Thriller Quartett 4078 - Alfred Bekker - E-Book

Thriller Quartett 4078 E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

von Alfred Bekker & Pete Hackett & Thomas West (499XE) Dieses Buch enthält folgende Romane: Thomas West: Drei Tonnen tödliches Gold Alfred Bekker: Kommandounternehmen Angkor Pete Hackett: In der Höhle des Löwen Alfred Bekker: Kommissar Jörgensen und der Springseilmörder Ein Geräusch ließ McConnery herumfahren. Schattenhaft tauchte eine Gestalt hinter einer Mauerecke hervor. Für Sekundenbruchteile fiel das Mondlicht auf einen maskierten Mann in olivgrünem Kampfanzug. Er hielt eine MP7 im Anschlag, richtete den Lauf in McConnerys Richtung und feuerte. Blutrot leckte das Mündungsfeuer aus der kurzen Mündung der Maschinenpistole heraus. McConnery warf sich zur Seite. Eine MPi-Salve von mindestens dreißig Schuss knatterte größtenteils dicht an ihm vorbei. Nur zwei Projektile erwischten ihn am linken Arm. McConnery feuerte noch während er fiel. Die P226 wummerte zweimal kurz hintereinander los, bevor McConnery mit einem dumpfen Geräusch auf dem weichen, von Moosen und Schlingpflanzen überwucherten Waldboden aufschlug. McConnery war ein ausgezeichneter Schütze. Ein Schuss hatte den Maskierten in der Bauchgegend erwischt, war aber von der Kevlarweste abgefangen worden. Für den getroffenen glich die Wirkung einem sehr kräftigen Tritt. Aber das Projektil konnte durch die dicht gewebten Schichten des kugelsicheren Materials nicht in den Körper eindringen. Der zweite Schuss war allerdings tödlich. Die Kugel durchschlug den Hals. Röchelnd und blutüberströmt sank der Maskierte zu Boden. McConnery rappelte sich auf. Sein Arm schmerzte höllisch. Das Hemd war blutdurchtränkt. Er hörte Äste knacken. Eine Bewegung. Ein weiterer Schatten hinter einem Mauervorsprung. MPi-Feuer blitzte auf.

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Alfred Bekker, Pete Hackett, Thomas West

Thriller Quartett 4078

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Inhaltsverzeichnis

Thriller Quartett 4078

Copyright

Drei Tonnen tödliches Gold

Kommandounternehmen Angkor

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In der Höhle des Löwen

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Kommissar Jörgensen und der Springseilmörder

Thriller Quartett 4078

von Alfred Bekker & Pete Hackett & Thomas West

Dieses Buch enthält folgende Romane:

Thomas West: Drei Tonnen tödliches Gold

Alfred Bekker: Kommandounternehmen Angkor

Pete Hackett: In der Höhle des Löwen

Alfred Bekker: Kommissar Jörgensen und der Springseilmörder

Ein Geräusch ließ McConnery herumfahren. Schattenhaft tauchte eine Gestalt hinter einer Mauerecke hervor. Für Sekundenbruchteile fiel das Mondlicht auf einen maskierten Mann in olivgrünem Kampfanzug. Er hielt eine MP7 im Anschlag, richtete den Lauf in McConnerys Richtung und feuerte. Blutrot leckte das Mündungsfeuer aus der kurzen Mündung der Maschinenpistole heraus.

McConnery warf sich zur Seite. Eine MPi-Salve von mindestens dreißig Schuss knatterte größtenteils dicht an ihm vorbei. Nur zwei Projektile erwischten ihn am linken Arm.

McConnery feuerte noch während er fiel. Die P226 wummerte zweimal kurz hintereinander los, bevor McConnery mit einem dumpfen Geräusch auf dem weichen, von Moosen und Schlingpflanzen überwucherten Waldboden aufschlug.

McConnery war ein ausgezeichneter Schütze.

Ein Schuss hatte den Maskierten in der Bauchgegend erwischt, war aber von der Kevlarweste abgefangen worden. Für den getroffenen glich die Wirkung einem sehr kräftigen Tritt. Aber das Projektil konnte durch die dicht gewebten Schichten des kugelsicheren Materials nicht in den Körper eindringen.

Der zweite Schuss war allerdings tödlich. Die Kugel durchschlug den Hals. Röchelnd und blutüberströmt sank der Maskierte zu Boden.

McConnery rappelte sich auf.

Sein Arm schmerzte höllisch. Das Hemd war blutdurchtränkt. Er hörte Äste knacken. Eine Bewegung. Ein weiterer Schatten hinter einem Mauervorsprung. MPi-Feuer blitzte auf.

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

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© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

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Drei Tonnen tödliches Gold

Krimi von Thomas West

Der Umfang dieses Buchs entspricht 124 Taschenbuchseiten.

Drei Tonnen Gold im Wert von 20 Millionen Dollar lagern in einer New Yorker Bank. Isaac Maresi, der ehemalige Diktator des afrikanischen Zwergstaates Swaduna, hatte es auf die Seite gebracht, bevor er gestürzt wurde und ins Exil flüchtete. Nun soll eine neue, demokratische Regierung in Swaduna gewählt und das gestohlene Gold dem Land zurückgegeben werden. Die beiden FBI-Agenten Jesse Trevellian und Milo Tucker erhalten den Auftrag, den Abtransport des edlen Metalles zu sichern – scheinbar ein Routinejob. Allerdings sind auch Unbekannte an den Goldbarren interessiert. Diese Verbrecher haben einen raffiniert ausgeklügelten Plan – und gehen über Leichen ...

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© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.

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1

Das Mädchen trug schwarze, engmaschige Netzstrümpfe. Northen fragte sich schon seit einer halben Stunde, wo sie die Strumpfbänder befestigt hatte, deren Ende er unter dem roten, kurzen Lederrock mehr ahnte als sah. Denn dass sie keinen Slip trug, schien ihm so selbstverständlich wie der Regen, der unablässig auf das Dach seines Chryslers und gegen die Windschutzscheibe prasselte.

Er drehte das Seitenfenster herunter und betrachtete das vollmundige, von blonden Haaren verschleierte Gesicht. Das Neonlicht der Bar, unter dessen Vordach das Girl stand, beleuchtete ihre fast knabenhafte Gestalt: Lange, feste Schenkel, schmale Hüften, kaum Busen unter dem rosa T-Shirt, und die Wölbung von kleinkindartigen Pausbacken unter den hellen Strähnen. Es dämmerte Northen, dass die Kleine, die dort am Eingang der Bar auf Freier wartete, nicht älter als sechzehn sein konnte. Abgesehen von der gefährlichen Gegend, in der sie ihren Job machte, deutete nichts, aber auch gar nichts darauf hin, dass sie nur noch wenige Minuten zu leben hatte.

Er schaute auf die Uhr: Kurz vor Mitternacht. Wenn der rätselhafte Geschäftspartner, der ihn mit einem Zehntausend-Dollar-Angebot hierhergelockt hatte, nicht bald auftauchte, würde er den Rest des Abends auf angenehme Weise zu nutzen wissen.

Northen prüfte den Sitz seiner Fliege im Rückspiegel und strich sich über seinen kahlgeschorenen Schädel. Dann zog er den Zündschlüssel ab. Er hatte die Finger schon am Türgriff, und seine Augen saugten sich gerade wieder an dem Mädchen fest, als sich von hinten eine Hand auf seine Schulter legte. "Antoni Northen?" Er fuhr herum und blickte in ein schwarzes Gesicht. "Steigen Sie aus und folgen Sie mir."

Das Gesicht war ungewöhnlich schwarz, und der Mann, dem es gehörte, sprach mit leiser, rauer Stimme. Und so eindringlich, als würde er keinen Spaß verstehen. An seinem gebrochenen Englisch merkte Northen, dass es sich nicht um einen US-Amerikaner handelte. Zuletzt hatte er so ein Englisch in dem Nachtclub gehört, in dem er vorige Woche sein Kokain gekauft hatte. Der Dealer war Nigerianer gewesen.

Northen brauchte nur wenige Augenblicke, um den Anflug von Unsicherheit zu verdauen. "Moment mal, Mister", seine Stimme klang so ruhig und gelangweilt, als würde er einen seiner vierzig oder fünfzig Untergebenen anweisen, den Tresorraum abzuschließen oder den Papierkorb zu leeren, "erstens will ich wissen, mit wem ich hier das Vergnügen habe, zweitens pflege ich selbst zu entscheiden, wann ich meinen Wagen verlasse, und drittens ...", er warf einen auffordernden Blick auf die schwarze Hand auf seiner Schulter.

Aus den Augenwinkeln sah er die Kleine mit einem Kerl in der Bar verschwinden. Gleichzeitig hörte er neben sich die Beifahrertür aufgehen. Er fuhr empört herum und blickte wieder in ein schwarzes Gesicht - und in den Lauf einer Pistole. "Was soll das ...?" Northens Schultern sackten nach unten. Von einer Sekunde auf die andere waren alle Chefallüren von ihm abgefallen.

"Aussteigen", das Englisch des Schwarzen auf dem Beifahrersitz war noch holpriger, als das des Kerls an der Fahrertür. Seine Augen funkelten so kalt, dass sich Northens Nackenhaare aufrichteten. Er stieg aus. Zwischen den beiden Männern betrat er die Bar. Sie schoben ihn durch das Gewühl von menschlichen Körpern an der Theke vorbei in ein dämmriges Hinterzimmer.

"Guten Abend, Mr. Northen", ein weißes Gebiss blitzte auf. Wieder in einem schwarzen Gesicht. Northen erkannte die Stimme des Anrufers, der ihm heute Morgen das Geschäft in Aussicht gestellt und sich mit ihm vor dieser Bar verabredet hatte. "Schön, dass Sie gekommen sind! Bitte nehmen Sie Platz!" Trotz des kehligen Akzentes registrierte Northen sofort das lupenreine Oxford-Englisch. Auch der blütenweiße Seidenanzug verriet ihm, dass er es offensichtlich mit einem gebildeten Afrikaner zu tun hatte, der einige Jahre auf britischen Universitäten zugebracht haben musste.

Der Mann gab den beiden Gorillas einen Wink, worauf der eine den Raum verließ und der andere sich neben der Tür aufpflanzte. Northen knöpfte sein Jackett auf und setzte sich. "Schlechte Voraussetzungen für ein Geschäft, wenn man mit einer Waffe an den Verhandlungstisch geholt wird", sagte er kalt, "finden Sie nicht, Mister ...?"

