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Von Thomas West, Alfred Bekker (499) Dieses Buch enthält folgende Krimis: Alfred Bekker: Wettlauf mit dem Killer Thomas West: Mörderische Planung Thomas West: Vermittlung in den Tod Thomas West: Alte Leichen Viele junge Mädchen träumen davon, einmal berühmt zu werden. Für Janet scheint dieser Traum wahr zu werden. Eine Modelagentur interessiert sich für sie. Überglücklich schließt sie den Vertrag ab. Doch nach einiger Zeit kommt die wahre Absicht dieser Agentur zutage. Janet will aussteigen, nur noch weg. Vollgepumpt mit Drogen stürzt sie von einem Hochhaus. Selbstmord? Ihr Vater glaubt es nicht. Als man auch ihre Freundin tot auffindet, beginnt das FBI zu ermitteln und findet Erschreckendes heraus ...
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Thriller Quartett 4131
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Wettlauf mit dem Killer
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Mörderische Planung
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Vermittlung in den Tod
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Thomas West | Alte Leichen
Von Thomas West, Alfred Bekker
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Dieses Buch enthält folgende Krimis:
Alfred Bekker: Wettlauf mit dem Killer
Thomas West: Mörderische Planung
Thomas West: Vermittlung in den Tod
Thomas West: Alte Leichen
Viele junge Mädchen träumen davon, einmal berühmt zu werden. Für Janet scheint dieser Traum wahr zu werden. Eine Modelagentur interessiert sich für sie. Überglücklich schließt sie den Vertrag ab. Doch nach einiger Zeit kommt die wahre Absicht dieser Agentur zutage. Janet will aussteigen, nur noch weg. Vollgepumpt mit Drogen stürzt sie von einem Hochhaus.
Selbstmord? Ihr Vater glaubt es nicht.
Als man auch ihre Freundin tot auffindet, beginnt das FBI zu ermitteln und findet Erschreckendes heraus ...
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
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© dieser Ausgabe 2024 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
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Alles rund um Belletristik!
von Alfred Bekker
Der Umfang dieses Buchs entspricht 112 Taschenbuchseiten.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, ALFREDBOOKS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
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Der Sportwagen ließ den Motor aufheulen und kam bis auf einen Abstand von maximal zwei Metern an den vor ihm fahrenden Porsche heran. Die zweispurige Straße zog sich wie ein Strich durch die Landschaft. Von vorne näherte sich eine Kolonne von drei Trucks. Der Sportwagen beschleunigte, zog auf die linke Spur, raste den Trucks frontal entgegen und beschleunigte. Der Fahrer trat das Gaspedal offenbar voll durch.
Aber der Porsche beschleunigte ebenfalls.
Keiner der beiden Kontrahenten war bereit nachzugeben.
Der Sportwagen schob sich eine halbe Wagenlänge vor den Porsche. Aber das war nicht genug, um einbiegen zu können.
Der erste der Trucks hupte und bremste bereits ab. Aber zwanzig Tonnen ließen sich nicht so einfach stoppen, zumal die nachfolgenden Fahrzeuge von der Gefahr nichts erkennen konnten.
Noch Sekunden und es gab einen Frontal-Crash zwischen dem Sportwagen und dem Truck, dessen Fahrer nun die Hand auf der Hupe und Fuß auf dem Gaspedal hatte.
Der Sportwagen schaffte es kurz vor einer Kollision mit dem Truck eine dreiviertel Wagenlänge Vorsprung vor seinen Porsche-Kollegen zu bekommen. Um einen Crash mit den Trucks zu vermeiden, zog er nach rechts.
Der Truckfahrer trat unterdessen voll in die Eisen. Die Reifen blockierten. Der nachfolgende Truck konnte nicht rechtzeitig bremsen und fuhr von hinten in das vordere Fahrzeug hinein und schob es vorwärts.
Der Porsche bremste ebenfalls. Reifen quietschten.
Der Sportwagen hatte unterdessen den linken Kotflügel des Porsche touchiert. Das genügte, um diesen aus der Bahn zu werfen. Der Porsche brach nach rechts aus, drehte sich einmal komplett herum, bekam dann noch einmal einen Stoß durch den heranrutschenden Truck, der den Porsche dann endgültig von der Straße kegelte und die seitliche Böschung hinunterrutschen ließ.
Der Sportwagen hingegen hatte gerade noch rechtzeitig auf die rechte Spur wechseln können, um nicht von der Kolonne ineinander geschobener Trucks erfasst und zermalmt zu werden.
Bei der Kolonne war inzwischen auch der dritte Truck von hinten aufgefahren. Der erste begann zu schlingern, stellte sich quer und die nachfolgenden schoben ihn von der Fahrbahn, wo er schließlich auf der Seite landete.
Nur der Sportwagen war noch auf der Bahn. Er beschleunigte.
Das Seitenfenster wurde heruntergelassen.
Der Fahrer hielt einen Stinkerfinger hoch.
Außerdem ließ er seine Hupe erklingen.
Als Hupsignal hatte sich der Fahrer den Triumphmarsch von Verdi einrichten lassen.
Mr Jonathan D. McKee, der Chef des FBI Field Office New York machte ein sehr ernstes Gesicht. Er drückte auf einen Knopf an der Fernbedienung des Beamers, mit dem die Videosequenzen seines Laptops an die Wand projiziert wurden und wandte sich uns zu.
Das Bild des Sportwagens, dessen Fahrer in provozierender Weise seinen Finger in die Höhe reckte, erstarrte. Die harmonisch etwas vereinfachte Hupenversion von Verdis Triumphmarsch brach ab.
Außer Milo und mir hatten auch noch die Kollegen Clive Caravaggio und Orry Medina sowie die Innendienstler Max Carter und Nat Norton in dem schlichten Sitzmobiliar in Mr McKees Büro Platz genommen.
Mandy kam herein und servierte ihren berühmten Kaffee.
„Da hat offenbar jemand denselben Autogeschmack wie du“, raunte mein Kollege Milo Tucker mir zu, während Mandy das Tablett absetzte und die Becher mit dem heißen Kaffee verteilte.
Mr McKee wartete, bis seine Sekretärin den Raum wieder verlassen hatte.
„Sie haben gerade eine Videosequenz gesehen, wie man sie sich aus dem Internet herunterladen kann. Teilnehmer illegaler Autorennen lassen sich bei ihren Heldentaten filmen und stellen die Bilder dann auch noch ins Netz, um sich damit zu brüsten. Wie Sie sehen konnten, sind diese Aufnahmen aus einem Helikopter gemacht worden...“
Illegale, teils transkontinentale Rennen waren ein Problem, mit dem sich das FBI immer wieder auseinanderzusetzen hatte. Und auch unser Field Office hatte sich in der Vergangenheit schon häufig damit beschäftigen müssen. Jahr für Jahr versuchte das FBI immer wieder in Zusammenarbeit mit lokalen Polizeibehörden, diese Rennen zu unterbinden. Aber das war wie beim Rennen zwischen dem Hasen und dem Igel. Der Igel, dass waren in diesem Fall die Veranstalter dieser Rennen, waren immer schon da, bevor wir eingreifen konnten.
Die sogenannten Cannonball-Rennen wurden auf normalen Straßen durchgeführt und immer wieder kamen dabei völlig unbeteiligte Verkehrsteilnehmer durch die waghalsigen Überholmanöver und die völlig überhöhte Geschwindigkeit, mit der gefahren wurde, ums Leben oder wurden schwer verletzt.
Insbesondere Besitzer von luxuriösen Sportwagen sahen hier die Möglichkeit gekommen, ihre Rennschlitten endlich mal auszufahren.
Ein anderer wichtiger Faktor war das Geld. Allein die Antrittsgelder betrugen mitunter 40 000 Dollar und mehr. Für den Sieger winkten astronomische Summen. Und noch mehr konnte durch Wetten und Wettmanipulationen dabei verdient werden.
Und damit war auch schon die Hauptschnittstelle dieser Rennen zum organisierten Verbrechen beschrieben.
„Ich hoffe, der Kerl im Sportwagen sitzt inzwischen auf Rikers Island oder in Utica und hat ein Führerscheinverbot auf Lebenszeit aufgebrummt bekommen!“, kommentierte unser Kollege Clive Caravaggio die Szene, die Mr McKee uns soeben vorgeführt hatte. Der flachsblonde Italoamerikaner war nach Mr McKee der zweite Mann im Field Office. Er schüttelte nur mit dem Kopf.
„Der Mann, der den Sportwagen gefahren hat, sitzt tatsächlich für einige Jahre in Haft“, berichtete Mr McKee. „Er heißt Roger Petaffsky und bekam einige Jahre aufgebrummt, weil bei einem weiteren Unfall zwei Menschen ums Leben kamen. Er geschah etwa zwanzig Kilometer von der Stelle entfernt, an der die Aufnahmen entstanden sind, die Sie gerade gesehen haben.“
„Wie kann man nur solche Aufnahmen ins Netz stellen und glauben, dass man anschließend nicht erwischt wird!“, meinte Orry verständnislos. Unser Kollege indianischer Abstammung nahm einen Schluck Kaffee.
„Ich nehme an, dass die Eitelkeit wohl größer als die Angst vor dem Knast ist!“, glaubte Milo.
„Tatsache ist, dass sich im Netz Tausende solcher Videosequenzen finden lassen!“, berichtete unser Innendienstler Max Carter aus der Fahndungsabteilung. „Soweit sich Rückschlüsse auf strafbare Handlungen ziehen und die Täter identifizieren lassen, werden sie auch vor Gericht gestellt. Aber das ist nicht so leicht, wie man glauben könnte. Erstens sorgen die Täter meistens dafür, dass sie selbst nicht erkennbar sind und außerdem werden häufig auch falsche Nummernschilder benutzt. Im Fall von Mister Petaffsky hat er sich jedoch durch seinen Drang zur Selbstdarstellung selbst überführt.“ Max stand auf und streckte die Hand aus. „Wenn Sie mal eben den Beamer geben würden, Mister McKee.“
„Bitte!“, sagte unser Chef und gab Max das Gerät.
Max zoomte die Hand mit dem obszön emporgereckten Finger heran.
