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Am nächsten Morgen per Textnachricht herauszufinden, dass es sich bei dem nackten Kerl in deiner Küche nicht um dein Blind Date von letzter Nacht handelt, ist wohl mehr als ein kleiner Ausrutscher. Vielleicht hätte Dakota Newton nicht automatisch annehmen dürfen, dass der heiße Kerl mit dem umwerfenden Lächeln vor dem Coffeeshop ihr Date war. Wahrscheinlich hätte sie auch nicht mit ihm schlafen sollen, unabhängig davon, wie sehr es zwischen ihnen gefunkt hat. Aber hey, woher hätte sie wissen können, dass Mr Right eigentlich Mr Wrong war? Als Geschäftsmann weiß Braxton Adams, wie wichtig es ist, seinem Bauchgefühl zu vertrauen und niemals eine gute Gelegenheit vorbeiziehen zu lassen. So klärt er den Irrtum nicht auf, als er fälschlicherweise für ein Date gehalten wird. Vielleicht hätte er nicht lügen und der wunderschönen Fremden gleich reinen Wein einschenken sollen. Doch letzten Endes spielt das keine Rolle mehr, denn nun muss er beweisen, dass er nicht der falsche, sondern der richtige Mann an Dakotas Seite ist ...
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Seitenzahl: 320
Veröffentlichungsjahr: 2020
Titelseite
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
Epilog
Danksagung
Die Autorin
Love Is All We Crave
BAD BOY DIARIES
Catch My Girl
Ohne Titel
© Die Originalausgabe wurde 2020 unter dem
Titel The Wrong/Right Man von Aurora Rose Reynolds, in Zusammenarbeit mit Bookcase Literary Agency veröffentlicht.
© 2020 Romance Edition Verlagsgesellschaft mbH
8712 Niklasdorf, Austria
Aus dem Amerikanischen von Friederike Bruhn
Covergestaltung: © Nadine Kapp
Titelabbildung: © PKpix / Kitsana1980/ Krasovski Dmitri
Korrektorat: Romance Edition
ISBN-Taschenbuch: 978-3-903278-33-2
ISBN-EPUB: 978-3-903278-34-9
www.romance-edition.com
»Jamie, wenn du nicht in zehn Minuten hier bist, breche ich ohne dich auf!«, rufe ich den Flur hinunter in Richtung des Zimmers meines Bruders. Ich hasse es, warten zu müssen. Geduld ist nicht gerade eine meiner Stärken. Um neun Uhr muss ich auf der anderen Seite von Seattle im Vermietungsbüro sein, um die Schlüssel für meine neue Bleibe entgegenzunehmen. Der Verkehr ist um diese Uhrzeit ein Desaster, was mich unter Spannung setzt und immer nervöser werden lässt.
»Krieg dich ein, Dakota. Ich habe gesagt, dass ich gleich da bin, und habe das auch so gemeint!«, ruft Jamie zurück. Sein Ton verrät mir, dass er lächelt.
Kopfschüttelnd werfe ich seiner Zimmertür einen finsteren Blick zu. Nicht in meinen wildesten Träumen hätte ich gedacht, dass ich mit siebenundzwanzig mit meinem kleinen Bruder in seiner winzigen Einzimmerwohnung zusammenleben würde. Als ich jedoch herausfand, dass mich mein Verlobter Troy betrog, hatte ich keine andere Wahl, als meine Sachen zusammenzupacken und von Tacoma zu Jamie nach Seattle zu ziehen.
Ich habe Troy in meinem ersten Jahr an der University of Puget Sound getroffen, wo ich Rundfunkjournalismus studiert habe und er seinen Master in Politikwissenschaften machte, um im Anschluss für seinen Vater zu arbeiten, einen bekannten Politiker. Als ich ihm das erste Mal begegnete, war es sofort um mich geschehen. Er war gutaussehend, gebildet und kam aus einer Familie, die sich alle sehr nahestanden, was mir gefiel.
Als wir uns kennenlernten, galt meine oberste Priorität dem Abschluss meines Studiums, sodass wir es im ersten Jahr langsam angehen ließen. In unserem zweiten gemeinsamen Jahr wandelte sich unsere Beziehung zu etwas Ernstem und Dauerhaftem. Troy war für seinen Vater tätig, während ich meinen Abschluss machte und bei einem kleinen örtlichen Nachrichtensender anheuerte, wo ich bald im Begriff war, zu einer der Hauptsprecherinnen aufzusteigen.
»Sis, du wirst verdammt noch mal graue Haare bekommen, wenn du dich weiter so stresst«, reißt mich Jamie aus meinen Gedanken und schlendert, gefolgt von einer großen, verschlafen wirkenden Blondine, aus seinem Zimmer.
»Möglich«, erwidere ich und kaue auf meinem Daumennagel herum. Als er die Frau in gewohnter Manier mit einem Klaps auf den Po verabschiedet, verdrehe ich die Augen. Seit ich hier wohne, habe ich keine der unzähligen Bekanntschaften meines Bruders ein zweites Mal angetroffen.
»Was ist?«, fragt er und dreht sich zu mir um, nachdem er die Tür hinter ihr geschlossen hat.
»Ich verstehe nicht, warum sich diese Frauen auf dich einlassen, wenn klar ist, dass sie danach nie wieder etwas von dir hören werden.«
»Ich bin einfach charmant.«
»Du bist widerlich.«
»Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?«
»Wie ich dir gestern schon gesagt habe, muss ich um neun im Vermietungsbüro sein«, drängle ich.
»Und wie ich dir wiederum gesagt habe, werde ich dich dorthin bringen.« Er zerzaust meine Haare und ich schlage seine Hand weg, ehe ich versuche, ihm einen Tritt zu verpassen. Allerdings verfehle ich knapp sein Knie, da er in die Küche davonläuft und sich seine Jacke von einem der Stühle schnappt, die vor dem langen Tresen stehen, der den Essbereich vom Wohnzimmer trennt.
»Du weißt ganz genau, dass ich es schrecklich finde, zu spät zu kommen«, erkläre ich und streiche mir durch mein Haar, um die Strähnen zu glätten, die Jamie gerade durcheinandergebracht hat. Dann überprüfe ich, ob mein Pferdeschwanz noch richtig sitzt.
