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Wenn das Herz die Regie übernimmt … Fizzy Chen glaubt, alles über die Liebe zu wissen. Doch dann wird der Romance-Bestsellerautorin klar: Sie hat das, worüber sie schreibt, nie selbst erlebt. Plötzlich fühlt sich ihr ganzes Leben wie eine Lüge an, und sie lässt sich auf ein ungewöhnliches Abenteuer ein: eine Dating-Show, in der sich die Königin der Romance verliebt – vor laufender Kamera. Als "The True Love Experiment" beginnt, lernt Fizzy den mürrischen Produzenten Connor Prince kennen, einem angesehenen Dokumentarfilmer, und bald stellt sich die Frage, ob sie ihren Mr Right tatsächlich vor der Kamera finden wird ... Nach »The Unhoneymooners« und »The Soulmate Equation« die neue Feelgood-RomCom von Christina Lauren. »Pure, unwiderstehliche Magie von Anfang bis Ende!« EMILY HENRY »Witzig und sehr lustig. Die perfekte Rom-Com zum Wohlfühlen« HELEN HOANG »Das reinste Lesevergnügen!« SALLY THORNE »Christina Lauren ist meine Lieblingsautorin.« BETH O'LEARY »Was für ein fröhliches, warmes, berührendes Buch! Das ist das Buch, das man lesen muss, wenn man so sehr lächeln möchte, dass einem das Gesicht wehtut« JASMINE GUILLORY »The True Love Experiment ist mein Lieblingsbuch: heiß und intensiv, aber dennoch das beste Comfort Food. Die göttliche Christina Lauren hat die ultimative Reality-Dating-Show geschaffen, und in Fizzy muss man sich einfach verlieben.« - JODI PICOULT
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Übersetzung aus dem Amerikanischen von Heidi Lichtblau
© Christina Hobbs und Lauren 2023
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
»The True Love Experiment«, Gallery Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., New York 2023
© everlove, ein Imprint der Piper Verlag GmbH, München 2024
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Covergestaltung: FAVORITBUERO, München, nach einem Entwurf von Hannah Wood – LBBG
Coverillustration: Lisa Brewster and Deposit photos
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Cover & Impressum
Widmung
PROLOG
Fizzy
1. KAPITEL
Fizzy
Ungefähr ein Jahr darauf
2. KAPITEL
Connor
3. KAPITEL
Connor
4. KAPITEL
Fizzy
5. KAPITEL
Connor
6. KAPITEL
Fizzy
7. KAPITEL
Connor
8. KAPITEL
Fizzy
9. Kapitel
Connor
10. Kapitel
Fizzy
11. Kapitel
Fizzy
12. Kapitel
Connor
13. Kapitel
Fizzy
14. Kapitel
Connor
15. Kapitel
Fizzy
16. Kapitel
Connor
17. Kapitel
Fizzy
18. Kapitel
Connor
19. Kapitel
Fizzy
20. Kapitel
Connor
21. Kapitel
Fizzy
22. Kapitel
Connor
23. Kapitel
Fizzy
24. Kapitel
Connor
25. Kapitel
Episode 1: Interview-Transkript
26. Kapitel
Fizzy
27. Kapitel
Fizzy
28. Kapitel
Connor
29. Kapitel
Fizzy
30. Kapitel
Episode 2: Interview-Transkript
31. Kapitel
Connor
32. Kapitel
Connor
33. Kapitel
Fizzy
34. Kapitel
Connor
35. Kapitel
Fizzy
36. Kapitel
Fizzy
37. Kapitel
Connor
38. Kapitel
Fizzy
39. Kapitel
Connor
40. Kapitel
Connor
41. Kapitel
Fizzy
42. Kapitel
Fizzy
43. Kapitel
Connor
44. Kapitel
Fizzy
45. Kapitel
Connor
46. Kapitel
Fizzy
47. Kapitel
Connor
48. Kapitel
Fizzy
49. Kapitel
Fizzy
50. Kapitel
Fizzy
51. Kapitel
Interview-Transkript nach dem Finale
Danksagung
Inhaltsübersicht
Cover
Textanfang
Impressum
Dieses Buch ist ein offener Liebesbrief an unser Genre,
und voller Romantik!
Gewidmet ist es Jennifer Yuen, Patty Lai, Eileen Ho,
Kayla Lee und Sandria Wong.
Von jeder von euch steckt etwas mit drin.
Wir sind so dankbar, dass ihr euch uns anvertraut habt,
und hoffen, wir machen euch stolz.
»Ich bin das erste von drei Kindern, vergleiche mich zum Spaß aber öfters mal gerne mit dem ersten Pfannkuchen.« Im Publikum bricht Gelächter aus, und ich lächle. »Versteht ihr, was ich meine? Nicht ganz perfekt in der Form, nicht ganz durch, aber trotzdem lecker?«
Das Gelächter wird lauter, aber ein paar anzügliche Pfiffe mischen sich darunter. Mir geht der Doppelsinn meiner Worte auf, und ich pruste los.
»Seht ihr, dabei war das nicht mal zweideutig gemeint! Da versuche ich, einen professionellen Auftritt hinzulegen, und bin trotzdem noch das wandelnde Chaos.« Ich spähe über meine Schulter und grinse Dr. Leila Nguyen zu, der Prorektorin des Revelle College der UC San Diego, die meine Professorin für Creative Writing war. »Das hat man davon, wenn man eine Liebesroman-Autorin die Eröffnungsrede halten lässt.«
Neben Dr. Nguyen sitzt noch jemand, der sich nur mühsam ein Grinsen verkneifen kann. Dr. River Peña – ein enger Freund, ein absolutes Genie und vermutlich ein Vampir – ist heute ebenfalls Ehrengast. Wahrscheinlich wird ihm ein weiterer Ehrentitel verliehen, sexy Wunderkind, das er nun mal ist. Er passt wunderbar hierher: gestärkter Kragen, eine perfekt gebügelte Anzughose, die unter dem Saum seiner vollen Doktormontur hervorlugt, glänzende Halbschuhe und dazu eine gestrenge Ausstrahlung, die ich grundsätzlich nicht hinbekomme. Ich sehe, wie seine Augen unter den dichten Wimpern amüsiert funkeln.
Als man mich eingeladen hat, auf dieser Feier die Rede zu halten, hat River sofort einen Zwanzig-Dollar-Schein auf den Tisch geknallt und erklärt: »Das wird komplett in die Hose gehen, Fizzy. Jede Wette. Überzeug mich vom Gegenteil!«
Ich bin mir sicher, dass er und meine beste Freundin Jess – seine Frau – erwartet haben, dass ich auf der Bühne Die Vagina-Monologe vortrage oder vor versammelter Mannschaft ein Kondom über eine Banane ziehe und alle daran erinnere, wie wichtig Safer Sex ist. Aber mal im Ernst, ich kann durchaus die zugeknöpfte Literatin spielen, wenn es die Situation erfordert.
Zumindest dachte ich, dass ich über den ersten Satz hinauskomme, ehe mir etwas Zweideutiges rausrutscht – in diesem Fall war der Gag nicht mal beabsichtigt!
Ich drehe mich wieder zu dem Meer der in schwarze, blaue und gelbe Gewänder gehüllten Absolventen um, das sich über das Sportfeld erstreckt, und spüre stellvertretend die atemlose Vorfreude dieser jungen Menschen, die jetzt in ihr Leben aufbrechen. Vor ihnen liegen so viele Möglichkeiten. So viel Stress wegen ihrer Studienkredite. Aber auch so viel toller Sex.
»Meine kleine Schwester ist Neurochirurgin«, erzähle ich ihnen. »Und mein kleiner Bruder? Der ist der jüngste Partner in der Geschichte seines Unternehmens. Einer meiner besten Freunde, der gleich hinter mir sitzt, ist ein weltberühmter Genetiker.« Wohlwollender Applaus für den IT-Boy der Biotechnologie ertönt, und sobald er verebbt, hole ich zum finalen Schlag aus. »Aber wisst ihr was? Trotz all ihrer Errungenschaften haben sie nie ein Buch mit dem Titel Cloaked Lust geschrieben, ich würde also sagen, der Punkt geht ganz klar an mich.«
Das Publikum johlt, und ich fahre lächelnd fort. »Also, hört zu. Eine solche Rede halten zu dürfen, das ist schon eine große Ehre. Und die meisten Leute, die man darum bäte, würden euch angehenden Superstars wahrscheinlich eine Liste mit Ratschlägen geben, wie ihr euren Platz in dieser sich ständig wandelnden Gesellschaft finden könnt, oder euch dazu ermutigen, euren Einfluss zu vergrößern, indem ihr euren CO2-Fußabdruck reduziert. Sie würden sagen, dass ihr hinausgehen und die Welt verändern sollt, und na klar – macht das! Ich unterstütze solche Ambitionen. Weltbürger: Gut. Klimaterrorist: Schlecht. Aber Dr. Nguyen hat schließlich keine inspirierende Klimaforscherin oder eine charismatische und halbwegs neutrale Politikerin eingeladen. Sondern mich, Felicity Chen, Autorin von Büchern voller Liebe, Verantwortungsbewusstsein und Sex-Positivity. Wenn ich ehrlich sein soll, ist der einzige Tipp, den ich euch in Sachen Nachhaltigkeit geben kann, der, eure örtliche Bücherei zu unterstützen.« Wieder ertönt gedämpftes Gelächter. »Ansonsten ist mir nur wichtig – am allerwichtigsten sogar –, dass ihr alle gegen Ende dieses verrückten Ritts auf euer Leben zurückschauen und sagen könnt, dass ihr glücklich wart.«
Es ist ein perfekter Tag, Sonnenschein, blauer Himmel. Am Rande des Feldes biegen sich die Eukalyptusbäume im Wind, und wenn man im richtigen Moment ein wenig von der warmen Brise einatmet, die hier in San Diego weht, dann kann man den Ozean riechen, der keine anderthalb Kilometer entfernt liegt. Trotzdem zieht sich mir bei dem Gedanken an die Richtung, die meine Rede gleich nimmt, der Magen zusammen. Ich habe den Großteil meines Erwachsenenlebens damit verbracht, meinen Beruf zu verteidigen, was ich hier auf der Bühne aber definitiv nicht vorhabe. Hier stehe ich mit meinem eigenen Barett und in meinem eigenen Talar und halte eine Rede in der Hand, die ich eigenhändig getippt und ausgedruckt habe, damit ich beim Improvisieren keinen Mist baue und doch einen Peniswitz nach dem anderen reiße, so wie River es von mir erwartet. Ich will, dass die Studierenden hören, wie ernst ich es meine.
