Thriller Quartett 4050 - Alfred Bekker - E-Book

Thriller Quartett 4050 E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Krimis der Sonderklasse - hart, actionreich und überraschend in der Auflösung. Ermittler auf den Spuren skrupelloser Verbrecher. Spannende Romane in einem Buch: Ideal als Urlaubslektüre. Dieses Buch enthält folgende Krimis: Pete Hackett: Trevellian verhindert schmutzige Geschäfte Alfred Bekker: Die Tote ohne Namen Alfred Bekker: Die Bestie Pete Hackett: Trevellian und die geheimnisvollen Mörder Milo Tucker und Jesse Trevellian, Spezialagenten des FBI, sind in New York erfolgreich, um eine Drogenmafia dingfest zu machen. Sie wissen aber, dass deren Platz andere Kriminelle einnehmen werden. Gleichzeitig trachtet ein Unbekannter nach Milos Tuckers Leben. Drei Anschläge überlebt er mit viel Glück. Beide Agenten müssen diesen Unbekannten ausschalten. Die Situation spitzt sich zu und Milo muss sich etwas einfallen lassen, um sich und seinen Kollegen zu retten.

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Pete Hackett, Alfred Bekker

Thriller Quartett 4050

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Inhaltsverzeichnis

Thriller Quartett 4050

​Copyright

Trevellian verhindert schmutzige Geschäfte

Alfred Bekker: Die Tote ohne Namen

Alfred Bekker: Die Bestie

Trevellian und die geheimnisvollen Mörder

Thriller Quartett 4050

Alfred Bekker, Pete Hackett

Krimis der Sonderklasse - hart, actionreich und überraschend in der Auflösung. Ermittler auf den Spuren skrupelloser Verbrecher. Spannende Romane in einem Buch: Ideal als Urlaubslektüre.

Dieses Buch enthält folgende Krimis:

Pete Hackett: Trevellian verhindert schmutzige Geschäfte

Alfred Bekker: Die Tote ohne Namen

Alfred Bekker: Die Bestie

Pete Hackett: Trevellian und die geheimnisvollen Mörder

Milo Tucker und Jesse Trevellian, Spezialagenten des FBI, sind in New York erfolgreich, um eine Drogenmafia dingfest zu machen. Sie wissen aber, dass deren Platz andere Kriminelle einnehmen werden. Gleichzeitig trachtet ein Unbekannter nach Milos Tuckers Leben. Drei Anschläge überlebt er mit viel Glück. Beide Agenten müssen diesen Unbekannten ausschalten. Die Situation spitzt sich zu und Milo muss sich etwas einfallen lassen, um sich und seinen Kollegen zu retten.

​Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER A. PANADERO

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Folge auf Twitter:

https://twitter.com/BekkerAlfred

Erfahre Neuigkeiten hier:

https://alfred-bekker-autor.business.site/

Zum Blog des Verlags

Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!Verlags geht es hier:

https://cassiopeia.press

Alles rund um Belletristik!

Trevellian verhindert schmutzige Geschäfte

Krimi von Pete Hackett

Der Umfang dieses Buchs entspricht 117 Taschenbuchseiten.

Da stecken Millionen drin: Gammelfleisch aus aller Herren Länder wird in einem fleischverarbeitenden Betrieb in New York umdeklariert und kommt als vermeintlicher Leckerbissen in den Handel. Die FBI-Agenten Trevellian und Tucker wollen diesen ekelhaften Handel auffliegen lassen, aber die Beteiligten wehren sich mit buchstäblich allen Mitteln.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

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Alles rund um Belletristik!

1

Das Schreiben war klar und einfach gehalten. Die Firma Jacob Douglas, Fleischgroßhandlung in der Cherry Street, schleust Fleischabfälle in die Produktion von menschlichen Nahrungsmitteln ein. Es wurden bereits mehrere tausend Tonnen Abfallfleisch verschoben. Nicht mehr und nicht weniger stand in der anonymen Nachricht, die im Briefkasten der »Morning Post« gelegen hatte.

Von der Morning Post gelangte der Brief, der mit einem Computer geschrieben und ausgedruckt worden war, zum Police Department. Schon bald war klar, dass die Anschuldigung wohl zu Recht erhoben wurde, und da davon auszugehen war, dass die umdeklarierten Fleischabfälle auch über die Grenzen New Yorks hinaus verschoben worden waren, landete die Angelegenheit auf unseren Schreibtischen.

Mr. McKee betraute Milo und mich damit, die Angelegenheit aufzuklären. Und wir stürzten uns ins gewiss sehr turbulente Geschehen …

*

Jacob Douglas war ein Mann um die Sechzig. Auf seiner Nase saß eine dicke Brille, durch deren Gläser seine Augen unnatürlich groß erschienen. Er hatte eine Glatze, abgesehen von dem dunklen Haarkranz, der sich über seinen Ohren um seinen Kopf zog, und er war um mindestens zwanzig Kilo zu schwer. Sein Gesicht war gerötet, Schweiß rann ihm von den Schläfen über die Wangen, er war unablässig mit einem weißen Papiertaschentuch am tupfen.

Noch war kein Haftbefehl gegen ihn ergangen.

Wir saßen ihm in seinem Büro in der Cherry Street gegenüber. Er war die personifizierte Unruhe. Hastig zog er an seiner Zigarette. Nachdem er sie ausgedrückt hatte, zündete er sich sofort eine neue an. Seinen braun gefärbten Fingern nach zu schließen war er Kettenraucher. Eine Rauchwolke hing vor seinem Gesicht. Er wedelte mit der linken Hand, und die Rauchwolke zerfaserte.

»Sie müssen mir glauben«, beschwor er uns. »Ich habe das Fleisch nicht umdeklariert. Es wurde von mir als für Menschen genießbares Fleisch aufgekauft. Bezogen habe ich es aus Mexiko und Südamerika. Es muss dort schon umdeklariert worden sein.«

Er zerdrückte die Zigarette im Aschenbecher.

»Das ist im Moment noch nicht das Problem«, sagte ich. »Wer diesen ekelerregenden Dreck in die Lebensmittelkette einschleuste, wird sich herausstellen. Ganz sicher.« Ich sprach es im Brustton der Überzeugung. »Im Moment wollen wir von Ihnen lediglich wissen, an welche lebensmittelherstellenden Betriebe das Abfallfleisch geliefert wurde.«

Douglas griff nach dem Telefonhörer, hob ihn vor sein Gesicht, tippte eine Kurzwahl und sagte gleich darauf: »Drucken Sie eine Liste der Betriebe aus, die wir beliefert haben, Mabel, und bringen Sie sie mir. – Ja, gleich. Ich warte.«

Er drapierte den Hörer wieder auf den Apparat und schaute abwechselnd von mir zu Milo. Dabei knetete er seine Hände. Seinen Gesichtsausdruck konnte man als zerknirscht bezeichnen. Das Papiertaschentuch hatte er in den Abfalleimer geworfen. Wahrscheinlich war es nass gewesen von seinem Schweiß. »Die Liste kommt gleich.«

Er zündete sich eine neue Zigarette an und nahm ein neues Papiertaschentuch aus der Verpackung.

Ich nickte.

Milo sagte: »Die gesamte Branche wurde von Ihnen versorgt. Ob es sich nun um Wurstfabriken, Gelatinehersteller, Verarbeiter von Geflügelfleisch, Pizzahersteller und was weiß ich noch alles handelte. Was kostet eine Tonne von dem Fleisch, das Sie als für Menschen genießbar verkaufen.«

»Im Durchschnitt vierhundertfünfzig Dollar.«

»Und was kostet eine Tonne Fleisch, das in die Produktion von Hunde- und Katzenfutter geht?«

»Etwa hundertfünfzig Dollar.«

Milo schaute mich vielsagend an. Ich ahnte, was er sagen wollte, nämlich dass man an Hand der Abrechnungen wohl feststellen würde können, welche Art von Fleisch Douglas an die verarbeitenden Betriebe geliefert hatte.

Milo fragte: »Was haben Sie für die Tonne Fleisch bezahlt?«

»Dreihundertfünfzig Dollar, manchmal dreihundertsiebzig, je nachdem. Fleisch, das in die Erzeugung von Tiernahrung geht, würde allenfalls fünfundsiebzig Dollar kosten. Ich kann alles belegen. Allerdings müssen Sie sich an Ihre Kollegen vom Police Department wenden. Die haben sämtliche Unterlagen beschlagnahmt.«

»Dann bekommen wir sie auch auf den Tisch«, sagte ich.

Ich war skeptisch. Wenn Douglas Dreck am Stecken hatte, hatte er sicherlich mit gefälschten Rechnungen gearbeitet. Und sicher handelte es sich um derart gute Fälschungen, dass wir Mühe haben würden, sie ihm nachzuweisen.

Nun, das mussten wir auf uns zukommen lassen.

»Ich würde doch niemals Fleisch, das für den menschlichen Verzehr ungeeignet ist, in die Lebensmittelproduktion einschleusen«, beteuerte Douglas händeringend. »Ich habe Fleisch gekauft und weiterverkauft, das absolut unbedenklich war. Was glauben Sie, Gentlemen: Ich bin fast aus allen Wolken gefallen, als die Polizei bei mir auftauchte und meinen Betrieb durchsuchte.«

»Es wurden bei der Betriebsdurchsuchung Container gefunden, in denen sich Fleischabfälle befanden, die als unbedenklich deklariert waren.«

Douglas schnappte nach Luft, fast weinerlich rief er: »Man hat mich betrogen, hereingelegt! Ich war es nicht, der die Container deklarierte. Ich habe das Fleisch als saubere Ware gekauft und den entsprechenden Preis dafür bezahlt.«

»Das werden wir überprüfen«, versetzte ich. »Wir werden auch die Polizei in Mexiko, Brasilien, Peru, Argentinien – von wo Sie auch immer Ihr Fleisch bezogen haben – einschalten. Am Ende werden wir wissen, wer für das ekelerregende Zeug in einer Reihe von Nahrungsmitteln verantwortlich ist.«

Douglas‘ Kiefer mahlten. Es sah aus, als bewegte er einen Kaugummi zwischen den Zähnen. Seine Augen flackerten. Für mich ein Zeichen von Unruhe. Irgendeinen Schluss wollte ich daraus jedoch nicht ziehen. Es war möglich, dass er tatsächlich selbst ein Betrogener war.