"Daniel", lächelte der andere, "einfach Daniel. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?" Northen ließ sich einen Whiskey einschenken. "Sollten sich meine Mitarbeiter Ihnen gegenüber unhöflich benommen haben, bitte ich Sie, ihnen das nachzusehen. Die Herren sind mit den Sitten dieses Landes noch nicht hundertprozentig vertraut."

"Was wollen Sie von mir?" Northen versuchte mit barscher Kaltschnäuzigkeit seine Verwirrung zu überspielen. Er konnte den weißgekleideten Farbigen nicht einordnen, der dort am anderen Ende des langen Tisches den Gentleman spielte.

"Ich möchte gerne, dass Sie sich Ihrem Arbeitgeber gegenüber - sagen wir: eine kleine Nachlässigkeit erlauben." Daniel stützte die seideverhüllten Ellenbogen auf den Tisch und legte die schwarzen Fingerspitzen zusammen. Er beobachtete Northen, als versuchte er die Wirkung seiner Worte abschätzen. "An dem kleinen Vorteil, der mir daraus entstünde, würde ich Sie mit zehntausend Dollar beteiligen."

Northens Augen wurden schmal. Er fixierte das Gesicht des anderen. Jetzt erst fiel ihm die breite Narbe auf, die sich von Daniels linkem Nasenflügel aus über seine schwarz glänzende Wange zog. Sie verlieh dem ständig lächelndem Gesicht einen grausamen Zug. Northen erschauerte. "Ihr Angebot interessiert mich nicht, Mr. Daniel." Er stand auf.

"Sie ahnen gar nicht, wie sehr Sie mein Angebot interessieren muss", Daniel strahlte ihn an wie die fleischgewordene Menschenfreundlichkeit. Trotzdem fühlte sich Northen, als hätte ihm ein Tiger ins Gesicht gehaucht.

"Ich habe fünf Jahre hart gearbeitet, um die Position zu erreichen, die ich in der Bank bekleide, und ich ..."

"Sie brauchen mir gar nichts erklären, Mr. Northen", die Stimme des Schwarzen wurde sogar noch eine Spur sanfter, "Sie sind ein freier Mann - Sie tun, was Sie wollen, und Sie gehen, wohin Sie wollen." Er stand auf und streckte Northen die Hand hin. "Auf Wiedersehen, Mr. Northen."

Verächtlich betrachtete Northen die ausgestreckte Hand. Er knöpfte sein Jackett zu und wandte sich zur Tür. Der Gorilla stellte sich ihm in den Weg. "Herein, Abel", rief Daniel. Hinter ihm öffnete sich eine zweite Tür. Der andere Gorilla hastete herein. Northen drehte sich blitzartig um. Die Lederjacke des Mannes war mit Blut bespritzt. Ein blutiges Messer lag in seiner Hand. Northen versuchte zu schlucken. Der Kloß in seinem Hals schien aus Schmirgelpapier zu sein und bewegte sich keinen Millimeter.

"Denken Sie noch einmal in Ruhe über alles nach, Mr. Northen", wieder Daniels charmante Stimme, "es reicht, wenn Sie mir morgen früh, bevor sie in die Bank gehen, Ihre Entscheidung mitteilen. Meine Mitarbeiter werden Ihnen jetzt noch eine kleine Entscheidungshilfe geben."

Dann ging alles sehr schnell. Der Mann hinter Northen riss ihm die Arme auf den Rücken. Der andere versenkte das Messer in der Innentasche seines Jacketts und wischte seine blutigen Hände an Northens Anzug und Hemd ab. Sie zerrten ihn durch die Hintertür eine schmale Treppe hinauf und stießen ihn in ein dunkles Zimmer.

Bäuchlings fiel er auf ein Bett. Das Licht flammte auf. Entsetzt stieß er sich von dem warmen, nassen Körper unter sich ab. Eine feuchte, salzig schmeckende Hand presste sich auf seinen Mund und erstickte den Schrei auf seinen Lippen: Auf dem hellen Laken des Bettes stand eine dunkelrote Pfütze und staute sich um einen weißen, schmalen Mädchenkörper. Es war die kleine Nutte, die er vor der Bar gesehen hatte. Bis auf die schwarzen, engmaschigen Netzstrümpfe war sie nackt. Und sie starrte teilnahmslos in die Neonleuchte an der Decke. Unter ihrem Kinn klaffte ein feuchter, schwarz-roter Spalt.

2

An manchen Tagen ist Great Babylon nur im Bett zu ertragen. Ich hörte den Regen an meine Ostfenster prasseln, und noch bevor ich mich aus den Federn geschoben hatte, um die Vorhänge zurückzuziehen, kannte ich den Ausblick, der mich an diesem Morgen erwarten würde: Ein bleigrauer Himmel, aus dem nasse Windböen in die Straßenschluchten peitschten. Und acht Stockwerke unter meinem Fenster der Asphalt als schwarzes, spiegelndes Band, über das um diese Zeit nur wenige Autos krochen.

Es war noch nicht einmal sechs Uhr. Der üble Traum, der mich aus dem Bett gescheucht hatte bevor der Wecker klingelte, steckte mir in den Knochen. Ich fand, dass ein Septembertag irgendwie freundlicher anfangen müsste und ich schielte sehnsüchtig nach meinem zerwühlten Nachtlager.

"Reiß dich zusammen, Jesse - es liegt in deiner Hand, wie der Tag wird." Ich gab mir recht, und statt meiner Bettdecke zog ich mir den Jogginganzug über die Ohren. Eine viertel Stunde später trabte ich durch den nächsten Eingang des Central Parks. Ich drehte meine üblichen Runden durch den >Shakespeares Garden<. Nach vierzig Minuten fühlte ich mich hellwach.

Völlig durchnässt aber bestens gelaunt stieg ich aus dem Fahrstuhl. In meinem Appartement klingelte das Telefon. Milo war dran. "Hi, Jesse - wie immer den Schlaf der Gerechten, was?"

"Ein G-Man, der seinen Job ernst nimmt, pflegt um diese Zeit aus dem Central Park zu kommen, wo er einen Dauerlauf von etwa zehn Kilometern hingelegt hat", verkündete ich allen Ernstes.

"Jetzt bin ich aber stolz auf dich, Partner", Milo mimte den Herablassenden, "und in welchem Jahr willst du mit dieser Form der Selbstquälerei beginnen?"

"Ich kann mich gar nicht erinnern, meine Tage je anders begonnen zu haben - was glaubst du, warum du im Squash keine Chance gegen mich hast?"

"Hört, hört! Du hast wohl einen Allmachtstraum gehabt heute Nacht, was?" Ich konnte Milos empörten Gesichtsausdruck förmlich sehen und musste grinsen. "Guten Morgen übrigens, Mr. Trevellian!"

"Guten Morgen - aber nur um mir den zu wünschen, hast du mich doch sicher nicht angerufen, oder?"

Milo räusperte sich. Ich ahnte, was jetzt kommen würde. "Nein, ich wollte mal fragen, ob heute etwas Besonderes anliegt?"

"Unsere letzte Kundschaft dürfte inzwischen auf dem Weg nach Rikers Island sein." Wir hatten in den Wochen zuvor gegen einen Waffenhändlerring ermittelt. Die letzte Verhaftung in diesem Fall lag knapp zwanzig Stunden zurück. "Jetzt kommt unsere Lieblingsarbeit: Verhörprotokolle und Berichte schreiben. Ein freier Tag ist heute nicht drin, Partner."

"Kannst du Gedanken lesen?"

"Deine schon."

"Komm", bettelte Milo, "die Schreibarbeit geht dir viel leichter von der Hand als mir ..."

"Aber nur wenn ich dabei ab und zu einen Blick auf dein bemerkenswertes Profil werfen kann."

Wie meistens gelang es mir, meinen Partner zu überreden. Er verschob seinen freien Tag, und eine halbe Stunde später hielt ich an der gewohnten Straßenecke, um ihn zu mir einsteigen zu lassen. Er hatte sich Treppenaufgang eines Hauses vor dem Regen in Sicherheit gebracht und las dort die Zeitung. Ich hupte und stieß die Beifahrertür auf.

"Scheißwetter", brummte Milo und schlug die Wagentür zu, "du willst mir nicht wirklich weismachen, dass du bei dem Regen im Park herumgejoggt bist."

Ich ging nicht darauf ein. "Was gibt's Neues im Big Apple?", fragte ich mit einem Blick auf seine Zeitung und setzte den Blinker, um in den Broadway einzubiegen.

"Das Alte in mehr oder weniger neuen Variationen", Milo gähnte herzhaft, "in Greenwich gab es gestern gleich zwei goldene Schüsse, aus dem Hudson haben sie eine Sechzehnjährige mit aufgeschnittener Kehle gefischt, die Stones wollen nächstes Jahr wieder auf Welttournee gehen, und im Battery Park wurde ein Mann wegen ein paar Dollars niedergeschlagen." Von der Seite spürte ich Milos Blick. "Einen Jogger." Ich drehte mich zu ihm: Er grinste tatsächlich.

"Das alles scheint deine Laune zu heben." An der Prince Street sprang die Ampel auf rot. Ich hielt.

Milo zuckte mit den Schultern. "Du musst zugeben: Von den meisten Tagen im Jahr gibt es viel Schlimmeres zu berichten."

Ich gab es zu. Milo schlug die Zeitung auf und las mir den Bericht über einen merkwürdigen Unfall im roten Meer vor. Ein Scheich, den unser Geheimdienst in Verdacht hatte, Hauptsponsor einer islamischen Terrororganisation zu sein, war mit seiner Yacht verunglückt. "Ganz zufällig auf ein Riff gelaufen und gesunken", kommentierte Milo, "und zufällig keine Überlebenden. Wenn da nicht irgendwelche Profis ihre Hand im Spiel hatten, will ich Jeremias heißen!" Ich warf ihm einen warnenden Blick zu, und tatsächlich entschuldigte er sich für den Missbrauch meines ungeliebten Zweitnamens.

Eine halbe Stunde später stiegen wir in den Aufzug des FBI-Gebäudes und fuhren in den 26. Stock. Wir nahmen uns vor bis zum Mittagessen mit dem Schreibkram fertig zu werden. Gegen dreizehn Uhr klopften wir uns auf die Schultern, lieferten Berichte und Protokolle bei Mandy ab und gingen zum Essen in ein chinesisches Restaurant.

Zurück im Büro hatte ich kaum die Kaffeemaschine angestellt, als das Telefon klingelte. Milo ging an den Apparat. "In Ordnung, Sir, wir kommen in etwa zwanzig Minuten herunter." Er legte auf. "Wär ich bloß zu Hause geblieben!" Er ließ sich in seinen Schreibtischsessel fallen und sah in den verregneten Himmel hinaus. "Der Chef hat einen Job für uns." Er drehte seinen Sessel vom Fenster weg zu mir hin. "Einen Routinejob, aber Dringlichkeitsstufe eins - verstehst du das?"