»Ich würde euch raten, euer Leben zu leben, als wäre es ein Liebesroman.« Als ein paar Absolventen zu kichern anfangen, hebe ich die Hand. Andererseits kann ich ihnen nicht verübeln, dass sie meine Worte für einen Scherz halten. »Hört zu.«
Ich lege eine Kunstpause ein und warte darauf, dass sich ihr Gelächter legt und ihre Neugier die Oberhand gewinnt.
»In der Welt von Liebesromanen geht es nicht nur darum, sich wahllos die Kleider vom Leib zu reißen. Natürlich auch, und daran ist ja nichts auszusetzen, aber am Ende geht es dabei nicht um Fantasien von Reichtum, Schönheit oder Fesselspielchen.« Erneutes Gelächter, aber jetzt habe ich ihre Aufmerksamkeit. »Es geht darum, schönen Geschichten mehr Raum zu geben als schmerzvollen. Darum, euch selbst als die Hauptfigur eines sehr interessanten, vielleicht aber auch sehr ruhigen Lebens zu betrachten, das ganz in eurer Hand liegt. Ihr Lieben, es geht schlichtweg um Bedeutung.«
Wie einstudiert, lege ich eine weitere Pause ein. All diese Babys sind im langen Schatten des Patriarchats großgezogen worden, und ich betrachte es als meine persönliche Lebensaufgabe, es mit dem sprichwörtlichen Hammer zu zerschlagen. Also gebe ich ihnen ein bisschen Zeit, die Erkenntnis, dass wir alle Bedeutung verdienen, sacken zu lassen.
Allerdings dauert die Pause länger als geplant. Ich habe nämlich nicht erwartet, dass meine eigene These mich wie ein Vorschlaghammer treffen würde. Ich habe mein gesamtes Erwachsenenleben tatsächlich so gestaltet, als wäre es ein Liebesroman. Habe kein Abenteuer und keine Herausforderung ausgelassen, war immer offen für die Liebe. Ich liebe Sex, unterstütze die Frauen in meinem Leben und denke aktiv darüber nach, wie ich die Welt um mich herum zu einem besseren Ort machen kann. Bin umgeben von meiner Familie und engen Freunden. Aber meine eigene Bedeutung findet eher in der Rolle des Sidekicks statt, der der besten Freundin, der hingebungsvollen Tochter oder der des unvergesslichen One-Night-Stands. Aber im Kern meiner Story, da, wo es um die Essenz meiner Story geht – dem romantischen Plot, Liebe und Glück inklusive –, klafft einfach nur eine Lücke. Ich habe die Nase voll von ersten Dates und bin plötzlich so erschöpft, dass ich mich am liebsten gleich hier auf die Bühne legen würde.
In genau diesem Moment wird mir klar, dass ich tatsächlich meine Freude verloren habe.
Ich blicke in das Meer aus Gesichtern, hinein in die vielen großen, aufmerksamen Augen, und würde am liebsten das Schlimmste zugeben: Ich bin nie über das erste Kapitel meiner eigenen Geschichte hinausgekommen. Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, wirklich bedeutsam zu sein.
Wie kann ich diesen gerade erwachsen gewordenen Zuhörern sagen, dass sie optimistisch in die Welt hinausgehen sollen, weil alles gut werden wird? Wenn uns die Welt doch scheinbar einfach nur fertigmachen will? Ich kann mich nicht mal daran erinnern, wann ich das letzte Mal richtig glücklich war. Alles, was ich ihnen sage – jedes einzelne hoffnungsvolle Wort in dieser Rede –, kommt mir vor wie eine Lüge.
Irgendwie gelingt es mir trotzdem, wieder einen auf strahlende Fizzy zu machen und den Kids mitzuteilen, dass das Beste, was sie für ihre Zukunft tun können, darin besteht, sich das richtige soziale Umfeld auszusuchen. Wenn sie optimistisch in die Zukunft blicken, wird alles gut. Wenn sie sich anstrengen und die Höhen und Tiefen im Leben zulassen, wenn sie sich gestatten, sich den wichtigen Menschen gegenüber verletzlich und ehrlich zu zeigen und geliebt zu werden, dann wird wirklich alles gut.
Als ich das Rednerpult verlasse und mich neben River setze, drückt er mir etwas in die Hand. »Gut gemacht!«
Ich starre auf den Zwanzig-Dollar-Schein und gebe ihn River dann diskret zurück. Weil uns immer noch Tausende von Menschen ansehen, setze ich ein strahlendes Lächeln auf und flüstere: »Und was, wenn das alles Bullshit ist?«
»Solltest du wegen des heißen Barkeepers nicht gerade in einen Tagtraum versunken sein, gibt es keine Entschuldigung dafür, dass du nicht auf meine Worte eben reagiert hast.«
Ich blinzle über den Tisch hinweg zu meiner besten Freundin Jess und merke, dass ich mich gerade um ein Haar selbst hypnotisiert hätte, indem ich die Olive wieder und wieder in meinem Martiniglas habe kreisen lassen.
»Shit, sorry. Bin gerade gedanklich abgedriftet. Sag’s noch mal.«
»Nein.« Sie hebt ihr Weinglas. »Jetzt musst du raten.«
»Wahrscheinlich geht’s um eure Pläne für eure Costa-Rica-Reise?«
Sie nickt und nimmt einen Schluck.
Ich schaue sie an. Jess und ihr Mann, der bereits erwähnte River Peña, scheinen dauerhaft durch einen vibrierenden, sexy Laserstrahl verbunden zu sein. Die Antwort liegt also auf der Hand.
»Ihr werdet auf jeder ebenen Fläche des Hotelzimmers Sex haben.«
»Das sowieso.«
»Ihr … macht ein Wettrennen mit Wildkatzen?«
Jess, die gerade das Weinglas an die Lippen führen wollte, hält mitten in der Bewegung inne. »Interessant, dass das deine zweite Vermutung ist. Nein.«
»Ein Picknick in einem Baumhaus?«
Sie sieht mich entsetzt an. »Zusammen mit riesigen, fetten Spinnen? Auf keinen Fall.«
»Ihr surft auf dem Rücken von Schildkröten?«
»Das ist doch total unethisch.«
Ich bin am Ende meiner Weisheit. »Okay. Dann komme ich nicht drauf.«
Sie mustert mich einen Moment, ehe sie antwortet. »Faultiere. Wir fahren in ein Faultierschutzgebiet.«
Ich keuche vor Neid auf und will gerade meine letzten Energiereserven mobilisieren, um ihr zu versichern, wie fantastisch ihre Reise wird, als Jess über den Tisch greift und ihre Hand auf meine legt.
»Fizzy.«
Ich sehe auf mein halb leeres Martiniglas hinab, um ihrem besorgten Blick auszuweichen. Jess’ mütterliches Gesicht hat etwas an sich, das mich sofort dazu bringt, ihr eine handgeschriebene Entschuldigung überreichen zu wollen, ganz egal, wobei ich gerade ertappt wurde.
»Jessica«, murmle ich.
»Was ist los?«
»Wie meinst du das?« Dabei weiß ich es genau.
»Dieser ganze Vibe.« Mit ihrer freien Hand hebt sie ihr Weinglas. »Du hast nicht mal einen Witz über kleine Schrumpfpenisse gemacht.« Sie deutet auf das Etikett, auf dem seltsam geformte Weintrauben abgebildet sind.
Ich ziehe eine Grimasse. Die Steilvorlage habe ich nicht mal bemerkt. »Okay, du hast recht, den hätte ich mir echt nicht entgehen lassen dürfen.«
»Und der Barkeeper lässt dich seit unserer Ankunft nicht aus den Augen, und du hast ihm deine Kontaktdaten noch immer nicht per Airdrop geschickt.«
Ich zucke mit den Schultern. »Er hat sich Schlitze in die Augenbraue rasiert.«
Sie sieht mich schockiert an und flüstert dann dramatisch: »Bist du etwa …?«
»Pingelig?«, vollende ich ihre Frage.