»Hast du Amanda gerade gesehen?«, will er wissen und ich stöhne genervt auf, als ich das amüsierte Funkeln in seinem Blick bemerke. »Bei dieser Art von Perfektion darfst du dich nicht hetzen lassen, Sis. Das ist gegen das Gesetz oder so was.« Er bedenkt mich mit seinem schelmischen Grinsen – dem Grinsen, das Frauen in Scharen anzieht. Nun, dazu trägt auch die Tatsache bei, dass er einen Meter achtundachtzig groß ist, jeden Tag trainiert, dunkle Haare und noch dunklere Augen hat und darüber hinaus der Leadsänger in einer der bekanntesten Nachwuchsbands in Seattle ist.
»Können wir jetzt los?« Ich ignoriere seinen Kommentar und wedle mit der Hand Richtung Tür.
Kopfschüttelnd schlüpft er in seine schwarze Lederjacke und schiebt seinen Autoschlüssel in die vordere Tasche seiner Jeans. Dann hält er jedoch inne und mustert mich von oben bis unten. »Das willst du anziehen?«.
Ich sehe an mir hinab. »Was ist falsch an meiner Kleiderwahl?«
»Dieses Outfit ist einfach ...«, seine Nasenflügel weiten sich und er deutet mit dem Finger meinen Körper entlang, »es schreit einfach so verdammt nach Troy.«
Seine Worte lassen mich zusammenzucken, und mir wird klar, dass er recht hat. Troy wollte immer, dass ich mich keusch anziehe. Er wollte mich in zugeknöpften Oberteilen, langen Hosen und konservativen Pumps. Er wollte, dass ich das perfekte brave Mädchen abgebe. Als ich mit ihm zusammen war, wollte ich das auch für ihn sein.
»Zieh dich um«, knurrt Jamie, und ich hebe den Kopf.
»Was?« Unruhig werfe ich einen Blick auf die Uhr.
»Wechsle dein Outfit. Du musst dich nicht länger wie eine verfluchte Nonne kleiden, Dakota.«
»Ich darf nicht zu spät kommen, Jamie.« Ich stampfe mit dem Fuß auf, um zu verdeutlichen, wie knapp es bereits ist.
»Das wird nur geschehen, wenn du dir nicht etwas Sinnvolles anziehst.«
»Sei nicht albern. Was ich trage, ist absolut in Ordnung.«
»Ich war fünf Jahre lang Zeuge davon, wie du dich verändert hast. Ich musste mitansehen, wie meine lebenslustige, starke Schwester von Tag zu Tag immer mehr verschwunden ist. Und ich habe es satt. Ich will meine Schwester zurück«, sagt er verärgert und traurig zugleich.
Schuldgefühle und die Enttäuschung darüber, dass ich mich derart von einem Mann habe beeinflussen lassen, machen mir das Atmen schwer. »Es tut mir leid.«
»Entschuldige dich nicht, tu mir einfach den Gefallen und sei wieder du selbst. Zieh dich um.«
»Jamie«, stöhne ich, als er sich auf einen der Barstühle niederlässt und in Warteposition begibt.
»Na los, beeile dich. Denk daran, du willst nicht zu spät kommen.« Lächelnd zieht er sein Handy hervor.
»Ich hasse dich«, murmle ich und stapfe zu meinem Koffer, der hinter der Couch verborgen ist. Ich klappe ihn auf und krame darin herum, auf der Suche nach etwas, das mein Ich in der Zeit vor Troy ausgewählt hätte.
Schließlich entscheide ich mich für meine dunkle Jeans, ein weißes Tanktop, das ich normalerweise zum Schlafen trage, und meine schwarzen Ankle Boots mit dem süßen Absatz. Ich nehme alles mit ins Badezimmer, wo ich mich meiner schwarzen Bluse, meines cremefarbenen Gürtels, meiner schwarzen Hose und der schwarzen Ballerinas entledige. Nur die Perlenkette behalte ich noch um, ehe ich in mein neues Outfit schlüpfe. Dann kehre ich zurück ins Wohnzimmer, werfe meine Klamotten auf die Couch und gehe zur Wohnungstür.
»Fühlst du dich jetzt nicht viel mehr wie dein altes Selbst?«, erkundigt sich Jamie und zieht an meinem Pferdeschwanz, bis sich meine Strähnen um mein Gesicht ergießen. Ich blitze ihn aufgebracht an. »Jetzt schau nicht so. Und hier, du kannst diese Jacke tragen.« Er hält mir einen stylischen Ledermantel entgegen.
»Ich nehme meine eigene Jacke«, grummle ich, weil ich mir sicher bin, dass der Mantel einem seiner vielen One-Night-Stands gehört.
»Das schöne Stück ist für dich.« Jamie umfasst meine Schulter und sieht mich an. »Ich habe es dir als Abschiedsgeschenk gekauft.«
»Als Abschiedsgeschenk?« Ein Lächeln zuckt um meine Mundwinkel.
»Jap, bald habe ich meine Wohnung wieder für mich, und du kannst dich endgültig von Troy verabschieden.«
Ich spüre Tränen in mir aufsteigen und schlucke heftig gegen die aufwühlenden Empfindungen an.
»Ich vermisse meine Schwester – die, die jeden Tag eine Lederjacke getragen hat, mit zu Konzerten gekommen ist und Bier getrunken hat, während sie jeden Song mitsang.« Er lächelt mich liebevoll an und hält mir die Jacke hin.
Ich nehme den Mantel von ihm entgegen, streife ihn über und merke tatsächlich einen Anflug eines altbekannten Gefühls. Allerdings habe ich seit meinem Einzug bei Jamie bereits Stück für Stück zu mir selbst zurückgefunden.
»Du bist echt der Wahnsinn«, murmle ich und schlinge meine Arme um seine Mitte.
»Was soll ich sagen? Ich bin einfach ein Unikat.« Er grinst und drückt mich an sich, was mir ein Lächeln entlockt.
Ich lege den Kopf in den Nacken und sehe ihm in die Augen. »Danke, dass du für mich da bist. Nicht nur jetzt, sondern immer«, flüstere ich, was dazu führt, dass er mich noch fester an sich drückt.