3

Die graue Wand wurde plötzlich durchsichtig, und von einer Sekunde auf die andere sah Danovan den John F. Kennedy International Airport unter sich liegen. So abgebrüht er war, und so viele Jahre er in fast allen Großstädten der Welt zugebracht hatte – jedes Mal, wenn Danovan dieses prächtige Stück Queens unter sich liegen sah, überkam ihn für Augenblicke das Gefühl wieder zu Hause zu sein.

Wenige Minuten später ging ein Ruck durch die Maschine, die typische Stille bei Landeanflügen wurde vom einsetzenden Stimmengewirr aufgehoben und das Klicken der ersten sich öffnenden Gurte war zu hören - Pan Am's 747 war gelandet.

Danovan erwiderte das Lächeln der Stewardess am Ausgang eine Spur länger als die anderen Passagiere. Befriedigt registrierte er die leichte Röte, die über die Wangen der schwarzhaarigen Frau flog. Es war ihm gelungen, ihre Telefonnummer zu erobern. Diesen Sport hatte er schon in seiner CIA-Zeit mit Leidenschaft betrieben. Stewardessen waren die idealen Frauen für einen Mann in seiner Branche: Man konnte Dates rund um den Erdball mit ihnen vereinbaren, die wenigen freien Tage verstanden sie mit erstaunlicher Leidenschaft zu genießen, und in der Regel legten sie Wert auf ihre Unabhängigkeit. Genau wie Danovan.

Die wenigen Meter vom Gangway zum Bus musste er durch strömenden Regen laufen. Ihn fröstelte. In Ägypten war es zwanzig Grad wärmer gewesen.

In der Flughalle holte er eine Benson & Hedges heraus und steckte sie zwischen die Lippen, ohne sie anzuzünden - das verabredete Zeichen für die beiden Männer, die ihn abholen sollten. Er machte sie sofort aus. Sie warteten wie vereinbart an der Gepäckausgabe: Schwarze Hautfarbe, dunkle Anzüge, Zeitungen unter dem Arm. Scheinbar ohne sie zu beachten, holte er seinen Koffer ab. Von links wurde ihm ein brennendes Feuerzeug entgegengestreckt. "Feuer?"

Danovan nickte dem Farbigen zu und entzündete seine Zigarette. "Sie erinnern mich an einen alten Freund", der Unbekannte sprach ein holpriges Englisch, wie Danovan es von Orientalen und Nordafrikanern kannte, "er hieß Will Danovan."

"Ach?", sagte Danovan und folgte den beiden zum Ausgang. Während der eine mit dem Fahrstuhl in die Tiefgarage hinabfuhr, blieb der andere mit Danovan vor dem Haupteingang stehen. Aus schmalen Augen beobachtete der Ankömmling die vorfahrenden Limousinen und Taxen. Auch sein Mund war schmal, und sein ganzes Gesicht hatte etwas Lauerndes, das an einen Fuchs erinnerte. Trotz der dunkelgrauen, aber dichten Haare schätzte kaum jemand Danovan älter als Ende dreißig.

Ein Honda Accord fuhr vor, ein Mietwagen, wie Danovan sofort erkannte. Am Steuer saß der zweite Afrikaner. Danovan bestand darauf, dass der Kofferraum geöffnet wurde. Während er seinen Koffer hineinlegte, wanderten seine hellwachen Augen über die Innenverkleidung. Dann beugte er sich in den Innenraum des Fahrzeugs. Einige Sekunden lang glitt sein Blick über Armaturen, Sitze, Himmel und Bodenbelag. Er wandte sich an den Mann, der hinter ihm ungeduldig darauf wartete, endlich einsteigen zu können.

"Sie fahren mit dem Taxi", sagte Danovan kurz. Der Schwarze sah ihn verständnislos an. "Ich setzte mich grundsätzlich mit höchstens einem Fremden in ein Auto." Danovan lächelte, ließ sich in den Beifahrersitz sinken und schlug die Tür zu. Auf ein Kopfnicken seines verdutzten Kollegen hin fuhr der Fahrer los.

Sie erreichten Brooklyn eine knappe Stunde später. Der Honda hielt vor einem Hotel am Ufer des East Rivers. Danovans Begleiter brachte ihn in eine großzügige Suite im fünfzehnten Stockwerk. "Willkommen, Mr. Danovan!" Ein Mann mit tiefschwarzer Hautfarbe kam ihm entgegen und entblößte sein perlweißes Gebiss. "Wie schön, dass Sie so schnell kommen konnten!" Der Mann trug einen sündhaft teuren Seidenanzug - weiß - und ein dicker Diamant zierte seine linke Hand. "Mein Name ist Daniel."

Er führte Danovan zu einer kleinen Bar und schenkte ihm einen Gin ein. Über einige Bemerkungen zum schlechten Wetter und der Höflichkeit der New Yorker tastete er sich langsam an seinen Gast heran. "Gute Arbeit, die Sie da im Roten Meer geleistet haben, Mr. Danovan, ich habe es heute in der Zeitung gelesen. Wie haben Sie die Yacht versenkt?"

Danovan war nicht sonderlich überrascht. Er war es gewohnt, dass seine Auftraggeber Erkundigungen über ihn einholten. Und dabei oftmals mehr erfuhren, als ihm lieb war. "Ich pflege nicht über meine Arbeit zu sprechen, sondern sie zu tun", sagte er knapp, "wobei wir beim Thema wären: Die Millionen, die sie mir bieten, sind nicht einmal fünf Prozent des Auftragswertes."

Zwischen Daniels Augenbrauen erschien ein kleines Grübchen. Auch das Zucken um die Narbe auf der linken Wange registrierte Danovan. "Unter zehn Prozent arbeite ich nicht", fuhr er fort, "allein die Crew, die ich zusammenstellen muss, wird mich fünfhunderttausend kosten. Vom Material und der Logistik ganz zu schweigen."

Scheinbar gleichgültig wandte er sich ab und schlenderte zum Kamin. Daniel benötigte nur wenige Sekunden, um sich zu entscheiden. Zu wenig, um nicht Danovans Misstrauen zu erregen. "Einverstanden, Mr. Danovan, sie bekommen Ihre zehn Prozent. Einen Mitarbeiter habe ich Ihnen übrigens schon engagiert."

Überrascht wandte sich Danovan um. "Wie bitte?!"

Daniel hatte gehört, dass Danovan größten Wert darauf legte, seine Aufträge ohne Einmischung der Auftraggeber auszuführen. "Sind sie mir nicht böse, aber die Zeit drängt. Und ich denke, Sie hätten sich für den gleichen Mann entschieden." Er ging zu einem Jugendstilsekretär gegenüber des Kamins und holte eine Mappe aus einer Schublade. "Hier, sehen Sie selbst."

Danovan war mit wenigen Schritten bei Daniel, nahm ihm die Mappe aus der Hand, schlug sie auf und überflog das Exposé, das sie enthielt. "Der stellvertretende Filialleiter", murmelte er, "Antoni Northen, vierunddreißig Jahre alt ..." Das Exposé enthielt detaillierte Angaben über die Lebensgewohnheiten des Mannes, über seine Vergangenheit, und vor allem über seine Freundin. Danovan schlug die Mappe wieder zu und musterte den lächelnden Daniel. "Sie werden sicher gehört haben, dass ich es nicht besonders schätze, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Aber in diesem Fall mache ich eine Ausnahme. Der Mann könnte uns wichtige Dienste leisten."

"Das wird er, Mr. Danovan, verlassen sie sich drauf", Daniel hob sein Glas, "auf gute Zusammenarbeit."

Die Frage, die in diesem Toast mitschwang, war nicht zu überhören. Danovan stieß mit dem Schwarzen an. "Auf gute Zusammenarbeit."

4

Milos Augenbrauen wanderten nach oben, und er warf mir einen dieser Blicke zu, die mir jedes Mal versicherten, dass er dasselbe dachte wie ich. Jonathan McKee, unser Chef, lehnte sich in seinen Schreibtischsessel zurück und legte die Spitzen seiner Finger an sein Kinn. "Sie scheinen nicht begeistert zu sein, Gentlemen."

Milo fühlte sich ertappt und rieb sich sein Kinn. "Nun, Sir, es ist ein etwas ungewöhnlicher Auftrag ..."

"… oder sagen wir es noch direkter", nahm ich den Ball auf, den mein Partner mir mit den Augen zuwarf, "es ist ein ungewöhnlich gewöhnlicher Auftrag - die Abwicklung eines Goldtransportes überwachen ...", ich sah dem Chef in die Augen. Er beobachtete mich aufmerksam, und mir schien, als würde ihm die Situation ein wenig Spaß machen. "... entschuldigen Sie, Sir, aber ist das nicht der Job der City Police oder irgendeiner Security Firma?"

Einige Sekunden lang musterte er uns schweigend. Dann atmete er tief durch und stand auf. "Ich verstehe Ihre Reaktion, und Sie haben recht." Er ging zum Fenster und stützte sich mit beiden Händen auf das Fensterbrett. "Es ist wirklich nicht unser Job. Es wäre der Job des CIA. Aber der hat Interesse daran, in keiner einzigen Zeitungsspalte im Zusammenhang mit diesem Transport genannt zu werden. Deswegen haben sich die Kollegen vom Geheimdienst an unser Hauptquartier in Washington gewandt." Er drehte sich wieder zu uns um und verschränkte die Arme vor der Brust. "Übrigens nicht direkt, sondern über das Außenministerium."

Milo und ich verstanden nun erst recht nichts mehr. Entsprechend hilflos mussten wir wohl aus unseren frisch gereinigten Hemden geguckt haben. Unser Chef lachte, was selten genug vorkam. "Entschuldigen Sie, Gentlemen", er ging zurück zu seinem Schreibtisch, "ich merke gerade, dass ich das Pferd von hinten aufzäume. Immerhin ahnen Sie jetzt, dass der scheinbare Routinejob nicht ganz ohne ist." Er setzte sich auf seinen Sessel.

"Also - noch einmal von vorn und der Reihe nach. Haben Sie zufällig in der Presse die Machtkämpfe in Swaduna verfolgt?" Wir schüttelten den Kopf. "Machen Sie sich nichts daraus - ich hatte den Namen dieses westafrikanischen Zwergstaates ebenfalls noch nie gehört. Er ändert sich auch alle paar Jahre, je nachdem, wer das Land gerade regiert. In den letzten neun Jahren war das ein gewisser Isaac Maresi - >Maresi, der Erste<, wie er sich selbst nannte. Ein Diktator von der übelsten Sorte. Er hat Land und Leute ausgepresst wie eine Zitrone. Anfang August wurde er gestürzt. Er ist jetzt in den Irak ins Exil gegangen."