Ihr Lächeln mildert ihren besorgten Gesichtsausdruck ab. »Da ist sie ja wieder, meine Fizzy.« Sie drückt noch mal meine Hand und lehnt sich dann zurück. »Hattest du einen anstrengenden Tag?«
»Ich habe nur viel nachgedacht. Oder besser zerdacht.«
»Du warst also heute bei Kim, oder?«
Kim ist meine Therapeutin. Ich gehe seit zehn Monaten zu ihr und hoffe, dass sie meine Schreib- und Datingblockade lösen kann. Sie soll mich dabei unterstützen, dass ich mich wieder wie ich selbst fühle. Kim hört sich all meine Ängste über Liebe, Dating und Inspiration an, weil ich wirklich nicht das gesamte Paket Jess (immerhin sind sie und River frisch verheiratet), meiner Schwester Alice (die schwanger ist und mit ihrem gluckenhaften Ehemann genug zu tun hat) oder meiner Mutter (die sich schon viel zu viel über mein Liebesleben anhören musste und die deswegen nicht auch noch reif für eine Therapie werden soll) aufladen will.
Wenn ich in der Vergangenheit unzufrieden war, wusste ich, dass das Gefühl mit der Zeit wieder vergehen würde. Das Leben hat Höhen und Tiefen, und das Glück ist weder beständig noch selbstverständlich. Aber dieses Gefühl hält jetzt schon fast ein Jahr an. Ein Zynismus, der meine Sicht auf die Dinge prägt. Früher habe ich meine Zeit damit verbracht, Liebesromane zu schreiben, und war absolut zuversichtlich, dass auch meine eigene Lovestory auf der nächsten Seite beginnen würde. Aber was, wenn mich dieser Optimismus für immer verlassen hat? Wenn mir die Seiten ausgegangen sind?
»Ja, ich war bei Kim«, sage ich. »Und sie hat mir Hausaufgaben aufgegeben.«
Ich ziehe ein kleines Moleskine-Notizbuch aus meiner Tasche und wedle unmotiviert damit herum. Jahrelang waren diese farbenfrohen Büchlein meine ständigen Begleiter. Ich habe sie überallhin mitgenommen, Plotideen notiert, lustige Gesprächsfetzen oder Bilder, die in völlig willkürlichen Momenten in meinem Kopf auftauchten. Ich habe die Bücher meine Ideenhefte genannt und locker hundert Mal pro Tag irgendwas reingeschrieben.
Diese Notizen waren meine Inspirationsquelle. Nachdem der romantisch veranlagte Teil meines Gehirns während der Rede vor Tausenden von Collegeabsolventen eine quietschende Vollbremsung hingelegt hatte, habe ich so ein kleines Buch noch ein paar Monate lang mit mir herumgetragen und gehofft, dass die Inspiration zurückkommen würde. Irgendwann aber stresste mich allein der Anblick dieses besagten Buches in meiner Tasche und ich ließ die Bücher in meinem Büro liegen, wo sie seitdem, genau wie mein Laptop und der Bildschirm, ziemlich viel Staub angesammelt haben.
»Kim hat gesagt, ich soll wieder Notizbücher mitnehmen«, verrate ich Jess. »Dass ich bereit bin, mir selbst ein bisschen Druck zu machen, und dass es schon helfen würde, wenn ich auch nur einen einzigen Satz reinschreibe oder was Kleines reinzeichne.«
Jess braucht einen Moment, um diese Information zu verdauen. »Ich wusste ja, dass du gerade eine … Flaute hast«, sagt sie dann. »Aber mir war nicht bewusst, dass es so schlimm ist.«
»Es ist ja nicht auf einen Schlag passiert. Eine Zeit lang habe ich schon noch geschrieben, aber das hat nicht viel getaugt. Dann habe ich mir Sorgen darüber gemacht, ob es nicht vielleicht sogar richtig schlecht ist und mir mein Funke abhandengekommen ist. Und zwar, weil ich nicht mehr an die große Liebe glaube.« Ihre Miene verfinstert sich, und ich rede einfach weiter. »Und es ist auch nicht so, als wäre ich eines Morgens aufgewacht und hätte plötzlich gedacht: Die Sache mit der Liebe ist nichts als eine dicke, fette Lüge.« Ich spieße die Olive in meinem Drink mit dem Zahnstocher auf und deute damit auf Jess. »Immerhin seid ihr ja der beste Beweis dafür, dass das nicht stimmt. Aber an welchem Punkt sollte ich mir endlich eingestehen, dass mein Liebesleben vielleicht nicht so aussehen wird, wie ich es mir gewünscht habe?«
»Fizz …«
»Ich glaube, ich hab’s einfach nicht mehr drauf.«
»Was? Das ist …« Sie blinzelt, aber ihr fällt kein gutes Argument ein.
»Es ist die klassische Frage: Was war zuerst da, das Ei oder die Henne? Hat die Schreibblockade meine romantische Ader gekillt oder der Verlust meiner romantischen Ader meine Kreativität?«
»Puh, ich sehe nur noch geschwollene Adern vor mir«, sagt Jess in anzüglichem Tonfall.
»Schön wär’s. Wenn man erst mal so lange Single ist wie ich, zweifelt man sogar an der eigenen Beziehungsfähigkeit.«
»Es ist ja nicht so, als hättest du dich nach einer festen Beziehung gesehnt«, erinnert sie mich. »Felicity Chen betrachtet Dating ja eher als Extremsport.«
Ich deute wieder auf sie und spüre neue Energie in mir hochwallen. »Ja, genau! Genau das ist meine Befürchtung! Was, wenn die örtlichen Ressourcen einfach erschöpft sind?«
»Örtliche … Ressourcen?«
»Na ja, ich reiße doch gern den Witz, dass ich hier in San Diego County schon jeden Single gedatet habe, na, und versehentlich auch ein paar verheiratete Typen. Ich glaube, da ist was Wahres dran.«
Jess schnaubt in ihr Weinglas. »Echt jetzt?«
»Erinnerst du dich an Leon? Den Typen, den ich kennengelernt habe, als er mir auf dem Supermarktparkplatz griechischen Salat auf die Füße gekippt hat?«
Sie nickt und nimmt einen Schluck. »Der aus Santa Fe?«
»Und erinnerst du dich an Nathan, mit dem ich ein Blind Date hatte?«
Sie kneift die Augen zusammen. »Der Name sagt mir was, ja.«
»Das sind Brüder. Zwillinge. Sie sind gemeinsam hergezogen, um näher bei der Familie zu sein. Ich bin im Abstand von zwei Wochen mit beiden ausgegangen.«
Jess hält sich eine Hand vor den Mund, um ihr Lachen zu ersticken.
»Als Nathan das Restaurant betreten hat und zu mir an den Tisch gekommen ist, habe ich zu ihm gesagt, ›O Gott, was machst du denn hier?‹.«
Jetzt prustet Jess wirklich los. »Okay, aber das passiert ihm und Leon wahrscheinlich andauernd.«
»Klar, aber dann bin ich letzten Monat noch mit einem gewissen Hector ausgegangen.« Ich lege eine bedeutungsvolle Kunstpause ein. »Er ist der Cousin der Zwillinge, und sie sind auch seinetwegen hierhergezogen.«
Ich muss Jess zugestehen, dass ihr nächstes Lachen eher wie ein Aufstöhnen klingt. Früher haben wir uns über diesen Kram kaputtgelacht, und mir hat diese Art des Datings richtig Spaß gemacht. Fizzys Abenteuer im echten Leben waren eine unerschöpfliche Inspirationsquelle für mich – selbst wenn es ein Horrordate war, konnte ich es für eine witzige Szene in einem meiner Bücher verwenden, oder es hat mich zu einem Dialog inspiriert. Aber mittlerweile habe ich sechs Bücher angefangen, deren Handlung über die erste charmante Begegnung nicht hinauskommt. Auf dem Weg zum »Ich liebe dich« steht eine dicke, fette Straßensperre. Ein »Betreten-verboten«-Schild in meinem Gehirn. Langsam verstehe ich, warum. Denn wenn ich sehe, wie Jess jedes Mal vor Liebe zu strahlen beginnt, wenn River den Raum betritt, muss ich mir eingestehen, dass es mir beim Anblick eines Mannes noch nie so ergangen ist.
Und das macht es immer schwieriger, authentisch über Liebe zu schreiben.
Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich wirklich weiß, wie sich wahre Liebe anfühlt.
Jess’ Handy vibriert auf der Tischplatte.
»Ah, es ist Juno«, sagt sie und meint damit ihre zehnjährige Tochter, meine zweitbeste Freundin und eines der bezauberndsten kleinen Wesen, die mir je begegnet sind. Kids sind mir meistens ein Rätsel, aber irgendwie kommt mir Juno wie eine Erwachsene vor – wahrscheinlich, weil sie klüger ist als ich.
Ich bedeute Jess, dass sie den Anruf ruhig annehmen kann, und sehe währenddessen einem Mann am anderen Ende der Bar tief in die Augen. Er ist auf eine lässige und direkte Art unwiderstehlich: verwuscheltes Haar, das ihm fast bis in die hellen Augen hängt. Sein Blick ist durchdringend und sein Kinn so markant, dass er damit meine Klamotten aufschneiden könnte, während er meinen Körper mit Küssen bedeckt. Sein Jackett hat er über einen Stuhl geworfen, und sein Hemd spannt an seinen breiten Schultern und ist oben aufgeknöpft – er hat das mitgenommene Aussehen eines Mannes, der einen miesen Tag hatte, und sein ausgehungerter Blick verrät mir, dass er mich benutzen würde, um all das zu vergessen.