»Ich werde dir immer den Rücken stärken.« Jamie lässt mich los und zieht die Wohnungstür auf. »Und jetzt lass uns gehen ... bevor du doch noch zu spät kommst.«
»Ja.« Seufzend, aber mit einem kleinen Funken Aufregung im Bauch, trete ich aus dem Apartment. Mit dem heutigen Tag werde ich ein Stück meines eigenständigen Lebens wiedererlangen.
Auf dem Weg zu Jamies Escalade höre ich mein Handy in meiner Handtasche piepen. Nachdem ich es gefunden habe, öffne ich meine Nachrichten, in der Erwartung, Neuigkeiten von Kathy zu lesen. Der Frau, die mich vor zwei Wochen als Sendungsmoderatorin bei IMG, einer der größten Home-Shopping-Firmen in den USA, eingestellt hat. Stattdessen finde ich eine Nachricht von Troy vor, in der er mich bittet, ihn anzurufen.
»Wer hat dir geschrieben?«
Betreten sehe ich zu Jamie hinüber, dessen Blick auf mein Handy geheftet ist. »Troy. Er will, dass ich ihn anrufe«, erkläre ich, während sich das Handy in meiner Hand plötzlich wie ein Stein anfühlt.
»Vergiss ihn. Du musst endlich deine Nummer ändern.«
»Ich werde meine Nummer nicht ändern«, erwidere ich mit einem Seufzen, hoffend, dass er das Thema damit gut sein lässt. Ich möchte mit Troy nicht reden. Nachdem ich allerdings vier Jahre meines Lebens mit ihm verbracht habe, habe ich nun irgendwie das Gefühl, ihm etwas schuldig zu sein. Wie unglaublich dämlich, wenn man bedenkt, was er getan hat.
Wenn mir früher jemand prophezeit hätte, dass Troy mich betrügen würde, hätte ich gelacht und denjenigen für verrückt erklärt. Ich lebte in der Überzeugung, er würde mich lieben und wäre der Mann, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen würde. Doch er war auf der Suche nach etwas anderem.
»Muss ich dir die Bilder ein weiteres Mal zeigen?«, reißt mich Jamie aus meinen Gedanken, während die Stadt auf unserer Fahrt an uns vorüberzieht.
»Nein.« Ich muss sie nicht noch einmal sehen; der Anblick hat sich nachdrücklich in mein Gehirn gebrannt. Ich weiß noch immer nicht, wer mir die Fotos von Troy und seiner Kollegin geschickt hat, aber ich bin demjenigen dankbar, weil ich auf diese Weise herausgefunden habe, wer Troy wirklich ist.
Als ich an einem Tag vor rund vier Monaten nach Hause kam und wie immer die Post durchsah, steckte zwischen meinen Brautmagazinen ein schlichter Umschlag, auf dem mit schwarzem Stift mein Name geschrieben stand. Keine Adresse oder irgendeine andere Information, sondern einfach nur mein Name. Ich ließ den Umschlag einige Stunden auf der Anrichte liegen, ehe ich ihn öffnete. Ich hatte keine Ahnung, dass sein Inhalt mein Leben verändern würde.
Jemand hatte mehrere Fotos von Troy und einer Arbeitskollegin an verschiedenen Orten geschossen. Auf manchen waren sie in der Öffentlichkeit zu sehen, aber die meisten Bilder waren unscharf, so als wären sie nachts gemacht worden, und zeigten die beiden in leidenschaftlicher Ekstase ineinander verschlungen.
Nachdem ich die Fotos gesehen hatte, rief ich Jamie an und erklärte ihm, was mir jemand zugespielt hatte. Auch wenn er mein kleiner Bruder ist, hat er sich nie so verhalten. Er tauchte eine Stunde später mit einem Stapel voller Umzugskartons und seinen Bandmitgliedern im Schlepptau auf. Sie packten alles ein, was mir gehörte, brachten meine beiden Koffer zu Jamies Wohnung und verstauten meine übrigen Sachen in einem ihrer Lagerräume. Als Troy am nächsten Tag nach Hause kam, war ich bereits weg; allerdings hatte ich die Fotos zusammen mit meinem Verlobungsring für ihn auf der Anrichte zurückgelassen.
»Wir sind da«, sagt Jamie und tätschelt mein Knie, woraufhin ich mich zum Fenster drehe und meinen Blick nach oben wandern lasse ... und immer weiter nach oben. Das riesige Gebäude mit den glänzenden schwarzen Fenstern wirkt vor dem Hintergrund der dunklen, wolkenverhangenen Stadt von Seattle fast bedrohlich.
Ich öffne die Beifahrertür und trete ins Freie, wohlwissend, dass ich mir diese Wohnung dort drinnen nicht leisten könnte, wenn sie nicht Teil meines Jobpakets wäre.
»Hier wirst du also leben?«, fragt Jamie, als uns der Portier die Tür zu dem Gebäude aufhält.
»Ja, verrückt, oder?« Ich sehe mich um. Die Lobby ist mit ihren glatten, eleganten Linien und den modernen Möbeln wunderschön. Sie wirkt wie ein Teil eines Filmsets. »Dem CEO von IMG gehört diese Immobilie, wo die meisten seiner Angestellten untergebracht sind. Er besitzt auch noch ein weiteres Gebäude den Block runter, in dem sich die Büros und die Filmsets befinden.«
»Ich bin stolz auf dich. Du hast dich jahrelang abgerackert, um das hier zu erreichen.« Er umfasst meinen Oberarm, um mich beiseitezuziehen, als jemand an uns vorbeiläuft.
»Danke«, erwidere ich leise und sehe mich noch einmal ein wenig überwältigt in der Lobby um.
»Krieg nicht diesen Gesichtsausdruck. Das hier ist weder der Ort noch die Zeit, um in Tränen auszubrechen«, warnt er und ich versuche, mir ein Lächeln zu verbeißen. Jamie kann überhaupt nicht damit umgehen, wenn ich weine. Was ich zugegebenermaßen schon das ein oder andere Mal für mich genutzt habe, um ihn dazu zu bringen, sich meiner Meinung anzuschließen.