„Auf der Handaußenfläche ist eine Verbrennungsnarbe zu sehen, die so charakteristisch und individuell ist, dass Mister Petaffsky dadurch identifiziert werden konnte. Er ist nämlich bereits einschlägig vorbestraft, sodass seine Daten – darunter auch besondere Kennzeichen gespeichert waren. Der Unfall, den wir hier sahen, ging recht glimpflich für die Beteiligten aus, aber der zweite Vorfall, bei dem eine Mutter und ihr zehnjähriger Sohn in einem Ford mit Petaffsky kollidierten, fand wie gesagt zwanzig Minuten später statt.“
„Ich hoffe, er sitzt noch lange!“, meinte Milo.
„Da muss ich Sie leider enttäuschen, Milo“, erwiderte Mr McKee. „Er wurde durch einen Deal mit der Staatsanwaltschaft auf Bewährung entlassen und versorgt uns seitdem mit wichtigen Informationen aus der Szene der Cannonball-Fahrer. Ich muss niemandem etwas darüber sagen, wie schwierig es ist, da einzudringen. Die sind natürlich extrem misstrauisch. Nicht umsonst ist es so gut wie nie gelungen, ein derartiges Rennen zu verhindern.“
Da hatte unser Chef leider Recht. Die Teilnehmer fanden immer wieder eine Möglichkeit, sich zu treffen, irgendwo einen Startpunkt auszumachen, um dann quer durch die Vereinigten Staaten zu fahren.
Jeder auf eigene Faust – aber nicht nur auf eigene Gefahr wie jedes Mal eine Serie schrecklicher Unfälle zeigte.
Max drückte auf den Knopf des Beamers.
Eine Großaufnahme von Roger Petaffsky wurde gezeigt.
„Petaffsky wandte sich an die Kollegen des FBI Field Office in Seattle und berichtete als Erster darüber, dass es offenbar dieses Jahr in Konkurrenz zum traditionellen Cannonball von New York nach L.A. auch einen sogenannten Northern Cannonball geben soll. Der Sieger bekommt sage und schreibe zwei Millionen Dollar. Ausgangspunkt soll in New York State sein, Zielpunkt Seattle, Washington. Die Gerüchte haben sich inzwischen auch aus anderen Quellen bestätigt und es gibt Anzeichen dafür, dass sich das organisierte Verbrechen mit immens hohen Wetteinsätzen engagiert. Über Petaffsky bekamen wir einen Kontaktmann hier in New York genannt, der bereit ist, mit dem FBI zusammenzuarbeiten. Sein Name ist Alexander Jason Clement. Er betreibt einen Club in der Avenue B, der immer mit illegalem Glücksspiel in Verbindung stand. Daher ist er auf das Wohlwollen der Justiz angewiesen und bereit, mit uns zusammenzuarbeiten. Außerdem hat er wohl irgendeine Rechnung mit einem der Organisatoren offen, aber das ist Spekulation.“
„Mit anderen Worten: Ein gut motivierter Informant“, stellte ich fest.
„In diesem Fall scheint er aber wirklich glaubwürdig zu sein, Jesse!“, gab Max zurück. „Er hat sich gestern Abend hier im Field Office gemeldet und möchte unbedingt ein Treffen arrangiert haben.“
„Ich übernehme das gerne“, sagte Clive.
„Dabei gibt es nur einen Haken, Clive“, erklärte Mr McKee. „Clement hat ausdrücklich um Jesse als Gesprächspartner gebeten.“
Ich war perplex. „Ich kenne diesen Clement nicht“, war ich mir sicher.
Mr McKee wandte sich mir zu. „Aber er kennt offensichtlich Sie, Jesse, und hat sich genauestens über Sie informiert. Über Sie und den Wagen, den Sie fahren.“ Unser Chef zuckte mit den Schultern. „Clement scheint sehr misstrauisch zu sein, aber es ist vermutlich so, dass er den Fahrer eines Sportwagens, der theoretisch an einem solchen Rennen teilnehmen könnte, einfach für vertrauenswürdiger hält. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Aber ich denke, es ist kein Problem, wenn wir Mister Clement in diesem Punkt entgegen kommen. Wenn wir Glück haben könnte es nämlich sein, dass sich zum ersten Mal überhaupt die Chance ergibt, so ein Rennen bereits zu stoppen, bevor es richtig begonnen hat! Das könnte mehrere Dutzend Menschenleben retten – von all den Verletzten mal ganz abgesehen, von denen einige ihr Leben als Invaliden beenden werden.“
„Dazu bräuchte man die Teilnehmerdaten“, stellte Milo glasklar fest.
Mr McKee nickte. „Und genau die hat Clement uns versprochen. Also behandeln Sie ihn wie ein rohes Ei.“
Gegen Mittag desselben Tages rief Alexander Jason Clement noch einmal im Field Office an. Das Gespräch wurde an mich weitergeleitet.
„Es freut mich außerordentlich, Sie kennen zu lernen, Agent Trevellian“, sagte der Mann am anderen Ende der Leitung. „Jemand der einen solchen Sportwagen fährt, muss das Herz auf dem rechten Fleck haben!“
Wir vereinbarten ein Treffen in einem Restaurant in Chinatown für den frühen Abend.
Es hieß „I Ging“ und lag in der Mott Street.
Den Sportwagen stellte ich in der dazugehörigen Tiefgarage ab. Das „I Ging“ lang im zehnten Stock und wurde von Sammy Lee Kuan betrieben, einem Taiwan-Chinesen, der allerdings in die Kategorie Haute Cuisine einzuordnen war, als dass er etwas mit den Tausenden von asiatischen Garküchen zu tun gehabt hätte, die in den Straßen Chinatowns zu finden waren. Die ursprüngliche chinesische Küche suchte man hier vergeblich. Vielmehr bekam man eine verfeinerte und für Anglo White Americans genießbare Version.
Wir bekamen ein Tisch zugewiesen, von dem aus man einen hervorragenden Ausblick auf das bunte Treiben von Chinatown hatte – einer Stadt in der Stadt, in der man jahrzehntelang leben konnte, ohne ein einziges Wort Englisch zu sprechen. Die Garküchen, die chinesischen Zeichen an den Neonreklamen, das Straßenbild... man musste schon wissen, dass man sich im Big Apple befand – und nicht in Taipeh, Shanghai oder Hongkong.
„Mister Clement wird sich etwas verspäten“, sagte uns der Kellner, ein junger Mann mit blauschwarzem Haar und asiatischen Gesichtszügen. „Darf ich Ihnen in der Zwischenzeit schon mal etwas bringen?“
Er bot uns einen Pflaumenwein an, aber wir lehnten beide ab.
„Ich kann mir schon denken, worauf das Ganze hinausläuft und warum der Kerl unbedingt dich sprechen will!“, meinte Milo.
„Ach, ja?“
„Dein Sportwagen wäre doch ideal, um sich bei diesem Rennen als Teilnehmer einzuschmuggeln! Vielleicht denkt Clement an so etwas.“
„Dann ist er aber schief gewickelt – selbst wenn Mister McKee so etwas vorschweben sollte!“
„Komm schon, du hast so etwas Ähnliches schon mal gemacht!“
„Ja, aber der Sportwagen, den ich damals fuhr, gehörte der Fahrbereitschaft des FBI!“
„Dann ist dir dein Wagen also wichtiger als die Bekämpfung von Verbrechern?“, stichelte Milo.
„Ach, Milo, du weiß schon wie ich das meine!“
„Den Organisatoren dieses Rennens, das mit Sicherheit einige Todesopfer und Schwerverletzte fordern wird, gehört das Handwerk gelegt! Das Northern Cannonball ist eine extreme Verkehrsgefährdung auf einer Strecke von mehreren tausend Kilometern!“
„Da bin ich deiner Meinung.“
„Aber mal Hand aufs Herz, Jesse. Würde es dich nicht reizen würde, die 300 Stundenkilometer deines Sportwagens mal ausfahren zu können?“
„Warten wir doch einfach mal ab, was Mister Clement uns zu sagen hat, Milo.“
Clement traf eine Viertelstunde später ein. Er war ein hochgewachsener, dunkelhaariger Mann mit einem exakt gestutzten Knebelbart.
„Ich bin Agent Jesse Trevellian und dies ist mein Kollege Milo Tucker“, stellte ich uns vor.
Er nickte. „Ich weiß. Ich habe ein Bild von Ihnen gesehen, Agent Trevellian.“
„Ach, ja?“
„War glaube ich im Lokalteil der New York Times. Sie standen neben Staatsanwalt Robert Thornton und ich nehme an, dass Sie auch eher zufällig im Bild waren.“
„Sie scheinen sich immer genauestens über Ihre Gesprächspartner zu informieren“, stellte ich fest.
„Allerdings. Ich habe alles gesammelt, was man über Sie auf legalem oder illegalem Weg an Informationen zusammentragen kann. Zum Beispiel weiß ich, dass die Beschleunigungswerte Ihres Wagens an denen eines Kampfjets heranreichen...“
Ich war perplex. Der Mann hatte sich wirklich eingehend informiert. Aber letztlich war es theoretisch sogar möglich, dass jemand mit entsprechenden Hackerkenntnissen sogar an die Personaldaten des FBI herankam. Schließlich waren Hacker auch schon mehrfach ins Pentagon eingedrungen, obwohl das dortige Computernetzwerk als das bestabgeschirmte Netzwerk der Welt galt. Dass vor ein paar Jahren eine Handvoll Spaßvögel es mal geschafft hatten, die Fahndungsfotos der Kriminellen auf den Internetseiten des FBI gegen die Köpfe von Micky Maus und Donald Duck auszutauschen, war dagegen schon fast harmlos.
Absolute Datensicherheit gab es wohl nicht, wie ich immer wieder feststellen musste. Das Prinzip, nachdem Hacker vorgingen, war immer dasselbe. Bei einem Verbund von mehreren tausend Rechnern, wie im Pentagon, den Polizeibehörden, dem FBI und anderen öffentlichen Stellen oder großen Firmen, war es statistisch immer so, dass die Sicherheitseinstellungen von einigen wenigen Rechnern auf Werkseinstellung blieben und ein leichtes Eindringen ermöglichen. Je größer der Verbund, desto leichter kam man gewissermaßen durch die Hintertür herein. Eine Schwachstelle in diesem Fall war vermutlich die Exklusivwerkstatt Classic Car Tuning, die den Wagen gefertigt hatte und wo der Wagen regelmäßig zur Wartung und zur Erledigung von Reparaturen war. Bei allem Bemühen um Diskretion – den Sicherheitsstandard des Pentagon erreichten die sicher nicht.