Männer, die mich so ansehen, waren früher meine liebste Beute. Genau genommen wäre die Fizzy von früher bereits auf dem Weg zu ihm. Die aktuelle ist dagegen entschieden unmotiviert. Ist mein inneres Hormonbarometer kaputt? Zum Test stelle ich mir vor, wie ich den heißen CEO von seinem Stuhl hochziehe und ihn am offenen Kragen in den Flur zerre.
Nichts.
Schau dir seinen Mund an! So voll! So … großspurig!
Immer noch nichts.
Ich reiße meinen Blick von ihm los und wende mich wieder Jess zu, die ihr Telefonat gerade beendet hat. »Alles okay?«
»Ich versuche nur, das Tanztraining mit dem Fußballtraining zu koordinieren«, sagt sie achselzuckend. »Ich würde es ja genauer erklären, aber dann würden wir beide nach zwei Sätzen einschlafen. Aber zurück zu Hector, dem Cousin von …«
»Ich habe mit keinem von ihnen geschlafen«, platzt es aus mir heraus. »Ich hatte seit einem Jahr keinen Sex mehr.«
Vor ein paar Tagen habe ich nachgerechnet. Was für ein komisches Gefühl, es laut auszusprechen!
Und es scheint auch sehr komisch zu sein, es zu hören, denn Jess sieht mich mit großen Augen. »Wow!«
»Hey, viele Leute haben ein Jahr lang keinen Sex«, protestiere ich. »Ist das wirklich so außergewöhnlich?«
»Willst du mich verarschen? In deinem Fall definitiv, Fizz.«
»Ich habe mir vor Kurzem mal einen Porno angeschaut, aber der hat mich fast kaltgelassen.« Ich sehe hinab in meinen Schoß. »Ich glaube, da unten stimmt was nicht.«
Jess’ Blick wird immer besorgter. »Fizz, Süße, ich …«
»Letzte Woche wollte ich schon in Flipflops joggen gehen, um mich daran zu erinnern, wie sich Sex anhört.« Jess runzelt die Stirn, und ich lenke sofort ab. »Die Antwort liegt natürlich auf der Hand. Es ist Zeit für einen kurzen Pony.«
Kurz scheint sie zu überlegen, ob sie mir das Ablenkungsmanöver durchgehen lassen soll, steigt zum Glück aber darauf ein. »Du weißt, wir haben die strikte und nicht verhandelbare Vereinbarung, dass es keinen Krisenpony gibt. Sorry. Hier sagt die beste Freundin eindeutig Nein.«
»Aber stell dir vor, wie jung ich aussehen würde. Ausgeflippt und zu allem bereit.«
»Nix da.«
Ich gebe einen gefrusteten Laut von mir und sehe seitlich auf den Fernseher, wo der vorangegangene Sportwettkampf beendet ist und die Schlagzeilen der Lokalnachrichten über den Bildschirm flimmern. Ich deute auf das Gerät. »Dein Mann ist im Fernsehen.«
Sie nimmt einen Schluck Wein und starrt den zweidimensionalen River an. »Das wird immer irgendwie weird sein.«
»Das mit dem Ehemann oder das mit dem Fernsehen?«
Sie lacht. »Das mit dem Fernsehen.«
Ich merke ihr an, dass die Ehe ihr ebenso natürlich vorkommt wie das Atmen. Das liegt daran, dass die Wissenschaft und vor allem Rivers eigene Erfindung – ein DNA-Test, der Paare anhand allerei komplizierter genetischer Muster und Persönlichkeitstests in Base, Silver, Gold, Platinum, Titanium und Diamond Matches einteilt –, ihnen mitgeteilt hat, dass sie so kompatibel sind, wie es nur irgend geht.
Und darauf bin ich ein wenig stolz. Jess wollte diesen Test – der DNADuo heißt – nämlich erst gar nicht machen, bis ich ihr eine frühe Version davon in die Hand gedrückt habe. Und wo sind jetzt bitte schön meine wohlverdienten Karmapunkte? River hat seine jahrzehntelange Forschung zu genetischen Mustern und romantischer Kompatibilität in eine App und das milliardenschwere Unternehmen GeneticAlly verwandelt. Mittlerweile ist GeneticAlly der absolute Liebling der Biotech- und der Online-Dating-Branche. Seit seiner Gründung ist das Unternehmen ständig in den Nachrichten.
Er kommt ein bisschen ins Schwafeln, wenn er in einen wissenschaftlichen Monolog darüber verfällt, aber seine Technologie hat tatsächlich die Art und Weise verändert, wie sich Menschen verlieben. Seit DNADuo vor drei Jahren auf den Markt gekommen ist, hat die App sogar Tinder bei den Userzahlen überholt.
Einige Experten gehen davon aus, dass die GeneticAlly-Aktie selbst die von Facebook überholen wird, weil die dazugehörige Social-Media-App – Paired – ebenfalls auf den Markt gekommen ist. Jeder kennt jemanden, der seinen Partner dank GeneticAlly gefunden hat.
Das alles ist großartig, aber für jemanden wie River, der seine Tage lieber vor einer Abzugshaube verbringt, als Investorenmeetings zu leiten oder Reportern Rede und Antwort zu stehen, war der ganze Trubel wahrscheinlich ziemlich anstrengend.
Doch die Abendnachrichten erinnern uns ja daran, dass GeneticAlly nicht länger Rivers Problem ist. Die Firma wurde übernommen.
»Wann wird der Deal also wirklich abgeschlossen?«, erkundige ich mich.
Den Blick immer noch auf den Bildschirm gerichtet, trinkt Jess einen weiteren Schluck Wein. »Angeblich Montagmorgen.«
Ich kann es mir nicht richtig vorstellen. Der Vorstand von GeneticAlly hat ein Angebot akzeptiert, und gerade werden alle möglichen Deals bezüglich irgendwelcher Nebenrechte gemacht, die ich nicht kapiere. Allerdings ist mir völlig klar, dass die beiden danach so steinreich sein werden, dass Jess heute definitiv unsere Drinks bezahlen sollte.
»Wie geht’s dir damit?«
Sie lacht. »Ich fühle mich komplett unvorbereitet auf das, was jetzt auf uns zukommt.«
Ich sehe sie forschend an, um diesen schlichten Satz richtig einzuordnen. Dann greife ich über den Tisch hinweg nach ihrer Hand. Auf ihrem rechten Handgelenk befindet sich die andere Hälfte meines im Suff entstandenen und falsch geschriebenen Fleetwood Mac Tattoos: Thunner only happens und wen it’s raining, der Spruch, der uns für immer verbinden wird.
»Ich hab dich lieb«, sage ich und bin jetzt ganz ernst. »Und ich kann dir gern dabei helfen, deine Geldberge schrumpfen zu lassen.«
»Mir würde ein kleiner Hügel schon reichen.«
»Zeit für größere Träume, Peña.«
Jess grinst mich an, und dann wird ihre Miene ernst. Sie drückt meine Hand. »Du weißt, dass die alte Fizzy zurückkommen wird, oder?«, fragt sie. »Ich glaube, du machst nur eine Übergangsphase durch, und es dauert eben, da durchzublicken.«
Wieder werfe ich dem zerzausten heißen Typen über die Bar hinweg einen Blick zu und versuche, irgendeine Gefühlsregung in mir auszumachen.
Nichts.
Ich blinzle die aufsteigenden Tränen weg und atme langsam aus. »Ich hoffe, du hast recht.«
In einem Podcast hat mal jemand behauptet, der perfekte Tag würde aus zehn Stunden Koffein und vier Stunden Alkohol bestehen. Was das Koffein betrifft, stimme ich ihm ja noch zu, aber das schale Bier vor mir fühlt sich eher wie flüssige Traurigkeit an als ein Entkommen. Passt irgendwie gut zu meinem heutigen Tag.
»Ein Abstecher zum Reality-TV könnte Spaß machen«, sagt mein Kumpel Ash abwesend und starrt auf den Bildschirm über der Bar, auf dem gerade ein Basketballspiel läuft. »Es ist ein bisschen so wie das, was du aktuell machst, nur heißer.«
»Ash.« Ich verziehe das Gesicht und reibe mir die Schläfen. »Ich mache eine Dokumentarserie über Meeressäuger.«
»Und Datingshows sind Dokumentarserien über Säuger an Land.« Er grinst über seinen eigenen Witz und nickt mir dann aufmunternd zu. »Hab ich recht?«
Ich stöhne auf, und dann richten wir unsere Aufmerksamkeit wieder schweigend auf die Warriors, die gerade die Clippers in die Pfanne hauen.
Mein Arbeitstag war wirklich der Horror. Da ich die Abgründe des Haifischbeckens namens Hollywood kenne, weiß ich, dass ich es mit der vergleichsweise kleinen Firma in San Diego – North Star Media, in der ich arbeite – gut getroffen habe. Klar, manchmal birgt ein Job in einem kleinen Unternehmen auch ein gewisses Frustpotenzial – begrenztes Budget, der Kampf um den Vertrieb und die simple Tatsache, dass es bis Los Angeles hundertzwanzig Meilen sind. Aber immerhin kann ich eigenständig an meinen Projekten arbeiten.
