Thriller Quartett 4146 - Alfred Bekker - E-Book

Thriller Quartett 4146 E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Krimis: (499) Trevellian und die Blutnacht von Brooklyn (Pete Hackett) Trevellian und die tödlichen Blüten (Pete Hackett) Ein Köder für den Maulwurf (Thomas West) Road Killer (Alfred Bekker) Im FBI-Hauptquartier in Washington sitzt ein Maulwurf! Durch seinen Verrat werden mehrere Agenten des CIA im Irak enttarnt und ermordet. Um den Verräter zu entlarven, wirft der FBI-Direktor seiner Spionageabwehrabteilung einen Köder hin: Angeblich soll ein irakischer Geheimagent von den USA als Doppelagent angeworben worden sein, um zwei in Bagdad untergetauchten CIA-Agenten zur Flucht zu verhelfen. Gleichzeitig sollen Agenten des FBI-Districts New York verdeckte Observierungen von vier potenziellen Verdächtigen vornehmen. Derweil soll Special Agent Orry Medina im Irak nach den beiden vermissten CIA-Agenten suchen und Jesse Trevellian deren Flucht über die Grenze nach Saudi-Arabien sichern – ein lebensgefährlicher Auftrag, zumal niemand weiß, wer der Verräter ist ...

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Alfred Bekker, Thomas West, Pete Hackett

Thriller Quartett 4146

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Inhaltsverzeichnis

Thriller Quartett 4146

Copyright

​Trevellian und die Blutnacht von Brooklyn

Trevellian und die tödlichen Blüten

​Ein Köder für den Maulwurf

​Road Killer

Thriller Quartett 4146

von Alfred Bekker, Thomas West, Pete Hackett

Dieser Band enthält folgende Krimis:

Trevellian und die Blutnacht von Brooklyn (Pete Hackett)

Trevellian und die tödlichen Blüten (Pete Hackett)

Ein Köder für den Maulwurf (Thomas West)

Road Killer (Alfred Bekker)

Im FBI-Hauptquartier in Washington sitzt ein Maulwurf! Durch seinen Verrat werden mehrere Agenten des CIA im Irak enttarnt und ermordet. Um den Verräter zu entlarven, wirft der FBI-Direktor seiner Spionageabwehrabteilung einen Köder hin: Angeblich soll ein irakischer Geheimagent von den USA als Doppelagent angeworben worden sein, um zwei in Bagdad untergetauchten CIA-Agenten zur Flucht zu verhelfen. Gleichzeitig sollen Agenten des FBI-Districts New York verdeckte Observierungen von vier potenziellen Verdächtigen vornehmen. Derweil soll Special Agent Orry Medina im Irak nach den beiden vermissten CIA-Agenten suchen und Jesse Trevellian deren Flucht über die Grenze nach Saudi-Arabien sichern – ein lebensgefährlicher Auftrag, zumal niemand weiß, wer der Verräter ist ...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Bathranor Books, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

© dieser Ausgabe 2024 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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​Trevellian und die Blutnacht von Brooklyn

