Thriller Quartett 4065 - Alfred Bekker - E-Book

Thriller Quartett 4065 E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Romane: (499) Trevellian - Schaum vor dem Mund (Alfred Bekker/Pete Hackett) Menetekel des letzten Tages (Alfred Bekker/Pete Hackett) Alte Leichen (Thomas West) Kubinke und die verborgene Wahrheit (Alfred Bekker) Roland Hauser ist geschockt, sein Chef, der Geologe Professor Bewerungen, wurde ermordet – und mit ihm ein Kollege. Als dann ein Mordanschlag auf Hauser stattfindet und weitere Kollegen tot aufgefunden werden, wird er unter Polizeischutz gestellt. In die Ermittlungen mischt sich dann die Gerichtsreporterin Jessica Mangold ein, und plötzlich sind noch mehr Menschenleben in Gefahr.

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Pete Hackett, Alfred Bekker, Thomas West

Thriller Quartett 4065

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Inhaltsverzeichnis

Thriller Quartett 4065

Copyright

​Trevellian - Schaum vor dem Mund

​Menetekel des letzten Tages: Thriller

Alte Leichen

Kubinke und die verborgene Wahrheit

Thriller Quartett 4065

Alfred Bekker, Pete Hackett, Thomas West

Dieser Band enthält folgende Romane:

Trevellian - Schaum vor dem Mund (Alfred Bekker/Pete Hackett)

Menetekel des letzten Tages (Alfred Bekker/Pete Hackett)

Alte Leichen (Thomas West)

Kubinke und die verborgene Wahrheit (Alfred Bekker)

Roland Hauser ist geschockt, sein Chef, der Geologe Professor Bewerungen, wurde ermordet – und mit ihm ein Kollege. Als dann ein Mordanschlag auf Hauser stattfindet und weitere Kollegen tot aufgefunden werden, wird er unter Polizeischutz gestellt. In die Ermittlungen mischt sich dann die Gerichtsreporterin Jessica Mangold ein, und plötzlich sind noch mehr Menschenleben in Gefahr.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER A.PANADERO

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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​Trevellian - Schaum vor dem Mund

