part war, der sie aussprechen musste, aber ein Blick in James’dunkelbraune Augen und ich knickte ein wie ein Kartenhaus.

Ella stand bereits an der Haustür. Die Stiefel schon übergezogen, war sie gerade dabei, in ihre Jacke zu schlüpfen.

»Du brauchst dich nicht entschuldigen«, sagte sie zwar, aber ihr Lächeln wirkte diesen verräterischen Hauch zu bemüht.

»Ich wollte Darce nur eins auswischen.«

Das war dann wohl die mieseste Entschuldigung aller Zeiten.

»Du hattest recht …«

»Hatte ich nicht.« Ich stoppte einen Schritt vor ihr. »Verrat es ihm nicht, aber er macht das mit Kitty gut. Gestern hat er sich Tutorials angeschaut, um ihr den Zopf zu flechten, den sie haben wollte.«

Ellas Lächeln wirkte weniger angestrengt, dafür niedergeschlagener. »Darce ist großartig. Ich wünschte nur …« Sie stockte.

»Dass das Leben nicht ganz so ein Arschloch wäre?«, schlug ich vor und bekam ein winziges Lachen.

»Das Leben … oder meine Mutter.« Sie atmete tief ein. »Ich müsste längst unterwegs sein.«

Trotzdem blieb sie, wo sie war.

»Alles okay?«

Sie biss sich auf die Unterlippe.

»Spuck es aus, Ella-Bella, sonst spame ich dich den ganzen Tag mit GIFs voll.«

»Es ist nichts.«

»Was hältst du von niedlichen Katzen-GIFs? Oder hättest du lieber Superhelden?«

Sie streckte das Kinn vor. »Dann blockiere ich dich.«

Verdammt!

Mein Bruder hatte echt einen schlechten Einfluss auf sie.

»In diesem Fall nerve ich Darce den ganzen Tag, bis er es mir sagt.«

»Untersteh dich!« Das, was Ella für Darce war, war Darce für Ella – ihre Grenze. So war es schon immer gewesen. Das war einerseits ziemlich kitschig-süß und andererseits wirklich praktisch. Wie jetzt.

»Dann verrat es mir.«

Sie atmete so gereizt aus, dass sie mich an eine Dampflock erinnerte. »Ich will mich hier bewerben. Also am College mit einer vorzeitigen Zulassung … Vielleicht.« Die Verunsicherung in ihrer Stimme mischte sich mit der in ihren Augen und fühlte sich an wie eine unsichtbare Schlinge, die sich um meinen Hals legte.

Ich konnte mir vorstellen, wie lange Darce gebraucht hatte, um Ella zu überreden, einen neuen Versuch zu starten. Sie hatte sich entschieden gehabt und jetzt strauchelte sie.

Weil sie Angst hatte, dass sie Darce mit Kittys Betreuung zu viel abverlangte.

Ich.

War.

Ein.

Riesenarschkrapfen.

»Es tut mir so leid, Ella-Bella. Ohne Kaffee kommt nur Unsinn aus mir heraus.« Ich überwand den Abstand zwischen uns und schlang die Arme um sie. »Darce ist glücklich – zum ersten Mal seit Jahren. Er hat gestern gestrahlt wie ein Honigkuchenpferd, als er etwas hinbekommen hat, das ansatzweise wie ein Zopf aussah. Kitty ist hier glücklich, selbst wenn sie nach dem letzten Unfall mit dem Perserteppich von mir keine Milchshakes mehr bekommt. Und du bist auch glücklich.«

Sie nickte an meiner Schulter. »Aber Darce …«

»… will herausfinden, was ihn glücklich macht.« Ich schnitt ihr den Satz ab. »Es sieht so aus, als täte er genau das.«

»Aber –«

»Nein.« Ich legte den Finger auf ihre Lippen. Wahrscheinlich konnte ich damit ihre Gedankenflut nicht stoppen, doch vielleicht ließ sie sich zumindest ein wenig zurückdrängen. »Du liebst ihn. Er liebt dich. Und wir alle lieben Kitty. Wir bekommen das hin. Ihr gehört zur Familie.«

Jetzt waren es ihre Arme, die sich um mich schlangen. »Danke.« Sie hauchte einen Kuss auf meine Wange. »Ich sollte endlich los.«

»Vergiss es, du kommst eh zu spät. Wir beide schicken jetzt deine Bewerbung ab, bevor du es dir anders überlegst.«

James lag unter der Bettdecke und glänzende schwarze Locken ruhten auf dem weißen Leinenstoff meines Kissens. Auch ohne seine geschlossenen Augen zu sehen, hätte ich gewusst, dass er wieder eingeschlafen war. Wenn er schlief, dann so tief und fest, als hätte jemand in ihm den Pausenknopf gedrückt. Er war wohl der einzige Mensch, der sich im Schlaf nicht bewegte. Am Anfang hatte ich das ein winziges Stück gruselig gefunden, mittlerweile fand ich es beruhigend. Wenn ich mich nachts hin und her warf, blieb er mein Felsen.

Unsere Tassen standen auf dem Nachttisch und der Kaffee darin war längst kalt. Seinen hatte er nicht angerührt – weil er auf mich gewartet hatte. Daneben lag ein Zettel, auf den James eine kleine schlafende Schnecke gezeichnet hatte, um mir zu sagen, dass ich spät dran war. Gegen das Lächeln, das an meinem Mundwinkel zupfte, war ich machtlos. Ich zog das Shirt aus, huschte zu James unter die Decke und drängte mich an seinen warmen durchtrainierten Körper. Irgendwo da versöhnte ich mich mit diesem Morgen. Sanft fuhr ich mit der Nasenspitze über seine und wie erwartet blieb jede Reaktion aus. Nicht mal seine Wimpern zuckten. Die waren auch noch so vollkommen, dass ich ihn dafür hassen müsste, wenn ich ihn nicht lieben würde. Ernsthaft. Niemand auf der Welt besaß so perfekte Wimpern wie James. Sie hatten genau den richtigen Schwung und eine Sinfonie …

»Starrst du mich an?« Das Grübchen an seiner linken Wange verriet, dass er gegen ein Lächeln ankämpfte.