Pete Hackett

Trevellian und die Blutnacht von Brooklyn

Krimi von Pete Hackett
Der Umfang dieses Buchs entspricht 122 Taschenbuchseiten.
Eine Party, veranstaltet von zwei eigentlich verfeindeten Verbrechern, endet in einem Blutbad. 25 Menschen sterben. Gibt es einen unbekannten Konkurrenten, der die Bezirke übernehmen will? Die FBI-Agenten Trevellian und Tucker suchen Täter und Motiv, aber die Mörder verwischen ihre Spuren zu gut.
Copyright
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alles rund um Belletristik!
1
Die Party hatte ihren Höhepunkt erreicht. Die Stimmung war ausgelassen. Die Bosse verstanden es, zu feiern. Wie alle Jahre bekräftigen sie mit dem Fest den Waffenstillstand, den sie vereinbart hatten.
Der Alkohol floss in Strömen. Gelächter, Grölen und Johlen erfüllte die Disco in Brooklyn, die Joshua Hollister und Mathew Holbrock extra für diesen Abend angemietet hatten. Die beiden Mafiosi saßen an einem Tisch, umgeben von ihren Leibwächtern.
Es ging auf Mitternacht zu, als die Tür aufflog. Maskierte drängten in den Gastraum. Sie hielten Maschinenpistolen in den Fäusten. Ehe jemand so richtig begriff, begannen die Maschinenpistolen zu hämmern. Mündungslichter flackerten. Menschen wurden herumgerissen und geschüttelt und brachen tot oder sterbend zusammen.
Ich hörte von dem Überfall in den Morgennachrichten. Der Nachrichtensprecher bezifferte die Zahl der Getöteten auf fünfundzwanzig. Eine ganze Reihe von Partygästen waren verletzt worden. Die Mörder waren nach der blutigen Aktion spurlos verschwunden.
Ich holte Milo an unserer Ecke ab. Nachdem er zugestiegen war und wir uns begrüßt hatten, sagte ich: »Ich denke, wir haben einen neuen Fall, Kollege.«
»Sag bloß.«
Ich nickte, dann erzählte ich Milo, was ich aus den Nachrichten wusste. Er pfiff zwischen den Zähnen. »Das schlägt auf den nüchternen Magen. Lieber Himmel, fünfundzwanzig Tote. Was mag der Grund für diesen Überfall gewesen sein?«
»Ich weiß es nicht, doch wir werden uns informieren. Vielleicht gibt es schon nähere Erkenntnisse.«
Von nun an schwiegen wir. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Der morgendliche Verkehr war wieder einmal extrem. Stop and go. Immer wieder glühten die Bremslichter des vor uns fahrenden Wagens auf. Bremsen, anfahren, bremsen … Es brachte die Nerven zum Schwingen, aber ich zwang mich wie jeden Tag, gelassen zu bleiben. Man musste es einfach akzeptieren.
Irgendwann erreicht man auch in Manhattan sein Ziel. Von der Federal Plaza aus lenkte ich den Sportwagen in die Tiefgarage des Bundesgebäudes. Dann fuhren wir mit dem Aufzug hinauf in den dreiundzwanzigsten Stock. Als wir unser Büro betraten, läutete schon das Telefon.
Ich schnappte mir den Hörer, hob ihn vor mein Gesicht und nannte meinen Namen. Es war Mr. McKee. »Guten Morgen, Jesse. Kommen Sie und Milo doch bitte gleich zu mir.«
»In Ordnung.« Ich legte auf. »Zum Chef.« Mein Zeigefinger stach, während ich das sagte, in Richtung der Tür.
Wenig später betraten wir das Büro des Assistant Directors. Er kam um seinen Schreibtisch herum und begrüßte uns per Handschlag, dann forderte er uns auf, am Besprechungstisch Platz zu nehmen. Als wir saßen, ergriff er sogleich das Wort, indem er sagte: »Ich denke, Sie haben es bereits in den Nachrichten gehört. Gegen Mitternacht gab es einen Massenmord in einer Diskothek in Brooklyn. Fünfundzwanzig Menschen wurden getötet, unter ihnen Joshua Hollister.«
Milo kniff die Augen zusammen.
»Joshua Hollister!«, stieß ich hervor. »Der Joshua Hollister?«
Mr. McKee nickte. »Ja, der Mafioso. Auch Mathew Holbrock war anwesend. Er erlitt einen Oberarmdurchschuss.«
»Damit stellt sich die Angelegenheit in einem völlig neuen Licht dar«, erklärte Milo.
»Was meinst du?«, fragte ich.
»Nun, wenn es jemand auf die beiden Bosse abgesehen hat, muss das jemand sein, der ins Geschäft drängt. Hollister kontrollierte das Gebiet nördlich der siebenundfünfzigste Straße, Holbrock hat sich das Gebiet südlich der siebenundfünfzigsten unter den Nagel gerissen. Wir alle wissen, was Sache ist. Leider ist es uns bisher nicht gelungen, den beiden Schurken etwas am Zeug zu flicken.«
»Sie denken an einen Bandenkrieg, Milo?«, fragte der Assistant Director und fixierte meinen Partner.
»Es ist nicht auszuschließen«, knurrte Milo.
Der Chef spitzte die Lippen. »Kümmern Sie sich um die Angelegenheit. Nehmen Sie mit der Mordkommission Verbindung auf. Das Schlimmste, das uns passieren könnte, wäre ein Bandenkrieg. Versuchen Sie, das Übel an der Wurzel zu packen und im Keim zu ersticken.«
»Wir werden unser Möglichstes tun, Sir«, versprach ich.
»Ich weiß. Bei Ihnen ist der Fall in den besten Händen.«
Wir waren entlassen. Zurück in unserem Büro rief ich das Police Department an und hatte wenig später Detective Lieutenant Harry Easton, genannt Cleary, von der Mordkommission an der Strippe. Ich sprach ihn auf die Ereignisse in der Nacht an.
Harry seufzte, dann sagte er: »Entsprechend der Zeugenaussagen handelte es sich um ein halbes Dutzend Maskierter. Sie drangen in die Disco ein und eröffneten ohne jede Warnung das Feuer. Ebenso schnell, wie sie aufgetaucht waren, verschwanden sie wieder. Wie es aussieht, hinterließen sie keine Spuren. Wir nehmen an, dass jemand versucht, Hollister und Holbrock aus dem Geschäft zu schießen, um deren Reviere zu übernehmen. Im Moment haben wir jedoch keine Ahnung, wo wir ansetzen sollen.«
»Das FBI übernimmt den Fall«, sagte ich. »Darum bitte ich dich, Harry, uns die Ergebnisse der Spurensicherung zuzuleiten.«
»Die erste gute Nachricht an diesem Tag«, gab Harry Easton brummig zu verstehen. »Ich muss allerdings zugeben, dass ihr nicht zu beneiden seid.«
»Wenigstens einer, der Mitleid mit uns hat«, sagte Milo, der via Lautsprecher hören konnte, was Cleary sprach.
Harry Easton lachte, dann sagte er mir die Unterstützung des Police Departments zu und verabschiedete sich.
Ich fuhr meinen Computer hoch, loggte mich ein und klickte schließlich das Zentralarchiv her. Wenig später hatte ich die Akte von Joshua Hollister auf dem Bildschirm. Gegen den Mafioso war des Öfteren ermittelt worden. Alle Verfahren wurden eingestellt. Mangel an Beweisen. Potentielle Zeugen waren umgekippt, Aussagen wurden widerrufen.
Hollister war fünfundvierzig Jahre alt geworden. Seine Anschrift lautete 1063, Broadway. Er war verheiratet mit Lana, geborene Mallory. Hollister hatte einen Sohn, achtzehn Jahre alt, sowie eine Tochter von fünfzehn Jahren.
Ich gab den Namen Mathew Holbrock in den Suchlauf. Auch dieser Gangster war registriert. Es war ähnlich wie bei Hollister. Auch Holbrock hatte seinen Kopf bisher erfolgreich aus der Schlinge ziehen können. Er war neunundvierzig. Sein Bild verriet, dass er zu Übergewicht neigte. Auch Holbrock war verheiratet, und er hatte einen siebzehnjährigen Sohn. Er wohnte in Clinton, 52nd Street, Nummer 248.
Mein Computer meldete, dass eine E-Mail eingetroffen war. Ich öffnete mein elektronisches Postfach und sah, dass Absender der Nachricht Harry Easton war. Bei dem Anhang, der der Mail beigefügt war, handelte es sich um eine Liste der Augenzeugen des Verbrechens der vergangenen Nacht. Ich druckte sie aus. Es handelte sich um mehr als hundert Namen. Es waren auch einige Vernehmungsprotokolle angehängt. Ich überflog sie. Die Aussagen waren identisch. Ein Schluss auf die Mörder war nicht möglich.
»Sprechen wir mit Hollisters Frau«, sagte ich. »Und dann sollten wir uns Holbrock vorknöpfen. Der Anschlag galt Hollister und Holbrock. Das ist Fakt. Vielleicht wurden sie bedroht. Hören wir uns an, was Mistress Hollister und Mathew Holbrock zu sagen haben.«
Wir verloren keine Zeit. Wenig später bewegten wir uns auf dem Broadway nach Norden. In der 87th Street fand ich einen Parkplatz. Wir mussten ein Stück laufen. Die Wohnung Hollisters lag in der siebzehnten Etage. Der Aufzug trug uns nach oben.
Eine Frau mit rot gefärbten Haaren öffnete uns. Ihre Augen waren gerötet und verquollen vom Weinen. Fragend schaute sie uns an. Ich übernahm es, uns vorzustellen. Lana Hollister bat uns in die Wohnung. Wir betraten das riesige Wohnzimmer. Es war luxuriös eingerichtet.
Als wir saßen, ergriff die Frau das Wort: »Es war schrecklich. Plötzlich waren die Maskierten da, und dann begannen auch schon die Waffen zu krachen. Es dauerte etwa eine Minute, dann verschwanden sie wieder. Mein Mann verblutete in meinen Armen.«
Ihre Gefühle drohten sie einen Augenblick lang zu übermannen. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie schniefte.
»Wurde Ihr Mann bedroht?«, fragte Milo.
»Er besaß einige Bars und Clubs«, erwiderte Lana Hollister und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. »Das Geschäft ist hart, es wird einem nichts geschenkt.« Sie machte eine kleine Pause, dann sprach sie weiter: »Wenn Josh bedroht wurde, dann sprach er mit mir nicht darüber.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass er bedroht wurde. Josh war ein angesehener Mann, der viele Freunde in Politik und Wirtschaft besaß. Er hat niemandem etwas zu Leide getan.«
Milo und ich wechselten einen vielsagenden Blick. Wusste sie wirklich nicht, womit ihr Mann seinen Lebensunterhalt verdiente? Ich bezweifelte es und war der Meinung, dass sie uns etwas vorspielte.
»Wie war sein Verhältnis zu Mathew Holbrock?«
»Die beiden kannten sich. Auch Holbrock besitzt einige Etablissements.«
»Standen Ihr Mann und Holbrock in Konkurrenz zueinander?«, wollte Milo wissen.
»Nein, nicht, dass ich wüsste. Es gibt tausende von Bars und Clubs in New York.«