»Ich werde nicht flennen.« Als ich das Schild des Vermietungsbüros entdecke, packe ich seinen Arm und ziehe ihn zu mir. Die automatischen Türen öffnen sich und wir bleiben vor einem Empfangstresen stehen, hinter dem eine ältere Frau sitzt, die gerade telefoniert. Lächelnd hebt sie einen Finger, um mir zu signalisieren, dass sie gleich für uns Zeit hat. Ich erwidere ihre freundliche Geste.
»Wie kann ich Ihnen beiden helfen?«, erkundigt sie sich und blickt zwischen uns hin und her, nachdem sie den Hörer aufgelegt hat.
»Hi, mein Name ist Dakota Newton. Ich bin hier, um die Schlüssel für meine Wohnung in Empfang zu nehmen.«
»Dakota, ich habe Ihren Umschlag hinten im Büro. Geben Sie mir einen Moment, ich bin gleich zurück.« Sie steht auf und verlässt den Raum durch eine Tür. Als sie eine Minute später zurückkommt, hält sie eine Mappe und ein großes gelbes Kuvert in der Hand, die sie beide vor mir auf den Tresen legt. Sie zieht ein paar Papiere hervor und prüft sie eingehend. »Okay, wie es aussieht, wurden die Formulare bereits online ausgefüllt, also müssen Sie nur noch ihren Mietvertrag unterzeichnen. Dann kann ich Sie zu ihrer Wohnung begleiten.« Sie schiebt mir das Dokument herüber.
Ich nehme den Stift, den sie mir hinhält, und unterschreibe am Ende des letzten Blattes.
Die Dame schüttelt den Inhalt des Umschlags auf den Empfangstresen. »Das hier«, erklärt sie und reicht mir eine Broschüre, »beinhaltet sämtliche Informationen, die Sie bezüglich des Gebäudes brauchen. Es gibt eine App, die Sie downloaden können und die Ihnen den Zugang zu ihrem Appartement ermöglicht, ohne dass Sie Ihre Schlüsselkarte benutzen müssen. Zudem finden Sie hier Infos darüber, wann der Müll abgeholt wird, zu welchen Zeiten der Wäscheservice offen hat, ebenso zum Fitnessstudio, zum Pool sowie zum Lastenaufzug, den Sie benötigen werden, wenn Sie einziehen. Wenn Sie bereit sind, zeige ich Ihnen jetzt Ihre neue Wohnung.«
»Wenn Sie es sind, bin ich das auch«, antworte ich, innerlich überaus gespannt, und sie sieht mich freundlich an.
Eine Stunde später steige ich mit einem Lächeln im Gesicht in Jamies Wagen. Das möblierte Studioappartement, das man mir zugewiesen hat, ist mehr als umwerfend und hübscher als jede Wohnung, in der ich bisher gelebt habe. Sogar schöner als das Appartement, das ich mir mit Troy geteilt habe.
Als Melissa, die Dame aus dem Vermietungsbüro, die Tür öffnete, dachte ich, dass es sich um eine Art Glücksfall handeln muss. Die Ausstattung ist hochwertig, dabei hatte ich gar nicht erwartet, dass die Wohnung bereits möbliert sein würde. Ich bin unglaublich froh darüber, mir nichts weiter als neue Bettwäsche und Bettlaken kaufen zu müssen. Melissa sagte, dass man die Möbel einpacken und für mich aus der Wohnung schaffen würde, falls ich sie durch eigene Möbelstücke ersetzen wollte. Aber das ist nicht nötig. Das meiste Zeug, das ich eingelagert habe, besteht aus irgendwelchen Küchenutensilien und Kleidung, die ich wahrscheinlich niemals wieder tragen werde.
»Also, kommst du heute Abend zu meinem Auftritt?«, reißt Jamie mich plötzlich aus meinen Gedanken, und ich drehe mich zu ihm um.
»Wenn du versprichst, die Jungs zu überreden, mir am Sonntag zu helfen, meinen Kram aus dem Lagerraum in meine neue Wohnung zu bringen. Egal, wie viel sie am Samstagabend trinken.«
»Du weißt, dass sie alles für dich tun würden.«
Das trifft tatsächlich zu. Jamies Freunde sind mittlerweile auch zu meinen geworden. Um ehrlich zu sein, sind sie so was wie ehrenamtliche Brüder für mich, die mir gar keine andere Wahl gelassen haben, als sie anzunehmen. »Dann komme ich zu deinem Auftritt.« Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass er mich angrinst. »Was ist?«
»Nichts.«
»Irgendwas ist definitiv«, stelle ich fest und mustere ihn prüfend.
»Du hast recht. Ich habe dich einfach lange Zeit nicht mehr so entspannt und fröhlich erlebt.«
Ich stoße den Atem aus. »Stimmt, das war ich auch schon lange nicht mehr. »Es fühlt sich einfach nur so an, als würde ich endlich mein Leben zurückbekommen. Ich habe einen Job und eine Wohnung und die Dinge gehen endlich wieder voran. Eine Weile habe ich wirklich befürchtet, ich würde bis ans Ende meiner Tage bei dir wohnen.«
»Magst du es nicht, mit mir zusammenzuleben?«
»Doch, das schon. Ich bin nur nicht sicher, was ich davon halten soll, jeden Morgen auf dem Weg ins Badezimmer in deine One-Night-Stands hineinzulaufen.«
»So schlimm bin ich gar nicht.«
»Du bist noch viel schlimmer, Jamie.« Ich verdrehe die Augen. »Ganz ehrlich, ich kann es kaum erwarten, dass du eine Frau triffst, mit der du ernst machst.«
»Ich bin fünfundzwanzig. Das kann ich auch noch tun, wenn ich dreißig bin«, erwidert er und zieht eine Braue nach oben. »Okay, vielleicht eher, wenn ich vierzig bin.«
Ich schüttle den Kopf. »Ich sage ja nur, dass du niemals die Eine finden wirst, wenn du immer nur auf den nächsten One-Night-Stand abzielst.«
»Ich bin nicht auf der Suche nach einer Ehefrau, Dakota.« Sein Ton wird weicher, als er fortfährt. »Mir ist bewusst, dass du dir dieses ganze Paket wünschst. Eine Familie, eine Hochzeit und Kinder, aber ich möchte das nicht.«
»Niemals?« Mein Herz blutet bei dem Gedanken, dass er sich nie der Gelegenheit gegenüber öffnen könnte, sein Leben mit jemandem zu teilen.