„Bevor Sie nachfragen, Agent Trevellian: Ich werde Ihnen meine Informationsquellen nicht nennen. Und wenn Sie sich auf den Kopf stellen! Andererseits sollte Sie die Tatsache, dass ich ein paar Dinge mehr über Sie und Ihren Wagen weiß, Sie auch nicht weiter beunruhigen. Ich weiß auf diese Weise, dass ich mit jemandem spreche, den ich einzuschätzen vermag und dem ich trauen kann.“
„Was macht Sie da so sicher?“
Clement grinste. „Sie haben eine beachtliche Liste von Verhaftungen vorzuweisen, und sicher haben Sie dabei jeden Trick angewendet, der nötig war, um Ihre Gegner zur Strecke zu bringen. Aber ich nach allem, was ich über Sie weiß, dürfte eins feststehen: Sie sind einfach ein zu aufrechter Charakter, um sich von den Bluthunden kaufen zu lassen, die hinter diesen Cannonball-Rennen stecken und damit das große Geld machen!“
„Und mit denen haben Sie Ärger?“
„Sagen wir so: Ich bin aufs Kreuz gelegt worden und habe bei einer Wette sehr viel Geld verloren. Jetzt hätte ich nichts dagegen, wenn der ganze Laden hochgeht und ein paar Leute, die mich übel gelinkt haben, dabei mit hochgehen.“
„Sie sind ehrlich, was Ihre Motivation für Ihre Kooperation als Informant angeht“, stellte ich fest.
Clement verzog das Gesicht. „Sie haben doch nicht etwa gedacht, dass es die lächerlichen Beträge sind, die das FBI für seine Spitzel bezahlt?“
„Nein, ehrlich gesagt habe ich niemals geglaubt, dass unsere Sätze ausreichen, um jemanden aus Ihrer Liga zur Mitarbeit zu bewegen. Aber jetzt sollten Sie uns langsam mal darlegen, was Sie eigentlich anzubieten haben.“
Die Formulierung ‚jemand aus Ihrer Liga’ war reine Schmeichelei. Schließlich wussten wir noch gar nicht, ob dieser Kerl überhaupt in irgendeiner Liga spielte oder uns nur etwas vormachte. Er wäre nicht der erste Wichtigtuer gewesen, der unsere Zeit verschwendete, in dem er uns vorspielte, dass wir einzig und allein mit seiner Hilfe, den Sumpf des organisierten Verbrechens endlich trockenlegen könnten.
Milo ergänzte: „Es ist davon die Rede, dass Sie uns eine Teilnehmerliste des Northern Cannonball verschaffen könnten.“
„Kann ich. Das wird sich allerdings noch etwas hinziehen. Schließlich ist die Anmeldefrist für dieses Rennen noch nicht abgelaufen. Außerdem könnte ich Ihnen vielleicht die Möglichkeit verschaffen, einen Fahrer einzuschleusen. Normalerweise kommt niemand ins Fahrerfeld, der keine persönliche Empfehlung hat. Aber da könnte ich herankommen. So weit reichen meine Verbindungen.“
„Unser Ziel ist es, dieses Rennen möglichst im Keim zu ersticken“, sagte Milo. „Wenn wir also den Startpunkt und die genaue Zeit wüssten...“
„Nein, beim Northern Cannonball ist das alles anders, Agent Tucker. Wenn Sie denken, dass Sie einfach die beteiligten Fahrer nach dem Start einsammeln können, sind Sie schief gewickelt. Die Organisatoren haben durch die Fehler gelernt, die die Organisatoren vergleichbarer illegaler Rennen schon gemacht haben. Es geht nämlich einfach um viel zuviel Geld...“
Ich wechselte einen kurzen Blick mit Milo, der die Augen etwas verengte. Mein Kollege war bisher noch skeptisch, ob wir es vielleicht doch mit jemandem zu tun hatten, der am Ende nicht halten konnte, was er versprach. Ich teilte seine Skepsis. Andererseits wollte ich dieser Frage wirklich gründlich auf den Grund gehen.
„Hören Sie, ich will ganz offen sein“, sagte ich. „Bisher habe ich den Eindruck, dass Sie gar nichts haben, was uns wirklich interessiert, sondern nur viel Lärm um Nichts machen. An den Fahrern wären wir wirklich interessiert, aber damit halten Sie uns hin. Und ich nehme an, was Startpunkt und den genauen Starttermin angeht, sieht das genauso aus!“
„Ich kann Ihnen tatsächlich diese Daten nicht geben, aber wenn Sie mir einen Moment zuhören, dann werden Sie auch verstehen warum.“
„Da bin ich aber doch mal gespannt“, sage ich und lehnte mich zurück.
„Die Sache funktioniert so: Jeder beteiligte Fahrer bekommt über einen Mittelsmann einen GPS-Sender, den er an seinem Wagen befestigen muss. Per Email bekommen Sie ein Datum und eine Uhrzeit mitgeteilt. Vor diesem Zeitpunkt müssen Sie sich östlich des 75. Längengrades befinden.“
„Egal wo?“
„Suchen Sie sich einen strategisch günstigen Punkt aus, um einen guten Start auf dem Weg nach Seattle zu haben, Agent Trevellian. Aber wer den 75. Längengrad vorzeitig überschreitet ist draußen. Definitiv. Anhand des GPS-Signals ist das eindeutig zu sehen. Ziellinie ist der 124. Längengrad bei Seattle.“
„Wohin gehen die Signale?“
„In ein Hotel irgendwo in den Vereinigten Staaten oder sonst wo auf der Welt. Dort sitzen einige superreiche Motorsportfreaks oder Leute, die Wetten mit dem besonderen Kick lieben. Sie können im Gegensatz zu den Teilnehmern mitverfolgen, wer an welcher Position steht und ihre Wetten entsprechend gestalten. Auch während des Rennens noch.“
„Ich nehme an, dass es da nicht unbedingt sauber zugeht.“
„Angeblich sollen Drogensyndikate diese Wetten zur Geldwäsche nutzen. Selbst wenn sie auf den falschen setzen und für einen Schwarzgeld-Dollar nur zehn Cent wiederbekommen ist das noch ein Gewinn, weil das Geld über so viele Kanäle geleitet wird, dass es am Ende praktisch blütenweiß ist. Noch was: Es gibt ausdrücklich keine Regeln bei diesem Rennen – abgesehen von den Startmodalitäten, die ich Ihnen gerade berichtet habe.“ Ein überlegenes Lächeln erschien auf Clements Gesicht. „Wenn Sie Lust haben, Ihrem Konkurrenten die Reifen zu zerstechen, dürfen Sie das! Das macht die Sache für das Publikum besonders reizvoll – und vor allem unberechenbar, was die Wetteinsätze angeht.“
„Sie gehen offenbar davon aus, dass ich mitfahre. Aber das sehe ich ehrlich gesagt nicht.“
„Abwarten, Agent Trevellian.“
„Woher weiß der einzelne Fahrer, wer sein Konkurrent ist?“
Clement lachte. „Gar nicht! Das ist ja der Clou dabei! Jeder Fahrer eines Sportwagens, der einigermaßen PS unter der Haube hat, ist natürlich verdächtig, ein anderer Teilnehmer zu sein! Das exquisite Wettpublikum will natürlich auch sehen, wie sich exquisite Wagen messen! Ansonsten haben Sie keinen Anhaltspunkt! Die Leute, die für die Organisation dieses Rennens verantwortlich sind, haben diesen Modus in kleinerem Rahmen bei einem illegalen Rennen in South Dakota getestet und es hat sich gezeigt, dass durch diese Konstellation der Ungewissheit immer wieder interessante Dinge passieren. Ein Fahrer zersticht einem vermeintlichen Kontrahenten die Reifen, landet für ein paar Tage im Knast und verliert, obwohl er haushoher Favorit ist und so weiter...“
Ich nickte und begann langsam die Dimensionen des Spiels zu begreifen, das hier ablief.
„Ja, oder die Organisatoren schicken jemanden, der die Reifen zersticht oder sorgen auf andere Weise dafür, dass ein bestimmter Wagen nicht das Ziel erreicht – um Wetten zu manipulieren!“, vermutete ich.
„Durch das GPS-Signal ist die Rennleitung jederzeit über die jeweilige Position der einzelnen Wagen informiert, das ist richtig“, bestätigte Clement.
Den Manipulationsmöglichkeiten waren damit natürlich Tür und Tor geöffnet.
„Ich würde Ihren Wagen wirklich gerne mit den anderen Teilnehmern in Wettbewerb treten sehen!“
„Ich glaube, da haben Sie falsch gepokert.“
„Glaube ich kaum!“, sagte er und der Ausdruck absoluter Gewissheit, der jetzt in seine Züge trat, missfiel mir. „Ich habe hier den Köder, der Sie Ihre Bedenken vielleicht noch über Bord werfen lässt! Nein – ganz sicher sogar!“
„So?“
„Sagt Ihnen der Name Robert Dawn etwas?“
Milo und ich sahen uns an.
„Wenn wir denselben Robert Dawn meinen“, meinte Milo zögernd.
Clement grinste. „Wir meinen denselben. Den, der auf den Internetseiten des FBI als einer der zehn meistgesuchten Straftäter des Landes aufgeführt und seit Jahren vergeblich gesucht wird. Den Lohnkiller der Syndikate und jeden anderen, der bereit ist, seine horrenden Honorarvorstellungen zu erfüllen. Angeblich gehen sogar die Morde an mehreren Staatschefs in der dritten Welt auf sein Konto, aber das sind Gerüchte, von denen ich nicht weiß, ob Robert Dawn sie vielleicht nur deshalb streut, damit seine potentielle Kundschaft beeindruckt ist und ihn trotz seiner Super-Honorare noch engagiert, anstatt die Drecksjobs von irgendeinem Straßenköter erledigen zu lassen.“
Der Name Robert Dawn war jedem G-man seit Jahren geläufig.