Zumindest bis heute, dem Tag, an dem mein Boss, Blaine Harrison Byron, der Mann, zu dessen Bürodeko ein riesiger mit Graffiti besprühter Betonklotz, eine lebensgroße nackte Frauenstatue und – seine neueste Errungenschaft – ein schimmernder Sattel gehören, mir mitgeteilt hat, dass seine Firma von einem sozialbewussten Programm auf Reality-TV umsteigt. Aber wie könnte ein Mann mit dem Namen Blaine Harrison Byron auch kein riesiger, arroganter Wichser sein?
(Okay, wenn man wie ich Connor Frederick Prince III heißt, sollte man sich wahrscheinlich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber ich habe ja auch nicht gerade aus einer Laune heraus die Leben sämtlicher Mitarbeiter auf den Kopf gestellt. Ich finde also schon, dass mir dieser Seitenhieb zusteht.)
»Komm, lass uns in Ruhe darüber reden«, meint Ash, als eine Werbespot über den Bildschirm flimmert. »Was genau hat dein Boss gesagt?«
Ich schließe die Augen und versuche, mich an den genauen Wortlaut zu erinnern. »Blaine hat gesagt, dass wir zu klein sind, um sozialbewusstes Fernsehen zu machen.«
»Das hat er laut ausgesprochen?«
»Jepp. Er hat gesagt, die Leute wollen sich nach einem harten Arbeitstag nicht hinsetzen und ein schlechtes Gewissen wegen des eingeschweißten Sandwiches gemacht bekommen, das sie zu Mittag gegessen haben. Oder wegen des vielen Wassers, das für die Erzeugung des Stroms verschwendet wird, den sie zum Laden ihres iPhones brauchen.«
Ash fällt die Kinnlade herunter. »Wow.«
»Er meint, ich soll mich an der weiblichen Demografie orientieren.« Ich nehme einen Schluck von meinem Bier, stelle es wieder ab und starre auf die Tischplatte. »Er hat gesagt, dass Bravo während der Primetime der meistgesehene Sender von Frauen zwischen achtzehn und neunundvierzig ist – was an ihren zwei beliebtesten Realityshows liegt. Und dass diese Zielgruppe das meiste Geld ausgibt. Es geht dem Vorstand also darum, ebenfalls solche Premium-Werbeeinnahmen zu bekommen. Einer meiner Kollegen, Trent, arbeitet schon an einem Mash-up von The Amazing Race und American Gladiators, das sie Smash Course nennen wollen. Und von mir wollen sie, dass ich eine Datingshow im Realityformat entwickle.«
»In der Frauen um irgendeinen eingeölten Muskelprotz kämpfen«, sagt Ash.
»Genau.«
»Oder halb nackte Z-ler in ein Haus gesperrt werden und versuchen, flachgelegt zu werden.«
»Ja, aber …«
»Oder heiße Frauen irgendeinen Nullachtfünfzehn-Kerl heiraten, den sie vor der Hochzeit noch nie gesehen haben.«
»Ash, so was mache ich auf gar keinen Fall!«
Er lacht. »Deine britischen Allüren kannst du dir sparen. Tu doch einfach so, als wärst du Amerikaner.«
Ash stellt sein Bier ab, und mir fällt auf, dass sein Hemd falsch zugeknöpft ist. Man kann sich darauf verlassen, dass Ashkan Maleki mindestens die Hälfte der Zeit entweder keine Krawatte trägt, ihm der Hosenstall offen steht oder dass er sich irgendeine andere Panne in der Art geleistet hat. Er ist liebenswert, aber ich habe keine Ahnung, wie er jeden Tag in einem Raum voller gnadenlos ehrlicher Sechsjähriger überlebt.
Ich habe Ash kennengelernt, als meine Tochter Stevie in die Schule kam und er ihre Klasse mitten im Schuljahr übernehmen musste. Es stellte sich heraus, dass wir dasselbe Fitnessstudio besuchten, wo wir uns immer wieder über den Weg liefen. Auch wenn wir uns auf Anhieb super verstanden haben, kam es mir anfangs so vor, als würde ich heimlich den Lehrer meiner Tochter daten. Als das Schuljahr zu Ende war und Stevie in die nächste Klasse aufrückte, blieb unsere Freundschaft bestehen.
»Jeder Job hat seine Schattenseiten. Da muss man durch.«
»Du liebst deinen Job als Lehrer!«, erwidere ich.
»Meistens. Die Kinder sind toll«, stellt er klar. »Aber die Eltern machen mich fertig.«
Ich werfe ihm einen gespielt bösen Blick zu.
Grinsend schiebt er sich eine Pommes in den Mund. »Na ja, Nat und du, ihr wart schon in Ordnung. Ab und zu hat Stevie ein paar Geschichten ausgeplaudert, aber nichts Schlimmes.« Er lehnt sich vor und senkt die Stimme. »Du kannst dir nicht vorstellen, was die Kids mir so erzählen. Ein paar Eltern sind einfach vollkommen durchgeknallt. Einmal haben Eltern mich körperlich bedroht, weil ihr Sohn den Buchstabierwettbewerb in der Schule verloren hat. Sie haben sich Sorgen um seine akademische Karriere gemacht.«
»Welche Karriere? Er war gerade mal sechs!«
»Das Wort, um das es ging, war Bredouille.«
»Wow, damit hätte ich ja jetzt noch Probleme!«
»Genau.«
Als die Leute um uns herum zu fluchen beginnen, richtet er seine Aufmerksamkeit wieder auf das Spiel im Fernsehen, und meine Bauchschmerzen wegen der Show kehren zurück.
Bei unserer Scheidung vor acht Jahren haben Natalia und ich uns auf ein gemeinsames Sorgerecht für unsere Tochter geeinigt. Das bedeutet, dass die mittlerweile zehnjährige Stevie unter der Woche bei ihrer Mom ist und an den Wochenenden und in den meisten Ferien bei mir. Normalerweise ist das kein Problem, aber wegen des desaströsen Treffens mit Blaine heute Abend habe ich mein Abholfenster verpasst. Irgendwann habe ich mal die mentale Rechnung gemacht, die man im Süden Kaliforniens so aufstellt:
(Tageszeit) X : (Bauarbeiten auf der Autobahn) Es ist Freitag
Also habe ich Nat Bescheid gegeben, dass ich heute Abend leider ausfalle. Nat musste Stevie daher zu ihren Besorgungen mitnehmen und ist nun deswegen für ein paar Stunden nicht zu Hause. Und somit ist nicht nur meine Karriere im Eimer, mir entgeht auch Zeit mit meinem Lieblingsmädchen.
Ratlos sehe ich mich in der Bar um, und mein Blick wandert zu den beiden Frauen zurück, die mir vorhin schon aufgefallen sind. Eine von ihnen kehrt mir den Rücken zu, aber die andere, mit der ich bereits Blickkontakt hatte, ist so umwerfend, dass ich immer wieder verstohlen zu ihr sehen muss. Sie ist zierlich und gertenschlank, und ihr tintenschwarzes Haar glänzt im Licht der Lampe, die über ihrem Tisch hängt. Sie trägt ein eng anliegendes schwarzes Kleid, hat die Beine übereinandergeschlagen, und ein dünner, spitzer Absatz ihres Schuhs ruht auf der Fußstütze ihres Barhockers. Alles an ihr schreit cool. Und ja, ich weiß, dass das für einen erwachsenen Mann eine merkwürdige Art ist, eine Frau zu beschreiben. Aber es stimmt einfach. Sie unterhält sich lebhaft mit ihrer Freundin und bringt diese immer wieder zum Lachen. Ich sollte aufhören, sie anzustarren, konzentriere mich aber lieber auf eine schöne Frau als auf meine Arbeit.
Wäre ich anders gestrickt, würde ich vielleicht zu ihr hinübergehen und herausfinden, ob wir uns später nicht irgendwo miteinander ablenken wollen. Aber Ash reißt mich aus meinen Tagträumen, denn als Reaktion auf etwas auf dem Bildschirm fummelt er an meinem Kragen herum.
»Was zum … Ash.«
»Hol ihn … Hol ihn dir!«, ruft er. Dann verfinstert sich seine Miene. »Neeeein!« Er sinkt in seinem Stuhl zusammen. »Ich habe gerade fünf Dollar verloren.« Er zieht sein Handy aus der Tasche.