"Lassen Sie mich raten, Sir", unterbrach ich den Chef, "ohne den CIA wäre der Mann heute noch an der Macht." Ich begann zu ahnen, dass unser neuer Auftrag mehr war, als nur ein niveauvoller Wachdienst.

"Richtig, Jesse. Wie kommen Sie darauf?" Für einen Moment schien Mr. McKee irritiert zu sein. "Nun ja - der Sekretär des Außenministeriums hat angedeutet, dass Swaduna einen strategisch wichtigen Hafen besitzt. Jedenfalls bemüht sich der CIA in enger Abstimmung mit dem Weißen Haus seit Wochen darum, eine demokratische Regierung einzusetzen. Im nächsten Monat wird es in Swaduna die ersten freien Wahlen seit Jahrzehnten geben."

"Und das Gold aus dem Bankhaus McArthur gehört der zukünftigen Regierung dieses Landes", Milo war in seinen Schlussfolgerungen schon weiter als ich. Seinem besorgten Gesichtsausdruck entnahm ich, dass er seinen freien Tag bereits abgehakt hatte.

"Nicht ganz, Milo", sagte Mr. McKee, "offiziell gehört es Maresi. Während sein Staatshaushalt den Bach herunterging und schließlich bankrott machte, wuchs sein Privatvermögen ins Unermessliche. Muss ein ganz korrupter Raffzahn gewesen sein. Insofern hat er das Gold also seinem Volk weggenommen, und es gehört tatsächlich der neuen Regierung. Jedenfalls ist dies die Sichtweise der UNO. Die hat seine sämtlichen Konten in Europa und den in den Staaten gesperrt."

Er ließ uns einige Augenblicke Zeit, die Informationen zu verarbeiten. Währenddessen öffnete er die Tür zum Vorzimmer und bat Mandy um Kaffee. "Gibt es denn irgendwelche Hinweise darauf, dass der gestürzte Diktator sein Vermögen zurückholen will?"

Mr. McKee lächelte. "Womit wir beim Kern der Sache wären. Ein Konto in Mailand konnte Maresi tatsächlich plündern, bevor der UNO-Beschluss rechtskräftig wurde. Und dem CIA liegen Informationen vor, wonach der Diktator ein paar seiner Söhne in alle Welt geschickt hat, um zu retten, was zu retten ist."

"Aha", brach Milo das eingetretene Schweigen, "hat der CIA auch verraten, um wie viel Metall es sich handelt?"

"Es geht um einen Wert von etwa zwanzig Millionen Dollar."

"Wie bitte?!", platzte Milo heraus. "Das sind ja ...", er sah mich hilfesuchend an. Ich begriff, dass meine Kopfrechenkünste gefragt waren und kramte den letzten Kurswert, den ich gelesen hatte, aus meinem Gedächtnis. Milo und der Chef sahen mich erwartungsvoll an, Mr. McKee mit einem genüsslichen Lächeln um die Mundwinkel.

"Das müssten zwischen zweieinhalb und drei Tonnen Gold sein", sagte ich skeptisch.

"Korrekt, Jesse", der Chef schlug anerkennend auf den Tisch, "ganz genau handelt es sich um fünfhundertsechzig Fünf-Kilo-Barren."

"Um die zu klauen, bräuchte man schon eine kleine Privatarmee", gab ich zu bedenken, "traut der CIA dem Kerl so ein Organisationskunststück auf fremdem Territorium zu?"

Mr. McKee zuckte mit den Schultern. "Da bin ich mir nicht ganz sicher, und unsere Direktion in Washington auch nicht, wie mir schien. Eines aber ist ganz sicher: Der CIA - oder sagen wir es ruhig deutlicher - das Weiße Haus ist sich sicher, dass es bei diesem Goldtransport zu keinerlei Pannen kommen darf."

Das war überdeutlich. Und die erste Miene unseres Chefs machte uns hinreichend klar, was er erwartete: perfekte und gründliche Arbeit. "Kein Problem, Sir", sagte Milo, "ein Transport von drei Tonnen Gold - was soll da schon schiefgehen?"

Mr. McKee zog es vor, den Kommentar meines Partners zu überhören. "Der Transport soll nächste Woche oder übernächste Woche stattfinden. Der genaue Termin wird erst einen Tag zuvor bekannt gegeben. Bis morgen früh haben Sie sämtliche Informationen, die Sie benötigen. Die City Police ist angewiesen, Ihnen das nötige Personal zur Verfügung zu stellen." Er stand auf und reichte uns die Hand. "Viel Erfolg, Gentlemen."

5

Suzanne Loose überprüfte das EKG und überflog das Narkoseprotokoll. Keine Besonderheiten. Auch die Kontrolle des Beatmungsgeräts ergab nichts Beunruhigendes. Der Patient schien die lange Narkose ohne Komplikationen zu vertragen. Vom Kopfende des OP-Tisches aus verdeckten ihr zahllose grüne Tücher den Blick auf das Operationsgebiet. Doch den knappen Kommentaren der konzentriert arbeitenden Chirurgen entnahm Suzanne, dass sie im Begriff waren, die Bauchdecke wieder zu schließen.

Vom Waschraum aus betrat eine Schwester den OP-Saal. "Telefon für Sie, Dr. Loose." Suzanne nickte ihrem Assistenten zu und ging hinüber in den Waschraum, wo der Hörer am Wandtelefon baumelte. Sie zog sich den Mundschutz herunter. "Loose?" Ihr schmales Gesicht wirkte gespannt.

"Hallo, Suzanne, wie geht's?"

"Will! Du bist schon zurück?"

"Hast du mein Fax nicht bekommen?"

"Doch, aber das klang nicht so als würdest du den Orient allzu schnell wieder verlassen."

"Machst du mit?"

"Du bist mal wieder zu schnell", die Ärztin blickte um sich - niemand in der Nähe, der lauschen konnte. Trotzdem senkte sie ihre Stimme. "Ich weiß weder worum es geht, noch was dabei ..."

"Hunderttausend, ich brauch deinen hellen Kopf und deine Erfahrung. Heute Abend in Greenwich?"

"Die Kneipe am Fillmore East?" Er bestätigte. "Gut - spätestens um sieben bin ich dort."

Den Rest des OP-Programms absolvierte Susanne Loose nur noch mit halber Konzentration. Die zierliche Ärztin kümmerte sich nur um das Allerwichtigste, den Routinekram überließ sie dem Anästhesiepfleger. Der fühlte sich geehrt. Die Stunden schleppten sich zäh dahin. Will war wieder da! Suzanne konnte es kaum erwarten, ihn endlich zu sehen.

Den letzten Auftrag hatte sie vor einem halben Jahr von ihm übernommen. Es war um eine große Geldwaschaktion übers Internet gegangen. Persönlich war sie ihm zuletzt auf Hawaii begegnet. Das war fast ein Jahr her. Sie hatten zusammen Urlaub gemacht. Und was für einen Urlaub ...

Am Abend ließ sie ihren Wagen in der Garage stehen und fuhr mit einem Cabby nach Greenwich. Schon seit seinem Fax war ihr klar, dass sie mitmachen würde. Egal, welcher Auftrag anstand. Ihre bürgerliche Arbeit als Anästhesistin hatte natürlich ihre Vorteile. Aber zwei- oder dreimal im Jahr einen Coup mit Will zu erledigen - diesen Thrill brauchte sie einfach, es war fast wie eine Sucht.

Sie hatten sich vor acht Jahren kennengelernt. In Moskau, kurz bevor der eiserne Vorhang sich in Wohlgefallen aufgelöst hatte. Sie war damals als Agentin für die Krone unterwegs gewesen, Will für den CIA. Vor sechs Jahren musste der englische Geheimdienst sie aus der Schusslinie einer kriminellen Organisation nehmen und hatte ihr eine neue Existenz in Manhattan verschafft. Ein bitterer Schnitt für jemanden, der seinen Job so liebte wie Suzanne. Seitdem arbeitete sie mit Will zusammen.

Sie betrat das Lokal und sah sich um. Es schien ihr ziemlich heruntergekommen zu sein, seitdem sie das letzte Mal hier gewesen war. Wie meistens saß er an einem der Ecktische. Er winkte ihr zu. Obwohl ihr Herz klopfte, ging sie betont langsam auf ihn zu. Von einem kühlen Lächeln abgesehen, blieb auch ihre Mimik ohne ein Zeichen von Gemütsbewegung. Will Danovan erhob sich und küsste ihr die Hand. "Sehr erfreut Sie zu sehen, Lady Grönland." Sie nahm Platz und schlug die Beine übereinander. "Du trägst immer noch am liebsten Schwarz." Er musterte sie wohlgefällig. Ihre schmale Gestalt steckte in schwarzen Lederhosen und einem schwarzen Hemd. Auch das kurz geschorene Haar war schwarz. Wären die großen grünen Augen und die scharf geschnittene Nase nicht gewesen, hätte man sie für eine Asiatin halten können.

"Die Menschen verändern sich nicht", sagte sie lächelnd und ließ sich Feuer von ihm geben, "auch du siehst immer noch aus wie der alte Will."

Er strich sich über die Haare. "Alt? Mit solchen Bemerkungen solltest du vorsichtig sein bei einem Mann, der auf die Vierzig zugeht."

"Deine Haare waren schon damals in Moskau grau." Sie plauderten über gemeinsame Erlebnisse aus der Vergangenheit und über Privates. Geschäftliches vermieden sie zunächst. Erst nach dem Essen kam Danovan darauf zu sprechen.

"Meine guten Beziehungen nach Afrika beginnen sich auszuzahlen. Mein letzter Auftrag führte mich nach Ägypten, und jetzt ist ein westafrikanischer Expräsident an mich herangetreten." Suzanne wusste, dass Danovan in seiner CIA-Zeit Afrika-Spezialist gewesen war. "Aber lass uns auf einem kleinen Spaziergang über die Einzelheiten reden."

Mit einem Taxi fuhren sie in den East River Park hinüber. Sie schlenderten über die nächtlichen Parkwege, und Danovan weihte seine Partnerin ein. "Ich schätze, dass es um zwanzig Millionen Dollar geht. Die Masse und das Gewicht des Goldes scheinen mir das Hauptproblem zu sein. Wie wir das ganze Zeug verschwinden lassen sollen, müssen wir besonders gut überlegen."

"Wie viel Leute hast du?"