»Ich sage nicht, dass ich diese Möglichkeit komplett ablehne; nur, dass ich das zum jetzigen Zeitpunkt nicht will. Ich bin glücklich damit, wie die Dinge aktuell laufen, und möchte mich einfach auf meine Karriere konzentrieren.« Er sieht zu mir rüber, mit einem Ausdruck in den Augen, den ich nicht deuten kann. »Ich bin überrascht, dass du noch immer an diesen ganzen Kram glaubst, nach dem, was sich Troy geleistet hat.«
»Er hat mir wehgetan, aber nicht meinen Traum zerstört.« Ich beginne, auf einem Fingernagel herumzukauen, doch Jamie umschließt mein Handgelenk, um mich davon abzuhalten.
»Du warst seit jeher eine Träumerin.«
»Hast du wirklich gedacht, dass die Enttäuschung, die ich erlebt habe, etwas an meiner Sicht der Dinge ändern würde?«, frage ich, auch wenn ich tief in meinem Inneren weiß, dass ich mittlerweile Zweifel in Bezug auf Männer und Beziehungen habe. Zweifel, die ich früher nicht kannte.
»Für eine Weile schon, aber ich sollte vermutlich nicht überrascht sein, dass dem nicht so ist. Verdammt, ich erinnere mich noch an all die Geschichten, die du dir zusammenfantasiert hast, als wir klein waren.«
Seine Worte entlocken mir ein Auflachen. »Zum Beispiel, als ich vorgab, ich könnte hellsehen, und anderen Kindern ihre Zukunft vorausgesagt habe?«
»Ja, oder als du stundenlang von dem Mann erzählt hast, den du heiraten würdest, der zehn Kinder mit dir adoptieren würde und mit dem du in einem riesigen Haus leben würdest.«
»Das wünsche ich mir noch immer.« Schmunzelnd schaue ich aus dem Wagenfenster. »Selbst wenn ich niemals den richtigen Mann finde, sehe ich Adoption immer noch als Möglichkeit. Ich möchte einem Kind oder auch mehreren Kindern ein Zuhause geben, wo sie sich sicher und geliebt fühlen«, füge ich leise hinzu.
»Das weiß ich.« Er legt mir seine Hand an meine Wange, an die Stelle, wo mein Grübchen ist, was dafür sorgt, dass mein Herz einen Hüpfer macht.
»Heilige Scheiße, Mädchen. Sieh dich an!«, ruft Maggie, die Besitzerin des View – eines der bekanntesten Clubs in Seattle –, sobald sie mich auf der Kante der Bühne sitzen sieht, auf der Jamie und seine Band alles für ihren Auftritt vorbereiten.
Als ich Maggie kennenlernte, wusste ich nicht so recht, was ich von ihr halten sollte. Auf den ersten Blick wirkte sie fast aggressiv, mit ihrer lauten Persönlichkeit und ihrem extrovertierten Auftreten. Ihr weißes, beinahe silberfarbenes Haar ist an den Seiten kurz rasiert und oben länger und mutet fast wie ein Irokesenschnitt an. Maggie greift immer zu extremem Make-up und auffälligen Outfits, die perfekt zum Set eines Heavy-Metal-Videos der 90er passen würden, was ihr das Aussehen einer waschechten Rockerbraut verleiht.
»Es sind nur Jeans.« Ich springe von der Bühne, um sie zu umarmen.
Als sie mich wieder freigibt, packt sie mich am Oberarm und mustert mich eingehender. »Von wegen einfach nur Jeans. Du siehst heiß aus. Mir gefällt dieser ganze Vibe, den du ausstrahlst, echt verdammt gut.«
»Danke.« Ich kann ein Lächeln nicht unterdrücken, denn sie ist nicht die Erste, die mir in den letzten Tagen Komplimente gemacht hat. Dabei habe ich mein Aussehen nicht wesentlich verändert, sondern nur meinen Bekleidungsstil. Auf der anderen Seite liegt es vielleicht gar nicht an den Klamotten. Seit mir Jamie die Jacke geschenkt hat, die ich auch heute trage, habe ich das Gefühl, einen Teil meines Selbstbewusstseins zurückerlangt zu haben.
»Wie dem auch sei, ich wollte Jamie nach deiner Nummer fragen, aber da du jetzt hier bist, reden wir einfach von Angesicht zu Angesicht«, sagt sie mit einem Ausdruck in den Augen, der mich wachsam werden lässt. »Aber bitte dreh nicht gleich durch.« Sie umfasst mein Handgelenk und zieht mich über die leere Tanzfläche zur Bar hinüber. Am Tresen angekommen, schnappt sie sich eine Flasche Tequila vom obersten Regal und im Anschluss noch einen Salzstreuer und ein paar Zitronenscheiben.
»Willst du mich abfüllen?«, frage ich ungläubig, als sie ein Shotglas vor mich hinstellt und Tequila eingießt.
»Nicht abfüllen, aber beeinflussbar machen.« Sie grinst.
»Das sollte klappen«, murmle ich, nehme das Getränk, kippe es in einem Zug runter und schüttle den Kopf, als sie mir den Salzstreuer hinhält. Eine Zitronenscheibe nehme ich jedoch und beiße hinein.
»Nun.« Maggie füllt mein Glas erneut, und ich ziehe eine Braue in die Höhe, weil ich wissen möchte, was zur Hölle sie mir erzählen will. Ich bete darum, dass es nichts mit Jamie zu tun hat. Sie bedeutet mir auch den zweiten Shot zu trinken, und ich folge ihrer Aufforderung. »Ich möchte, dass du einen Freund von mir kennenlernst.«
»Nein.« Ich huste und gebe ihr zu verstehen, dass sie mir eine weitere Zitronenscheibe reichen soll.
»Hör mich doch erst mal an.«
»Maggie«, seufze ich und lege meinen Kopf auf meine auf dem Tresen ruhenden Hände.