»Fünf ganze amerikanische Dollar?« Ich grinse. »Pass bloß auf, dass du nicht spielsüchtig wirst.«
»Keine Ahnung, wie sie das macht, aber Ella ist echt ein Fuchs und gewinnt immer.«
»Ha, du hast gegen deine Frau verloren?«
Er blickt von seinem Handy auf, auf dem er gerade eine Nachricht eintippt. »Ich überlege, mit ihr einen Trip nach Vegas zu machen.«
»Macht das auf jeden Fall, bevor das Baby auf die Welt kommt – schwangere Frauen lieben verrauchte Casinos.«
Er ignoriert meinen Kommentar und lässt sein Handy auf den Tisch gleiten. »Also, zurück zu deiner Jobkrise, damit ich nach Hause gehen kann. Ich weiß, es wird dir als Gutmensch nicht schmecken, aber du wirst wohl in den sauren Apfel beißen und die Realityshow machen müssen, die sich dieser Blaine von dir wünscht. Dann verbringst du eben das restliche Jahr mit diesem Trash, und wenn du Erfolg hast, kannst du danach wirklich das machen, was du willst.« Ich will protestieren, aber er hebt die Hand. »Ich weiß, dass du das hasst. Und dass deine Arbeit dir was bedeutet. Dank dir habe ich seit zwei Jahren nicht ein Kaugummipapier auf den Boden geworfen und auch keine Plastikflaschen mehr benutzt. Und ich will sogar Stoffwindeln verwenden, Alter.«
»Ich scheine auf Partys ja eine echte Stimmungskanone zu sein.«
Ash stützt sein Kinn auf seine Hand. »Ich sage das, weil ich weiß, wie viel dir an deinen Prinzipien liegt. Du willst Dinge machen, die bedeutsam sind. Aber ich weiß auch, dass du diesen Job nicht verlieren darfst. Heute Abend hast du nur ein paar Stunden mit Stevie verpasst. Jetzt stell dir mal vor, wie das wäre, wenn du wieder nach L. A. zurückziehen müsstest.«
Ich blicke in mein Bierglas. Allein bei dem Gedanken daran dreht sich mir schon der Magen um. »Ich weiß.«
»Also, mach es, und komm drüber weg.«
»Ich glaube kaum, dass das so einfach ist.«
»Los geht’s. Wir sind doch zwei kluge Kerlchen. Pitch mal ein paar gute Ideen für die Show.«
Ich presse die Finger an meine Schläfen, um auf irgendeine Idee zu kommen, die richtig Kohle bringt. »Das ist ja eben das Problem. Ich habe keine. Und bin mir sicher, dass die Welt nicht noch mehr von diesem Quatsch braucht.«
»Okay, vielleicht braucht die Welt nicht noch mehr davon, will sie aber. Ella schaut sich jede einzelne dieser Sendungen an. Du musst einfach einen neuen Zugang zu diesem Format entwickeln.«
Ash sieht sich in der Bar um, und ich bemerke, dass an seinem Kragen noch das Schildchen von der Reinigung hängt. Ist er etwa den ganzen Tag so herumgelaufen?
Seufzend zupfe ich es von seinem Hemd ab.
»Huch!« Er mustert es noch mal, legt den Zettel dann auf den Tisch und sieht wieder auf den Bildschirm.
Das Spiel ist mittlerweile vorbei, und die abendlichen Nachrichten laufen. In der Bar ist es zu laut, um das Voiceover zu verstehen, aber die Schlagzeilen informieren mich darüber, dass GeneticAlly, die weltweit größte Dating-App, von Roche Pharmaceuticals aufgekauft worden ist.
»Ach du Scheiße!« Ash kneift die Augen zusammen, um etwas auf dem Bildschirm zu lesen. »Das ist ja absurd viel Geld!«
Auch mir ist die Kinnlade heruntergefallen. »Krass.« Dann fällt mir etwas ein, und ich sehe zu Ash. »GeneticAlly – haben Ella und du euch nicht auch darüber kennengelernt?«
Er nickt. »Wir sind ein Gold Match.«
Neben uns hat gerade ein Pärchen Platz genommen. Enttäuschung liegt in der Luft. Ein schlechtes erstes Date. Die verstohlenen Blicke, die sie einander zuwerfen, wenn sie denken, der andere sieht nicht hin. Oder eine versehentliche Berührung mit der Hand, auf die eine Flut von Entschuldigungen folgt, aber kein schüchternes Lächeln. Keinerlei sprühende Funken. Es mag vielleicht selbstgerecht von mir sein, aber theoretisch könnte ich direkt zu ihnen gehen und sagen, dass die Chemie zwischen ihnen einfach nicht stimmt und es nichts wird. Könnten wir das nicht alle? Ich kenne mich mit GeneticAlly nicht aus, aber ich weiß, dass das Unternehmen ein System entwickelt hat, das Menschen anhand ihrer DNA matcht. Dieses Pärchen würde von mir eine glatte Null kassieren.
Ich deute mit dem Kopf zu ihnen. »Glaubst du, die sind auch ein Gold Match?«
Er wirft einen Blick auf die beiden und beobachtet sie einen Moment lang. Dann führt er sein Glas zum Mund. »Nope.«
Als ich wieder zum Fernseher schaue, nimmt in meinem Hinterkopf eine vage Idee Gestalt an. Ich muss ein paar Telefonate führen. Vielleicht ist es doch gut, dass ich noch ein bisschen Zeit totschlagen muss.
Zwei Stunden später parke ich vor Natalias Haus. Es ist wunderschön – ich muss es wissen, immerhin haben wir den Kredit damals zusammen aufgenommen. Spanish Colonial Revival hat der Makler den Baustil genannt, mit Stuck an den Wänden, einem tiefgezogenen Pultdach und einem eingezäunten Vorgarten, den Nat zu Halloween immer richtig aufwendig schmückt. Aber da, wo früher ein Dreirad im Garten stand und mit Pastellkreide gemalte Tiere den Weg zierten, steht jetzt ein Fahrrad mit zehn Gängen, und eine Reihe eingetopfter Orchideen führt zur Haustür. Nach unserer Scheidung hat Natalia angefangen zu gärtnern. Sie ist genauso aufgeblüht wie die Orchideen.
Auf der Eingangstreppe wartet Stevies Labradoodle Baxter auf mich. Wir sind definitiv die Art von Eltern, die ihrem Kind zur Scheidung einen Trosthund geschenkt haben. Er bellt fröhlich, um mitzuteilen, dass ein Eindringling das Grundstück betreten hat, wedelt mit dem Schwanz und rollt sich auf den Rücken, um sich den Bauch kraulen zu lassen.
»All das Geld fürs Welpentraining, und du bist immer noch ein furchtbar schlechter Wachhund.« Ich bücke mich, um ihn zu tätscheln. »Wo stecken denn alle? Wo ist Stevie? Kannst du sie holen?«
Die Tür steht leicht offen. Baxter drückt sie mit der Schnauze auf und verschwindet nach oben.
»Hallo?«, rufe ich.
Drinnen ist es kühl und still. Stevies Hausaufgaben sind auf dem Couchtisch ausgebreitet, und ein Korb mit gefalteter Wäsche steht auf dem Sofa. Die Wände sind voller Fotos, ein paar von Natalia und Stevie, ein paar von mir. Wir haben Stevie an jedem ihrer Geburtstage am selben Ort und in derselben Haltung fotografiert, und wenn man die Bilder nebeneinander betrachtet, kommt es einem vor wie eine Zeitreise durch ihre Kindheit. Für eine Zehnjährige ist sie groß, eine echte Bohnenstange. Sie hat den olivfarbenen Teint und das dunkle Haar ihrer Mutter, dafür aber meine grünen Augen.
Auf der Treppe ertönt Fußgetrappel, und eine Sekunde später wirft sich jemand gegen mich und schlingt seine dürren Arme um meine Hüfte. Baxter ist direkt hinter ihr.
»Na endlich!«, murmelt Stevie in meinen Bauch hinein.
Ich drücke ihr einen Kuss aufs Haar. »Sorry, Boss. Das Meeting hat lang gedauert. Hattest du Spaß mit deiner Mom?«
Stevie wirft sich dramatisch aufs Sofa. »Wir sind überallhin gefahren. Zur Reinigung; und dann mussten wir bei der Post was für Abuelita abgeben, und dann hat Mom noch ihre Nägel machen lassen. Ich hab blöderweise mein Buch vergessen, also durfte ich auf Moms Handy Videos gucken, und wir haben chinesisches Essen bestellt.«
Sofort steigt das vertraute schlechte Gewissen in mir auf. »Es tut mir leid, Spatz.«
»Ist schon okay. Schau mal, ich hab mir auch die Nägel lackieren lassen!« Stolz zeigt sie mir ihre pinkfarben lackierten Fingernägel. Stevie entscheidet sich immer für Pink, wenn es irgend geht. »Und ich weiß ja, dass du in deinem Job superwichtig bist.«
Ich setze mich auf den Couchtisch und sehe sie an. »Ich musste mich um ein paar Dinge kümmern, die nicht bis Montag warten konnten.«
»War sicher megawichtig, ja«, sagt sie listig. »Du hast nämlich die besten Ideen und machst die besten Dokumentationen.«
Ich werde misstrauisch. Genau wie ihre Mutter ist Stevie eine Meisterin im Verhandeln. Das Problem ist nur, dass ich meist gar nicht weiß, dass wir uns in einer Verhandlung befinden, bis ich bereits etwas zugestimmt habe, ohne es zu merken. »Worum geht’s?«
»Ähm, um nichts! Du bist einfach voll cool, das ist alles.« Sie verstummt. »Upsi, fast vergessen.« Sie setzt sich auf, plötzlich auf magische Weise wieder voller Energie. »Wonderland kommen her!«
Wonderland, von denen Stevie derzeit völlig besessen ist, ist eine Popgruppe, die die Charts beherrscht und einen Preis nach dem anderen einfährt. Egal zu welchem Fest, ob Geburtstag, Weihnachten oder auch nur irgendeinem unbedeutenden Feiertag, der einen Korb oder Geschenke beinhaltet: Stevie hat sich jedes Mal Fanartikel von Wonderland gewünscht. Die Gesichter der Mitglieder sind auf so vielen ihrer T-Shirts abgedruckt, dass ich sie in irgendwelchen Menschenmengen mühelos erkennen könnte.
»Du meinst, sie geben hier ein Konzert?«
»Ja! Können wir hin? Bitte, bitte?« Sie greift nach meinen Händen und macht große Kulleraugen. »Es könnte ja mein Geburtstagsgeschenk sein!«
»Dein Geburtstag war im Januar. Jetzt ist Mai.«
»Hmmm«, sagt sie grübelnd. »Und wenn ich nur noch Einser schreibe?«
»Tust du doch eh schon.«
Ihre Miene sagt so was wie: Ja, eben.