"Außer Daniel und uns beiden noch drei. Einen ehemaligen Piloten der Air Force - er kennt die Ostküste wie seine Westentasche - und zwei Spezialisten aus Europa, einen Deutschen und einen Franzosen. Sie werden morgen in New York sein."

"Und der Filialleiter?"

"Northen. Den werd ich morgen unter die Lupe nehmen. Ich fürchte, Daniel hat ihn nicht genügend unter Druck gesetzt."

Schweigend gingen sie nebeneinanderher. Hinter ihnen raschelte das Laub. "Hast du es auch gehört?", fragte Suzanne mit leiser Stimme.

"Ja", raunte Danovan, "sie sind zu viert. Haben sich schon vor zehn Minuten an uns gehängt."

"Hat das was mit der Sache zu tun?"

"Sehen eher aus wie Junkies oder Taschendiebe." Ohne sich umzudrehen, setzten sie ihren Weg fort. Sie gingen unter der Brücke durch und ließen die Verfolger bis auf fünfzig Meter herankommen. Dabei sprachen sie laut und lachten - wie Menschen, die sich vollkommen in Sicherheit fühlten.

In der Höhe einer dichten Baumgruppe trat Suzanne an das Ufer des East Rivers, während Danovan sich an einen Busch stellte - scheinbar, um zu pinkeln. In Wirklichkeit hielt er einen Revolver vor seinem Hosenschlitz fest. Aus den Augenwinkeln sah er, wie die Verfolgergruppe sich trennte. Zwei der Kerle rannten zum Ufer, zwei kamen auf ihn zu. "He, Alter", sprach ihn einer der beiden von hinten an, "heb die Pfoten hoch und mach keinen Quatsch, sonst hast du gerade das letzte Mal deinen Schwanz ausgepackt."

Im selben Augenblick fielen am Ufer zwei Schüsse. Danovan fuhr herum, und wie erwartet starrten die beiden Kerle zum Fluss hin, wo eben ihre Komplicen zusammensackten. Es knirschte trocken, als er den Knauf seiner Waffe in den Hinterkopf eines der Kerle rammte. Dem zweiten zog er das Halstuch solange zusammen, bis er aufhörte mit den Beinen zu strampeln und schlaff ins Gras glitt.

"Nichts wie weg hier", zischte Suzanne und ließ eine Pistole in ihrer Handtasche verschwinden. Er hastete hinter ihr her auf den Roosevelt Drive zu.

Sie fuhren mit getrennten Taxen in sein Hotel. In seinem Zimmer trafen sie sich, und er schloss sie in die Arme. "Eine kleine Aufwärmübung, was?"

"Du scheinst Schwierigkeiten magisch anzuziehen", sagte Suzanne, "das liebe ich so an dir."

6

Es war nichts Besonderes, wenn ein Kunde nach ihm verlangte. Auch Kunden, die zum ersten Mal die bewusst nostalgisch gestalteten Geschäftsräume des Bankhauses McArthur betraten, verlangten manchmal nach ihm. Meistens hatten ihnen dann irgendwelche Freunde oder Bekannte eine entsprechende Empfehlung gegeben. Nicht umsonst war Antoni Northen der jüngste stellvertretende Filialleiter in der Firmengeschichte.

So dachte sich Northen auch nichts dabei, als der fremde, grauhaarige Mann, der an diesem Morgen die Filiale betrat - er stellte sich als Leonhard Jefferson vor - darauf bestand, von ihm persönlich beraten zu werden. Er eröffnete ein Konto, auf das er zehntausend Dollar einzahlte, ließ sich über Festgelder und Wertpapiere informieren und stellte eine Anlage von etwa einer Millionen Dollar für den kommenden Monat in Aussicht. Dazwischen die üblichen Smalltalks über Wetter, Politik und private Nebensächlichkeiten.

Northen war einfach zu jung und zu unerfahren, um zu bemerken, dass der Mann ihn konzentriert beobachtete - keine Geste, kein Mienenspiel, keine Schwankung in Stimmlage oder Körperhaltung entging ihm. Als er nach zwei Stunden ging, hatte Northen mal wieder das Gefühl, seine Sache gut gemacht und einen Kunden gewonnen zu haben. Weiter nichts.

In diesen zwei Stunden wenigstens war er ganz bei der Sache gewesen und hatte diese verdammte Angst vergessen können, die seit zwei Tagen in seinem Körper rumorte wie eine Darmgrippe - seit er in diesem unsäglichen Puffzimmer auf das tote Mädchen gefallen war. Er hatte seine blutbefleckte Kleidung verbrannt, alles: Anzug, Fliege, Hemd - sogar die Unterwäsche. Er hatte das Messer, dass ihm dieser Schwarze in die Tasche gesteckt hatte, in den Harlem River geworfen. Er hatte stundenlang geduscht und sich mit einer schweren Parfümwolke umgeben - es nützte alles nichts: Immer noch ertappte er sich dabei, wie er verstohlen an sich hinuntersah, immer noch fühlte er den nassen, warmen Körper auf seinen Handflächen, und immer noch meinte er den Geruch von Blut in der Nase zu spüren.

Antoni Northen hatte nicht nur eine Bilderbuchkarriere hinter sich, sondern auch eine Bilderbuchkindheit und ein Bilderbuchelternhaus. Was Sorge und Angst bedeutete, wusste er aus dem Fernsehen. Die Angst, die ihn beim Anblick des toten Mädchens angesprungen hatte, war zu wild und zu real für ihn. Sie zwang seinen sonst so starken Verstand in die Knie. Am Morgen danach hatte Daniel ihn angerufen. Ob er sich für eine Zusammenarbeit entschieden hätte. Northen hatte >ja< gesagt.

Mit niemandem hatte Northen über diesen Vorfall gesprochen. Nicht die Spur einer Andeutung. Nicht mal Carol gegenüber. Seine Verlobte war glücklicherweise in Virginia und würde erst heute Abend zurückkehren. Dann allerdings war es nur noch eine Frage der Zeit, bis er mit ihr darüber reden musste. Denn Carol hatte einen siebten Sinn, was seine Stimmungen betraf. Manchmal befürchtete er, sie könnte Gedanken lesen.

Bis jetzt hatte Northen keine Ahnung, was diese Leute von ihm erwarteten. >Eine kleine Nachlässigkeit gegenüber Ihrem Arbeitgeber ...< - die wildesten Spekulationen schossen ihm durch den Kopf. Als sein Chef ihn am späten Vormittag zu einer Konferenz unter vier Augen in seine Etage kommen ließ, hakte er seine Fantasien ab. Was er da mit der Auflage strengster Geheimhaltung erfuhr, machte ihm zweifelsfrei klar, worauf Daniel und seine Hunde es abgesehen hatten.

"Ganz exakt handelt es sich um fünfhundertsechsundfünfzig Barren à fünf Kilo", sein Chef bot ihm eine Zigarre an. Gedankenlos nahm Northen sie an und ließ sich Feuer geben. "Versicherungstechnisch ist alles geklärt", fuhr der Direktor fort, "offenbar geht es um Regierungsinteressen. Das FBI wird die Organisation übernehmen. Zwei Beamte waren heute schon hier. Sie waren gerade mit Ihrem Kunden zugange, sonst hätte ich Sie mit den beiden bekannt gemacht." Er nahm zwei Karten auf, die vor ihm auf dem runden Konferenztisch lagen, und las die Namen laut vor. "Ein Special-Agent Jesse Trevellian und ein Special-Agent Milo Tucker. Die werden sich in den nächsten Tagen mit Ihnen in Verbindung setzen. Wir sollen eine möglichst kleine Gruppe von unseren Leuten zusammenstellen und ihnen nur die allernötigsten Informationen geben."

"Wann geht die Sache über die Bühne", Northen wunderte sich über seine schauspielerische Leistung: Er blieb wie immer die Ruhe selbst.

"Das erfahre ich selbst erst ein oder zwei Tage zuvor", der Direktor grinste, "ganz schön misstrauisch, das FBI." Er musterte seinen Stellvertreter. "Sie sind ein wenig blass, Antoni, gehen Sie mal ein bisschen früher ins Bett, Mann." Northen zwang sich zu einem Grinsen.

Der Anruf, den er von diesem Augenblick an erwartete, kam beim Mittagessen. Er saß allein in einer Nische des Thailändischen Restaurants, in dem zweimal in der Woche zu Mittag aß. Das Schrillen seines Handy schnürte ihm die Kehle zu.

"Können Sie sprechen, Mr. Northen?" Es war Daniels Stimme. Northen bestätigte. "Wir brauchen Grundrisse der Bankräume, einen Schaltplan der Alarmanlage, und genaue Angaben über einen Goldtransport, der im Lauf der nächsten zwei Wochen von Ihrer Bank aus zu irgendeinem Flughafen durchgeführt wird. Alles interessiert uns: Uhrzeit, Verpackung, Personal, Polizeipräsenz, Transportwagen usw., bis morgen früh." Daniel nannte einen Parkplatz, auf dem er die Informationen in einem Kuvert unter ein ganz bestimmtes Auto legen sollte. "Ist soweit alles klar, Mr. Northen?"

Northen schwieg. Er dachte an den Tag, als der Vorstandsvorsitzende ihn zum Essen eingeladen hatte, um ihm seine Beförderung mitzuteilen. Er sah seinen Chef vor sich, er sah das tote Mädchen, er dachte wieder an seine Karriere, und alles in ihm bäumte sich auf. "Mr. Northen, sind Sie noch dran?" Er unterbrach die Verbindung und steckte das Handy in sein Jackett. Für wenige Augenblicke durchflutete eine wohltuende Kälte sein Gehirn und verdrängte die Angst. Er wusste plötzlich, dass er nur eine Wahl hatte: Er musste zur Polizei gehen.

7

"Leise". Danovan schloss vorsichtig die Tür. "Komm'". Suzanne folgte seinem Wink und huschte hinter ihm her ins Nebenzimmer. "Achtung", Danovan zog öffnete die Tür eines Wandschranks. Dahinter erschien ein Durchgang in ein anderes Zimmer. Dort befanden sich vier Männer. Suzanne wich unwillkürlich einen Schritt zurück.

Die Gruppe im anderen Zimmer bewegte zwar die Lippen, Suzanne hörte sie aber nichts sagen. Auch schienen die Männer sie und Danovan überhaupt nicht zur Kenntnis zu nehmen. Danovan grinste und betätigte einen Schalter im Türrahmen. Jetzt waren Stimmen zu hören - leise und wie aus einem Radio. Endlich begriff Suzanne, dass sie durch einen Spiegel Einblick in das andere Zimmer hatte. Die sechs Menschen konnten sie nicht sehen. "Schurke", zischte sie Danovan zu.