»Ein Wunder ist geschehen! Ich habe dich geweckt, ohne einen Vorschlaghammer zu benutzen.«

Er öffnete die Augen und ich versank in dem warmen Nussbraun. »Das sehe ich anders. Hast du eine Ahnung, wie kalt du bist? Ich fühle mich, als wäre ich die Titanic und hätte versehentlich einen Eisberg gerammt.« Dennoch schlang er den Arm um mich und rutschte näher. »Wo warst du so lang?«

»Musste eine College-Bewerbung abschicken.«

Jetzt sah er wirklich aus, als hätte ihn ein Eisberg gerammt. Seine Lippen formten ein Oval, aber kein Wort drang aus ihm heraus. Das wäre ohnehin überflüssig. So wie er mich ansah, schwebte bereits eine unsichtbare »What the fuck?!«-Gedankenblase über seinem Kopf.

»Beruhig dich. Sie war für Ella.«

Er blinzelte verwirrt. »Unsere Ella?«

»Wie viele kennst du noch?« Eigentlich war ich gerade dabei, den Kopf auf seiner Brust abzulegen. Auf diesen Platz zwischen Schulter und Arm, der meinen Namen zu tragen schien, doch James hatte andere Pläne. Er setzte sich auf und strich sich genervt ein paar der längeren Locken aus der Stirn. In einer, spätestens zwei Wochen würde er sie schneiden lassen, weil sie ihm in den Augen hingen. »Ich brauche Infos … schnell.«

»Du warst gerade noch im Tiefschlafmodus!«

»Und jetzt bin ich wach. Also los.« Die übrigen Locken flatterten leicht, so genervt stieß er die Luft aus. »Wo will sie hin?«

»Hierher?«

James runzelte die Stirn. »Hierher? Sie bleibt?« Er klang so entgeistert, als wäre Juniper Falls der Nabel der Hölle. »Ach … Shit! Kitty.« Und schon fand er den Grund, der Ellas Radius bei der Collegesuche auf ein Minimum begrenzte. Genauer gesagt auf das städtische College.

»Sie will soziale Arbeit belegen und jetzt bin ich durch mit dem Thema.« Keine Ahnung, warum heute jeder über Colleges oder Unis sprechen wollte. Damit war nun Schluss. Energisch zog ich ihn zurück zu mir, spürte seine weiche, warme Haut und ein erwartungsvolles Kribbeln erwachte in meinem Bauch. Wir konnten die Zeit so viel besser nutzen.

»Aber du bleibst bei deiner Entscheidung?« Kaum berührte James’ Kopf das Bettlaken, hob er ihn erneut, um mich prüfend zu mustern.

Und wieder nahm das Thema kein Ende.

»Was war das Erste, das ich zu dir sagte, als wir uns kennenlernten?«

»Dass dein Ex ein Arsch ist und du einen erbärmlichen Männergeschmack hast?« Er grinste und ich konnte nicht anders als einzustimmen.

»Das danach.«

»Der Teil, in dem du dir Geld von mir borgen wolltest? Oder der Part, in dem du mich verprügeln wolltest?«

»Das wirst du mir ewig vorhalten, oder?« Ich strich eine seiner Locken aus seinem Gesicht. Im Gegensatz zu James liebte ich es, wenn sie diese Länge besaßen. »Nein, ich meine den Teil dazwischen, in dem ich dir gesagt habe, dass ich niemals einen Fuß in ein College setzen werde.«

James’ winzigen Lächeln nach drifteten auch seine Gedanken zurück zu dieser sonderbarsten aller Nächte.

»Sobald die Schule endet, starten wir beide durch.« Ich verschränkte meine Hand mit seiner und er nickte langsam. Die paar Monate vergingen im Schlaf. Sollte Darce sich doch weiter über unseren Partyplaner-Service amüsieren. Wir hatten geniale Ideen, wir besaßen einen unendlichen Fundus an Kreativität und wir hatten uns.

Es würde episch werden.

»Was ist mit Darce?«, fragte James ungewöhnlich zögerlich.

»Der kann mich mal.«

»Und dein Onkel?«

»Der kann mich gleich doppelt.«

James wirkte wenig überzeugt, vielleicht weil er wusste, dass ich der Erste aus unserer Familie ohne Collegeabschluss sein würde. Seltsamerweise schien er manchmal zu glauben, dass mich das irgendwann stören könnte. So wie wohl jetzt, denn seine überdimensionale Grübelfalte bohrte sich ihm bereits in die Stirn.

»Denkst du nie darüber nach, ob du es bereuen könntest?«, fragte er wie zum Beweis und es flackerte unruhig im Nussbraun seiner Augen.

»Was genau? Dass ich mich nicht mit einem Haufen elitärer Snobs auf irgendwelchen anonymen Partys besaufe und tagsüber lerne, bis sich mein Gehirn anfühlt, als wäre es Grillgut?« Eigentlich hatte ich auf ein Grinsen spekuliert, aber James verzog keine Miene.

»Dass du es bereust, nie herausgefunden zu haben, was du alles erreichen könntest?«

Irgendwie hasste ich die Richtung, in die sich dieses Gespräch entwickelte.

»Ich werde nicht studieren. Wie wäre es, wenn ich es dir aufschreibe, damit du es immer und immer wieder lesen kannst?« Nun rutschte ich so nah an ihn heran, dass meine Lippen seine streiften, während ich ihm Worte zuflüsterte, die er offenbar hören musste. »Greg kann sich auf den Kopf stellen und mich jahrzehntelang verfluchen, aber ich werde diese verdammte Firma ebenfalls nicht übernehmen.« Meine Lippen blieben einige Sekunden auf seinen liegen, bevor ich fortfuhr. »Auch wenn ich gerne Darce’ Gesicht sehen würde, sollten wir unfassbar reich werden … Der Erfolg ist mir egal. Wichtig ist mir nur, dass dieses Projekt unser Baby ist.« Mein Daumen suchte und fand seinen, drückte dagegen – unser Geheimzeichen. »Wir beide. Zu tausend Prozent.«

»Wir beide«, flüsterte er zurück und nun waren es seine Lippen, die über meine fuhren. »Zu tausend Prozent.«

Dezember

James

Scheiße.