Es gab mindestens zwanzig Morde im Umkreis des organisierten Verbrechens, die ziemlich eindeutig mit ihm in Verbindung gebracht werden konnten und bei mindestens noch einmal so vielen Taten war eine Beteiligung dieses Killers nicht ausgeschlossen.
Robert Dawn lebte irgendwo in- oder außerhalb der Vereinigten Staaten unter falschem Namen und falscher Identität.
Er machte sich im Gegensatz zu vielen anderen aus der Zunft der Hit-men überhaupt nicht die Mühe, seine Handschrift zu verbergen. Häufig hinterließ er am Tatort mit voller Absicht Spuren, die auf ihn als Täter hinwiesen oder er benutzte eine Waffe, die er bereits bei früheren Verbrechen verwendet hatte. Aus seiner Sicht der Dinge vergrößerte das wohl seinen Nimbus. Jeder unaufgeklärte Mafia-Mord, der mit ihm in Verbindung gebracht wurde, war inzwischen Werbung für sein zynisches Geschäft. Wer Robert Dawn engagierte, konnte sicher sein, dass die Sache diskret erledigt wurde und der Killer clever genug war, um nicht der Polizei in die Arme zu laufen, so lautete die unterschwellige Botschaften dieser Taten. Denn letzteres war der Albtraum jedes Auftraggebers, da Lohnkiller natürlich in Gefangenschaft dazu neigten, die Schuld nicht allein zu übernehmen, sondern in einem Deal mit der Staatsanwaltschaft ihre Auftraggeber zu nennen.
„Was hat Robert Dawn mit diesem Rennen zu tun?“, fragte Milo.
„Er ist einer der Teilnehmer“, erklärte Clement. „Das weiß ich ganz sicher. Und ich weiß, dass er einen Porsche fährt. Sie hätten die einmalige Chance, diesen Killer zu schnappen, wenn Sie es einigermaßen clever anstellen!“
„Robert Dawn ist der Köder, der nötig war, um dich umzustimmen“, stellte Milo fest, als wir im Wagen saßen und aus der Tiefgarage in der Mott Street fuhren, um uns wieder in den Verkehr einzufädeln. „Und gib es zu! Irgendwo tief in deinem Herzen findest du es doch auch bedauerlich, dass du die 510 PS, die unter der Haube deines Wagens schlummern im Stadtverkehr des Big Apple nicht einmal annähernd ausfahren kannst!“
„Quatsch!“, sagte ich.
Aber viel zu schnell, um überzeugend wirken zu können.
Und tatsächlich hatte Milo mich da an einem wunden Punkt erwischt. Die Durchschnittsgeschwindigkeit in New York lag vor allem zur Rush Hour weit unter den erlaubten Höchstgeschwindigkeiten, so dass man nicht einmal die Möglichkeit hatte, so schnell, zu fahren, wie es erlaubt war – geschweige denn, dass man die Kraft der über 500 PS auch nur annähernd spüren konnte.
„Warten wir erstmal ab, was Mister McKee dazu sagt.“
Obwohl unsere Dienstzeit längst zu Ende war, fuhren wir am Abend noch zurück zum Office im Bundesgebäude an der Federal Plaza.
Mr McKee war wie üblich noch dort. Er war meistens morgens der Erste und abends der Letzte im Büro.
Ich übergab ihm den Umschlag, den Clement mir überreicht hatte. Er enthielt die Fahrzeugdaten eines Porsche 911 Turbo, Höchstgeschwindigkeit 310 Kilometer.
„Nach Clements Angaben ist der Wagen für das Rennen gemeldet und wird von Robert Dawn gefahren – dem Rennsport-Narren unter den Lohnkillern.“
Mr McKee hob die Augenbrauen. „Dass Robert Dawn ein Autonarr ist, wissen wir ja seit langem, weshalb sich unsere Innendienstler aus der Fahndungsabteilung auch immer wieder an Händler von Luxus-Sportwagen gewandt haben. Schließlich ist nicht anzunehmen, dass er seine Vorlieben plötzlich aufgegeben hat.“
„Der wird sich seine Luxus-Schlitten über irgendeinen Strohmann besorgen“, meinte Milo. „In diesem Fall meinte unser Informant zu wissen, dass es einen Sponsor gibt, der ihm den Porsche 911 Turbo für die Teilnahme am Rennen spendiert. An den Unterlagen sieht man ja auch, dass ein paar kleinere Extras eingebaut sind.“
„Aber nichts, was anzeigepflichtig ist!“, erwiderte Mr McKee nach kurzer Durchsicht der Unterlagen. „Wir werden den Killer nicht einfach dadurch in die Finger bekommen, dass wir sämtliche Besitzer dieses Wagentyps kontrollieren.“
„Der Wagen kostet neu um die 120 000 Dollar“, sagte Milo. „Damit ist er nicht so super-exklusiv, dass die geringe Zahl der Besitzer den Wagen leicht identifizierbar macht.“
„Es ist noch nicht einmal gesagt, dass es der einzige 911er ist, der an dem Rennen teilnimmt“, gab ich zu bedenken. „Die Teilnehmerliste ist uns dieser Clement ja bislang schuldig geblieben.“
„Wir stehen jetzt vor der Frage, ob wir das Rennen schon beim Start abwürgen oder den Start zulassen sollen, um diesen Killer zu fassen!“, brachte Mr McKee seinen inneren Zwiespalt auf den Punkt. „Das will wohl abgewogen sein!“
„Wir können den Start nicht verhindern“, erklärte ich unserem Chef und erläuterte ihm die Startmodalitäten. „Andernfalls ginge es vielleicht darum, abzuwägen, was wichtiger ist: Die Allgemeinheit vor einem unkalkulierbaren Risiko durch dieses Rennen zu schützen oder diesen Killer und mit etwas Glück sogar die betrügerischen Hintermänner des Rennens dingfest machen zu können. Aber das ist hier nicht die Alternative. Das Rennen findet auf jeden Fall statt. Wir können schließlich nicht alle Sportwagen, die sich innerhalb der nächsten Zeit in der Nähe des 75. Längengrades aufhalten, stoppen und die Fahrer festnehmen. Dazu fehlt jede rechtliche Handhabe. Davon abgesehen wäre das auch gar nicht durchführbar.“
„Und die Veranstalter des Rennens sähen darin nur eine weitere Schikane, die die Fahrer zu nehmen hätten, sodass der Wetteinsatz etwas spannender würde!“, ergänzte Milo. Er wandte sich an mich. „Ich fürchte, es gibt keine andere Möglichkeit, als dass wir Clements Vorschlag folgen und einen Fahrer einschleusen.“
Ich nickte. „Wenn wir das geschickt anstellen, dann gelingt es uns vielleicht, unterwegs diesen Robert Dawn zu stellen!“ Die Ergreifung eines Killers wie Robert Dawn war es ganz sicher wert, auch den Sportwagen aufs Spiel zu setzen.
Und vielleicht kam man ja auch an die Hintermänner des Northern Cannonball heran, für die das Ganze einfach nur ein mörderisch gutes Geschäft war...
„Das Risiko ist erheblich, Jesse“, gab Mr McKee zu bedenken. „Dass dieser Robert Dawn – oder wie immer er sich im Moment auch nennen mag, sofort schießt, wenn er glaubt, dass ihm jemand auf den Fersen ist, brauche ich Ihnen ja wohl nicht zu sagen! Aber es gibt noch eine andere Gefahr, die Sie nicht unterschätzen sollen! Die Organisatoren des Rennens sind durch den GPS-Sender jederzeit über Ihre Position unterrichtet. Wenn unser Informant ein doppeltes Spiel spielt oder von seinen Leuten einfach nur mal richtig in die Mangel genommen wird und seine Zusammenarbeit mit uns gesteht, dann sind Sie in akuter Gefahr. Die können in aller Ruhe einen Hit-man auf Sie lauern lassen!“
„Andererseits ist es vielleicht möglich über einen dieser GPS-Empfänger an die Hintermänner heranzukommen“, erwiderte ich.
Mr McKee hob die Schultern.
„Ob es technisch möglich ist, die Signale zu verfolgen, kann sich erst erweisen, wenn wir eines dieser Geräte in den Fingern haben und untersuchen können.“
„Aber diese Sender bekommen nur die Fahrer!“, sagte ich. „Also bin ich dafür, es zu wagen.“
Mr McKee kratzte sich am Kinn. „Ich habe heute Abend noch einen Termin mit einem Bundesanwalt. Bevor man so eine Aktion in Angriff nimmt, müssen wir uns absichern. Ich hoffe, dass ich Ihnen morgen früh näheres sagen kann.“
Mr McKee sorgte dafür, dass die Operation auf allen Ebenen grünes Licht bekam. Wir brauchten neben dem Okay der Justiz vor allem auch die Unterstützung der örtlichen Polizeibehörden, mit denen wir über unser Field Office in ständigem Kontakt bleiben würden. Vor allem musste genehmigt werden, dass das FBI das fällige Startgeld vorstreckte.
Zwei Tage nach dem ersten Treffen mit Clement kam es zu einer weiteren Verabredung mit unserem Informanten.
Diesmal trafen wir uns in der Nähe von Loebs Boathouse im Central Park.
„Was ist mit der Liste der Teilnehmer?“, fragte ich.
„Da werden Sie sich noch etwas gedulden müssen.“
„Langsam weiß ich nicht, was diese Hinhalterei soll und ob das Ganze nicht vielleicht nur eine große Luftblase ist, die Sie uns da präsentieren“, konnte ich meine Enttäuschung nicht verbergen.
„Hören Sie, Agent Trevellian, ich muss extrem vorsichtig sein.“
„Konnten Sie wenigstens noch etwas mehr über Robert Dawn erfahren?“
„Nein. Ich fürchte, mit den Angaben, die ich Ihnen gegeben habe, werden Sie auskommen müssen. Aber ich habe inzwischen mit ein paar Leuten über Ihre Teilnahme an dem Rennen geredet. Ich nehme an, Ihr Partner ist als Beifahrer dabei?“
Ich nickte. „Ja, so hatten wir uns das gedacht.“
„Sie werden unter Ihrem richtigen Namen an dem Rennen teilnehmen. Die entscheidenden Personen wissen, dass Sie FBI-Agent sind. Sie sehen darin einen zusätzlichen Reiz für das Publikum.“
Ich starrte Clement an wie einen Geist. Wollte der Kerl die ganze Operation schon zum Scheitern bringen, noch ehe sie begonnen hatte? Ich glaubte mich verhört zu haben. „Das kann unmöglich Ihr Ernst sein!“, stieß ich hervor.