"Der Schwarze ist Daniel", sagte er, "er gehört zu den Typen, denen man nicht die Hand geben kann, ohne hinterher nach Ring und Armbanduhr zu sehen und sich dann nach einem Waschbecken umzuschauen. Beobachte ihn genau."

Suzanne nickte. "Der Dünne mit dem grässlichen Jackett ist der Deutsche, schätze ich."

"Richtig. Kanthner. Er hat einen internationalen Ruf als Killer. Operiert bis nach Fernost. Was aber noch wichtiger ist - er hat in Informatik promoviert. Er knackt jedes Sicherheitssystem."

"Hat der's überhaupt noch nötig zu arbeiten?"

Danovan zog überrascht die Augenbrauen hoch und sah seine Partnerin spöttisch an. "Hast du es nötig?"

"Finanziell nicht."

"Na also. Der am Fenster ist Jimmy, unser Pilot, und der Dicke ..."

"... ist der Franzose. Was zeichnet ihn aus?"

"Dass er schon mindestens zwanzig Mal mit mir zusammen irgendeine harte Nuss geknackt hat", er zuckte mit den Schultern, als wollte er sich entschuldigen, "in manchen Dingen bin ich einfach ein Gewohnheitstier. Ich brauche Pierre in meiner Nähe - er bleibt die Ruhe selbst, auch wenn es aus zehn MGs feuert. Ach ja - er ist ein grandioser Schütze und fährt monatlich mit einem Zehntonner die Strecke Paris-Wladiwostok."

Er schaltete das Mikrofon wieder aus und schloss die Schranktür. "Soll ich dich in die Klinik fahren."

"Ja. Ab morgen habe ich dann Urlaub genommen. Wann steigt unsere Hauptkonferenz?"

"Sobald ich meine Quelle in Washington angezapft habe. Ich nehme an, dass ich in zwei Tagen so weit bin."

8

"Richtig gemütlich hier", anerkennend sah sich Milo im Geschäftsraum des Bankhauses McArthur um. Überall standen niedliche Sitzgruppen, Sofas, Tischchen und Sekretäre herum.

"Ja", bestätigte ich, "man möchte sich hinsetzen und die Bridge-Karten auspacken. Alles war holzgetäfelt und ganz im Jugendstil gehalten.

"Oder einen Kaffee bestellen", sagte Milo.

"Ich denke, den wird man uns hier sicher anbieten", ich machte Milo auf eine Sitzgruppe aufmerksam, an dem einige Kunden vor Tassen saßen aus denen der Kaffee dampfte.

Es war später Vormittag. Milo und ich wollten den ersten Tag mit unserem neuen Auftrag dort beginnen, wo der Goldschatz auf seinen Abtransport wartete. Wir meldeten uns am Informationsschalter. Kurz darauf erschien eine Lady mit einem sphinxhaften Lächeln auf ihren vollen Lippen. Ihr schmales Gesicht war von mahagonirotem Haar umrahmt, das ihr bis an die Hüften reichte. Sie bat uns, ihr zu folgen.

Ich wusste in dem Augenblick nicht, was ich lieber getan hätte. Sie hatte einen festen energischen Schritt, bei dem sich jedes Mal ein Schlitz auf der linken Seite ihres anthrazitfarbenen Kostüms öffnete. Milo, der auf der rechten Seite ging, drückte sich an mir vorbei, um auch etwas von der Herrlichkeit zu sehen. Plötzlich tat er zwei große Schritte und ging neben der Lady. "Ich habe selten eine Bank mit derart stilsicherer Innenarchitektur gesehen", log er mit seiner charmanten Stimme.

"Was Sie nicht sagen", ihre Stimme klirrte vor Kälte, "vergraben Sie Ihr Geld im Garten?" Wer Milo auch nur ein bisschen kennt, weiß, dass eine Frau vor allem eines tun muss, um ihn vorläufig nicht mehr loszuwerden: Ihn abblitzen lassen.

"Bestanden", krähte Milo wie aus der Pistole geschossen, "gratuliere - Sie haben den Test bestanden." Er strahlte sie an. "Sie müssen wissen, dass ich der beste Lügner im New Yorker FBI-Distrikt bin. Kommt selten vor, dass mich jemand so schnell überführt wie Sie - gratuliere." Er log schon wieder, aber diesmal besser.

Sie blieb stehen und wies auf eine ledergepolsterte Tür. In ihren Augen blitzte etwas auf, was ich nicht deuten konnte. "Unser Chef erwartet Sie", sagte sie und öffnete die Tür.

Der Direktor war ein untersetzter Mitfünfziger mit silbergrauem Schnurrbart. "Mr. Northen wird das ganze Projekt von unserer Seite aus in die Hand nehmen", erklärte er uns, nachdem wir an seinem Gästetisch Platz genommen hatten. Seine Sekretärin schenkte uns Kaffee ein. Die Rothaarige war leider nirgends mehr zu sehen. "Er ist leider gerade mit einem Kunden beschäftigt." Wie vereinbart händigte er uns Kopien der Grundrisse aus und führte uns anschließend durch das Bankgebäude. Wir lokalisierten die Räume, in denen wir uns jeweils befanden oder die wir passierten, auf dem Lageplan und machten uns mit den Räumlichkeiten vertraut. So gut es eben ging.

Der Tresorraum, in dem das Edelmetall lagerte, war im Keller untergebracht. Offenbar hatte der Direktor Erkundigungen über uns eingezogen, denn er zögerte keinen Augenblick, als wir ihn baten, den Schatz sehen zu dürfen. Nach drei elektronisch gesicherten Stahltüren gelangten wir ins Herz der Tresorräume. Dort, in einem etwa zehn Quadratmeter großen, stahlummantelten Raum, lagerten die Goldbarren.

Man sieht nicht alle Tage annähernd drei Tonnen Gold fein säuberlich in Fünf-Kilo-Barren gestapelt. Milo genauso wenig wie ich. Der Bankdirektor war in dieser Hinsicht offenbar abgebrühter. Während Milo und ich vor Ehrfurcht verstummten und andächtig um den Goldbarrenturm herumschritten, plauderte der kleine, schnauzbärtige Mann munter weiter. Erzählte, wie drei Söhne Maresis das Gold seinerzeit persönlich von der afrikanischen Westküste über den Kennedy Airport in die East Village begleitet hatten. Erzählte, wie sie mit einem Helikopter auf einem der Wolkenkratzer in der Nachbarschaft gelandet waren. Erzählte von den beiden Security Firmen, deren vollständiges Personal Maresi für den Transport vom Hochhaustop in den Bankkeller geleast hatte, und von dem Tigerfell, das der Diktator ihm, als kleines Präsent hatte mitschicken lassen. Sogar wie das Wetter an diesem Tag gewesen war, wusste der Mann noch.

Sein Handy schrillte und unterbrach seinen Redefluss. "Muss ihn ja schwer beeindruckt haben", flüsterte Milo mir zu, während der Mann telefonierte.

"Du hast heute schon Beeindruckenderes gesehen, was?", sagte ich und erntete ein hintergründiges Grinsen. Mein Partner fühlte sich mal wieder verstanden.

"Tut mir leid, meine Herren", der Direktor steckte das Handy weg, "die Geschäfte rufen. Mr. Northen wird Ihnen für alle weiteren Fragen zur Verfügung stehen."

Wir fuhren mit dem Fahrstuhl ins Parterre und betraten wieder den Schalterraum. Northen, der stellvertretende Chef, war offenbar schon zum Mittagessen gegangen. "Nun, dann verabreden Sie sich am besten telefonisch mit ihm, Gentlemen." Er wollte uns verabschieden.

"Entschuldigen Sie, Sir", sagte Milo, "ich habe Ihrer Mitarbeiterin, die uns zu Ihrem Büro brachte, noch ein paar Informationen zur Organisation des New Yorker FBI versprochen. Wo finde ich die Lady?"

"Sie meinen unsere Pressereferentin, Miss Linda Wellington", ein gewisser Stolz schwang mit in der Art, wie der Mann Name und Funktion der Frau aussprach, "Sie hat ihr Büro im zweiten Stock, Zimmer 212."

Ehe ich mich versah, lief Milo auf die Treppe zu. "Bin gleich wieder da." Der Bankdirektor empfahl sich, und mir blieben fast zwanzig Minuten, um mich unter den niederländischen Meistern umzusehen, die an den Wänden des Geschäftsraums ausgestellt waren.

Ich packte mein Handy aus, um Milo Beine zu machen, als er endlich wieder auftauchte. "Wird aber auch höchste Zeit, Partner", sagte ich streng.

"Danke für deine Geduld, Jesse, das werde ich dir nie vergessen, ich schwör's."

"Und weiß sie jetzt Bescheid über die Organisation des FBI in Babylon?"

"Ich kann doch einem noch so klugen Menschen nicht unsere Firma in nur zwanzig Minuten darstellen", Milo griff in die Brusttasche seines Jacketts und zog ein Kärtchen zur Hälfte heraus, "sie hat drum gebeten, dass wir das heute Abend in aller Ruhe fortsetzen."

9

Will Danovan betrachtete noch einmal das Foto der jungen, blonden Frau, steckte es dann in die Tasche und betrat die Halle des La Guardia Flughafens. Am meisten ärgerte ihn, dass er die bevorstehende Sache persönlich erledigen musste.

Er hatte sich mit einer Perücke und einem falschen Bart leidlich gut getarnt. Die Phantombilder, die bisher von ihm existierten, hatten etwa soviel Ähnlichkeit mit ihm, wie das sommersprossige, fette Gesicht der alten Sonntagsschullehrerin seiner Kindertage. Danovan legte Wert darauf, dass es so blieb.

Von McArthur's Bankhaus aus war er sofort zu Daniels Hotel gefahren und hatte einen Riesenkrach mit dem Afrikaner angefangen. Mit solchen Muskelmethoden wie der Hals-ab-Nummer im Puff konnte man sich vielleicht afrikanische Regimekritiker gefügig machen, wenn man sie flächendeckend anwendete. Aber keinen amerikanischen Saubermann aus der oberen Mittelschicht Brooklyns. Jedenfalls nicht auf die Dauer.

Danovan kannte die Mentalität seiner Landsleute. Und er hatte sich ein Bild von Northen gemacht: Irgendwann würde dieser Yuppie an seine Karriere denken. Und irgendwann - wenn auch erst nach der Sorge um die Karriere - würde sich sein Pflichtgefühl regen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er umfallen würde. Solche Leute musste man anders anpacken.

Der Job war risikoreich genug. Darum musste jedes kalkulierbare Risiko mit allen Mitteln minimiert werden. Das war Danovans Berufsauffassung. Und deswegen war er persönlich auf dem La Guardia Airport erschienen.