Okay, ich bin ein Trottel.
Ich ziehe mein Handy hervor. »Na schön. Wo spielen sie?«
Sofort strahlt Stevie mich an. »Im Open Air!«
»Beruhig dich«, sage ich sanft. »Ich schaue nur nach. Hast du mit deiner Mom schon darüber gesprochen?«
»Jepp. Sie ist einverstanden, wenn du mit mir hingehst.«
»Natürlich ist sie das.« Als die Seite zu laden beginnt, füllt ein riesiger Banner den oberen Teil der Seite:
WONDERLAND: DIEVERBOTENE-SPIELE-TOUR.
»Puh. Der Titel wirft schon mal einige Fragen auf.«
Stevie verdreht die Augen. »Dad!«
Ich scrolle nach unten zu den Tourdaten und sehe neben San Diego ein leuchtend rotes AUSVERKAUFT prangen. Ich drehe den Bildschirm zu ihr, und sofort sinkt sie in sich zusammen.
»Sorry, Spatz. Vielleicht das nächste Mal? Außerdem beginnt das Konzert erst um zwanzig Uhr, und um halb neun schläfst du doch immer schon tief und fest.« Stevie zieht einen Flunsch, und ich beuge mich zu ihr, um ihr in die Augen zu sehen. »Wir schauen mal, ob es einen Stream gibt, und vielleicht können wir das Konzert dann zusammen anschauen.«
Sie ist enttäuscht, erholt sich aber rasch. »Können wir Tour-T-Shirts kaufen und Pizza bestellen?«
»Na klar. Und jetzt hol deine Sachen, damit wir loskönnen.«
Sie hüpft vom Sofa und stakst auf ihren langen, schlaksigen Beinen zur Treppe. Ich könnte schwören, dass sie größer ist als letzten Sonntag. Der Hund flitzt ihr hinterher.
»Wo ist denn nun eigentlich deine Mom?«, rufe ich ihr nach.
»Die war vorhin draußen. Insu baut im Garten eine Hütte, und sie schaut ihm zu.« Stevie wirft mir vom oberen Treppenabsatz aus einen Blick zu. »Er ist echt stark.«
»Ist mir schon aufgefallen.«
Insu ist Natalias Freund. Er ist sechsundzwanzig … so viel dazu. Wir haben ein paar Jahre gebraucht, um die Tücken des Co-Parenting nach einer Scheidung zu meistern, aber mittlerweile gehen wir noch respektvoller und aufmerksamer miteinander um als während unserer Ehe. Mitzubekommen, wie Natalia sich wieder verliebt, hat eine Last von mir genommen, die ich vorher gar nicht richtig wahrgenommen hatte. Dass diese Person sich wie ein Teenager benimmt (okay, ich übertreibe ein wenig, aber da ich hier der Single bin, darf ich das), macht mich richtig fröhlich – und damit hatte ich nicht gerechnet.
Jetzt sind Stevies Schritte über mir zu hören, dann wird es still, wahrscheinlich wirft sie gerade ihre Sachen in die Tasche. Ich schlendere durch das Wohnzimmer und muss erneut an mein Arbeitsdilemma denken. Ich könnte irgendein Hybrid aus umweltbewussten Inhalten und Reality-TV zusammenbasteln, aber wenn ich ehrlich bin, möchte ich meinen Kollegen vom Dokumentarfilm in diesem Setting nicht über den Weg laufen. Es hat Jahre gedauert, die Art von Glaubwürdigkeit aufzubauen, die ich jetzt habe, und ich befürchte, dass auch nur ein Adventure Race durch den Dschungel sie im Nu zerstören könnte. Außerdem wünscht sich Blaine etwas, das sexy und anzüglich ist, und so etwas hat mein aktuelles Repertoire leider wirklich nicht zu bieten.
Ich muss einfach über den Tellerrand schauen. Datingshows werden bis zum Abwinken produziert, also bräuchte ein neues Format das gewisse Etwas, das es von den anderen abhebt. Ich bin ein Amateur auf diesem gut erschlossenen Gebiet, aber je länger ich darüber nachdenke, desto besser gefällt mir die Idee, die mir kam, nachdem ich den TV-Beitrag über GeneticAlly gesehen hatte. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass es da etwas zu holen gibt, doch mir fehlt noch ein Puzzleteil …
Ich finde mich vor einem von Nats vielen Bücherregalen wieder. Stevie hat ihre Fangirl-Gene eindeutig von ihrer Mutter, aber während meine Tochter total auf Popstars abfährt, ist Natalia eine begeisterte Leserin von Liebesromanen. Bei näherem Hinsehen fällt mir auf, dass in dem Regal mehr als zwei Dutzend Titel derselben Autorin stehen. Ich ziehe einen davon heraus.
Ravenous on the High Seas von Felicity Chen. Auf dem Cover umarmen sich zwei wunderschöne Menschen an Deck eines Piratenschiffs. Es ist ein tolles Foto – mitreißend, erotisch, atmosphärisch –, und als ich das Buch aufschlage, entdecke ich eine noch detailliertere Version des Fotos. Ich lese mir den Klappentext durch: Ein verschwundener Erbe, eine Schwert schwingende Heldin, ein Land auf der Schwelle zum Krieg und ein versteckter Schatz, der alle retten könnte.
Als ich das Autorinnenfoto entdecke, erstarre ich. Es ist die umwerfende Frau aus der Bar!
Ich gehe zum PC, tippe das Passwort ein und gebe Felicity Chen in der Suchleiste ein. Sofort poppen jede Menge Ergebnisse auf dem Bildschirm auf. Interviews zur Veröffentlichung, Fanvideos, Social-Media-Accounts, Seiten von Buchhandlungen und die Homepage ihres Verlags. Ich klicke auf einen der aktuellen Treffer und stoße auf eine Rede, die Felicity Chen am UCSD Revelle College gehalten hat.
Als hinter mir Schritte auf dem Dielenboden zu hören sind, habe ich mir bereits die Rede und ein halbes Dutzend kurze Interviewclips angesehen, drei Rezensionen zu ihren Büchern gelesen und mich durch den Großteil ihrer Posts auf Instagram gescrollt. Felicity Chen ist lustig, charismatisch, klug und sehr publikumswirksam. Sie wäre perfekt fürs Fernsehen geeignet …
»Warum ist der Bildschirm voll mit Fotos meiner Lieblingsautorin?«, höre ich Natalia hinter mir misstrauisch fragen.
Ich drehe mich auf dem Stuhl zu meiner Ex um. »Was weißt du über sie?« Leider finden sich in Felicitys Biografie kaum Angaben zu ihrem Privatleben. Wikipedia hilft mir da auch nicht weiter. »Ist sie Single?«
»Wenn du ihr das Herz brichst und ich deswegen kein neues Buch mehr von ihr bekomme, muss ich dich leider umbringen.«
»Ich will nicht mit ihr ausgehen, Nat.«
»Willst du das überhaupt mit irgendjemandem? Du musst nicht wie ein Mönch leben, weißt du?«
»Jetzt geht das schon wieder los!«
»Die Sache mit Stevie, als sie zu dir und der Frau ins Zimmer …«
Ich stecke mir zwei Finger in den Mund und stoße einen scharfen Pfiff aus. »Gelbe Karte, Garcia!«
Nat prustet los. Sie weiß natürlich, dass ich richtig Panik habe, dass mir noch mal dasselbe passieren könnte wie damals, als die vierjährige Stevie ins Zimmer platzte – während ich gerade voll mit einer Frau zugange war, die ihre Füße auf meine Schultern gelegt hatte. Es war das erste und letzte Mal, dass ich Besuch hatte, während Stevie bei mir war. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich mich je davon erholen werde. Ich warte nur auf den Tag, an dem diese Erinnerung in Stevie wieder hochkommt und sie mir nie mehr in die Augen sehen kann.
»Sorry«, sagt Nat und klingt kein bisschen reuevoll. »Bring einfach ein Glöckchen an ihrer Tür an. Das wirkt Wunder.«
Ich deute auf den Bildschirm. »Können wir uns bitte konzentrieren?«
Ihr Blick wandert an mir vorbei zum Computer. »Ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass sie Single ist. In den letzten Interviews hat sie über Dates gesprochen. Warum?«
»Ich würde sie gerne für eine Show gewinnen.«
Nat zieht die Augenbrauen hoch. »Eine Doku über die Literaturgattung Liebesroman und Feminismus oder so?«
Ich lache. »Nein!«
»Und warum lachst du?«
Vorsicht, denke ich. Nat hat mich früher immer zusammengefaltet, wenn ich mich über die Bücher lustig gemacht habe, die sie las. Ich will nicht auf eine Mine treten, wenn ich ihre Hilfe brauche. »Sorry, nein, es kann nur sein, dass ich eine Datingshow entwickle.«
Sie macht große Augen. »Eine was? Was ist North Stars Markenzeichen? Von Sitcoms und Lifetime-Filmen bis hin zu Naturdokus, und jetzt Datingshows?«
»Es liegt an Blaine«, erkläre ich, und Natalia fragt nicht weiter. Blaine springt von einer Idee zur anderen, je nachdem, auf wen er gerade hört. Und gerade ist es – verständlicherweise – der Vorstand, der die Fäden in der Hand hält. Es kann gut sein, dass ich den Job damals nur bekommen habe, weil seine Ex-Frau was für Meeressäuger übrighatte.