»Er ist ein guter Typ.«
»Das sind sie alle, bis sie es plötzlich nicht mehr sind.«
»Da hast du möglicherweise recht«, stimmt sie mir zu, und ich richte mich wieder auf. »Ich sage ja nicht, dass du ihn daten musst, aber ich möchte, dass du ihn kennenlernst. Bitte.« Sie faltet die Hände, als würde sie beten.
Wieder seufze ich. »Okay.«
»Okay?«
»Ja, okay.«
Sie reibt ihre Handflächen aneinander und wirkt dabei viel zu selbstzufrieden. »Das wird toll werden. Er ist nett und absolut perfekt für dich, versprochen.«
»Ich werde mich mit ihm auf einen Kaffee treffen.«
»Ein Abendessen.«
»Einen Kaffee.« Ich bleibe standhaft. Unter keinen Umständen möchte ich mich auf ein stundenlanges Abendessen mit einem Fremden einlassen, den ich vielleicht nicht sympathisch finde.
»Also gut, einen Kaffee.« Sie lenkt sichtbar widerwillig ein. »Aber falls du ihn heiraten solltest, erwarte ich, deine Trauzeugin zu werden.«
Ich schnaube, weil ich ziemlich sicher weiß, dass das nicht passieren wird. »Gut.«
»Ich sage dir schon jetzt, dass du mir danken wirst. Ihr zwei seid wie füreinander geschaffen.«
Das kann ich mir nur schwer vorstellen. »Erzähl mir von ihm«, ermuntere ich sie dennoch.
In den folgenden neunzig Minuten höre ich Maggie zu, während sie ununterbrochen von Adam spricht. Wenn ich ehrlich bin, erinnere ich mich dank der weiteren Tequilashots, mit denen sie mich in dieser Zeit versorgt, nicht mal mehr an die Hälfte von dem, was sie mir erzählt.
Ich wippe mit dem Fuß hin und her, während sich der Fahrer des Taxis, das mich zu meinem Blinddate bringen soll, durch den Verkehr kämpft. Nach meiner ersten Arbeitswoche ist Ausgehen nicht gerade das, wonach mir der Sinn steht. Maggie hat mich jedoch heute Morgen angerufen, um sicherzugehen, dass ich mein Date noch immer am Plan habe, und ich konnte es ihr nicht abschlagen.
»Es ist ja nur auf einen Kaffee.«
»Was?«, fragt der Fahrer, und ich schüttle den Kopf.
»Entschuldigen Sie, ich habe nur mit mir selbst gesprochen.« Ich sehe auf mein Handy. Zu spät zu kommen und zugleich auch noch hungrig und erschöpft zu sein, sorgt dafür, dass ich mich viel angespannter fühle, als es normalerweise der Fall wäre. Meine erste Woche bei IMG war toll, aber ich hatte unendlich viel zu lernen, und das hat mir mitunter den Schlaf geraubt.
Darüber hinaus muss ich mich daran gewöhnen, wieder allein zu leben. Ich liebe es, mein eigenes Zuhause und ein eigenes Bett zu haben, aber ich vermisse es, mich am Ende des Tages mit jemandem austauschen zu können.
»Verdammt.« Der Fahrer tritt so heftig auf die Bremse, dass ich nach vorn rutsche und mich mit der Hand an der Zwischenscheibe abstützen muss, um mir nicht den Kopf anzuschlagen. Ich lehne mich wieder auf der Rückbank zurück und erkenne durch die Windschutzscheibe, dass vor uns zwei Autos zusammengestoßen sind und beide Fahrspuren blockieren. Der Fahrer rollt das Fenster auf seiner Seite hinunter, streckt den Kopf nach draußen und wedelt aufgebracht mit der Hand. »Ihr Idioten, macht gefälligst die Straße frei.«
»Fick dich. Fahr doch drum rum!«, brüllt ein massiger Typ, der aussieht, als würde er kleine Kinder zum Frühstück verspeisen, und macht eine rüde Geste in Richtung des Taxifahrers.
»Ich kann nicht drum rumfahren. Niemand kann das!«, schnauzt mein Fahrer, was den großen Kerl noch wütender macht. Eine Ader an seiner Stirn beginnt, deutlich sichtbar zu pochen, als er auf das Taxi zumarschiert.
»Ich werde den Rest des Weges einfach zu Fuß zurücklegen«, stoße ich hervor, was meinen Fahrer dazu veranlasst, sich zu mir umzudrehen. Ich werfe einen Blick auf das Taxameter und reiche ihm einen Zwanziger.
»Sie sind noch immer vier Blocks von ihrem Ziel entfernt.«
»Es macht mir nichts aus, zu gehen.« Ich lächle ihn an, steige aus dem Taxi und husche auf den Bürgersteig. In meiner GPS-App gebe ich die Adresse des Coffeeshops ein und stöhne innerlich, als ich sehe, dass es nahezu fünfzehn Minuten Fußweg bis dorthin sind. Was nur halb so schlimm wäre, würde ich keine High Heels tragen.
Da ich keine andere Wahl habe, hänge ich mir meine Handtasche über die Schulter und eile los. Das ist jedenfalls eine gute Möglichkeit, meiner täglich angestrebten Schrittmenge näherzukommen. Außerdem werde ich mir so definitiv das Recht erarbeiten, mir im Anschluss an das Date die Double Chocolate Brownie Eiscreme zu genehmigen, die ich vor ein paar Tagen gekauft habe.
Fünfzehn Minuten später erreiche ich die Kreuzung vor dem Coffeeshop und warte wie alle anderen an der Ampel auf das Grünzeichen.
Und dann entdecke ich ihn. Mein Herz beginnt, aufgeregt zu pochen, meine Kehle wird eng und mein Puls beschleunigt sich, während ich die beeindruckende männliche Gestalt auf der anderen Straßenseite betrachte. Ich denke nicht, dass ich jemals einen attraktiveren Mann gesehen habe.
Er hat breite Schultern, die in einem feinen Jackett stecken, und schmale Hüften. Seine Beine sind lang und kräftige Muskeln zeichnen sich unter einer zum Jackett passenden dunkelgrauen Anzugshose ab. Sein dunkelblaues Hemd steht am Kragen offen und legt seinen sehnigen Hals frei. Er fährt sich mit den Fingern durch das Haar, schaut auf die Uhr und presst angespannt die Zähne aufeinander. Ich frage mich, ob er sauer ist, weil ich zu spät bin.