„Irrtum, Agent Trevellian. Das musste sein. Ihr Wagen ist so individuell, dass die Leute, mit denen ich zu tun haben, Ihre Identität ohnehin im Handumdrehen ermitteln könnten. Ich deutete ja bereits an, wie weit deren Arm reicht. Nein, Sie treten dort als Jesse Trevellian an, ein FBI-Agent, der neben seinem langweiligen Beamten-Job im Dienst der Gerechtigkeit noch ein paar verborgene dunkle Leidenschaften hat, die mit Benzin und PS zu tun haben. Außerdem habe ich erzählt, dass die Anschaffung des Sportwagens Sie hoch verschuldet hat und Sie dringend Geld brauchen. Die Story passt zu Ihnen und Ihrem Wagen. Sehen Sie nur zu, dass Ihr Field Office nicht irgendwelche groß angelegten und möglicherweise auffälligen Begleitaktionen veranstaltet, sodass man auf die Idee kommt, Sie wären im dienstlichen Auftrag dabei. Außerdem brauche ich Ihre private Handynummer.“
Ich gab ihm meine Karte. „Wie geht es dann weiter?“
„Sie überweisen das Startgeld auf ein Schweizer Bankkonto. Sind die vierzigtausend Dollar ein Problem für Sie?“
„Nein.“
„Gut. Bevor das nicht überwiesen ist, läuft nämlich nichts.“
„Verstehe.“
„Sie werden dann in den nächsten Tagen einen Anruf erhalten. Ein Mittelsmann wird ein Treffen mit Ihnen vereinbaren, auf dem Sie den GPS-Sender und die Start-Daten des Rennens bekommen. Das war es dann.“
Er drehte sich um, beobachtete einige Augenblicke lang ein Pärchen am Seeufer, das aus irgendeinem Grund sein Misstrauen erweckt hatte und wirkte insgesamt ziemlich hektisch.
„Wann bekommen wir die Teilnehmer-Liste?“, hakte Milo nach. „Sie hatten sie uns versprochen.“
„Was brauchen Sie noch die Liste?“, fragte er. „Sie können das Rennen nicht mehr stoppen, weil Sie doch Robert Dawn einfangen wollen!“
„Also war alles nur Gerede!“, stellte ich fest. „Die Liste ist für uns auch ein Zeichen dafür, ob wir Ihnen trauen können oder nicht. Im Übrigen brauchen wir sie, um gegen die Teilnehmer juristisch vorgehen zu können, sobald wir Dawn haben.“
Er verzog das Gesicht. „Sie sind ein Optimist, Agent Trevellian!“ Er lachte kurz auf. „Übermorgen. Versprochen. Aber so lange brauche ich noch.“
„Und was ist mit den Namen von Hintermännern?“, ließ ich ihn gar nicht erst zur Ruhe kommen.
„Der Scarbucchi-Clan will hundert Millionen waschen, wie ich gehört habe...“
Er warf uns einen Brocken hin, ohne uns wirklich etwas substanzielles mitzuteilen, begriff ich.
„Was ist mit dem Hotel, in dem die große Wettparty stattfindet? Können Sie uns darüber inzwischen etwas mehr sagen?“, mischte sich Milo ein.
Er seufzte hörbar. „Ich weiß inzwischen, dass es sich innerhalb der Vereinigten Staaten befindet. Mehr kann ich Ihnen vielleicht übermorgen sagen. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte.“
Er hatte es ziemlich eilig, uns zu verlassen. Ich sah ihm noch eine Weile nach. Er lief einem Skateboardfahrer in den Weg und sprang im letzten Moment zur Seite.
„Was spielt der Mann für ein Spiel?“, fragte Milo.
„Keine Ahnung. Aber allein die Chance, einen Killer wie Robert Dawn aus dem Verkehr zu ziehen, ist es schon Wert, sich darauf einzulassen.“
Der Anruf erfolgte mitten in der Nacht. Es war zwei Uhr, als das Handy klingelte. Ich nahm den Apparat ans Ohr und fragte „Ja?“, während ich mich verzweifelt bemühte, schnell genug wach zu werden, um alles zu verstehen, was mir der Gesprächspartner an der anderen Seite der Verbindung zu sagen hatte.
„Jesse Trevellian?“
„Am Apparat.“
„Kommen Sie in die HOT & SPICY Filiale in Yonkers, 211 George Washington Lane.“
„Wann?“
„Jetzt sofort. Fahren Sie jetzt los, rufen Sie niemanden an, kommen Sie allein.“
„Was ist mit meinem Beifahrer?“
„Den brauchen wir dabei nicht.“
Es machte klick. Das Gespräch war beendet.
Ich zog mich schnell an und setzte mich in den Wagen. Dann fuhr ich Richtung Norden. New York nennt man zu Recht die Stadt, die niemals schläft. Aber morgens um zwei Uhr ist der Verkehr wenigstens erträglich und so fern nicht irgendwo eine Großbaustelle ist, muss man um diese Uhrzeit auch nicht mit einem der gefürchteten Staus rechnen.
Eine halbe Stunde später erreichte ich Yonkers, die mittlere Großstadt nördlich der Bronx, die mit dem Big Apple teilweise zusammengewachsen war.
HOT & SPICY war eine Kette von Fast Food-Läden mit mexikanischem Essen. Genormte Tortillas und Chili con Carne. Es gab inzwischen im gesamten Big Apple sowie in Newark, Paterson, Yonkers und New Rochelle Filialen und das Netz der Schnellrestaurants, in der man die SPICY ART OF LIVING genießen konnte, wie die Werbung versprach, stand davor, sich noch weiter auszubreiten.
Die Filiale von Yonkers lag in einem etwas heruntergekommenen Teil der Stadt, der gerade einer gründlichen Sanierung unterzogen wurde. Die Eröffnung des HOT & SPICY war somit sicherlich eine Investition in die Zukunft.
Ich stellte den Wagen in einer Nebenstraße ab und aktivierte dann den Rechner auf der Mittelkonsole. Der TFT-Bildschirm leuchtete auf. Ich bekam eine Verbindung ins Netz und sandte eine kurze Mail an Milo und an das Field Office, in dem ich meinen Aufenthaltsort mitteilte. Sicherheitshalber.
Dann stieg ich aus.
Soweit ich das mitbekommen hatte, war ich nicht verfolgt worden.
Die letzten fünf Minuten bis zur HOT & SPICY Filiale ging ich zu Fuß.
Das mexikanische Schnellrestaurant hatte rund um die Uhr geöffnet. Vierundzwanzig Stunden non Stopp. Aber als ich eintrat waren kaum Gäste dort und ich fragte mich, ob sich das für den Franchise-Nehmer eigentlich rechnete.
Hinter dem Tresen stand ein stämmiger Mann mit dunklem Oberlippenbart und Halbglatze.
Ich ging an ihm vorbei bis in die hinterste Ecke des HOT & SPICY. Das Mobiliar war weiß und leicht zu reinigen. Es erinnerte mich immer ein bisschen an die Einrichtung einer Klinik.
An einem Tisch saß ein Mann, der ganz sicher nicht zur typischen Stammkundschaft eines HOT & SPICY Restaurants gehörte. Er trug einen grauen Dreiteiler, war Mitte fünfzig und hatte ein Gesicht, das wie aus Stein gemeißelt wirkte. Harte Linien, von denen mindestens drei Viertel nach unten ausgerichtet waren.
Er sah mich auf eine Weise an, die mir sofort klar machte, dass er auf mich wartete.
„Haben wir gerade telefoniert?“, fragte ich.
„Sie sind Trevellian“, stellte er fest.
„Ja.“
„Setzen Sie sich.“
Ich ließ mich ihm gegenüber nieder. Er schob mir einen Umschlag über den Tisch.
„Ich nehme an, das ist der GPS-Empfänger“, vermutete ich. „Sie sollen mich einweisen, wie er benutzt wird.“
„Das ist nicht nötig. Das Gerät ist aktiviert. Sie können daran nicht herummanipulieren. Von nun an werden Sie es ständig in Ihrem Wagen aufbewahren.“
„Was ist mit dem Starttermin?“
„Die Daten werden Ihnen auf das GPS-Gerät überspielt und angezeigt – exakt 24 Stunden vor dem Zeitpunkt, an dem Sie den 75. Längengrad Richtung Westen überschreiten dürfen!“
Der Mann im grauen Dreiteiler erhob sich.
„Leben Sie wohl und viel Glück beim Rennen, Mister Trevellian. Ach ja, ich hoffe, Sie wissen, dass Sie sich durch die Überweisung des Startgeldes strafbar gemacht haben und dass Ihre Karriere beim FBI ein jähes Ende findet, wenn Ihre Teilnahme bekannt wird.“
„Ich bin nicht so eitel, dass ich einen Hubschrauberpiloten engagiere, der mich filmt und anschließend die Bilder ins Internet setze!“
Der Mann im grauen Dreiteiler lächelte flüchtig. „Das können Sie ruhig tun, Trevellian! Allerdings auf eigene Gefahr! Im Endeffekt vergrößert das nur den Nimbus, den das Northern Cannonball bekommt!“
„Mag sein.“
„Klüger ist es allerdings, einen Helikopter-Piloten zu engagieren, der die Strecke abfliegt und einen vor der Highway Patrol warnt. Ich kenne da ein paar Leute, die so etwas für 500 Dollar die Stunde aufwärts anbieten.“
„Nein danke, ich komme schon klar.“
„Wie Sie meinen, Trevellian.“
Mit diesen Worten ließ er mich sitzen, ging zur Tür und verließ das HOT & SPICY.
Am nächsten Morgen machte mich Mandys Kaffee wieder einigermaßen wach. Den GPS-Sender, den ich bekommen hatte, war eine Sonderanfertigung ohne jegliche Tastatur. Das Gerät war aktiviert. Auf einem Display wurde jeweils die genaue Position angegeben, sodass man sich dem 75. Längengrad bis auf ein paar Meter nähern konnte, wenn man das wollte. Unseren Spezialisten war es leider unmöglich, das Gerät zu öffnen und einer genauen Analyse zuzuführen. Das hätte wahrscheinlich das Ende meiner Teilnahme am Rennen bedeutet und wäre von den Organisatoren sofort bemerkt worden.