»Es ist noch nichts in Stein gemeißelt, wir brainstormen nur ein bisschen.« Ich möchte nicht, dass sie sich jetzt auch noch den Kopf darüber zerbricht, also wechsle ich das Thema. »Wie geht’s Insu?«
»Wunderbar«, sagt sie und fläzt sich genauso aufs Sofa, wie es unsere Tochter tut. »Er hat für morgen zu unserem Einjährigen ein Date geplant. Wir gehen essen.«
»O cool, dann hat er also den Führerschein gemacht?«, frage ich grinsend. »Hach, die Kleinen werden so schnell groß.« Eigentlich mag ich Insu – er ist viel reifer, als ich es in seinem Alter war, er betet Natalia an, und Stevie mag ihn auch –, aber ich mache mich einfach gern über ihn lustig.
»Du weißt, dass er gerade mal sieben Jahre jünger ist als du?«
»Ja, und somit acht Jahre jünger als du. Ich hoffe, du sperrst den Schrank mit dem Alkohol immer gut ab.«
Das Kissen trifft mich in dem Moment am Kopf, als Stevie mit ihren Sachen nach unten kommt, Baxter und seine eigene Wochenendtasche im Schlepptau.
»Bist du bereit, Spatz?«
»Jepp. Ich hab dir den Link für die Tour-T-Shirts gemailt«, sagt Stevie. »Warte lieber nicht zu lange, sonst sind die am Ende noch ausverkauft.«
Ich greife erneut nach meinem Handy. »Aye aye, Sir.«
»Kann es sein, dass euer Gespräch was mit Wonderland zu tun hat?«, fragt Nat.
»Leider gibt’s keine Tickets mehr, aber wir kaufen ein Trostpflaster.«
Nat wirft mir über Stevies Kopf hinweg einen erleichterten Blick zu, als sie sie zum Abschied umarmt. Für einen kurzen Moment überkommt mich bittere Reue. Bestimmt entgehen mir täglich Tausende dieser ganz gewöhnlichen und doch so zuckersüßen Momente. Ich hätte dieses Leben mit den beiden führen können. Es wäre platonisch und leidenschaftslos gewesen, das schon, aber dafür stabil und liebevoll. Ich habe damals angenommen, dass es da draußen noch mehr für mich geben müsse, aber eigentlich ist mein Liebesleben jetzt auch nicht aufregender als während meiner Ehe.
Aber es ist zu spät für einen Neubeginn, und die Wahrheit ist, dass ich all das und noch viel mehr verpassen werde, wenn ich mir für die Datingshow nicht bald etwas einfallen lasse.
Als ich mich zum ersten Mal mit einem Produzenten getroffen habe, um mit ihm über die Verfilmung meines Romans zu sprechen, war ich so aufgeregt, dass ich in der Nacht davor kaum schlafen konnte. Ich habe stundenlang überlegt, was ich anziehen soll, und allen erzählt, dass mein Roman verfilmt werden würde. Außerdem habe ich für meine Fahrt nach Los Angeles fünf Stunden eingeplant und dann vierzig Dollar für den Parkschein ausgegeben, weil ich drei Stunden zu früh dran war und ewig im Auto warten musste. Ich saß da und stellte mir vor, was ich auf dem roten Teppich tragen würde, wer den Helden spielen und wie es sich anfühlen würde, ihn zum ersten Mal auf der Leinwand zu sehen.
Entsprechend bin ich mit einem breiten Grinsen, großen Plänen und noch größeren Hoffnungen ins Studio spaziert. Die Zusammenarbeit hat aber leider zu nichts geführt. Auch das nächste und das übernächste Treffen nicht, und bei den Meetings, die tatsächlich produktiv waren, ging es um Projekte, die dann jahrelang in der Vorentwicklung stecken blieben. Ich musste auf die harte Tour lernen, dass in Hollywood alle genau so lange Feuer und Flamme für ein Projekt sind, bis es ums Geld geht. Inzwischen weiß ich, wie der Laden läuft, und das Meeting, das meine Filmagentin heute Morgen für mich mit der mir unbekannten Firma North Star Media arrangiert hat, macht mich kein bisschen nervös.
Die Assistentin von North Star ist eine süße Frau in den Zwanzigern, die mir bei meiner Ankunft Kaffee und Donuts aus einer pinken Pappschachtel anbietet.
Kurz überlege ich, ein paar Nachrichten zu beantworten, während ich warte, aber leider kann ich meinen Leserinnen die gewünschten Updates zu meinem Buch noch immer nicht liefern. Also lege ich das Smartphone beiseite und widme mich stattdessen meinem Donut.
Wenn ich mich so umsehe, muss ich zugeben, dass die Atmosphäre in dieser kleinen Produktionsfirma hier in San Diego viel mehr Strandflair hat und deutlich chilliger wirkt als die Firmen in L. A., die entweder fast nur aus schimmernden Glaswänden bestehen oder im gewollten Industrial Style gehalten sind. Aber als der Typ, mit dem ich verabredet bin, aus seinem Büro tritt, wird mir klar, dass Hollywood Hollywood bleibt. Selbst in San Diego.
Er kommt mir irgendwie bekannt vor, aber ich habe keinen blassen Schimmer, woher. Jedenfalls sieht er nicht so aus, als würde er in einem meiner Lieblingscafés oder in einer meiner Stammkneipen abhängen. Sein Haar ist so perfekt frisiert, dass es aus der Ferne aussieht wie das eines Legomännchens. Ich bin so abgelenkt von seiner Größe, dass ich seinen Namen nicht mitbekomme, aber das überspiele ich mit einem Lächeln. Seine Zähne sind strahlend weiß, seine Augen funkeln, und unter dem weißen Hemd wölben sich seine Muskeln. Sprich: Er ist unübersehbar heiß. Wäre er eine Romanfigur in meinem Buch, würde ich ihm sofort die Rolle des attraktiven millionenschweren Managers in leitender Stellung geben.
Leider verrät mir mein mentales Rolodex drei Dinge über diesen archetypischen Helden: Er wird mich damit zuschwafeln, welchen Sport er im College gemacht hat. Er ist bestenfalls ein Scheinfeminist, wenn überhaupt. Und, passend dazu, befriedigt er Frauen nicht gern oral.
Aber ich folge ihm dennoch in sein Büro, denn wenn ich weiter im Wartebereich bleibe, esse ich garantiert einen zweiten Donut.
Das Büro des heißen, millionenschweren Managers ist picobello aufgeräumt und aufs Nötigste beschränkt. Im Gegensatz zu den Büros vieler anderer Filmregisseure hängt hier keine gerahmte Sammlung seltener Comics an der Wand, und es liegt auch kein Fotoband über Vintage-Sneaker herum. Sogar die Filmplakate fehlen. Er hat ein paar gerahmte Schwarz-Weiß-Fotografien aufgehängt, die aussehen, als stammten sie von der kalifornischen Küste, zudem stehen – mit dem Rücken zu mir – ein paar weitere gerahmte Fotos auf seinem Schreibtisch. Ansonsten sind alle Wände und Oberflächen leer.
Der heiße, langweilige Typ bedeutet mir, dass ich auf einem der teuren Lederstühle Platz nehmen soll, die um einen niedrigen Tisch herum gruppiert sind, und ich bemühe mich wirklich, mich lässig darauffallen zu lassen. Aber der Riss in meiner Jeans sitzt genau an der ungünstigsten Stelle über meinem Knie, und in dem Moment, in dem ich mich niederlasse, ertönt ein hörbares Reißen. Es vergeht ein Moment, in dem der Mann sich sichtlich den Kopf darüber zerbricht, ob er darauf reagieren soll.
Er entscheidet sich dagegen und lächelt mich an. Hübsches Lächeln füge ich zu seiner Figurenbeschreibung hinzu.
»Danke, dass Sie heute hergekommen sind, Felicity.«
»Oh. Ein Brite.« Zum ersten Mal spüre ich wieder dieses leichte Kribbeln, und ich aktualisiere meinen Archetypen-Rolodex.
»Ich bin in Blackpool geboren und aufgewachsen.«
»Keine Ahnung, wo das ist, aber es klingt irgendwie nach Piraten.«
Er lacht, tief und dröhnend. »Es liegt im Nordwesten Englands.«
Ich nicke und sehe mich um, um herauszufinden, wie es kommt, dass ein Mann mit diesem Aussehen seine Piratenheimat verlässt, in so einem Büro landet und dann seinen Weg zu meinen Büchern findet. Was für eine Reise! Als mein Blick wieder auf sein Gesicht fällt, habe ich erneut das Gefühl, dass wir uns schon mal begegnet sind.
»Kennen wir uns von irgendwoher?«
Er zögert kurz, will etwas sagen, und entscheidet sich dann anscheinend um. »Ich glaube nicht. Aber meine Ex-Frau ist ein Riesenfan von Ihnen.«
Jetzt muss ich lachen. »Ich würde sagen, das ist das seltsamste Kompliment, das ich je bekommen habe.«
Selbst als er leicht zusammenzuckt, sieht es zu perfekt aus, um echt zu sein. »Sorry. Ist wahrscheinlich eine merkwürdige Art, meine Bewunderung auszudrücken. Natalia hat einen sehr anspruchsvollen Geschmack, und sie besitzt jedes Ihrer Bücher.«
Ich ziehe eine Augenbraue nach oben.