Es dauerte nicht lange, dann kam eine nicht mehr ganz taufrische, wenn auch nicht unattraktive Lady durch die Verbindungstür zum benachbarten Büro herein. Sie war eine schlanke Mittvierzigerin und hielt einen ganzen Packen Papier in den Händen. Mir schwante Schlimmes. Sie reichte das Bündel ihrem Chef. »Die Liste«, sagte sie.

»Danke.« Die Stimme von Douglas klang belegt. Er blätterte das Bündel Papier durch. Ich schätzte, dass es sich um dreißig Seiten handelte, die er jetzt zu seinem sauberen Packen zusammenschob und mir reichte. Ich warf einen Blick darauf und stellte fest, dass die Betriebe ohne besondere Ordnung aufgeführt waren. Sie waren weder alphabetisch, noch nach Wirtschaftszweigen, noch nach Betriebssitz gegliedert.

Ich rollte den Packen Papier zusammen und nahm ihn in die linke Hand, erhob mich und sagte: »Sie hören wieder von uns, Mr. Douglas. In den nächsten Tagen sind wir schätzungsweise mit der Auswertung dieser Listen beschäftigt. Wissen Sie, was ich seltsam finde?«

»Was?«

»Sie bezogen Fleisch aus Mexiko, Brasilien, Argentinien, Peru, Kolumbien …«

Er unterbrach mich. »Was ist komisch daran? Sicher kommen noch ein paar Länder hinzu.«

»Sicher. Es handelt sich um Betriebe, die in keiner Weise miteinander in Verbindung stehen. Es erscheint komisch, dass einige von ihnen dieselbe Idee gehabt und Abfallfleisch umdeklariert haben sollten.«

Douglas zog den Kopf zwischen die massigen Schultern. Er schniefte. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass er auf seinem Stuhl schrumpfte. »Ich kann Ihnen nichts sagen, außer, dass ich unschuldig bin an dem Skandal.«

»Haben Sie schon einen Rechtsanwalt?«

»Ja. John Oehler von der Kanzlei Miller & Partner, Manhattan. Er nimmt die Interessen meines Betriebes wahr und ich habe ihn auch in dieser Sache eingeschaltet. Du lieber Himmel! Mein Geschäft ist ruiniert. Finden Sie die Schuldigen, G-men, damit ich jemand habe, an den ich mit Schadenersatzforderungen herantreten kann. Kein seriöser Lebensmittelhersteller wird mit mir noch Geschäfte abschließen wollen.«

Auch Milo hatte sich erhoben. »Fürs Erste werden Sie sowieso keinen Ihrer Geschäftspartner mehr beliefern. Bis zum Abschluss der Ermittlungen bleibt Ihr Betrieb nämlich geschlossen.«

Douglas duckte sich, als hätte Milo nach ihm geschlagen. Seinen Gesichtsausdruck konnte man als weinerlich bezeichnen.

Wenn er unschuldig war, dann gehörte ihm mein Mitgefühl. Es war wohl tatsächlich so, dass er im Großraum New York und darüber hinaus mit seinem Geschäft kein Bein mehr auf den Boden bringen würde.

»Was hältst du von ihm?«, fragte mich Milo, als wir im Wagen saßen und in Richtung Federal Office fuhren.

»Schlecht zu sagen. Leider kann man es keinem vom Gesicht ablesen, ob er ein Gauner ist oder nicht. Es erscheint mir jedoch in der Tat ausgesprochen merkwürdig, dass mehrere Lieferanten unabhängig voneinander die Fleischabfälle als genießbare Ware auf die Reise geschickt haben sollen.«

»Ich denke, dass Douglas den Reibach seines Lebens gemacht hat«, murmelte Milo. »Die Frage ist, ob verarbeitende Betriebe in der Sache mit drin stecken, oder ob er ihnen die verdorbene Ware untergejubelt hat.«

»Die Frage ist, wo das Abfallfleisch umdeklariert wurde. Bereits beim Versand, während des Transportes, oder hier in New York, nachdem es beim Adressaten angekommen war. Wenn Douglas die Sache durchgezogen hat, dann ist es wohl so, dass er ungenießbare Fleischabfälle zu einem niedrigen Preis aufgekauft und sie mit horrendem Gewinn weiterverkauft hat. Die Tonne, für fünfundsiebzig Dollar gekauft und für vierhundertfünfzig an den Mann gebracht, bringt dreihundertfünfundsiebzig Dollar Gewinn. Bei tausend Tonnen sind das dreihundertfünfundsiebzigtausend Dollar, die er am Finanzamt vorbei in seine Tasche wirtschaftet. Mehrere tausend Tonnen sollen nach der anonymen Anzeige schon verschoben worden sein. Wie schnell ist da eine Million beisammen?«

»Teufel, Teufel«, murmelte Milo.

2

Wir beschlossen, uns zunächst einmal mit den Betrieben im New Yorker Großraum zu beschäftigen, die von Jacob Douglas beliefert worden waren.

Es waren eine ganze Reihe von Unternehmen, von denen vier innerhalb des Stadtbereichs lagen. Da waren eine Wurstfabrik in Brooklyn, ein Betrieb in Queens, der Hühnersuppen herstellte, ein Pizzahersteller in Manhattan und eine Fabrik, in der Hamburger und andere Fleischerzeugnisse für eine Fast-Food-Kette erzeugt wurden. Sie lag ebenfalls in Queens.

Die Wurstfabrik fassten wir zuerst ins Auge. Sie hatte den Namen Carrington‘s Sausage Industries und lag in Brooklyn, in der Bedford Avenue.

Es war ein Betrieb mit mehreren Gebäudekomplexen. Die Verwaltung war in einem eigenen Komplex untergebracht. Wir wussten, dass der Besitzer der Fabrik Henry Carrington hieß. Nachdem wir uns telefonisch angekündigt hatten, wussten wir auch, dass er sich im Betrieb befand.

Wir meldeten uns im Sekretariat an, und wenig später wurden wir zum großen Boss vorgelassen. Groß im wahrsten Sinne des Wortes. Der Bursche war mindestens eins-neunzig, wuchtig, aber nicht fett. Er verfügte über ein offenes Gesicht, das von einem Paar blauer Augen beherrscht wurde, sein Mund war breit und dünnlippig, sein Kinn verriet Energie und Willensstärke. Dieser Mann – er mochte fünfzig sein – verströmte ein hohes Maß an natürlicher Autorität.

»Nehmen Sie Platz«, lud er uns ein und deutete auf den runden Besuchertisch in der Ecke, um den fünf Stühle gruppiert waren. »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Kaffee, Tee vielleicht?« Seine Stimme klang polternd. Es war die Stimme eines Mannes, der es gewohnt war, anzuschaffen, Befehle zu erteilen, Anweisungen zu geben. Ein Boss!

Wir lehnten dankend ab. Ich kam sogleich auf den Grund unseres Besuches zu sprechen. »Aufgrund einer anonymen Anzeige wurde bekannt, dass die Firma Douglas Lebensmittelhersteller in ganz Amerika mit Fleisch belieferte, das allenfalls noch für die Produktion von Hunde- und Katzenfutter geeignet war. Diese Abfälle fanden Verwendung in der Herstellung von menschlichen Nahrungsmitteln. Auch Ihr Betrieb kaufte von Douglas Ware.«

Carrington nickte wiederholt. »Ja, ich habe davon gehört, und mir ist klar, dass wir mit Douglas einen Liefervertrag haben. Ich darf gar nicht dran denken. Carringtons Wurst hat einen Namen weit über die Grenzen New Yorks hinaus. Ich liefere sogar nach Kanada und Mexiko. Natürlich habe ich veranlasst, dass der Vertrag mit Douglas sofort gekündigt wird. Die Kanzlei, die mich vertritt, ist bereits eingeschaltet. Wenn mein Betrieb mit schlechter Ware bedient wurde, werde ich Schadenersatz fordern. Der geschäftsschädigende Aspekt für den Fall, dass in unserer Wurst ungenießbares Fleisch verarbeitet wurde, ist noch gar nicht abzusehen.«

Ich beobachtete Carrington. Seine Erregung schien mir nicht gespielt zu sein. Wenn doch, war er reif für den Oscar, dieses kleine vergoldete Männchen, hinter dem unsere Schauspielstars her waren wie der Teufel hinter der armen Seele.

»Was haben Sie für die Tonne Fleisch bezahlt?«, fragte ich.

»Dazu muss ich mir erst die Unterlagen bringen lassen.« Er telefonierte kurz, dann sagte er: »Man bringt mir die Sachen. Es dauert nur wenige Minuten.«

»Erzählen Sie uns etwas über die Wurstproduktion«, bat ich.

»Ich kann Sie durch den Betrieb führen«, bot er sogleich an. »Dann können Sie sich gleich selbst ein Bild davon machen, dass es bei uns hundertprozentig sauber und hygienisch zugeht.«

Ich lächelte. »Das ist nicht nötig. Das eine schließt das andere nicht aus.«

Seine Brauen schoben sich zusammen. Seine Augen funkelten kriegerisch. »Was soll das heißen?«, fragte er scharf.

»Wenn man Ihnen schlechtes Fleisch untergeschoben hat, kann das durchaus in einer absolut einwandfreien Umgebung verarbeitet worden sein.«

Carrington entspannte sich. »Sie haben Recht. Die Sache nimmt mich ziemlich mit.« Er fuhr sich mit der linken Hand über die Augen. »Wir arbeiten mit allen Sorten von Fleisch. Geflügel, Schweine- und Rindfleisch. Vom ordnungsgemäßen Zustand des Fleisches überzeuge ich mich natürlich nicht selbst. Dafür habe ich meine Leute.«

»Wer ist in Ihrem Betrieb dafür zuständig?«

»Dee Allison. Ein Mann, der früher eine eigene Metzgerei besaß, der aber aus wirtschaftlichen Gründen aufgab und den ich seitdem beschäftige. Er ist ein Fachmann und über jeden Zweifel erhaben. Wenn er irgendwelche Ungereimtheiten festgestellt hätte …«

Carrington brach ab. Er setzte wohl voraus, dass wir aus seinen nicht ausgesprochenen Worten die richtigen Schlüsse zogen.

»Mit Allison hätten wir uns auch gerne unterhalten«, sagte ich.