Nachdem ich Milo morgens an der bekannten Ecke abgeholt hatte und zur Federal Plaza gefahren war, hatte ich den Wagen in der zum Bundesgebäude gehörenden Tiefgarage abgestellt. Ich war zwar überzeugt davon, dass die Organisatoren des Rennens jede meiner Fahrten von nun an genauestens verfolgten, aber ich entschied, dass allem, was von meinen bisherigen Gewohnheiten abwich, gefährlich werden konnte und ihnen vielleicht auffiel. In der Tiefgarage hatten unsere Spezialisten zumindest die Gelegenheit ein paar Untersuchungen an dem Gerät durchzuführen, es zu durchleuchten und die elektromagnetische Signatur aufzuzeichnen.
Ob sich das von dem Gerät ausgehende Signal tatsächlich zurückverfolgen ließ, stand noch nicht fest.
Etwa um zehn Uhr morgens meldete sich Clement bei mir.
„Ich habe jetzt die Liste der Teilnehmer“, behauptete er. „Außerdem eine Liste von New Yorker Unterweltgrößen, die in den mit dem Rennen zusammenhängenden Wettbetrug mit drinhängen.“
„Großartig. Darauf warten wir ja auch schon eine ganze Weile. Vielleicht wäre es besser, wenn Kollegen sich mit Ihnen treffen – ich meine in Anbetracht der Tatsache, dass ich jederzeit damit rechnen muss, beim Northern Cannonball zu starten...“
„Nein, ich will, dass Sie zum Treffpunkt kommen, Trevellian. Ich will kein Risiko eingehen!“
Das Risiko soll dann wohl lieber ich tragen!, ging es mir etwas ärgerlich durch den Kopf. Andererseits war die Liste der Teilnehmer des Northern Cannonball so wichtig, dass man dafür schon einiges riskieren konnte.
„Wo und wann?“, fragte ich.
„Battery Park, am Terminal nach Liberty Island, heute zwei Uhr am Nachmittag. Seien Sie pünktlich. Ich werde nicht warten.“
Das Gespräch wurde unterbrochen.
Alexander Jason Clement bewohnte ein Penthouse am Ende der Avenue B. Das Gebäude war eines der wenigen Apartmenthäuser in dieser Gegend, hatte fünfundzwanzig Stockwerke und eine Tiefgarage, die allen Bewohnern einen Parkplatz garantierte. Das „Rolling Bones“, der Club den Clement betrieb, war nur gut hundert Meter entfernt.
Er nahm den Lift in die Tiefgarage und blickte nervös auf die Uhr.
Er lag in der Zeit.
Unter dem linken Arm klemmte eine dünne Aktentasche.
Clement lockerte seine Krawatte. Ihm war plötzlich warm geworden. Das Innere von Liftkabinen erweckte in ihm immer leichte Gefühle von Klaustrophobie. Aber Treppen zu steigen war keine Alternative, die er ernsthaft erwog. Dazu war sein Terminkalender schlicht und ergreifend zu voll – und seine Kondition zu schlecht.
Clement erreichte das Parkdeck, war froh die Liftkabine verlassen zu können und ging mit weiten, raumgreifenden Schritten auf seinen Wagen zu. Einen Mercedes.
Er öffnete und setzte sich ans Steuer.
Ein Mann trat hinter einem der Betonpfeiler hervor. Er musste dort gewartet haben. Er trug einen grauen Dreiteiler, sowie einen dünnen Regenmantel.
Und schwarze Lederhandschuhe.
Er riss die Tür auf und setzte sich neben Clement auf den Beifahrersitz.
Clement saß wie erstarrt hinter dem Lenkrad.
„Hi, Ray!“, murmelte er. „Um ehrlich zu sein...“
„...hattest du mit mir nicht gerechnet“, sagte der Mann im grauen Anzug. Er verzog das Gesicht, das wie aus Stein gemeißelt wirkte und durch zahllose harte Linien gezeichnet wurde.
„Ich habe einen dringenden Termin, Ray.“
„Den du leider nicht wahrnehmen kannst!“
Rays Hand steckte in der rechten Tasche des dünnen Regenmantels. Er hob sie leicht an. Etwas wölbte sich unter dem dünnen Mantelstoff hervor.
„Ich habe hier eine Waffe mit Schalldämpfer“, stellte Ray fest. Seine Stimme klang wie klirrendes Eis. „Mach den Motor an, fahr los und tu genau, was ich dir sage!“
Clement schluckte.
„Hör mal, Ray, ich weiß nicht, was das jetzt soll...“
„Los jetzt!“
Clement startete den Wagen und fuhr aus dem Parkhaus. Anschließend folgte er dem Einbahnverkehr auf der Avenue B, ehe es schließlich Richtung Norden ging.
Etwa eine Dreiviertelstunde später durchquerten sie die Bronx und erreichten schließlich das nördlich des Big Apple gelegene New Rochelle.
Ray befahl Clement auf ein brachliegendes Industriegelände am Rande von New Rochelle zu fahren. Mehrere Werkshallen standen hier nebeneinander, aber produziert wurde dort schon lange nichts mehr. Ein Zulieferer der chemischen Industrie, der Werkstoffe zum Korrosionsschutz gefertigt hatte, war bankrott gegangen und jetzt stritten die Rechtsnachfolger und die Behörden der Stadt New Rochelle darüber, wer für die Kosten der Altlastensanierung aufzukommen hatte. Bis das nicht geklärt war, würde sich hier nichts mehr bewegen.
Hinweisschilder untersagten das Betreten des Grundstücks und wiesen jeden, der es doch tat auf die Gefahren hin.
Ray ließ Clement vor die dritte Halle fahren und aussteigen. Clement gehorchte zögernd. Ray nahm unterdessen die Aktentasche mit, die Clement auf den Rücksitz geworfen hatte, als er eingestiegen war.
Ray öffnete die Tasche. Er zog einen Computerausdruck heraus. Ein Datenträger fand sich auch.
„Wirklich sehr interessant“, sagte Ray. „Wer hätte gedacht, dass du ein Verräter bist!“
„Ray, das sieht nur so aus, aber ich kann das alles erklären!“
„Weißt du was? Wir beobachten dich schon eine ganze Weile. Und eigentlich interessiert es niemanden in der Organisation noch, welche Gründe du vielleicht vorbringst. Das Problem ist einfach, dass mit dir niemand mehr Geschäfte machen will, weil du einfach allen zu sehr auf die Nerven gehst und sie es dich nicht leisten können, sich selbst in Gefahr zu bringen.“
Clement schluckte. Er wich einen Schritt zurück. Einen Augenblick lang erwog er, einfach wegzulaufen. Aber er sah ein, dass er keine Chance hatte. Sein Gegenüber war zu dicht an ihm dran. Es war kaum denkbar, dass Ray daneben schoss.
„Welche Chance habe ich noch?“
„Hängt von den Antworten ab, die ich von dir kriege“, sagte Ray.
„Ich sag dir alles, was du willst.“
„Zunächst mal möchte ich wissen, wer die Liste der Rennteilnehmer bekommen sollte?“
„Niemand! Keine Ahnung, ich...“ Er stammelte vor sich hin und bekam nicht einen einzigen verständlichen Satz auf die Reihe.
„War es dieser Trevellian?“, fragte Ray.
„Ray, du kennst mich!
Ray zog die Waffe aus der Manteltasche, richtete sie auf Clement und feuerte. Das Geräusch glich einem kräftigen Niesen. Clements Schrei war wesentlich lauter – aber auch den würde hier niemand hören. Clement griff sich an den Arm. Rays Pistolenlauf mit dem aufgesetzten Schalldämpfer glitt tiefer. Ein weiterer Schuss folgte und traf Clement im Oberschenkel. Das Hosenbein verfärbte sich blutrot. Clement versuchte, die Blutung zu stillen und taumelte rückwärts. Er strauchelte zu Boden und blickte Ray mit Angst geweiteten Augen an. „Ich bin gespannt, wie viel Blei du brauchst, um mir vernünftige Antworten zu geben!“ Ray trat näher und achtete peinlich genau darauf nicht in die Blutflecken zu treten, die sich am Boden bereits gebildet hatten. Clement kroch vor seinem Peiniger ein paar Meter davon. Ray folgte ihm und richtete erneut die Waffe auf den am Boden Liegenden. „Ich will jetzt wissen, ob dieser Trevellian gegen uns ermittelt und was er weiß!“
„Er weiß nichts!“, zeterte Clement.
„Aber es stimmt, dass er sich nicht einfach so aus Freude an seinem Wagen für das Rennen gemeldet hat!“
„Ja“, keuchte Clement. „Was willst du machen? Das Rennen vielleicht absagen?“
„Nein. Das ist eines von den Dingen, die unter keinen Umständen passieren werden“, erklärte Ray. „Wir regeln das auf unsere Weise.“ Ray atmete tief durch. Sein Mund verzog sich dabei. Er richtete die Waffe jetzt auf Clements Kopf und feuerte zweimal kurz hintereinander. Wie rote Drachenzungen leckte das Mündungsfeuer aus der vorderen Öffnung des Schalldämpfers heraus. Ein Geräusch, das wie zwei kurz hintereinander ausgeführte Schläge mit einer zusammengerollten Zeitung klang, ertönte. Auf Clements Stirn hatten sich zwei kleine rote Löcher dicht nebeneinander gebildet. Er sackte in sich zusammen und eine Blutlache begann sich auf den Asphalt vor der dritten Werkshalle zu ergießen.
Um zum Battery Park zu fahren, benutzten Milo und ich einen unscheinbaren Chevrolet aus den Beständen unserer Fahrbereitschaft. Schließlich hätte die Gegenseite den Weg des Wagens mit Hilfe des GPS-Gerätes jederzeit verfolgen können und außerdem wollten wir unseren Spezialisten noch die Gelegenheit geben, vielleicht doch noch das eine oder andere über das Innenleben des Apparates herauszufinden.