Jemand stößt von hinten gegen mich und reißt mich aus meiner Starre. Ich versuche, mich zusammenzunehmen, und überquere im Pulk der anderen Passanten die Straße. Als sich die Menschentraube um mich herum aufzulösen beginnt, bleibt der mintgrüne Blick des Mannes an mir hängen. Ich bemerke ein Funkeln darin, das mir eine wohlige Gänsehaut über den ganzen Körper jagt. Während er mir in die Augen sieht, zwinge ich mich zu einem nervösen Lächeln und spüre, wie mir die Hitze den Hals hinaufklettert. Dann verfängt sich plötzlich mein Absatz in einer Furche des Gehwegs und ich stolpere vorwärts. Auf wundersame Weise schafft er es, rechtzeitig einen Schritt nach vorn zu machen und meinen Sturz aufzuhalten, indem er meine Hüften umschließt.
»Adam«, hauche ich und stütze mich mit den Händen leicht an seiner Brust ab. Sein Blick wandert von meinen Lippen hinauf zu meinen Augen. »Ich bin Dakota.« Rasch löse ich meine Hände von seiner harten Brust und trete einen Schritt zurück, was einen verstimmten Ausdruck über sein attraktives Gesicht huschen lässt. »Es tut mir leid, dass ich mich verspätet habe. Der Verkehr war ziemlich verrückt, und dann gab es noch einen Unfall. Ehe sich mein Taxifahrer in einen Streit verwickelt hat, bin ich das letzte Stück zu Fuß gelaufen«, sprudelt es aus mir heraus, während ich auf seine Reaktion warte. Als diese ausbleibt, macht sich Unsicherheit in mir breit.
Oh Gott, was ist, wenn es sich bei diesem Mann gar nicht um mein Date handelt? Nervös geworden lege ich den Kopf schief, wobei mir mein Haar über die Schulter fällt. »Bitte sag mir, dass du Adam und nicht irgendein zufällig getroffener Typ bist, den ich auf der Straße belästige.«
Er mustert mich weiter unverhohlen, ehe sich seine Mundwinkel zu einem leichten Lächeln verziehen. »Ich bin Adam.«
Erleichterung erfüllt mich und die Anspannung in meinem Körper lässt nach. »Gott sei Dank.« Ich lächle ihn an, was ihm ein Grinsen entlockt. Heiliger, dieser Mann ist gefährlich. »Mag hat sich geweigert, mir ein Foto von dir zu zeigen. Sie hat mir nur gesagt, dass du hier warten, einen Anzug anhaben und eine Uhr tragen würdest.«
»Das sind nicht sonderlich viele Informationen.« Der missmutige Unterton in seiner Stimme überrascht mich.
»Du kennst Maggie. Sie ist ...« Ich presse die Lippen aufeinander und zucke entschuldigend mit den Schultern. »Sie ist eben Maggie.«
»Ja«, stimmt er zu, und ich wundere mich, warum mich Maggie nicht vor seiner intensiven Ausstrahlung gewarnt hat.
»Also gut.« Ich atme hörbar aus und betrachte ihn noch einmal, ehe ich zum Coffeeshop hinübersehe. Er wiederum erstarrt plötzlich, als er einen Blick über meinen Kopf hinweg wirft. »Ähm ... Ich weiß, ich habe gesagt, das hier wäre nur ein Treffen auf einen Kaffee, aber ich bin am Verhungern. Würde es dir etwas ausmachen, mit mir zum Pizzarestaurant unten an der Straße zu gehen?«
»Ich habe eine bessere Idee.« Ich stutze, als er seine Finger meinen Unterarm entlangwandern lässt, um meine Hand zu umfassen. »Ich kenne ein tolles italienisches Restaurant, das nicht allzu weit von hier entfernt ist.«
»Oh.« Ich sehe auf unsere miteinander verbundenen Hände und spüre, wie meine Handfläche zu kribbeln beginnt.
»Wir nehmen mein Auto.« Er drückt liebevoll meine Finger, was meinen Puls für einen Schlag aussetzen lässt.
»Okay.« Ich lasse mich von ihm den Bürgersteig entlangführen und stolpere beinah ein zweites Mal, als die Lichter eines Benz aufleuchten. Und zwar nicht irgendeines Benz, sondern die eines dieser SUVs, die mehr kosten, als ich innerhalb der nächsten zwei Jahre verdienen werde.
Adam bleibt an der Beifahrerseite stehen, öffnet mir die Wagentür und wirft sie hinter mir ins Schloss, nachdem ich auf dem Beifahrersitz Platz genommen habe. Dann geht er um die Motorhaube herum und setzt sich hinters Steuer.
Herrgott im Himmel, ein Mann sollte nicht dermaßen gut im Profil aussehen dürfen.
»Bereit?« Er dreht sich mir zu, während er den Motor startet.
»Klar.« Ich atme einmal tief durch und zwinge mich dazu, mich zu beruhigen.
»Also, erzähl mir ein bisschen von dir«, verlangt er, als er sich in den Verkehr einfädelt.
»Nun, Maggie hat bestimmt schon erwähnt, dass ich erst vor ein paar Monaten nach Seattle gezogen bin.« Ich rutsche ein wenig unruhig auf meinem Sitz hin und her und bemerke, wie er kurz meine Beine betrachtet. Sofort fühlen sie sich unter seinem Blick warm an.
»Von woher?«
»Tacoma.« Ganz automatisch beginne ich, im gleichen Rhythmus seiner auf dem Lenkrad trommelnden Finger mit den Beinen zu wippen.