Glücklicherweise fühlten sich diese Banker immer gleich geschmeichelt, wenn man ihnen in Nebensätzen das eine oder andere Kompliment servierte. Auch Northen gehörte zu diesen eitlen Windhunden, die sich für unwiderstehlich hielten. Er war dann auch überraschend leicht für einen privaten Smalltalk zu ködern gewesen. Auf diese Weise hatte Danovan erfahren, dass Carol Snyder, seine Verlobte, noch heute aus Lexington, Virginia, zurückkehren würde. Wann genau und mit welchem Flug - das herauszufinden war für einen Profi wie Danovan ein Kinderspiel gewesen.

Er musste etwa eine halbe Stunde warten, bis ihr Flug auf der Tafel erschien. Und dann noch einmal eine halbe, bis er die junge Frau an der Gepäckausgabe entdeckte. Ohne einen Augenblick zu zögern ging er auf sie zu. "Entschuldigen Sie, Miss - sind Sie Carol Snyder?"

Überrascht sah Sie ihn an. "Ja, was ..."

Danovan zückte eine Dienstmarke. "Detektiv Seligman, City Police", er fixierte sie eindringlich, und sie war so erschrocken, dass sie der Dienstmarke kaum mehr als einen flüchtigen Seitenblick gönnte, "Sie müssen jetzt ganz stark sein, ich habe leider eine schlechte Nachricht für Sie, Miss Snyder."

Sie ließ ihre Tasche fallen und schlug beide Hände vor's Gesicht. "Um Gottes Willen ...!"

"Ihr Verlobter, Mr. Antoni Northen, ist bei einem Banküberfall verletzt worden." Er sah, wie das Mädchen die Augen schloss und den Atem anhielt. "Keine Sorge", fuhr er dann fort, "er ist bei Bewusstsein und außer Lebensgefahr." Er wartete, bis sie seufzend ausgeatmet hatte. Dann der heikle Augenblick: "Ich bin beauftragt worden, Sie zu ihm zu bringen."

Die Nachrichten hatten die Frau so erschüttert, dass sie nicht mehr in der Lage war, einen klaren Gedanken zu fassen, oder irgendeine vernünftige Frage zu stellen. Danovan ließ ihr auch gar keine Zeit dazu. Er nahm ihren Koffer und ihre Tasche, und sie folgte ihm mechanisch.

Im Wagen dann gewann sie langsam ihre Fassung wieder. "Im welchen Krankenhaus liegt er denn", wollte sie wissen.

"Im Bellevue Hospital", er erzählte ihr Einzelheiten eines Lungendurchschusses und einer entsprechenden Operation. Sie schluckte alles.

Danovan nahm den Northern Boulevard und durchquerte Queens in südwestliche Richtung. Auf der Queensboro Bridge fuhr er über den East River nach Manhattan hinein. Als er statt südlich zum Bellevue abzubiegen, auf der First Ave in Richtung Norden fuhr, wurde die Frau stutzig. "Liegt das Krankenhaus nicht in Neunundzwanzigsten?"

Er schüttelte lächelnd den Kopf. "Stimmt. Ich habe mich verfahren. Ich werde wenden." Er hoffte, ihr Vertrauen würde noch bis zur sechzigsten Straße halten. Das tat es.

Dort fuhr er an den Straßenrand. Wie zufällig standen an dieser Stelle drei Leute auf dem Bürgersteig: Zwei farbige Männer in dunklen Anzügen und eine schwarz gekleidete Frau. "Die warten auf uns ...", schoss es Carol durch den Kopf. Erschrocken fuhr sie zu Danovan herum. "Ich denke, Sie wollen wenden, Detective?" Sie sah ihn mit großen, verständnislosen Augen an.

"Das werde ich sofort tun, Miss." Im gleichen Moment wurden von beiden Seiten die hinteren Türen des Wagens aufgerissen. Die beiden Männer und die Frau sprangen in den Wagen. Während Danovan mit quietschenden Reifen anfuhr, hielt einer der Männer die entsetzte Carol Snyder von hinten fest. Der andere riss ihr das Kleid von der rechten Schulter. Carol war wie gelähmt vor Schreck. Dann sah sie die Spritze in der Frauenhand vor ihrem Gesicht. Ihr Schock löste sich in einem panischen Schrei.

Eine feste Hand presste sich auf ihren Mund. Im gleichen Moment bohrte sich die Kanüle der Spritze unter ihr Schlüsselbein. Die gelbe Flüssigkeit in der Spritze füllte sich mit Blut. "Hast du die Vene, Suzanne?" Hörte sie den falschen Polizisten neben sich sagen. Dann verschwand die gelbe Flüssigkeit mitsamt dem Blut in ihrem Körper. Alles begann zu summen - erst in ihren Gliedern, dann ihrem Kopf. Sie fühlte sich plötzlich schwer wie der Eichenschreibtisch in Tonis Arbeitszimmer. Nach wenigen Sekunden erschlaffte ihr Körper und sackte zusammen.

"Haltet sie fest, sonst rutscht sie mir noch aufs Lenkrad", sagte Danovan und fuhr weiter in Richtung Bronx.

10

Carol - er brannte darauf ihr den ganzen Mist zu erzählen. Und dann das zu tun, was sie ohne zu überlegen fordern würde: Zur Polizei fahren. Gemeinsam mit ihr.

Der Knopf mit dem U leuchtete auf. Die Aufzugtür schob sich auseinander. Northen sah auf seine Rollex: Kurz vor sechzehn Uhr. In knapp vierzig Minuten würde Carol auf dem La Guardian Flughafen in Queens landen. Eine halbe Stunde würde er sicher brauchen bis dahin.

Er zog den Autoschlüssel heraus und lief im Dauerlauf durch die Tiefgarage. In seinem Carport angelangt war er viel zu hektisch, um die kaum sichtbare Schräglage seines Volvos zu bemerken. Er stieg ein, startete den Motor und legte den Rückwärtsgang ein. Der Wagen bewegte sich nicht einmal zehn Zentimeter weit aus der Parkbucht heraus. Dann senkte sich plötzlich der rechte Kotflügel, das Heck scherte nach links aus, und das Scharren von Metall auf Beton jagte Northen eine Gänsehaut über den Rücken.

Er begriff nichts. Auch dass der Wagen sich deutlich zur Seite neigte nicht. Fluchend stieg er aus und ging um den Kühler herum. Fassungslos starrte er auf das rechte Vorderrad - bzw. dahin, wo es hätte sein müssen: Auf den leeren Radzylinder. Irgendjemand hatte ihm das rechte Vorderrad geklaut!

"Scheiße!" sein Fluch hallte in der Tiefgarage wider. Er glaubte ein paar Sekunden lang an Vandalismus, den blöden Streich irgendwelcher Straßenkids, die Rache eines gefeuerten Banklehrlings. Er bückte sich und suchte sein Vorderrad unter den Fahrzeugen in der Nachbarschaft. Sein Gehirn knüpfte nur langsam eine Verbindung zu Daniel und seinem Anruf am Mittag. Und noch langsamer zu Carols Ankunft aus Virginia. Der Gedanke an eine Verbindung zwischen Daniels Anruf und Carol bohrte sich schließlich wie ein Eiszapfen in seine Hirnwindungen. Für einen Moment war er wie gelähmt.

Sekunden später tippte er die Nummer der Taxizentrale in sein Handy. Und zehn Minuten später sprang er in den gelben Wagen, der am Ausgang der Tiefgarage gehalten hatte.

Er drückte dem Fahrer einen Hundert-Dollar-Schein in die Hand. "Queens, La Guardian Airport. Fahren Sie so schnell Sie können." Der Fahrer, ein Asiate, stellte keine Fragen. Hundert Dollar wären sowieso auf jede Frage Antwort genug. Er drückte aufs Gas und rauschte auf der Houston Street und dann auf der Second Avenue dem Queens Midtown Tunnel entgegen. Immer wieder sah Northen auf die Uhr. Noch bevor sie den Tunnel erreicht hatten, wusste Northen, dass Carol landen würde, bevor er am Flughafen war. Aber sie würde warten. Ein Stau auf dem Northern Boulevard schließlich ließ die Verspätung auf über eine halbe Stunde anwachsen.

Carols Flug war längst gelandet, Carol wartete nicht, Carol reagierte auch nicht auf den Ausruf, den Northen veranlasste. Sein Atem flog, und kalter Schweiß stand auf seiner Stirn. Er presste die Fäuste gegen die hämmernden Schläfen und zwang sich, tief und ruhig durchzuatmen. Dann holte er sein Handy heraus. Halt, wie war gleich die Nummer die Nummer der Polizei. Er brauchte ein Telefonbuch!

Die fünf Sekunden, die er auf die Telefonzellen zulief bevor sein Handy losschrillte, schien es noch so, als würde New York City in den nächsten zwei Wochen wenigstens ein Verbrechen erspart bleiben. Und selbst als Northen stehen blieb und sein Handy anstarrte, war noch alles offen. Als er sich dann aber mit seinem Namen meldete, war das Schicksal von über einem Dutzend Menschen entschieden. Sein eigenes mit eingeschlossen.

"Hallo, Mr. Northen", meldete sich Daniels Stimme, "wie gut, dass ich Sie erreiche. Sie sind am Flughafen, nehme ich an? Wir haben uns ernsthafte Sorgen um Ihre Entscheidungsfähigkeit gemacht. Sie sind noch so jung, Mr. Northen. Wir haben beschlossen, Ihnen unter die Arme zu greifen und ihnen noch eine weitere Entscheidungshilfe zu geben."

Es rauschte in der Leitung. Im Hintergrund wurde geraunt und geflüstert. Das Schluchzen einer Frauenstimme war zu hören. Es wurde lauter. "Toni! Sie tun mir weh! Toni, was bedeutet das ..." Es war Carols Stimme. Northen starrte in das Gewimmel der Fluggäste wie in eine unerreichbare Ferne. Er merkte nicht, dass Tränen über sein Gesicht liefen.

"Sind Sie noch dran, Mr. Northen?" Wieder Daniel. "Kein Grund zur Beunruhigung, junger Freund. Ihre Verlobte ist in guten Händen. Sie kennen ja meine beiden Mitarbeiter. Abel wird sich um sie kümmern." Er lachte wohlgefällig. "Kann ich davon ausgehen, dass es bei unserer Verabredung morgen früh bleibt?"

"Ja", krächzte Northen. Er fühlte sich wie tot. Mit hängenden Schultern schlurfte er auf den Haupteingang zu und ließ sich in den Fond eines Taxis fallen. "Manhattan, East Village."