Scheiße!

SCHEISSESCHEISSESCHEISSE!!!

Mein Herz trommelte mir dermaßen heftig gegen die Brust, als versuchte es, mir die Rippen zu brechen.

Gleichzeitig schien der Rest von mir zu zerfließen. Der Strickpullover mit dem gigantischen Rentierkopf, den Mom mir besorgt hatte, klebte mir wie eine zweite Haut am Rücken. Eine kratzige, synthetische Haut. Schweiß sammelte sich an allen möglichen Körperstellen. In meinem Nacken, auf der Stirn, in den Handinnenseiten, sogar in den Kniekehlen.

Ich hatte noch nie eine Panikattacke erlebt, aber das hier kam meiner Vorstellung davon ziemlich nah.

Mein Handy vibrierte.

Und mein Herz setzte vor Schreck einen Schlag aus.

Schon wieder.

Kurz rang ich mit mir. Es wäre gesünder für meine Nerven, hätte ich es für den Rest des Tages ausgeschaltet. Oder für den Rest des Jahres. Leider besaß ich offenbar nicht einen Funken Selbstbeherrschung, weshalb ich es mir so gierig schnappte wie unsere Katze Snowball, wenn Dad ihr einen dieser kleinen Fische hinhielt – als wäre ich am Verhungern.

Wen würde ich als Nächstes heimlich verfluchen?

Gefühlt tat ich seit Tagen nichts anderes …

Eine Nachricht von Bentley???

Was zur Hölle?

Diesmal stoppte mein Herz nicht nur, es fiel ins Bodenlose.

»Warum schickst du mir eine Nachricht, obwohl wir telefonieren?« Wahrscheinlich hörte er das Zittern in meiner Stimme durchs Handy hindurch, denn einen langen Augenblick schlug mir Stille entgegen.

Dabei war Bentley niemals still.

Es gab niemanden, der weniger still war.

»Schau sie dir an«, sagte er nur und verwandelte damit das Innere meines Halses in eine Wüste. Es brauchte gleich zwei Versuche, bis meine steifen Finger die Nachricht erwischten.

Kein Video.

Die Wüste verschwand.

Kein Foto.

Das Gefühl, ins Bodenlose zu fallen, stoppte.

Es war eines von Bentleys GIFs. Irgendein Filmschnipsel, der mir bekannt vorkam und in dem mich jemand in Army-Uniform anschrie. »DU HÖRST NICHT ZU!«, schlug es mir in Großbuchstaben entgegen.

Bentley liebte Großbuchstaben. Die passten tatsächlich so perfekt zu ihm, dass ich ihn nach unserem ersten Aufeinandertreffen als »BENTLEY« in meinem Telefonbuch eingespeichert hatte. Irgendwann war noch ein Herz dazugekommen, doch die Großbuchstaben waren geblieben.

»So lustig«, gab ich zurück.

»Gib es zu, du lächelst.«

Tat ich tatsächlich.

Mit Bentley um mich herum war es schwer, nicht zu lächeln. Das galt sogar, wenn er nur am Handy war.

»Hab ich dir einen Schreck eingejagt?«

»Ja und wahrscheinlich verdanke ich dir das eine oder andere graue Haar.«

»Das hast du davon, wenn du glaubst, dass ich ein solcher Vollarsch bin und mich heimlich ans College schleiche.«

»Hab ich wohl«, zwängte ich mir ab und mein Lächeln brach in sich zusammen. Unsichtbare Hände packten meinen Magen und wrangen ihn aus wie ein nasses Tuch.

»Du ahnst nicht, wie viele vorläufige Zulassungen ich heute schon gesehen habe.« Im Hintergrund erklang ein leises Quietschen, als hätte sich Bentley aufs Bett fallen lassen. »Die tun, als hätten sie den Nobelpreis gewonnen. Ernsthaft, bekomme ich noch eines dieser Jubelvideos, verbrenne ich mein Handy.«

»Solltest du nicht, das setzt giftige Chemikalien frei.«

»Alles okay mit dir?« Offenbar ahnte Bentley, dass ich wieder nur halb zuhörte, und nun stand ich kurz davor, mir das nächste GIF einzufangen.

»Wahrscheinlich werde ich krank. Schweißausbrüche, Magenschmerzen …«

»Nein! Tu mir das nicht an. Du musst heute Abend zu uns kommen. Darce plant ein Überraschungsessen für Ella, um ihre College-Zusage zu feiern. Er steht schon seit Stunden in der Küche. Lass mich nicht allein mit den beiden. Ich will nicht das dritte Rad am Pärchenwagen sein.«

»Was ist mit Logan?«

»Laut Darce kann er nicht, weil er irgendeinen Tortenkurs hat, aber ich glaube, er will auch nicht das Ersatzrad am Pärchenwagen sein. Also musst du kommen.« Bei ihm klang es nicht, als wäre ein Nein eine denkbare Alternative. Eine der ersten Seiten an ihm, die mich fasziniert hatten. Für Bentley gab es nur »Ja« oder »Nein«, »Rein« oder »Raus«, »Sofort« oder »Überhaupt nicht«. Er bestand aus 189 Zentimetern purer Entschlossenheit.

Ich liebte das.

Normalerweise.

Wenn es mich nicht gerade in die Verzweiflung trieb.

»Ich bin um acht da.« Zum hunderttausendsten Mal an diesem Tag aktualisierte ich meinen Posteingang.

Und da war sie.

Die Mail.

Scheiße.

Scheißescheißescheiße!