Roman von Pete Hackett und Alfred Bekker nach einem Exposé von Alfred Bekker

Ein ehemaliger CIA-Agent stirbt, und seine Frau behauptet, es war Mord. Bei der Obduktion stellt sich eine Infektion mit Tollwut heraus. Wer wählt eine so ungewöhnliche Mordmethode und hat die Möglichkeit, an das Virus heranzukommen? Die beiden FBI Agenten Trevellian und Tucker tauchen in die Geheimnisse der Spionage und des Mordens auf Befehl ein.
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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author /COVER STEVE MAYER
nach einem Exposé von Alfred Bekker
© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
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Alles rund um Belletristik!
1
Es gibt Tage, die sollte es nicht geben.
Finden Sie nicht auch?
Mein Name ist Jesse Trevellian. Ich bin Special Agent des FBI. Und zusammen mit meinem Dienstpartner Milo Tucker und all den Kollegen im Innendienst, versuche ich dafür zu sorgen, dass unsere Stadt nicht in die Hände von Verbrechern gerät.
Manche sagen, dieser Kampf sei sowieso aussichtslos.
Aber wahrscheinlich bin ich ein hoffnungsloser Optimist.
Die Welt ist schlecht.
Das weiß ich.
Aber in diesem einen Punkt bin ich wie die Zeugen Jehovas: Der Umstand, dass die Welt schlecht ist, lässt mich meine Hoffnung nicht aufgeben.
Okay: Manchmal bin ich nahe dran.
Aber nur manchmal.
Als ich an diesem Montagmorgen unser Büro in der 23. Etage des Federal Building an der Federal Plaza in Manhattan betrat, war ich eigentlich recht guter Dinge. Wir hatten am Wochenende einen Gangster dingfest machen können, der über Jahre hinweg den Drogenhandel in Little Italy kontrolliert hatte, und konnten uns sicher sein, dass der zwielichtige Zeitgenosse eine ganze Weile auf Rikers Island gesiebte Luft atmen würde. Das Beweismaterial, das wir sichergestellt hatten, reichte für zwei Jahrzehnte. Außerdem gab es Zeugen. Möglicherweise kam Mord dazu – der begründete Verdacht bestand. Wenn er sich bestätigte, dann sah der Mafioso die Freiheit wohl niemals mehr wieder.
Etwas Schreibarbeit war in diesem Fall noch zu erledigen. Nun ja, es tat mal ganz gut, am Schreibtisch zu sitzen und Sätze zu formulieren, die Staatsanwaltschaft, Gericht und Jury beeindruckten.
Mein Partner Milo war schon anwesend. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, schaute demonstrativ auf die Uhr und fragte: "Auch schon ausgeschlafen?"
"Ha, ha", machte ich.
"Man darf ja wohl noch fragen!”
"Ich bin sogar fünf Minuten zu früh dran.”
"Ach, wirklich? Wahrscheinlich geht deine Uhr vor. Sei‘s drum." Ich winkte ab. "Hast du etwa schon mit dem Schreibkram angefangen?”
"Erinnere mich besser nicht dran.”
"Gibt es was Neues in Sachen Giuseppe Russo?"
Zum besseren Verständnis: Giuseppe Russo war der Mafioso, dem wir am Wochenende das schmutzige Handwerk gelegt hatten.
"Wo denkst du hin?", fragte mich Milo, und es klang fast ein wenig bissig. "Glaubst du etwa, ich habe hier im Field Office den Rest des Wochenendes verbracht? Ich bin gerade mal fünf Minuten anwesend und hab‘ eben erst das Terminal hochgefahren."
"Ein FBI-Agent ist vierundzwanzig Stunden im Dienst", versetzte ich grinsend.
"Gehörst du nicht auch zu dieser Spezies?", fragte Milo mit hochgezogenen Brauen. "Wenn du …"
Er brach ab, weil sein Telefon dudelte. Milo schaute auf das Display und knurrte: "Der Chef. Auf den, denke ich, trifft deine Aussage von eben zu …" Er schnappte sich den Hörer und nahm das Gespräch an. "Guten Morgen, Mister McKee." Milo lauschte kurz, dann sagte er: "In Ordnung. Wir sind schon auf dem Weg."
“Klang wie was Wichtiges.”
“War auch wichtig.”
“Na, dann…”
Er stellte das Telefon in die Station zurück und erhob sich seufzend: "Zum Chef, Partner.”
“Was will er?”
“Zum einen will er wissen, was sich am Samstagabend in Little Italy abgespielt hat, zum anderen hat er was Neues für uns.
“Was?”
“Er hat es als eine pikante Angelegenheit bezeichnet."
“Oh…”
“So hat er sich ausgedrückt.”
Ich brauchte mich also gar nicht erst an meinem Schreibtisch zu setzen.
Milo fuhr den Computer herunter, dann machten wir uns auf den Weg zum Büro des SAC. Er begrüßte uns per Handschlag und bot uns Plätze am Besprechungstisch an, nahm ein dünnes Heft von seinem Schreibtisch, kam ebenfalls zum Konferenztisch, ließ sich nieder und legte die Mappe, die allenfalls zwei Blätter enthielt, vor sich hin.
"Meinen Glückwunsch, Agents", begann er. "Es ist Ihnen gelungen, diesem Wolf im Schafspelz endlich die Maske des Biedermannes vom Gesicht zu reißen."
"Danke, Sir", erwiderte ich. "Ich denke, Russo hat uns lange genug an der Nase herumgeführt. Aber jetzt dürfte er für die nächsten Jahre, möglicherweise sogar bis an sein Lebensende, auf Nummer sicher sein. Das Beweismaterial, das wir gegen ihn in Händen haben, ist hieb- und stichfest. Den paukt kein Rechtsanwalt der Welt mehr heraus."
"Berichten Sie", forderte der Chef.
Milo und ich spielten uns gewissermaßen die Bälle zu. Mal sprach ich, dann mein Partner. Wir benötigten eine Viertelstunde, dann war der SAC vollumfänglich im Bilde.
"Gute Arbeit", lobte er. "Aber etwas anderes habe ich von Ihnen beiden nicht erwartet." Er lächelte in der ihm eigenen Manier. Es verlieh ihm etwas Aristokratisches. "Leider können Sie sich auf Ihren Lorbeeren nicht ausruhen, Gentlemen", fuhr er dann fort und schlug die dünne Mappe auf. Ich hatte richtig geraten. Sie enthielt gerade mal zwei Blätter; Formulare.
Sie sahen aus, wie ein formelles Vernehmungsprotokoll – oder wie der Bericht eines Pathologen.
"Ein mysteriöser Fall", erklärte der Chef. "Es geht um einen Mann namens Brad Glomsky. Er starb nach wochenlangem Siechtum. Da seine Frau vermutet, dass er ermordet – um genau zu sein, vergiftet worden ist, hat man eine Obduktion angeordnet."
"Und es hat sich herausgestellt, dass seine Frau recht hatte", stieß Milo hervor, als der Chef Atem holte.
"Das ist noch die Frage", antwortete Mr. McKee. "Sicher ist jedenfalls, dass er an Tollwut gestorben ist."
"Tollwut ist ein Virus", bemerkte ich. "Er wird in der Regel durch den Biss eines tollwütigen Tieres übertragen. Wo soll da die Verbindung zu einem Mord sein?"
"Glomsky war CIA-Agent", versetzte der Chef. "Das ist die zweite gesicherte Erkenntnis neben jener, dass für seinen Tod die Tollwut ursächlich war. Glomskys Job damals war es, Agenten im Ostblock – da gab es noch die Sowjetunion und den Warschauer Pakt – anzuwerben, auszubilden und zu betreuen. Er selbst war in den achtziger Jahren im Außeneinsatz in Ost-Berlin und auch in Prag tätig."
"Oha", machte ich, "damit stellt sich die Angelegenheit schon in einem etwas anderem Licht dar. Wenn ich richtig informiert bin, dann war die Infizierung mit dem Tollwutvirus als Mordmethode bei einigen Ost-Block-Geheimdiensten sehr beliebt, insbesondere der Staatssicherheitsdienst der DDR soll sie praktiziert haben."
"Sie sind richtig informiert", erklärte der SAC. "Einen Zeitgenossen, der diesem oder jenem Geheimdienst ein Dorn im Auge geworden war, auf diese niederträchtige Art vom Leben zum Tod zu befördern, ist denkbar einfach. Jemand wird im Kaufhaus oder im Gedränge vor der U-Bahn angerempelt, verspürt einen leichten Stich, den er möglicherweise registriert, dem er aber keine Beachtung schenkt, und schon ist er infiziert. Man kann jemandem den Erreger auch ins Essen mischen. Aber das war die weniger gängige Methode. – Die Symptome treten erst viel später auf. Das kann zwischen einigen Tagen und mehr als einem Jahr variieren. Die Regel sind zwei bis drei Monate, und zwar dann, wenn das Tollwutvirus das Gehirn oder das Rückenmark erreicht hat. Doch dann ist es für den Infizierten zu spät. Denn wenn die Krankheit erst einmal ausgebrochen ist, dann endet sie in fast allen Fällen tödlich."
"Und wie will man nach dieser langen Zeit noch feststellen, wer das Opfer mit dem Virus infiziert hat?", warf Milo ein.
"Das herauszufinden wird im Fall Glomsky Ihre Aufgabe sein", gab der Chef mit hintergründigem Lächeln zu verstehen. "Ich denke, bei Ihnen ist der Fall in den besten Händen."
"Aber wieso geht man von Mord aus?", fragte Milo. "Kann es nicht sein, dass Glomsky Kontakt mit einem tollwutinfizierten Tier, einem Hund eventuell oder einer Katze, hatte?"
"Das schließt seine Frau aus", erwiderte der Chef. "Sie hat, als sie die Anzeige erstattete, erklärt, dass ihr Mann hochgradiger Allergiker war; Pollen, Hausstaub, Hunde- und Katzenhaare … Er hat es, so seine Frau, tunlichst vermieden, mit irgendwelchen Tieren in Kontakt zu kommen. Wegen seiner Pollenallergie hat er sogar seine Aufenthalte in der Natur auf ein Mindestmaß beschränkt."
"Außerdem müssten bei der Obduktion Bissspuren an seinem Körper festgestellt worden sein", gab ich zu bedenken.
"Glomskys Gattin, ihr Name ist Ludmilla – es ist im Übrigen seine vierte Frau und ganze dreißig Jahre jünger als er – weiß von dem Job, den er früher ausübte", sagte der SAC. "Und sie weiß aus einigen seiner Erzählungen, dass eine Tollwutinjektion bei den Geheimdiensten eine beliebte Tötungsart war. Sie ist der unumstößlichen Überzeugung, dass ihren Mann eine solche Injektion umgebracht hat."
"Ludmilla …", kam es versonnen von Milo. "Der Name ist russisch."
"Sie kommt aus der Ukraine. Aus erster Ehe hat Glomsky einen Sohn namens Troy, doch hat zwischen den beiden kein Kontakt bestanden. Troy Glomsky ist Prediger in einer evangelikalen Gemeinde hier in Manhattan. Er lebt in Chelsea, zweiundzwanzigste Straße." Der Chef schlug die Mappe wieder zu und reichte sie mir. "Das ist der pathologische Bericht, Agents. Falls Sie Rückfragen haben, ich meine medizinisch-fachlicher Art, dann wenden Sie sich bitte an unseren Doc."