Wortlos griff Carrington erneut zum Telefon. »Schicken Sie Allison zu mir«, hörte ich ihn sagen. »Gleich. Es ist wegen des Fleischskandals. – In Ordnung. Er soll schnell machen und kommen. Bei mir sind zwei FBI-Leute.«

Er legte auf. »Allison kommt sofort. Natürlich habe ich mich schon mit ihm unterhalten. Er hat mir versichert, dass Douglas an uns nur erstklassige Ware geliefert hat. Soweit mir erinnerlich, haben wir uns im Liefervertrag Fleisch der Güteklasse eins und zwei ausbedungen. Allison überprüft die Lieferungen stichprobenartig. Wir unterliegen auch, wie Sie sich denken können, der Lebensmittelkontrolle. Von Zeit zu Zeit erscheinen Veterinäre …«

Wieder brach er ab. Es schien eine Angewohnheit von ihm zu sein, seine Sätze nicht zu Ende zu sprechen und es der Fantasie seiner Zuhörer zu überlassen, sich zusammenzureimen, was er sagen wollte.

Ein junger Bursche brachte einen Ordner und reichte ihm Carrington. Dieser bedankte sich, legte ihn vor sich auf den Schreibtisch und schlug ihn auf. Der Bedienstete verschwand. »Da ist der Vertrag. Ich kann Ihnen gerne eine Kopie davon anfertigen lassen.«

»Daran wäre uns sehr gelegen«, sagte Milo.

Wortlos blätterte Carrington in dem Ordner herum. Dann sagte er: »Nach den letzten Verhandlungen belief sich der Preis für eine Tonne Fleisch, das wir von Douglas bezogen, auf vierhundertsechzig Dollar. Diesen Preis haben wir bezahlt. Die letzte Lieferung war vor zehn Tagen, es handelte sich zum hundert Tonnen Schweinefleisch und hundert Tonnen Rindfleisch.«

»Geben Sie uns den Ordner mit«, forderte ich. »Wenn wir ihn ausgewertet haben, kriegen Sie ihn auch ganz bestimmt wieder. Im Moment brauchen Sie ihn sicherlich nicht.«

»Bitte.« Carrington schlug den Ordner zu und reichte ihn mir. »Das ist sicher einfacher, als von jedem Beleg eine Kopie zu fertigen.« Er grinste starr, ein aufgesetztes Grinsen. Sicher war ihm nicht nach Grinsen zumute.

Dann warteten wir.

»Darf ich Ihnen nicht doch Kaffee oder Tee anbieten?«, fragte Carrington dazwischen einmal.

»Wirklich nicht nötig.«

»Warum braucht dieser Allison so lange?«, fragte Milo einmal.

»Er hat eine Besprechung mit den Vorarbeitern«, erwiderte Carrington. »Aber ich denke, er kommt gleich.«

Da klopfte es auch schon an die Tür, sie wurde geöffnet, ein Mann streckte den Kopf herein. Er war schwarzhaarig, mittelgroß und untersetzt und mit einem grauen Anzug bekleidet. Sein hellblaues Hemd wurde am Hals von einer rot-blau-getupften Krawatte zusammengehalten.

»Kommen Sie herein, Allison!«, sagte Carrington.

Der Mann betrat das Büro. Er musterte uns unverhohlen. Ich erhob mich und hielt ihm die rechte Hand hin. »Special Agent Trevellian, FBI New York. Mein Kollege Tucker. Wir ermitteln wegen des Fleischskandals.«

»Ich habe in den Medien davon gehört«, erklärte Dee Allison. »Eine Schweinerei sondergleichen. Mr. Carrington und ich haben schon darüber gesprochen. Wir haben Liefervereinbarungen mit Jacob Douglas.«

»Davon wissen wir. Darum geht es, darum sind wir hier. Es ist zu befürchten, dass auch Ihnen Fleischabfälle als genießbares Fleisch angedreht wurden.«

Allison warf sich in die Brust. »Ausgeschlossen! Ich überprüfe jede zweite Warenlieferung. Wir haben von Douglas nur Güteklasse eins und zwei geliefert bekommen. Dafür stehe ich mit meinem Namen gerade.«

»Kann man mit dem bloßen Auge überhaupt erkennen, um welche Güteklasse es sich handelt?«, fragte Milo.

»Ein Laie erkennt keinen Unterschied, es sei denn, das Fleisch würde schon von Maden wimmeln oder stinken«, versetzte Allison. »Aber ich«, er tippte sich mit dem Daumen selbstbewusst gegen die Brust, »erkenne den Unterschied. Das Fleisch, das wir von Douglas erhielten, war einwandfrei.«

»Wir werden eine Betriebsdurchsuchung durchführen«, so wandte ich mich an Carrington.

Er zuckte mit den Achseln. »Nichts dagegen einzuwenden. Es kommt mir sogar sehr gelegen. Vielleicht brechen die Verkaufszahlen nicht ganz so drastisch ein, wie wir annehmen, wenn das FBI bestätigt, dass wir mit sauberem Fleisch gearbeitet haben.«

Wir hatten uns ein Bild von Carrington und Allison machen können und verabschiedeten uns wenig später. Ich trug den Ordner unter dem Arm, den mir Carrington zur Verfügung gestellt hatte.

3

Wir besuchten nacheinander die Betriebe in New York, die von Douglas mit Fleisch beliefert wurden. Das waren Chickens delicate Meal Ltd. in Queens, Dougherty‘s Pizza in Manhattan, Waverly Street, sowie Warner‘s Meat Production in Queens.

Wir kamen nicht weiter.

Da ging bei der Morning Post wieder ein anonymer Brief ein. Diesmal lagen drei Bilder mit in dem Kuvert, aufgenommen mit einer Sofortbildkamera. Sie zeigten Container, die voller Fleischstücke waren, dazu Werkzeuge wie Schaufeln und Forken, blutbesudelt, ekelerregend, abstoßend. Ein paar Gummistiefel standen neben den Werkzeugen. Blutig bis hinauf zum Schaft. Auf dem Begleitschreiben standen die Worte: »Sehen Sie genau hin.«

Es sah aus, als hätte jemand tote Tierkörper in einen Reißwolf gegeben und das, was herauskam, in den Containern aufbewahrt. Ich hatte das Gefühl, als würde mir übler Verwesungsgeruch in die Nase steigen. Aber das war natürlich nur Einbildung.

Mir drehte sich der Magen um, und ich schwor mir, Vegetarier zu werden. Und die Werkzeuge! Es waren zwei Schaufeln und eine Forke. Sie lehnten nebeneinander an einer Wand. Blut und Fleischreste klebten an den Schaufelblättern, die Zinken der Gabel waren ebenfalls blutverschmiert, an einem hing noch ein Stück Haut oder Schwarte.

Ich schaute genau hin, so wie der anonyme Schreiber der Nachricht es gefordert hatte. Und da sah ich in einer Ecke des Raumes, in dem die Bilder aufgenommen worden waren, gefüllte Plastiksäcke mit einer Aufschrift, die ich allerdings nicht lesen konnte, weil sie zu klein war.

Ich besorgte mir ein Vergrößerungsglas, aber auch das nützte nichts. Also überließ ich das Bild dem Erkennungsdienst. Zwei Stunden später hatte ich das Ergebnis. Auf den Säcken stand: Jacob Douglas‘, Meat Wholeshale Dealer.

Wir hatten natürlich die Protokolle gelesen, die vom Police Department bezüglich der Betriebsdurchsuchung angefertigt worden waren. Da war auch ein Bericht des Vertreters des Veterinäramtes. Er schrieb davon, dass die hygienischen Verhältnisse in Douglas‘ Betrieb sehr zu wünschen übrig gelassen hätten.

Ich sprach mit Milo darüber.

»Das scheint mir sehr vornehm und ausgesprochen zurückhaltend formuliert zu sein«, knurrte Milo und lachte sarkastisch auf. »Die hygienischen Verhältnisse ließen sehr zu wünschen übrig.« Seine Brauen hoben sich. »Wenn du mich fragst, dann war das Wort Hygiene bei Douglas ein Fremdwort. Sieh dir nur die Bilder an. Sie sprechen für sich.«

»Sind aber kein Beweis, dass es sich um Fleischabfälle handelte«, sagte ich. »Wer mag der anonyme Anzeigeerstatter sein?«

»Jemand, der wahrscheinlich sauer ist auf Douglas. Vielleicht ein ehemaliger Mitarbeiter.«

»Fahren wir zu Douglas«, schlug ich vor. »Gehen wir die Liste seiner Angestellten durch und jener Leute, die er in letzter Zeit gegebenenfalls auf die Straße gesetzt hat.«

Wir fuhren in die Cherry Street und trafen Douglas an. Nachdem er sich die Bilder angeschaut hatte, sagte er: »Ich weiß. Einige meiner Leute haben die einschlägigen Bestimmungen ziemlich locker gehandhabt. Und ich habe zu wenig auf die Einhaltung geachtet.« Seine Stimme hob sich. »Sobald wir wieder den Betrieb aufnehmen, werde ich persönlich dafür sorgen, dass die Hygienevorschriften peinlichst genau beachtet werden.«

»Wir hätten gerne eine Aufstellung mit den Namen Ihrer Beschäftigten, Mr. Douglas«, sagte ich. »Haben Sie in letzter Zeit jemand entlassen, der Ihnen deswegen vielleicht nicht grün ist?«

Sein Gesicht verschloss sich, über seiner Nasenwurzel bildeten sich zwei steile Falten. Er nickte, dann knurrte er: »Ich erinnere mich im Moment nur an einen Mann, den ich fristlos feuerte. Andrew Holman ist sein Name. Bei mir im Betrieb herrscht absolutes Alkoholverbot. Er kam betrunken zur Arbeit und brachte in seiner Brotzeittasche einige Dosen Bier mit.«

»Wo wohnt Holman?«

Douglas gab sich genervt. Er nahm den Telefonhörer zur Hand, tippte eine Nummer, wir hörten das Freizeichen, dann sagte der Fleischgroßhändler: »Suchen Sie mir die Adresse Holmans heraus. Das ist der Kerl, den ich vor etwa zwei Wochen gefeuert habe.« Nach einer Weile tönte er: »East Village, elfte Straße, Nummer dreihundertachtundfünfzig. Danke, Mabel.«

Milo notierte sich die Anschrift. Wenig später hatten wir auch eine Lohnliste der Firma in Händen. Ich schaute mir die Liste an. Douglas beschäftigte über ein Dutzend Leute, und jeder von denen kam als anonymer Briefschreiber in Frage.

»Sieht das Fleisch immer so aus, wenn Sie es geliefert bekommen?«, fragte Milo gedehnt. »Ich meine, es liegt wie Kraut und Rüben in dem Container, sieht aus, als wäre es durch den Reißwolf gegangen.«

»Ich weiß«, versetzte Douglas. »Es ist nicht gerade appetitlich. Aber so ist das nun einmal. Es ist Fleisch, das nicht in Portionen verkauft werden kann. Meist handelt es sich um Karkassen, also Knochenfleisch, aus dem zum Beispiel so genanntes Separatorenfleisch gepresst wird, welches zum Beispiel in Hühnerbrühe und Press-Putenschnitzeln, auf Tiefkühl-Pizzen, in Tortellini und Ravioli, Geflügel-Nuggets und Wurst verwendet wird.«

Wir packten die Bilder wieder ein.