Wir waren pünktlich am angegebenen Ferry Terminal, von wo aus die Touristenfähren nach Liberty Island im regelmäßigen Takt aufbrachen.
Es war ein freundlicher, sonniger Tag. Aus Richtung des Atlantiks wehte ein kräftiger, kühler Wind, der das Wasser kräuselte.
Milo blickte durch eines der Münzfernrohre und warf einen Blick zur Freiheitsstatue, die sich auf Liberty Island erhob und ihre Fackel in die Höhe reckte.
Es wurde zwei Uhr, aber Clement tauchte nicht auf.
Wir warteten eine halbe Stunde, ohne dass er eintraf. Ich rief die Nummer des Prepaid Handys zurück, mit dem er mich immer angerufen hatte. Es meldete sich lediglich eine lapidare Ansage. Der Teilnehmer ist vorübergehend nicht erreichbar.
„Wenn du mich fragst, ist das kein gutes Zeichen, Jesse“, lautete Milos Kommentar.
Auch am folgenden Tag hörten wir nichts von Clement. Offen ermitteln konnten wir in der Sache nicht. Dann wäre die ganze Operation, durch die wir Robert Dawn fassen wollten, in Gefahr geraten. Es wäre einfach aufgefallen, wenn sich plötzlich FBI-Agenten in seinem Club ‚Rolling Bones’ in der Avenue B getummelt hätten.
„Möglich, dass diesem Clement der Boden einfach zu heiß wurde und er sich aus dem Staub gemacht hat“, lautete Clives Vermutung, als wir uns später in Mr McKees Büro zur Besprechung trafen.
„Jedenfalls war der Club ‚Rolling Bones’ gestern Abend geschlossen“, stellte Orry fest. „Und ich bin gespannt, ob er je wieder aufmacht...“
„Die Frage ist einfach, ob wir die ganze Aktion jetzt abbrechen“, meinte Mr McKee.
„Und uns damit die Chance entgehen lassen, Robert Dawn endlich das Handwerk zu legen?“, fragte ich und schüttelte den Kopf. „Ich bin für das Rennen als Fahrer gemeldet, jetzt ziehen wir das Ganze auch durch.“
„Je nachdem, was unserem Informanten zugestoßen ist, könnte sich Ihr Risiko dadurch sehr erhöhen, Jesse!“, gab Mr McKee zu bedenken. „Angenommen, jemand hat aus Clement alles über seine Zusammenarbeit mit dem FBI herausgequetscht. Dann ist dabei auch Ihr Name gefallen!“
„Aber das Risiko nehme ich auf mich“, entschied ich und wandte mich an Milo. „Es sei denn, mein Beifahrer ist nicht mehr dabei!“
Am Abend bekam ich die Startzeit auf den GPS-Empfänger. Ab 12 Uhr Mittags am Tag darauf durfte ich mit dem Sportwagen den 75. Längengrad überschreiten.
Dieser Längengrad durchschnitt die Staaten New York und New Jersey etwa auf einer Linie Ottawa-Philadelphia. Milo und ich hatten uns natürlich längst mit Hilfe des im Wagen installierten Navigationssystems eine Route nach Seattle angeben lassen. Wir fuhren zunächst über den Lincoln Tunnel nach Jersey City und von dort aus weiter Richtung Newark, wo wir auf die Interstate 80 Richtung Pennsylvania wechselten. Kurz vor Stroudeburg an der Grenze zwischen Pennsylvania und New Jersey verlief der 75. Längengrad, unsere Startlinie.
Da man auf einem Interstate Highway nicht einfach stehen bleiben darf, verbrachten wir die letzten anderthalb Stunden auf einem Parkplatz, der sich etwa ein Meilen östlich von Stroudeburg befand.
Wir stiegen aus, um uns noch mal kurz die Beine zu vertreten.
Gleich mehrere Sportwagen, die von ihren technischen Daten her für eine Teilnahme am Northern Cannonball geeignet gewesen wären, befanden sich auf dem Parkplatz. Zwei Ferraris – einer ein rot und einer in gelb - , ein Lamborghini, ein Maserati und ein Porsche 911 Turbo.
Allerdings sah der Fahrer von letzterem vollkommen anders aus, als die Fahndungsfotos, die von Robert Dawn existierten. Da die letzten Fotos, die wir von dem Killer hatten, von einer Verhaftung stammten, die ihn in einem Alter von 22 erwischt hatte, besaßen wir Aufnahmen, die unser Zeichner Agent Prewitt künstlich hatte altern lassen.
Robert Dawn war jetzt dreiundvierzig Jahre alt.
Der Kerl im Porsche allerdings nicht. Selbst eine Theatermaske hätte ihn so nicht verändern können. Er hatte rotes Haar, Sommersprossen, war keine dreißig und vor allem einen ganzen Kopf kleiner als die Unterlagen es von Robert Dawn behaupteten.
„Jetzt sag’ nur noch einer, dass dieses Sportwagentreffen unweit des 75. Längengrades reiner Zufall ist, Jesse!“, meldete sich Milo zu Wort.
Ich grinste. „Wahrscheinlich sieht es an einem guten Dutzend anderen Highway-Parkplätzen in der Nähe der Startlinie ebenso aus!“
Da ja nicht an einem bestimmten Ort, sondern an einem Längengrad gestartet wurde, gab es auch andere Routen die ebenso günstig sein konnten. Aber spätestens ab Cleveland würden wohl alle Teilnehmer dieselben Highways benutzen, denn von da an war es ziemlich eindeutig, woher man fahren musste. Und dass angesichts der hohen Startgelder jemand die gebührenpflichtigen Highway-Abschnitte in Pennsylvania und Ohio mied, war nicht anzunehmen. Die Highways des mittleren Westens zogen sich gerade durch die Landschaft. Und das Netz an ausgebauten Highways war so dünn, dass sich der Weg von selbst ergab und es eigentliche keine Alternativen gab. Wir hatten einen Weg vor uns, der nach Berechnungen unseres Navigationssystems 2851 Meilen betrug, wozu man eine reine Fahrzeit von 42 Stunden benötigte.
Die Entscheidung fiel wahrscheinlich auf den letzten anderthalb tausend Meilen, die durch die Bundesstaaten North Dakota, Montana, Idaho und Washington führten. Es war wohl für jeden Fahrer eine Art taktischer Frage, ob er sich in den relativ dicht besiedelten Gebieten mit einer hohen Frequenz an Highway Patrouillen noch einigermaßen an die Verkehrsregeln hielt, um nicht von der Polizei gestoppt zu werden. Spätestens in North Dakota war die Wahrscheinlichkeit, von einer Streife erwischt zu werden einfach sehr viel geringer und wahrscheinlich drehten die meisten Teilnehmer von da an auch so richtig auf.
Andere setzten vielleicht gleich alles auf eine Karte.
Ich sah auf die Uhr. „Wetten, wenn der erste in den Wagen springt und losrast, werden ihm die anderen sofort folgen?“, fragte ich.
Milo zuckte mit den Schultern. „Soll mir gleichgültig sein.“
„Vielleicht disqualifizieren sich ja gleich ein paar von ihnen, weil sie übereifrig sind und die Startlinie vor der Zeit überschreiten!“
„Glaube ich ehrlich gesagt nicht, Jesse.“
„Ach, nein?“
„Die sehen alle ziemlich abgebrüht aus. Auch der Kerl mit dem Porsche – obwohl er noch so jung ist.“
Der Fahrer des gelben Ferrari kam auf Milo und mich zu. Er grüßte leger und deutete auf den Sportwagen.
„Ein feiner Wagen!“
„Danke.“
„Aber für so was wie den Northern Cannonball vollkommen ungeeignet. Ich habe schon den Gumball 3000 mitgemacht. Außerdem den Australian Gumball und den Classic Cannonball von New York nach Los Angeles und ich sage euch, mit dieser Karre kommt ihr nicht weit.“ Er trat gegen den hinteren linken Reifen. „Muss ein Schweinegeld gekostet haben...“
„Lass uns einfach abwarten, wer von allen als Erster in Seattle ist“, sagte ich.
Ich war nämlich nicht auf Streit aus und dieser Kerl schien einfach nur seine innere Anspannung irgendwie loswerden zu müssen.
„Nichts für ungut“, erwiderte er und ging zu seinem Partner zurück, mit dem er noch ein paar abfällige Bemerkungen über die Wagen der anderen austauschte.
Dann ging es endlich los.
Der gelbe Lamborghini machte den Anfang. Wir fuhren auch los. Es war schon eigenartig zu sehen, wie sich eine auffällige Ansammlung hochwertiger Sportwagen mit der Mindestgeschwindigkeit fortbewegte, obwohl die Interstate 80 gut ausgebaut und zu dieser Tageszeit und an diesem Abschnitt wenig frequentiert war. Aber natürlich wollte niemand den 75. Längengrad überschreiten, bevor es an der Zeit war. Das GPS-Gerät, das wir bekommen hatten, zeigte uns jeweils im Takt von einer halben Minute unsere gegenwärtige Position an. Wir näherten uns der fraglichen Linie.
Der rote Ferrari überholte uns, war aber anschließend gezwungen, dafür umso langsamer zu fahren, um nicht disqualifiziert zu werden.
Ich ertappte mich selbst dabei, wie ich immer wieder auf die Uhr schaute.
„Es ist zwölf Uhr, Jesse!“, stellte Milo schließlich fest. „Und dahinten etwa bei der Häusergruppe muss der 75. Längengrad verlaufen.“
Die Fahrer des roten und des gelben Ferrari schienen das genauso zu beurteilen, denn sie traten plötzlich in die Eisen und brausten los.
Ungefähr 380 Meilen lagen bis Cleveland vor uns. Die Interstate 80 zog sich in ost-westliche Richtung durch den gesamten Bundesstaat Pennsylvania. Die einzigen Fahrtunterbrechungen, mit denen wir rechnen mussten, waren die Stopps an den Maut-Stationen für die gebührenpflichtige Abschnitte und die Stopps zum tanken.
„Na los, Jesse, jetzt versuch mal mit der Konkurrenz Schritt zu halten!“, stichelte Milo.