"Das wird nicht notwendig sein", erwiderte ich. "Wozu gibt es denn ein Internet?" Ich hatte die dünne Mappe an mich genommen und erhob mich. Milo folgte meinem Beispiel.
"Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, Agents", erklärte der Chef. "Tauchen Sie zur Abwechslung mal ein in den Sumpf von Spionage, kaltem Krieg und staatlich angeordnetem Mord."
Wir verabschiedeten uns. Der Chef hatte nicht Unrecht. Dieser Fall konnte der Schneeball sein, der vielleicht eine Lawine auslöste.
2
Zurück in unserem Büro fertigten wir eine Kopie des pathologischen Berichts an, damit ihn Milo und ich unabhängig voneinander studieren konnten.
Der Bericht gab nichts her, was uns nicht schon der Chef in geraffter Form verraten hätte, abgesehen davon, dass die Tollwutviren, die für den möglichen Mord verwendet worden waren, einem sehr seltenen nigerianischen Viren-Stamm angehörten, der durch Fledermäuse übertragen wurde.
Wir beschlossen, der Gattin des Verstorbenen einen Besuch abzustatten. Ihre Adresse war uns bekannt. Sie lebte auf der East Side, genau gesagt in Murray Hill, 35th Street.
Wir fuhren den Broadway hinauf, benutzten schließlich die Park Avenue und landeten in der 35th. Ich fand sogar ganz in der Nähe des Hauses, in dem die Lady wohnte – es handelte sich um ein renoviertes Brownstone-Haus – einen Parkplatz am Straßenrand. Zur Haustür führten einige Stufen hinauf. Alles war gepflegt und sauber. Wer sich hier die Miete leisten konnte, musste ziemlich gut situiert sein. Und wer in dieser Gegend eine Wohnung gar käuflich zu erwerben in der Lage war, musste sehr viel Geld auf der Bank liegen haben.
Mrs. Glomsky wohnte in der dritten Etage. Da es keinen Aufzug gab, mussten wir Schusters Rappen bemühen. Wir waren aber recht gut in Form, und so machte uns der Aufstieg wenig aus. Schließlich standen wir vor der Korridortür. "B. Glomsky" war in das Türschild aus Messing eingestanzt. Milo läutete. Es dauerte nicht lange, dann verdunkelte sich der Spion in der Tür, was mir verriet, dass wir begutachtet wurden. Dann wurde auch schon die Tür einen Spaltbreit geöffnet, gerade so weit, wie es eine Sicherungskette zuließ. Ich sah die Hälfte eines schmalen, rassigen Frauengesichts, die andere Hälfte wurde vom Türblatt verdeckt. "Sie wünschen?", erklang es. Der Blick des einen Auges, das ich sah, war argwöhnisch.
"Ich bin Special Agent Trevellian vom FBI New York", stellte ich mich vor und zeigte ihr meine ID-Card. "Das ist mein Kollege Tucker, ebenfalls Special Agent. Sind Sie Mrs. Glomsky?"
Die Tür ging zu, ich hörte die Sicherungskette rasseln, dann wurde sie aufgezogen, und jetzt sah ich Ludmilla Glomsky in ihrer ganzen Pracht und Schönheit. Sie war in der Tat eine attraktive, bemerkenswerte Frau, deren Faszination sich wahrscheinlich kein Mann entziehen konnte.
"Hat das FBI den Fall übernommen?", fragte sie, ohne eine weitere Erklärung meinerseits abzuwarten.
"Ja. Können wir mit Ihnen sprechen?" Ich musterte sie erwartungsvoll, indes ich das Mäppchen mit meiner ID-Card wieder in der Jackentasche verstaute.
"Bitte, treten Sie ein", antwortete sie und gab die Tür frei.
“Danke”, sagte ich.
Wir betraten das Wohnzimmer, von dem mehrere Türen abzweigten. Die Einrichtung konnte man als luxuriös bezeichnen, und mein Eindruck, dass bei Brad Glomsky Geld keine Rolle gespielt zu haben schien, verstärkte sich. "Bitte, nehmen Sie Platz", forderte uns die schöne Lady zum Sitzen auf. "Darf ich Ihnen irgendetwas anbieten? Einen Drink vielleicht?"
"Danke, aber wir sind im Dienst", lehnte ich ab.
“Wir würden ja gerne, aber wir dürfen nicht”, ergänzte Jilo.
“Sie Ärmste!”
“Ja, wem sagen Sie das”, meinte Milo.
Wir saßen und ich sagte: "Sie vermuten, dass Ihr Mann ermordet worden ist."
"Ich bin mir sicher", erwiderte sie im Brustton der Überzeugung. "In der Zwischenzeit hat man mich unterrichtet, dass es ein Tollwutvirus war, der ihn tötete. Nach meiner Überzeugung wurde er von einem Geheimdienstmitarbeiter mit dem Virus infiziert, weil er zu viel wusste.”
Ich hob die Augenbrauen.
“Gibt es da etwas konkretere Hinweise?”
Sie sah mich an.
“Dass mein Mann mal bei der CIA als Agent tätig war, wissen Sie gewiss.”
“Allerdings.”
“Er hat zwar nicht viel über seine damalige Tätigkeit erzählt, doch hin und wieder konnte er es sich nicht verkneifen, einen Kommentar abzugeben, vor allem, wenn wir uns Filme anschauten, in denen Geheimdienstagenten als Protagonisten agierten. “
“Was hat er gesagt?”
“Das hat mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun, bemerkte er meistens.
Ich lächelte kurz. “Verstehe…”
“Aus einigen seiner Hinweise konnte ich schließen, dass das Morden mit Viren oder Gift in diesem Milieu gang und gäbe war.”
Ich sagte: “Das habe ich auch gehört.”
“Es sind ja auch mehrere Fälle bekannt geworden."
"Hatte Ihr Mann noch Verbindung zur CIA oder zu früheren Kollegen, die mit ihm bei der Agency tätig waren?"
Ich sah sie an und registrierte jede Regung in ihrem Gesicht.
Manchmal erfährt man dadurch mehr, als durch das, was tatsächlich gesagt wird.
Ludmilla dachte kurz nach, dann schüttelte sie den Kopf. "Nicht, dass ich wüsste. Mein Mann war nach seiner Zeit bei der Agency Geschäftsmann. Er handelte mit Autoteilen und hatte Verbindungen in den Nahen Osten. Geschäftliche Beziehungen – nichts Politisches."
“Verstehe…”
“Wirklich!”
"Die Geschäfte Ihres Mannes scheinen sehr gut gegangen zu sein", bemerkte Milo.
"Ja, in der Tat", bestätigte Ludmilla.
"Er war vor Ihnen bereits dreimal verheiratet", konstatierte ich.
"Spielt das für den Fall eine Rolle?", fragte sie leicht genervt.
Es beeindruckte mich nicht. "Er hat einen Sohn", sagte ich unbeirrt.
"Troy.”
“Genau.”
“Er ist ungefähr Mitte dreißig und stammt aus der ersten Ehe meines Mannes. Seine damalige Frau ist verstorben.”
“Davon wusste ich noch nichts”, gestand ich.
“Keine Ahnung, was die Todesursache war. Brad hat nur einmal angedeutet, dass sie ziemlich leiden musste. Daher vermute ich, dass sie ein Krebsleiden hatte. Mit Troy hatte mein Mann schon seit ewigen Zeiten keinen Kontakt mehr. Er ist in irgendeiner Kirchengemeinde Prediger. Ich kenne ihn gar nicht. Mein Mann hat ihn enterbt. Er interessiert mich nicht."
"Bekam Ihr Mann Drohanrufe? Ist aufgefallen, dass er vielleicht beobachtet wurde?" Ich dachte kurz nach. "Vielleicht sogar Drohbriefe. Hat sich Ihr Mann in den letzten Wochen und Monaten verändert? Ich meine sein Verhalten? War er angespannt, unruhig, über die Maßen nervös?"
"Ich habe davon nichts bemerkt", antwortete die Frau. "Er war wie immer. Vor einigen Wochen fing er dann an, über Kopf- und Gliederschmerzen zu klagen, er bekam Fieber, und irgendwann stellten sich Krämpfe ein. Er wurde in die Klinik eingeliefert, aber der Kampf der Ärzte um sein Leben war vergebens."
"Machte er während der Zeit, in der es ihm immer schlechter gegangen ist, nie eine Bemerkung, worauf das zurückzuführen sein könnte?", fragte Milo. "Schließlich war er – hm, vom Fach, und wusste wahrscheinlich sehr gut, wie sich die Tollwut im menschlichen Körper entwickelt."
"Man nahm an, dass sein Leiden auf den Biss einer Zecke zurückzuführen war", erwiderte Ludmilla. "Als ich aber nach seinem Tod erfuhr, dass er an Tollwut gestorben ist, fiel es mir wie Schuppen von den Augen." Sie brach ab.
"Bitte, Mrs. Glomsky", sagte ich, "lassen Sie uns an Ihren Erkenntnissen teilhaben."
Es war, als musste sie ihre nächsten Worte erst im Kopf formulieren. Schließlich begann sie: "Brad erzählte mir mal von einem Spezialisten auf dem Gebiet der Verabreichung von tödlichen Injektionen. Der Mann soll für den Geheimdienst der DDR gearbeitet haben. Brad hat ihn in Berlin kennengelernt, sie freundeten sich an, und es gelang Brad sogar, den Agenten zum Überlaufen zu veranlassen. Einige Zeit arbeitete er als Doppelagent, doch dann flog er auf. Ihm gelang mit Brads Hilfe die Flucht in die Staaten. Natürlich bekam er eine andere Identität, und er durfte in den USA bleiben." Ludmillas Blick schien sich nach innen zu verkehren. "Wie war denn gleich wieder der Name?", sinnierte sie halblaut. "Dieter … Dieter Albertz oder Albrecht", stieß sie schließlich hervor. Die Lider mit den langen Wimpern zuckten in die Höhe, der Blick der tiefblauen Augen Ludmillas war auf mein Gesicht geheftet. "Dieser Stasi-Agent soll mehrere Morde mit Gift verübt haben, indem er es den Opfern injizierte. Welcher Art die Gifte waren, kann ich allerdings nicht sagen. Es wurden, so Brad, verschiedene Chemikalien verwendet."
Milo holte ein Notizbüchlein und einen Kugelschreiber aus der Jackentasche und notierte den Namen.
"Hat Ihr Mann außer Troy weitere Kinder?", erkundigte ich mich noch.
"Nein."
"Gibt es Unterlagen über seine geschäftlichen Verbindungen?", war meine nächste Frage.
"Natürlich. Ganze Ordner voll. Sie stehen im Büro in der Spring Street."
"Gestatten Sie uns, sie einzusehen, oder brauchen wir einen richterlichen Beschluss?", fragte ich.
"Schauen Sie sich von mir aus alles an", antwortete Ludmilla. "Ich sage dem Geschäftsführer telefonisch Bescheid. Er wird keine Probleme machen. Ich werde sowieso versuchen, die Firma zu verkaufen, denn ich habe nicht die geringste Ahnung von dem Geschäft. Mal schauen. Ich hab‘ mit dem Geschäftsführer noch nicht gesprochen. Sein Name ist Jim Henders."
"Können Sie uns die Hausnummer in der Spring Street nennen?", fragte Milo.
Ludmilla nannte sie, Milo schrieb sie auf, dann verabschiedeten wir uns. Als wir wieder im Auto saßen und nach Süden fuhren, sagte Milo: "Wir werden in dem Büro kaum was finden, was eventuell illegal ist und auf Glomskys Vergangenheit hinweist. Vielleicht hilft es uns weiter, wenn wir checken, mit wem Glomsky in den Monaten vor seinem Tod besonders häufig telefoniert hat, und denjenigen oder gegebenenfalls auch diejenigen etwas genauer unter die Lupe nehmen."