Zuerst wollten wir uns mit Andrew Holman unterhalten. Wir fuhren also in die 11. Straße. Das Verkehrsaufkommen in Südmanhattan war wieder einmal katastrophal. Ein Hupkonzert erfüllte die Straßen. Urinstinkte schienen freigesetzt worden zu sein. Auf New Yorks Straßen war sich wieder einmal jeder selbst der Nächste. Es war ein Kampf jeder gegen jeden.

Wir kämpften uns durch. Holman war zu Hause. Er war um die Vierzig und wohnte in einer Kellerwohnung. Der Bursche war mit einer abgewetzten, schmutzigen Jeans bekleidet und trug am Oberkörper nur ein ehemals weißes Unterhemd. Holman war unrasiert. Entweder hatte er sich an diesem Tag noch nicht gekämmt, oder er trug eine von diesen neumodischen Frisuren, die einer Menge Gel bedurften, um besonders unordentlich auszusehen. Und er hatte eine Fahne, die mich fast umgehauen hätte. Seine Augen waren gerötet. Er schaute uns mit stupidem Ausdruck an, nachdem ich ihm klargemacht hatte, wer wir waren, und ich war mir plötzlich sicher, nicht den anonymen Briefschreiber vor mir zu haben.

»Können wir reinkommen?«, fragte ich.

»Was will das FBI von mir?«

»Nur ein paar Fragen, Ihren letzten Arbeitsplatz betreffend.«

»Bei Douglas?«

»Genau.«

»Die Pest an Jacob Douglas‘ Hals«, grunzte Holman, dann trat er zur Seite und machte eine einladende Handbewegung.

In der Wohnung roch es, als läge irgendwo ein toter Vogel unter dem Teppich. Auf dem Tisch standen leere Bierdosen und eine halbe Flasche Wodka. Der Aschenbecher quoll über. An der Wand stand ein Bett, das Bettzeug war zerknüllt und verdreckt. Holman hauste hier wie ein Tier.

Ich zog die Bilder aus der Innentasche meiner Jacke und zeigte sie ihm. »Kennen Sie die?«

In seinen geröteten Augen blitzte es auf. Er bohrte seinen Finger ins rechte Ohr, schüttelte ihn einige Male, zog ihn wieder heraus und sagte: »Sieht aus wie bei Douglas. Man muss schon einiges vertragen können, um dort zu arbeiten. Irgendwelche Fertigfleischprodukte rührst du allerdings nicht mehr an, wenn du weißt, wie es dort zugeht.«

»Haben Sie diese Bilder fotografiert?«, fragte Milo.

»Ich?«, tat Holman erstaunt. »Womit denn? Glauben Sie, ich besitze eine Kamera? Wie käme ich außerdem dazu? Bin froh, die Sauerei nicht mehr sehen zu müssen. Ich empfehle jedem Übergewichtigen, einen Monat bei Douglas zu arbeiten. Eine bessere Diät kann er sich gar nicht wünschen.«

»Dürfen wir uns ein wenig in Ihrer Wohnung umsehen?«

Er schaute mich trotzig an. »Haben Sie einen Durchsuchungsbefehl?«

»Nein. Den brauchen wir nicht. Haben Sie denn etwas zu verbergen?«

Er blies die Backen auf, stieß die Luft aus, wandte sich ab und griff nach der Wodkaflasche. »Schauen Sie sich um. Aber machen Sie sich die Hände nicht schmutzig.« Er lachte glucksend, wie über einen guten Witz, schraubte die Flasche auf, trank einen Schluck.

Dieser Kerl war abstoßend. Irgendwie passte er zu den Fleischcontainern auf den Bildern.

Kurz und gut, wir fanden keine Kamera, mit der man Sofortbilder schießen hätte können.

»Was können Sie uns über den Betrieb von Douglas berichten?«, fragte ich.

»Nichts, außer, dass mir dort täglich der Appetit verdorben wurde. Diese blutigen Fleischreste … Manchmal krochen schon die Maden heraus. Um Douglas sollte sich mal die Lebensmittelkontrolle kümmern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dort alles mit rechten Dingen vorgeht.«

»Um Douglas kümmert sich das FBI«, sagte ich.

»Er ist ein verdammter Hurensohn, der mich wegen einiger Dosen Bier rausgeschmissen hat, die ich zur Brotzeit und zur Mittagszeit trinken wollte. Von irgendetwas musste sich schließlich leben. Das Essen ist mir vergangen.«

»Wurden die Schaufeln gereinigt und sterilisiert?«, fragte Milo.

»Nein. So wie sie am Abend weggelegt wurden, hat man sie am nächsten Tag wieder benutzt. Ich sage ja …«

»Die Missstände sind uns bekannt. Wissen Sie etwas, ob es sich um Fleischabfälle handelte, die Douglas in den Handel brachte?«

»Sie meinen …«

»Ich meine Fleisch, das in die menschliche Nahrungsmittelkette nicht mehr einfließen hätte dürfen.«

Holman zuckte mit den Achseln. »Für mich sah alles aus wie Fleischabfall.«

Wir verließen den Trinker wieder.

»War er es?«, fragte ich, als wir in Richtung Field Office fuhren.

»Nein. Auf keinen Fall.«

»Dann bleibt es uns nur, sämtliche Angestellten von Douglas zu verhören.«

»Herzlichen Glückwunsch«, kam es sarkastisch von Milo. »Und darüber hinaus einige Dutzend Betriebe, die Douglas beliefert hat. Wir werden Amtshilfeersuchen an so ziemlich jedes Field Office im Lande verfassen müssen.«

»Hoffentlich bekommen wir keinen breiten Hintern vom Sitzen«, verlieh ich meinem Frust Ausdruck.

Zu diesem Zeitpunkt konnte ich nicht ahnen, dass uns der Fall ziemlich auf Trab halten würde.

4

Es war Abend. Zwischen die Hochhäuser Manhattans hatte sich die Dunkelheit gesenkt. Millionen Lichter brannten, Leuchtreklamen erstrahlten in allen Farben. Jacob Douglas schaute fern. Er war geschieden. Im TV wurde ein alter Western mit John Wayne ausgestrahlt. Douglas hatte den Film schon einmal gesehen. Dementsprechend langweilte er sich. Aber die anderen Programme brachten auch nichts Besseres; Wiederholungen, Reportagen, Soaps – alles Sendungen, die Douglas nicht im Mindestens interessierten. Also schaute er John Wayne zu, wie dieser sich schlagend und schießend über die Mattscheibe bewegte.

Douglas zuckte zusammen, als sein Telefon klingelte. Er nippte von dem Whisky, den er sich eingeschenkt hatte, dann stand er auf und ging zum Telefon. »Douglas.«

Sekundenlang herrschte Schweigen im Äther. Dann sagte eine verzerrte Stimme: »Ich habe echtes Beweismaterial. Was ich bisher der Polizei geliefert habe, war sozusagen harmlos. Damit können sie dir kaum etwas am Zeug flicken.«

»Wer spricht da? Was wollen Sie?«

»Wer ich bin, möchtest du sicher gerne wissen. Aber ich werde es dir nicht sagen, Douglas. Was ich will, ist ganz einfach ausgedrückt. Eine Million in kleinen Scheinen. Wenn du nicht zahlst, geht weiteres Material an die Bullen, Material, das dir das Genick brechen wird.«

»Was für Material?«

»Das wirst du dann sehen, wenn sie es dir präsentieren. Aber dann ist es für dich zu spät.«

»Woher soll ich eine Million nehmen?«

»Du hast mit deinen dreckigen Geschäften weit mehr als eine Million verdient.«

»Es gibt gar kein Material.«

»Es gibt eine Liste mit Geschäftspartnern, die die Polizei nicht kennt«, sagte der Anrufer. »Ich habe eine Kopie davon. Wenn ich sie der Polizei zuspiele …«

Douglas knirschte mit den Zähnen. »Diese Liste kannst du nur von Mabel Overholser haben.« Auch Douglas ließ jetzt die Formalitäten weg. Er war hochgradig erregt. Seine Hände zitterten, seine Wangenmuskulatur vibrierte.

»Denk, was du willst, Douglas. Wirst du zahlen?«

Douglas musste zweimal ansetzen. Dann keuchte er: »Okay. Ich zahle. Wann und wo?«

»Ich melde mich wieder.«

Der Anrufer legte auf. Die Stimme war derart verzerrt gewesen, dass Douglas nicht zu sagen vermochte, ob sie einem Mann oder einer Frau gehört hatte.

Er hielt gedankenverloren den Hörer noch eine Weile in der Hand. Dann legte er ihn auf den Apparat und ging zur Couch, ließ sich nieder, griff nach dem Glas und trank es mit einem Schluck leer. Die scharfe Flüssigkeit rann durch seine Kehle und ließ ihn hüsteln. Tränen traten ihm in die Augen.

Nach und nach beruhigte er sich wieder. Und plötzlich blitzte es in seinen Augen auf. Er ging zu dem Board, auf dem das Telefon stand, öffnete eine Schublade und holte sein Adressbuch hervor, blätterte darin, dann pflückte er den Hörer vom Gehäuse und tippte eine Nummer. Das Freizeichen ertönte, dann ertönte der Anrufbeantworter. »Hier ist der Anschluss von Mabel Overholser …«

Douglas legte auf. Einen Moment hatte er seine Sekretärin in Verdacht. Sie hatte Zugang zu allen geschäftsinternen Daten, sie kannte auch die Liste, von der der Anrufer gesprochen hatte. Mabel war eingeweiht. Hatte sie mit jemandem darüber gesprochen? Sie war alleinstehend. Er zahlte ihr ein Gehalt, von dem andere Sekretärinnen nur träumen konnten. Sollte sie ihm in den Rücken gefallen sein?