»Ich liebe dich« erklang es aus dem Handy, doch die Sekunden vergingen, ohne dass ich mir die übliche Erwiderung abringen konnte.

Alles schien plötzlich stillzustehen.

Mein Herz.

Meine Gedanken.

Und der Rest von mir.

»Leg dich vorher lieber noch ein wenig hin, Bae.« Bae. Before anyone else. Unser Kosename drang wie ein Kanonenschlag in mich ein und zerriss meine Erstarrung. »Du stehst heute echt neben dir.«

»Mach ich.« Eigentlich war ich gut mit Worten, aber diese hier zu formen, erwies sich als intellektuelle Meisterleistung. Bentleys Verabschiedung bekam ich nicht mit, erst das plötzliche Tuten machte mir klar, dass er aufgelegt hatte.

Keine Ahnung, wie lange schon.

Jede meiner Nervenzellen war ausgerichtet auf diesen einen Punkt.

Diese verdammte Mail, auf die ich seit Tagen wartete.

Diese verdammte Antwort auf die verdammte Mail, die ich nicht hätte abschicken dürfen.

In meinem Kopf formte sich der nächste »Scheiße«-Loop.

Es würde nichts ändern.

Das war nur die letzte Absage.

Bentley würde nie etwas erfahren.

Nur noch einmal ausatmen und dann würde ich sie öffnen.

Wahrscheinlich hatte niemals jemand langsamer ausgeatmet.

… Drei

… Zwei

… Eins

Mit zitternden Fingern klickte ich die Mail an.

Die Mail der Columbia University.

In fucking New York.

Über zweitausend Meilen von Utah entfernt.

Was hatte mich nur geritten, mich dort zu bewerben?

Mein Herz hatte wieder beschlossen, dass es eine Trommel war und schlug mir schmerzhaft gegen die Rippen.

Ein Klick und es setzte zu seinem Endspurt an, während ich die Worte überflog und entsetzt an zweien davon stoppte.

Herzlichen Glückwunsch.

Scheiße hoch tausend.

»Du musst es ihm endlich sagen!«

Bei Mom klang immer alles so verdammt einfach.

Geh nicht so spät ins Bett.

Räum dein Zimmer auf.

Sag Bentley die Wahrheit.

Aber manche Dinge waren nicht einfach.

Mom hatte keine Ahnung, was die Wahrheit anrichten würde.

Nicht mal ich wusste das.

Ich ahnte nur, dass es richtig, richtig mies werden würde.

Da mir nichts einfiel, das ich entgegensetzen konnte, schwieg ich und das Tiefblau ihrer Augen wirkte frostig im Zusammenspiel mit ihrer rosafarbenen Haut. Sie stieß die Luft so heftig aus, dass die kurzen blonden Haarsträhnen in ihrer Stirn flatterten, und sah hilfesuchend zu Dad, der neben ihr auf dem beigefarbenen Sofa saß.

»Ernsthaft, James«, mischte sich nun auch der ein, während er Snowball hinter den Ohren kraulte. Seine Hand, die die Farbe eines Herbstwaldes besaß, hob sich gegen das schneeweiße Katzenfell ab. »Wir können nicht weiter für dich lügen.«

»Ihr lügt nicht. Ihr schweigt euch nur über diesen winzig kleinen Teil aus, bis ich ihm davon erzählt habe.«

»Und das wäre wann genau?«, fragte Dad, während sich Snowball auf seinem Schoß genüsslich streckte und ebenfalls zu mir starrte, als forderte auch sie eine Antwort ein, wie der Rest meiner Familie. Zumindest wenn man von meiner Schwester Amanda absah, die auf dem Sessel thronte und wie immer nur Augen für ihr Handy hatte. Falls sie uns nicht gerade mit ihrer pubertären Verachtung überzog, waren wir für sie nicht existent.

Ich war definitiv nie so nervig gewesen.

»James«, setzte Mom erneut an. Meine Eltern waren ein eingespieltes Team, sie gaben den Ball in Perfektion aneinander weiter, bis sie bekamen, was sie wollten. In diesem Fall eine Antwort. »Wann sagst du es ihm?«

»Am ersten Campustag?« Da wäre ich immerhin einige Flugstunden von Bentley entfernt und müsste ihm nicht in die Augen sehen – und in der Enttäuschung darin ertrinken.

Gott, ich war der mieseste Freund aller Zeiten.

»Nicht lustig«, kam es knapp von Dad. »Du süßes Schätzchen«, setzte er deutlich liebevoller hinzu, aber Letzteres galt der Katze, die sich gegen seine Hand drängte und weitere Streicheleinheiten einforderte.

Meine Eltern vergötterten Bentley und selbst Amanda sah kurz vom Handy auf, um ihn zu begrüßen, wann immer er hier auftauchte. Mich begrüßte sie nie. Ja, meine Familie war begeistert von ihm. Von mir waren sie das derzeit weniger.

»Ich warte nur auf den richtigen Moment.«

»Und wann soll der sein?«

»Wahrscheinlich, wenn sie heftig rummachen und Bentley zu abgelenkt ist, um ihm zuzuhören«, mischte sich nun auch noch Amanda ein und sah weit genug auf, um uns mehr als ihre dunkelblonden Locken zu präsentieren. Ihr Gesicht besaß diesen warmen Goldton eines Sonnenaufgangs und in ihren blaugrauen Augen tänzelte Erheiterung.

»Ebenfalls nicht lustig«, grummelte Dad erneut. Dabei war ihr Vorschlag besser als jede Option, die ich schon durchgegangen war.

Wenn Bentley so richtig abgelenkt wäre …

»Nicht ich bin euer Problemkind«, erwiderte die nervtötendste Fünfzehnjährige von ganz Utah und deutete anklagend auf mich, während sie mit der anderen Hand in einem so atemberaubenden Tempo tippte, dass mir schwindelig wurde. »Er überlegt sicher gerade, ob er das hinbekommt.«

»Mache ich nicht.« Zeit, mich schleunigst wieder einzubringen. »Außerdem bin ich kein Problem.«

Mom warf mir einen eisigen Blick zu. »Seit Wochen betet mir Miley immerzu die Liste an Colleges und Universitäten herunter, an denen sich Olive bewirbt. Heute meinte sie sogar, wir sollen nicht zu enttäuscht sein, weil ein Studium schließlich nicht für jeden etwas ist.« Blitze tobten in Moms finsterer Miene und ich ahnte, wie gerne sie die auf unsere Nachbarin loslassen wollte.