"Eine gute Idee", lobte ich, denn ich war mir auch nicht sicher, ob die Durchsuchung der Geschäftsunterlagen im Büro Glomskys besonders hilfreich sein würde. "Wir müssen nur herausfinden, bei welcher Telefongesellschaft die Telefone angemeldet waren."
"Das erledigen wir vom Büro aus", erklärte Milo.
3
Bei der Telefongesellschaft handelte es sich um AT&T Wireless. Bei ihr waren sowohl die privaten als auch die Geschäftstelefone Brad Glomskys angemeldet. Natürlich rückte die Gesellschaft die Daten, auf die wir es abgesehen hatten, nicht ohne richterlichen Beschluss heraus. Der war formell zu beantragen. Aber Mr. McKee ließ seine Beziehungen spielen, und so hatten wir den Beschluss zwei Tage später.
“Manchmal muss man die Dinge etwas beschleunigen”, sagte er dazu.
Und dabei hatte er die Hände in den tiefen Taschen seiner Flanellhose vergraben.
Seit seine Familie durch Gangster ausgelöscht worden war, hatte sich McKee voll und ganz dem Kampf gegen das Verbrechen gewidmet. Er war morgens der Erste im Büro und abends der letzte, der ging.
“Wir bleiben dran”, versprach ich ihm.
“Ich weiß.”
Wiederum zwei weitere Tage später lagen uns Listen der Telefonate vor, die von Glomskys Geschäftstelefonen und von seinem privaten Festnetzanschluss aus sowie mit seinem Mobiltelefon geführt worden waren. Der Zeitraum umfasste ein halbes Jahr. Die Verbindungen mit den Geschäftsanschlüssen vernachlässigten wir. Priorität hatten für uns jene Gespräche, die er mit seinem Privathandy geführt hatte.
Es gab einige Nummern, die von Glomsky des Öfteren angewählt worden waren. Über die Telefongesellschaft fanden wir die Namen der Teilnehmer heraus. Recherchen im Internet ergaben, dass es sich um keine Geschäftsverbindungen handeln konnte. Fast keiner dieser Männer – es waren ausschließlich männliche Gesprächsteilnehmer – hatte einen Auftritt im World Wide Web. Einige waren bei Facebook angemeldet, aber es waren nur persönliche Dinge, die sie der Allgemeinheit zur Verfügung stellten.
Das half uns nicht weiter.
Einen Namen suchten wir vergeblich. Es war der Name Dieter Albertz oder Albrecht, den uns Ludmilla Glomsky genannt hatte. Es gab jedoch einen Mann mit dem Nachnamen Albert – Dee Albert.
"D wie Dieter, A wie Albertz oder Albrecht", murmelte Milo. "Man hat ihm damals eine neue Identität gegeben, und er lebt wahrscheinlich immer noch in den Staaten, wenn wir Glück haben, sogar hier im Big Apple."
"Wir werden das überprüfen", sagte ich.
Von Dee Albert gab es weder im Internet noch bei Facebook oder einem anderen Sozialen Netzwerk einen Eintrag. Sein Name stand jedoch im digitalen Telefonbuch, und ich rief ihn einfach an, und zwar mit meinem privaten Smartphone. Tatsächlich meldete sich eine dunkle Männerstimme, die einen besonderen Akzent aufwies: "Albert. Sie wünschen?"
Ich erwiderte: "Oh, entschuldigen Sie. Ich muss falsch gewählt haben." Ohne eine Antwort abzuwarten unterbrach ich die Verbindung. An Milo gewandt sagte ich: "Er sprach seinen Namen ziemlich deutsch aus. Ich möchte das zumindest behaupten."
"Finden wir heraus, wo er wohnt, und dann werfen wir ihm einen etwas intensiveren Blick unter den Haaransatz", schlug Milo vor.
Die Adresse war 224 West 95th Street. Milo und ich fuhren hin. Es handelte sich um ein Hochhaus. Beim Eingang saß ein Wachmann, den ich nach dem Apartment von Dee Albert fragte. Er schaute in einem Laptop nach. "Sechste Etage, linker Flur, Nummer sechs-null-zwo-vier", erhielt ich zur Antwort.
Wir fuhren mit dem Aufzug nach oben und standen wenig später vor der Tür des Apartments.
Wir waren richtig.
Ich legte den Daumen auf den Klingelknopf. Es knackte im Lautsprecher der Gegensprechanlage, dann fragte eine weibliche Stimme: "Wer ist da?"
"Die Special Agents Trevellian und Tucker vom FBI New York. Wir haben einige Fragen an Mr. Albert."
Es dauerte kurze Zeit, dann wurde die Tür geöffnet. Es war aber keine Frau, die vor uns stand, sondern ein mittelgroßer, schmächtiger Mann mit Halbglatze und Brille. Ich schätzte ihn auf Mitte sechzig. Er war mit einem dunkelblauen Trainingsanzug bekleidet und wirkte wie der nette Nachbar von nebenan. "Was wollen Sie denn von mir?"
Eindeutig – das war keiner, der mit der englischen Sprache aufgewachsen war.
"Wir haben ein paar Fragen, Mr. Albert", antwortete ich. "Brad Glomsky betreffend."
Er zeigte keinerlei Reaktion. "Glomsky?", stieß er hervor.
“So ist der Name.”
"Der ist verstorben."
"Er wurde möglicherweise ermordet", sagte mein Partner Milo.
Alberts Augen flackerten unruhig. "Ermordet?"
"Ja, es sieht ganz so aus", sagte ich. "Ich weiß nicht, ob es gut ist, wenn wir uns hier zwischen Tür und Angel unterhalten. Wir können Sie natürlich auch bitten, ins Field Office an der Federal Plaza zu kommen. Es liegt bei Ihnen."
"Kommen Sie herein", murmelte Albert.
Er gab die Tür frei, und wir betraten das Apartment. Nach der Frau, die sich vorhin per Gegensprechanlage gemeldet hatte, hielt ich vergeblich Ausschau. Aber von dem Wohnzimmer führten mehrere Türen in andere Räume. Ich dachte auch gar nicht weiter darüber nach.
"Bitte, setzen Sie sich", lud Albert uns ein, Platz zu nehmen. Und als wir saßen, fragte er: "Wer sollte Interesse am Tod Glomskys gehabt haben?"
"Wir dachten vielleicht, dass Sie uns einen Tipp geben könnten", erwiderte ich.
"Ich?" Albert tippte sich mit dem Daumen gegen die Brust.
“Ja.”
“Warum ausgerechnet ich?”
“Nun…”
"Ich habe hin und wieder mal ein Geschäft mit ihm gemacht. Darauf beschränkt sich unsere Bekanntschaft.”
“Wirklich?”
“Er hat immer prompt geliefert, ich habe ihn genauso prompt bezahlt, und das war‘s."
"Was waren das für Geschäfte?", fragte Milo.
"Ich habe bei ihm Autoteile gekauft.”
Ich fragte: “Wofür?”
“Er hatte einen Großhandel, und ich betreibe eine Kfz-Reparatur-Werkstatt."
"Sie sind kein Amerikaner", sagte ich.
Diese Feststellung schien ihn nicht zu überraschen. "Deutscher", sagte er. "Ich lebe aber schon seit mehr als dreißig Jahren in den USA."
“Ah, ja…”
Er lächelte. "Obwohl ich schon so lange hier lebe, weist mein Englisch immer noch einen Akzent auf."
"Als Sie noch in Deutschland lebten", sagte ich und schaute ihn dabei an, "war Ihr Vorname doch nicht Dee."
Sein Blick irrte ab, er begann, seine Hände zu kneten. "Was hat das mit dem Tod von Glomsky zu tun?", fragte er fast ein wenig aggressiv.
"Glomsky wurde ein Tollwutvirus injiziert", erwiderte ich. "Er war früher Agent bei der CIA. Seine Gattin nannte uns einen Namen, den er irgendwann mal erwähnte: Dieter Albertz oder Albrecht. Der Mann arbeitete für den Geheimdienst der DDR, ist aber auf Glomskys Betreiben hin zur CIA übergelaufen. Kann es sein, dass Sie dieser Mann sind?"
Albert atmete etwas schneller. Wahrscheinlich hatte meine Äußerung seinen Puls beschleunigt. Mit einem Ruck erhob er sich und nahm eine unruhige Wanderung auf. Milo und ich wechselten einen bedeutungsvollen Blick. Er wirkte unvermittelt nicht mehr allzu sehr gefasst.
Plötzlich blieb Albert stehen, schaute von Milo auf mich und sagte: "Leugnen hätte wohl kaum noch einen Sinn.”
Ich sagte: “Die Wahrheit wäre mir am liebsten.”
“Ja, klar.”
“Als?”
“Ja, ich bin dieser Mann.”
“Welcher Mann?”
“Mein Name war Dieter Albertz.”
“Okay…”
“Ich habe für die Stasi gearbeitet und damals in Ostberlin Brad kennengelernt.”
“Okay…?”
“Er hat mich dazu gebracht, zur CIA überzulaufen. Ich bin zwar aufgeflogen, mit Hilfe von Brad ist mir jedoch die Flucht in die Staaten gelungen." Er hob die Schultern und ließ sie wieder nach unten sacken.
“Ich verstehe langsam”, sagte ich.
"Es war ein Fehler."
"Inwiefern?"
Albert winkte ab. "Darüber will ich nicht reden."
"Sie sollen beim DDR-Geheimdienst Spezialist für das Töten mit Gift – unter anderem sicherlich auch Tollwutviren – gewesen sein", sagte Milo unverhohlen.
"Wer behauptet das?", fuhr Albert meinen Partner an.
"Glomsky hat es seiner Frau erzählt."
"Das ist Unsinn!", fauchte Albert.
"Kann es sein, dass es – hm, eine Hand aus der Vergangenheit war, die Brad Glomsky vom Leben zum Tod befördert hat?", fragte ich.
Albert setzte sich wieder, starrte kurze Zeit versonnen vor sich hin und erwiderte schließlich: "Kaum. Die DDR gibt es seit mehr als drei Jahrzehnten nicht mehr. Von der Stasi ist nichts mehr übrig. Die Geheimnisse, die die Stasi hütete, sind entweder längst offenbart worden oder der eine oder andere Verantwortliche hat sie mit ins Grab genommen." Albert schüttelte den Kopf.
“Sie sehen da also keinen Zusammenhang?”, hakte ich nach.
"Wenn Brad wirklich ermordet wurde, dann hat das mit seiner oder meiner Agententätigkeit nichts zu tun."
"Sie haben auch für den amerikanischen Geheimdienst gearbeitet", sagte ich.
“Ja.”
“Also…”
“Gelernt ist gelernt, verstehen Sie?”
“Sicher.”
“So war das eben. man tut das, was man schon kann…”
"Ich weiß natürlich nicht, wie tief Ihre Einblicke in die Welt der CIA war. Halten Sie es für möglich, dass Glomsky zu viel wusste und deshalb sterben musste?"
"Es ist gut und gerne zwanzig Jahre her, seit er aus dem Verein ausgetreten ist", versetzte Albert. "Wenn er der CIA gefährlich hätte werden können, hätte man wohl kaum zwei Jahrzehnte verstreichen lassen, um ihm das Licht auszublasen.”
“Das ist in der Tat ein Argument!”, fand ich.
“Ich denke, dass hinter dem Mord jemand steckt, der eine falsche Spur legen will.”
“Eine falsche Spur?”
“Wobei es überhaupt fraglich ist, ob es sich um Mord handelt.”
“Wieso?”
“Warum sollte sich Brad nicht bei einem Tier mit Tollwut infiziert haben?”
“Nun…”
“Die Tollwut ist nicht ausgestorben."
Wir gingen nicht darauf ein.
Aber natürlich hatte er in dem Punkt recht.