Douglas war es plötzlich ziemlich unbehaglich zumute. Sie hatte ihn in der Hand. Wenn sie nicht mehr mitspielte, war er geliefert. Er holte noch einmal sein Adressbuch hervor. Dann wählte er die Handynummer seiner Sekretärin. Sie meldete sich sogleich. Douglas sagte: »Ich hab schon versucht, Sie zu Hause zu erreichen, Mabel.«

»Ich bin im Kino. Am Broadway. Was wollen Sie denn von mir, Mr. Douglas?«

Er lauschte der Stimme hinterher. Hatte sie Ähnlichkeit mit der verzerrten Stimme von vorhin? Er konnte es nicht bejahen, wollte es aber auch nicht ausschließen. Nur Mabel wusste Bescheid. Oder hatte sie die Liste einem Dritten weitergereicht? Siedend durchfuhr es Douglas. Er räusperte sich, gab sich etwas verlegen und sagte: »Verzeihen Sie, Mabel. Ich fühle mich einsam und wollte Sie zum Essen einladen. Ich – ich sehne mich nach einem gemütlichen Abend. Seit meiner Scheidung …«

Er unterbrach sich.

»Der Film ist um zehn Uhr zu Ende«, gab Mabel Overholser zu verstehen. »Wir können uns gerne treffen. Ich bin zu Fuß die paar Schritte von meiner Wohnung zum Broadway gegangen. Holen Sie mich ab?«

»Welches Filmtheater?«

Sie sagte es ihm. Nachdem er aufgelegt hatte, überlegte er, dann holte er das Telefonbuch, blätterte darin herum, und hatte schließlich den Namen, den er suchte. Holman – Andrew Holman. Er tippte die Nummer. Die monoton klingende Stimme einer Frau erklärte ihm, dass es unter der gewählten Nummer keinen Anschluss mehr gab. Douglas presste die Lippen zusammen. »Elfte Straße, Nummer dreihundertachtundfünfzig«, murmelte er. Er kannte die Adresse, wenn er den beiden G-men gegenüber auch so getan hatte, als wüsste er nicht, wo Holman wohnte.

Holman war der Sohn der seiner ersten Ehefrau. Von ihr hatte er sich vor über dreißig Jahren scheiden lassen. Holman war damals zehn. Er hatte den Kontakt zu Andrew Holman verloren. Als dieser sich vor einiger Zeit bei ihm meldete, weil er völlig pleite und am Ende war, gab Douglas ihm einen Job. Niemand im Betrieb wusste Bescheid. Er hatte Holman verboten, darüber zu sprechen.

Douglas schaute auf die Uhr. Es war 8 Uhr 35.

Er hatte Zeit. Von einem Augenblick auf den anderen entschloss er sich, und er holte seine Pistole aus dem Schlafzimmer. Eine Beretta Cougar 8000, 950 Gramm schwer, Lauflänge 92 Millimeter, Kaliber 9 Millimeter Luger. Er schob sie in seinen Hosenbund, dann schnappte er sich seine Jacke vom Haken und verließ die Wohnung. Er fuhr in die 11. Straße. Die Kellerwohnung fand er schnell. Obwohl die Jalousie vor dem Fenster heruntergelassen war, konnte er durch die Ritzen Licht sehen. Er klopfte gegen die Tür, weil es keine Glocke gab. Gleich darauf wurde sie einen Spalt breit geöffnet, der rechte Teil von Holman Gesicht war zu sehen, die andere Hälfte wurde vom Türblatt verdeckt.

Verwundert riss Holman die Augen auf. Sie waren gerötet und wässrig. Seine Lippen waren feucht. »Was willst du denn hier?«, fragte er mit alkoholschwerer Zunge. »Willst du mich etwa wieder einstellen? Hast du keinen gefunden, der die Dreckarbeit für dich macht?«

Kurzerhand trat Douglas gegen die Tür. Sie flog nach innen auf. Die Sicherungskette wurde aus der Verankerung gerissen. Holman bekam das Türblatt ins Gesicht und stolperte einige Schritte zurück, einen gurgelnden Ton von sich gebend.

Douglas trat ein. Angewidert schaute er sich um. Am Tisch saß eine Lady, die er nicht mit der Beißzange angefasst hätte. Sie hatte lange, strähnige Haare, ein aufgedunsenes Gesicht, verfügte über einen unförmigen Oberkörper und war offensichtlich ebenso betrunken wie Holman. Auf dem Tisch vor ihr standen eine Flasche Wein und eine fast geleerte Pulle Rumverschnitt. Gläser gab es nicht.

»Hast du bei mir angerufen, du dreckiger Alkoholiker?«

»Ich? Wie käme ich dazu? Von dir habe ich nichts zu erwarten.« Holman lachte nervös auf. »Ich war zwar mal dein Stiefsohn, aber nach der Scheidung von meiner Mutter hast du mich behandelt wie Dreck. Im Dreck hast du mich auch arbeiten lassen. Sind sie etwa dabei, dir die Lizenz zu entziehen? Sperren sie endlich deinen Laden zu? Es wird Zeit, sage ich dir, verdammt Zeit. Wundert mich sowieso, dass sie dich noch nicht eingesperrt haben, nach allem, was vorgefallen ist.«

»Gib mir die Liste? Wie hast du dich in das Vertrauen Mabels geschlichen? Hast du ihr irgendetwas erzählt?«

Holman ging zum Tisch und setzte sich. Er griff nach der Flasche Rum und trank einen Schluck, atmete tief durch und rülpste. »Du redest Unsinn. Einen wie mich hat die arrogante Overholser nicht einmal beachtet.« Holman kniff die Augen zusammen. »Was für eine Liste?«

»Mit der du mich erpressen willst.«

»Was redest du bloß für einen Scheiß, Mann!«

Douglas ging zum Telefon, das auf einem Schränkchen stand, das Holman wohl vom Sperrmüll geholt hatte. Es war weiß lackiert, aber der Lack blätterte schon ab. Auf den Deckel war ein grüner PVC-Belag geklebt. Er nahm den Hörer ab und hielt ihn sich ans Ohr. Es erklang das Besetztzeichen.

»Den Telefonanschluss hat man mir gekappt«, lachte Holman und es klang unecht, wie von weit hergeholt. »Habe die Telefonrechnung nicht bezahlt. Zu verdanken habe ich das dir, du verdammter alter Sack. Eines darfst du mir glauben: Ich schließe dich in meine Nachtgebete ein. Und dass ich dir kein langes Leben bei bester Gesundheit wünsche, kannst du dir wohl denken.«

Douglas legte den Hörer wieder auf, dann griff er in die Tasche, holte seine Brieftasche heraus und entnahm ihr hundert Dollar. Er ging damit zum Tisch und warf das Geld auf die Platte. »Versaufe es nicht!«, mahnte er mit grollender Stimme. »Und wenn du willst, kannst du wieder bei mir anfangen.«

»Ich denke, dein Laden wird geschlossen.«

»Ich werde bald wieder öffnen. Bei dir waren die beiden FBI-Schnüffler. Was hast du Ihnen erzählt?«

»Dass mir in deinem Betrieb das Essen verging.«

»Was noch?«

»Nichts, außer, dass es Zeit wird, dass man den Laden zusperrt. Ich werde nicht wieder bei dir anfangen. Aber es würde dir sicher nicht weh tun, wenn du mich ein wenig unterstützen würdest. Alle Monate ein paar Hunderter …«

»Damit du noch mehr saufen könntest.«

Douglas verließ die Wohnung. Er glaubte selbst nicht mehr daran, dass es sich bei dem Anrufer um Holman handelte.

Mabel Overholser! An sie musste er sich wenden.

Es war 9 Uhr 30. Douglas beschloss, zum Broadway zu fahren. Eine kurze Wartezeit nahm er gerne in Kauf.

5

Der Film war pünktlich um 10 Uhr aus. Douglas stand beim Eingang des Filmtheaters und reckte den Hals, um in der Masse der Menschen, die ins Freie drängten, Mabel zu entdecken. Dann sah er sie. »Mabel!«

Sie hörte ihn und steuerte auf ihn zu. »Es freut mich, dass Sie meine Einladung angenommen haben«, sagte Douglas. »Ich habe im Arizona zweihundertsechs zwei Plätze bestellt. Argentinisches Fleisch …«

Mabel verzog das Gesicht.

»Er lachte. Güteklasse eins, Mabel. Rezepte aus dem Südwesten unseres Landes, und das alles in pikanter lukullischer Mischung.«

»Na schön«, sagte die Frau. »Ich werde mir wohl etwas Fleischloses bestellen.«

Sie fuhren in die 60th Street. Es handelte sich in der Tat um einen noblen Schuppen, in den der Mann die Frau führte. Es ging vornehm und gediegen zu, das Essen mundete vorzüglich, und als sie gegessen und eine Flasche Wein getrunken hatten, fragte Douglas lachend: »Was fangen wir nun an mit dem angebrochenen Abend?«

»Was halten Sie von einer Tasse Kaffee?«, fragte Mabel. »Wir könnten zu mir fahren.«

»Murray Hill, achtunddreißigste Straße.« Douglas lachte. »Sie sehen, ich habe mich kundig gemacht.«

Sie schaute ihn überrascht an.

Er fuhr fort: »Sie haben es vielleicht noch nicht bemerkt, Mabel, aber Sie sind mir nicht gleichgültig. Tag für Tag arbeiten wir eng zusammen. Sie sind eine attraktive Frau im besten Alter, alleinstehend, Ihre Art, sich zu geben, gefällt mir.«

Sie lachte auf. »Jetzt sagen Sie bloß …«

Er nickte. »Lachen Sie bitte nicht über mich. Es ist so. Ich bin tief beeindruckt von Ihnen. Daher auch die Einladung heute.«

In ihren Augen flackerte es. Das Lächeln in ihren Zügen gerann. Sie lehnte sich zurück. War es Misstrauen, das sie verströmte, jähe Zurückhaltung? Vielleicht ging ihr das alles ein wenig zu schnell. Sie sagte: »Was wollen Sie wirklich, Jacob?«

»Nur ein wenig reizende Gesellschaft. Ich schwöre es. Ohne Hintergedanken. Gilt Ihre Einladung noch? Ich meine den Kaffee.«

Jetzt lächelte sie wieder. »Natürlich.«

Sie fuhren zu ihr. Douglas fand einen Parkplatz gleich vor der Tür des Gebäudes, in dem Mabel wohnte. Sie fuhren mit dem Aufzug in die siebte Etage, Mabel schloss die Tür zu ihrem Apartment auf und bat Douglas, einzutreten.