Ich beschleunigte und blieb an der Gruppe dran. Der Porsche mit dem auffallend jungen Fahrerteam brauste an uns vorbei. Der Beifahrer machte ein paar provozierende Gesten in unsere Richtung. Da die Interstate 80 ziemlich frei war, beschleunigte er auf Höchstgeschwindigkeit. Wie ein Geschoss raste der Porsche Richtung Westen und verschwand bald hinter dem Horizont.
„Haben wir da einen der Favoriten gesehen?“, fragte Milo.
„Abwarten, Milo.“
„Dass das schöne Wort, dass die Ersten die Letzten sein werden, hier gilt, glaube ich nicht.“
Wir brauchten allerdings nur bis zur ersten Maut-Station zu warten, um es doch bestätigt zu finden. Das junge Porsche-Team war von Beamten der Highway-Patrol herausgefischt worden. Jetzt standen sie auf dem Seitenstreifen und führten eine gestenreiche, aber völlig sinnlose Diskussion mit den Ordnungshütern, während wir unsere Gebühr bezahlten und weiterfahren konnten.
Eric Pittkin blickte auf die große Halle mit der überdimensionalen Großleinwand, auf dem eine riesige Karte der USA zu sehen war. Außerdem waren deutlich die beiden Längengrade markiert, die die Start- und Ziellinien in diesem Rennen der Superlative darstellten.
Dreihundert handverlesene Teilnehmer nahmen an diesem Rennen teil. Eine gewisse Hürde, um die Spreu vom Weizen zu trennen, stellte natürlich das Startgeld dar, aber es hatte weitaus mehr Bewerber gegeben, als zugelassen werde konnten. Das Auswahlkriterium war in erster Linie der Wagen. Eric Pittkin wusste, was sein exklusives und in jeder Hinsicht verwöhntes Publikum wollte. Gerade die zahlungskräftigen Gäste aus den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Saudi-Arabien waren Autonarren und hatten ein Faible für leistungsstarke und stilechte Wagen. Sie wollten Duelle zwischen interessanten Fahrzeugen sehen – und kein Teilnehmerfeld, das aus einem Einheitsbrei von immer denselben Fahrzeugtypen bestand.
Das Salz in der Suppe waren für Pittkin aufgetunte Fahrzeuge, über deren Eigenschaften es letztlich keine verlässlichen Daten gab. Jeder dieser Wagen verfügte über vollkommen individuelle Stärken und Schwächen, die sich erst im Verlauf des Rennens wirklich erweisen konnten. Also war Pittkin immer darauf aus, dass immer ein Teil der teilnehmenden Fahrzeuge aus dieser Gruppe rekrutiert wurde – was nicht ganz einfach war.
Die Ferrari- oder Porsche-Gemeinde war viel zahlreicher und so gab es für manche Fahrtzeugtypen bereits eine Warteliste.
Denn dass der Northern Cannonball nicht der letzte seiner Art sein würde, dass hatte für Eric Pittkin schon im Lauf der Vorarbeiten bei der Organisation des Rennens festgestanden. Das Wettinteresse war so immens, dass man einfach weiter machen musste. Diese Geldquelle schien so schnell nicht zu versiegen und Pittkin sah sich bereits im Besitz eines gigantischen Vermögens.
Ein stilles Lächeln erschien um die dünnen Lippen des hageren Mannes, der die vierzig gerade überschritten hatte. Die hohe Stirn, die graue Haut und das sehr knochige Gesicht ließen ihn allerdings zehn Jahre älter erscheinen. Dazu kam ein harter Gesichtsausdruck, der kompromisslose Entschlossenheit verriet. Wenn Eric Pittkin sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann führte er dies auch durch.
Für zwei Tage war die Dauer dieser Veranstaltung angesetzt. Eine Non Stop-Party, für die die Jet Set Gäste aus aller Welt eingeflogen wurden.
Wer wollte, konnte sich zwischendurch auf eines der Zimmer begeben, um zu schlafen. Wenn man sich an die Verkehrsregeln hielt, konnte man die Strecke in etwas weniger als zwei Tagen Non Stop Fahrt inklusive den nötigen Stopps zum Tanken schaffen. Aber für den Northern Cannonball rechnete Pittkin mit einer Zeit, die etwa bei der Hälfte lag.
Alles, was wesentlich über 24 Stunden lag, kam einer Rufschädigung des Rennens gleich!
Vor allem die ersten 600 Meilen waren schwierig. Eine hohe Polizeidichte verhinderte, dass es richtig zur Sache gehen konnte. Aber dafür war es später ab der Grenze von North Dakota möglich, dass die Fahrzeuge so richtig zeigen konnten, was unter ihren Motorhauben steckte.
Pittkin zündete sich eine Zigarre an.
Da dies eine geschlossene Gesellschaft und keine öffentliche Veranstaltung war, verstieß er damit nicht einmal gegen die strengen Antiraucher-Gesetze, die es inzwischen überall in den USA gab. Mit der Havanna zwischen den Lippen stützte er sich auf den Handlauf der Balustrade und blickte hinab in den Saal. Alle schienen sich gut bei Kaviar und Champagner zu amüsieren. Noch bildeten die Markierungen für die teilnehmenden Fahrzeuge auf der Leinwand kleine Knotenpunkte, die immer dort entstanden, wo eine Interstate den 75. Längengrad nach Westen schnitt. Jeder dieser Punkte war mit einer Nummer Startnummer versehen, sodass alle im Saal mitverfolgen konnten, an welcher Position sich ihr Geheimfavorit gerade befand.
Außerdem wurde natürlich eine regelmäßig aktualisierte Rangfolge eingeblendet. Unten an den Tischen gab es Computerterminals, auf denen weitere Einzelheiten abrufbar waren.
Wer sich noch im letzten Moment dazu entschließen wollte, eine Wette einzugehen, konnte das online erledigen. Die Quoten wurden auf einem Leuchtband eingeblendet.
Aber es würde nicht lange dauern, bis sich das Feld ein wenig auseinanderdividierte und sich die ersten Favoriten herauskristallisierten.
„Hallo, wie geht’s?“, rief hinter ihm jemand.
Pittkin drehte sich um.
Zwei Männer, die sich wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich sahen kamen auf ihn zu. Sie trugen Smoking, waren etwa dreißig Jahre alt, hatten dunkles, leicht gelocktes Haar und dunkle Augen.
Ihre Gestik war sehr ausgeprägt.
Bei ihnen war noch ein dritter Mann, mindestens zwanzig Jahre älter und grauhaarig – aber die charakteristischen Einzelheiten des Gesichts verrieten die Verwandtschaft.
Pittkin runzelte die Stirn. Einer der Zwillinge schlug ihm auf die Schulter. „Was ist? Erinnern Sie sich nicht mehr an uns? New York... Tony und Mike Scarbucchi! Na, klingelt es wieder? So viele Zwillinge gibt es in der Welt des Big Business nun auch nicht, oder?“
„Ich erinnere mich noch sehr gut an Sie“, sagte Pittkin leicht überrumpelt. „Auch wenn ich jetzt beim besten Willen nicht mehr sagen könnte, wer von Ihnen nun Mike und wer Tony ist.“
„Ich bin Mike und er ist Tony! Ist doch ganz einfach. Jedenfalls für mich, weil ich weiß, dass ich Tony bin!“ Er lachte laut und ordinär. „Unser Vater hatte auch immer Schwierigkeiten, uns auseinander zu halten. Leider wurde er nicht alt genug, um das noch hinzubekommen.“
„Bedauerlich.“ Pittkin musste sich immer ein bisschen Mühe geben, um nicht zu sehr deutlich werden zu lassen, wie sehr er sich den beiden Brüdern überlegen fühlte, die von ihrem früh verstorbenem Vater ein riesiges Mafia-Imperium geerbt hatten und jetzt bemüht waren, die von ihren Vorfahren ergaunerten Millionen reinzuwaschen.
Immerhin gehörten die Scarbucchis zu den wichtigsten Investoren bei diesem Rennen.
Ohne ihr Geld wäre es gar nicht zu Stande gekommen und das durfte Pittkin nicht vergessen.
„Wir möchten Ihnen jemanden vorstellen, Eric. Unseren Onkel Enrico aus Sizilien. Wir haben da zufällig über ein paar Investitionsmodelle gesprochen und da habe ich mir gedacht, dass ich Onkel Enrico unbedingt mit Ihnen zusammenbringen müsste.“
„Buon Giorno“, sagte Enrico Scarbucchi höflich.
Pittkins Eindruck nach verstand der Sizilianer kaum Englisch und hatte von der bisherigen Unterhaltung so gut wie nichts mitbekommen.
Der Organisator des Rennens deutete zur Leinwand. „Ich glaube, jetzt wird es gerade spannend. Ich schlage vor, Ihr Onkel Enrico und ich unterhalten uns später. Wir werden hier sicher noch Gelegenheit dazu finden.“
Mike Scarbucchi wandte sich seinem Onkel zu und sagte: „Siehst du, ich habe dir ja gesagt, dass mein Freund Eric dir helfen wird, Onkel Enrico!“
„Si, si!“, sagte Enrico, der wohl nicht viel verstanden hatte, da Mike Scarbucchi Englisch gesprochen hatte.
Eric Pittkins Handy klingelte.
„Sie entschuldigen mich!“, wandte er sich kurz an die drei Scarbucchis und ging ein paar Schritte weiter, eher er an den Apparat ging und sich meldete.
„Hier ist Ray in New York“, hörte er eine Stimme.
„Was gibt es?“
„Die Sache mit Clement ist erledigt. Der wird uns nicht mehr schaden können.“
„Gut.“
„Was machen wir jetzt mit diesem FBI-Agenten?“
„Trevellian, nicht wahr?“
„Ja. Soll ich veranlassen, dass er aus dem Feld geräumt wird? Man könnte das so arrangieren, dass es wie ein Unfall aussieht. Ich habe schon mit jemandem in Cleveland gesprochen, der das übernehmen würde.“
„Und ich habe mir die Wetten angesehen. Ich will, dass er erst mal bleibt.“
„Wie bitte?“
„Er kann maximal das wissen, was Clement wusste – und das ist nichts, was uns wirklich gefährlich werden könnte.“
„Er wollte die Teilnehmerliste übergeben!“, ereiferte sich Ray.
„Und wenn schon, dazu ist es doch nicht mehr gekommen, oder?“
„Nein.“