Eine ‘natürliche’ Ansteckung mit Tollwut durch irgendein infiziertes Tier war keineswegs ausgeschlossen und immer noch eine reale Möglichkeit.
So etwas kam immer wieder vor.
Ich hob die Augenbrauen, musterte ihn kurz.
"Kennen Sie einen Mann namens Ken Atkins?", fragte ich.
Ken Atkins war ein Name von unserer Liste, die wir von der Telefongesellschaft erhalten hatten. Mit ihm hatte Glomsky auch sehr oft telefoniert, fast ebenso oft wie mit Albert. "Ken Atkins?", wiederholte er nachdenklich. "Nie gehört diesen Namen."
"Na schön", sagte ich, "das war‘s dann auch schon." Während ich gesprochen hatte, hatte ich mich erhoben. Milo folgte meinem Beispiel.
"Tut mir leid", erklärte Albert, "aber ich kann Ihnen kaum etwas sagen. Ich bin damals mit Brads Hilfe in die USA geflohen, da man mir in der DDR die Hölle heiß gemacht hätte.
“Ist nachvollziehbar.”
“Nachdem es keine DDR mehr gab und ich die Stasi auch nicht mehr fürchten musste, konnte ich hier ein freies Leben führen.”
“Ein Happy End für Sie also!”
“Brad hat mir geholfen, in die Automobilbranche einzusteigen, und ich habe nur noch geschäftlich mit ihm in Verbindung gestanden. Wie er ums Leben gekommen ist und wer eventuell dafür verantwortlich ist", Albert zuckte mit den Achseln, "ich habe nicht die geringste Ahnung."
"Kennen Sie seinen Sohn Troy?", fragte ich.
Albert nickte. "Als ich in die USA kam, war Brad noch mit Aubrey verheiratet. Sie verstarb bald darauf. Troy war damals dreizehn oder vierzehn Jahre alt. Ich glaube, er hat, als er volljährig war, mit seinem Vater gebrochen."
"Okay, Mr. Albert", sagte ich. "Sie können versichert sein, dass wir mit niemandem über Ihre Vergangenheit sprechen. Wobei Sie die Stasi wohl in der Tat nicht mehr fürchten müssen."
4
Wieder auf der Straße fragte ich meinen Freund und Partner: "Was hältst du von ihm, Milo?"
"Durch ihn ist das Bild, das ich von einem Geheimdienstagenten gehabt habe, deutlich erschüttert worden. Kaum vorstellbar, dass dieses bleiche, schmalbrüstige Männlein im Geheimauftrag eines Staates unterwegs gewesen sein soll."
"Hast du ihm mal in die Augen geschaut?", fragte ich.
"Du hast recht", gab Milo zu. "Sie waren kalt wie uraltes Gletschereis. Nun, das Äußere ist auch nicht ausschlaggebend. Auf die Einstellung kommt es an. Was hältst du von ihm?"
"Wir haben nichts in Händen gegen ihn. Seine Behauptung, dass er für die Stasi nie gemordet hat, wird kaum zu widerlegen sein. Ob er etwas mit dem Tod von Glomsky zu tun hat, wissen wir nicht. Aus welchem Grund sollte er ihn ermordet haben? Wir werden uns aber kundig machen. Vorher sollten wir uns Ken Atkins vorknöpfen. Auch er scheint in einer ziemlich engen Beziehung mit Brad Glomsky gestanden zu haben."
Milo hatte sich die Adresse von Atkins notiert. Er wohnte in West 68th Street. Atkins ging auf die siebzig zu; ein großer, trotz seines Alters immer noch durchtrainiert wirkender Mann mit grauen Haaren und einem markanten Gesicht. Er ließ uns bereitwillig in die Wohnung. Dort erfuhren wir, dass er früher – wie Glomsky – für die CIA gearbeitet hat und sehr oft sogar gemeinsam mit Glomsky Auslandseinsätze in der ehemaligen DDR sowie in der damaligen Tschechoslowakei durchführte.
"Etwa anderthalb Monate vor seinem Tod telefonierte ich noch mit Brad", erzählte Atkins. "Da klagte er über Kopf- und Gliederschmerzen und zeitweises Fieber und war fest davon überzeugt, dass er von einer Zecke gebissen worden war. Ich habe ihm geraten, einen Arzt aufzusuchen. Ob er meinen Rat befolgt hat, weiß ich nicht."
"Er ging zum Arzt", bestätigte ich. "Allerdings konnte man ihm nicht helfen. Es war allerdings nicht der Biss einer Zecke, der ihn tötete, sondern eine Injektion mit einem Tollwutvirus."
Atkins schaute mich an, als zweifelte er an meinem Verstand. "Eine Injektion …", entrang es sich ihm. "Das wären ja Methoden, wie sie der damalige DDR-Geheimdienst oder der KGB in Zeiten des kalten Krieges und bis zu ihrer Auflösung angewandt haben."
"Glomskys Gattin ist überzeugt davon, dass ihr Mann ermordet wurde", erklärte Milo.
Atkins starrte nachdenklich auf einen unbestimmten Punkt. "Es gibt sicher einige Leute, die Interesse an seinem Tod haben konnten", gab er schließlich zu verstehen.
"Können Sie uns das ein bisschen näher erklären?", hakte ich nach.
Atkins verzog den Mund. "Es gab einige vermeintlich ausgesprochen integre Mitbürger, die Brad gewissermaßen in der Hand hatte. Leute, die Dreck am Stecken haben, die Verbrechen begangen haben, für die sie selbst nach zwanzig oder dreißig Jahren noch ins Gefängnis gehen würden, oder die illegal, mit falscher Identität, in den Staaten leben. Glomsky hat sich während seiner Zeit bei der CIA sozusagen eine Kartei mit Namen angelegt. Er hat auf diese Leute zurückgegriffen, wenn er sie brauchte. Und sie fraßen ihm aus der Hand, denn wenn er die Polizei auf sie gehetzt hätte, wäre es mit ihrer Herrlichkeit vorbei gewesen."
Milo pfiff zwischen den Zähnen. Wahrscheinlich dachte er das gleiche wie ich. Ich sprach es aus: "Er ließ sich von diesen Leuten auch bezahlen, nicht wahr?"
"Das weiß ich nicht", erwiderte Atkins. "Ausschließen will ich es aber nicht. Er hat mir, ohne jedoch Namen zu nennen, von diesen Leuten erzählt, die ihm die eine oder andere Tür in die Geschäftswelt geöffnet haben. Vielleicht hat er es bei einem dieser Leute auf die Spitze getrieben, und der hat sich was einfallen lassen."
"Kennen Sie einen Mann namens Dee Albert?", fragte ich.
Atkins linke Braue zuckte in die Höhe. "Der ist zwei oder drei Jahre, ehe es mit der DDR zu Ende gegangen ist, übergelaufen. Ja, ich kenne ihn. Er gehörte zu Glomskys Steigbügelhaltern. Ich habe ihn nicht leiden können. In meinen Augen war er eine Ratte. Auf irgendeine Art und Weise hat Glomsky ihn von sich abhängig gemacht. Mir hat Brad erzählt, dass er Albert am ausgestreckten Arm verhungern lassen kann, wenn er nicht spurt. Etwas Genaueres weiß ich allerdings nicht."
"Ich finde, Sie wissen sehr viel, Mr. Atkins", gab ich zu verstehen. Ja, ich war in der Tat erstaunt. Er schien über Glomskys Aktivitäten ziemlich gut Bescheid zu wissen.
"Brad hat mir vertraut", erhielt ich zur Antwort. "Ich war ein paar Jahre älter als er und schon einige Zeit bei der Agency, als er kam und ich ihn unter meine Fittiche nahm. Er sah in mir eine Art Idol. Nach unserer Zeit bei der Agency blieb ich sein Freund und Vertrauter. Er sprach mit mir über Dinge, über die er nicht mal mit seiner eigenen Frau gesprochen hätte. Ich habe ihn oft gewarnt. Irgendwann beißen Hunde auch die Hand, die sie streicheln, habe ich ihm immer wieder gepredigt. Aber er war sich seiner Sache sehr, sehr sicher. Er habe vorgesorgt, erzählte er mir. Sollte ihm etwas zustoßen, würde die eine oder andere Bombe platzen."
"Dergleichen ist allerdings bisher nicht geschehen", warf Milo ein.
"Es war möglicherweise nur eine Behauptung, mit der er den einen oder anderen seiner – hm, Steigbügelhalter in Schach gehalten hat", gab Atkins zu bedenken.
"Warum erzählte er es dann Ihnen?", fragte ich.
"Möglicherweise, um mich zu beruhigen. Mir hat es ganz und gar nicht gefallen, dass er eine ganze Reihe von Leuten – zum Teil sogar recht einflussreiche Leute – an der kurzen Leine hielt. Und das habe ich ihm auch unverhohlen zu verstehen gegeben. Ja, ich denke, er wollte mit der Behauptung dafür sorgen, dass ich mich aus seinen Aktivitäten heraushalte. Irgendwann habe ich es tatsächlich aufgegeben, ihn zu warnen."
"Ist Ihnen bekannt, dass Dee Alberts richtiger Name Dieter Albertz ist, und dass er bei der Stasi Spezialist für das Morden mit Virusinjektionen war?"
"Von uns Agenten hatte jeder seinen Job zu erledigen", antwortete Atkins ausweichend. "Dazu gehörte es oftmals auch, jemanden, der in Ungnade gefallen war und gefährlich werden konnte, zu eliminieren. Es war wie im Krieg, nur hat man nicht offen aufeinander geschossen."
"Mord im Auftrag der Regierung", sagte ich, und es klang wohl ziemlich geringschätzig, denn Atkins schoss mir einen sengenden Blick zu. Doch er sagte nichts, und das war Antwort genug.
Ich gab ihm eine von meinen Visitenkarten und bat ihn, uns zu informieren, sollte ihm vielleicht noch etwas einfallen, das für unsere Ermittlungen von Bedeutung sein konnte, dann verabschiedeten wir uns und kehrten ins Field Office zurück.
5
Was wir herausgefunden hatten, war nicht viel. Ich dachte nach allem, was wir von Ken Atkins erfahren hatten, an Erpressung. Und dem verlieh ich Ausdruck, indem ich zu meinem Partner sagte: "Wenn Atkins sagt, dass Glomsky eine Reihe von Zeitgenossen in der Hand hatte, dann lässt das meiner Meinung nach tief schließen. Möglicherweise verdiente er sein Geld gar nicht mit dem Handel von Autoersatzteilen, sondern mit Erpressung, und sein Geschäft diente nur der Geldwäsche."
"Mrs. Glomsky hat von einem Geschäftsführer gesprochen", erwiderte Milo. "Der müsste ja mit Brad Glomsky unter einer Decke gesteckt haben."
"Warum nicht? Wie mir scheint, hat Glomsky über eine besondere Gabe verfügt, sich Menschen gefügig zu machen. Er hat seine Stellung bei der CIA ausgenutzt und Material gesammelt, das er einsetzen konnte, damit ihm die Betroffenen aus der Hand fraßen. Ich denke, wir nehmen uns morgen mal diesen Jim Henders – so war doch der Name, den uns Ludmilla Glomsky genannt hat – vor. Und Troy, den Sohn, der mit seinem alten Herren den Kontakt abgebrochen hat, werden wir uns auch mal zur Brust nehmen."
"Ich frage mich, ob vielleicht Atkins nicht doch mehr weiß, als er uns gegenüber heute preisgegeben hat", streute Milo seine Zweifel aus. "Er war mir fast schon ein bisschen zu ehrlich. Das kann auch ein Manöver sein, um von sich abzulenken."
