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Studienarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,3, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Sprache: Deutsch, Abstract: Theodor Fontane (1819-1898) begann erst zu Beginn der siebziger Jahre, als er als Balladendichter bereits gewissen Ruhm erlangt hatte, Romane zu schreiben. Etwa Mitte der achtziger Jahre finden sich die ersten skizzenhaften Entwürfe zu einem Roman über eine Berliner Kommerzienrätin. Doch erst im Jahre 1891/92 wird der Roman unter dem Namen „Frau Jenny Treibel oder `Wo sich Herz zum Herzen findt´“ veröffentlicht. Die Handlung des Romans ließe sich rasch erzählen: Die Professorentochter Corinna Schmidt versucht in die Industriellenfamilie Treibel einzuheiraten, doch ihre Pläne werden von der Schwiegermutter in spe – der Jugendfreundin ihres Vaters - verhindert, da diese auf eine finanzkräftigere oder adlige Schwiegertochter hofft. Wäre es mit dieser schon fast trivial anmutenden Geschichte getan, hätte sich Fontane für die endgültigen Fertigstellung wohl kaum über 5 Jahre Zeit gelassen und sein Roman würde heute wohl kaum zu den Klassikern der deutschen Literatur zählen und immer noch mit so viel Freude gelesen werden. Es ist das humoristische, fein gezeichnete Bild der Gesellschaft um 1900, das diesem Roman so viel Tiefe verleiht. Pointiert und unterhaltsam stellt Fontane eine Gesellschaft mit ihren typenhaften Mitgliedern dar, in welcher er selbst gelebt hat. So schreibt Fontane 1888 in einem Brief an seinen Sohn, die Intention seines Romans sei, „das Hohle, das Phrasenhafte, Lügnerische, Hochmütige, Hartherzige des Bourgeoisstandpunkts zu zeigen“. Wie man aus seinen zahlreich überlieferten Briefen weiß, sind Charaktere in Fontanes Romanen nur sehr selten rein individuell zu sehen, sie repräsentieren eigentlich immer auch einen Typus Mensch - mal mehr, mal weniger. Und man könnte sicherlich behaupten, dass diese Typenhaftigkeit im Roman ´Frau Jenny Treibel´ am stärksten ausgeprägt ist. Schonungslos und durch den Humor doch auch versöhnlich, wird in diesem Roman dem Bürgertum der wilhelminischen Ära der Spiegel vorgehalten. Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit liegt auf der Profilierung des Besitzbürgertums. Neben einer kurzen Erläuterung des gesellschaftshistorischen Kontextes des Romans und einer Erörterung von Fontanes Einstellung zur Bourgeoisie aufgrund einiger Zitate aus seinen brieflichen Korrespondenzen, wird untersucht, wie das Besitzbürgertum im Roman dargestellt wird und inwieweit eine darin enthaltene Gesellschaftskritik Fontanes deutlich wird.
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1. Einleitung:
Theodor Fontane (1819-1898), der gelernte Apotheker, englanderfahrene Journalist und Theaterkritiker, begann erst zu Beginn der siebziger Jahre, als er als Balladend ichter bereits gewissen Ruhm erlangt hatte, Romane zu schreiben. Etwa Mitte der achtziger Jahre finden sich die ersten skizzenhaften Entwürfe zu einem Roman über eine Berliner Kommerzienrätin. Doch erst im Jahre 1891/92 wird der Roman unter dem Namen „Frau Jenny Treibel oder `Wo sich Herz zum Herzen findt´“ veröffentlicht.1Die Handlung des Romans ließe sich rasch erzählen: Die Professorentochter Corinna Schmidt versucht in die Industriellenfamilie Treibel einzuheiraten, doch ihre Pläne werden von der Schwiegermutter in spe - der Jugendfreundin ihres Vaters - verhindert, da diese auf eine finanzkräftigere oder adlige Schwiegertochter hofft. Wäre es mit dieser schon fast trivial anmutenden Geschichte getan, hätte sich Fontane für die endgültigen Fertigstellung wohl kaum über 5 Jahre Zeit gelassen und er bzw. sein Roman im speziellen würden heute wohl kaum zu den Klassikern der deutschen Literatur zählen und immer noch mit so viel Freude gele sen werden. Es ist das humoristische, fein gezeichnete Bild der Gesellschaft um 1900, das diesem Roman so viel Tiefe verleiht. Pointiert und unterhaltsam stellt Fontane eine Gesellschaft mit ihren typenhaften Mitgliedern dar, in welcher er selbst gelebt hat. Da sich der Roman in dem recht kurze n Zeitraum von etwa zwei Monaten abspielt,2wird keine gesellschaftliche Entwicklung beschrieben, sondern das Augemerk liegt auf einer Zustandsbeschreibung. So schreibt Fontane 1888 in einem Brief an seinen Sohn, die Intention seines Romans sei, „das Hohle, das Phrasenhafte, Lügnerische, Hochmütige, Hartherzige des Bourgeoisstandpunkts3zu zeigen“.4Wie man ebenfalls aus seinen zahlreich überlieferten Briefen weiß, sind Charaktere in Fontanes Romane n nur sehr selten rein indivi-1Vgl.Schäfer, Rudolf: Theodor Fontane. Frau Jenny Treibel. Interpretation. München 1988. S. 7.
2Die erzählte Zeit erstreckt sich über die besagten zwei Monate. Die tatsächliche Spielzeit ist hingegen beschränkt auf wenige Tage und Stunden in diesem Zeitraum zwischen „einem der letzten Maitage“ und dem Hochzeitstag Corinnas und Marcells, dem 28. Juli. (Vgl. Wolters, Stefan: Lektürehilfen. Theodor Fontane. Frau Jenny Treibel. Stuttgart 1986. S.45)
3Als Bourgeois wurden ab dem späten Mittelalter in Frankreich die freien Stadt- und teilweise auch Landbewohner bezeichnet, deren soziale und rechtliche Position zwischen der Bauernschaft und dem Adel anzusiedeln war. Ab dem 16. Jahrhundert verstand man unter dem Begriff Bourgeoisie dann vor allem das wohlhabende städtische Bürgertum, also in erster Linie die über gewerbliches oder Finanzvermögen verfügenden Kaufleute, Händler, Handwerker, später auch Bankiers und Unternehmer. Ab dem 18. Jahrhundert fand der Begriff als wertneutrale Bezeichnung für das städtische Bürgertum auch Eingang in den nichtfranzösischen Sprachraum. ( Microsoft Encarta 2004)
4Brief an Theo Fontane vom 9. Mai 1888. In: Theodor Fontane: Briefe an seine Familie. Berlin 1905. Bd.
2, S. 174. (Alle folgenden Zitate aus Briefen Fs, sind diesem Band entnommen.)