War sie wirklich so unbedarft? Wir stellten ihr noch einige Fragen, die sie uns zwar beantwortete, was uns in der Sache allerdings nicht weiterhalf. Nach einer Viertelstunde verabschiedeten wir uns. Wir wussten jetzt unter anderem, dass Ausrichter der Party Hollister und Holbrock gewesen waren. Eine Antwort auf die Frage, was die beiden veranlasst hatte, gemeinsam eine Party auszurichten, erhielten wir nicht.
»Was hältst du von ihr?«, fragte Milo, als wir im Sportwagen saßen und in Richtung 52nd fuhren.
Ich hob die Schultern. »Schwer zu sagen. Ich denke, sie weiß genau, auf welche Art und Weise ihr Mann seine Brötchen verdiente.«
»Ganz meine Meinung«, stieß Milo grimmig hervor.
2
Mathew Holbrock sah bleich aus. Seine Augen lagen in dunklen Höhlen. Ob sein schlechtes Aussehen auf sein Erlebnis in der Nacht zurückzuführen war, konnte ich nicht beurteilen, aber ich vermutete es. Er neigte tatsächlich zu Übergewicht. Schätzungsweise wog er zwanzig Pfund zu viel. Seine Haare begannen sich grau zu verfärben. Über der Stirn waren sie schon ausgesprochen licht.
Wir saßen ihm in seinem Wohnzimmer gegenüber. Einen Drink, den er uns angeboten hatte, hatten wir dankend abgelehnt. Neben ihm saß seine Frau, eine attraktive, dunkelhaarige Lady Anfang der vierzig.
Holbrock hatte uns vom Ablauf der Blutnacht berichtet. In seinem Gesicht zuckten die Muskeln. Manchmal brach seine Stimme, wenn ihn die Erinnerung überwältigte. Er griff sich an die Stirn. »Ich weiß nicht, wer diesen Überfall initiierte«, murmelte er schließlich. »Er ist jedenfalls an Brutalität kaum zu überbieten.«
»Sie wurden verwundet«, sagte ich.
Er nickte und winkte ab. »Ja, am Arm. Ein glatter Durchschuss. Kaum der Rede wert.«
»Gegen Sie wurde schon des Öfteren ermittelt«, kam es von Milo. »Bandenkriminalität, Drogenhandel, Schutzgelderpressung …«
Holbrocks Miene verschloss sich. Seine Brauen schoben sich zusammen, über seiner Nasenwurzel bildeten sich zwei senkrechte Falten. »Was wollen Sie?«, grollte er.
»War nur ‘ne Feststellung«, antwortete Milo. »Was war der Grund für die Party?«
Holbrock schien von der Frage etwas überrumpelt worden zu sein. Düster starrte er meinen Freund an, es schien, als musste er die Antwort erst im Kopf formulieren. Dann dehnte er: »Bedarf es, um eine Party zu feiern, eines Grundes?«
»Wenn sich zwei Männer wie Sie und Hollister zusammenschließen und ein Fest feiern«, sagte ich, »dann geschieht das nicht grundlos.«
»Hat diese Frage etwas mit der Klärung des Verbrechens zu tun?«
»Ich denke schon.«
Milo mischte sich ein, indem er sagte: »Machen wir uns doch nichts vor, Holbrock. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Sie der große Mann südlich der siebenundfünfzigsten sind. In diesem Terrain geschieht nichts ohne Ihren Willen. Sie kontrollieren den Drogenhandel, die Schutzgelderpressung und die illegale Prostitution. Dieselbe Stellung hielt Hollister nördlich der siebenundfünfzigsten inne. Haben Sie mit der Party irgendeinen Pakt bekräftigt? Dass Sie und Hollister Freunde waren, ist nämlich kaum vorstellbar. Also gehen wir davon aus, dass geschäftliche Interessen ausschlaggebend waren.«
Holbrock war regelrecht zurückgeprallt. In seinem Gesicht arbeitete es krampfhaft. »Das wagen Sie mir ins Gesicht zu sagen, Special Agent!«, schnappte er, als er Milos Worte verarbeitet hatte. »Jetzt fehlt nur noch, dass Sie behaupten, ich hätte den Überfall in Szene gesetzt.«
»Immerhin ist Hollister, Ihr Konkurrent, bei dem Anschlag ums Leben gekommen«, erwiderte Milo unbeeindruckt.
»Was für eine Unterstellung«, keuchte Holbrock. Er holte tief Luft. »Mein Leben war ebenfalls auf das Höchste gefährdet. Im Übrigen ist es eine Unverschämtheit, was Sie mir an den Kopf werfen. Ich bin ein allseits geachteter Mann. Ich – ich werde mich über Sie beschweren.«
»Das bleibt Ihnen unbenommen«, entgegnete Milo ungerührt. »Jedenfalls wissen Sie jetzt, wie wir über Sie denken.«
Zorn wütete in Holbrocks Augen. Sie irrlichterten geradezu. Er schürzte die Lippen. »Ihre Anschuldigungen sind aus der Luft gegriffen. Sämtliche Verfahren gegen mich wurden eingestellt …«
»Aus Mangel an Beweisen«, so unterbrach Milo den Mafioso. »Zeugen haben ihre Aussagen widerrufen. Sie wurden in keinem einzigen Verfahren wegen erwiesener Unschuld freigesprochen, Holbrock. Das lässt einen bitteren Beigeschmack zurück.«
Mit einem Ruck erhob sich der Gangster. »Verlassen Sie meine Wohnung. Mit Ihnen verkehre ich nur noch über meinen Anwalt.«
Auch ich erhob mich, neben mir wuchs Milos Gestalt in die Höhe. »Sicher«, sagte ich, »hier sind Sie Herr im Ring und Sie können uns aus der Wohnung werfen. Doch wir sind noch nicht fertig mit der Vernehmung. Ich bitte Sie daher, morgen Vormittag um zehn Uhr ins Field Office zu kommen, damit wir fortfahren können. Das ist eine offizielle Vorladung, Holbrock. Wenn Sie nicht kommen, kann ich Sie vorführen lassen.«
Seine Zähne mahlten übereinander. Gehässig starrte er mich an. Dann knirschte er: »Na schön, Sie sitzen am längeren Hebel. Setzen Sie sich wieder und stellen Sie Ihre Fragen. Dass ich mich über Sie beide beschwere, dürfte Ihnen aber klar sein.«
»Tun Sie sich keinen Zwang an«, versetzte ich. Ich setzte mich wieder. »Wurden Sie bedroht?«
Auch Milo und der Gangster ließen sich wieder nieder. Holbrock schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Haben Sie einen Feind, der es auf Ihr Leben abgesehen haben könnte?«
Holbrock strich sich mit Daumen und Zeigefinger über das Kinn. »Nein.« Seine Antworten waren jetzt ausgesprochen einsilbig. Milo schien einen wunden Punkt bei ihm berührt zu haben.
»In welchem Verhältnis standen Sie und Hollister zueinander?«
»Wir kannten und respektierten uns.«
»Ist das alles?«
»Ja.«
»Zu wenig, um gemeinsam ein rauschendes Fest auszurichten«, wandte Milo ein.
Holbrock schoss meinem Kollegen einen bösen Blick zu. »Man kann unser Verhältnis untereinander als freundschaftlich bezeichnen.«
»Und Sie haben nicht den Hauch einer Ahnung, wer hinter dem Anschlag stecken könnte?«
»Nicht den leisesten.«
»Sprach Hollister mit Ihnen darüber, dass er gegebenenfalls bedroht wurde.«
»Wenn es so wäre, hätte er es mir sicher nicht vorenthalten.«
Ich schaute Milo von der Seite an. »Hast du noch Fragen?«
Milo verzog grimmig den Mund. »Ja, eine Frage habe ich noch.« Sein Blick verkrallte sich an Holbrocks Gesicht. »Werden Sie nach Hollisters Tod das Gebiet nördlich der siebenundfünfzigsten übernehmen, Holbrock?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen, Agent!«, schnappte der Gangster.
Milo grinste süffisant. Holbrock funkelte ihn wütend an. In mir entstand eine Frage. Wer würde nach Hollisters Tod dessen Geschäfte weiterführen? Seine Frau? Kaum anzunehmen. Sie hatte keine Chance, im Geschäft mit dem Verbrechen zu bestehen. Wenn doch, bedurfte es eines starken Mannes an ihrer Seite. Ich beschloss, eine Antwort auf die Frage zu finden.
Ich drückte mich hoch. »Das war es fürs Erste, Holbrock. Sollten uns noch irgendwelche Fragen einfallen, werden wir uns wieder an Sie wenden.«
Wir verließen die Wohnung. Milo sagte, als wir auf der Straße ankamen: »Ist dir aufgefallen, dass sich seine Frau ausgesprochen passiv verhalten hat?«
»Das hat sicher nichts zu bedeuten«, versetzte ich. »Sie lebt im Schatten ihres Mannes.«
»Was denkst du?«
Ich hob die Schultern, ließ sie wieder nach unten sacken und antwortete: »Der Überfall ist nicht auf Holbrocks Mist gewachsen. Den Aussagen nach haben die Mörder blindlings in die Menge gefeuert. Sie wollten ein Exempel statuieren. Wenn Holbrock seinen Konkurrenten ausschalten hätte wollen, hätte er sicher einen für ihn weniger gefährlichen Weg gewählt.«
Wir erreichten den Sportwagen und ich öffnete per Fernbedienung die Türen. Dann fuhr ich fort: »In mir ist eine andere Frage entstanden – die Frage, wer wohl an die Stelle von Hollister treten wird.«
»Das zu erfahren ist sicher von Interesse für uns. Wer kann uns die Frage beantworten?«
»Vielleicht Hollisters Ehefrau.«
»Ich rufe sie an«, erklärte Milo.
Als wir im Sportwagen saßen, fuhr er den Computer hoch, dann suchte er im elektronischen Telefonbuch die Nummer von Hollister heraus, und gleich darauf tippte er sie in das Handy der Freisprechanlage. Lana Hollister meldete sich. Milo sagte: »Special Agent Tucker, FBI. Entschuldigen Sie die Störung, Mistress Hollister. Aber es ist noch eine Frage entstanden.«
»Welche Frage?«
»Die Frage, wer nach dem Tod Ihres Mannes dessen Geschäfte führen wird.«
Sekundenlang herrschte Schweigen im Äther. Dann erklang es: »Der Geschäftsführer meines Mannes heißt Sanders – Broderick Sanders. Ich werde mich mit ihm kurzschließen müssen. Wenn ich ihm ein entsprechendes Angebot unterbreite, ist er sicher bereit, die Geschäfte für mich zu führen.«
»Wo wohnt Sanders?«
»Hundertzweiundneunzig East siebzigste Straße, achte Etage.«
»Danke.« Milo beendete das Gespräch. »Das heißt sicherlich, dass es sich bei Sanders um Hollisters rechte Hand handelt«, mutmaßte mein Kollege. »Wir sollten ihm ein wenig auf den Zahn fühlen.«
»Ja, das sollten wir«, pflichtete ich bei, dann lenkte ich den Sportwagen in den Ostteil Manhattans. Wir fuhren auf der Fifth Avenue ein Stück nach Norden und erreichten die 70th Street. Bei dem Gebäude, in dem Sanders wohnte, handelte es sich um ein Wohn- und Geschäftshaus. In der Halle saß hinter einer Rezeption ein Portier. Er musterte uns abschätzend, und als wir einfach zu einem der drei Aufzüge gingen, rief er: »Zu wem möchten Sie denn?«
»Zu Mister Sanders«, antwortete ich und wandte mich dem Mann zu.
»Soll ich Sie anmelden?«
»Nicht nötig.«
Die Tür des Aufzugs glitt fast lautlos auf. Milo und ich traten in die Kabine, dann schwebten wir nach oben. In der achten Etage gab es mehrere Wohnungen. Wir lasen die Namensschilder, und standen schließlich vor Sanders‘ Wohnungstür. Ich läutete. Der Klingelton war durch die geschlossene Tür zu hören. Gleich darauf wurde die Tür einen Spaltbreit geöffnet, der Teil eines weiblichen Gesichts wurde sichtbar, die andere Hälfte wurde von der Türfüllung verdeckt, die Lady fragte: »Was wünschen Sie?«