"Dieser Frage werden wir uns auf jeden Fall widmen", versetzte sich. "Zunächst aber werden wir uns beim NCIC (Abk. für National Crime Information Center 2000) kundig machen, ob es Einträge über Mr. Dee Albert alias Dieter Albertz gibt."
Meine Hoffnungen konnte ich jedoch schnell begraben. Dee Albert war nie straffällig geworden. Wenn ich jedoch Ken Atkins Hinweise richtig auslegte, dann musste es etwas in seiner Vergangenheit geben, das sich Glomsky zunutze gemacht hatte. Oder waren sie auf eine andere Art eng miteinander verbunden?
Wenn die Firma, die Glomsky betrieben hatte, nur dem einen Zweck diente, nämlich Geld, das aus illegalen Geschäften stammte, zu waschen, dann musste Jim Henders involviert sein. Also wollten wir uns zuallererst an ihn halten.
Am folgenden Morgen erschien ein Artikel in der New York Times, der mich regelrecht elektrisierte. "Mord im Geheimdienstmilieu", lautete die Überschrift. Die Unterüberschrift verriet mir, dass vom Tod Brad Glomskys die Rede war. Da hieß es nämlich: "Ehemaliger Agent der CIA durch Tollwutinjektion ermordet."
Zur Hölle damit!, durchfuhr es mich. Woher hat der Journalist seine Weisheiten? Ich zeigte Milo den Artikel und mein Partner sagte: "Kaum anzunehmen, dass jemand vom Police Department geredet hat. Hier, im Field Office, wissen nur Mr. McKee, du und ich von der Sache. Also kann nur Ludmilla Glomsky an die Times herangetreten sein. So etwas ist natürlich ein gefundenes Fressen für jeden Zeitungsfritzen. Allein schon die reißerischen Überschriften garantieren eine große Nachfrage."
Wir hatten uns zwar vorgenommen, gleich am Morgen in die Spring Street zu fahren, jetzt aber wollten wir zuerst noch einmal Mrs. Glomsky einen Besuch abstatten.
Die schöne Lady öffnete uns, mit einem weißen Bademantel bekleidet, die Tür. Wahrscheinlich hatten wir sie aus dem Bett geholt. Sie wirkte ziemlich konsterniert, und so klang ihre Frage nach unserem Begehr nicht gerade freundlich.
"Wir würden Sie gerne noch einmal sprechen", erklärte ich, und ich verlieh meiner Stimme, Ludmillas Tonfall entsprechend, keinen bittenden, sondern einen fordernden Klang.
"Ich habe Ihnen alles gesagt, was es zu sagen gab", versetzte sie. "Außerdem finde ich es nicht in Ordnung, dass Sie einfach vor meiner Wohnungstür erscheinen und mich aus dem Bett holen. Das nächste Mal, wenn Sie mich sprechen wollen, bitte ich Sie, mich telefonisch vorab zu informieren."
Ich glaubte in der Wohnung ein Geräusch zu vernehmen. "Ist jemand bei Ihnen?", fragte ich.
"Wie kommen Sie darauf?", fuhr sie mich an. "Aber selbst wenn: Es dürfte für Sie kaum von Interesse sein. Sehen Sie lieber zu, dass Sie den Mörder meines Mannes überführen. Das sollten Sie sich zum Ziel setzen. Mein Privatleben geht Sie nichts an."
"Ihr Privatleben interessiert uns nicht, Mrs. Glomsky", erwiderte ich. "Von Interesse für uns ist aber die Frage, wie Sie dazu kommen, einem Reporter der Times gegenüber zu behaupten, dass Ihr Mann ermordet wurde."
"Ist er doch! Zweifeln Sie daran?"
"Wenn es Mord war, dann haben Sie den Mörder – wer immer es auch ist – gewarnt. Publik war bisher nur, dass Ihr Gatte an Tollwut verstorben ist. Von Mord haben nur Sie gesprochen."
"Dadurch, dass ich mich an die Zeitung gewandt habe, werden Sie gezwungen, tätig zu werden", giftete sie.
"Wir sind tätig", versetzte ich. "Und zwar seit dem Moment, in dem uns der Fall auf den Schreibtisch geflattert ist."
Plötzlich entspannte sich Ludmilla. "Dass ich den Mörder warnen könnte, daran habe ich nicht gedacht, als ich den Journalisten mit meinem Verdacht vertraut machte. Das tut mir leid. Aber ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht."
Ich glaubte ihr plötzlich kein Wort mehr. Warum das so war, entzog sich im Moment noch meinem Verstand. Vielleicht war es eine unterbewusste Reaktion auf ihr unfreundliches, fast schon ungezogenes Verhalten. Ein Bauchgefühl? Ich konnte es nicht erklären, aber der Gedanke, dass sie nicht nur die trauernde Witwe war, die den Tod ihres Mannes aufklären wollte, ließ sich nicht mehr verdrängen.
Hier kamen wir nicht weiter.
"Wir haben noch einige Fragen an Sie", sagte ich deshalb. "Ich bitte Sie daher, heute Nachmittag um drei Uhr im Field Office, dreiundzwanzigste Etage, vorzusprechen. Das ist eine offizielle Vorladung, Mrs. Glomsky. Ich kann sie Ihnen auch schriftlich geben, wenn Sie Wert darauf legen."
Sie warf den Kopf in den Nacken. "Ich werde da sein!", stieß sie hervor. "Sonst noch etwas?" Sie hatte sehr schnell wieder zu ihrer garstigen Art und Weise zurückgefunden. So von der Rolle, wie sie uns das eben einzureden versucht hatte, war sie nicht.
"Das ist alles", antwortete ich. "Fünfzehn Uhr, Mr. Glomsky."
Sie drückte die Tür zu.
"Warum hast du ihr die Fragen nicht gleich gestellt?", fragte Milo, als wir wieder im Auto saßen.
"Weil sie uns nicht in die Wohnung gelassen hätte", antwortete ich. "Sie hat Besuch."
"Meinst du, dass sie …" Der Schimmer des Begreifens glitt über das Gesicht meines Partners. "Natürlich! Wir sind der Lady ziemlich ungelegen gekommen."
"Warten wir ein wenig. Vielleicht verlässt jemand das Gebäude, der als – hm, guter Freund des Hauses Glomsky in Frage kommen könnte."
"Du formulierst das sehr vorsichtig, Partner", sagte Milo hintergründig grinsend.
"Wir wollen doch der guten Frau nichts unterstellen", versetzte ich.
Wir warteten. Einige Leute verließen das Gebäude, aber sie kamen wohl nicht in Frage. Entweder handelte es sich um weibliche Personen oder um Männer, die einfach nicht zu einem Verhältnis mit der schönen Ukrainerin passen wollten. Zu alt, zu dick, zu wenig attraktiv …
Aber dann kam einer, der die vierzig noch nicht überschritten haben dürfte, elegant gekleidet, groß, sportlich, gut aussehend, irgendwie einen weltmännischen Eindruck vermittelnd. Die Art, wie er, ehe er das Gebäude verließ, unter der Haustür stehend nach allen Seiten sicherte, verriet, dass er vielleicht etwas zu verbergen hatte.
"Das könnte unser Mann sein", knurrte Milo.
Ich nickte. Wir konnten uns allerdings auch täuschen. Es gibt Menschen, die immer gestresst, um nicht zu sagen, gehetzt wirkten.
Jetzt verließ der Bursche das Gebäude, wandte sich nach links, also weg von uns, und stieg etwa fünfundsiebzig Yards entfernt in einen Ford, der am Straßenrand parkte. Die 35th konnte nur in westliche Richtung befahren werden. Wir standen also richtig.
Wir folgten dem Mister auf gut Glück in Richtung Westen. Irgendwann bog der Ford nach Süden ab.
Um es kurz zu machen, wir landeten in der Spring Street, um genau zu sein, vor einem Laden, über dem ein Schild mit der Aufschrift Automobile Spare parts Business hing. Inhaber: Brad Glomsky.
Der Ford war durch eine Einfahrt im Hinterhof des Gebäudes verschwunden.
"Wie es scheint, sind wir dem richtigen Mann gefolgt", gab Milo zum Besten.
Ich war rechts ran gefahren und wir warteten. Gleich darauf ging die Tür des Ladens auf, und der Bursche, dem wir gefolgt waren, zeigte sich. Er musste das Gebäude durch die Hintertür betreten haben. Nun trat er einen Schritt vor den Laden, schwenkte den Blick nach links und nach rechts, machte kehrt und ging in das Geschäft zurück.
"Ich vermute, es handelt sich um Jim Henders", murmelte ich.
"Davon bin ich überzeugt", erwiderte Milo. "Und wie es aussieht, handelt es sich bei ihm nicht um einen Freund des Hauses Glomsky, sondern um den Hausfreund der schönen Ukrainerin. Dreimal darfst du raten, was mir jetzt durch den Kopf geht, Partner."
"Ich glaube es zu wissen, ohne raten zu müssen", versetzte ich.
"Was tun wir?", fragte Milo. "Knöpfen wir ihn uns gleich vor, oder warten wir erst mal ab, was uns die feine Dame heute Nachmittag mitzuteilen hat? Wenn ihr Mann den Kfz-Ersatzteile-Handel nur als Scheingeschäft betrieben und sein Vermögen auf zwielichtige Art und Weise gemacht hat, dann kann das nicht von ihr unbemerkt geblieben sein. Und Jim Henders, den sie als Geschäftsführer bezeichnete, der hier aber lediglich die Stellung gehalten zu haben schien, war ebenfalls in die dubiosen Geschäfte eingeweiht. Ich denke, wir warten nicht. Ich schließe nämlich nicht aus, dass Glomsky den beiden im Weg gestanden hat und deswegen sterben musste."
"Ich gebe dir recht", sagte ich. "Es wäre ein Motiv. Die Art und Weise, mit der sie ihn gegebenenfalls um die Ecke gebracht haben, wäre allerdings schon recht außergewöhnlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es besonders einfach ist, an Tollwutviren heranzukommen."
"Reden wir mit Mr. Henders", kam es recht süffisant von Milo.
6
Als wir den Laden betraten, blitzte es in Jim Henders‘ Augen auf; es mutete an wie ein Signal. Er wusste, wer wir waren. Jähe Rastlosigkeit prägte jeden Zug in seinem markanten Gesicht.
"Guten Tag", grüßte ich, zückte mein Etui mit der ID-Card, klappte es auf und hielt es hoch. "Ich bin Special Agent Trevellian vom FBI New York, das ist mein Kollege Special Agent Tucker. Gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie Mr. Henders sind?"
Er war in der Tat die personifizierte Unruhe. Mit fahriger Geste strich er sich mit Daumen und Zeigefinger über den Nasenrücken. "Ja, mein Name ist Henders." Er hatte Mühe, zu sprechen. Seine Stimme klang belegt wie die Stimme eines Kranken. Seine Mundwinkel zuckten leicht. Er wollte scheinbar noch etwas sagen, zog es jedoch vor, zu schweigen.
"Mrs. Glomsky wollte Sie telefonisch darauf vorbereiten, dass wir irgendwann vorbeikommen, um die Unterlagen bezüglich der Geschäftsverbindungen Brad Glomskys mit dem Nahen Osten und anderen Partnern einzusehen. Sie hat uns versichert, dass wir keine richterliche Anordnung benötigen."