Mabel Overholser schloss die Tür hinter sich. »Machen Sie es sich bequem, Jacob.« Sie wies auf die Polstergarnitur, die um einen niedrigen Glastisch gruppiert war. »Ich gehe in die Küche und koche uns Kaffee.«

Douglas Gesicht veränderte sich von einem Moment zum anderen und verzerrte sich zu einer teuflischen Fratze. Er packte Mabel brutal am Oberarm, schleuderte sie weiter in das Wohnzimmer hinein, folgte ihr und stieß sie in einen der Sessel. Ein erschreckter Ton brach über Mabels Lippen. »Was soll das?«

»Du verdammtes Luder versuchst, mich zu erpressen!«, schnaubte Douglas. »Leugnen ist zwecklos. Du hättest mir nicht mit der Liste drohen dürfen.«

Angst prägte Mabels Gesicht. Ihre Lider zuckten, ihre Lippen begannen zu beben. Zur Angst gesellte sich das Entsetzen, als Douglas die Pistole herausriss und auf sie richtete.

»Raus mit der Sprache! Du hast bei mir angerufen und eine Million verlangt. O verdammt! Dir habe ich also den Zirkus zu verdanken, den das FBI bei mir veranstaltet. Du hast den anonymen Brief an die Morning Post geschickt, du hast denen die Bilder zugespielt.«

Mabel atmete tief durch und versuchte, ihre Angst zu überwinden. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Ihre Hände zitterten. »Wie kommen Sie darauf, Jacob? Ich bitte Sie! Wie käme ich dazu, Sie zu erpressen. Auch Sie sind mir nicht egal. Ich – ich glaube, ich habe mich in Sie verliebt. Ja, so ist es. Der tägliche Umgang …«

»Halt die Fresse!« Barsch schnitt Douglas der Frau das Wort ab. »Du hast die Liste auf eine Diskette überspielt. Diese Diskette wirst du mir jetzt aushändigen, und wir werden die Festplatte deines Computers formatieren.«

»Warum wollen Sie mir nicht glauben?«

Seine linke Hand zuckte vor und fuhr in ihre Haare. Brutal riss er ihren Kopf in den Nacken. Ein Aufschrei entrang sich der Frau. Zum Entsetzen gesellte sich die Verzweiflung. Ihr Mund blieb halb geöffnet.

»Wo ist die Diskette?« Douglas ließ ihre Haare los. Plötzlich hatte er eine andere Idee. »Gib mir dein Handy.«

Die Tasche lag neben ihr im Sessel. Sie öffnete sie und angelte das Mobiltelefon heraus. Er ließ ihre Haare los, nahm mit der Linken das Handy, drückte die Wahlwiederholungstaste und schaute auf das Display, auf dem die angewählte Nummer ausgegeben wurde. »Willst du immer noch leugnen?« Er warf das Handy auf den Tisch.

Mabel schwieg.

Er fuchtelte wild mit der Pistole vor ihrem Gesicht herum. »Rück die Diskette raus!«

Mabel erhob sich und ging mit weichen Knien zu ihrem Computer, der auf einem Metalltisch stand, drückte die Auswurftaste des Diskettenlaufwerks und zog schließlich eine schwarze Diskette aus dem Fach.

»Hast du die Liste auf deinen Computer überspielt?«

Sie nickte.

Douglas riss ihr die Disk aus der Hand und schob sie ein. »Schalte ihn ein.«

Mabel fuhr den Computer hoch. Mit zittrigen Fingern tippte sie ihr Kennwort in das Dialogfeld der Eingabeaufforderung. Sie atmete schwer und stoßweise. Die Angst würgte sie. So sehr sie sich auch den Kopf nach einem Ausweg zerbrach – es schien keinen zu geben. Sie bereute zutiefst, dass sie versucht hatte, sich auch ein Stück von dem großen Kuchen abzuschneiden, den Douglas für sich beanspruchte. Er bezahlte ihr zwar ein überdurchschnittliches Gehalt, aber das war ihr nicht genug gewesen.

Ja, sie hatte versucht, ihn zu erpressen. Jetzt, im Nachhinein, wurde ihr klar, dass er zwangsläufig auf sie kommen musste. Niemand außer ihr wusste etwas von der Liste der Lebensmittelhersteller, die von Douglas mit schlechtem Fleisch beliefert wurden und die gegen entsprechende Preisnachlässe in der schäbigen Inszenierung mitgespielt hatten.

Das Betriebsprogramm des Computers hatte sich aufgebaut. »Wo befindet sich die Datei?«

Mabel klickte sie mit zittriger Hand her. Douglas sah einen Teil der Namen der Betriebe. »Du dreckige Erpresserin!«, knirschte er gehässig. »Aber ich habe dein schmutziges Spiel durchschaut. Weißt du, wie man die Festplatte formatiert?«

»Es – es reicht doch, wenn Sie die Datei löschen.«

»Halt mich nicht für dümmer, als ich vielleicht aussehe. Du hast sicher irgendwo eine Kopie abgelegt. Los, Formatiere das Laufwerk. Du kannst es.«

Mabel nickte. Bei dem Betriebsprogramm handelte es sich um Windows 98. Mabel rief das Dos-Programm auf, tippte den Befehl Format C in die Eingabeaufforderung, dann erfolgten einige Abfragen, und schließlich begann der Computer, sämtliche Programme auf der Festplatte zu löschen.

Douglas stand hinter der Frau. Seine Miene war verschlossen. Der Computer arbeitete. Mabel starrte auf die Mattscheibe. Ihr Herz raste und schlug einen hämmernden Rhythmus gegen ihre Rippen. Ihre Gedanken wirbelten. Und plötzlich schien vor ihren Augen der Raum zu explodieren.

Douglas hatte zugeschlagen. Er donnerte ihr den Lauf der Pistole gegen den Kopf. Sie kippte, ohne einen Laut von sich zu geben, vom Stuhl. Douglas beugte sich über sie und schlug noch zweimal mit aller Gewalt zu.

Dann verließ er die Wohnung. Er hatte sich ein Taschentuch über die Hand gelegt, mit der er den Türknopf benutzte, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen.

6

Mein Telefon klingelte. Es war Douglas. »Meine Sekretärin ist heute nicht zur Arbeit erschienen«, sagte er. »Ich mache mir Sorgen.«

»Haben Sie schon versucht, sie telefonisch zu erreichen?«

»Natürlich. Sie geht nicht ran. Es schaltet sich lediglich der automatische Anrufbeantworter ein.«

»Wir kümmern uns darum. Ist Mrs. Overholser alleinstehend?«

»Ja. – Da ist noch etwas.« Die Stimme von Douglas war herabgesunken. Er räusperte sich.

»Was?«

Ich hörte Douglas‘ harte Atemzüge. Dann presste er hervor: »Ein anonymer Anrufer hat von mir eine Million Dollar verlangt. Wenn ich nicht bezahle, will er der Polizei weiteres Material wegen der Zustände in meinem Betrieb zuspielen. Ich kann mir zwar nicht denken, um welches Material es sich dabei handeln sollte, aber vielleicht sollten Sie sich der Sache einmal annehmen.«

»Hat der Erpresser schon Modalitäten wegen der Geldübergabe genannt?«, wollte ich wissen.

»Nein. Er oder sie wollte sich wieder melden.«

»Er oder sie?«

»Ja. Die Stimme war total verzerrt. Es könnte also auch eine Frau gewesen sein.«

»Wir werden eine Fangschaltung bei Ihnen installieren«, sagte ich. »Sollte sich der Erpresser vorher noch einmal melden, sagen Sie mir unverzüglich Bescheid.«

»Mache ich.«

Wir begaben uns in die 38th Street zu Mabel Overholsers Wohnung. Auf unser mehrmaliges Läuten wurde uns nicht geöffnet. Ich legte mein Ohr an das Türblatt und lauschte. Nichts! Aus der Wohnung drang kein Geräusch. Ich läutete an der Tür des Nachbarapartments. Es handelte sich um eine ältere Frau, die von Mabel Overholser seit mehr als vierzehn Stunden nichts mehr gesehen haben wollte.

»Ich sah Sie gestern Abend gegen halb acht ihre Wohnung verlassen«, erklärte sie uns. »Ich selbst bin um neun Uhr zu Bett gegangen. Eine Viertelstunde vorher nahm ich zwei Schlaftabletten, um einschlafen zu können, und so ist mein Schlaf ziemlich tief. Morgens höre ich sie immer im Badezimmer. Heute habe ich allerdings nichts von ihr gehört.«

Ein inneres Gefühl sagte mir, dass wir in die Wohnung eindringen sollten, ein Gefühl, das mich noch selten getrogen hatte. Ich forderte Milo auf, die Tür aufzuschließen. Und zwei Minuten später standen wir vor dem Leichnam Mabel Overholsers. Man musste kein Pathologe sein, um auf den ersten Blick festzustellen, dass sie brutal erschlagen worden war. Ihr Kopf war voll Blut, Blutspritzer waren überall am Computer, am Bildschirm, auf dem Schreibtisch, an der Wand. Der Mörder war mit unnachahmlicher Brutalität vorgegangen.

Ich war betroffen. Auch Milo machte einen ziemlich erschütterten Eindruck. Ich rief die Mordkommission an. Es dauerte eine halbe Stunde, dann kamen die Kollegen vom Police Department, die Spurensicherer der SRD im Schlepptau.

Vier Dinge waren sehr schnell klar.

Mabel Overholser musste ihren Mörder mit in die Wohnung gebracht haben.

Der Polizeiarzt stellte fest, dass der Tod bei Mabel Overholser etwa um Mitternacht eingetreten ist.

Die Festplatte des Computers war gelöscht worden.

Falls Mabel Overholser ein Mobiltelefon besessen hatte, war dieses verschwunden.

Ein Vertreter der Staatsanwaltschaft erschien, dann kam auch der Coroner. Für Milo und mich gab es hier nichts zu tun. Wir standen den Kollegen von der Spurensicherung allenfalls im Weg herum.

Unser nächster Weg führte uns in die Cherry Street zu Douglas‘ Fleischgroßhandlung. Douglas war fassungslos, als wir ihm vom gewaltsamen Tod seiner Sekretärin berichteten. Ich beobachtete ihn scharf und versuchte, aus seinen Reaktionen irgendwelche Schlüsse zu ziehen.

»Großer Gott, wer kann Mabel das angetan haben?«, stöhnte er und griff sich an den Kopf. »Sie hat doch keiner Fliege etwas zu Leide getan.«

»Wissen Sie, ob Ihre Sekretärin ein Handy besaß?«

»Heutzutage hat doch jeder so ein Ding«, bekam ich zur Antwort. »Natürlich hatte Mabel ein Mobiltelefon. Warum fragen Sie?«

»Es ist verschwunden. Wir müssen davon ausgehen, dass sie mit ihrem Mörder telefonierte, ehe sie ihn traf.«

Er schüttelte den Kopf. »Ich kann es nicht glauben. Mabel soll tot sein. Diese treue Seele. Keinen Tag krank. Seit zwölf Jahren arbeitet sie für mich. Es – es übersteigt meinen Verstand.«

»Wir würden uns gerne mal den Computer Ihrer Sekretärin ansehen«, sagte Milo.