»Wir sind die Agents Tucker und Trevellian vom FBI«, erklärte ich und zeigte ihr meine ID-Card. »Ist Mister Sanders zu Hause?«
»Wer ist draußen?«, erklang es in der Wohnung. Es war eine männliche Stimme.
»Zwei FBI-Agents!«, rief die Frau über die Schulter, dann öffnete sie die Tür. »Bitte, treten Sie ein. Sie kommen sicher wegen des Überfalls in der Nacht.«
Sie war nur mit einem Morgenmantel bekleidet. Obwohl sie nicht geschminkt war, ging von ihr etwas aus, dem sich kaum ein Mann verschließen konnte. Es war eine natürliche Attraktivität, über die nur wenige Frauen verfügten. Ich nickte ihr zu, sie lächelte etwas starr. Wahrscheinlich war auch sie in der Nacht dabei gewesen und stand noch im Banne der Geschehnisse.
Broderick Sanders saß am Wohnzimmertisch. Auf dem Tisch standen zwei Kaffeetassen. Sanders rauchte. Auch er war nur mit einem Morgenmantel bekleidet.
Ich stellte uns vor.
3
»Wir kamen gar nicht richtig zum Denken«, berichtete Sanders. Seine Mundwinkel zuckten. Die Erinnerung holte ihn ein. »Plötzlich waren diese Kerle da, und sie eröffneten sofort das Feuer. Panik brach aus. Die Todesschreie gellen mir jetzt noch in den Ohren. Es war das reinste Massaker.«
»Wir haben mit Mistress Hollister und Mathew Holbrock gesprochen«, sagte ich. »Wie kamen Hollister und Holbrock dazu, gemeinsam eine Party zu geben?«
»Es handelte sich um eine Art Betriebsfest«, antwortete Sanders. »Vor drei Jahren fand die erste Feier dieser Art stand. Josh und Holbrock haben damals beschlossen, die Party alljährlich gemeinsam zu veranstalten. Den Grund hierfür habe ich nie hinterfragt, denn er war meines Erachtens uninteressant.«
Er log. Dessen war ich mir sicher. Er hatte sicher einen Grund, uns die Wahrheit zu verschweigen. Milos Worte kamen mir in den Sinn. Haben Sie mit der Party irgendeinen Pakt bekräftigt? Dass Sie und Hollister Freunde waren, ist nämlich kaum vorstellbar … Hatte mein Partner damit den Nagel auf den Kopf getroffen?
»Werden Sie Hollisters Geschäfte weiterführen?«, erkundigte sich Milo und meine Gedanken wurden unterbrochen.
»Das muss Lana entscheiden«, gab Sanders zu verstehen. »Sie dürfte die Alleinerbin von Josh sein. Was sie vorhat, weiß ich nicht.«
»Sie will mit einem entsprechenden Angebot an Sie herantreten.«
»Dann werde ich wohl zusagen. An der Art meiner Tätigkeit wird sich nicht viel ändern. Die Geschäfte habe ich auch schon unter Josh geführt. Künftig werde ich dann eben Lana Rechenschaft schuldig sein.«
»War sie in die Geschäfte ihres Mannes involviert?«, fragte Milo.
Sanders fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. »Sie war nur Ehefrau«, murmelte er dann. »Aber ich bin es Josh schuldig, ihr Loyalität zu erweisen. Ohne meine Erfahrung ist sie aufgeschmissen.«
»Das heißt, Sie werden in die Fußstapfen von Hollister treten«, konstatierte ich. Dabei beobachtete ich Sanders‘ Reaktion. Mir blieb kein Muskelzucken in seinem Gesicht verborgen.
Sanders lehnte sich zurück. »Wenn Sie meinen, dass ich weiterhin die Geschäfte führen werde, dann haben Sie recht.«
Milo stieß scharf die Luft durch die Nase aus, sagte aber nichts. Ich ahnte, was meinem Kollegen auf der Zunge brannte. Ich schoss Milo einen warnenden Blick zu. Er presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen.
Sanders musterte mich herausfordernd.
»Werden Sie weiterhin das gute Verhältnis zu Holbrock pflegen?«, fragte ich.
»Ich kenne Holbrock kaum. Er gehörte zum persönlichen Bekanntenkreis von Josh.«
»Also nicht«, sagte ich. »Es wird also keine gemeinsamen Partys mehr geben.«
»Worauf wollen Sie hinaus, Agent?«
Jetzt platzte Milo der Kragen. Er stieß hervor: »Wir wissen Bescheid, Sanders. Hollister und Holbrock veranstalteten nicht von ungefähr eine gemeinsame Fete. Nun werden Sie an Hollisters Stelle treten. Was haben Sie vor? Wollen Sie den Frieden mit Holbrock wahren, oder werden Sie versuchen, in sein Revier einzudringen? In diesem Fall dürfte es mit Eintracht und Frieden in Manhattan vorbei sein.«
»Sie sprechen in Rätseln, Agent!«, schnarrte Sanders.
»Sie wissen genau, wovon ich spreche«, konterte Milo. Er lehnte sich wieder einmal weit aus dem Fenster. Aber es schadete nichts, wenn er keinen Zweifel darüber offen ließ, dass wir nicht von gestern waren. Vielleicht gelang es uns, Sanders aus der Reserve zu locken.
Ich machte mir meine Gedanken. Unter Umständen hatte Sanders sogar ein Motiv für den Mord an Hollister. Vielleicht hatte er es satt, die zweite Geige zu spielen. Die Party bot eine gute Gelegenheit, Hollister aus dem Weg zu schaffen. Und nicht nur Hollister. Auch Holbrock konnte sich als Stolperstein auf dem Weg an die Spitze erweisen. Vielleicht wollte sich derjenige, der Hollister aus dem Wege räumte, nicht mit der Hälfte begnügen. Möglicherweise wollte er alles.
So gesehen wäre der Überfall in der Nacht nur ein halber Erfolg gewesen, weil Holbrock mit dem Leben davongekommen war.
Als wir im Sportwagen nach Süden fuhren, ließ ich Milo an meinen Gedankengängen teilhaben. Er sagte: »Also steht Sanders im Moment zuoberst auf unserer Liste der Verdächtigen.«
»Wir werden ihn im Auge behalten«, erklärte ich. »Dass er ein Motiv hatte, ist wohl nicht von der Hand zu weisen.«
Zurück im Field Office meldeten wir uns bei Mr. McKee an. Er nahm sich sofort Zeit für uns. Wir erstatteten ihm Bericht, ich endete mit den Worten: »Sanders wird an die Stelle von Hollister treten. Bisher herrschte zwischen den Mafias Frieden. Ob Sanders diesen Frieden beibehält, ist fraglich. Wir werden jedenfalls am Ball bleiben.«
»Tun Sie das, Agents.« Der Chef räuspert sich. »Ich glaube, Ihr Verdacht ist nicht unbegründet. Vielleicht sollten Sie auch V-Leute einsetzen, die sich ein wenig in der Unterwelt umhören. Sicher verfolgt man auch dort die Entwicklung mit gespanntem Interesse.«
»Eine gute Idee«, sagte ich.
Milo nickte beipflichtend. »Hank wäre der richtige Mann«, sagte er. Er sprach von Hank Hogan, einem unserer besten V-Männer, der sich in der Zwischenzeit jedoch als Detektiv selbständig gemacht hatte. Von unserem Büro aus rief ich Hank an.
Nachdem ich meinen Namen genannt hatte, fragte er: »Wo brennt es diesmal, Jesse? Es brennt doch irgendwo, und zwar lichterloh. Andernfalls würdest du mich nicht anrufen.«
»Ja«, sagte ich, »es brennt.« Und dann erklärte ich Hank, was Sache war.
Nachdem ich meinen Bericht abgeschlossen hatte, sagte Hank: »Ich hab in den Nachrichten von dem Massaker in Brooklyn gehört und dachte mir schon, dass das FBI den Fall übernimmt. In Ordnung, Jesse. Ich werde mich ein wenig umhören. Wenn ich was in Erfahrung bringe, rufe ich dich an.«
»Sei dir unseres Dankes gewiss, Hank.«
Hank Hogan lachte. »Irgendwann wird mir das FBI ein Denkmal setzen.«
Auch ich lachte, dann beendeten wir das Gespräch. Ich heftete den Blick auf Milo. »Holbrock scheidet als Initiator aus. Sanders kommt in Frage, wenn man davon ausgeht, dass er vielleicht eine eigene Karriere als Mafiaboss starten will. Genauso gut ist es aber möglich, dass eine Unbekannte im Spiel ist.«
»Wir werden die Entwicklung abwarten müssen, Kollege«, meinte Milo. »Das bedeutet, wir müssen demjenigen – wer es auch immer ist, der dahintersteckt – den nächsten Zug überlassen. Wenn Sanders die Regie in dieser Inszenierung führt, wird er als nächstes auf Holbrock losgehen. Wenn nicht, steht auch er möglicherweise auf der Abschussliste.«
»Warum dieses spektakuläre Vorgehen?«, sinnierte ich. »Um Hollister zu beseitigen, bedurfte es keines Massenmordes.«
»Man wollte Angst und Schrecken verbreiten«, murmelte Milo. »Derjenige, der das Massaker veranlasste, wollte klar machen, dass er sein Ziel mit Nachdruck und rücksichtslos verfolgt.«
»Oder er wollte von sich ablenken.« Milo schaute mich fragend an. »War nur ein Gedanke«, erklärte ich.
»Der nicht von der Hand zu weisen ist«, murmelte Milo. Er zuckte mit den Schultern. »Es bringt uns nicht weiter, irgendwelche Vermutungen anzustellen. Wir können nur versuchen, Mosaikstein für Mosaikstein zusammenzutragen und zusammenzusetzen, bis sich vielleicht eine brauchbare Spur ergibt.«
»Unser Mann wird nicht ruhen«, sagte ich. »Er wird sich durch irgendwelche Aktivitäten verraten.«
»Dein Wort in Gottes Ohr, Jesse.«
4
Holbrock telefonierte. Er sagte in die Sprechmuschel des Hörers: »Ich habe mit Lana gesprochen. Sie will Ihnen die Führung der Geschäfte übertragen, Sanders. Ihnen ist klar, dass wir einen gemeinsamen Gegner haben. Und ich hoffe, Sie sind bereit, den Waffenstillstand, den Hollister und ich vor drei Jahren vereinbart haben, aufrechtzuerhalten.«
»Das ist doch keine Frage, Holbrock«, erwiderte Sanders. Dann sagte er: »Bei mir waren Trevellian und Tucker vom FBI. Vor allem Tucker machte Andeutungen, als wüssten die Feds Bescheid. Wir werden sehr vorsichtig sein müssen.«
»Bei mir waren sie auch. Und auch bei mir nahm Tucker kein Blatt vor den Mund. Sei‘s drum. Es fehlt ihnen an Beweisen. Schon an der Frage, was der Grund für die Party war, scheiterten sie. Ich glaube auch gar nicht, dass es denen darum geht, einem von uns was am Zeug zu flicken. Es geht darum, dem Kerl die Maske vom Gesicht zu reißen, der für den Massenmord verantwortlich ist.«
»Wer, glauben Sie, Holbrock, steckt dahinter?«
»Jemand drängt ins Geschäft. Nur so ist der Anschlag zu erklären. Ich hatte Glück, dass ich mit dem Leben davonkam. Weil ich damit rechnen muss, dass man mir weiterhin nach dem Leben trachtet, habe ich entsprechende Maßnahmen ergriffen. Zwei meiner Leibwächter weichen mir nicht mehr von der Seite. Außerdem werde ich – so gut es geht – in der nächsten Zeit die Öffentlichkeit meiden. Wir haben es mit einem Gegner zu tun, der vor nichts zurückschreckt. Um sein Ziel zu erreichen, geht er über Leichen. Das hat er bewiesen.«