Er schien aufzuatmen. Noch hatten wir ja mit keinem Wort verraten, dass wir ihm von der 35th hierher gefolgt waren. Er schien davon auszugehen, dass wir nach unserer Vorsprache bei Ludmilla Glomsky sofort in die Spring Street gefahren waren. "Die Ordner stehen im Büro. Bitte, folgen Sie mir."
Er verließ den Laden, in dem es eine große Anzahl von Regalen gab, in denen alle möglichen Ersatzteile gelagert waren, durch eine Tür hinter der Verkaufstheke. Wir folgten ihm. In dem Büro, in das er uns führte, standen zwei Schreibtische sowie zwei Schränke aus Stahlblech, deren Türen aber geschlossen waren. Er öffnete sie, und wir erblickten sauber beschriftete, weiße Ordnerrücken. Jeweils fünf Regale, gefüllt bis auf den letzten Platz.
"Bitte", stieß Henders hervor. "Das sind die Unterlagen, die wir für die Finanzbehörde führen und die ich Ihnen für Ihre Ermittlungen gerne zur Verfügung stelle."
"Sind Sie der einzige Mitarbeiter hier im Betrieb?", fragte Milo.
"Ja. Wir haben Selbstbedienung. Wobei das Ladengeschäft mehr oder weniger nebenbei herläuft. Unser hauptsächliches Geschäft ist der Großhandel, sind die Onlinebestellungen aus aller Welt."
Milo war bei der Tür stehengeblieben. Ich setzte mich auf die Kante eines der Schreibtische und verschränkte die Arme vor der Brust. "Wir haben einen Hinweis erhalten, Mr. Henders, dass es sich bei diesem Laden nur um eine gut getarnte Scheinfirma handeln soll, die der Geldwäsche dient."
Ich nahm jetzt kein Blatt mehr vor den Mund. Mein Blick hatte sich regelrecht an seinem Gesicht verkrallt, mir sollte nicht die geringste Reaktion in seinen Zügen entgehen.
"Wer behauptet das?", fuhr er mich an, doch er verriet Unsicherheit.
"Das spielt keine Rolle", antwortete ich. "Ich vermute, dass es die meisten Besteller und Geschäftspartner, deren Namen wir in diesen Ordner zu lesen bekommen, gar nicht gibt."
Henders konnte meinem durchdringenden Blick nicht standhalten. Er wandte sich halb ab, duckte sich ein wenig und wirkte wie jemand, der im nächsten Moment die Flucht ergreifen wollte. Aber die Tür blockierte Milo, und der signalisierte Entschlossenheit und auch Bereitschaft, jedweden Fluchtversuch im Keim zu ersticken.
Henders räusperte sich, schluckte und sagte heiser: "Bitte, da stehen die Ordner. Sie können sie gerne beschlagnahmen und sichten. Das Problem für Sie dürfte sein, dass sich unsere meisten Geschäftspartner im Ausland befinden."
"Im Nahen Osten, wie?", fragte ich mit spöttisch angehauchter Stimme.
"Unter anderem", erhielt ich Bescheid.
"Na schön", sagte ich. "Dann reden wir mal Tacheles miteinander, Mr. Henders. Sie haben die Nacht bei Mrs. Ludmilla Glomsky verbracht, und da deren verstorbener Gatte noch nicht mal richtig kalt ist, vermuten wir, dass das Verhältnis schon zu seinen Lebzeiten bestand."
Jetzt hätte Henders wohl keinen Tropfen Blut vergossen, wenn man ihn angestochen hätte. Sein Gesicht hatte die Starre einer Maske angenommen und sich sogar ein klein wenig entfärbt. Plötzlich taumelte er zu einem Stuhl und ließ sich darauf fallen. "Jetzt denken Sie sicher, dass wir – Ludmilla und ich – ihn aus dem Weg geräumt haben", keuchte er. Das Sprechen schien ihm plötzlich Mühe zu bereiten. Es war, als würden unsichtbare Hände seine Kehle umklammern.
"Die Annahme liegt sehr nahe", versetzte ich ungerührt.
Henders ließ den Kopf sinken. Nach vorne gekrümmt saß er da, seine Unterarme lagen auf den Oberschenkeln, seine Hände baumelten zwischen den Knien. "Wir haben Brad nicht ermordet", ächzte er.
"Aber Ihr Interesse, ihn aus dem Weg zu haben, war groß", erklärte Milo. "Er war mal CIA-Agent, und dazu ausgebildet, Menschen auf die eine oder andere Art vom Leben zum Tod zu befördern. Wäre er Ihnen und seiner Gattin auf die Schliche gekommen, hätte er sich ganz sicher etwas einfallen lassen für Sie, möglicherweise auch für Ludmilla. Davor fürchteten Sie sich, und so haben Sie beschlossen, ihm zuvorzukommen."
"Sie irren sich", keuchte Henders.
Wir hatten ihn an der Angel. Er konnte sich an fünf Fingern abzählen, dass der Verdacht, er habe Brad Glomsky ermordet, nahe lag und erdrückend war.
"Klären Sie uns auf", forderte ich nach einer Weile, in der geradezu betretenes Schweigen herrschte. "Womit hat Glomsky tatsächlich sein Geld verdient?"
"Er hat mit Autoersatzteilen …"
Ich ließ Henders nicht ausreden. "Das waren Scheingeschäfte!", fuhr ich ihm in die Parade. "Und das festzustellen dürfte nicht schwer sein. Ein Anruf im Field Office genügt, um ein halbes Dutzend Kollegen anzufordern, die den Laden auf den Kopf stellen und alles das hier", ich vollführte eine umfassende Armbewegung, "mitnehmen, was meiner Meinung nach keiner Nachprüfung standhält. Dann haben wir Sie aber auch am Haken, Mr. Henders. Wenn Sie sich als kooperativ erweisen, wird dies jedes Gericht der Welt honorieren."
"Sie verlangen von mir, dass ich mir mein eigenes Grab schaufle?", knirschte Henders.
"Seit wann geht das schon mit seiner Frau?", fragte Milo, ohne darauf einzugehen. Mein Partner hatte ebenso wie ich erkannt, dass Henders "reif" war. Er brauchte sicherlich nicht mehr viel, um zu singen wie ein Vogel.
"Seit einem halben Jahr", antwortete er.
"Von wem ist es ausgegangen? Von Ihnen oder von Mrs. Glomsky?", erkundigte ich mich.
"Es hat sich so ergeben", murmelte Henders. Er griff sich an den Kopf, taumelte hoch und begann erregt im Raum hin und her zu laufen. "Weder Ludmilla noch ich haben irgendetwas mit Brads Tod zu tun. Glauben Sie mir doch! Denken Sie, Ludmilla wäre an die Times herangetreten und hätte es publik gemacht, dass ihrer Meinung nach ihr Mann ermordet worden ist?"
Milo und ich wechselten einen schnellen Blick. Ludmilla war auch an die Polizei mit der Mordversion herangetreten. Da war allerdings schon bekannt gewesen, dass es kein Zeckenbiss gewesen war, der den Tod ihres Mannes verursachte, sondern ein Tollwutvirus. An Mord hatte außer ihr aber niemand gedacht. Ein Indiz, dass sie nicht als Täterin in Frage kam.
Daran schien Jim Henders in dieser Stunde aber nicht zu denken. Und wir wiesen ihn auch nicht darauf hin. Ich erwiderte viel mehr: "Das kann ein Ablenkungsmanöver gewesen sein, Mister Henders."
In der Liebe und im Krieg, sagt man, ist alles erlaubt. Um einem fiesen Zeitgenossen auf die Spur zu kommen, durfte man ohne Gewissensbisse auch mal mit Hinweisen oder Informationen hinter dem Berg halten. Dass Glomsky nicht der integre Automobilhändler gewesen war, den die Welt in ihm gesehen hatte, war mir seit dem Gespräch mit Ken Atkins klar. Leider hatte auch Atkins, die Aktivitäten Glomskys betreffend, viel zu wenig hinter die Kulissen geblickt.
"Setzen Sie sich wieder, Mister Henders!", gebot ich.
Er sank wieder auf den Stuhl nieder. "Okay", stieß er hervor. "Ich gestehe, dass ich Glomsky dabei unterstützt habe, diese Scheinfirma aufzubauen. Ich bin gelernter Buchhalter und habe auch einige Zeit in einem Steuerberatungsbüro gearbeitet. Glomsky zahlte mir ein fürstliches Gehalt, und ich stand ihm zu Diensten."
Eine Äußerung Ken Atkins kam mir in den Sinn. Es gab einige Leute, die Brad gewissermaßen in der Hand hatte. Leute, die Dreck am Stecken haben …
Zählte Jim Henders zu diesen Leuten?
Nun, ich ließ diese Frage mal dahingestellt, denn ich wollte Jim Henders‘ Redefluss nicht stören.
"Also hatte Glomsky eine andere Einnahmequelle", hörte ich meinen Partner sagen. "Was war das für eine? Mit Arbeit scheint er sich ja die Hände nicht schmutzig gemacht zu haben. Eher schon mit zwielichtigen Geschäften. War er im Drogengeschäft tätig? In der Cyberkriminalität? Was hat er getrieben, Mister Henders?"
Milos Stimme hatte den Klang zerspringenden Glases. Sie ließ keine Ausflüchte mehr zu. Unsere zwingenden Blicke bannten Henders regelrecht, er hielt ihnen nicht länger stand und schloss die Augen. "Erpressung!", stieß er schließlich hervor.
Das Wort stand im Raum wie ein Manifest.
Wir hatten es geahnt. Ken Atkins‘ Erklärungen hatten diesen Schluss zugelassen.
Henders hatte die Augen wieder geöffnet und schaute uns abwechselnd an. Es war ein Blick voll Erwartung, aber auch voll Angst. Ich fragte mich, wen er fürchtete. "Wusste seine Frau davon?", wollte ich wissen. Es war der erste Gedanke, der mir durch den Kopf zuckte.
"Nein. Ludmilla war der festen Überzeugung, dass Brad sein Geld mit dem Handel von Kfz-Ersatzteilen verdiente. Ich ließ sie in dem Glauben, auch nachdem wir das Verhältnis begonnen hatten."
"Wen fürchten Sie dann noch?", fragte ich. Es war mehr oder weniger ein Versuchsballon, den ich steigen ließ. Der Ausdruck von Angst auf dem Grund seiner Augen, nachdem er Glomskys Geldquelle verraten hatte, war zwar nicht zu übersehen gewesen, es war aber auch möglich, dass ich ihn falsch interpretierte.
"Den Mann, der für Brad die Schmutzarbeit erledigte."
"Wer ist dieser Mann?", hakte Milo sofort nach.
"Ich kenne ihn nicht."
"Okay, okay", stieß ich hervor. "Der Reihe nach. Glomsky erpresste also Leute. Es waren Menschen, die irgendwann einmal was angestellt haben, was er während seiner Zeit als CIA-Agent herausgefunden hat, die er jedoch nicht an den Pranger stellte, sondern sich mit seinem Insiderwissen gefügig machte."
"Genauso war es. Unter ihnen waren Mafioso, Waffenhändler, Barbesitzer, die illegales Glücksspiel oder Prostitution in den Hinterzimmern ihrer Etablissements duldeten, Autoschieber, Männer, die mit einer falschen Identität in den Staaten lebten und denen in ihren Heimatländern hohe Strafen drohten. Beispielsweise Kriegsverbrecher aus den Balkankriegen in den Neunzigern …"
"Donnerwetter!", entfuhr es mir. "Das ist ja eine feine Liste. Hat sich denn nie einer dieser Leute gewehrt?"