"Und wohin dort?"

"Bankhaus McArthur."

11

Am Abend hatten wir die Unterlagen vom CIA und vom Außenministerium soweit durchforstet, dass wir eine Vorstellung davon hatten, wie der Transport ablaufen könnte, und was wir zu tun hatten, damit er so abläuft.

"Drei mögliche Routen haben die Jungs vom CIA ausgearbeitet", staunte Milo, "die scheinen ja ganz schön Schiss zu haben, dass Maresi ihnen das Gold klaut."

"Würde mich nicht mal wundern, wenn sie am Tag X alle drei fahren", überlegte ich laut.

Milo sah ich überrascht an. "Du meinst ...?"

"Klar. Ein Konvoi fährt zum Hudson, die Kisten werden in ein Boot verladen und über den Atlantik um ganz Brooklyn herum zum Militärflughafen gebracht. Der zweite Konvoi rollt inzwischen zum East River, auch hier wartet schon ein Boot, und auf dem Wasserweg geht's dann direkt bis nach La Guardia. Und während all das passiert, fährt der Aufzug des Nachbarhauses ungefähr vier mal in den dreiundsechzigsten Stock, wo ein Helikopter die Kisten aufnimmt und nach Washington bringt."

"Und nur einer der drei Transporte hat wirklich das Gold an Bord ...?"

"So ist es, Partner."

Milo kratzte sich seinen prachtvollen Haarschopf. "Wie ich die Jungs vom CIA kenne, werden sie genau das tun. Was folgt daraus für unseren Job?"

"Wir sollten mal anfragen, ob wir mit diesem Tipp richtig liegen und auf welcher Route in diesem Fall tatsächlich Gold in den Kisten liegen soll. Und vor allem wer das alles bezahlt." Ich ging an meinen PC und bereitete ein entsprechendes E-Mail vor. "Hast du der Security Firma in der Bronx schon abgesagt?"

"Ja", sagte Milo, "waren ganz schön sauer." Wir hatten bereits gepanzerte Fahrzeuge bei einer Privatfirma geordert, und erst am Nachmittag erfahren, dass die Army die Transporter zur Verfügung stellt.

Ich schickte meine E-Mail los und schaltete dann den PC ab. "Morgen checken wir noch mal Bank und Personal durch. Ich werde mich mit diesem Northen zusammensetzen. Seine Personalakte nehm ich mit nach Hause."

"Fleißig, fleißig, Jesse", grinste Milo, "geh aber nicht so spät ins Bett, ich will morgen einen gut gelaunten, ausgeschlafenen Partner haben."

"Ich hätte dich ja zu einem Drink eingeladen, aber du hast ja noch einiges vor, schätze ich."

Milo zog die Visitenkarte von Lady Wellington heraus und betrachtete sie mit einer Mischung von Stolz und Zärtlichkeit. "Ich werde ihr selbstverständlich auch von meinem genialen Partner Jesse Trevellian erzählen und von den Aktenbergen, die er abends in seinem Sportwagen packt." Er sah auf die Uhr. "Es ist ja noch nicht einmal sechs. Bis um acht habe ich Zeit, mich zu einem Drink einladen zu lassen."

Gemeinsam stiegen wir in den Aufzug. Während wir die sechsundzwanzig Stockwerke herunterrauschten, blätterte ich in Northens Personalakte. Der Bursche kam mir ziemlich jung vor für den Posten, den er auf der Bank hatte. Er war in Brooklyn aufgewachsen und seit einem Jahr mit einer Physikstudentin verlobt. Der Wagentyp, den er fuhr, nötigte mir doch eine gewisse Anerkennung ab: Ein Volvo Coupé, Jahrgang 1963. Soweit ich den Oldtimermarkt kannte, musste man für so ein Gerät knapp hunderttausend Dollar hinlegen.

"Wie würdest du das anstellen, wenn du drei Tonnen Gold kassieren wolltest, Jesse?" Milos Frage überraschte mich während wir über den Federal Plaza gingen.

Ich klemmte die Akte unter den Arm und überlegte. "Wahrscheinlich würde ich mir einen FBI-Agenten kaufen. Und du?"

"Ich würde mich an eine süße Pressereferentin der Bank heranmachen, um an Insiderinformationen zu kommen. Und dann würde ich davon ausgehen, dass es beim offiziellen Transport von Bullen nur so wimmelt. Also würde ich früher zuschlagen."

12

"Die kann hier nicht bleiben", die Frau hatte einen Gesichtsausdruck wie ein Bullterrier und schleppte eine widerlich intensive Parfümwolke hinter sich her, "ich brauch die Bude für meine Mädchen und ihre Kunden." Sie stemmte ihre fetten Arme in die Hüften und sah dem farbigen Mann furchtlos ins Gesicht. Durch ihre aufgetürmte, blonde Haarmasse wirkte sie größer als er.

"Sie haben tausend Dollar für das Zimmer bekommen", sagte der Mann in gebrochenem Englisch.

"Erzähl' keinen Schwachsinn, Abel", fauchte sie ihn an, "die tausend sind 'ne Risikoprämie, weiter nichts." Sie warf einen verächtlichen Blick auf die Frau, die gefesselt auf dem großen Bett in der Mitte des abgedunkelten Zimmers saß. "Was glaubst du, wie viele Riesen mich das unterm Strich kostet, wenn die Bullen die Kleine finden und ich in den Knast wandere, he?"

"Niemand hat sie gezwungen, mit uns Geschäfte zu machen ..."

"Quatsch nicht!", unterbrach die Frau "Die Schlampe kommt in den Keller und basta!"

"Ich will den Keller sehen."

"Dann beeil dich, in spätestens einer halben Stunde brauch ich das Bett. Das Nachtgeschäft hat schon angefangen." Während die Frau aus dem Zimmer rauschte, knebelte Abel die junge Frau. Carol warf den Kopf hin und her, aber die Hände des Farbigen packten zu wie Schraubstöcke. Dann verschwand er und schloss die Tür von außen ab.

Carol zwang sich, tief und ruhig durch die Nase zu atmen. Allmählich ließ der Brechreiz nach. Ihr war sterbensschlecht. Schon seit sie vor etwa zwei Stunden in diesem schmuddeligen Zimmer zu sich gekommen war. Die grässliche Domina eben hatte ihren Verdacht bestätigt: Sie befand sich in einem Bordell. In einem von der allermiesesten Sorte.

Den Mann, der sie vom Flughafen abgeholt hatte, war nicht mehr aufgetaucht. Als sie die Augen aufgeschlagen hatte, waren nur die beiden Schwarzen bei ihr gewesen: Der breitschultrige, junge, den die Frau eben >Abel< genannt hatte, und der elegante, etwas ältere mit der Narbe, der mit Antoni telefoniert hatte. "Dieses Schwein", dachte Carol in ohnmächtiger Wut. Sie traute diesem schmierig lächelnden Kerl jede Gemeinheit zu. Und Abel schien sein Kampfhund zu sein ...

Wieder meldete sich der Brechreiz. Tränen liefen ihr übers Gesicht. Wut, Angst und das Gefühl der Erniedrigung stürzten ihre Gemütslage auf einer Achterbahnkurs. Als der Schlüssel an der Tür herumgedreht wurde, konnte sie kaum noch das Wasser halten vor Angst.

Abel riss sie vom Bett, stülpte ihr einen Kissenbezug über den Kopf und stieß vor sich her aus dem Zimmer. "Beeil dich, die Luft ist gerade rein!" Sie stolperte über eine Teppichkante, hörte die Dielen unter ihren Füßen knarren und Frauenstimmen hinter Türen kreischen. Auf einer Treppe ging sie in die Knie. Ein Tritt ließ ein paar Stufen abwärts stürzen. Panik brandete in ihr auf. "Stell dich nicht so an!", zischte der Schwarze hinter ihr.

Dann prallte sie gegen eine Metalltür, wurde zurückgerissen, Scharniere quietschten, ein Stoß in den Rücken, und ihre Hände glitten zitternd über eine raue Steinwand. "Die Kellertreppe", blitzte es durch ihr Hirn. Je weiter sie sich die Stufen hinabtastete, desto feuchter und kühler wurde die Luft. Unten wieder ein Gang, eine Metalltür, ein Stoß in den Rücken - Carol stürzte auf einen kalten, unebenen Betonboden.

Die Tür wurde zugeschlagen, Schritte neben ihrem Kopf - der Kissenbezug wurde weggerissen. Der Schwarze entfernte auch den Knebel. Carol keuchte würgend. Sie fand sich in einem alten Kellerraum wieder. Über die Backsteinmauern verliefen Rohre und Kabel. Sie erkannte Waschbecken und eine alte Waschmaschine. Vermutlich hatte dieser Raum vor Jahrhunderten mal als Waschküche gedient.

"Ich muss mal", jammerte Carol. Der Kerl glotzte verständnislos und zerrte sie zur Waschmaschine. "Pipi", sagte Carol leiser, "dringend."

Abel presste sie gegen zwei Wasserleitungsrohre, die neben der Waschmaschine vom Boden aus zur Decke verliefen. "Ich geh gleich", grinste er. Er fesselte ihr rechtes Fußgelenk mit einer Kette an eines der Rohre und überprüfte die Handfesseln auf Carols Rücken.

"Bitte", flehte sie. Er trat zwei Schritte zurück und musterte sie hämisch grinsend.

"Ab und zu werde ich was zu essen vorbeibringen", grinste er hämisch. Er blieb stehen, bis sich ein dunkler feuchter Fleck im Schritt von Carols Hosen abzeichnete. Carol schloss die Augen und wandte schluchzend ihr Gesicht ab. Laut lachend stieg der Kerl die drei Stufen zur Tür hoch, knallte sie zu und schloss von außen ab.

Carol ließ am Rohr entlang auf den Steinboden gleiten. Ihr Kopf fiel gegen die Waschmaschine. Die schlimmsten Tage ihres Lebens brachen an.

13

Es hatte endlich aufgehört zu regnen, und durch die schachtartigen Öffnungen über den Straßenschluchten drang so etwas wie Morgensonne in den Big Apple ein. Der Tag schien mir verheißungsvoll zu beginnen.

Die erste Überraschung erwartete mich an der Straßenecke, an der um diese Zeit normalerweise mein Partner stand und Zeitung las. Keine Spur von Milo an diesem Morgen. Ich schaltete die Warnblinkanlage ein und griff zum Handy.

"Tucker?", meldete sich Milos verschlafene Stimme.

"Ein neuer Tag hat begonnen, Milo", sagte ich trocken, "Dealer und Killer sind längst auf den Beinen, und G-Men, die was auf sich halten, sitzen schon an den Schreibtischen."