»Ja, das hat er unter Beweis gestellt. Sicher kennt er auch meinen Namen, und er wird wissen, dass ich Joshuas Stellvertreter bin. Und er wird erfahren, dass ich Joshuas Part einnehmen werde. Ich denke, mein Leben ist ebenso gefährdet wie das Ihre, Holbrock. Aber auch ich werde entsprechende Maßnahmen ergreifen.«
»Das ist sehr ratsam, Sanders. Wir müssen in dieser Sache zusammenhalten. Versuchen wir, unserem Gegner zuvorzukommen.«
»Sie meinen …«
»Ja, wir müssen versuchen, herauszufinden, um wen es sich handelt. Und dann müssen wir ihn eliminieren. Wenn wir künftig unseren Geschäften in Frieden nachgehen wollen, müssen wir den Bastard ausschalten. Und das bedarf der uneingeschränkten Kooperation zwischen uns.«
»Ich bin dabei«, erklärte Sanders. »Wir bleiben in Verbindung und tauschen uns aus. Wäre doch gelacht, wenn wir nicht dahinter kämen, wer uns den Krieg erklärt hat.«
»Nur zusammen sind wir stark«, murmelte Holbrock.
5
Gregg Watson befand sich im »Ocean Club« in der 22nd Street. Es ging auf Mitternacht zu. Der Club war gut besucht. Watson saß allein an einem Tisch. Vor ihm stand eine Cola. Wenn er im Dienst war, trank der Dealer keinen Alkohol.
Zwei Männer näherten sich Watsons Tisch. Sie waren nicht älter als fünfundzwanzig. Einer trug einen Jeansanzug, der andere eine enge, schwarze Hose und eine braune Wildlederjacke. Watson blickte den beiden entgegen. Er witterte ein Geschäft.
Die beiden grinsten, als sie sich zu Watson an den Tisch setzten. Einer sagte: »Du bist uns empfohlen worden.«
»Worum geht es?«
»Was hast du anzubieten?«
»Ich verstehe nur Bahnhof.«
»Stell dich nicht so an, Watson. Wir wissen, dass du mit Drogen handelst. Keine Sorge, wir sind keine verdeckten Ermittler. Wir wollen kaufen. Also, was hast du zu bieten?«
»Ich habe euch noch nie hier gesehen.«
»Dann siehst du uns eben heute das erste Mal. Na und? Du willst doch ein Geschäft machen.«
»Na schön. Ich habe einige Portionen Heroin, Crack und etwas LSD. Was wollt ihr?«
»Alles.«
Watson schluckte. »Es ist Rauschgift im Wert von zehntausend Dollar.«
»Wir zahlen bar.«
»Ich habe das Zeug im Auto.« Noch einmal flackerte das Misstrauen in Gregg Watson hoch. »Ich will das Geld sehen.«
Der Bursche mit der Lederjacke holte ein Bündel Geldscheine aus der Innentasche der Jacke und hielt es Watson hin. »Das dürfte genügen.«
»Gehen wir hinaus.«
Die drei verließen den Club. Watson fuhr einen weißen Ford. Er setzte sich auf den Beifahrersitz und öffnete das Handschuhfach, nahm einen Plastikbeutel heraus und griff hinein. In dem Moment wurde er gepackt und aus dem Wagen gezerrt. Der Beutel wurde ihm aus der Hand gerissen.
»Was soll das?«, entfuhr es Watson. Er bekam einen brutalen Schlag mitten ins Gesicht. Sein Kopf wurde in den Nacken gerissen. Blut schoss aus seiner Nase. Sofort füllten sich seine Augen mit Tränen. Ein Aufschrei stieg aus seiner Kehle.
Eine Faust bohrte sich in seinen Magen. Er knickte in der Mitte ein. Der Schlag drückte ihm die Luft aus den Lungen. Ein dumpfer Ton entfuhr ihm. Ein brutaler Schwinger richtete ihn wieder auf. Er flog gegen sein Auto und rutschte daran zu Boden. Den Rest erledigten die beiden Schläger mit den Füßen. Erst als sich Gregg Watson nicht mehr rührte, ließen sie von ihm ab. Sie verschwanden. Die Drogen nahmen sie mit.
Gregg Watson lag benommen am Boden. Er trieb in der Halbwelt der Trance. In seinen Eingeweiden rumorte Übelkeit. Er röchelte und stöhnte, sein Atem ging stoßweise. Es gelang ihm schließlich, seine größte Not zu überwinden und sich aufzusetzen. Schmerzen pulsierten durch seinen Körper. Schwindelgefühl erfasste ihn, und einen Moment lang drohte er die Besinnung zu verlieren.
Mit zitternder Hand griff er in die Tasche und zog sein Handy heraus. Dann holte er eine Nummer aus dem elektronischen Telefonbuch auf das Display und stellte eine Verbindung her. Holbrock meldete sich.
6
Burt Callagher stand auf dem Gehsteig vor »Benny‘s Lounge«. Soeben hatte er drei Kerlen jeweils zwei Portionen Heroin verkauft. Sie entfernten sich. Sorgfältig faltete Callagher die Geldscheine zusammen und schob sie in die Tasche. Dann nahm er eine Schachtel Lucky Strike aus der Hemdtasche, schüttelte einen der Glimmstängel heraus und zündete ihn an. Tief inhalierte er den ersten Zug.
Er war zufrieden. Das Geschäft lief wie geschmiert. Er hatte fast alle Drogen verkauft. Holbrock konnte zufrieden sein.
Callagher schaute auf seine Armbanduhr. Die rote Leuchtschrift über der Tür der Kneipe produzierte genügend Licht, sodass er die Uhrzeit gut ablesen konnte. Es war 2.35 Uhr. Er nahm sich vor, noch bis 3 Uhr auszuharren, und dann den Nachhauseweg anzutreten.
In dem Moment bog ein Chevy in die Barrow Street ein. Langsam rollte er näher. Das Licht der Scheinwerfer huschte vor dem Wagen her über den Asphalt. Es sah aus, als suchte der Fahrer einen Parkplatz. Vielleicht ein neuer Kunde. Callagher strich sich mit den gespreizten Fingern seiner Linken durch die Haare. Die Rechte mit der Zigarette führte er zu seinem Mund.
Der Chevy befand sich jetzt auf einer Höhe mit dem Dealer. Plötzlich blitzte es auf. Zweimal, dreimal. Callagher verspürte einen Einschlag in die Brust. Detonationen waren nicht zu hören. Ein Schalldämpfer schluckte sie. Der Dealer spürte keinen Schmerz, nur eine grenzenlose Schwäche. Seine Beine gaben nach, er brach zusammen. Der Chevyfahrer gab Gas und jagte davon. Das Quietschen der durchdrehenden Reifen in den Ohren starb Burt Callagher.
7
Mathew Holbrock war wie vor den Kopf gestoßen. Zwei seiner Männer waren in der Nacht brutal zusammengeschlagen worden, Burt Callagher war tot. Einem vierten Mann war die Flucht gelungen. Der Mafioso lief erregt in seinem Wohnzimmer auf und ab. Seine Frau saß auf der Couch und beobachtete ihn. In zwei Sesseln saßen die Bodyguards des Gangsters.
»Wer will mich ruinieren?«, fragte er fast verzweifelt. »Wer hat es auf mich abgesehen? Das war sicher erst der Anfang. Man wird weiterhin Jagd auf meine Männer machen. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Burschen sich weigern, auf die Straße zu gehen und den Stoff an den Mann zu bringen.«
Jane Holbrock beobachtete ihren Mann und schwieg. Sie konnte seine Fragen nicht beantworten. Aber auch die beiden Leibwächter hüllten sich in Schweigen. Wahrscheinlich erwartete Holbrock auch gar keine Antwort. Er ging zum Telefon und tippte eine Nummer. Dreimal ertönte das Freizeichen, dann meldete sich eine Stimme: »Sanders!«
»Guten Morgen, Sanders«, brummte Holbrock. »Es gibt schlechte Neuigkeiten. In der Nacht wurden zwei meiner Männer brutal zusammengeschlagen und ihrer Drogen beraubt. Ein weiterer Mann wurde erschossen. Ein vierter, der ebenfalls überfallen wurde, konnte mit Mühe und Not entkommen.«
»Die Kacke ist also am Dampfen!«, stieß Sanders hervor.
»Das kann man wohl sagen!«, knirschte Holbrock. »Und das war sicher erst der Anfang. Wurden auch Ihre Leute attackiert?«
»Man hat mir nichts gemeldet.«
»Hölle, dann hat man es zunächst wohl auf mich abgesehen.«
»Das will nichts heißen«, erklärte Sanders. »Schon in der kommenden Nacht können einige von meinen Männern dran sein.«
»Sie haben recht, Sanders. Was können wir dagegen unternehmen?«
»Gar nichts. Die andere Seite bestimmt den Zeitpunkt und den Ort. Wir stehen dem machtlos gegenüber. Wie wollen wir unsere Leute schützen? Wir können es uns aber auch nicht leisten, sie für einige Zeit aus dem Verkehr zu ziehen. Der finanzielle Verlust wäre gravierend. Außerdem würden unsere Stammkunden abspringen und sich andere Quellen erschließen.«
»Aber wir können doch nicht zusehen, wie unsere Männer der Reihe nach fertig gemacht werden, Sanders.«
»Haben Sie eine Idee, Holbrock?«
»Nein, verdammt!«
»Sehen Sie? Wir können unsere Verkäufer nicht mit Geleitschutz versehen.«
»Wir lassen also zu, dass man uns fertig macht!«, keuchte Sanders. »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Sanders. Man fügt uns Schaden zu.«
Da läutete es an Holbrocks Wohnungstür. Holbrock sagte in das Telefon. »Ich sehe nicht tatenlos zu, wie man mir den Todesstoß zu versetzen versucht, Sanders. Wir bleiben in Verbindung. Sehen wir, was die kommende Nacht bringt.«
Holbrock legte das Telefon weg. Seine Frau war zur Tür gegangen und fragte, wer draußen sei.
»Detective Lieutenant Hanson vom Police Department«, erklang es.
Die Frau öffnete. Zwei Männer standen vor der Tür. Die beiden Leibwächter hatten sich erhoben und waren an die Wand zu beiden Seiten der Tür geglitten.
Hanson zeigte seinen Ausweis und sagt: »Das ist Sergeant Miles. Wir haben einige Fragen an Ihren Mann, Mistress.«
»Lass die Polizisten herein, Jane«, rief Holbrock grollend. Seine Bodyguards entspannten sich und nahmen die Hände unter den Jacken hervor, gingen zu den Sesseln und setzten sich.
»Bitte, Gentlemen«, sagte die Frau und trat zur Seite. Die beiden Polizisten betraten die Wohnung. Dick Hanson streifte die beiden Leibwächter mit einem schnellen Blick, dann schaute er Holbrock an und sagte: »Sie sind Mathew Holbrock, nicht wahr?«
Der Mafioso nickte. »Was führt Sie zu mir.«
»In der Nacht wurde vor Benny‘s Lounge in der Barrow Street ein Mann namens Burt Callagher erschossen.«
Ein Schatten schien über Holbrocks Gesicht zu laufen. »Warum kommen Sie damit zu mir?«
»Benny‘s Lounge gehört Ihnen, Mister Holbrock. Wir haben einige Gäste verhört. Einer berichtete uns, dass Callagher vor dem Laden Drogen verkaufte. Tatsächlich fand man bei Callagher auch einige Portionen Heroin, Kokain und Crack.«
»Weshalb erzählen Sie mir das?«, blaffte Holbrock.