Wie ernüchtert schaute mich Douglas an; fragend, erwartungsvoll, angespannt. Ich glaubte so etwas wie einen lauernden Ausdruck in seinen Augen wahrzunehmen. »Ihren Computer?«

»Ja.«

Douglas stemmte sich am Schreibtisch hoch. »Folgen Sie mir.« Er ging zur Verbindungstür und betrat das Sekretariat. Hier stand ein Schreibtisch mit einem Bildschirmarbeitsplatz, vernetzt natürlich. Ich fuhr das Terminal hoch, Windows verlangte ein Kennwort, das ich natürlich nicht kannte. Ich beschlagnahmte das Gerät kurzerhand.

»Wo waren Sie in der vergangenen Nacht?«, fragte ich Douglas, als wir wieder in seinem Büro waren. Den Turm des beschlagnahmten Computers hatte ich zu meinen Füßen auf dem Fußboden abgestellt.

Er schaute mich mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Erschrecken an. »Bin ich etwa verdächtig?«

»Wir müssen das gesamte Umfeld Mabel Overholsers überprüfen«, erwiderte ich. »Also, wo?«

»Ich habe bis etwa zehn Uhr fern gesehen. Ein alter Hollywood-Schinken mit John Wayne. Dann bin ich zu Bett gegangen.«

»Haben Sie dafür einen Zeugen?«

»Nein. Ich lebe alleine.«

»Nachbarn vielleicht?«

»Keine Ahnung. Ich wohne in der zweiundfünfzigsten Straße, Clinton, Nummer vierhundertsiebzehn. Sie können meine Nachbarn gerne befragen. Ich habe aber zu niemand Kontakt in dem Haus. Meine Konversation mit den Nachbarn beschränkt sich auf guten Tag und schönes Wetter heute oder ähnliche Floskeln.«

»Das ist doch schon immerhin etwas«, bemerkte Milo.

»Joe Seidler, der das Apartment Nummer vierhundertsieben bewohnt, hat mich übrigens gesehen, als ich von der Arbeit nach Hause kam. Das war so gegen achtzehn Uhr.«

»Wir werden Joe Seidler befragen«, versicherte ich, dann verabschiedeten wir uns.

Wir brachten den Computer zu Craig E. Smith, unseren Computerfachmann, und baten ihn, dass Passwort zu knacken. Er rief mich schon eine Viertelstunde später an und erklärte mir, dass er Zugriff auf die Festplatte des PCs hatte.

Milo und ich checkten den Computer. Er gab nichts her, was für uns von Interesse gewesen wäre. Wir stießen auf die Liste der Betriebe, mit denen Jacob Douglas Lieferverträge abgeschlossen hatte und über die wir bereits verfügten. Da waren Abrechnungen, Geschäftsbriefe, aber nichts, was dazu angetan gewesen wäre, unseren Verdacht gegen Jacob Douglas zu untermauern.

Wir brachten den PC noch am selben Tag in die Firma zurück.

»Schon was Neues?«, fragte Douglas. »Gibt es schon Hinweise auf den Mörder Mabels?«

»Nein.«

»Wozu beschlagnahmten Sie eigentlich den PC?«

»Die Festplatte in Mabels privatem Computer wurde gelöscht. Irgendetwas muss es dort gegeben haben, von dem der Täter wollte, dass es eliminiert wird. Irgendeine bestimmte Datei. Wäre doch möglich gewesen, dass sich eine derartige Datei auch auf Mabels dienstlich genutztem PC befindet.«

»Und, waren Sie fündig?«

»Nein.«

Ich hatte das Gefühl, dass Douglas aufatmete.

Als wir wieder im Wagen saßen und ich uns in Richtung Federal Plaza chauffierte, sagte Milo: »Ich bin davon überzeugt, dass Mabel Overholsers Tod in einem engen Zusammenhang mit dem Fleischskandal steht.«

»Das ist nicht auszuschließen«, erwiderte ich, »muss aber nicht zwangsläufig sein.«

»Es spricht vieles dafür. Vor allem würde mich interessieren, warum der Computer formatiert wurde. Wenn wir das wissen, dann haben wir auch das Motiv für den Mord an Mabel.«

Das Gespräch schlief ein. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Irgendwann ließ ich noch einmal meine Stimme erklingen: »Es gibt Möglichkeiten, gelöschte Dateien wieder herzustellen. Die Kollegen von der Spurensicherung haben da sicherlich Ihre Spezialisten. Wir werden sehen.«

7

Am darauffolgenden Morgen berichteten die Zeitungen von dem schrecklichen Mord an Mabel Overholser. Gegen 10 Uhr 30 klingelte mein Telefon. Ich nahm ab, meldete mich, dann sagte eine lallende Stimme: »Ich habe von dem Mord in der Zeitung gelesen. Ich kann euch sagen, wer Mabel umgebracht hat.«

Es war Andrew Holman. Er schien schon wieder einen über den Durst getrunken zu haben. Kaum vorstellbar, dass er uns weiterhelfen konnte. Dennoch sagte ich: »Dann nennen Sie mir den Mörder, Mr. Holman.«

»Es war Douglas.«

»Wie kommen sie darauf?«, fragte ich.

»Er war vor dem Mord bei mir. Vorgestern Abend, zwischen neun Uhr und neun Uhr dreißig. Jeanette ist mein Zeuge.«

»Wer ist Jeanette?«

»Eine Freundin. Er faselte etwas von einer Liste, die ich herausrücken sollte, von Erpressung, beschimpfte mich und gab mir am Ende hundert Bucks, damit ich meine Telefonrechnung bezahlen kann.«

Ich war wie vor den Kopf gestoßen. »Der Reihe nach«, sagte ich. »Was wollte er von Ihnen. Was für eine Liste?«

»Eine Liste eben. Was weiß ich, um was für eine Liste es sich handelte? Er wollte wissen, auf welche Art und Weise ich mich in das Vertrauen Mabels geschlichen habe.«

In meinem Kopf ratterte es. Es gab eine Liste, im Zusammenhang mit ihr wurde der Name Mabel Overholser genannt, wir hatten einen Mord und eine gelöschte Festplatte. Und da war noch die Erpressung, von der Douglas schon gesprochen hatte und die in enger Verbindung zu der ominösen Liste zu stehen schien. Wenn ich diese Mosaiksteinchen zusammensetzte, kam etwas heraus, was mich regelrecht elektrisierte.

Wir mussten die Liste haben.

Milo, der per Lautsprecher dem Gespräch folgen konnte, schaute mich vielsagend und bedeutungsvoll an.

»Wir kommen zu Ihnen, Mr. Holman«, sagte ich. »Denn wir müssen Ihre Aussage schriftlich fixieren. Eine Frage noch: Wie kam Douglas dazu, Ihnen hundert Dollar zu geben?«

Holman lachte kehlig, dann antwortete er: »Ich war mal sein Stiefsohn. Aber das ist über dreißig Jahre her. Meine Mutter war Douglas‘ erste Frau. Aufgrund dieser alten Familienbande stellte er mich auch ein, damit ich sein stinkendes Fleisch schaufelte. Und er hat mir vorgestern Abend angeboten, wieder bei ihm zu arbeiten.«

»Das ist ja interessant«, murmelte ich, dann bedankte ich mich und versprach, innerhalb der nächsten zwei Stunden bei ihm zu erscheinen.

»Damit fällt der Verdacht eindeutig auf Douglas«, sagte ich. »Es passt alles zusammen. Er wird erpresst. Wahrscheinlich droht der Erpresser, der Polizei eine Liste zuzuspielen, die die illegalen Geschäfte von Douglas beweist. Er nimmt an, dass sich sein ehemaliger Stiefsohn in das Vertrauen Mabel Overholsers geschlichen hat, die diese Liste kennt. Als er merkt, dass Holman nicht den blassesten Schimmer hat, fährt er zu Mabel. Sein Besuch nimmt einen blutigen Ausgang.«

»Reicht das, um einen Haftbefehl zu erwirken?«

»Vielleicht sollten wir den Fisch noch ein wenig an der Angel zappeln lassen«, sagte ich. »Wenn er sich in Sicherheit wiegt, locken wir ihn vielleicht aus der Reserve, und er liefert uns einen besseren Beweis.«

»Ich denke, die Indizien sprechen gegen ihn, und wir sollten ihn aus dem Verkehr ziehen. Doch fahren wir erst zu Holman, damit wir seine Aussage schwarz auf weiß haben.«

Wir brachen sofort auf.

Holman war alleine. Ich fragte ihn nach Jeanette, und er erklärte mir, dass sie eine eigene Wohnung besaß und dort jetzt wohl anzutreffen war. Er bot uns Plätze an, doch ich sagte: »Wir führen die Vernehmung nicht hier durch, Mr. Holman. Ziehen Sie sich ein Hemd und eine Jacke an. Wir bringen Sie ins Field Office. Dort sind wir sicher ungestört.«

»Aber …«

Ich winkte ungeduldig ab. »Wir haben hier keinen Computer, um ein Protokoll zu tippen. Das sehen Sie doch ein.«

»Warum habt ihr keinen Laptop mitgebracht?«

Er holte sich die Flasche Wein, die auf einem Board stand, aber ich folgte ihm und nahm sie ihm weg, ehe er sie an die Lippen setzen konnte. »Jetzt nicht«, sagte ich bestimmt. »Wenn wir Sie vernommen haben, können Sie wieder trinken. Zunächst aber brauchen wir Sie einigermaßen nüchtern.«

»Hätte ich euch Scheißbullen bloß nie angerufen.«

Da begann mein Handy in der Tasche zu vibrieren. Ich nahm es heraus und ging auf Empfang. Es war ein Kollege von der Spurensicherung. Er sagte: »Es ist uns gelungen, die Daten auf Mabel Overholsers PC wieder herzustellen. Dabei sind wir auf eine Datei gestoßen, die für Sie von Interesse sein dürfte. Ich habe Ihnen eine E-Mail mit der Liste als Anhang geschickt. Es sind einige Dutzend lebensmittelherstellender Betriebe, mit einer Übersicht, wann sie welche Mengen Fleisch von Douglas bezogen haben, und was sie dafür bezahlten.«

»Damit haben wir die ominöse Liste«, sagte ich zu Milo, nachdem ich ihn aufgeklärt hatte. »Der Kreis schließt sich. Es war wohl Mabel Overholser, die Douglas zu erpressen versuchte.« Ich schaute Holman an. »Und Sie haben uns bei der Aufklärung des Falles sehr geholfen.«

»Kriege ich eine Belohnung?«

»Wohl kaum.«

Ich war guter Dinge. Wir fuhren sofort ins Federal Building. Holman musste es sich auf dem Rücksitz so bequem machen, wie es die Enge im Fond des Sportwagens zuließ. Im Field Office angelangt brachten wir ihn sofort ins Vernehmungszimmer, einem nüchtern eingerichteten Raum mit einem Tisch in der Mitte, auf dem ein Telefonapparat stand. Weiteres Mobiliar waren vier Stühle und ein Computertisch mit einer Anlage. An den Wänden hingen keine Bilder, lediglich über der Tür hing ein kleines, eisernes Kreuz.