»Warum Seattle?«
»Mein Bruder lebt schon seit Ewigkeiten hier und hat mich überzeugt, bei ihm zu bleiben, als ...« Abrupt halte ich inne. »Nun, ich brauchte eine Veränderung.«
»Du und dein Bruder, ihr steht euch also nah.«
Obwohl dieser Satz keine Frage war, antworte ich dennoch mit einem Ja und umklammere die Handtasche in meinem Schoß ein wenig fester. »Maggie sagte, du seist hier aufgewachsen.«
»Genau.« Seine Finger schließen sich fester um das Lenkrad, als er den Wagen beschleunigt, um auf den Highway zu fahren. »Wie hast du Maggie kennengelernt?«
»Über meinen Bruder.« Ich streiche an dem Riemen meiner Handtasche entlang, als er die nächste Ausfahrt nimmt. »Seine Band spielt jeden Freitag und Samstag in ihrem Club.« Er biegt in eine versteckte Einfahrt und reiht sich in die Schlange des Parkservices vor einem Restaurant mit dem Namen Altura ein.
»Sind sie gut?«
»Wie bitte?«
»Die Band deines Bruders, ist sie gut?«
»Sie ist die beste Band überhaupt.« Das ist keine Lüge. Die Band zählt zu den bekanntesten in Seattle. Wenn alles nach Plan läuft, werden sie schon bald von einem Plattenlabel unter Vertrag genommen werden und auf Tour gehen.
»Dann würde ich sie gern einmal spielen hören.« Er bedenkt mich mit einem Lächeln, ehe er die Autotür öffnet. Den Motor lässt er laufen und umrundet die Motorhaube. Ich sehe, wie er in Richtung des Parkdieners den Kopf schüttelt, der an die Beifahrerseite herangetreten ist, um mir beim Aussteigen behilflich zu sein. Mein Magen macht einen Satz, als er mir stattdessen selbst die Tür aufhält und mir seine Hand reicht.
Ich nehme sie und lasse mir von ihm aus dem Wagen helfen, ehe wir Seite an Seite das Restaurant betreten. »Es ist schön hier.« Ich lasse die dunkle Innenausstattung auf mich wirken, die in warmen Braun- und Goldtönen gehalten ist. Die Tische, die alle viel Privatsphäre und Raum für vertraute Gespräche zu bieten scheinen, werden jeweils nur von Kerzenlicht erhellt. »Sehr schön.« Ich lege den Kopf in den Nacken, um zu meiner Begleitung aufzusehen. Verlangen funkelt in seinen Augen.
»Guten Abend, haben Sie eine Reservierung?«, fragt der Oberkellner, als wir das Empfangspodest erreichen.
»Wir haben keine Reservierung«, flüstere ich.
Adam schmunzelt, ehe er sich zu dem älteren Herrn mit Glatze umwendet, der einen Anzug und eine rote Fliege trägt. Dieser erkennt ihn offenkundig und räuspert sich verlegen. »Entschuldigen Sie, Mr Adams, natürlich.« Er neigt respektvoll den Kopf in Adams Richtung – oder ist Adam sein Nachname? Dann sieht er mich freundlich an. »Wenn Sie mir beide bitte folgen würden.«
»Du hast für heute Abend eine Reservierung gemacht?«, frage ich, während Adam meine Hand nimmt und mit mir durch den großen Raum zu einer Treppe geht, die vermutlich ins obere Stockwerk führt.
»Ich habe hier eine Dauerreservierung.« Er hebt meine Finger an seinen Mund und küsst jeden einzelnen, was mich für einen Moment aus der Fassung bringt. Sein Gesichtsausdruck lässt mich schließen, dass er das nicht beabsichtigt hat.
»Du hast hier eine Dauerreservierung?« Ich bin ernsthaft überrascht. Wer verfügt bitte sehr über eine Dauerreservierung in einem Restaurant wie diesem?
»Ich mag das Essen hier.« Er schüttelt den Kopf in Richtung des Oberkellners, als dieser meinen Stuhl für mich hervorziehen möchte, und übernimmt es stattdessen selbst.
Als er mir mit einem Nicken bedeutet, Platz zu nehmen, folge ich seiner Aufforderung und lasse mir eine Speisekarte reichen. Ich halte sie vor mein Gesicht und knabbere an meiner Unterlippe herum, mich fragend, wer dieser Mann genau ist. Mir ist bewusst, dass ich etwas betrunken war, als Maggie mir von ihm erzählt hat. Dennoch bin ich mir ziemlich sicher, dass ich mich daran erinnern würde, hätte sie erwähnt, dass er reich ist. Okay, ich weiß nicht wirklich, ob das zutrifft, aber seinem Auto und dem Preis einer Vorspeise in diesem Restaurant nach zu urteilen, ist das anzunehmen.
Dazu kommt noch der Umstand, dass ihn der Oberkellner als Mr Adams angesprochen hat, was darauf schließen lässt, dass es sich bei Adam um seinen Nach- und nicht seinen Vornamen handelt. Warum sollte mir Maggie dann sagen, sein Name sei Adam?
»Ist Adam dein Nachname?«, platze ich mit der Frage heraus und sehe ihn über den Rand der Speisekarte hinweg an.
»Ja«, bestätigt er, und ich studiere ihn eingehend, während er seine Serviette auf seinem Schoß ausbreitet.
»Wie lautet dann dein Vorname?«
»Braxton.« Dieser Name passt definitiv besser zu ihm, dennoch ergibt das alles keinen Sinn. »Viele Leute nennen mich aber Adam, Maggie ist eine von ihnen.«
Okay, vermutlich ist das eine plausible Erklärung. »Und du bist im Bankgeschäft tätig?« Ich bin mir ziemlich sicher, dass Maggie etwas in dieser Richtung erwähnt hat.
Braxton lehnt sich vor und stützt sich mit den Ellenbogen auf dem Tisch ab, ohne meine Frage zu beantworten. »Ist alles in Ordnung?«
»Ja.« Mit der Zunge befeuchte ich meine Lippen, mich etwas bange umsehend. Ich habe das Gefühl, dass es eine Nummer zu groß für mich ist, mich in seiner Gegenwart in diesem gehobenen Restaurant zu befinden.
»Was ist los?«
Ich konzentriere mich wieder auf ihn, und ehe ich es verhindern kann, sprudelt die Wahrheit aus mir heraus. »Maggie hat angekündigt, du würdest gut aussehen, aber auf das volle Ausmaß hat sie mich nicht vorbereitet. Und dann dein Auto und dieses Restaurant hier ...« Ich wedle mit der Hand durch den Raum. »Ich denke, sie hätte mich vorwarnen sollen.«