Miley und Mom waren irgendwas zwischen beste Feindinnen oder schlimmste Freundinnen. Seit vier Jahrzehnten wohnten sie Tür an Tür und wenn sie nicht gerade ein Herz und eine Seele waren, versuchten sie einander zu übertrumpfen. Es war ein ewiger Wettstreit.

Amandas Locken wippten, als sie erneut den Kopf hob und meinen Blick suchte, damit wir gemeinsam die Augen rollen konnten. Manchmal gab es sie noch. Diese winzigen Momente voller inniger Geschwisterliebe, auch wenn sie sich nur in einem Augenrollen zeigten.

»Ich seh euch.« Mom bemühte sich, ärgerlich zu klingen und scheiterte, weil sie lachen musste. Eine von Moms guten Seiten: Sie konnte zugeben, wenn sie Bullshit von sich gab. »Außerdem überprüfe ich jetzt jede Nachricht, die ich in unserer Gruppe tippe, tausendmal, weil ich Angst habe, etwas zu verraten.«

Es sollte verboten sein, dass Eltern den Freund so anhimmelten, dass sie ihn zum Teil der Familiengruppe machten. Fairerweise hatte ich es bis vor zwei Wochen großartig gefunden, wie sehr sie Bentley mochten. Ausgerechnet dieser Umstand sorgte jetzt hier für Dauerstress. Dabei stand ich selbst dermaßen unter Druck, dass ich drohte, immerzu auseinanderzubrechen.

Bei jedem Kuss.

Jedes Mal, wenn er mich berührte.

Wenn er mich anlächelte, als wäre ich der Mittelpunkt seines Universums.

Weil ich nichts davon verdiente.

»Ich kann es ihm sagen.« Zum dritten Mal innerhalb weniger Minuten hob Amanda den Kopf, um mich anzusehen. Nahm man die letzten beiden Jahre als Maßstab, musste das ein Rekord sein. Doch etwas an ihrer betont unschuldigen Miene weckte meinen Argwohn. »Schonend natürlich«, fuhr sie fort und klimperte mit den Wimpern.

»Was verlangst du dafür?«

Ihre Lippen schoben sich zu einem zufriedenen Lächeln auseinander. »Dein Zimmer. Das brauchst du in New York eh nicht mehr.«

»Du hast ein Zimmer«, protestierte Dad. »Darf ich dich daran erinnern, dass wir dort erst letzten Monat zwei Wände schwarz gestrichen haben?« Er prustete so unwirsch aus, dass er ein vorwurfsvolles Brummen von Snowball abbekam. Die schwarzen Wände waren hier über Wochen diskutiert worden. Amanda hatte vier gewollt, Dad keine und Mom hatte ihnen schließlich diesen Kompromiss aufgezwungen, der sich für beide nicht nach einem Sieg anfühlte.

»Aber noch kein Lesezimmer«, erwiderte Amanda mit ihrer ganz eigenen Logik.

»Du kannst auch in deinem Zimmer lesen?« Ich fand meinen Einwand berechtigt, Amanda offenbar nicht, denn sie bedachte mich mit einem Blick, der mir ohne Worte deutlich machte, dass ich keine Ahnung hatte.

»Also haben wir einen Deal?«

Wie erbärmlich war es, dass ich darüber nachdachte?

»Es mag dir entgangen sein, aber wir residieren nicht auf einem englischen Adelsanwesen.« Dad schüttelte den Kopf. Die schwarzen Locken darauf waren in den letzten beiden Jahren deutlich ergraut, was ich allein Amanda zuschrieb. »Es gibt hier sicher kein Lesezimmer.«

Snowball beschloss, dass Dad kein adäquater Streicheldiener mehr war und sprang mit einem eleganten Satz von seinem Schoß. Keine Sekunde zu früh, denn schon begann Amanda mit der Auflistung der Gründe, weshalb sie unbedingt ein Lesezimmer brauchte.

Ich nutzte die Chance und verschwand aus dem Wohnzimmer. Vielleicht sollte ich die Wände meines Zimmers auch schwarz streichen, denn das, was ich erblickte, passte so überhaupt nicht zu meiner Stimmung. Weiße Möbel an weißen Wänden, die von der gigantischen Weltkarte über dem Schreibtisch aufgebrochen wurden.Ein paar vereinzelte Fähnchen darauf zeigten die wenigen Orte, die ich schon besucht hatte. Als ich sie damals aufgehängt hatte, war ich davon ausgegangen, sie würde sich schneller füllen. Mittlerweile fühlte sich ihr Anblick mies an. Weil ich in diesem Kaff ähnlich verharrte wie meine Eltern ihr ganzes Leben lang. Ich hatte schon oft überlegt, die Karte abzunehmen, aber nie zuvor, weil ich Angst davor hatte, das nächste Fähnchen zu setzen.

Ich sank aufs Bett und starrte auf die Fotowand darüber, die beinahe ausschließlich aus Bildern von Bentley und mir bestand.

Wir beide mit Schokoshakes.

Wir im Kino.

Beim Rollschuhfahren.

Im Park.

Bei unserer ersten geplanten Party.

Verflucht.

Ich musste es ihm endlich sagen.

Wenn ich nur wüsste wie.