"Wer nicht zahlte, starb", versetzte Henders. "Niemand von den Betroffenen wusste, wer hinter den Erpressungen steckte. Brad ließ ihnen Kopien des Materials zukommen, das er in Händen hatte, und forderte diese oder jene Summe, die auf ein Offshore-Konto zu überweisen war. Kam das Geld, erpresste er weiter. Kam das Geld nicht, schickte Brad seinen Mann für die Schmutzarbeit."
"Meistens kam das Geld, wie?", fragte ich.
"Ja. Zum Teil riesige Summen."
"Womit hatte Brad Sie in der Hand, Mr. Henders?" Meine Frage kam wie aus der Pistole geschossen und überraschte den geständigen Gangster.
"Wie – wie kommen Sie darauf?", stammelte er, als er sich gefasst hatte.
"Ich glaube nicht, dass Glomsky Ihnen einen derartigen Einblick in seine verbrecherischen Transaktionen gestattet und Sie gewissermaßen als Zuarbeitenden geduldet hätte, wenn er Ihnen die Zügel nicht fest anlegen hätte können."
"Er – er hat mich gut bezahlt", bekannte Henders.
Ich änderte das Thema, indem ich sagte: "Können Sie uns Namen nennen? Namen von Leuten, die an Glomsky gezahlt haben, die Namen der Leute, die nicht an Glomsky gezahlt haben."
"Nein. So tief hat sich der Boss nicht in die Karten blicken lassen", antwortete Henders.
"Hat Mrs. Glomsky mit Ihnen darüber gesprochen, dass sie sich zum einen an die Polizei und zum anderen auch an die Times wenden wolle?"
"Nein. Ich hätte es ihr ausgeredet." Henders atmete tief durch. "Brad kann sich sonst wo infiziert haben. Wenn ihm das Virus aber injiziert worden ist, dann ist ihm einer von denen, die er um eine Menge Geld erleichtert hat, auf die Schliche gekommen. Ich meine, er hat herausgefunden, wer der Erpresser ist."
"Ihnen ist sicher klar, dass wir Ihre Rolle in der Inszenierung, die Glomsky mit diesem Laden aufgeführt hat, der Anklagebehörde melden müssen. Der Staatsanwalt bekommt aber von uns gleichzeitig mitgeteilt, dass Sie kooperativ waren. Ich rate Ihnen, Mr. Henders, sich für die Polizei zur Verfügung zu halten. Und – wenn sich in ihrem Keller irgendeine", ich malte zwei Anführungszeichen in die Luft, "Leiche befindet, dann halten Sie damit nicht hinter dem Berg. Ich will damit zum Ausdruck bringen, dass, wenn es einen dunklen Punkt in Ihrer Vergangenheit gibt, den sich Glomsky zunutze gemacht und Sie erpresst hat, Sie darüber reden sollten."
Henders zog die Unterlippe zwischen seine Zähne und kaute darauf herum.
Ich holte eine von meinen Visitenkarten aus der Brieftasche und legte sie auf den Tisch. "Falls Ihnen noch etwas einfällt …", sagte ich. "Eine Frage habe ich noch", fügte ich hinzu. Sie war mir tatsächlich erst im allerletzten Moment eingefallen. "Sagt Ihnen der Name Dee Albert etwas?"
Er schaute versonnen auf einen unbestimmten Punkt, schüttelte schließlich den Kopf und sagte: "Nein. Den Namen kenne ich nicht."
Wir ließen ihn alleine.
Wahrscheinlich erlebte er, nachdem wir gegangen waren, sein ganz persönliches Waterloo. Man könnte es auch Fegefeuer nennen.
7
"Jetzt wissen wir zumindest, wes Geisteskind Brad Glomsky war", gab Milo zu verstehen, als wir auf dem Weg nach Chelsea waren. Wir wollten noch mit Troy Glomsky sprechen, dem Sohn des Verstorbenen, der sein feudales Leben mit Erpressung finanziert hatte.
"So fügt sich ein Mosaikstein zum anderen", erwiderte ich. "Es scheint gar nicht mehr so abwegig zu sein, dass Glomsky auf gewaltsame Art vom Leben zum Tod befördert worden ist. Aber welcher normale Sterbliche kommt an Tollwutviren heran, die er einem gehassten Zeitgenossen in die Blutbahn spritzt?"
"Das ist die Frage, auf die wir eine Antwort finden müssen", sinnierte Milo laut. "Wenn man Henders glauben darf, dann hatte Ludmilla keine Ahnung von den dubiosen Machenschaften ihres Mannes. Henders hatte vielleicht ein Motiv, Glomsky zu seinen Ahnen zu schicken. Ob er dazu Tollwutviren verwendet haben würde, ist ausgesprochen fraglich. Wenn er Glomsky los sein wollte, hätte er ihn sicherlich auf elegantere Weise abserviert."
"Das unterstelle ich aber auch seinen Opfern", versetzte ich. "Einer, der sich solche Viren beschafft, um jemanden umzubringen, der ihn erpresst, würde sich ja der Stimmung eines anderen potentiellen Erpressers ausliefern. Solche Viren gibt es nur in Laboratorien. Man kann da nicht einfach hingehen, und sich ein paar Gramm Tollwutviren kaufen. Also muss man über Beziehungen verfügen, um an das Zeug heranzukommen. Und man muss wahrscheinlich sehr, sehr viel Geld dafür auf den Tisch blättern. Es gibt billigere Möglichkeiten, jemand den Garaus zu machen."
"Vielleicht ist Hass mit im Spiel", gab Milo zu bedenken. "Tödlicher Hass, der hohe Ausgaben und ein hohes Risiko nicht scheut, um das Projekt seiner Leidenschaft über die Maßen zu quälen. Dass Glomsky furchtbar litt, bis ihn der Tod erlöste, dürfte unbestritten sein."
"Das sind alles Spekulationen, die uns nicht weiterbringen, Partner", knurrte ich. "Wobei ich zugeben muss, dass sich mir im Zusammenhang mit einem möglichen Mord unter Zuhilfenahme von Tollwutviren immer wieder der Name Dee Albert aufdrängt. Wie wir jetzt wissen, hatte Glomsky viele Leute in der Hand, die aufgrund ihrer Vergangenheit sein feudales Leben finanzierten. Er und Albert waren beim Geheimdienst, zuletzt sogar beim selben Verein. Möglicherweise hatte er auch Albert in der Hand."
"Auch mir geistert der Name immer wieder durch den Kopf", gestand Milo. "Die Frage ist, ob er zu jemandem Beziehungen hat, der in einem Labor tätig ist, das mit Tollwutviren experimentiert. Vielleicht sollten wir uns noch einmal mit Dee Albert alias Dieter Albertz unterhalten."
Von nun hing jeder seinen eigenen Gedanken nach. Wir hatten begonnen, in einem Sumpf des Verbrechens zu stochern. Eine ausgesprochen niedrige Gesinnung, Skrupellosigkeit, Heimtücke, Habgier und ein hohes Maß an Menschenverachtung waren für Glomsky bestimmend gewesen.
Klar war aber immer noch nicht, ob er ermordet worden war oder ob er sich bei einem Tier mit Tollwut infiziert hatte.
Ich tendierte schon fast dazu, an die Mordgeschichte zu glauben.
Mir stellten sich tausend Fragen. Wer waren die Leute, die er erpresste? Welche Morde hatte er auf dem Gewissen? Was spielte Dee Albert für eine Rolle? Wo befanden sich die Unterlagen, auf die Glomsky zurückgreifen konnte, mit denen er seine Opfer gefügig machte?
Es gab noch eine Menge mehr Fragen. Ich sagte mir, dass es vielleicht interessant sein würde, mit Ehefrau Nummer drei und vier zu sprechen. Nummer eins war leider verstorben. An ihrer Stelle konnten wir uns nur mit Troy, ihrem Sohn, den sie gemeinsam mit Glomsky hatte, an einen Tisch setzen.
Über diesen Gedanken erreichten wir die 22nd Street. Es handelte sich ab der 10. Avenue in Richtung Osten um eine Einbahnstraße. Es hatte also einiger Umwege bedurft, um sie befahren zu können. Langsam ließ ich den Wagen an den Gebäuden entlang rollen, sodass Milo Gelegenheit hatte, die Schilder mit den Hausnummern zu studieren.
Hinter mir hupte ein ungeduldiger Cabdriver, aber ich ließ mich nicht aus der Ruhe bringen. Schließlich stieß Milo hervor: "Das ist der Bau, dessen Nummer uns angegeben worden ist."
Es handelte sich um ein etwa zehnstöckiges Gebäude. Ich setzte den Blinker und fuhr rechts ran. Sofort gab der Cabby Gas und zischte an uns vorbei. Er hielt die rechte Hand in die Höhe und zeigte mir den Mittelfinger. Zwei – drei weitere Fahrzeuge überholten uns, aber keinem der Fahrer fiel es ein, mir ebenfalls anzuzeigen, was er von meiner Fahrweise hielt. Die Kerle mit ihren Yellow Cabs hatten es eben immer eilig. Zeit war für sie Geld.
Ich parkte also unseren Wagen, wir stiegen aus und strebten dem Eingang des Gebäudes zu. "Howdy", grüßte der Doorman lässig und grinste. "Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?"
Ich sagte ihm, zu wem wir wollten, und da diese Burschen oftmals Zicken machten, weil sie sich berufen fühlten, keine ungebetenen Gäste zu den Hausbewohnern vordringen zu lassen, zeigte ich ihm meine Dienstmarke. Sein Grinsen gerann wie Sauermilch. "Hat unser guter Reverend was ausgefressen, das das FBI auf den Plan ruft?", zeigte er sich geradezu entsetzt.
"Wir möchten ihn sprechen", versetzte ich. "Nicht mehr und nicht weniger."
Der Portier kratzte sich am Hals. "Es ist fraglich, ob er zu Hause ist." Er wies auf das Telefon. "Soll ich mal nachfragen?"
"Wenn es nicht zu viel verlangt ist", knurrte mein Freund und Partner Milo.
Der Bursche, er war höchstens zwanzig Jahre alt, griff nach dem Hörer, tippte eine Kurzwahl und lauschte kurz. Dann sagte er: "Entschuldigen Sie, Reverend. Da sind zwei Gentlemen, die Sie gerne sprechen würden." Mit gesenkter Stimme fügte er hinzu: "Sie sind vom FBI." Wieder lauschte er sekundenlang, dann bedankte er sich und legte auf. "Vierte Etage, Apartment Nummer vier-null-zwei-drei. Der Reverend erwartet Sie."
Wir nahmen den Fahrstuhl.
8
Wir mussten nicht lange suchen, denn Troy Glomsky erwartete uns schon vor der Tür seiner Wohnung. Er war ein großer, hagerer Mann Mitte dreißig, besaß ein knochiges Pferdegesicht, seine Haare waren dunkel, die Augen braun. Er trug zivile Kleidung. Nichts an ihm erinnerte an einen Priester.
"Mr. Glomsky?", sagte ich fragend.
Er nickte. "FBI-Agents kenne ich eigentlich nur aus Filmen", spaßte er und grinste. Es erinnerte mich an das Zähnefletschen eines Dobermanns. "Was führt Sie denn zu mir?"
Hatte er wirklich keine Ahnung?
"Haben Sie heute nicht die Times gelesen?", fragte ich.
"Nein. Ich bin kein Leser derart profaner Literatur", antwortete Troy.
"Dann wissen Sie wohl noch gar nicht, dass Ihr Vater verstorben ist?", kam meine nächste Frage.
Er war kein bisschen überrascht. "Sagen Sie bloß", war sein Kommentar. "Bitte, kommen Sie herein. Wundern Sie sich aber nicht, wenn es ein bisschen chaotisch zugeht bei mir. Ich führe einen Junggesellenhaushalt, und Ordnung ist nicht meine Stärke."