»Der Verdacht liegt nahe, dass der Mann für Sie arbeitete, Mister Holbrock.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Ich sagte es bereits: Es ist nur ein Verdacht, der durch einige Aussagen untermauert wurde. Ein Insider meinte, dass Sie nicht dulden würden, dass irgendjemand über Monate hinweg in einem Ihrer Etablissements Drogen an den Mann bringt.«
»Haben Sie mit meinem Geschäftsführer gesprochen?«
»Er gibt zu, Callagher zu kennen, bestreitet aber, etwas von dessen Dealertätigkeit gewusst zu haben.«
»Na also.«
»Wir denken, dass der Mord an dem Dealer in einem engen Zusammenhang mit dem Massenmord in Brooklyn steht«, erklärte Dick Hanson.
»Haben Sie dafür auch nur den geringsten Beweis?«
»Es ist eine Annahme. – Wir haben mit Burt Callaghers Eltern gesprochen. Der Vater berichtete uns, dass sein Sohn keiner geregelten Arbeit nachging. Er erzählte uns aber auch, dass Burt selbst drogensüchtig war und mit Rauschgift handelte, um seinen eigenen Bedarf zu finanzieren. Wir erfuhren, dass Callagher für eine Drogenmafia tätig war. Wer hinter dieser Mafia steckt, konnte uns der Vater allerdings nicht sagen.«
»Haben Sie etwa mich im Verdacht?«
»Nun, er verkaufte die Drogen in einem Ihrer Läden.«
Holbrocks Linke fuhr durch die Luft. »Bleibt mir bloß mit irgendwelchen Spekulationen vom Hals. Ich bin Barbesitzer und handle nicht mit Drogen. Das habe ich euch verdammten Bullen in der Vergangenheit des Öfteren klarmachen können. Ihr werdet wohl nicht müde, zu versuchen, mir einen Strick zu drehen.«
»Warum beleidigen Sie uns?«, fragte Hanson gedehnt.
»Auf mich«, Holbrock tippte sich mit dem Daumen gegen die Brust, »wurde ein Mordanschlag verübt. Und ihr habt nichts anderes zu tun, als zu versuchen, mir etwas in die Schuhe zu schieben. Unterstellungen und Verleumdungen! Ich habe es satt, verdammt!«
»Beruhigen Sie sich«, sagte Hanson. »Es gab Hinweise, dass Callagher für Sie arbeitete, und wir sind den Hinweisen nachgegangen. Mehr nicht. Entschuldigen Sie die Störung.«
Hanson und Miles verließen die Wohnung.
Holbrocks Kiefer mahlten. Aus jedem Zug seines Gesichts sprach die immense Anspannung, unter der er stand. Er nahm wieder seine unruhige Wanderung auf. Eine tonnenschwere Last schien sich auf seine Schultern gelegt zu haben und sie nach unten zu drücken. Schließlich schnappte er sich erneut den Telefonhörer und rief Sanders an.
»Die Bullen waren eben da«, stieß er hervor, als sich Sanders meldete.
»Was wollten sie?«
»Sie vermuten, dass Callagher, der in der Nacht erschossen wurde, für mich arbeitete. Es soll einige entsprechende Aussagen gegeben haben.«
»Es wäre wohl ratsam, die Geschäfte für einige Zeit auf Eis zu legen«, sagte Sanders.
»Wieso dieser jähe Gesinnungswandel?«
»Man muss flexibel sein und sich der jeweiligen Situation anpassen.«
»Das wäre mit einem enormen Verlust verbunden«, gab Holbrock zu bedenken.
»Den müssen Sie in Kauf nehmen. Die Bullen lassen sich nicht einfach so abspeisen, wenn sie erst einmal Blut geleckt haben.«
»Gegen uns scheint sich Gott und die Welt verschworen zu haben!«, fauchte Holbrock, dann unterbrach er die Verbindung. Er überlegte kurz, dann stieß er hervor: »Sämtliche Männer sollen sich heute Abend um acht Uhr im Hinterzimmer des Ocean Clubs einfinden. Ich muss die Leute instruieren.«
8
Mein Telefon klingelte. Ich angelte mir den Hörer und meldete mich.
»Hier spricht Detective Lieutenant Dick Hanson vom Police Department. Sie ermitteln in der Mordsache von Brooklyn?«
»Sie haben es erfasst, Hanson.«
»Vergangene Nacht wurde vor Benny‘s Lounge in der Barrow Street ein Dealer erschossen. Wir vermuten, dass er für Holbrock arbeitete. Holbrock bestreitet es zwar – aber das muss er ja wohl, um unangenehmen Fragen aus dem Weg zu gehen.«
»Das ist interessant. Ermitteln Sie in der Mordsache, Hanson?«
»Ja. Holbrock wurde ziemlich ausfallend, als ich ihn zur Rede stellte. Mich mutete er an wie ein erschrecktes Huhn. Zwei Kerle befanden sich bei ihm, ich nehme an, Bodyguards.«
»Wie kommen Sie darauf, dass der Getötete für Holbrock arbeitete?«, fragte ich.
»Benny‘s Lounge ist eine von Holbrocks Kneipen. Einige Zeugen berichteten, dass Callagher – das ist der Mann, der ermordet wurde – in der Bar Drogen verkaufte. Er wurde von Holbrocks Geschäftsführer geduldet. Der Schluss liegt also nahe.«
»Gibt es Augenzeugen?«
»Nein. Wir haben nicht den geringsten Hinweis auf den oder die Mörder. Aber wir vermuten einen Zusammenhang mit dem Massaker in Brooklyn. Deshalb setze ich Sie von dem Mord in Kenntnis, Trevellian.«
»Senden Sie mir – sobald die Spurensicherung abgeschlossen ist – die Ergebnisse zu, Hanson. Wir werden uns umhören.«
Hanson sagte es zu und verabschiedete sich. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und sagte: »Hanson hat sicher nicht Unrecht, wenn er meint, dass ein Zusammenhang zwischen dem Massenmord in Brooklyn und der Ermordung des Dealers besteht.«
»Holbrock besitzt insgesamt fünf Etablissements«, sagte Milo. »Und es gibt in jeder dieser Kneipen schätzungsweise einen Mann, der Drogen an den Mann bringt. Wir sollten uns mal umsehen.«
»Der Abend ist also gerettet«, sagte ich sarkastisch.
»Ja. Wir machen einen Kneipenbummel. Ist doch sicher ‘ne Abwechslung.«
Ich rief bei Hank Hogan an. »Hast du schon etwas herausgefunden, Hank?«
»Ich habe in der Nacht verschiedene einschlägige Kneipen aufgesucht. Der Massenmord in Brooklyn ist Thema Nummer eins. In Erfahrung habe ich leider nichts gebracht, was einen Schluss auf die Mörder zuließe. Aber ich bleibe dran.«
»Danke, Hank. Milo und ich nehmen uns heute Abend Holbrocks Läden vor. In der vergangenen Nacht wurde vor Benny‘s Lounge ein Dealer erschossen. Wir vermuten einen Zusammenhang mit dem Massenmord in Brooklyn. Vielleicht solltest du dich in Hollisters Bars und Clubs ein wenig umhören. Ich gebe dir die Namen der Läden und die Anschriften durch. Hast du was zum Schreiben?«
»Einen Moment.« Kurz darauf erklang wieder Hanks Stimme. »Du kannst loslegen, Jesse.«
Ich diktierte ihm die Namen der Etablissements und die jeweils dazugehörige Anschrift.
»Ich melde mich morgen bei dir, Jesse«, versprach Hank. »Aber nicht vor Mittag. Du hast sicher nichts dagegen, dass ich ausschlafen möchte.«
»Ein unausgeschlafener Mann ist nur halbwertig«, lachte ich. »Ich warte auf deinen Anruf.«
»Wenn ich ausgeschlafen bin.«
»Natürlich.«
Dann war die Leitung tot. Ich legte auf. »Ob Lana Hollister schon mit Sanders gesprochen hat?«
»Fragen wir Sanders einfach«, sagte Milo. Und schon zwei Minuten später hatte er Hollisters Geschäftsführer an der Strippe. Milo formulierte seine Frage.
Sanders sagte: »Ja, Lana hat mit mir gesprochen. Sie hat mir ein gutes Angebot unterbreitet, und ich habe angenommen. Ich werde die Lokale treuhänderisch führen und bin an keinerlei Weisungen gebunden. Ich musste mich lediglich verpflichten, nicht in die eigene Tasche zu wirtschaften.«
»Dann sind also Sie ab sofort der große Mann nördlich der siebenundfünfzigsten Straße«, erklärte Milo.
»Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
»Doch, das wissen Sie. Aber sei‘s drum. In der Nacht wurde vor einem von Holbrocks Etablissements ein Dealer erschossen. Es ist nicht auszuschließen, dass der Mord in einem engen Zusammenhang mit dem Mord an Joshua Hollister zu sehen ist.«
»Warum sagen Sie mir das?«
»Weil wir nicht ausschließen, dass auch Ihr Leben gefährdet ist.«
»Ich weiß mich zu schützen.«
»Sie schließen es also selbst nicht aus?«
»Ich weiß nicht, was gespielt wird. Weiß der Teufel, wer hinter Hollisters Ermordung steckt. Ein Grund für den Mord ist für mich nicht erkennbar.«
»Aber für uns«, sagte Milo, dann verabschiedete er sich und knallte den Hörer auf den Apparat. »Wir tappen im Finstern«, knurrte mein Kollege. »Und das geht mir an die Nieren. Irgendetwas wird vorbereitet. Was, weiß ich nicht. Aber ich ahne, dass wir wie zwei Weizenkörner zwischen den Mühlsteinen stehen werden. Und wenn wir nicht aufpassen, werden wir zermalmt.«
»Du malst den Teufel an die Wand«, brummte ich.
»Nein, Partner. Ich zähle lediglich eins und eins zusammen.«
9
Um kurz vor 22 Uhr betraten wir den »Ocean Club« in der 22nd Street. Der Laden war ziemlich voll. Auf einer Bühne tanzte eine sauber gewachsene Lady mit langen, blonden Haaren. Kaum jemand achtete auf uns. Wir setzten uns an die Theke. Ein Keeper näherte sich uns, und wir bestellten Wasser. Er verzog das Gesicht, brachte aber das Gewünschte.
Ich schaute mich um. Das Publikum war überwiegend männlich. Gierige Blicke hingen an dem Go-Go-Girl, das sich an einer verchromten Stange verrenkte und lediglich einen knappen Tanga und kniehohe Stiefel trug. Die Lady war aber auch eine Augenweide.
An einem der Tische saß ein Mann allein. Mir fiel auf, dass er eine Sonnenbrille trug und sein Gesicht einige Blessuren aufwies. Er war jung, höchstens zwanzig Jahre. Und er interessierte sich scheinbar nicht für den Tanz der schönen Lady. Er saß da, als würde er vor sich hin dösen.
Der Tanz endete. Die Blondine verschwand von der Bühne. Die Gäste begleiteten ihren Abgang mit stürmischem Applaus. Sie winkte lachend in die Runde. Dem Tisch mit dem ramponierten Burschen näherte sich ein Mann. Er setzte sich und beugte sich vor, ich sah, dass sich seine Lippen bewegten. Der Bursche mit dem malträtierten Gesicht nickte, erwiderte etwas, dann erhoben sich die beiden und verließen den Club.
Ich folgte ihnen nach draußen. Milo blieb an der Bar sitzen. Die beiden standen bei einem weißen Ford. Die Beifahrertür stand offen. Soeben ließ der Bursche, dessen Gesicht Spuren von Gewaltanwendung aufwies, etwas in seiner Tasche verschwinden. Er warf die Autotür zu.