Die Party im Heaven & Hell war in vollem Gange. Menschengruppen standen überall verteilt in Trauben zusammen. Alle schienen bemüht, Spaß zu haben, zu bemüht, denn ich registrierte, dass viele verstohlen auf ihre Handys starrten. Das war ein sicheres Zeichen, dass diese Party ein Fehler gewesen war. Wir hätten lieber im Bett liegen bleiben sollen. Ich hatte dem Heaven & Hell nie besonders viel abgewinnen können. Erst musste man sich bei den Partys ewig durch den kleinen Eingangsbereich schieben, bis man endlich seine Jacke abgeben konnte.Und wenn sich dann endlich die Location fächerförmig vor einem aufbaute, konnte man davon ausgehen, dass so ziemlich jeder Platz bereits besetzt war. Aber Bentley liebte es und ich liebte Bentley, außerdem war die Musik in Ordnung und es gab in unserem Alter keine echten Möglichkeiten zu feiern. Doch ich wünschte wirklich, Bentley hätte nicht darauf bestanden, kurz vorbeizuschauen, um ein paar Leute von unseren beiden Schulen zu treffen und Inspiration für eigene Partys aufzusaugen. Hier würden wir wohl wenig finden. Selbst die goldenen Girlanden über uns sahen aus, als hätten sie schon bessere Zeiten erlebt.

»Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für dich.« Der Song kam gerade zu seinem Ende, als Bentley mir ein Glas Apfelsaft in die Hand drückte.Mein Standardgetränk auf Partys, das regelmäßig für Entgeisterung sorgte, weil es nach einhelliger Meinung offenbar ein Kindergetränk war. Nur nicht bei Bentley. Er hatte nie einen der obligatorischen Sprüche abgelassen.

Seit dieser verdammten Mail rief mir jede Kleinigkeit in Erinnerung, weshalb ich ihn liebte. Und jede davon machte es mir unmöglich, ihm von der Mail zu erzählen. Es war ein Teufelskreis.

Weil ich nicht imstande war, ihm das Herz zu brechen.

Ich mühte mir einen Dank ab und nahm einen Schluck Saft.

»Wir werden die beste Valentinstagsparty aller Zeiten geben.« Wenn Bentley strahlte wie jetzt, übertrumpfte er mit Leichtigkeit die Scheinwerferlichter, die über uns huschten. »Heute habe ich online die perfekte Location gefunden. Eine stillgelegte Fabrik mit Lost-Place-Charakter, das gibt einen spektakulären Kontrast. Ich wette, die kommt so gut an, dass wir daraus ein jährliches Event machen können.«

Käme sie wohl. In meinem Hals schien ein Knoten in der Größe des Empire State Buildings zu wachsen. »Und die gute Nachricht?«

Bentley runzelte die Stirn und es dauerte einen Augenblick, bis ich den Fehler begriff. Das war die gute Nachricht gewesen.

»Die schlechte, meinte ich.« Ich trank einen weiteren größeren Schluck Apfelsaft.

»Wir müssen unser jährliches Schokoshake-Valentinsdate vorverlegen.« Er grinste auf diese Weise, die dafür sorgte, dass ich ihn einfach küssen musste.

Bentley zu küssen war wie fliegen.

Dann entkam ich dieser Kleinstadt, die sich manchmal anfühlte wie Treibsand.

Ich legte den Arm um ihn, zog ihn näher und wünschte mir, wir könnten uns in diesem Moment einwickeln. Seine Hände strichen mir über den Rücken. Dort, wo er mich berührte, überhitzte augenblicklich meine Haut und schoss mir SOS-Signale in die Nervenbahnen.Mir blieb nicht mehr lange, bis mich diese Hitze in eine lebendige Fackel verwandeln würde. Ähnliches schien auch Bentley zu denken, denn er löste sich mit einem winzigen Grinsen von mir. Das, was ich in seinen Augen sah, fühlte sich an wie ein Echo zu meinem inneren Feuer.

»Können wir nicht wieder abhauen?« Ich griff in sein Shirt, zog ihn spielerisch wieder zu mir und Bentleys Grinsen vergrößerte sich. Er wusste genau, weshalb ich von hier verschwinden wollte.

»Wir sind doch erst angekommen und es sind nur noch ein paar Minuten bis Mitternacht.«

So leicht gab ich nicht auf.»Die Party ist mies.« Gerade wollte ich mich auf die Zehenspitzen stellen, um ihn erneut zu küssen, da bohrte sich mir ein Ellbogen in die Seite. Es mochte hier voll sein, aber nicht dermaßen, dass es für Ellbogen keinen anderen Platz als den zwischen meinen Rippen gab. Ich fuhr herum, um demjenigen ein paar Takte zu sagen und stoppte entsetzt.

Olive.

Mileys Tochter.

Ausgerechnet hier und sie wirkte, als hätte sie Redebedarf.

»New York?«

Nein.

NEIN!

Still belegte ich Mom mit so ziemlich jedem Fluch, den ich kannte.

Bentley durfte es nicht erfahren.

Nicht hier.

Nicht so.

»Was?«, fragte er irritiert und machte mir klar, dass ich eine Antwort brauchte. Sofort.

»Los Angeles!«, schrie ich zurück.

Olive starrte mich verständnislos an.

»Ähm. Bae?«, kam es von Bentley. »Alles klar?«

»Nein … Ja. Ist nur ein Spiel zwischen uns. Du weißt schon, ihre Mom, meine Mom …« Ergab das irgendeinen Sinn? So wie mich Olive ansah, nicht den geringsten. Ich legte alles, was ich hatte, in meinen Blick und flehte sie an mitzuspielen.

»Ja«, erwiderte sie und ich hoffte, dass Bentley die Entgeisterung in ihrer Stimme nicht wahrnahm. »Seine Mom, meine Mom und wir … Du kennst doch diesen Unsinn?« Sie sah mich so hilflos an wie ein Fisch, der sich unverhofft an Land wiederfand.

»Holst du mir etwas zu trinken, Bae?« Ich musste Bentley sofort hier wegbekommen!

»Du hast doch noch …« Er verstummte, weil ich nun den gesamten Apfelsaft herunterkippte und ihm im Anschluss mein leeres Glas reichte. »Bitte. Wir beklagen uns in der Zwischenzeit über unsere Moms.«

Erst als Bentley verschwand, hatte ich das Gefühl, wieder atmen zu können.