Während Milo bei Holman im Vernehmungsraum blieb und sich ans Telefon klemmte, um eine Schreibkraft aufzutreiben, die das Vernehmungsprotokoll tippte, begab ich mich in unser Büro und rief die Post in meinem elektronischen Postfach ab. Mich interessierte nur die Mail von der SRD. Ich speicherte den Anhang und druckte die Liste sofort aus. Es dauerte eine ganze Weile. Am Ende lag ein ganzer Haufen bedrucktes Papier im Auffangkasten des Druckers.

Sehr schnell konnte ich feststellen, dass Chickens delicate Meal Ltd., Dougherty‘s Pizza, sowie Warner‘s Meat Production mit von der Partie waren. Und ich stieß auch auf den Namen Carrington‘s Sausage Industries.

Ich überflog mit den Augen die Tabelle, die der Firma zugeordnet war und las den jüngsten Eintrag. Danach waren an Carrington‘s am Montag, dem 26. September, 300 Tonnen Fleisch zu einem Preis von 90.000 Dollar geliefert worden. Die Tonne also für 300 Dollar. Fleisch der Güteklasse zwei aber kostete so um die 450 Dollar, wie uns Douglas erklärt hatte. Das Fleisch wurde also weit unter dem regulären Preis verkauft.

Das ließ nur einen Schluss zu. Die belieferten Betriebe wussten Bescheid. Douglas kaufte das für Hunde- und Katzenfutter vorgesehene Fleisch und verkaufte es zu einem Sonderpreis an die lebensmittelherstellenden Betriebe weiter. Sein Reingewinn lag, wenn er die Tonne zu einem Preis von 75 Dollar angekauft hatte, bei 300 Prozent. Und der prozentuale Gewinn, den die Lebensmittelhersteller machten, würde sich auch im dreistelligen Bereich bewegen. Denn sie produzierten zu einem Bruchteil dessen, was sie normalerweise in die Produktion investieren mussten, und verdoppelten oder verdreifachten so ihre Gewinne.

So hatten beide ihren finanziellen Vorteil. Douglas, der das schlechte Fleisch umdeklarierte, die Firmen, die es kauften und verarbeiteten. Der Verbraucher blieb dabei auf der Strecke.

Es galt für uns nur noch, die Verantwortlichen bei den Herstellern, die bei dem Deal mitgemacht hatten, herauszupicken.

Erst aber wollten wir uns um Douglas kümmern. Wir hatten ihn, wie man so sagt, am Kanthaken. Er würde uns nicht mehr auskommen. Und sicher würde er nicht allein den Kopf in die Schlinge stecken. Er würde uns die Verantwortlichen bei seinen Geschäftspartnern sicher nicht verheimlichen.

8

Ich ging in den Vernehmungsraum.

Es dauerte etwa eine halbe Stunde, dann unterschrieb Holman die notwendigen Ausfertigungen des Protokolls, und wir entließen ihn. Er maulte herum, weil er auf eigene Kosten die 11. Straße erreichen musste, ich hielt ihm aber entgegen, dass ihm ein kleiner Spaziergang sicher nichts schaden würde.

»Schnappen wir uns Douglas«, sagte ich. »Ich glaube, mit dem Material das wir haben, unterschreibt uns jeder Richter einen Haftbefehl.«

»Ich will den Haftbefehl dabei haben, wenn wir bei Douglas vorsprechen«, sagte Milo. »Nur so machen wir Nägel mit Köpfen, und es gibt kein langes Palaver mit seinem Rechtsanwalt.«

Ich schien etwas nachdenklich dreinzublicken, denn Milo fuhr fort: »Es ist mir ein inneres Bedürfnis, dem Mann, der – um es drastisch auszudrücken – seinen Mitmenschen zumutete, Dreck zu fressen, den Haftbefehl zu präsentieren. Ihn vorläufig festzunehmen ist mir zu wenig. Ein gerissener Anwalt findet womöglich einen Weg, einen Haftbefehl abzuwenden. Wenn jedoch erst mal einer erlassen ist, ist es nicht mehr so einfach, den Schuft auf freien Fuß zu bekommen.«

Ich war einverstanden. Also sprachen wir bei Mr. McKee vor. Er forderte uns auf, Platz zu nehmen, dann schaute er uns erwartungsvoll-fragend an.

»Es sieht so aus, dass Douglas wissentlich und vorsätzlich mit ungenießbarem Fleisch gehandelt hat, Sir«, begann ich. »Und aller Wahrscheinlichkeit nach ist er auch der Mörder Mabel Overholsers.«

Ich berichtete.

»Das heißt, dass eine Reihe von lebensmittelherstellenden Betrieben die Finger im schmutzigen Spiel haben«, meinte der Chef.

Milo und ich nickten. Ich sagte: »Wir würden Douglas zu gerne gleich einen Haftbefehl präsentieren, Sir. Wenn wir ihn beantragen, kann das dauern, bis er erlassen wird. Wenn Sie aber …«

Ich brach ab.

»Ich kümmere mich darum«, versprach der Chef lächelnd. »Legen Sie mir vor, was Sie an Material zusammengetragen haben, und begründen Sie den Antrag. Dann werde ich meine Beziehungen spielen lassen.«

Zufrieden verließen wir Mister McKee.

*

Wir suchten Henry Carrington von Carrington‘s Sausage Industries in Brooklyn auf. Es konnte nicht schaden, wenn wir noch einiges Material gegen Douglas zusammentrugen, ehe wir zuschlugen. Je fester der Haftbefehl manifestiert war, umso schwerer würde es dem Rechtsanwalt von Douglas fallen, seinen Mandanten gegen Kaution wieder auf freien Fuß zu bekommen.

»Es gibt Beweise, dass Ihr Betrieb ungenießbares Fleisch erwarb und verarbeitete«, eröffnete ich das Gespräch, nachdem uns Carrington gebeten hatte, Platz zu nehmen.

Milo hatte einen schwarzen Bürokoffer dabei, in dem wir die Liste mit den speziellen Kunden Jacob Douglas‘ bei uns trugen.

Carrington schob das Kinn vor und schaute mich an, als hätte ich etwas völlig Blödsinniges von mir gegeben. Sekunden verstrichen, in denen es ihm scheinbar die Stimme verschlug. Dann würgte er hervor: »Welche Beweise?«

»Eine Liste, die wir bei der Sekretärin von Douglas beschlagnahmt haben. Die letzte Lieferung an Sie erfolgte am sechsundzwanzigsten September. Dreihundert Tonnen Fleisch zu einem Preis von neunzigtausend Dollar. Es handelte sich um Fleisch der Güteklasse drei, also Fleisch, das nur noch für die Erzeugung von Tierfutter verwendet werden hätte dürfen. Ware der Güteklasse zwei hätten Sie nicht unter hundertfünfunddreißigtausend Dollar bekommen.«

Milo legte den Aktenkoffer auf seinen Schoß, öffnete ihn, holte die Liste heraus, blätterte den Packen Papier kurz durch, dann begann er zu lesen: »Lieferung am siebzehnten Mai 400 Tonnen, am zwanzigsten Juni vierhundertfünfzig Tonnen, am achtzehnten Juli vierhundertfünfzig Tonnen, am zweiundzwanzigsten August vierhundert Tonnen. Sie haben die Tonne Fleisch zu jeweils dreihundert Dollar aufgekauft.«

Wortlos griff Carrington zum Telefonhörer, nahm ihn, tippte eine Nummer, dann sagte er: »Bringen Sie mir sofort den Frachtschein der Lieferung vom sechsundzwanzigsten September, die wir von Douglas bezogen haben. Ich will auch die Rechnung sehen und den Überweisungsbeleg.«

Es dauerte keine fünf Minuten, dann kam ein Mann von etwa fünfunddreißig Jahren, salopp mit einem Jeansanzug gekleidet, einen goldenen Ring im rechten Ohrläppchen, hochhackige Cowboystiefel an den Füßen, die auf dem Parkettboden ein tackerndes Geräusch verursachten, und brachte einige Papiere.

»Mr. Carter, unser Buchhalter«, stellte Carrington den Burschen vor, und dieser nickte uns zu. Dann gab er seinem Boss ein Papier nach dem anderen und erklärte, um was für ein Dokument es sich jeweils handelte.

Carrington studierte die Papiere ausgiebig, schließlich richtete er den Blick auf mich. »Überzeugen Sie sich selbst, Mr. Trevellian. Sechsundzwanzigster September, dreihundert Tonnen Fleisch der Güteklasse zwei, bezahlt haben wir dafür hundertfünfunddreißigtausend Dollar.«

Er reichte mir die Papiere. Es waren Originale. Nur bei dem Überweisungsbeleg handelte es sich um eine Durchschrift. Ich schaute ziemlich verblüfft drein. Dann entfuhr es mir: »Da ist was faul.«

»Was soll daran faul sein?«, schnappte Carrington. Er war, so schien es, ziemlich aufgebracht. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Wenn sein Betrieb mit ungenießbarem Fleisch gearbeitet hatte und dies publik werden würde, konnte er zusperren. Dann war er fertig. Für ihn ging es also ums Überleben. Der Fleischskandal konnte seinem Betrieb den Todesstoß versetzen. Jetzt schaute Carrington seinen Buchhalter an. »Rufen Sie Allison her.«

Carter wollte schon nach dem Telefon seines Chefs greifen, besann sich aber eines anderen und ging ins Sekretariat, um Allison anzurufen und ihn herzubitten. Gleich darauf erschien er wieder. »Allison kommt sofort.«

Er mutete mich ein wenig bleich an, der gute Mann. Unter seinem linken Auge zuckte ein Muskel. Fahrig strich er sich immer wieder mit Daumen und Zeigefinger über das Kinn.