Ich zog meine Schlüsse. Der andere Mann übernahm etwas, schwang herum und schritt davon. Der Bursche mit dem zerschlagenen Gesicht näherte sich mir. Ich hatte mich ein Stück von der Tür entfernt und stand im Schatten der Hofeinfahrt. Als der Bursche die Tür erreichte, rief ich: »Einen Moment.«
Er blieb stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand gelaufen. Sein Gesicht zuckte zu mir herum. Ich trat aus dem Schatten und ging auf den Burschen zu.
»Was ist los?«, fragte er.
»Ich habe ein paar Fragen an Sie«, erklärte ich.
Er schien zu begreifen. Unvermittelt warf er sich herum und ergriff die Flucht. Auch ich spurtete los. Er hatte etwa vier Schritte Vorsprung.
»Bleiben Sie stehen!«, rief ich. Er dachte nicht daran und rannte wie ein Wiesel. Meine Schritte trappelten. Ich war gut trainiert. Der Bursche warf einen Blick über die Schulter und schien zu der Erkenntnis zu gelangen, dass er mir nicht entkommen konnte. Er wirbelte herum und griff mich an. Ich unterlief seinen Schlag, drehte mich in ihn hinein und warf ihn über die Hüfte. Er krachte der Länge nach auf den Gehsteig und schnappte nach Luft. Ich packte ihn mit beiden Fäusten am Hemd und zerrte ihn auf die Beine.
»Was wollen Sie von mir?«, keuchte der Kerl, nachdem er wieder Luft bekam.
»Was haben Sie eben dem Mann verkauft? Rauschgift?«
»Wer – wer sind Sie?«
»Special Agent Trevellian, FBI. Raus mit der Sprache. Natürlich können Sie auch schweigen. Aber wir werden Ihren Wagen durchsuchen und sicher fündig werden.«
Ich holte mein Handy aus der Tasche und wählte Milos Nummer. Als er sich meldete, sagte ich: »Volltreffer. Du kannst kommen.«
Ich bugsierte den Dealer zum Sportwagen. Milo trat ins Freie und kam heran.
»Wie ist Ihr Name?«, fragte ich den Dealer.
»Gregg Watson.«
»Okay, Watson. Wir haben Sie auf frischer Tat ertappt. Ihr Wagen wird beschlagnahmt. Wir werden Sie jetzt ins Field Office bringen und Ihnen ein paar Fragen stellen.«
»Bin ich verhaftet?«
»Vorläufig festgenommen – ja.« Ich klärte den Burschen über seine Rechte auf. Währenddessen telefonierte Milo mit der SRD. Sie sollte sich um den weißen Ford kümmern.
Im Bundesgebäude führten wir sofort eine Vernehmung durch. Watson saß wie ein Häufchen Elend an dem Tisch in der Raummitte. Weißes Neonlicht fiel auf ihn. Milo hockte auf der Tischkante und hielt die Arme vor der Brust verschränkt. Ich hatte Watson gegenüber Platz genommen.
»Leugnen ist zwecklos«, sagte ich. »Kooperation kann sich für Sie nur positiv erweisen. Sie verstehen?«
»Von mir erfahrt ihr nichts.«
»Aber Sie leugnen nicht, Drogen vor dem Ocean Club verkauft zu haben.«
»Es hat wohl keinen Sinn, es bestreiten zu wollen.«
»In wessen Auftrag verkaufen Sie die Drogen?«
»Ich verkaufe sie in eigener Regie. Ich bin süchtig. Mit dem Gewinn aus dem Drogenhandel decke ich meinen eigenen Bedarf.«
»Der Ocean Club gehört einem Mann namens Mathew Holbrock«, mischte sich Milo ein.
»Schon möglich.«
»Wer hat Sie zusammengeschlagen?«, fragte ich.
»Es geschah in der vorigen Nacht. Zwei Männer wollten Drogen kaufen. Als ich ihnen den Stoff übergab, fielen Sie über mich her und schlugen mich zusammen.«
»Kennen Sie Burt Callagher?«, fragte ich.
Watson presste die Lippen zusammen.
»Sie kennen ihn also.«
»Er wurde in der vergangenen Nacht ermordet«, murmelte Watson.
»Warum wollen Sie nicht zugeben, dass Sie für Holbrock arbeiten?«, fragte ich.
Watson blieb mir eine Antwort schuldig und schwieg verbissen.
»Sprachen die beiden Kerle etwas?«, fragte Milo.
»Nein. Sie schlugen und traten mich zusammen und verschwanden mit meinen Drogen.«
»Und Sie können den Verlust einfach so verschmerzen? – Gehen Sie einer geregelten Arbeit nach?«
»Ich – ich übe Gelegenheitsjobs aus.«
»Und das Einkommen hieraus reicht, um die Drogen zu bezahlen, mit denen Sie handeln?«
»Der Handel wirft Gewinne ab.«
»Mit denen Sie Ihren Eigenbedarf decken«, knurrte Milo. »Fürchten Sie Konsequenzen, wenn Sie sprechen?«
Watson nagte an seiner Unterlippe. Er schien mit sich zu kämpfen. Plötzlich nickte er. »Na schön, ich will auspacken. Die Drogen habe ich von Holbrock. Ich verkaufe sie in seinem Auftrag. In der vergangenen Nacht wurde nicht nur ich überfallen. James Hancock, der im Club Andalusia Drogen verkaufte, wurde ebenfalls zusammengeschlagen. Fred Bailey, der im Club 66 arbeitete, wurde überfallen, doch ihm gelang die Flucht. Wir hatten am Abend eine Versammlung im Hinterzimmer des Ocean Clubs. Holbrock hat uns auf seine Sache eingeschworen. Fred Bailey weigerte sich, weiterhin Drogen zu verkaufen. Holbrock ließ ihn von seinen Bodyguards zusammenschlagen.«
Wir wussten genug und ließen Watson abführen.
»Damit dürften wir Holbrock am Wickel haben«, murmelte Milo, als wir auf dem Weg in die Tiefgarage waren. »Kassieren wir den Burschen heute noch, oder gewähren wir ihm noch eine Galgenfrist bis morgen früh?«
»Wir verlieren keine Zeit«, sagte ich.
Minuten später waren wir unterwegs zur 52nd Street.
10
Es waren drei Kerle, die gegen null Uhr »Seymour‘s Inn« betraten. Sie schauten sich um. Das Lokal war gut besucht. Hinter der Theke hantierten zwei Keeper. Leise Musik lief im Hintergrund. Stimmendurcheinander erhob sich.
Die drei Männer bauten sich am Tresen auf. Einer der Keeper kam heran. »Was darf ich Ihnen bringen?«
»Wir wollen den Geschäftsführer sprechen«, erklärte einer.
Der Keeper runzelte die Stirn. »Barkley sitzt dort am Tisch.« Er wies mit dem Kinn in eine bestimmte Richtung.
»Hol ihn her.«
»Was wollt ihr denn von ihm?«
»Das werden wir ihm selber sagen.«
Der Keeper fügte sich. Er kam hinter der Theke hervor und begab sich zu dem Tisch, beugte sich über Steve Barkley und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Barkleys Blick suchte die drei Kerle, schließlich erhob er sich und näherte sich ihnen. Als er sie erreichte, fragte er: »Was darf‘s sein?« Er verhielt sich reserviert. Es war, als ahnte er das Unheil, das auf ihn zukam.
»Wir haben das Gefühl, dass dieser Laden unseres Schutzes bedarf«, sagte einer der Kerle, ein Bursche mit langen blonden Haaren, die er am Hinterkopf zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. »Natürlich geht das nicht umsonst.«
Barkleys Mundwinkel sanken nach unten. »Ich begreife. Es geht um Schutzgeldzahlungen. Was ist, wenn ich mich weigere?«
Der Sprecher des Trios grinste herablassend. »Es würde sich nicht auszahlen.«
»Wie viel?«
»Dreitausend im Monat.«
»Ihr seid verrückt.«
»Der Laden trägt es«, murmelte der Blondhaarige. »Wir haben uns kundig gemacht. Du hast keine große Wahl, Barkley. Entweder zu zahlst, oder du kannst den Laden bald zusperren. – Du hast zwei Tage Zeit, es dir zu überlegen. Übermorgen Abend holen wir uns die Antwort ab. Bei dieser Gelegenheit ist auch gleich die erste Zahlung fällig.«
Die drei verließen die Bar. Barkley holte sein Handy aus der Tasche und stellte eine Verbindung her.
11
Ich fand vor dem Gebäude Nummer 248 in der 52nd Street einen Parkplatz, in den ich den Sportwagen rangierte. Wir stiegen aus. Kühler Nachtwind streifte mein Gesicht. Es war kurz nach Mitternacht. Ich verspürte eine grimmige Genugtuung. Endlich hatten wir gegen Holbrock etwas in die Hand bekommen.
Wenig später läuteten wir an Holbrocks Tür. In der Wohnung rührte sich nichts. Noch einmal legte Milo den Finger auf den Klingelknopf. Nichts!
»Gehen wir hinein?«, fragte Milo.
Ich zögerte ein wenig. Schließlich nickte ich. »Ja, sperr auf.« Ich wusste selbst nicht, was mich leitete. Es war ein unbestimmtes Gefühl. Bei Gefahr im Verzug durften wir eine Wohnung auch ohne entsprechende richterliche Anordnung betreten.
Milo holte sein Etui mit den Spezialdietrichen aus der Jackentasche und benötigte keine fünfzehn Sekunden, um das Türschloss zu knacken. Meine Hand ertastete den Lichtschalter. Das Licht flammte auf. Das Wohnzimmer war verwaist. Die Tür zu seinem angrenzenden Raum stand offen. Milo glitt hin und schaltete das Licht ein.
»Großer Gott!«, entfuhr es ihm. Fassungslosigkeit zeichnete sein Gesicht.
Ich wandte mich der Tür zu. Es handelte sich um das Schlafzimmer. Holbrock und seine Frau lagen in den Betten. Es sah aus, als schliefen sie, aber da war Blut – viel Blut. Die beiden waren mit Kopfschüssen getötet worden. Beim Austritt hatten die Geschosse furchtbare Wunden in die Köpfe gerissen.
Ich verspürte ein Würgen in der Kehle. Mein Mund war wie ausgetrocknet. Die Mörder mussten die beiden im Schlaf überrascht haben. Ich zog mein Handy aus der Tasche und rief beim Police Department an.
12
Um 8 Uhr fanden wir uns bei Mr. McKee ein. Wir berichteten. Der Assistant Director unterbrach uns kein einziges Mal. Ich endete mit den Worten: »Was den Mördern in Brooklyn nicht gelang, haben sie in der vergangenen Nacht nachgeholt, Sir. Nun sind beide Bosse tot. Die Frage wird nun sein, wer Holbrocks Nachfolge antritt.«
»Erbe dürfte sein Sohn sein«, sagte Milo. »Der Junge befindet sich in einem Internat.«
»Das Erbe, ja«, sagte ich. »Als Nachfolger Holbrocks dürfte der Siebzehnjährige aber kaum in Frage kommen.«
»Auf Holbrocks Dealer wurden verschiedene Anschläge verübt«, murmelte Milo. »Wer immer dahintersteckt, er verfolgte eine Taktik der Einschüchterung. Holbrock hat seine Leute gezwungen, weiterhin Drogen zu verkaufen. Die Rechnung des Unbekannten ist nicht aufgegangen. Also schickte er einen Mörder zu Holbrock.«
»Seltsam ist, dass sich die Attacken nur gegen Holbrock richteten«, gab ich zu bedenken.
»Dein Verdacht richtet sich gegen Broderick Sanders«, knurrte Milo.
»Sanders hat sich an den Platz von Joshua Hollister geschwungen. Es ist nicht auszuschließen, dass er die Hände auch nach dem Süden Manhattans ausstreckt.«
»Das sollten Sie im Auge behalten, Special Agents«, murmelte Mr. McKee.
»Wir werden sehen müssen, was die Spurensicherung in Holbrocks Wohnung ergibt«, sagte ich. »Vielleicht hat der Mörder einen Hinweis auf seine Identität hinterlassen.«