»Sag nicht, er weiß nichts davon?«, raunte mir Olive entgeistert zu.

»Nein. Woher weißt du es überhaupt?«

Sie hob die dunklen Augenbrauen. »Deine Mom – meine Mom? Schon vergessen? Mom flucht seit gestern in Dauerschleife. Wahrscheinlich ist sie in diesem Moment dabei, in meinem Namen Bewerbungen an Yale und das MIT zu verfassen, damit sie diese Ego-Runde nicht verliert.« Zu jedem anderen Zeitpunkt wäre ich in Olives Seufzen eingestiegen. Sie und ihr Bruder Alex waren ähnlich genervt vom Konkurrenzkampf unserer Mütter wie Amanda und ich. Das machte uns irgendwie zu Komplizen.

»Hättest du dir nicht irgendeine unbedeutende Uni suchen können?« Wieder stieß sie mir in die Rippen, nun sanfter, aber ich antwortete nicht. Stattdessen scannte ich meine Umgebung. Konnte Mom noch jemandem davon erzählt haben?

Ich fand Bentley im Gespräch mit einem Typen, der mir vage bekannt vorkam. Das Problem war, dass einem in einer Kleinstadt so ziemlich jeder vage bekannt vorkam.

»Erde an James? Noch da?«

»Sorry, bin gestresst.« Gerade hatte sich mein Zeitfenster, um Bentley über New York aufzuklären, von einem halben Jahr auf eine halbe Stunde verkürzt.

Danke, Mom.

Nicht!

»Wie kann es sein, dass Bentley noch nichts weiß? Ich habe es schon vor drei Tagen gehört.«

Was zur Hölle?

Ich hatte niemandem davon erzählt.

Nur Mom, Dad und Amanda.

Aber ich hatte sie schwören lassen, darüber zu schweigen.

»Du hast gesagt, du weißt es seit heute!«

»Nein«, gab sie ungerührt zurück. »Mom weiß es seit heute. Glaubst du ernsthaft, ich hätte ihr freiwillig davon erzählt? Ich weiß es von Justine.«

Justine?

Welche Justine?

Anscheinend sah ich aus wie ein lebensgroßes Fragezeichen, denn Olive fuhr stirnrunzelnd fort. »Die Automechanikerin eures Vaters? Wir daten.«

Gottverdammt! Dad hatte seinen Schwur ebenfalls gebrochen?

Fuck!

Wie ich Juniper Falls hasste.

Mit dem Tratsch, der sich wie ein Brandfeuer überall verteilte.

In New York wäre mir das nie passiert.

»Ich muss gehen.« Ohne Olives Antwort abzuwarten, suchte ich mir einen Weg durchs Menschengewühl. Bentley stand immer noch bei dem Typen, der mir so beunruhigend bekannt vorkam. All meine Alarmglocken schrillten längst ohrenbetäubend laut.

Meine Familie hatte ihr Schweigen gebrochen.

Wir mussten hier raus.

Sofort.

Gleichzeitig mit dieser Erkenntnis kam eine weitere und die schlug in mich ein wie ein Pfeil.

Plötzlich wusste ich, wer der Typ war.

Der große Bruder von Amandas bester Freundin.

Und er redete mit Bentley.

Ich war so was von geliefert.

Bentley

Ich liebte Juniper Falls.

Es fühlte sich an, als wären wir alle miteinander verbunden. Manchmal zwar über einige Ecken, aber mir gefiel dieses Bild. Es war wie in einer riesigen Familie.

Marc hier zum Beispiel war mit Ella in einem Jahrgang gewesen und hatte mir letzten Frühling Nachhilfe in Mathe gegeben. James würde noch ein paar Minuten auf seinen Saft warten müssen, denn zuerst bekam Marc ein Ella-Darce-Update.

Der nächste Song begann und ich grinste, als ich die ersten Takte von Paper Rings erkannte. Das Lied von James und mir. Keine Ahnung, wie es das geworden war. Vielleicht war es bei Liedern wie bei Menschen, manchmal kam eines und holte dich auf eine Weise ab, die du selbst nicht begreifen konntest. Ich sah zu James hinüber, aber der schien den Song noch nicht erkannt zu haben, denn er redete gerade auf Olive ein.

Alles an ihm wirkte gestresst.

Offenbar gefiel ihm die Party echt nicht.

Kein Wunder, sie war wirklich mies.

Sie hätten sie von uns planen lassen sollen.

»Wird schwierig für euch werden, oder?«

Ich drehte mich wieder zu Marc um, erwartete fast, dass sich jemand zu uns gesellt hatte, aber da standen nur er und ich.

Was meinte er?

»Für mich und Darce?« Das ergab keinen Sinn, immerhin hatte ich es doch sogar darauf angelegt, Ella und Darce wieder zu matchen.

»Dich und ihn.« Er deutete mit dem Kinn hinter mich, Richtung James. Irgendwie bekam ich hier was nicht mit.

»Weshalb?«

»Sorry, seid ihr nicht mehr zusammen?«

Okay, etwas lief hier richtig falsch.

»Natürlich sind wir zusammen.«

Marc blinzelte und sah mich an, als müsste ich noch was sagen. Falls ja, hatte ich keine Ahnung, was das sein sollte. »Also gehst du auch?«, setzte er erneut an. »Nach New York?«

Was hatte hier heute jeder mit New York?

Hatte ich irgendeinen neuen Trend verpasst?

»Warum sollte irgendjemand dorthin wollen? Hast du die Müllberge gesehen, die sich da an den Straßen stapeln? Oder diese Dichte an Wolkenkratzern, die sich anfühlt, als würde sie dich zerquetschen? Und die Hektik? Alle dort rennen immerzu. Ernsthaft, es ist die überbewerteste Stadt der Welt.«

»Mein Fall ist sie auch nicht. Ich mag es lieber gemütlich wie hier.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich hatte ein halbes Jahr lang eine Fernbeziehung, ist scheiße. Wir hätten es damals direkt beenden sollen, als sie an die Uni ging. Es ist besser, einen echten Schlussstrich zu ziehen, statt es ewig hinauszuzögern.« Der plötzliche Themenwechsel war ähnlich sonderbar wie dieses ganze Gespräch. Marc stoppte sich selbst. »Sorry«, sagte er und ich dachte, er meinte diese Einblicke in seine Ex-Beziehung, die aus dem Nichts gekommen waren. »Bei euch wird es sicher anders«, setzte er stattdessen hinzu und mühte sich ein krampfhaftes Lächeln ab, das mich wohl beruhigen sollte.

Tat es nicht.

Wieso glaubte er, dass James und ich bald eine Fernbeziehung führen würden?

Was war mit New York …?

»Lass uns gehen!« Plötzlich war James da und zerrte an mir. Dieser Moment fühlte sich an wie ein gigantischer Faustschlag mitten in meinen Magen.

Weil ich keinen Grund fand, weshalb er versuchte, mich von der Party zu zerren.

Weshalb Olive und Marc beide New York erwähnt hatten.

Ein zweiter Faustschlag schien mitten in meiner Brust einzuschlagen, während Taylor Swift davon sang, dass sie ihre große Liebe mit Papierringen heiraten würde.

»Sag, dass das nicht wahr ist.«

Ich brauchte eine Erklärung.

Jetzt.

Eigentlich war ich nicht gläubig, aber nun betete ich, dass er eine für mich hatte.

Eine gute.

Seine nussbraunen Augen weiteten sich entsetzt und darin fand ich die Antwort, die nicht über seine Lippen kam.

Sie fühlte sich an, als würde ich unter eisiges Wasser gedrückt werden, bis ich nicht mehr wusste, wo unten und oben war.

Wie konnte er mich so hintergehen?

Ausgerechnet James?

Plötzlich waren mir all die Menschen zu viel.

Ich riss mich von ihm los und quetschte mich durch die Gruppen hindurch. Über die Musik hinweg hörte ich James meinen Namen rufen. Ich erhöhte das Tempo, hastete in Richtung Ausgang. Erst als ich die Winterkühle spürte, registrierte ich, dass ich vergessen hatte, meine Jacke zu holen. Sie würde wohl dortbleiben. Keinesfalls setzte ich noch mal einen Fuß in das Gebäude. Stattdessen ging ich die leere Straße entlang, vorbei an den geparkten Autos, und ließ den Lärm der Feiernden zurück.

James würde gehen.

Er würde einfach gehen.

Wie konnte er nur?

Meine Brust schmerzte unter der Anstrengung zu atmen. Ich zitterte, aber Schuld daran trug nicht die Winternacht, sondern diese eisige Kälte in mir. Sie schien mir geradewegs aus den Knochen zu kriechen und war so schneidend wie unzählige Klingen, die mich von innen heraus schnitten. Nur eine Stelle meines Körpers war immun gegen diese Eiseskälte. Die hinter meinen Augen, denn dort brannte es. Mir blieb nicht mehr lange, bis ich zusammenbrechen würde.

Ich ging schneller, um so viel Abstand zwischen mich und die Menschen zu bringen wie möglich – und das galt ganz besonders für diesen einen. Doch der rief meinen Namen erneut.

»Lass uns reden!« Nur einen Augenblick später tauchte James auch schon neben mir auf, aber dieses Mal unternahm er keine Anstalten, mich zu berühren. »Ich wollte es dir sagen …«

»Wolltest du das?« Meine Stimme überschlug sich. »Hör auf, mich zu verarschen!« Erst jetzt bemerkte ich, dass ich stehen geblieben war, und setzte mich erneut in Bewegung. James blieb an meiner Seite.

»Ich hatte Angst, dass du es nicht verstehst.«

»Dass ich nicht verstehe, dass du mich die ganze Zeit belogen hast? Während ich Pläne für uns gemacht habe, hast du Packlisten für fucking New York erstellt?«

»So war das nicht!« Nun griff er doch nach meiner Hand, die ich ihm sofort wieder entzog.

»Nein? Wie dann? Warum bewirbst du dich hinter meinem Rücken? Und weshalb erfahre ich davon auf einer beschissenen Party von jemandem, dessen Nachnamen ich nicht mal kenne?«

James schwieg, genau wie gedacht.

Ein Pfeifen drang durch die Nacht und im nächsten Augenblick brachen rote Sprenkel die Dunkelheit über uns auf.

Großartig.

»Happy New Year«, stieß ich mit bebender Stimme aus und drehte mich um, weg von James. »Und jetzt verpiss dich.«

Januar

Nicht eine Minute hatte ich geschlafen, stattdessen hatte ich im Bett gelegen und die unaufhörlich eingehenden Nachrichten von James gelesen.

Nachrichten, in denen er mir immer wieder schrieb, dass er mich liebte und dass es ihm leid tat. Nur entschuldigte er sich für die falschen Dinge.

Dafür, dass er mir nichts von seiner Bewerbung erzählt hatte.

Dass er mir die Zusage verschwiegen hatte.

Dass ich es so hatte erfahren müssen.

Ich wollte aber von ihm hören, dass er die Bewerbung bereute.

Dass es die schlechteste Idee der Welt gewesen war.

Und allen voran, dass er nicht nach New York ging.

Doch die Worte, die ich so dringend brauchte, schrieb er mir nicht. Und deshalb starrte ich seit Stunden aufs Handy, in der Hoffnung, dass endlich die Erlösung kam. Alles, was ich tun konnte, war atmen. Ein. Und aus. Immer weiter, damit dieses unsichtbare Gewicht auf meiner Brust mich nicht unter sich zerquetschte.

Mittlerweile fiel Tageslicht ins Zimmer und mein Blick wanderte zu dem schwarzen Kreis, den ich vor ein paar Jahren über mein Comic-Regal gemalt hatte. Weg in eine andere Dimension