»Wer immer den Mord auch ausführte«, wandte Milo ein, »er war kein Dilettant. Da war ein Profi am Werk.«
»Du verstehst es, einen zu desillusionieren«, sagte ich.
Milo zuckte mit den Schultern. »Wir sollten uns keine falschen Hoffnungen machen.«
»Bringen Sie mir Ergebnisse, G-men«, sagte Mr. McKee. »Egal, wer dahintersteckt. Er stellt eine Gefahr dar, und darum müssen Sie ihm das Handwerk legen.«
Wir kehrten in unser Büro zurück. Mein Telefon läutete. Es war ein Kollege aus dem Police Department. Er sagte: »Uns liegt eine Anzeige vor. Es geht um Schutzgelderpressung. Ein Mann namens Jack Seymour hat sich an uns gewandt. Ihm gehört Seymour‘s Inn in der Greenwich Avenue. In der vergangenen Nacht wandten sich drei Kerle an Seymours Geschäftsführer und forderten Schutzgeld. Sie wollen sich morgen Abend die Antwort und die erste Zahlung abholen.«
»Warum wenden Sie sich damit an uns?«, fragte ich den Beamten.
»Man hat mich an Sie verwiesen. Die Greenwich Avenue gehört zu Holbrocks Revier. Wir nehmen an, dass ein Zusammenhang zwischen dem Massenmord in Brooklyn, dem Mord an Callagher und der Schutzgelderpressung besteht. Und da Sie in diesen Mordsachen die Ermittlungen betreiben …«
»Wer hat Sie an uns verwiesen?«
»Detective Lieutenant Dick Hanson.«
»Bestellen Sie Hanson schöne Grüße von uns«, sagte ich, dann fügte ich hinzu: »Wir kümmern uns drum. Wie heißt der Geschäftsführer von Seymour‘s Inn?«
»Steve Barkley. Er wohnt in zweihundertvierzehn East, dritte Straße.«
»Danke. Wir werden uns mit ihm unterhalten.«
Milo, der aufgrund des aktivierten Lautsprechers alles hören hatte können, sagte: »Das bedeutet, dass wir morgen wieder einmal Überstunden machen werden.«
»Ja«, pflichtete ich bei, »das bedeutet es.« Ich rief bei der SRD an und ließ mich mit dem Beamten verbinden, der die Ermittlungen im Mordfall Holbrock leitete. Sein Name war Sherman, sein Dienstgrad Captain. »Gibt es schon irgendwelche Erkenntnisse?«, fragte ich, nachdem ich meinen Namen genannt hatte.
»Wir haben eine Reihe von Fingerabdrücken festgestellt«, erwiderte der Kollege. »Eine Autopsie der beiden Leichen hat noch nicht stattgefunden. Die Geschosse, mit denen die beiden erschossen wurden, haben wir sichergestellt. Aber sie sind dermaßen verformt, dass sich zwar das Kaliber bestimmen lässt, sonst aber nichts. Wir haben sie trotzdem an die Ballistik abgegeben. Sollten wir zu irgendwelchen Ergebnissen gelangen, setze ich Sie unvermittelt in Kenntnis, Trevellian.«
Ich bedankte mich, legte auf und schaute Milo an. »Kümmern wir uns um James Hancock und Fred Bailey, die beiden Dealer.«
Fred Bailey wohnte in der 96th Straße. Es handelte sich um eine Kellerwohnung. Eine Klingel gab es nicht. Ich pochte mit den Knöcheln meiner Rechten gegen die Tür. Gleich darauf wurde uns geöffnet. Bailey trug nur eine ausgewaschene Jeans und ein ärmelloses Unterhemd. Er sah ausgemergelt und krank aus. Auf seinem Jochbein nahm ich einen dunklen Bluterguss wahr, seine Unterlippe war geschwollen und wies eine verkrustete Platzwunde auf.
Der Dealer musterte uns misstrauisch.
»Mister Bailey?«, sagte ich fragend.
»Was wollen Sie?«
»Wir sind die Agents Trevellian und …«
Bailey wollte die Tür zuwerfen, aber ich stellte blitzschnell meinen Fuß zwischen Türschwelle und Türblatt. Und dann warf ich mich meinerseits gegen die Türfüllung. Ich überrumpelte den Dealer. Er taumelte zurück, ich folgte ihm in den Raum. Muffige Luft stieg mir in die Nase.
Der Gangster duckte sich. Es sah aus, als würde er mich im nächsten Moment anspringen. Seine Augen versprühten geradezu Blitze.
»Warum so unfreundlich?«, fragte ich.
»Was wollt ihr?«, wiederholte Bailey seine Frage.
»Sie verkaufen vor dem Club 66 Drogen.«
»Wer behauptet das?«
»Wir wissen es. Wir wissen auch, dass Sie sich gestern Abend weigerten, weiterhin in dem Club Drogen an den Mann zu bringen und dass Holbrock Sie von seinen Schlägern verprügeln ließ.«
»Verdammt! Wer hat geredet?«
Ich ignorierte diese Frage. »Sie wurden vorgestern in der Nacht überfallen. Es war die Nacht, in der Watson und Hancock niedergeschlagen wurden und in der Unbekannte Burt Callagher ermordeten. Sie konnten sich retten. Wie sehen die Kerle aus, die Sie aufmischen wollten?«
»Es war finster, und ich habe sie nicht so genau gesehen. Außerdem hatte ich nicht die Zeit, mir die Kerle so genau anzusehen. Hm, wie sahen sie aus? Zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt, Allerweltsgesichter. Ihre Beschreibung trifft auf tausende New Yorker zu.«
»Wir werden Sie vor einen Computer setzen, Bailey«, erklärte ich. »Und Sie werden sich in Frage kommende Gesichter ansehen. Wenn es sein muss, führen wir Ihnen die gesamte Verbrecherkartei vor.«
»Schon gut, schon gut. Bin ich verhaftet?«
»Sicher. Rauschgifthandel ist kein Kavaliersdelikt. Ich denke, man wird Sie die nächsten Jahre aus dem Verkehr ziehen.«
»Aber …«
»Es gibt keine Entschuldigung«, sagte ich hart, dann brachten wir den Dealer ins Field Office. In einem leerstehenden Büro setzten wir ihn vor den Monitor, ich fuhr das Terminal hoch und klickte das Archiv an. »Nun beschreiben Sie uns mal den Burschen, den Sie am Besten in der Erinnerung behalten haben«, forderte ich den Gangster auf.
Bailey wiegte den Kopf. »Wie ich schon sagte, zwischen zwanzig und dreißig. Etwa eins achtzig groß, schlank, dunkelhaarig. Er hatte einen Bürstenhaarschnitt.«
Ich gab die entsprechenden Kriterien ein. Der Computer spuckte über dreihundert Dateien von Männern aus, auf die die Beschreibung zutraf. Wir ließen die Bilder durchlaufen. Bailey starrte auf den Bildschirm. Immer wieder schüttelte er den Kopf. Plötzlich aber sagte er: »Das ist der Kerl.«
Der Name des Burschen war Herb Granger. Die letzte bekannte Anschrift lautete: 315, West 74th Street. Granger war vierundzwanzig Jahre alt und wegen gefährlicher Körperverletzung vorbestraft.
»Ganz sicher?«, fragte ich.
»Ja. Ein Irrtum ist ausgeschlossen. Er ist es. Jetzt, wo ich das Gesicht sehe, erkenne ich ihn wieder.«
Bailey wurde arretiert. Milo und ich fuhren los. James Hancock, den Dealer, der im »Club Andalusia« Drogen verkaufte, würden wir uns später holen.
13
Die 74th war eine ruhige Straße. Ich parkte den Sportwagen vor dem Gebäude Nummer 315, dann betraten wir das Haus. Es handelte sich um einen Wohnblock mit über zwanzig Parteien. Granger wohnte in der vierten Etage. Das Türschild verriet uns, dass wir richtig waren. Milo läutete. In der Wohnung erklangen Schritte, dann ertönte es: »Wer ist draußen?«
»Die Agents Trevellian und Tucker vom FBI!«, erwiderte Milo.
Eine Verwünschung war zu hören. Ich fackelte nicht lange und warf mich mit der Schulter gegen das Türblatt. Es hielt meinem Anprall nicht stand und flog krachend auf. Die SIG in der Faust wirbelte ich in die Wohnung. »Stehen bleiben!«
Granger wollte gerade in einen der anderen Räume flüchten. Jetzt riss es ihn herum. Geduckt wie ein Mann, der im nächsten Moment seine Flucht fortsetzen würde, stand er da. Ich hatte die Waffe auf ihn gerichtet. Hinter mir kam Milo in das Apartment. Auch er hielt die Dienstwaffe in der Hand.
Granger richtete sich auf. Ohne dazu aufgefordert zu werden, hob er die Hände in Schulterhöhe. Er biss die Zähne zusammen. Hart traten die Backenknochen in seinem Gesicht hervor.
Milo fesselte ihm die Hände auf den Rücken, dann sagte er ihm den Grund seiner Verhaftung und klärte ihn über seine Rechte auf. Zurück im Field Office verhörten wir Granger. Zuerst stellte er sich an. Dann aber rückte er langsam heraus mit der Sprache. Er gab zu, zu dem Trio zu gehören, das die Dealer überfiel und zusammenschlug. Dass er an dem Mord an Burt Callagher beteiligt war, bestritt er.
»Von wem hatten Sie den Auftrag?«
»Von Hal Cassidy.«
»Wer ist das?«
»Ich weiß nichts über ihn, kenne lediglich seinen Namen. Er ist nicht der Boss, sondern dessen Sprachrohr. Hal schickte uns los.«
»Nannte er Ihnen einen Grund?«
»Er sprach davon, dass wir uns den Platz in Manhattan erkämpfen müssten.«
»Und Sie haben keine Ahnung, wer der Hintermann sein könnte?«
»Nicht die geringste.«
»Nennen Sie uns die Namen Ihrer Komplizen.«
Granger nannte sie, Milo schrieb sie in sein Notizbüchlein.
Nachdem Granger abgeführt worden war, begaben wir uns in unser Büro. Hal Cassidy war nicht registriert. Ich schaute im Telefonbuch nach. Es gab drei Männer mit diesem Namen. Einer wohnte in East 44th Street, einer in Staten Island, der dritte in Brooklyn.
Ich tippte, dass Hal Cassidy in der 44th Street unser Mann war. Also machten wir uns auf die Socken. Cassidy wohnte in der neunten Etage. Wir benutzten den Aufzug. Ich läutete. Niemand öffnete uns. Wir versuchten es bei der Nachbarwohnung. Ein älterer Mann öffnete uns und musterte uns fragend. Ich erklärte, wer wir waren, dann fragte ich nach Hal Cassidy.
»Wir haben ein paar Fragen an Mister Cassidy«, sagte ich. »Allerdings ist er nicht zu Hause. Ist er vielleicht auf der Arbeit?«
»Kaum vorstellbar. Cassidy geht keiner geregelten Arbeit nach. An den Abenden verlässt er immer die Wohnung. Kein Mensch weiß, was er treibt. Ich kann Ihnen nicht sagen, wo er sich gegebenenfalls herumtreibt. Es ist ein komischer Kauz, der nicht mal grüßt. Ich habe keinerlei Kontakt zu ihm.«
»Wie sieht Cassidy aus?«
»Eins fünfundachtzig groß, durchtrainiert, solariengebräunt. Er hat lange, schwarze Haare, die er am Hinterkopf meistens zusammengebunden hat. Er dürfte um die vierzig sein.«
Wir verließen die Wohnung und setzten uns in den Sportwagen. Nach einer Stunde etwa fuhr ein dunkelgrüner Chevy vor. Ein Mann, auf den die Beschreibung von Cassidy passte, stieg aus.
»Das ist er!«, stieß Milo hervor.
»Ja. Schnappen wir ihn uns.«